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OLG Hamm: § 43b Satz 1 TKG gilt nicht zwischen Vermieter und Mieter - kein eigenständiges Kündigungsrecht des Mieters für vom Vermieter gestellten Breitbandkabelanschluss

OLG Hamm
Urteil vom 28.05.2020
4 U 82/19


Das OLG Hamm hat entschieden, dass § 43b Satz 1 TKG im Verhältnis zwischen Vermieter und Mietern nicht anwendbar ist und kein eigenständiges Kündigungsrecht des Mieters für einen vom Vermieter gestellten Breitbandkabelanschluss besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

§ 43b Satz 1 TKG ist im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern nicht anwendbar, weil zwischen der Beklagten und ihren jeweiligen Mietern kein Vertrag über die Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste besteht.

(1) § 43b Satz 1 TKG bestimmt, dass die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten darf, und trifft damit eine Bestimmung über den zulässigen und unzulässigen Inhalt von Verträgen. Die Vorschrift beschreibt indes nicht ausdrücklich, für welche Arten von Verträgen (Vertragstypen) diese Inhaltsbestimmung gelten soll. Es liegt indes auf der Hand, dass die Vorschrift (nur) für Verträge gelten soll, die der Anbieter gerade in seiner Eigenschaft als „Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten“ geschlossen hat, also nur für Verträge über die Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste und nicht für jedweden Vertrag, dessen Vertragspartner (zufällig) auf der einen Seite ein Verbraucher und auf der anderen Seite ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind, Geltung beansprucht. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Erwähnung des „Teilnehmers“ in § 43b Satz 2 TKG (die in § 43b Satz 1 TKG genannten „Verbraucher“ sind eine Teilmenge der Personengruppe der „Teilnehmer“): „Teilnehmer“ ist nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 20 TKG jede natürliche oder juristische Person, die mit einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten einen Vertrag über die Erbringung derartiger Dienste geschlossen hat (Hervorhebungen durch den Senat).

(2) Zwischen der Beklagten und ihren jeweiligen Mietern besteht kein Vertrag über die Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste.

(a) Es ist bereits fraglich, ob die im Rahmen des Mietverhältnisses erfolgende Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen überhaupt ein „Telekommunikationsdienst“ im Sinne des Telekommunikationsgesetzes ist. „Telekommunikationsdienste“ sind nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 24 TKG „in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen“.

(aa) Die Übertragung von Fernseh- und Hörfunksignalen reicht nach der vorstehenden Legaldefinition als Übertragungsgegenstand für einen Telekommunikationsdienst aus. Das Vorliegen eines Telekommunikationsdienstes lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, die Beklagte sei gegenüber ihren Mietern nicht für die Signalübertragung verantwortlich. Der Vermieter hat nämlich neben der reinen Überlassung der Mietsache auch sämtliche Leistungen, aus denen Betriebskosten resultieren, als mietvertragliche Pflicht zu erbringen (Zehelein in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. [2020], § 556 Rdnr. 5). Im Falle eines Signalausfalls haftet die Beklagte gegenüber ihren Mietern nach den mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften (§§ 536 ff. BGB). Dass die Beklagte die Verantwortung für die sogenannte „Netzebene 4“ auf die N GmbH übertragen hat, ist im Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern ohne Belang.

(bb) Es ist indes fraglich, ob die Leistungspflicht der Beklagten im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG „ganz oder überwiegend“ (vgl. allgemein zu diesem Tatbestandsmerkmal: EuGH, Urteil vom 13.06.2019 – C-193-18 – , Rdnr. 34 ff.; OVG NRW, Urteil vom 05.02.2020 – 13 A 17/16, Rdnr. 42 ff.) in der Übertragung von Signalen besteht. Sollte zur Ermittlung des Anteils der Signalübertragung an der Leistung der Beklagten auf deren Gesamtleistung, deren wesentlicher Kern die Gewährung des Gebrauchs der vermieteten Wohnung ist (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB), abzustellen sein, wäre die von der Beklagten geschuldete Signalübertragung lediglich eine von mehreren nachgeordneten Nebenleistungen und keineswegs der „überwiegende“ Teil der Leistung.

(b) Der in der Übertragung von Signalen bestehende Dienst der Beklagten ist aber jedenfalls nicht „öffentlich zugänglich“ (a.A. für die Versorgung vermieteter Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen: Busch/Riewerts, Kommunikation & Recht 2017, 769 [772 f.]). „Öffentlich zugänglich“ ist ein Telekommunikationsdienst nach § 3 Nr. 17a TKG dann, wenn er der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Unter „Öffentlichkeit“ ist jeder unbestimmte Personenkreis zu verstehen (Schütz in: Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. [2013], § 6 Rdnr. 44) bzw. – anders ausgedrückt – jede beliebige natürliche oder juristische Person, die nach Eigenart der jeweiligen Leistung als Empfänger, Nutzer oder Verbraucher in Betracht kommt (OVG NRW, MMR 2002, 636). Bei den Mietern eines Mehrfamilienwohnhauses handelt es sich hingegen nicht um einen unbestimmten Personenkreis, sondern um eine von der Öffentlichkeit durch ihre Eigenschaft als Mieter von Wohnungen in bestimmten Immobilien klar abgegrenzte Personengruppe. Die Leistung der Beklagten steht auch nicht jeder Person, die nach der Eigenart der Leistung als Nutzer in Betracht kommt, zur Verfügung, sondern nur einem (kleinen) Teil dieser Personengruppe, nämlich den Mietern der Wohnungen der Beklagten. Dass die Beklagte ihre Wohnungen „öffentlich“ auf dem Wohnungsmarkt anbietet, ändert hieran nichts. Denn in den Genuss der Signalübertragungsleistung der Beklagten kann nicht jeder Fernseh- und Hörfunkinteressierte kommen, sondern nur solche Personen, die an dem Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogrammen interessiert sind und zusätzlich noch eine weitere persönliche Voraussetzung, nämlich den Abschluss eines Mietvertrages mit der Beklagten, erfüllen.

cc) § 43b Satz 1 TKG ist im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern auch nicht analog anwendbar. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. § 43b TKG ist durch Art. 1 Nr. 35 des „Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen“ vom 03.05.2012 (BGBl. 2012 I, S. 958) in das Telekommunikationsgesetz eingefügt worden. Durch Art. 4 des vorerwähnten „Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen“ vom 03.05.2012 ist § 2 Nr. 15 lit. b) der Betriebskostenverordnung, der die Umlage der laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse (frühere Fassung: „laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse“) auf die Mieter ermöglicht, neu gefasst worden. Der Gesetzgeber hat mithin in demselben Gesetz sowohl den Kunden- und Verbraucherschutz im Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes als auch das miet- und betriebskostenrechtliche Umlageverhältnis geregelt, ohne im Mietrecht Schutzvorschriften einzuführen, die inhaltlich dem Regelungsgehalt des § 43b TKG entsprechen. Das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke muss vor diesem Hintergrund verneint werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BVerwG: Vergabe der 5G-Frequenzen durch Bundesnetzagentur im Wege der Versteigerung rechtmäßig - Telefonica

BVerwG
Urteil vom 24.05.2020
6 C 3.19


Das BVerwG hat entschieden, dass die Vergabe der 5G-Frequenzen durch die Bundesnetzagentur im Wege der Versteigerung rechtmäßig ar.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Entscheidungen über die Vergabe von Frequenzen für 5 G im Wege der Versteigerung sind rechtmäßig

Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur über die Vergabe der für den Ausbau von 5 G-Infrastrukturen besonders geeigneten Frequenzen bei 2 GHz und 3,6 GHz im Wege der Versteigerung sind rechtmäßig. Die Klage einer Mobilfunknetzbetreiberin gegen den Beschluss der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 14. Mai 2018, der diese Entscheidungen für die genannten Frequenzen umfasst, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen.

Sollen knappe Frequenzen im Wege eines Vergabeverfahrens vergeben werden, muss die Bundesnetzagentur auf der Grundlage von § 55 Abs. 10 sowie § 61 Abs. 1 bis 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) durch ihre hierfür zuständige Präsidentenkammer vier Entscheidungen treffen: Die Anordnung eines Vergabeverfahrens (Entscheidung I), die Auswahl des Versteigerungsverfahrens oder des Ausschreibungsverfahrens als Verfahrensart (Entscheidung II), die Ausgestaltung der Vergabebedingungen (Entscheidung III) sowie die Ausgestaltung der Versteigerungs- bzw. Ausschreibungsregeln (Entscheidung IV). Der Beschluss vom 14. Mai 2018 enthält die Entscheidungen I und II für das 2 GHz-Band und das 3,6 GHz-Band.

Die Knappheit von Frequenzen, die nach § 55 Abs. 10 TKG Voraussetzung für die Anordnung eines Vergabeverfahrens ist, kann sich daraus ergeben, dass die Bundesnetzagentur auf der Grundlage eines von ihr festgestellten Bedarfs an bestimmten Frequenzen einen zukünftigen Überhang von Zuteilungsanträgen prognostiziert. Die Knappheitsfeststellung setzt regelmäßig eine regulatorische Entscheidung darüber voraus, welche Frequenzen zu gegebener Zeit für einen näher konkretisierten Nutzungszweck bereitgestellt werden. Diese Bereitstellungsentscheidung kann sich auf § 55 Abs. 5 Satz 2 TKG stützen und hängt deshalb von der Vereinbarkeit der Nutzung mit den Regelungszielen des § 2 Abs. 2 TKG ab. Der Bundesnetzagentur steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu, der durch eine Abwägung auszufüllen ist.

Als Vorfrage ihrer Vergabeanordnung hat die Präsidentenkammer entschieden, dass die Frequenzen des 2 GHz-Bandes und aus dem 3,6 GHz-Band die Frequenzen im Bereich von 3400 bis 3700 MHz für den drahtlosen Netzzugang im Wege bundesweiter Zuteilungen bereitgestellt werden. Demgegenüber hat die Präsidentenkammer den Bereich von 3700 bis 3800 MHz regionalen und lokalen Zuteilungen vorbehalten. Die Bereitstellungsentscheidung ist nicht deshalb als abwägungsfehlerhaft zu beanstanden, weil sie im Bereich von 2 GHz neben den bereits Ende 2020 freiwerdenden Frequenzen auch diejenigen Frequenzen einbezieht, die noch bis Ende 2025 mit Nutzungsrechten - unter anderem solchen der Klägerin - belegt sind. Auch die Aufteilung des 3,6 GHz-Bandes leidet nicht an einem Abwägungsfehler. Die Anordnung des Vergabeverfahrens für die für bundesweite Zuteilungen bereitgestellten Frequenzen ist rechtmäßig, weil insoweit nach der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Bedarfsabfrage und der auf deren Grundlage angestellten Prognose eine Frequenzknappheit besteht.

Die Wahl des Versteigerungsverfahren als Vergabeverfahren ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Das Versteigerungsverfahren ist das gesetzlich vorgesehene Regelverfahren für die Vergabe knapper Frequenzen.


Nicht zum Streitstoff des von dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahrens gehörten die Entscheidungen über die Ausgestaltung der Vergabebedingungen und der Versteigerungsregeln (Entscheidungen III und IV). Diese hat die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 18. November 2018 getroffen. Die hiergegen gerichteten Klagen sind noch nicht rechtskräftig entschieden.

BVerwG 6 C 3.19 - Urteil vom 24. Juni 2020

Vorinstanz:

VG Köln, 9 K 4396/18 - Urteil vom 18. Februar 2019 -



OLG Frankfurt: Mobilfunkkunden haben unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht - Ankündigung einer Sperre kann per Textform erfolgen

OLG Frankfurt
Urteil vom 09.04.2020
1 U 46/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Mobilfunkkunden unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht haben. Zudem hat das Gericht entschieden, dass die Ankündigung einer Anschlusssperre per Textform erfolgen kann.


Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:

Handy-Kunden haben unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht

Bei einseitigen Preiserhöhungen durch den Mobilfunkanbieter haben Kunden stets - auch bei Erhöhungen unter 5 % - ein Widerspruchsrecht. Die Androhung einer Sperre für den Fall eines Zahlungsverzugs mit mindestens 75 € kann auch in Textform erfolgen, entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichten Urteil.

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen, die Beklagte ist eine Mobilfunkanbieterin. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Ziff. 7 der AGBs berechtigt die Beklagte, „unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften“ den Anschluss zu sperren, wenn der Kunde mit einem Betrag von mindestens 75 € in Verzug ist und sie die Sperrung zwei Wochen vorher in Textform einschließlich eines Hinweises auf Rechtschutzmöglichkeiten angedroht hat. Nach Ziff. IX.6. kann der Kunde einer Preiserhöhung der Beklagten widersprechen, wenn die Erhöhung mehr als 5 % des bis zum Zeitpunkt der Erhöhung geltenden Preises beträgt. Der Kläger hält beide Klauseln für unwirksam.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt, soweit es die Form der Androhung der Sperre (in Textform) und den Widerspruch des Kunden bei Preiserhöhungen betraf. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.

Zu Unrecht habe das Landgericht die Klausel beanstandet, wonach eine Sperre in Textform angedroht werden kann, entschied das OLG. Die einfache Textform sei hier nicht zu beanstanden. Mit dem Erfordernis der Textform gebe die Beklagte vielmehr die Rechtslage wieder, „wie sie bei richtiger Auslegung des in § 45k TKG bestimmten Gebots, dass die Sperre „schriftlich“ angedroht werden muss, ohnehin besteht“, begründet das OLG seine Entscheidung. „Schriftlich“ bedeute nicht „Schriftform“ im Sinne von § 126 BGB. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzesgeschichte. Die Notwendigkeit der Androhung diene zudem allein der Information des Kunden. Dieser Zweck werde „durch eine papiergebundene Mitteilung ebenso sicher erfüllt wie durch eine auf einem elektronischen Datenträger dauerhaft verfügbare und lesbare Erklärung, insbesondere also durch eine E-Mail,“ stellt das OLG fest.

Zu Recht sei die Beklagte jedoch verurteilt worden, es zu unterlassen, den Kunden im Falle einer Preiserhöhung ein Widerspruchsrecht erst ab einer Preiserhöhung über 5 % zu gewähren. Den Kunden müsse vielmehr bei jeder einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen - hier in Form einer Preiserhöhung - ein Widerrufsrecht zugestanden werden. Dies folge aus der sog. Universaldienste Richtlinie der EU (Art. 20 Abs. 2 RL 2002/2 20/EG in der Fassung RL 2009/135/EG). Auf die Frage, ob es sich um eine „wesentliche“ Preiserhöhung handele, komme es damit nicht an. Im Übrigen sei eine Preiserhöhung von 5 % nicht wenig und könne für manchen Kunden erheblich sein.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.04.2020, Az.: 1 U 46/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.02.2019, Az. 2/24 O 99/18)

Erläuterungen:
§ 126 BGB Schriftform

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) 1Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. 2Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 126 b Textform

1Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. 2Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1.es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2.geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.


LG Mainz: Bei vorzeitiger berechtigter Kündigung eines Mobilfunkvertrages durch Mobilfunkanbieter hat dieser Anspruch auf Schadensersatz unter Anrechnung ersparter Aufwendungen

LG Mainz
Urteil
11 HK O 15/17

Das LG Mainz hat entschieden, dass bei vorzeitiger berechtigter Kündigung eines Mobilfunkvertrages durch den Mobilfunkanbieter dieser einen Anspruch auf Schadensersatz unter Anrechnung ersparter Aufwendungen hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Vergütung einer Internetnutzung im Ausland und Schadensersatzansprüche eines Mobilfunkdienstanbieters bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mainz hatte in einer Klage eines Mobilfunkanbieter gegen einen gewerblichen Kunden über die Vergütung einer Internetnutzung im Ausland und Schadensersatzansprüche des Mobilfunkdienstanbieters bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zu entscheiden (11 HK O 15/17).

Die Kammer hat die Ansprüche des Mobilfunkdienstanbieters teilweise als unbegründet angesehen und die Klage insoweit abgewiesen.

Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt, wenn ein Kunde gegen eine Rechnung eines Mobilfunkdienstanbieters Beanstandungen erhebe, die innerhalb der Rügefrist von regelmäßig 8 Wochen ausreichend begründet wurden, so habe der Dienstanbieter eine technische Prüfung zur Klärung der Beanstandungen vorzunehmen. Inhalt und Ergebnis der technischen Prüfung habe der Dienstanbieter spätestens im Prozess darzulegen. Unterlasse der Dienstanbieter die gebotene technische Prüfung, könne er den Anspruch auf Vergütung wegen der beanstandeten Rechnungsposition nicht erfolgreich geltend machen.

Der Mobilfunkdienstanbieter könne bei Zahlungsverzug des Kunden den Mobilfunkvertrag vorzeitig fristlos kündigen. In dem Fall stehe ihm ein Schadensersatzanspruch gegen den Kunden zu. Berechne der Mobilfunkdienstanbieter seinen Schaden konkret, so müsse er in seiner Berechnung alle durch die vorzeitige Vertragsbeendigung ersparten Aufwendungen berücksichtigen. Hierzu gehörten die Terminierungsentgelte, die der Anbieter wegen ausbleibender Gespräche des Kunden in andere Mobilfunknetze nicht mehr an andere Mobilfunknetzanbieter zahlen müsse. Für den Umfang der ersparten Terminierungsentgelte treffe den Anbieter eine sekundäre Darlegungslast.

Da die Kammer diese Voraussetzungen teilweise nicht als erfüllt ansah, wies es die Klage des Mobilfunkdienstanbieters teilweise ab.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

OLG Frankfurt: Androhung einer Anschlusssperre durch Mobilfunkanbieter bei Nichtzahlung einer umstrittenen Forderung unzulässig und wettbewerbswidrig

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.10.2019
6 U 147/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Androhung einer Anschlusssperre durch ein Mobilfunkanbieter bei Nichtzahlung einer umstrittenen Forderung unzulässig und wettbewerbswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Androhung einer Anschlusssperre außerhalb der gesetzlichen Voraussetzungen ist unlauter

Droht ein Mobilfunkunternehmen seinem Kunden an, im Fall der Nichtzahlung einer umstrittenen Gebührenforderung seinen Anschluss zu sperren, ist das eine unlautere aggressive geschäftliche Handlung (§ 4a UWG), wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anschlusssperre (§ 45 k Abs. 2 TKG) nicht erfüllt sind, entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.
Nr. 63/2019

Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrandrohung für einen Mobilfunkanschluss. Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Beklagte bietet Mobilfunkdienste an. Einer ihrer Kunden übersandte sie eine Rechnung über rund € 1.300,00, die u.a. die Position „GPS-Auslandsverbindungsaufkommen“ mit über € 1.250,00 enthielt.

Nachdem die Kundin die Rechnungshöhe beanstandet hatte, verwies die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Forderung auf einen von ihr eingeholten Prüfbericht des Netzbetreibers und erteilte eine Kulanzgutschrift in Höhe der Hälfte des Betrages. Die verbleibende Forderung mahnte sie an. Zugleich wies sie darauf hin, dass sie sich im Falle nicht fristgerechter Zahlung die Sperrung des Mobilfunkanschlusses vorbehalte.

Der Kläger hält das Vorgehen der Beklagten für wettbewerbswidrig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Beklagte dürfe säumigen Verbrauchern gegenüber keine Anschlusssperre androhen, wenn die geltend gemachte Forderung nach Abzug der seitens des Verbrauchers form- und fristgerecht beanstandeten Forderungen weniger als 75,00 € betrage, entschied das OLG. „Die Ankündigung der Sperre stellt sich als aggressive Geschäftspraxis im Sinne des § 4 a UWG dar, die geeignet ist, die Kundin ... zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätte“, begründet das OLG näher. Das Schreiben sei eine „unzulässige Beeinflussung“, da es geeignet sei, „die Rationalität der Entscheidung der angesprochenen Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten zu lassen“. Geschäftliche Handlungen seien „aggressiv“ i.S. von § 4a Abs. 1 S. 2 UWG, wenn mit rechtlich unzulässigen Handlungen gedroht werde. Darunter falle auch die Drohung mit einem Vertragsbruch. In rechtlichen Zweifelsfällen dürfe jedenfalls die vertretene Rechtsansicht (hier Zulässigkeit einer Sperre) nicht als feststehend hingestellt werden. „Die Ausübung von Druck durch Drohung mit einer rechtlich zweifelhaft Maßnahme kann die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränken und damit den Tatbestand der unzulässigen Beeinflussung erfüllen, wenn bei dieser Drohung zwanghafte Zulässigkeit verschleiert wird“. So liege es hier.

Die angekündigte Drohung, den Mobilfunkanschluss bei nicht fristgerechter Zahlung zu sperren, sei auch als erhebliches „Übel“ einzuordnen. Die Verbraucher seien in aller Regel auf ihren Mobilfunkanschluss dringend angewiesen. Viele verfügten nicht über einen Festnetzanschluss und wickelten ihre gesamte Kommunikation über den Mobilfunkanschluss ab.

Die angedrohte Sperre sei zudem rechtlich unzulässig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Sperre richteten sich nach § 45k TKG. Die Kundin habe sich nicht mit einem Betrag von mindestens 75 € im Verzug befunden, da die angemahnte Forderung um den beanstandeten Betrag (hier: Auslandsdatenverkehrsaufkommen) zu kürzen gewesen sei. Die Kundin habe die Forderung auch ausreichend beanstandet.

Beanstandungen seien zu berücksichtigen, wenn der Kunde äußere Umstände so darstellt, „dass sich bei objektiver Betrachtungsweise die Einwände als nachvollziehbar darstellen und Zweifel an dem rechtmäßigen Zustandekommen der Verbindung aufkommen lassen können“. Hier stellte die - auch im Vergleich zu früheren Zeiträumen - ungewöhnliche Höhe der Forderung einen äußeren Umstand dar, der Zweifel an der richtigen Erfassung des Gesprächsvolumens aufkommen lasse. Eine weitere Substantiierung könne von der Kundin nicht verlangt werden, da sie keinen Zugriff auf die Erfassungsdaten hätten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.10.2019, Az. 6 U 147/18
(vorausgehend Landgericht Hanau, Urteil vom 24.10.2018, Az. 6 O 19/18)


Erläuterungen:
§ 45k TKG Sperre

(1) Der Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste darf zu erbringende Leistungen an einen Teilnehmer unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 und nach § TKG § 45o Satz 3 ganz oder teilweise verweigern (Sperre). § TKG § 108 Abs. TKG § 108 Absatz 1 bleibt unberührt.

(2) Wegen Zahlungsverzugs darf der Anbieter eine Sperre durchführen, wenn der Teilnehmer nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro in Verzug ist und der Anbieter die Sperre mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Teilnehmers, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. Bei der Berechnung der Höhe des Betrags nach Satz 1 bleiben nicht titulierte Forderungen, die der Teilnehmer form- und fristgerecht und schlüssig begründet beanstandet hat, außer Betracht. Ebenso bleiben nicht titulierte bestrittene Forderungen Dritter im Sinne des § TKG § 45h Absatz TKG § 45H Absatz 1 Satz 1 außer Betracht. Dies gilt auch dann, wenn diese Forderungen abgetreten worden sind. Die Bestimmungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn der Anbieter den Teilnehmer zuvor zur vorläufigen Zahlung eines Durchschnittsbetrags nach § TKG § 45j aufgefordert und der Teilnehmer diesen nicht binnen zwei Wochen gezahlt hat.

(3) Der Anbieter darf seine Leistung einstellen, sobald die Kündigung des Vertragsverhältnisses wirksam wird.

(4) Der Anbieter darf eine Sperre durchführen, wenn wegen einer im Vergleich zu den vorangegangenen sechs Abrechnungszeiträumen besonderen Steigerung des Verbindungsaufkommens auch die Höhe der Entgeltforderung des Anbieters in besonderem Maße ansteigt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Teilnehmer diese Entgeltforderung beanstanden wird.

(5) Die Sperre ist, soweit technisch möglich und dem Anlass nach sinnvoll, auf bestimmte Leistungen zu beschränken. Sie darf nur aufrechterhalten werden, solange der Grund für die Sperre fortbesteht. Eine auch ankommende Telekommunikationsverbindung erfassende Vollsperrung des Netzzugangs darf frühestens eine Woche nach Sperrung abgehender Telekommunikationsverbindungen erfolgen.

§ 4a UWG Aggressive geschäftliche Handlungen

(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.

Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch

1. Belästigung,
2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder
3. unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.





BVerwG legt EuGH vor: Ist deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht vereinbar ?

BVerwG
Beschlüsse vom 25. September 2019
6 C 12.18 und 6 C 13.18


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der EuGH entscheiden muss, ob die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

EuGH soll Vereinbarkeit der deutschen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht klären

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Frage zur Auslegung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) vorzulegen. Von der Klärung dieser Frage hängt die Anwendbarkeit der im Telekommunikationsgesetz enthaltenen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung ab.

Die Klägerinnen der beiden Ausgangsverfahren erbringen öffentlich zugängliche Internetzugangsdienste bzw. Telefondienste für Endnutzer. Sie wenden sich gegen die ihnen durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG in der Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 2015 auferlegte Pflicht, Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Die für eine Dauer von zehn Wochen zu speichernden Daten umfassen u.a. die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Beginn und Ende der Verbindung oder der Internetnutzung bzw. die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs einer Kurznachricht, zugewiesene Internetprotokoll-Adressen und Benutzerkennungen sowie Kennungen der Anschlüsse und Endgeräte. Für eine Dauer von vier Wochen zu speichern sind zudem Standortdaten, d.h. im Wesentlichen die Bezeichnung der bei Beginn der Verbindung genutzten Funkzelle. Der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten, Daten von E-Mail-Diensten sowie Daten, die den Verbindungen zu oder von bestimmten Anschlüssen in sozialen oder kirchlichen Bereichen zugrunde liegen, dürfen hingegen nicht gespeichert werden. Mit Ausnahme der Internetprotokoll-Adresse dürfen die auf Vorrat gespeicherten Daten von den zuständigen Behörden nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten oder zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes verwendet werden.

Das Verwaltungsgericht hat auf die Klagen festgestellt, dass die Klägerinnen nicht verpflichtet sind, die im Gesetz genannten Telekommunikations-Verkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang bzw. den Zugang zu öffentlichen Telefondiensten vermitteln, zu speichern. Die Speicherpflicht verstoße gegen Unionsrecht und sei daher in den Fällen der Klägerinnen unanwendbar. Die grundsätzlichen Rechtsfragen zur Reichweite und zu den materiellrechtlichen Anforderungen des im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Unionsrechts seien durch das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2016 in den verbundenen Rechtssachen C-203/15 (Tele2 Sverige) und C-698/15 (Watson) geklärt. Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen hat die Beklagte, vertreten durch die Bundesnetzagentur, jeweils Sprungrevision eingelegt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hängt davon ab, ob der durch die gesetzliche Speicherpflicht bewirkte Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG geschützte Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation auf der Grundlage der Erlaubnisnorm des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt ist. Zwar hat der EuGH abschließend geklärt, dass die Richtlinie auf nationale Regelungen der Vorratsspeicherung anwendbar ist und dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie des Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel vorsieht.

Klärungsbedarf verbleibt jedoch in Bezug auf die Frage, ob eine nationale Regelung, die - wie § 113a i.V.m. § 113b TKG - eine Pflicht zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung vorsieht, unter keinen Umständen auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie gestützt werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kreis der von der Speicherpflicht erfassten Kommunikationsmittel und die Speicherdauer gegenüber den schwedischen und britischen Regelungen, über die der EuGH zu entscheiden hatte, reduziert ist. Ferner enthalten die deutschen Regelungen strenge Beschränkungen im Hinblick auf den Schutz der gespeicherten Daten und den Zugang hierzu. Außerdem besteht angesichts des mit den neuen Telekommunikationsmitteln verbundenen spezifischen Gefahrenpotenzials ein Spannungsverhältnis zwischen den in den Art. 7 und 8 GRC verankerten Grundrechten auf Achtung der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und der aus Art. 6 GRC folgenden Pflicht der Mitgliedstaaten, die Sicherheit der sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Personen zu gewährleisten, andererseits. Ein ausnahmsloses Verbot der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung würde den Handlungsspielraum der nationalen Gesetzgeber in einem Bereich der Strafverfolgung und der öffentlichen Sicherheit, der nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV jedenfalls grundsätzlich weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, erheblich einschränken und sich damit tendenziell auch von der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention entfernen. Schließlich geht aus verschiedenen beim EuGH bereits anhängigen Vorabentscheidungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten hervor, dass die vorlegenden Gerichte insbesondere im Hinblick auf Art. 6 GRC und Art. 4 EUV Zweifel daran haben, ob die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 21. Dezember 2016 als generelles Verbot einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zu verstehen sind, das weder im Hinblick auf die Erheblichkeit der zu bekämpfenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit noch im Rahmen einer „Kompensation“ durch restriktive Zugriffsregelungen und hohe Sicherheitsanforderungen überwunden werden kann.

Führt das Vorabentscheidungsverfahren zu dem Ergebnis, dass § 113a i.V.m. § 113b TKG unionsrechtswidrig ist, sind die Klägerinnen auch in ihren Rechten verletzt. Denn die Speicherpflicht stellt einen Eingriff in die durch Art. 16 GRC garantierte unternehmerische Freiheit der Klägerinnen dar. Verstoßen diese Regelungen gegen Unionsrecht, dürfen sie wegen des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Dann ist diese Grundrechtseinschränkung nicht i.S.d. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GRC „gesetzlich vorgesehen“.

Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht die Revisionsverfahren ausgesetzt.

BVerwG 6 C 12.18 - Beschluss vom 25. September 2019

Vorinstanz:

VG Köln, 9 K 3859/16 - Urteil vom 20. April 2018 -

BVerwG 6 C 13.18 - Beschluss vom 25. September 2019

Vorinstanz:

VG Köln, 9 K 7417/17 - Urteil vom 20. April 2018 -




EuGH: Telekommunikationsunternehmen müssen bei Anruf der Notrufnummer 112 den Standort des Anrufers übermitteln - Auch wenn Mobiltelefon keine SIM-Karte enthält

EuGH
Urteil vom 05.09.2019
C-417/18
AW u. a. / Lietuvos valstybė, vertreten durch die Lietuvos Respublikos ryšių reguliavimo tarnyba, das Bendrasis pagalbos centras und das Lietuvos Respublikos vidaus reikalų ministerija


Der EuGH hat entschieden, dass Telekommunikationsunternehmen bei Anruf der Notrufnummer 112 den Standort des Anrufers übermitteln müssen. Dies gilt auch dann, wenn das Mobiltelefon keine SIM-Karte enthält.


Die Pressemitteilung des EuGH:

Telekommunikationsunternehmen müssen den die Notrufe unter der Nummer 112 bearbeitenden Stellen gebührenfrei die Informationen übermitteln, mit denen der Standort des Anrufers ermittelt werden kann

Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass diese Verpflichtung auch dann umgesetzt wird, wenn das Mobiltelefon nicht mit einer SIM-Karte ausgestattet ist.

AW u. a. sind Angehörige von ES, einer siebzehnjährigen Jugendlichen, die Opfer einer Straftat wurde. Sie wurde am 21. September 2013 gegen sechs Uhr morgens in einem Vorort von Panevėžys (Litauen) entführt, vergewaltigt und im Kofferraum eines Autos lebendig verbrannt.

Während sie im Kofferraum eingesperrt war, sandte sie mit einem Mobiltelefon unter der europaweit einheitlichen Notrufnummer 112 etwa ein Dutzend Mal einen Hilferuf an das litauische Notfallzentrum. Den dortigen Bediensteten wurde jedoch die Nummer des verwendeten Mobiltelefons nicht angezeigt, so dass dessen Standort nicht ermittelt werden konnte. Es ließ sich nicht feststellen, ob das von ES verwendete Mobiltelefon über eine SIM-Karte verfügte und warum seine Nummer im Notfallzentrum nicht angezeigt wurde.

AW u. a. haben vor dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) gegen den litauischen Staat eine Klage auf Ersatz des dem Opfer, ES, und ihnen selbst entstandenen immateriellen Schadens erhoben. Sie stützen ihre Klage darauf, dass Litauen nicht für die ordnungsgemäße praktische Umsetzung der Universaldienstrichtlinie gesorgt habe, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssten, dass die Telekommunikationsunternehmen den die Notrufe unter der Nummer 112 bearbeitenden Stellen unmittelbar nach Eingang des Anrufs bei diesen Stellen gebührenfrei Informationen zum Anruferstandort übermittelten. Dies gelte für alle Anrufe unter der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112. Wegen der mangelhaften Umsetzung der Richtlinie hätten den örtlichen Polizeidienststellen die Angaben zum Standort von ES nicht übermittelt werden können, so dass sie daran gehindert gewesen seien, ihr Hilfe zu leisten.

Das Vilniaus apygardos administracinis teismas möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Universaldienstrichtlinie den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, die Übermittlung der Standortangaben auch dann sicherzustellen, wenn der Anruf von einem Mobiltelefon ohne SIMKarte aus getätigt wird, und ob die Mitgliedstaaten über ein Ermessen bei der Festlegung der
Kriterien für die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Angaben zum Standort des Anrufers der Nummer 112 verfügen, das es ihnen gestattet, diese Angaben auf die Nennung der Basisstation zu beschränken, über die der Anruf übermittelt wurde.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach dem Wortlaut der Universaldienstrichtlinie „alle Anrufe unter der einheitlichen europäischen Notrufnummer“ von der Pflicht zur Übermittlung von Informationen zum Anruferstandort erfasst werden. Überdies hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Universaldienstrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung den Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung der technischen Durchführbarkeit eine Erfolgspflicht auferlegte, die sich nicht auf die Einrichtung eines angemessenen Rechtsrahmens beschränkt, sondern verlangt, dass die Informationen zum Standort aller Anrufer der Nummer 112 tatsächlich den Notdiensten übermittelt werden. Daher können Anrufe unter der Nummer 112, die von einem Mobiltelefon ohne SIM-Karte aus getätigt werden, nicht vom Anwendungsbereich der Universaldienstrichtlinie ausgeschlossen werden.

Infolgedessen ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass die Universaldienstrichtlinie den Mitgliedstaaten vorbehaltlich der technischen Durchführbarkeit die Verpflichtung auferlegt, sicherzustellen, dass die betreffenden Unternehmen den die Notrufe unter der Nummer 112 bearbeitenden Stellen unmittelbar nach Eingang des Anrufs bei diesen Stellen gebührenfrei Informationen zum Anruferstandort übermitteln, auch wenn der Anruf von einem Mobiltelefon ohne SIM-Karte
aus getätigt wird.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Mitgliedstaaten zwar bei der Festlegung der Kriterien für die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Angaben zum Standort des Anrufers der Nummer 112 über ein gewisses Ermessen verfügen; die Kriterien müssen aber im Rahmen der technischen Machbarkeit stets gewährleisten, dass der Standort des Anrufers so zuverlässig und genau bestimmt werden kann, wie es erforderlich ist, damit die Notdienste ihm wirksam helfen können. Das den Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Kriterien zustehende Ermessen findet seine Grenze daher darin, dass gewährleistet sein muss, dass die übermittelten Angaben eine effektive Ermittlung des Anruferstandorts ermöglichen, damit die Notdienste tätig werden können. Da die Beurteilung dieser Gegebenheiten in hohem Maß technischen Charakter hat und eng mit den Besonderheiten des litauischen Mobilfunknetzes verbunden ist, ist sie Sache des vorlegenden Gerichts.

Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass zu den Voraussetzungen dafür, dass ein Mitgliedstaat für Schäden haftet, die dem Einzelnen durch diesem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstanden sind, die Existenz eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem Rechtsverstoß und dem eingetretenen Schaden gehört. Die im nationalen
Schadensersatzrecht festgelegten Voraussetzungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nationales Recht betreffen. Folglich ist ein nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats für den Eintritt der Haftung
dieses Staates ausreichender mittelbarer Kausalzusammenhang zwischen einem Rechtsverstoß der nationalen Behörden und dem entstandenen Schaden auch als ausreichend dafür anzusehen, dass der Staat für einen ihm zuzurechnenden Verstoß gegen das Unionsrecht haftet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Koblenz: Freie Routerwahl - Wettbewerbswidrige Irreführung wenn im Rahmen des Bestellvorgangs eines DSL-Anbieters der Eindruck erweckt wird dass Anschluss nur mit dem angebotenen Router genutzt we

LG Koblenz
Urteil vom 24.05.2019
4 HK O 35/18


Das LG Koblenz hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn im Rahmen des Bestellvorgangs eines DSL-Anbieters (hier 1&1) der falsche Eindruck erweckt wird, dass der Anschluss nur mit dem angebotenen Router genutzt werden kann. Es genügt nicht, wenn dieser falsche Eindruck durch einen Anruf bei der Hotline oder den Aufruf der Tarifdetails ausgeräumt werden kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Köln: 5G-Frequenzversteigerung kann starten - Eilanträge gegen Frequenznutzungs- und Versteigerungsbedingungen abgelehnt

VG Köln
Beschlüsse vom 15.03.2019
9 L 205/19 (Telefónica);
9 L 300/19 (Vodafone);
9 L 351/19 (Telekom);
9 L 455/19 (mobilcom-debitel/freenet)


Das VG Köln hat die Eilanträge der Netzbetreiber gegen die 5G-Frequenznutzungs- und Versteigerungsbedingungen abgelehnt. Die 5G-Frequenzversteigerung kann wie geplant starten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

5G: Gericht lehnt Eilanträge gegen Frequenznutzungs- und Versteigerungsbedingungen ab

Die Versteigerung von Frequenzen für die neue Mobilfunkgeneration 5G kann beginnen. Das Verwaltungsgericht Köln hat mit heute den Beteiligten übermittelten Beschlüssen Eilanträge der drei großen Mobilfunknetzbetreiber Telekom, Telefónica und Vodafone gegen die von der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur (BNetzA) am 26. November 2018 erlassenen Frequenznutzungs- und Versteigerungsbedingungen abgelehnt. Auch ein Eilantrag der Diensteanbieter mobilcom-debitel/freenet auf Aufnahme einer so genannten Diensteanbieterverpflichtung in die Vergabebedingungen blieb ohne Erfolg.

Mit ihren Eilanträgen wandten sich Telekom, Telefónica und Vodafone zum einen gegen die Versorgungsauflagen, die künftige Frequenzanbieter zu erfüllen haben. Diese müssen bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen sowie die wichtigsten Schienenwege mit schnellen Datenverbindungen versorgen. Die Antragstellerinnen halten diese Vorgaben für unzumutbar. Insbesondere könnten die Verpflichtungen nicht mit den nun zur Versteigerung anstehenden Frequenzen, sondern nur mit bereits früher zugeteilten Frequenzen erfüllt werden. Daher griffen die von der BNetzA aufgestellten Bedingungen in unzulässiger Weise in bestandskräftige Vergabebedingungen ein. Zum anderen beanstandeten die Antragstellerinnen die in der Präsidentenkammerentscheidung enthaltenen Verhandlungsgebote. Diese verpflichten künftige Frequenzinhaber insbesondere dazu, mit Wettbewerbern, die das Mobilfunknetz gegen Entgelt mitbenutzen wollen, über solche Kooperationen zu verhandeln. Das betrifft zum einen das so genannte nationale Roaming, also die Mitbenutzung durch andere Netzbetreiber. Diese können dadurch ihren Kunden Dienste auch in Gegenden anbieten, in denen sie selbst keine Netzinfrastruktur haben. Das Verhandlungsgebot gilt zum anderen zugunsten so genannter Diensteanbieter. Das sind Unternehmen, die selbst kein Mobilfunknetz betreiben und Netzbetreibern Übertragungskapazitäten abkaufen, um mit ihnen eigene Produkte zu vermarkten. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, solche Verhandlungsgebote fänden im Telekommunikationsgesetz keine Grundlage. Schließlich halten sie es für rechtswidrig, dass für Neueinsteiger, also Unternehmen, die bislang kein eigenes Mobilfunknetz betreiben, in den Aufbau eines solchen aber mit den zu versteigernden Frequenzen einsteigen könnten, geringere Versorgungsauflagen gelten als für die etablierten Netzbetreiber.

Dem ist das Gericht insgesamt nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entscheidung der BNetzA sei nach dem in den Eilverfahren gewonnenen Erkenntnisstand rechtmäßig. Die BNetzA verfüge bei Regelung der Bedingungen für die Vergabe von Frequenzen über einen Ausgestaltungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Dessen Grenzen seien hier nicht überschritten worden. Die Bundesnetzagentur habe die Versorgungsauflagen in vertretbarer Weise für zumutbar gehalten. Auch stünden die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes einem Rückgriff auf bereits zugeteilte Frequenzen nicht entgegen. Eine unzulässige Veränderung der Versorgungsbedingungen vergangener Vergabeverfahren liege darin ebenso wenig, da die Bedingungen allein in dem Fall gölten, dass nunmehr zur Vergabe stehende Frequenzen ersteigert würden. Die Verhandlungsgebote sicherten die Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes. Die Bewertung der Bundesnetzagentur, dass sie geeignet und erforderlich seien, sei nicht zu beanstanden. Eine unzulässige Privilegierung von Neueinsteigern sei schließlich ebenfalls nicht gegeben, da diese vor der Herausforderung stünden, ein Mobilfunknetz erst aufbauen zu müssen.

Ungeachtet dessen spreche auch eine von der Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung losgelöste Folgenabwägung dafür, die Eilanträge abzulehnen. Denn an einer zeitnahen Versteigerung der 5G-Frequenzen bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse. Die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Belange hätten demgegenüber geringeres Gewicht.

Auch den kurzfristig erst rund eine Woche vor dem geplanten Versteigerungsbeginn erhobenen Eilantrag von mobilcom-debitel/freenet hat das Gericht abgelehnt. Die Antragstellerinnen wollen erreichen, dass Netzbetreibern eine so genannte Diensteanbieterverpflichtung auferlegt wird, also eine Verpflichtung, Unternehmen ohne eigenes Netz Übertragungskapazitäten zur Verfügung zu stellen.

Der Argumentation der Antragstellerinnen ist das Gericht nicht gefolgt. Auch insoweit hat es zur Begründung ausgeführt, die Entscheidung der BNetzA sei nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens rechtmäßig. Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung in die Vergabebedingungen sei angesichts des Ausgestaltungsspielraums der BNetzA nicht erkennbar. Ungeachtet dessen führe auch in diesem Verfahren eine Folgenabwägung zur Ablehnung des Antrags.

Die Entscheidungen sind unanfechtbar.

Az.:
9 L 205/19 (Telefónica);
9 L 300/19 (Vodafone);
9 L 351/19 (Telekom);
9 L 455/19 (mobilcom-debitel/freenet)


VG Köln: Vergabe der 5G-Frequenzen durch Bundesnetzagentur im Wege der Versteigerung rechtmäßig - Telefonica

VG Köln
Urteil vom 21.02.2019
9 K 4396/18


Das VG Köln hat entschieden, dass die Vergabe der 5G-Frequenzen durch die Bundesnetzagentur im Wege der Versteigerung rechtmäßig ist. Das Gericht hat die Klage des Mobilfunkanbieters Telefonica abgewiesen.

Die Pressemitteilung des VG Köln:

Entscheidung der Bundesnetzagentur zugunsten einer Vergabe von 5G-Frequenzen im Wege der Versteigerung ist rechtmäßig

Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, Frequenzen für die neue Mobilfunkgeneration 5G im Wege eines Versteigerungsverfahren zu vergeben, ist rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln auf eine im Juni 2018 von der Telefonica Germany GmbH & Co OHG erhobene Klage mit einem heute den Beteiligten übersandten Urteil entschieden.

Das Verfahren betraf die Grundentscheidung vom 14. Mai 2018 zugunsten eines Versteigerungsverfahrens, nicht hingegen die Festlegung der Vergabe- und Auktionsregeln vom 26. November 2018. Gegen diese Regeln haben neun Mobilfunkunternehmen im Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben und Telefonica und Vodafone im Februar 2019 Eilanträge gestellt.

In dem nunmehr entschiedenen Klageverfahren hatte die Klägerin moniert, die Bundesnetzagentur habe insbesondere Frequenzen in das Versteigerungsverfahren einbezogen, die noch bis 2025 zur Nutzung zugeteilt seien. Diese stünden daher gegenwärtig gar nicht zur Verfügung. Zudem habe die Bundesnetzagentur einen Teil der für die 5G-Technologie möglichen Frequenzen nicht in das Versteigerungsverfahren einbezogen, da diese für lokale und regionale Nutzungen vorgesehen seien. Auch das sei rechtswidrig.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es bei der Anordnung eines Vergabeverfahrens nicht darauf an-komme, ob Frequenzen bereits im Zeitpunkt der Anordnung verfügbar sind. Hinsichtlich des Umfangs der in einem Vergabeverfahren bereitzustellenden Frequenzen habe die Bundesnetzagentur einen Beurteilungsspielraum, dessen Grenzen sie im vorliegenden Fall nicht über-schritten habe.

Gegen das Urteil kann Revision eingelegt, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet.


KG Berlin: Diverse unzulässige Klauseln in Apple-Datenschutzrichtlinie - Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten

KG Berlin
Urteil vom 27.12.2018
23 U 196/13


Das KG Berlin hat bestätigt, dass die diverse Klauseln in der Apple-Datenschutzrichtlinie unzulässig waren. Insbesondere ging es um die Weitergabe personenbezogener Daten. Streitgegenständlich war die Apple-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 2011.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Siehe zur Vorinstanz: LG Berlin: Apple unterliegt der Verbraucherzentrale - zahlreiche AGB-Klauseln zum Datenschutz unwirksam

BVerfG: Verpflichtung des E-Mail-Providers zur Übermittlung von IP-Adressen an Ermittlungsbehörden ist verfassungskonform

BVerfG
Beschluss vom 20.12.2018
2 BvR 2377/16

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verpflichtung des E-Mail-Providers zur Übermittlung von IP-Adressen an Ermittlungsbehörden einer ordnungsgemäß angeordneten Telekommunikationsüberwachung verfassungskonform ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundesverfassunsgerichts:

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verpflichtung zur Übermittlung von IP-Adressen

Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, dass der Anbieter eines E-Mail-Dienstes im Rahmen einer ordnungsgemäß angeordneten Telekommunikationsüberwachung verpflichtet ist, den Ermittlungsbehörden die Internetprotokolladressen (im Folgenden: IP-Adressen) der auf ihren Account zugreifenden Kunden auch dann zu übermitteln, wenn er seinen Dienst aus Datenschutzgründen so organisiert hat, dass er diese nicht protokolliert. Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und die Verfassungsbeschwerde eines solchen Diensteanbieters nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung hat sie angeführt, dass das auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich schützenswerte Anliegen, ein datenschutzoptimiertes Geschäftsmodell anzubieten, nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, die dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Rechnung tragen, entbinden kann.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer betreibt einen E-Mail-Dienst, der mit einem besonders effektiven Schutz der Kundendaten wirbt und sich den Grundsätzen der Datensicherheit und der Datensparsamkeit verpflichtet sieht. Er erhebt und speichert Daten nur dann, wenn dies aus technischen Gründen erforderlich oder - aus seiner Sicht - gesetzlich vorgesehen ist. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Mit Beschluss vom 25. Juli 2016 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 100a, 100b StPO in der damals geltenden Fassung die Sicherung, Spiegelung und Herausgabe aller Daten, die auf den Servern des Dienstes bezüglich des betreffenden E-Mail-Accounts elektronisch gespeichert sind, „sowie sämtlicher bezüglich dieses Accounts künftig anfallender Daten“ an. Das Landeskriminalamt gab dem Beschwerdeführer die angeordnete Überwachungsmaßnahme sowie den zu überwachenden Account bekannt. Daraufhin richtete der Beschwerdeführer die Telekommunikationsüberwachung ein, wies jedoch darauf hin, dass Verkehrsdaten der Nutzer nicht „geloggt“ würden und solche Daten inklusive der IP-Adressen deshalb nicht zur Verfügung gestellt werden könnten, sie seien nicht vorhanden. Der Annahme der Staatsanwaltschaft, die IP-Adressen seien beim Anbieter vorhanden, widersprach der Beschwerdeführer unter Darstellung seiner Systemstruktur. Er trenne sein internes Netz über ein sogenanntes NAT-Verfahren (Network Address Translation), bei dem die Adressinformationen in Datenpaketen automatisiert durch andere ersetzt würden, aus Sicherheitsgründen strikt vom Internet ab. Die IP-Adressen der Kunden würden daher bereits an den Außengrenzen des Systems verworfen und seien dem Zugriff des Beschwerdeführers entzogen. Mit Beschluss vom 9. August 2016 setzte das Amtsgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise sieben Tage Ordnungshaft, gegen den Beschwerdeführer fest. Aufgrund des Beschlusses vom 25. Juli 2016 sei der Beschwerdeführer verpflichtet, zukünftig die Verkehrsdaten und insbesondere die IP-Adressen zu erheben. Das Landgericht verwarf die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 1. September 2016 als unbegründet. Im November 2016 teilte das Landeskriminalamt dem Beschwerdeführer mit, dass die Überwachung des Anschlusses abgeschaltet werden könne. Das Ordnungsgeld wurde schließlich bezahlt.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung richtet, ist sie jedenfalls unbegründet. Zwar greift die Festsetzung des Ordnungsgeldes in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung des Beschwerdeführers ein. Die Annahme des Landgerichts, der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sei nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gerechtfertigt, begegnet jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Je stärker in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher muss das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen. Danach ist ein Grundrechtsverstoß nicht ersichtlich. Die Fachgerichte haben die Vorschriften über die Mitwirkungs- und Vorhaltungspflichten von Telekommunikationsdiensteanbietern in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise ausgelegt. Sie durften ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer verpflichtet war seinen Betrieb so zu gestalten, dass er den Ermittlungsbehörden die am überwachten Account vom Zeitpunkt der Anordnung an anfallenden externen IP-Adressen zur Verfügung stellen kann. Denn die Überwachung der Telekommunikation im Sinne von § 100a StPO erfasst nicht nur die Kommunikationsinhalte, sondern auch die näheren Umstände der Telekommunikation einschließlich der fraglichen IP-Adressen.

1. Die - verfassungskonforme - Vorschrift des § 100a StPO ermächtigt zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation. Vor dem Hintergrund des „weiten“ Telekommunikationsbegriffs unterfällt der Zugriff auf E-Mail-Kommunikation, jedenfalls soweit es sich um die Übertragung der Nachricht vom Gerät des Absenders über dessen Mailserver auf den Mailserver des E-Mail-Providers und um den späteren Abruf der Nachricht durch den Empfänger handelt, unstrittig dem Anwendungsbereich des § 100a StPO.

Vom Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG sind aber nicht nur die Kommunikationsinhalte, sondern auch die näheren Umstände der Telekommunikation erfasst. Vor diesem Hintergrund betrifft die Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a StPO auch die Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG, soweit diese im Rahmen der zu überwachenden Telekommunikation anfallen. Zu den Verkehrsdaten in diesem Sinne gehören auch und gerade die anfallenden IP-Adressen. Diese werden dementsprechend in § 96 Abs. 1 Satz 1 TKG als Nummern der beteiligten Anschlüsse oder Einrichtungen aufgeführt. Dynamische oder statische IP-Adressen, mit denen die Kunden eines Anbieters von E-Mail-Diensten mit ihren internetfähigen Endgeräten auf ihren E-Mail-Account zugreifen wollen, unterfallen daher grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 100a StPO.

Der Umstand, dass die Überwachung des E-Mail-Verkehrs im Rahmen einer Anordnung nach § 100a StPO auch die bezeichneten IP-Adressen umfasst, bedeutet allerdings nicht schon zwangsläufig, dass der Beschwerdeführer als Betreiber einer Telekommunikationsanlage verpflichtet ist, Vorkehrungen zu treffen, um den Ermittlungsbehörden auch und gerade diese IP-Adressen zur Verfügung zu stellen. § 100b Abs. 3 Satz 2 StPO a. F. verweist insoweit auf die Vorschriften des TKG und der TKÜV.

Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG besteht für Betreiber von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten die Verpflichtung, ab dem Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung der Telekommunikationsüberwachung vorzuhalten und die entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen für deren unverzügliche Umsetzung zu treffen. Die grundlegenden technischen Anforderungen und organisatorischen Eckpunkte für die Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen regelt dabei die auf Grundlage der Ermächtigung in § 110 Abs. 2 TKG erlassene TKÜV. Danach unterliegt auch der Beschwerdeführer der Vorhaltungsverpflichtung; dass die in § 3 Abs. 2 TKÜV vorgesehenen Ausnahmen für bestimmte Arten von Telekommunikationsanlagen eingreifen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Umfang der bereitzustellenden Daten bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 TKÜV. Gemäß § 5 Abs. 1 TKÜV besteht die zu überwachende Telekommunikation - dem weiten Telekommunikationsbegriff des § 100a StPO entsprechend - aus dem Inhalt und den Daten über die näheren Umstände der Telekommunikation. Nach Absatz 2 der Vorschrift hat der Verpflichtete eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen, die über seine Telekommunikationsanlage abgewickelt wird. Als Teil dieser Überwachungskopie hat der Verpflichtete gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 TKÜV schließlich auch die bei ihm vorhandenen Daten über eine gewählte Rufnummer oder eine andere Adressierungsangabe bereitzustellen. Nach dem Sprachgebrauch des TKG unterfallen die bei einer Telekommunikation anfallenden IP-Adressen dabei ohne weiteres dem Begriff „andere Adressierungsangabe“, denn sie dienen gerade der Adressierung, also dem Erreichen oder Auffinden eines bestimmten Ziels im Internet. So unterfallen IP-Adressen unstrittig der Legaldefinition des § 3 Nr. 13 TKG, wonach Nummern im Sinne des TKG Zeichenfolgen sind, die in Telekommunikationsnetzen Zwecken der Adressierung dienen.

Es ist auch jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbar anzunehmen, die Daten seien beim Beschwerdeführer vorhanden im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 TKÜV und von diesem als Teil der vollständigen Kopie der überwachten, über seine Telekommunikationsanlage abgewickelten Telekommunikation bereitzustellen. Schon aus der von ihm beschriebenen Systemstruktur ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die öffentlichen IP-Adressen seiner Kunden wenigstens für die Dauer der Kommunikation speichern muss, da er ansonsten die abgerufenen Datenpakete seinen Kunden gar nicht übersenden könnte. Jedenfalls fallen die Daten beim Zugriff auf den überwachten E-Mail-Account an, sind der Telekommunikationsanlage des Beschwerdeführers wenigstens zeitweise bekannt und werden von dieser auch zur Herstellung einer erfolgreichen Kommunikation mit dem anfragenden Kunden benutzt.

Die Überwachung der ‑ künftigen - Telekommunikation gemäß § 100a StPO ist - anders als die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO - auch nicht auf die Verkehrsdaten beschränkt, die nach § 96 Abs. 1 TKG vom Diensteanbieter zulässigerweise erhoben werden dürfen.

Dass der Beschwerdeführer auf die externen IP-Adressen - derzeit - nicht zugreifen kann, steht dem nicht entgegen. Denn dies liegt nicht daran, dass die Daten an sich nicht vorhanden wären, sondern allein daran, dass sich der Beschwerdeführer aus Datenschutzgründen dazu entschlossen hat, diese vor seinen internen Systemen zu verbergen und sie nicht zu protokollieren. Das ist indes allein dem vom Beschwerdeführer bewusst gewählten Geschäfts- und Systemmodell geschuldet. Zwar erscheint das Anliegen des Beschwerdeführers, ein datenschutzoptimiertes und daher für viele Nutzer attraktives Geschäftsmodell anzubieten, auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich durchaus schützenswert. Dies kann ihn jedoch nicht von den im Rahmen einer vertretbaren Auslegung gewonnen Vorgaben des TKG und der TKÜV, die dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Rechnung tragen, entbinden.

Diesem Ergebnis steht schließlich auch nicht entgegen, dass sich die bereitzustellenden Daten nach der im Rahmen der Neubekanntmachung der TKÜV vom 11. Juli 2017 neu eingefügten Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 TKÜV nunmehr ausdrücklich auch auf die der Telekommunikationsanlage des Verpflichteten bekannten öffentlichen IP-Adressen der beteiligten Nutzer erstrecken. Denn diese Neuregelung lässt jedenfalls keinen verfassungsrechtlich zwingenden Schluss darauf zu, dass die fraglichen IP-Adressen bislang aus dem Kreis der bereitzustellenden Daten ausgenommen gewesen wären. Vielmehr kommt dem neu eingefügten § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 TKÜV ersichtlich eine klarstellende Funktion zu.

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verdrängt § 100g Abs. 1 StPO, soweit die (Echtzeit-)Überwachung künftiger Telekommunikation betroffen ist, die Vorschrift des § 100a StPO nicht.

3. Gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes in Höhe von 500 Euro ist im konkreten Fall von Verfassungs wegen ebenfalls nichts zu erinnern.



VG Köln: Eilantrag gegen 5G-Vergaberichtlinien unbegründet - Bundesnetzagentur hat Beurteilungsspielraum nicht überschritten

VG Köln
Beschluss vom 21.12.2018
9 L 1698/18


Das VG Köln hat entschieden, dass der Eilantrag einen Telekommunikationsanbieters gegen die 5G- Vergaberichtlinien unbegründet ist. Die Bundesnetzagentur hat ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

Aus den Entscheidungsgünden:

Die Bundesnetzagentur hat die Grenzen des ihr im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zustehenden Beurteilungsspielraums nach alledem nicht überschritten.

Die Bundesnetzagentur hat auch das ihr im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG eröffnet der Bundesnetzagentur Ermessen, dessen Ausübung bei bestehender Frequenzknappheit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts infolge der Grundrechtsbindung gegenüber der Gesamtheit der Zuteilungspetenten wie auch des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes regelmäßig im Sinne des Erlasses der Anordnung eines Vergabeverfahrens vorgeprägt ist.

Grundlegend BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 35); vom 26. Januar 2011 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 25).

Demgemäß bedarf es ausdrücklicher Ermessenserwägungen nicht im Regel-, sondern nur im Ausnahmefall.

BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – BVerwG 6 C 6.10 –, juris (Rn. 23); zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36/11 –, juris (Rn. 36).

Ausgehend davon – sowie dem Umstand, dass die Bundesnetzagentur das ihr eingeräumte Ermessen vorliegend erkannt hat,

BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 261 ff., iist ein Ermessensfehler entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht etwa darin zu sehen, dass die Bundesnetzagentur gegen ihre bisherige ständige Verwaltungspraxis verstoßen hat. Zwar kann sich eine Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens dadurch binden, dass sie bei der Behandlung vergleichbarer Fälle gleichbleibend nach einem System verfährt, von dem sie dann nicht im Einzelfall nach Belieben abweichen darf, ohne dadurch (objektiv) willkürlich zu handeln und damit gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.

Grundlegend etwa BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – IV C 49.76 –, juris (Rn. 12).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Bundeskabinett bechließt Anpassung des Telekommunikationsgesetzes - Privilegierung marktschwächerer Wettbewerber

Die Pressemitteilung des BMWi:

Kabinett beschließt Anpassung des Telekommunikationsgesetzes

Das Bundeskabinett hat heute beschlossen, dass marktmächtige Anbieter auf den Telekommunikationsmärkten zukünftig nur noch gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einen eingeschränkten Rechtsschutz erhalten. So werden marktschwächere Wettbewerber weiterhin vor der rückwirkenden Festlegung hoher Entgelte geschützt, während dies für weniger schutzbedürftige größere Wettbewerber nicht mehr gilt.

Marktmächtige Anbieter auf den Telekommunikationsmärkten können nach dem Telekommunikationsgesetz verpflichtet werden, Wettbewerbern Vorleistungen für eigene Endkundenprodukte anzubieten. So müssen sie etwa anderen Anbietern die Mitnutzung der Teilnehmeranschlussleitung gestatten, der „letzten Meile“ zum Kunden. Die Preise für solche Vorleistungen legt die Bundesnetzagentur fest.

Für den Fall, dass der marktmächtige Anbieter die Entgelte für zu niedrig hält und deshalb klagt, schützt § 35 TKG aktuell alle Wettbewerber vor rückwirkend höheren Kosten: Bereits im gerichtlichen Eilverfahren wird abschließend entschieden, ob der marktmächtige Anbieter in einem anschließenden Hauptsacheverfahren höhere Entgelte erstreiten kann. Da jedoch zwischenzeitlich finanzstarke Wettbewerber auf dem Markt sind, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diesen Schutz nicht mehr benötigen, soll § 35 TKG zukünftig nur noch für KMU bis zu einer Umsatzschwelle von 100 Mio. Euro gelten.

Diese vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgeschlagene Anpassung des Telekommunikationsgesetzes schafft eine angemessene Balance zwischen Wettbewerbsschutz und Rechtschutzgewährleistung. Der Rechtsschutz der marktmächtigen Anbieter wird zukünftig nun nur noch gegenüber KMU eingeschränkt. Das Kabinett hat mit seinem heutigen Beschluss eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.


BVerwG: Bundesnetzagentur darf in einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung keine Vorgaben zur Entgeltberechnung machen

BVerwG
Urteil vom 30.08.2018
BVerwG 6 C 4.17


Das BVerwG hat entschieden, dass die Bundesnetzagentur in einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung keine Vorgaben zur Entgeltberechnung machen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Vorgaben zur Entgeltberechnung kein zulässiger Regelungsgegenstand einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung

Die Bundesnetzagentur ist nicht befugt, in einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung, mit der sie die Entgelte für Zugangsleistungen eines marktbeherrschenden Unternehmens der Genehmigungspflicht unterwirft, zugleich Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung mit bindender Wirkung für nachfolgende Entgeltgenehmigungsverfahren festzulegen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Die Klägerin verfügt auf den Märkten für den Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz und die Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten über beträchtliche Marktmacht. Mit einer Regulierungsverfügung erlegte die Bundesnetzagentur der Klägerin Zugangspflichten auf. Die Entgelte für die Zugangsgewährung wurden der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen. Ferner enthielt die Regulierungsverfügung die Regelung, dass die Entgelte auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 TKG genehmigt werden, abweichend davon jedoch bei der Genehmigung von Entgelten für Terminierungsleistungen teilweise nach der in der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission empfohlenen Weise vorzugehen ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Regelung aufgehoben und die gegen die Regulierungsverfügung gerichtete Klage im Übrigen abgewiesen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Anders als die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht (§ 30 Abs. 1 Satz 1 TKG) können verbindliche Regelungen, die Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung zum Gegenstand haben, nicht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG als der für Regulierungsverfügungen einschlägigen Rechtsgrundlage gestützt werden. Sie betreffen nicht die Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber dem regulierten Unternehmen, sondern Vorgehensweisen und Entscheidungen der Bundesnetzagentur, die als Bestandteile der nachfolgenden Entgeltgenehmigungsverfahren ihre rechtliche Grundlage in den §§ 31 ff. TKG haben. Die die Entgeltregulierung nach dem Telekommunikationsgesetz prägende Verfahrensstufung zwischen der Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht und dem anschließendem Entgeltgenehmigungsverfahren ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.


Die die Entgeltberechnung betreffenden Regelungen in der angefochtenen Regulierungsverfügung sind überdies auch deshalb rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur sie nicht zum Gegenstand einer isolierten Teilentscheidung machen durfte. Bei bestimmten methodischen Vorfragen im Rahmen der Ermittlung der genehmigungsfähigen Entgelte einschließlich der - wie hier - nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG zu treffenden Entscheidung, ob andere Vorgehensweisen besser als das in § 31 Abs. 1 TKG genannte Einzelgenehmigungs- oder Price-Cap-Verfahren am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zur Erreichung der Regulierungsziele geeignet sind, verfügt die Bundesnetzagentur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben über punktuelle Beurteilungsspielräume. Die damit regelmäßig erforderliche Abwägung setzt im Hinblick auf die widerstreitenden Regulierungsziele (§ 2 TKG) grundsätzlich voraus, dass zumindest annäherungsweise auch die Entgelthöhe ermittelt wird, die sich bei Anwendung der in Betracht kommenden Alternativen voraussichtlich ergibt. Dies ist jedoch nur im Rahmen eines konkreten Entgeltgenehmigungsverfahrens möglich.

Urteil vom 30. Mai 2018 - BVerwG 6 C 4.17 -