OLG Frankfurt: Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Trachtenschuh der nicht speziell beworben und nur 1000 mal verkauft wurde
OLG Frankfurt
Urteil vom 22.10.2015
6 U 108/14
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Trachtenschuh keinen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz genießt, wenn dieser nicht speziell beworben und lediglich 1000 mal verkauft wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständige Rechtsprechung; BGH GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE, Tz. 22). Die Merkmale in ihrer Kombination müssen dem Produkt ein Gepräge geben, das dem Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft ermöglicht; es muss sich von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maße abheben, dass der Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließt. Dabei schließt die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Schutzes für Modeneuheiten es nicht aus, dass dem Verkehr die besonders originelle Gestaltung eines Modeerzeugnisses als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dient (BGH GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 20; GRUR 1998, 477, 478 - Trachtenjanker).
Bei dem von der Klägerin angebotenen Schuh handelt es sich, was die Grundform angeht, um einen klassischen Pumps, der einerseits modern wirkt, weil er mit einer Plateausohle versehen ist, andererseits aber zugleich eine rustikale Note aufweist, weil er mit einem relativ breiten Riemchen versehen ist, das eine Schnalle aufweist, wie sie typischerweise auf Trachtenschuhen zu finden ist. Diese Kombination von klassisch-elegantem Pumps mit Elementen der Trachtenmode verleiht dem Schuh eine besondere Originalität, die geeignet ist, dem Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen.
Vergebens verweisen die Beklagten auf einen von A bereits 1955 designten Schuh, der ebenfalls über ein Riemchen verfügt (Schriftsatz vom 29.11.2013, Bl. 213 oben d. A.). Denn dieser Schuh erzeugt, ebenso wie der weiter von den Beklagten in dem Prozess eingeführte Schuh "... mit Pünktchenmuster" (Bl. 214 d. A.) einen völlig anderen Gesamteindruck.
Jedoch setzt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung eine gewisse Bekanntheit des nachgeahmten Produkts voraus, weil ansonsten die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen kann. Zwar ist insoweit eine Verkehrsgeltung nicht erforderlich. Ausreichend, aber erforderlich, ist es, dass das wettbewerbliche eigenartige Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht hat, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 600, 602 -Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 35; GRUR 2007, 339 - Stufenleitern, Tz. 39; GRUR 2007, 984 - Gartenliege, Tz. 34; GRUR 2009, 79 - Gebäckpresse, Tz. 35; GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE; Tz. 36).
Dabei folgt der Senat der Argumentation der Klägerin, dass zu den angesprochenen Verkehrskreisen nicht sämtliche Käuferinnen von Trachtenartikeln gehören. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Käuferin eines "Party-Dirndls" für eine Oktober-Fest-Veranstaltung oder ähnliches sich für einen Trachtenpumps interessiert, der fast 200,-€ kostet. Andererseits weisen die Beklagten überzeugend darauf hin, dass Trachtenmode nicht nur im süddeutschen Raum von Anhängerinnen der bayerischen Trachtenkultur nachgefragt wird, sondern es durchaus auch im übrigen Bundesgebiet Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode gibt.
Bezogen auf diesen Verkehrskreis der Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode ist der Absatz von 1087 Paar Schuhen in der Zeit vom 27. August 2010 bis zum Kollisionszeitpunkt, das heißt der Markteinführung des Nachahmermodells am 01.04.2013, nicht ausreichend, um den Schluss auf eine gewisse Bekanntheit des klägerischen Erzeugnisses zuzulassen. Ausweislich der von der Klägerin als Anlage BK 23 vorgelegten Excel-Tabelle erfolgte die Auslieferung der Schuhe ausschließlich an Schuhgeschäfte im süddeutschen Raum. Man kann zugunsten der Klägerin unterstellen, dass die von ihr an Einzelhändler gelieferten Schuhe im Ladengeschäft, vielleicht in gewissem Umfang auch im Schaufenster ausgestellt waren und zum weit überwiegenden Teil auch abverkauft wurden. Dennoch ist die Zahl von 1087 Paar gelieferten Schuhen über eine Zeitraum von fast 3 Jahren an süddeutsche Einzelhändler zu gering, um, bezogen auf einen sich bundesweit befindlichen angesprochenen Verkehrskreis eine gewisse Bekanntheit zu dokumentieren. Soweit die Klägerin des Weiteren auf einen am ...09.2011 an eine Moderatorin des ... Rundfunks ausgelieferten Schuh in lilafarbener Ausgestaltung abstellt, überzeugt dies nicht. Die Moderatorin hat diesen Schuh nach dem klägerischer Vortrag im Rahmen einer über zweistündigen Aufzeichnung der Sendung "..." am ...09.2011, also zum Auftakt des Oktoberfestes, getragen. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Schuhe der Moderatorin im Zuge dieser Aufzeichnung gezeigt und gar in einer prominenten Art und Weise gezeigt worden wären, die geeignet gewesen wäre, die Bekanntheit des Schuhs zu steigern.
Kataloge hat die Klägerin im fraglichen Zeitraum nur an Fachhändler sowie Messekunden und Vertreter aus Deutschland verteilt, nicht aber an Endkunden, so dass diese Kataloge in die Beurteilung der Bekanntheit nicht einbezogen werden können. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Empfänger der Kataloge diese an Endkunden weitergereicht hätten.
Da nicht festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vertriebenen Pumps über eine für eine vermeidbare Herkunftstäuschung erforderliche gewisse Bekanntheit verfügten, scheiden auch Ansprüche wegen unangemessener Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des klägerischen Erzeugnisses (§ 4 Nr. 9 b UWG) aus.
Ob jedenfalls bei den Einzelhändlern eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Schuhs angenommen werden kann (vgl. allgemein zur Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung auf den einzelnen Vertriebsstufen BGH, GRUR 2015, 909 - Exzenterzähne, Tz. 15, 44), kann dahinstehen. Denn diese Abnehmer wissen, von wem sie ihre Schuhe beziehen und werden daher allein wegen der Produktähnlichkeit keiner Herkunftstäuschung unterliegen oder den Ruf des einen Schuhs auf den anderen übertragen."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 22.10.2015
6 U 108/14
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Trachtenschuh keinen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz genießt, wenn dieser nicht speziell beworben und lediglich 1000 mal verkauft wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständige Rechtsprechung; BGH GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE, Tz. 22). Die Merkmale in ihrer Kombination müssen dem Produkt ein Gepräge geben, das dem Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft ermöglicht; es muss sich von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maße abheben, dass der Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließt. Dabei schließt die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Schutzes für Modeneuheiten es nicht aus, dass dem Verkehr die besonders originelle Gestaltung eines Modeerzeugnisses als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dient (BGH GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 20; GRUR 1998, 477, 478 - Trachtenjanker).
Bei dem von der Klägerin angebotenen Schuh handelt es sich, was die Grundform angeht, um einen klassischen Pumps, der einerseits modern wirkt, weil er mit einer Plateausohle versehen ist, andererseits aber zugleich eine rustikale Note aufweist, weil er mit einem relativ breiten Riemchen versehen ist, das eine Schnalle aufweist, wie sie typischerweise auf Trachtenschuhen zu finden ist. Diese Kombination von klassisch-elegantem Pumps mit Elementen der Trachtenmode verleiht dem Schuh eine besondere Originalität, die geeignet ist, dem Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen.
Vergebens verweisen die Beklagten auf einen von A bereits 1955 designten Schuh, der ebenfalls über ein Riemchen verfügt (Schriftsatz vom 29.11.2013, Bl. 213 oben d. A.). Denn dieser Schuh erzeugt, ebenso wie der weiter von den Beklagten in dem Prozess eingeführte Schuh "... mit Pünktchenmuster" (Bl. 214 d. A.) einen völlig anderen Gesamteindruck.
Jedoch setzt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung eine gewisse Bekanntheit des nachgeahmten Produkts voraus, weil ansonsten die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen kann. Zwar ist insoweit eine Verkehrsgeltung nicht erforderlich. Ausreichend, aber erforderlich, ist es, dass das wettbewerbliche eigenartige Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht hat, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 600, 602 -Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 - Jeans I, Tz. 35; GRUR 2007, 339 - Stufenleitern, Tz. 39; GRUR 2007, 984 - Gartenliege, Tz. 34; GRUR 2009, 79 - Gebäckpresse, Tz. 35; GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE; Tz. 36).
Dabei folgt der Senat der Argumentation der Klägerin, dass zu den angesprochenen Verkehrskreisen nicht sämtliche Käuferinnen von Trachtenartikeln gehören. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Käuferin eines "Party-Dirndls" für eine Oktober-Fest-Veranstaltung oder ähnliches sich für einen Trachtenpumps interessiert, der fast 200,-€ kostet. Andererseits weisen die Beklagten überzeugend darauf hin, dass Trachtenmode nicht nur im süddeutschen Raum von Anhängerinnen der bayerischen Trachtenkultur nachgefragt wird, sondern es durchaus auch im übrigen Bundesgebiet Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode gibt.
Bezogen auf diesen Verkehrskreis der Interessentinnen für hochwertige Trachtenmode ist der Absatz von 1087 Paar Schuhen in der Zeit vom 27. August 2010 bis zum Kollisionszeitpunkt, das heißt der Markteinführung des Nachahmermodells am 01.04.2013, nicht ausreichend, um den Schluss auf eine gewisse Bekanntheit des klägerischen Erzeugnisses zuzulassen. Ausweislich der von der Klägerin als Anlage BK 23 vorgelegten Excel-Tabelle erfolgte die Auslieferung der Schuhe ausschließlich an Schuhgeschäfte im süddeutschen Raum. Man kann zugunsten der Klägerin unterstellen, dass die von ihr an Einzelhändler gelieferten Schuhe im Ladengeschäft, vielleicht in gewissem Umfang auch im Schaufenster ausgestellt waren und zum weit überwiegenden Teil auch abverkauft wurden. Dennoch ist die Zahl von 1087 Paar gelieferten Schuhen über eine Zeitraum von fast 3 Jahren an süddeutsche Einzelhändler zu gering, um, bezogen auf einen sich bundesweit befindlichen angesprochenen Verkehrskreis eine gewisse Bekanntheit zu dokumentieren. Soweit die Klägerin des Weiteren auf einen am ...09.2011 an eine Moderatorin des ... Rundfunks ausgelieferten Schuh in lilafarbener Ausgestaltung abstellt, überzeugt dies nicht. Die Moderatorin hat diesen Schuh nach dem klägerischer Vortrag im Rahmen einer über zweistündigen Aufzeichnung der Sendung "..." am ...09.2011, also zum Auftakt des Oktoberfestes, getragen. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Schuhe der Moderatorin im Zuge dieser Aufzeichnung gezeigt und gar in einer prominenten Art und Weise gezeigt worden wären, die geeignet gewesen wäre, die Bekanntheit des Schuhs zu steigern.
Kataloge hat die Klägerin im fraglichen Zeitraum nur an Fachhändler sowie Messekunden und Vertreter aus Deutschland verteilt, nicht aber an Endkunden, so dass diese Kataloge in die Beurteilung der Bekanntheit nicht einbezogen werden können. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Empfänger der Kataloge diese an Endkunden weitergereicht hätten.
Da nicht festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vertriebenen Pumps über eine für eine vermeidbare Herkunftstäuschung erforderliche gewisse Bekanntheit verfügten, scheiden auch Ansprüche wegen unangemessener Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des klägerischen Erzeugnisses (§ 4 Nr. 9 b UWG) aus.
Ob jedenfalls bei den Einzelhändlern eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Schuhs angenommen werden kann (vgl. allgemein zur Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung auf den einzelnen Vertriebsstufen BGH, GRUR 2015, 909 - Exzenterzähne, Tz. 15, 44), kann dahinstehen. Denn diese Abnehmer wissen, von wem sie ihre Schuhe beziehen und werden daher allein wegen der Produktähnlichkeit keiner Herkunftstäuschung unterliegen oder den Ruf des einen Schuhs auf den anderen übertragen."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: