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BGH: Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht - Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten Termins bedarf es nicht

BGH
Urteil vom 13.06.2016
VIII ZR 49/15


Der BGH hat mit dieser Entscheidung die Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht präzisiert. Insbesondere ist die Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten Termins nicht zwingend erforderlich. Es genügen Formulierungen wie "unverzüglich", "sofort" oder ähnliche Begriffe.

Die Pressemitteilung des BGH:

BGH präzisiert Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB und § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB zu stellen sind.

Sachverhalt:

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten, die ein Küchenstudio betreibt, eine Einbauküche zum Gesamtpreis von 82.913,24 € brutto. Die Küche wurde Mitte Januar 2009 im Haushalt der Klägerin eingebaut. Der Ehemann der Klägerin beanstandete in einem Gespräch mit dem Inhaber der Beklagten am 29. Januar oder 2. Februar 2009 mehrere Sachmängel der Einbauküche. Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe "unverzügliche" Beseitigung der gerügten Mängel verlangt.

Mit einer E-Mail vom 16. Februar 2009 äußerte die Klägerin die Bitte um schnelle Behebung von näher bezeichneten Mängeln, die sich zusätzlich bemerkbar gemacht hätten. Mit Schreiben vom 11. März 2009 listete die Klägerin alle ihr bekannten Mängel auf und verlangte, diese bis zum 27. März 2009 zu beheben. Nach Behauptung der Klägerin habe der Inhaber der Beklagten ihr daraufhin am 16. März 2009 telefonisch zugesagt, die Küche werde bis zum 23. März 2009 "fix und fertig" gestellt. Nach Ausbleiben der Mängelbeseitigung erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2009 den Rücktritt vom Vertrag.

In einem von der Klägerin eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren kam der Sachverständige im Juli 2009 zu dem Befund, dass die wichtigsten Bereiche der Einbauküche nicht oder nur bedingt funktionierten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Rückabwicklung des Vertrages sowie Schadensersatz gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Klägerin es versäumt habe, der Beklagten vor dem am 31. März 2009 erklärten Rücktritt eine angemessene Frist zur Nachbesserung der gerügten Mängel zu setzen, für die es eine Zeit von vier bis sechs Wochen als angemessen erachtet hat.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in Bestätigung und Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass es für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung genügt, wenn der Käufer durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Verkäufer für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-) Termins bedarf es dabei nicht.

Insbesondere das in der E-Mail vom 16. Februar 2009 mit auf fünf Seiten konkretisierten Mängeln der Einbauküche und der Bitte um "schnelle Behebung" versehene Nachbesserungsverlangen der Klägerin enthielt eine ausreichende Fristsetzung. Denn mit einer derartigen Formulierung wird dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf. Trotz der gewählten höflichen Bezeichnung als "Bitte" ließ die Klägerin dabei auch keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nacherfüllungsverlangens aufkommen, zumal der E-Mail bereits die mündliche Nachbesserungsaufforderung vom 29. Januar/2. Februar 2009 vorausgegangen war. Die nach Zugang dieser E-Mail bis zur Rücktrittserklärung verstrichene Zeit von sechs Wochen war nach der insoweit nicht angegriffenen Beurteilung des Oberlandesgerichts zur Nachbesserung auch angemessen.

Außerdem hat das Oberlandesgericht verkannt, dass nach der genannten Senatsrechtsprechung auch die von der Klägerin behaupteten mündlichen Mängelrügen ihres Ehemannes am 29. Januar/ 2. Februar 2009 - die ihr zuzurechnen wären - mit dem Verlangen "unverzüglicher" Beseitigung der Mängel Grundlage eines tauglichen Nachbesserungsverlangens sein könnten. Weiterhin hat es im Zusammenhang mit der Nachbesserungsaufforderung vom 11. März 2009, die mit einer - zu kurzen - Fristsetzung versehen war, der unter Beweis gestellten der Behauptung der Klägerin, der Inhaber der Beklagten habe ihr in einem Telefonat zugesagt, dass die Einbauküche bereits zum 23. März 2009 "fix und fertig" gestellt würde, zu Unrecht keine Bedeutung zugemessen. Denn auch eine objektiv zu kurze Nachbesserungsfrist darf der Gläubiger als angemessen ansehen, wenn der Verkäufer sie dem Käufer selbst vorgeschlagen hat.

Überdies spricht - jedenfalls nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin - schließlich alles dafür, dass die Klägerin gemäß § 440 Satz 1 Var. 3 BGB sogar ohne vorherige Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt war, weil die ihr zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar war. Um dies zu beurteilen, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen - insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei Übergabe einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist. Das Oberlandesgericht hat auch insoweit den Tatsachenvortrag der Klägerin unzureichend gewürdigt und außer Acht gelassen, dass diese eine ungewöhnliche Häufung grober Montagemängel beanstandet hatte.

Der Senat hat nach alledem das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Oberlandesgericht zurückverwiesen, der insbesondere Beweis über die behaupteten Sachmängel zu erheben haben wird.

§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistung

(1) 1Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zu Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten

[…]

§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.

[…]
§ 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

1Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist.

[…]

Vorinstanzen:

Landgericht München I - Urteil vom 10. März 2014 (34 O 9440/10)

Oberlandesgericht München - Urteil vom 30. September 2014 (18 U 1270/14)



AG Bremen: Ankündigung "8-16 Uhr" für Techniker eines Telekommunikationsunternehmens nicht zumutbar - Keine Wartepflicht und kein Annahmeverzug des Kunden

AG Bremen
14.03.2013
9 C 481/12


Das AG Bremen hat völlig zu Recht entschieden, dass die Ankündigung "8-16 Uhr" für das Erscheinen des Technikers eines Telekommunikationsunternehmens nicht zumutbar ist. Eine derart unbestimmte Ankündigung kann keine Wartepflicht und keinen Annahmeverzug des Kunden begründen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach Ansicht des Gerichts sind die von den Telekommunikationsanbietern werktags angebotenen Termine "8-16 Uhr" grundsätzlich nicht geeignet, einen Annahmeverzug des Kunden zu begründen. Einem, heutzutage oftmals in einem Einzelhaushalt lebenden, Arbeitnehmer ist es nicht zuzumuten, einen ganzen Arbeits- bzw. Urlaubstag zu opfern, um gegebenenfalls nach achtstündiger Wartezeit einem Techniker den regelmäßig nur Minuten andauernden Ortstermin zu ermöglichen."

BGH: Zur Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei zum Termin, Festsetzung eines Ordnungsgelds und Vollmacht nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO

BGH
Beschlus vom 2.06.2011
I ZB 77/10
ZPO § 141 Abs. 3 Satz 1

Leitsätze des BGH:

a) Für die Frage, ob das Fernbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen im Termin nach § 141 ZPO angeordnet ist, genügend entschuldigt ist, kommt es nicht auf ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an; die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

b) Da ein Ordnungsgeld nur festgesetzt werden kann, wenn das unentschuldigte Ausbleiben einer Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, scheidet die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 3 Satz 1, § 381 ZPO aus, falls eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung scheitert und die Erledigung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme in einem gesonderten Termin erfordert.

BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - I ZB 77/10 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

Den Volltext der Entcheidung finden Sie hier: