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KG Berlin: Markenrechtsverletzung durch Verwendung der Zeichenfolge "Amrit" für Restaurantbezeichnung - Verkehrserwartung bei Restaurantbezeichnungen hebelt Markenrecht nicht aus

KG Berlin
Beschluss vom 15.01.2025
5 W 1/25

Das KG Berlin hat entschieden, dass die Verwendung der Zeichenfolge "Amrit" im Rahmen einer Restaurantbezeichnung die Rechte an der entsprechenden eingetragenen Unionsmarke verletzt. Dies gilt auch dann, wenn beide Restaurants 500 km voneinander entfern sind. Die Verkehrserwartung bei Restaurantbezeichnungen hebelt das Markenrecht insoweit nicht aus.

Aus den Entscheidungsgründen:_
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere liegt ein Verfügungsgrund vor, wobei sich die Antragstellerin auf die Vermutung des § 140 Abs. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 129 Abs. 3 UMV berufen kann.

3.2.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet, da der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit b) UMV zur Seite steht.

3.2.1.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt keine Zeichenidentität vor.

3.2.1.1.
Die Beurteilung erfolgt im Verletzungsverfahren anhand eines Vergleichs der Verfügungs- / Klagemarke in ihrer im Register eingetragenen Gestaltung mit dem vom Verletzer tatsächlich benutzten Kollisionszeichen in der konkreten Form, wie es dem Publikum entgegentritt (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – C-533/06 –, Rn, 64, 67 - O2/Hutchison; BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 – I ZR 100/10 –, Rn. 19, juris - pjur/pure; Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 214/11 –, Rn. 31, juris – VOLKSWAGEN / Volks.Inspektion). Ein Zeichen ist mit einer Marke identisch, wenn es ohne Änderung oder Hinzufügung alle Elemente wiedergibt, die die Marke bilden, oder wenn es als Ganzes betrachtet Unterschiede gegenüber der Marke aufweist, die so geringfügig sind, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – C-558/08 –, Rn. 47 - Portakabin).

3.2.1.2.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, benutzt die Antragsgegnerin entgegen der Ansicht der Antragstellerin das Zeichen „Amrit“ nicht in Alleinstellung, sondern in den Formen:

„Amrit Indisches Restaurant in der Chrombach Stuben“ (nachfolgend auch: „K[ollisionszeichen]1“),

Amrit indisch Restaurant“ (nachfolgend auch: „K2“), mit der bildlichen Darstellung Abbildung (nachfolgend auch: „K3“),

Amrit Indische Restaurant An der Chrombach Stube“ (nachfolgend auch: „K4“) und

„amrit-aichach.de“ (nachfolgend auch: „K5“).

Denn ausweislich der Einlichtungen im Tenor, aus denen sich ergibt, welche Handlungen die Antragstellerin verboten wissen will, nimmt das angesprochene Publikum das Zeichen nur in dem genannten Kontext, nicht aber in Alleinstellung wahr. Zeichenidentität liegt daher alleine schon deshalb nicht vor, da das Publikum die Kollisionszeichen als mehrteilige Zeichen wahrnimmt (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 – I ZR 210/18 –, Rn. 35, juris - Vorwerk), und die Verfügungsmarke nur einteilig ist. Auch wenn der Zeichenbestandteil „Amrit“ prägenden Charakter hat und die anderen Zeichenbestandteile (mit Ausnahme von K3 und K5) beschreibend sind, sind diese beschreibenden Angaben alleine schon aufgrund der Anzahl der Zeichen nicht so geringfügig, dass sie dem angesprochenen Publikum entgehen können, und führen daher aus dem Identitätsbereich heraus (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – I ZR 117/17 –, Rn. 24, juris – ÖKO-TEST II). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 6. Dezember 2024 (Bl. 30 eA LG) zitierten „BergSpechte“-Entscheidung des EuGH vom 25. März 2010 (Gz. C-278/08). In jenem Fall war – anders als vorliegend – in der Klagemarke der Zeichenbestandteil „BergSpechte“ gegenüber den übrigen Zeichenbestandteilen graphisch deutlich hervorgehoben, sodass die übrigen Zeichenbestandteile – anders als hier – dem angesprochenen Publikum entgehen konnten. Hinsichtlich K3 liegt ersichtlich keine Zeichenidentität vor, hinsichtlich K5 folgt dies schon daraus, dass sich K5 von der Verfügungsmarke hinsichtlich der Top-Level-Domain unterscheidet (zur Berücksichtigung der Top-Level-Domain vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2004 – I ZR 135/01 –, Rn. 19, juris – soco.de).

An diesem Befund ändert auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Nutzerbewertungen und die Berichterstattung in den Aichacher Nachrichten nichts, da dies keine Zeichenverwendung durch die Antragsgegnerin ist.

3.2.2.
Nach Art. 9 Abs. 2 lit b UMV hat der (Unions-)Markeninhaber das Recht, es Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

3.2.3.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

3.2.3.1.
Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BGH unter der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 11. November 1997, C-251/95, GRUR 1998, 387 Rn. 22 – Sabèl/Puma; Urteil vom 18. Dezember 2008 – C-16/06 P –, juris, Rn. 45 – MOBELIX / OBELIX; ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. aus jüngerer Zeit BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 – I ZR 135/19 –, Rn. 31, juris – PURE/PURE PEARL). Dabei ist gemäß dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 lit b UMV auf das „Publikum“ abzustellen, mithin auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren/Dienstleistungsart, wobei die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren/Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 1999 – C-342/97 –, Rn. 26, juris – Lloyd; ebenso BGH, Urteil vom 13. Januar 2000 – I ZR 223/97 –, Rn. 59, juris – ATTACHÉ/TISSERAND); „Publikum“ meint aber nicht nur private Endkunden, sondern auch Fachleute, Zwischenhändler und gewerbliche Endkunden und damit alle aktuellen und potentiellen Abnehmer der maßgeblichen Waren/Dienstleistungen (Thalmaier in: BeckOK MarkenR, 39. Ed. 1.10.2024, § 14 MarkenG Rn. 280).

3.2.3.2.
Neben den in Art. 9 Abs. 2 lit b UMV explizit genannten Voraussetzungen der Zeichenidentität bzw. -ähnlichkeit und der Waren/Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit hängt das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr entscheidend von einem dritten, ungeschriebenen Faktor ab, der Kennzeichnungskraft der Klagemarke (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BGH, Urteil vom 14. November 1991 – I ZR 24/90 –, Rn. 19, juris – dipa/dib; Beschluss vom 11. Mai 2006 – I ZB 28/04 –, Rn. 16, juris – Malteserkreuz; EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – C-16/06 P –, juris, Rn. 64 – MOBELIX / OBELIX). Die Frage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren auszugehen, und zwar insbesondere zwischen der Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft des Zeichens, aus dem Schutz beansprucht wird. Das Verhältnis der Wechselwirkung der drei Faktoren äußert sich dahingehend, dass ein geringer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH, Urteil vom 29. September 1998 – C-39/97 –, Rn- 17 – 19, juris - CANNON/Canon; Urteil vom 13. September 2007 – C-234/06 P –, Rn. 48, juris - BAINBRIDGE; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 – I ZR 135/19 –, Rn. 31, juris - PEARL/PURE PEARL). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (BGH, Beschluss vom 06. Februar 2020 – I ZB 21/19 –, Rn. 25, juris - INJEKT/INJEX). Bei allen drei zunächst festzustellenden und sodann in eine Gesamtabwägung einzustellenden Verwechslungsfaktoren (Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit, Kennzeichnungskraft der Klagemarke, Zeichenähnlichkeit) kann jeweils eine sehr hohe (weit überdurchschnittliche), hohe (überdurchschnittliche), normale (durchschnittliche), geringe (unterdurchschnittliche) und sehr geringe (weit unterdurchschnittliche) Ähnlichkeit (der Waren-/Dienstleistungen bzw. Zeichen) bzw. Kennzeichnungskraft Ergebnis der Prüfung sein (BGH, Urteil vom 05. Dezember 2012 – I ZR 85/11 –, Rn. 55, juris – Culinaria/Villa Culinaria).

3.2.3.3.
Unter Anwendung dieser Grundsätze gilt im vorliegenden Fall:

3.2.3.3.1.
Die Nutzung der Kollisionszeichen im Kontext der konkreten Verletzungsformen richtet sich an Verbraucher, die ein Restaurant besuchen, in dem indische Speisen serviert werden, sowie Verbraucher, die einen entsprechenden Lieferservice in Anspruch nehmen. Das angesprochene Publikum hat keine Kenntnisse der indischen Sprache mit Ausnahme von den wenigen Begriffen aus der indischen Sprache, die Einzug auch in den deutschen Wortschatz gefunden haben oder die zum Allgemeinwissen gehören.

3.2.3.3.2.
Die Antragsgegnerin verwendet die Kollisionszeichen für Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, die von der Marke erfasst werden.

3.2.3.3.3.
Die Verfügungsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

3.2.3.3.3.1.
Um die Kennzeichnungskraft einer Marke zu bestimmen, ist umfassend zu prüfen, ob die Marke geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH, Urteil vom 22. Juni 1999 – C-342/97 –, Rn. 22, juris – Lloyd; Büscher/Kochendörfer in: BeckOK UMV, 34. Edition, Stand: 15.08.2024, Art. 8 Rn. 97). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen (BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 – I ZR 75/15 –, Rn. 19, juris - Wunderbaum II). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. BGH, aaO.; aus neuerer Zeit vgl. Beschluss vom 6. Februar 2020 – I ZB 21/19 –, Rn. 41, juris - INJEKT/INJEX). Hierfür besteht allerdings keine Vermutung. Die Kennzeichnungskraft kann schon von Hause aus schwach oder hoch sein (vgl. Büscher/Kochendörfer in: BeckOK UMV, 34. Ed. 15.8.2024, Art. 8 Rn. 98 mit weiteren Nachweisen).

3.2.3.3.3.2.
Die Verfügungsmarke hat durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das Publikum nimmt die Verfügungsmarke als Begriff aus der indischen Sprache wahr, kennt dessen Bedeutungsgehalt aber nicht. Die Bezeichnung eines indischen Restaurants mit einem indischen Wort unbekannter Bedeutung ist damit weder über- noch unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig.

3.2.3.3.4.
Die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen ist überdurchschnittlich.

3.2.3.3.4.1.
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Denn das Publikum nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Danach sind die einander gegenüberstehenden Zeichen bei dem Vergleich jeweils als Ganzes zu prüfen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Bestandteile zu berücksichtigen sind (BGH, Beschluss vom 06. Februar 2020 – I ZB 21/19 –, Rn. 66, juris - INJEKT/INJEX). Beschreibende Bestandteile sind bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit nicht von vornherein aus der Betrachtung auszuschließen; ihnen kommt allerdings im Allgemeinen ein geringeres Gewicht zu (BGH, aaO., juris, Rn. 69, 70 – 72, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 – C-705/17 –, Rn. 46, juris – Roslagspunsch/ROSLAGSÖL).

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-) Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 06. Februar 2020 – I ZB 21/19 –, Rn. 58, juris - INJEKT/INJEX).Der sich aus der Eintragung einer Wortmarke ergebende Schutz erstreckt sich dabei auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen kann; ob die Wortmarke in Klein- oder Großbuchstaben dargestellt wird, ist daher irrelevant (vgl. Hildebrandt in Hildebrandt/Sosnitza, UMV, Art. 8 Rn. 162 m.w.N.).

Besteht Ähnlichkeit zwischen jeweils prägenden Bestandteilen, so ist regelmäßig eine Zeichenähnlichkeit gegeben. Prägenden Charakter hat ein Zeichenbestandteil, wenn die weiteren Bestandteile des Zeichens in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen (BGH, Beschluss vom 09. Juli 2015 – I ZB 16/14 –, Rn. 13, juris - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE).

3.2.3.3.4.2. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, besteht überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit.

Der Umstand, dass Identität hinsichtlich der Buchstabenfolge „Amrit“ besteht, wird hinsichtlich der Kollisionszeichen K1, K2 und K4 zwar im Schriftbild und im Klang durch die weiteren Zeichenbestandteile verwässert. Allerdings sind die weiteren Zeichenbestandteile beschreibend, und zwar zum einen hinsichtlich der Art der Dienstleistung und hinsichtlich K1 und K4 auch zum Ort, wo die Dienstleistungen angeboten werden. Als rein beschreibend treten die übrigen Zeichenbestandteile damit in den Hintergrund gegenüber dem einzigen, aus der Sicht des angesprochenen Publikums nicht beschreibenden Zeichenbestandteil „Amrit“, der den Gesamteindruck des Kollisionszeichens „prägt“ / „dominiert“ (vgl. Boddien in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1000).

Ähnliches gilt hinsichtlich K3. Das angesprochene Publikum assoziiert den Bildbestandteil (zutreffend) als Wiedergabe einer Geste aus dem indischen Kulturkreis, was dem Bildbestandteil beschreibenden Charakter verleiht und ihn hinter den Zeichenbestandteil „Amrit“ zurücktreten lässt.

Auch bei K5 wird der Zeichenbestandteil „amrit“ (nur) von einer Ortsangabe und einer Top-Level-Domain begleitet, sodass auch hier der Zeichenbestandteil „amrit“ den Gesamteindruck dieses Kollisionszeichens prägt.

3.2.3.4. Somit ist die Verfügungsmarke durchschnittlich kennzeichnungskräftig, die Antragsgegnerin verwendet das Kollisionszeichen für Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, die von der Marke erfasst werden, und die Zeichenähnlichkeit ist überdurchschnittlich. Bei dieser Sachlage besteht aufgrund der Wechselwirkung der drei Faktoren die unmittelbare Gefahr, dass das angesprochene Publikum die Verfügungsmarke und die von der Antragsgegnerin verwendeten Kollisionszeichen dergestalt miteinander verwechselt, dass es das eine Zeichen irrig für das andere hält oder annimmt, dass die fraglichen Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (BGH, Urteil vom 03. April 2008– I ZR 49/05 –, Rn. 38, juris – Schuhpark).

3.2.3.5. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die Kollisionszeichen zur Kennzeichnung eines Restaurants benutzt werden, das über 500 km von dem Betrieb entfernt ist, für den die Verfügungsmarke verwendet wird. Im vorliegenden Fall kommt es auch nicht darauf an, ob die Verfügungsmarke bereits eine überörtliche Restaurantkette kennzeichnet oder ob Restaurants, die unter der Verfügungsmarke betrieben werden, großstädtisch geprägt und „stylish aufgemacht“ sind. Eine Verbrauchererwartung, wonach Restaurant-Dienstleistungen, die an unterschiedlichen Orten angeboten werden, sogar bei gleicher Bezeichnung nicht auch von demselben Anbieter stammen, führt nicht zu einer Einschränkung des Schutzbereichs der (registrierten) Verfügungsmarke (vgl. hierzu Omsels, jurisPR-WettbR 1/2016 Anm. 3). Soweit der Senat im Urteil seines Einzelrichters vom 17. März 2015 (5 U 111/13) eine gegenteilige Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

Eine (registrierte) Marke ist ein formales Recht, das im gesamten Territorium, für das sie geschützt ist, Geltung beansprucht. Dies gilt auch dann, wenn die Marke und das aus ihr angegriffene Kennzeichen nur in einem räumlich begrenzten Bereich kollidieren oder wenn – wie derzeit hier – faktisch eine Kollision gar nicht vorliegt, weil die registrierte Marke nur regional begrenzt verwendet wird und der Benutzer des angegriffenen Zeichens ebenfalls nur räumlich begrenzt, aber in einer anderen Region, tätig ist (zur nationalen Marke vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 9; BPatG, Beschluss vom 16. September 2009 – 26 W [pat] 93/09 –, Rn. 31, juris - MAX Pilsener/Maxl Bräu/Maxl). Der Gedanke, dass der Schutzumfang der Marke innerhalb des Territoriums, für das sie geschützt ist, beschränkt wäre („Regionalmarke“), ist auf die Registermarke nicht anwendbar. Als Korrektiv dienen insoweit allein die Vorschriften über den Benutzungszwang (Hacker, aaO.). Auch insoweit ist für den Schutz der Registermarke unerheblich, an welchem Ort sie innerhalb des Territoriums, für das sie geschützt ist, benutzt wird (vgl. etwa Fezer in: Fezer, MarkenR, 5. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 19). Auch muss die Registermarke innerhalb der Benutzungsschonfrist überhaupt nicht benutzt werden, es muss nicht einmal ein entsprechender Geschäftsbetrieb bestehen, und dennoch ist die Marke im gesamten Territorium von Dritten uneingeschränkt zu beachten (vgl. zur nationalen Marke etwa Ekey in: Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 4. Aufl., § 4 MarkenG Rn. 22). Auch reicht es für eine rechtserhaltende ernsthafte Benutzung der registrierten Marke aus, dass sie nur in einem regional beschränkten Teil des Territoriums eingesetzt wird, für das sie Schutz genießt, ohne dass sie in anderen Teilen dieses Territoriums auch nur graduell weniger geschützt wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 – C-416/04 P –, Rn. 76, - VITAFRUIT; BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 106/11 –, Rn. 38, juris – VOODOO; A. Nordemann in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 64). Für den Schutz der registrierten Marke an sich ist zudem völlig unerheblich, ob sie dem angesprochenen Publikum bekannt ist oder nicht (vgl. Art. 6 UMV), ob das angesprochene Publikum den Betrieb, den sie kennzeichnet, als „Restaurantkette“ kennt oder ob das angesprochene Publikum weiß, dass die unter der Marke betriebenen Restaurants großstädtisch geprägt und „stylish aufgemacht“ sind.

Mit den eben dargestellten Grundprinzipien des Markenrechts ist nicht vereinbar, den Schutzbereich der registrierten Marke auf eine „Regionalmarke“ zu reduzieren, wenn die Marke (zunächst) nur regional genutzt wird. Dies würde auch zu dem nicht begründbaren Ergebnis führen, dass dann der Schutzumfang der Marke während der Benutzungsschonfrist größer wäre, wenn sie innerhalb der Benutzungsschonfrist überhaupt nicht benutzt würde. Zudem wäre derjenige Markeninhaber benachteiligt, dessen Unternehmen nicht oder nicht sofort nach Eintragung der Marke auf eine flächendeckende Ausdehnung angelegt wäre. Dies würde aber den markenrechtlichen Grundprinzipien widersprechen: Der Sinn und Zweck der Marke besteht darin, für Waren oder Dienstleistungen, die mit der Marke versehen sind, gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 11. März 2003 – C-40/01 –, Rn. 37 – Ansul/Ajax; Urteil vom 9. Dezember 2008 – C-442/07 –, juris - Verein Radetzky-Orden). Diese Möglichkeit bietet die Marke aber nur, wenn sie in dem gesamten Territorium, für das sie Schutz genießt, auch geschützt wird, so dass der Markeninhaber nicht Gefahr läuft, andernorts prioritätsjüngere verwechslungsfähige Zeichen hinnehmen zu müssen, wenn er die Nutzung seiner Marke später dorthin erstrecken möchte. Aus diesem Grunde kann es für den Schutz der Marke – auch im Bereich der Verpflegung von Gästen – auch keine Rolle spielen, ob sie bereits für eine überregionale Restaurantkette verwendet wird oder erst später dazu entwickelt werden könnte.

Diese Grundsätze können auch nicht mit der Annahme überspielt werden, dass das angesprochene Publikum bei „Restaurant-Marken“ daran gewöhnt sei, dass es häufig Restaurants verschiedener (und wirtschaftlich unverbundener) Betreiber mit identischer Bezeichnung gäbe, und das angesprochene Publikum daher auf Unterschiede in der Bezeichnung sehr viel genauer achte, als dies normalerweise der Fall sei. Dies würde entgegen der oben dargestellten Prinzipien des Markenrechts registrierte „Restaurant-Marken“ auf einen (zudem nur regional beschränkten) Identitätsschutz reduzieren und wäre mit dem der Registermarke innewohnenden abstrakten Verbietungsrecht (vgl. etwa BPatG, Beschluss vom 10. März 2010 – 26 W [pat] 37/09 –, Rn. 19, juris - Bonnaris/BONARIS, zur nationalen Marke) unvereinbar.

3.2.3.6. Das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr wird aufgrund der bereits geschehenen Kennzeichenrechtsverletzung vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2024 – I ZR 95/22, Rn. 38, juris – Peek & Cloppenburg V). Diese tatsächliche Vermutung ist hier nicht widerlegt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Prioritätsältere Rechte an einer Unternehmensbezeichnung können Ansprüchen aus Unionsmarke entgegengehalten werden - violed

OLG Frankfurt 6. Zivilsenat
07.03.2024
6 U 25/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass prioritätsältere Rechte an einer Unternehmensbezeichnung Ansprüchen aus einer Unionsmarke entgegengehalten werden können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des unionsweit international zuständigen Unionsmarkengerichts (Art. 125 Abs. 1, Art. 126 Abs. 1 Buchst. a UMV) beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht aus Art. 9 UMV zusteht, da sich die Beklagten nach Art. 9 Abs. 2 Halbsatz 1 UMV für den nach dem Unterlassungsantrag allein in Rede stehenden Bereich der Bundesrepublik Deutschland auf ein prioritätsälteres Recht an dem Unternehmensschlagwort „violed“ der Beklagten zu 1 berufen können (zur territorialen Beschränkung eines deutschen Unternehmenskennzeichens, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 07.11.2019 -I ZR 222717, GRUR 2020, 647 Rn. 25 mwN - Club Hotel Robinson). Damit ist die Klage insgesamt unbegründet.

1. Zwar fällt das von der Klägerin beanstandete Produktangebot in den Schutzbereich der Klagemarke. Es bezieht sich auf ein Sterilisationsgerät, das unter dem markenmäßig verwendeten Zeichen „violed“ beworben worden ist. Die markenmäßige Zeichennutzung folgt aus dem auf der Internetseite der Beklagten zu 1 in grafisch gestalteter Form abgebildeten Zeichen „violed“, zumal soweit dieses teilweise mit dem ®-Zeichen versehen war, das für den angesprochenen Adressatenkreis - jedenfalls gewerbliche Kunden von Produkten mit LEDs - auf eine Registereintragung hindeutet. Dass die Beklagte zu 1 nicht über eine solche Registermarke verfügt, ist insoweit ebenso unerheblich wie die fehlende Kennzeichnung des eigentlichen Geräts mit „violed“.

2. Die Beklagte zu 2 hat das Zeichen „violed“ auch nicht (glatt) beschreibend benutzt. Daher scheidet eine Duldungspflicht der Klägerin nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a oder b UMV aus.

Zwar hat „violed“, insbesondere in der von der Beklagten zu 1 benutzten schwarz-violetten grafischen Gestaltung des Wortes im konkreten Zusammenhang mit UV-LEDs einen beschreibenden Anklang. Wie ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs erkennen wird, setzt es sich aus der Abkürzung „vio“ für „(ultra-)violett“ und „led“ für LED zusammen (wobei es sich auch um eine abgewandelte Schreibweise von „violett“ handeln könnte). Schon weil „vio“ nicht rein beschreibend ist, handelt es sich aber um eine Phantasiebezeichnung.

3. Die Beklagten können sich auch nicht auf ein älteres Recht der Beklagten zu 1 an deren eingetragener deutscher (Wort-)Marke berufen.

a) Die Beklagten machen zu Recht nicht geltend, dass das beanstandete Gerät ein solches der Klasse 9 sei, für das die deutsche Marke Schutz genießt („Optische und Signal-Apparate und -Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Elektrodrähte und -kabel, Elektrokondensatoren, Elektromagnetspulen, elektronische Anzeigetafeln, Sender für elektronische Signale, elektronische Transistoren, Halbleiter und elektronische Halbleiterbauelemente“).

b) Das beanstandete Produkt ist auch nicht als „Beleuchtungsgerät“, „Beleuchtungsanlage“ oder „Beleuchtungslampe“ der Klasse 11 anzusehen.

Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass es sich nicht um ein Beleuchtungsgerät, sondern um einen „UV-Sterilisator“ handelt (vgl. Anlage SB5, GA 36 f.), dessen Zweck in der Sterilisation und nicht in der Beleuchtung besteht. Zwar ist das Gerät (auch) mit einer UV-A-Beleuchtung ausgestattet. Diese dient aber nur dazu, die zu sterilisierende Fläche zu beleuchten. Anders als bei einem „Beleuchtungsgerät“ liegt der Hauptzweck des „UV-Sterilisator[s]“ nicht in der Beleuchtung. Bei anderer Betrachtung wären alle Geräte, die mit einer Lampe oder Leuchte ausgestattet sind (wie etwa teilweise Zahnbohrer oder Epilationsgeräte) „Beleuchtungsgeräte“ im Sinne der Klasse 11.

4. Es kann dahinstehen, ob die Nichtbenutzungseinrede der Beklagten durchgreift.

5. Die Beklagten haben die Klagemarke wegen der durchgreifenden Einrede eines prioritätsälteren Rechts der Beklagten zu 1 an deren Unternehmensschlagwort „violed“ nicht verletzt. Auf dieses Zeichen kommt es hier an und nicht auf die ursprüngliche Schreibweise „VioLED“, die lange vor dem Prioritätszeitpunkt der Klagemarke im Jahr 2008 geändert wurde.

a) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist Art. 9 Abs. 2 UMV so auszulegen, dass eine Verletzung der Unionsmarke nicht vorliegt, wenn dieser ältere Rechte Dritter entgegenstehen. Der Anspruch des Verletzungsklägers reicht nur so weit, wie er auf prioritätsältere Rechte verweisen kann (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 09.11.2017 - I ZR 110/16,GRUR 2018, 516 Rn. 29 mwN - form-strip II). Während nach Art. 99 Abs. 3 GMV (VO (EG) Nr. 207/2009 i.d.F. bis 22.06.2016) gegen Klagen gemäß Art. 96 Buchst. a und c GMV (u.a.) der Einwand der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wurde, insoweit zulässig war, als sich der Beklagte darauf berief, dass die Gemeinschaftsmarke wegen eines älteren Rechts des Beklagten für nichtig erklärt werden könnte (sog. Einrede des relativen Nichtigkeitsgrundes), wird dem Prioritätsprinzip nach neuem Recht bereits im Rahmen des Verletzungstatbestands Geltung verschafft (vgl. auch bereits Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 207/2009 in der ab dem 23.03.2016 geltenden Fassung). Auch nach der geltenden Fassung der Unionsmarkenverordnung ist es daher möglich, der Inanspruchnahme aus dem jüngeren Recht allein durch die Berufung auf das ältere Recht entgegenzutreten, ohne dessen Löschung zu betreiben (vgl. z.B. BGH, GRUR 2018, 516 Rn. 30 mwN - form-strip II).

Unter der Geltung des Art. 99 Abs. 3 GMV war insofern anerkannt, dass der Nichtigkeitseinwand nur zum Erfolg führte, wenn das ältere Recht des Beklagten die Klagemarke wegen Eingreifens eines relativen Nichtigkeitsgrundes gem. Art. 53 Abs. 1 und 2 GMV zu Fall bringen konnte. Voraussetzung des Nichtigkeitseinwands war, dass die jüngere Marke und ihr Schutzbereich mit der älteren Marke und deren Schutzbereich identisch waren (Art. 8 Abs. 1 Buchst. a GMV), eine Verwechslungsgefahr zwischen jüngerer und älterer Marke bestand (Art. 8 Abs. 1 Buchst. b GMV), die jüngere Marke den Bekanntheitsschutz der älteren Marke verletzte (Art. 8 Abs. 5 GMV) oder dass ein älteres sonstiges Kennzeichenrecht der Benutzung der jüngeren Marke entgegenstand (Art. 8 Abs. 4 GMV) (vgl. BGH, GRUR 2018, 516 Rn. 33 mwN - form-strip II). Die mit der Verordnung (EU) Nr. 2015/2424 vorgenommene Änderung des Art. 99 Abs. 3 GMV hat am Vorrang älterer Rechte gegenüber jüngeren Marken nichts geändert (BGH, GRUR 2018, 516 Rn. 26, 34 mwN - form-strip II). Der in Art. 9 Abs. 2 UMV ausdrücklich erwähnte Vorrang der vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte besteht, wenn - wie in Art. 8 Abs. 1, 4 und 5 UMV geregelt (vgl. auch Art. 60 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d, Abs. 2 UMV) - die jüngere Marke das ältere Recht verletzt oder das ältere Recht der Benutzung der jüngeren Marke entgegensteht und folglich der Inhaber des älteren Rechts Löschung der jüngeren Marke verlangen kann (BGH, GRUR 2018, 516 Rn. 34 mwN - form-strip II).

Der Ausübung der Rechte aus einer Unionsmarke können demnach auch Rechte aus einem prioritätsälteren Unternehmenskennzeichen entgegengehalten werden (siehe insofern bereits BGH, Urteil vom 23.06.2016 - I ZR 241/14, GRUR 2016, 965 Rn. 26-35 [33] - Baumann II). Nach der Regelung zu den sog. relativen Eintragungshindernissen in Art. 8 Abs. 4 UMV ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung von der Eintragung ausgeschlossen, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind (Buchst. a) (und) dieses Kennzeichen seinem Inhaber das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (Buchst. b).

Maßgeblich ist daher, ob die Beklagte zu 1 aufgrund ihres Unternehmenskennzeichens zum Zeitpunkt der Priorität der Klagemarke berechtigt gewesen ist, deren Benutzung (jedenfalls) für Sterilisationsgeräte mit UV-C-LEDs zu untersagen, ob also schon am 19.10.2015 eine Kollisionslage bestanden hat.

b) Dies ist entsprechend der angefochtenen Entscheidung der Fall.

Seinerzeit lag für den Teilbereich der unter der Klagemarke in Klasse 11 geschützten Waren der Sterilisations- und Desinfektionsgeräte (u.a. „air sterilizer“, „air sterilizers“; „air purifying apparatus and machines“; „air sterilizing apparatus“ „sterilizers“; „disinfectant apparatus“), und insofern speziell für die streitgegenständlichen Geräte auf Basis einer UV-C-LED-Lichttechnik, wegen hochgradiger Zeichenähnlichkeit und Branchennähe eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG vor, die einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 4 MarkenG begründet(e).

aa) Die Beklagte zu 1 hat vor dem Prioritätstag der Klagemarke Schutz an ihrem Firmenbestandteil „violed“ erlangt.

(1) Nach § 5 Abs. 1 MarkenG werden Unternehmenskennzeichen als geschäftliche Bezeichnungen geschützt. Zu den Unternehmenskennzeichen zählen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Unternehmens benutzt werden.

Für einen Teil einer Firmenbezeichnung kann der vom Schutz des vollständigen Firmennamens abgeleitete Schutz als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG beansprucht werden, sofern es sich um einen unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Bei schlagwortfähigen Firmenbestandteilen ist der Kennzeichenschutz, der lediglich die Eignung voraussetzt, im Verkehr als Herkunftshinweis zu dienen, aus der Gesamtfirma abgeleitet und entsteht daher bereits mit dem Schutz der vollständigen Bezeichnung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 Rn. 19 mwN - ConText).

Der Schutz eines in einer Firmenbezeichnung enthaltenen Bestandteils als Unternehmensschlagwort gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG setzt dabei neben der Unterscheidungskraft voraus, dass er nach der Verkehrsauffassung seiner Natur nach geeignet ist, wie ein Name des Unternehmens zu wirken. Die Anforderungen an die Unterscheidungskraft dürfen dabei nicht überspannt werden. Eine besondere Originalität, etwa durch eigenartige Wortbildung oder eine Heraushebung aus der Umgangssprache, ist nicht Voraussetzung für die Bejahung der Unterscheidungskraft. Es reicht aus, dass sich eine rein beschreibende Verwendung nicht festzustellen lässt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.02.2018 - I ZR 201/16, GRUR 2018, 935 Rn. 28 mwN - goFit).

(2) Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Da der auf die Gesellschaftsform der Beklagten zu 1 hindeutende Zusatz „GmbH“ im Rahmen der Firma „violed GmbH“ der Beklagten zu 1 glatt beschreibend ist, genießt „violed“ in Alleinstellung Kennzeichenschutz.

Wie oben bereits dargetan wurde, mag dieses Wort zwar einen beschreibenden Anklang haben. Es verfügt aber aus Sicht des angesprochenen Verkehrs - jedenfalls gewerbliche Abnehmer der LED-Lösungen der Beklagten zu 1 - über originäre Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft. Dies gilt insbesondere, da der Verkehr in Deutschland dazu neigt, den zweiten Wortbestandteil („led“) einsilbig und nicht in einzelne Buchstaben zergliedert („l - e - d“) auszusprechen.

bb) Zwischen der Klagemarke und dem Firmenschlagwort der Beklagten zu 1 „violed“ hat auch bereits zum Prioritätszeitpunkt der Klagemarke eine Verwechslungsgefahr bestanden.

(1) Die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des in Rede stehenden Kennzeichens und dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.03.2012 - I ZR 55/10, GRUR 2012, 635 Rn. 12 mwN - METRO/ROLLER’s Metro).

Ein Unternehmenskennzeichen kann insoweit nicht nur durch ein anderes Unternehmenskennzeichen, sondern auch durch eine Produktkennzeichnung verletzt werden. Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung einer angegriffenen Bezeichnung ist auszugehen, wenn sie vom Verkehr als Hinweis auf ein Unternehmen oder auf eine bestimmte betriebliche Herkunft der im Zusammenhang mit der Bezeichnung angebotenen Produkte verstanden wird (vgl. z.B. BGH, GRUR 2018, 935 Rn. 47 mwN - goFit).

Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die Parteien - bzw. hier für die Beklagte zu 1 - (gewesen) sind. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein. In die Beurteilung einzubeziehen sind naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche der Parteien. Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 20.01.2011 - I ZR 10/09, GRUR 2011, 831 Rn. 23 - BCC; GRUR 2012, 635 Rn. 14 mwN - METRO/ROLLER’s Metro).

Von einer Unähnlichkeit der Branchen ist angesichts des Kriteriums der Verwechslungsgefahr nur auszugehen, wenn trotz (unterstellter) Identität der Kennzeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Tätigkeitsfelder von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei gibt es eine (absolute) Branchenunähnlichkeit, die auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft des prioritätsälteren Unternehmenskennzeichens ausgeglichen werden kann (vgl. z.B. BGH, GRUR 2011, 831 Rn. 23 mwN - BCC).

Für die Verwechslungsgefahr genügt insoweit eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Diese liegt vor, wenn wegen der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit mit dem älteren Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen (zumindest) aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammten (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 05.02.2009 - I ZR 167/06, juris Rn. 79 mwN - METROBUS).

(2) Soweit es für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft bei einem Unternehmenskennzeichen - anders als bei einer Marke - darauf ankommt, ob der Verkehr das fragliche Kennzeichen nicht nur einem bestimmten, sondern gerade dem Unternehmen zuordnet, das für diese Bezeichnung Schutz beansprucht (vgl. z.B. BGH, GRUR 2012, 635 Rn. 18 mwN - METRO/ROLLER’s Metro), ist das Unternehmensschlagwort der Beklagten zu 1 durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

Für eine nur geringe Kennzeichnungskraft besteht mit Blick auf die Schreibweise in einem Wort und die Neigung des Verkehrs in Deutschland, das Schlagwort deutsch und als ein Wort auszusprechen, trotz eines für LED-Beleuchtungen mit ultravioletter (UV-)Strahlung gewissen beschreibenden Bezugs kein Anhaltspunkt.

Jedenfalls aber ist der Schutzumfang eines - wie hier - an eine beschreibende oder sonst freizuhaltende Angabe angelehnten Zeichens im Verhältnis zu anderen Zeichen, die sich - wie die Klagemarke „Violeds“ - ebenfalls an die freizuhaltende Angabe anlehnen und diese verfremden, nicht begrenzt (BGH, Urteil vom 14.02.2008 - I ZR 162/05, juris Rn.22 - HEITEC I).

(3) Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen „violed“ (Unternehmensschlagwort der Beklagten zu 1) und „Violeds“ (Klagemarke) besteht eine sehr hohe (weit überdurchschnittliche) Zeichenähnlichkeit (siehe insofern z.B. BGH, GRUR 2021, 724 Rn. 61 mwN - PEARL/PURE PEARL).

Zwar führen die Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung des jeweiligen Anfangsbuchstabens der Kollisionszeichen noch nicht aus dem Identitätsbereich hinaus (vgl. z.B. BGH, GRUR 2016, 705 Rn. 30 mwN - ConText). Allerdings besteht wegen des zusätzlichen „s“ am Ende der Klagewortmarke nur eine sehr hohe Zeichenähnlichkeit und keine Zeichenidentität mehr.

(4) Das Landgericht ist für die in Rede Waren (mit UV-C-LEDs), für die die Klagemarke auch Schutz genießt, auch zu Recht von einer Branchennähe des Tätigkeitsbereichs der Beklagten zu 1 bereits im Prioritätszeitpunkt ausgegangen.

(a) Die Maßstäbe der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und der von § 15 Abs. 2 MarkenG vorausgesetzten Branchennähe sind nicht deckungsgleich. Für die Beurteilung, ob eine Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, sind diejenigen Waren oder Dienstleistungen zugrunde zu legen, für die die Klagemarke eingetragen ist, während es auf das weitere Warensortiment, das der Inhaber der prioritätsälteren Marke anbietet, nicht ankommt. Für die Beurteilung der Branchennähe ist dagegen nicht notwendig, dass die vertriebenen Produkte den Begriff der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne erfüllen. Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es, wie oben bereits dargetan wurde, in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die beteiligten Unternehmen sind. Anhaltspunkte hierfür können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein. Zu berücksichtigen sein kann auch, ob sich die Unternehmen mit ihren Produkten auf dem Markt tatsächlich begegnen, mithin jedenfalls eine Überschneidung der Kreise der Adressaten der jeweiligen Leistungen gegeben ist (vgl. z.B. BGH,GRUR 2016, 810 Rn. 65 mwN - profitbricks.es). Eine Branchennähe kann auch unter Einbeziehung einer etwaigen sachlichen Ausweitung des Tätigkeitsbereichs zu bejahen sein, sofern eine entsprechende Ausweitung naheliegend und nicht nur theoretisch ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19.02.2009 - I ZR 135/06, juris Rn. 27 mwN - ahd.de; BGH, GRUR 2016, 810 Rn. 67 mwN - profitbricks.es).

(b) Nach diesen Maßstäben ist die Annahme einer Branchennähe durch das Landgericht nicht zu beanstanden.

Ausgehend von den durch die Klagemarke u.a. geschützten Dioden („Diodes“), lichtemittierenden Dioden (LEDs) („light emitting diodes (LEDs)“) der Klasse 9 und (v.a.) der Sterilisations- und Desinfektionsgeräte der Klasse 11, darunter tragbare Luftreiniger für den Haushalt („portable air cleaners for household“) und Sterilisations- und Desinfektionsvorrichtung für medizinische Ausrüstung/Ausstattung („sterilizing and disinfecting device for medical equipment“), kann eine Branchennähe zum Tätigkeitsfeld der Beklagten im Prioritätszeitpunkt am 19.10.2015 nicht verneint werden.

Soweit das Landgericht auf Grundlage des Vortrags der Beklagten davon ausgegangen ist, die Beklagte zu 1 sei nicht nur im Bereich Beleuchtungskonzepte mit LEDs tätig gewesen, sondern habe ausweislich Anlagen GL10a-10c schon früher - bereits im Jahr 2011 - LED-Produkte zur medizinischen und biomedizinischen Anwendung angeboten, ist diese mit Blick auf das zulässige Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen erfolgte Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) nicht zu beanstanden.

Maßgeblich ist grundsätzlich nicht der im Handelsregister eingetragene Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1, sondern deren tatsächliche geschäftliche Betätigung. Insoweit haben die Beklagten substantiiert dargetan und mit Unterlagen belegt, dass die Beklagte zu 1 bereits vor dem Prioritätstag der Klagemarke am 19.10.2015 LED-Lichttechnik und LED-Lichtlösungen angeboten hat.

Dies folgt aus Anlagen GL3 und GL4, die nach (unbestrittener) Behauptung der Beklagten Screenshots (u.a.) aus den Jahren 2013 und 2014 (GL3) und von Dezember 2013 sowie März 2015 enthalten (GL4) (vgl. insgesamt GA 68 ff.).

Die ersten beiden Seiten der Anlage GL3 sind Ausdrucke von der Webseite www.(violed).de der Beklagten zu 1 aus der sog. Wayback-Machine (www.(…).org) vom 20.07.2013 und 22.12.2014. Danach bewarb die Beklagte zu 1 schon damals „LED-Lichttechnik“ und „LED-Industrielösungen“, Letztere unter Verweis auf (mögliche) Prototypen und eine enge Absprache mit den Kunden (vgl. GA 68 f.).

Anlage GL4 enthält Wayback-Ausdrucke von der Internetseite der Beklagten zu 1 vom 09.11.2013 und 28.03.2015 mit umfangreicher Werbung für LED-Technologie mit dem Hinweis, die elektronischen Halbleiterlemente („Light Emitting Diode - kurz LED“) könnten durch die Auswahl der Materialien und die Dosierung verschiedenes Licht erzeugen, sowie mit dem Verweis auf leistungsstarke UV-LED-Strahler. Die Kunden wurden aufgefordert, die Beklagte zu 1 herauszufordern. Diese entwickele und realisiere UV-LED-Module, die exakt auf die Anforderungen der jeweiligen Applikation abgestimmt seien und - je nach Anwendung des einzelnen LED-Chips - verkapselte Varianten (als bedrahtete LED) bis zu High-Power-LEDs im UV-A-Bereich enthielten (vgl. GA 71 ff.).

Auch haben die Beklagten zum Nachweis des Vertriebs von Produkten auf Basis von UV-LEDs (u.a.) auf die in Kopie zur Akte gereichten Rechnungen in Anlage GL5 aus den Jahren 2013 und 2014 verwiesen. Diese teilweise geschwärzten Unterlagen (u.a.) vom 13.09.2013 und 20.03.2014 lassen erkennen, dass die Beklagte zu 1 (u.a.) „LED-Array[s]“) (35 bzw. 300 Stück) mit einer Wellenlänge von 390-395 nm (im UV-A-Bereich) als Sonderausfertigung ausgeliefert hatte (GA 74 f.).

Zu den (teilweise geschwärzten) Rechnungen in Anlage GL9 (u.a.) vom 09.05.2011, 16.12.2013 und 23.03.2015 haben die Beklagten unwidersprochen angegeben, „PCA, UVED COB“ mit der Artikelnummer ... sei ein LED-Hochleistungsmodul mit „Chip on Board“ mit UV-Technik (vgl. GA 178 f. i.V.m. Anlage GL9 [GA 209 ff.] und die Abbildung in Anlage GL10 mit der Aufschrift „violed [-] Artikel ... [-] LED-Hochleistungsmodul […] UV-LED-Modul […]“, GA 183).

Dass die Beklagte zu 1 schon im März 2011 unter ihrem Unternehmensschlagwort einen „UV LED EMITTER - 400nm Series“ mit einer Wellenlänge zwischen 395 nm und 405 nm in ihrem Sortiment hatte, folgt aus Anlage GL10a (GA 184 ff.).

Ausweislich Anlage GL10b (vgl. GA 184) gilt dies auch für ein/e „high-power LED solution“ (LED-Lösung mit großer Stärke) von besonderer Helligkeit der Marke(n) „ACULED® VHLTM“. Als Anwendungsbereich („Applications“) sind insofern neben dem Trocknen („ink-curing and adhesive curing“) u.a medizinische Anwendungen („Medical applications“) und eine medizinische Beleuchtung („Medical lightning“) genannt (vgl., GA 184 sowie das Datenblatt in Anlage GL10b, GA 188 ff.). Dieses Produkt emittiert intensives, nicht sichtbares UV-Licht, das nicht mit Augen in Kontakt kommen sollte (vgl. Anlage GL10b S. 9, GA 195). Dass die Beklagte zu 1 das Gerät schon vor dem Prioritätstag vertrieb, folgt aus den Rechnungen in Anlage GL10c vom 01.07.2008 über insgesamt 600 Stück (GA 201), vom 16.06.2009 über insgesamt 5.100 Stück (GA 200) und vom 09.10.2012 über 350 Stück (GA 199). Ob die Vorrichtung tatsächlich zu einem medizinischen Zweck bei ihr erworben wurde - was die Beklagten selbst nicht geltend gemacht haben (vgl. GA 179) - ist unerheblich. Die Vorrichtung war jedenfalls dafür geeignet.

Da eine Fälschung der vorgenannten Unterlagen weder dargetan noch ersichtlich ist, dienen diese als Beleg für die Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1 vor dem Prioritätstag der Klagemarke. Auf den Umfang dieser Betätigung und eine ununterbrochene Geschäftstätigkeit auf diesem Gebiet kommt es nach zutreffender Ansicht des Landgerichts nicht an.

Nach vorgenannten Unterlagen war das Leistungsspektrum der Beklagten zu 1 auch nicht auf Beleuchtungen und Beleuchtungskonzepte beschränkt, auch wenn darin der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit gelegen haben mag. Die Beklagte zu 1 bot - ohne Zweckbestimmung oder -begrenzung - „LED Lichttechnik“ und „LED-Industrielösungen“ an, darunter (u.a.) „LED-Technologie“, „Customer-Design“ (individuelle Kundenlösungen), „High-Power-LED (ACULED)“ und „UV-LED-Technik“ (vgl. z.B. Anlage GL4, GA 71). Der Umstand, dass sie die UV-LEDs nicht selbst hergestellt, sondern zugekauft hat, spielt für die Frage der Branchennähe keine entscheidende Rolle. Maßgebend ist das Waren- und Dienstleistungsangebot der Beklagten zu 1.

Zwar lässt sich den oben angeführten Unterlagen nach zutreffender der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 1 bereits im Prioritätszeitpunkt Desinfektions- oder Sterilisationsgeräte oder auch nur Geräte mit UV-C-LEDs angeboten hätte - was die Beklagten auch nicht behauptet haben. Das Landgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausdehnung ihres Betätigungsfelds auf andere LED-Anwendungen, darunter UV-C-LEDs zu Sterilisations- bzw. Reinigungszwecken, nahelag. Ob dies für alle Lösungen mit UV-LEDs gilt, kann dahingestellt bleiben. Es ist unstreitig, dass die allen UV-LED-Produkten zugrundeliegende Technik Übereinstimmungen aufweist. UV-A- und UV-C-LEDS unterscheiden sich in technischer Hinsicht im Wesentlichen durch ein anderes Lichtspektrum. Die Beklagte zu 1 konnte insofern unstreitig auf ihrem Know-how und ihren Branchenkenntnissen aufsetzten. Die grundlegende Technik und das für das Angebot und den Verkauf von UV-C-LED-Produkten notwendige Wissen ist unstreitig weitestgehend identisch. Die Strahlung von UV-A-LEDs ist, jedenfalls im Peak-Bereich, ebenfalls nicht sichtbar und damit kein klassisches Beleuchtungsmittel (UV-A-LEDs werden u.a. als sog. „Schwarzlicht“ eingesetzt). Auch ist unstreitig seit Jahrzehnten bekannt, dass UV-Lichtquellen zur Sterilisation und Desinfektion verwendet werden können und auch eingesetzt worden sind (vgl. u.a. Anlage GL12, GA 207). Wie oben bereits dargetan wurde, hat die Beklagte zu 1 insoweit schon im Prioritätszeitpunkt der Klagemarke damit geworben, Lösungen nach Kundenspezifikation anzufertigen. Dabei hat sie ausdrücklich aufgezeigt, dass sich angetrieben von der rasanten technischen Entwicklung bei den LEDs neue Anwendungsgebiete für UV-LEDs eröffneten (dazu, dass der Aspekt eines Know-how-Transfers im Markenrecht im Grenzbereich der Warenähnlichkeit für eine Verwechslungsgefahr sprechen kann, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.10.2020 - I ZR 135/19, GRUR 2021, 724 Rn. 49 mwN - PEARL/PURE PEARL). Bei lebensnaher Betrachtung kann daher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 1 bei entsprechendem Interesse auch Desinfektionsgeräte mit UV-C-LEDs angeboten hätte. Für den Verkehr liegt insofern im Allgemeinen die Annahme nahe, dass sich ein Unternehmen auch mit der Herstellung, dem Vertrieb oder der Lizenzierung funktionell nahestehender Produkte befasst, um seine vorhandenen Erfahrungen, Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen weitergehend nutzen zu können (vgl. z.B.BGH, GRUR 2015, 176 Rn. 20 mwN - ZOOM/ZOOM, zu einer Marke).

Dem Umstand, dass die größten Anbieter von Luftreinigern in Deutschland nicht zugleich auch in der Beleuchtungsbranche tätig sind (vgl. S. 6 des Schriftsatzes vom 21.12.2022, GA 226), kommt insoweit keine entscheidende Bedeutung zu (zumal die Beklagten in der Berufungsverhandlung substantiiert dargetan und mit Screenshots unterlegt haben, dass es - jedenfalls heutzutage - durchaus Unternehmen gibt, die LED-Lampen bzw. -Beleuchtung sowie Geräte zur UV-C-Entkeimung bzw. -Sterilisation anbieten, vgl. die Anlagen zum Protokoll vom 07.03.2024).

Den Verhältnissen beim Vertrieb der Waren ist ebenfalls häufig - so auch hier - nur geringeres Gewicht beizumessen (BGH, GRUR 2015, 176 Rn. 27 mwN - ZOOM/ZOOM, zu einer Marke). Wie in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, hätte die Beklagte zu 1 bei entsprechenden Kundenanfragen ohne Weiteres Lösungen mit UV-C-LEDs anbieten können. Ihr streitgegenständliches Warenangebot unter „Industrielösungen“ in der Rubrik „UV-Sterilisator“ spricht auch nicht erkennbar einen anderen Adressatenkreis an als ihr Waren- und Dienstleistungsangebot bis Mitte Dezember 2015. Seinerzeit hätten interessierte Unternehmen auf der Suche nach UV-C-Lösungen bereits auf ihr Internetangebot stoßen können. Die durch die Klagemarke geschützten Waren sind - mit Ausnahme der ausdrücklich für den Haushalt („household“) bestimmten Geräte - ebenfalls nicht auf eine Verwendung durch Verbraucher beschränkt.

(5) Bei gebotener Gesamtwürdigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Unternehmenskennzeichens der Beklagten zu 1, der hochgradigen Zeichenähnlichkeit und der Branchennähe, hat daher bereits im Prioritätszeitpunkt der Klagemarke jedenfalls für Desinfektions- bzw. Sterilisationsgeräte mit UV-C-LED-Technik, und damit für einen Teil der durch die Klagemarke (mit-)geschützten Waren, eine Verwechslungsgefahr bestanden. Diese berechtigt die Beklagten dazu, der beanstandeten Verwendung des Zeichens „violed“ für eine UV-C-Sterilisator ein prioritätsälteres Kennzeichenrecht entgegenzuhalten.

c) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Baumann I“ (BGH, GRUR 2013, 1150 Rn. 47- Baumann I) führt nicht zu einer anderen Bewertung.

aa) Die dortige Klägerin hatte als ehemalige Lizenznehmerin der betreffenden Marke ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen im Inland erlangt, aus dem sie gegen die dortige Beklagte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs allerdings keine besseren Rechte ableiten konnte. Im Verhältnis zwischen den Parteien war sie so zu stellen, als wäre ihr Unternehmenskennzeichen erst mit einer Priorität zum Ende des Lizenzverhältnisses entstanden (vgl. BGH, GRUR 2013, 1150 Rn. 46 - Baumann I). An diesem Ergebnis ändert nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Umstand nichts, dass die dortige Klägerin ungeachtet der Prioritätslage jedenfalls über ein Unternehmenskennzeichen im Inland verfügte. Zwar könne sie sich darauf berufen, dass niemand daran gehindert werden dürfe, sich unter seinem Familiennamen im geschäftlichen Verkehr zu betätigen. Dieser Grundsatz gelte auch zugunsten einer Kapitalgesellschaft wie der dortigen Klägerin, die einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung entspreche und die den Namen eines ihrer Gesellschafter in ihre Firma aufgenommen habe. Könne ihr danach die Führung einer Firma mit dem Namen ihres Gesellschafters Baumann nicht untersagt werden, rechtfertige dies aber nicht den Übergang von einer firmen- zu einer markenmäßigen Benutzung des angegriffenen Zeichens (vgl. BGH, GRUR 2013, 1150 Rn. 47- Baumann I).

bb) Dieser Entscheidung liegt die Sondersituation einer beendeten Lizenzbeziehung zwischen den Inhabern der kollidierenden Rechte zugrunde (vgl. z.B. BGH, GRUR 2013, 1150 Rn. 44 mwN - Baumann I; Urteil vom 21.10.2015 - I ZR 173/14, GRUR 2016, 201 Rn. 31 - Ecosoil).

Eine solche Konstellation steht hier nicht in Rede.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuG: "Pablo Escobar" kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden da der Name mit Drogenhandel und Drogenterrorismus assoziiert wird

EuG
Urteil vom 17.04.2024
T-255/23
Escobar / EUIPO (Pablo Escobar)


Das EuG hat entschieden, dass die Wortfolge "Pablo Escobar" nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann, da der Name mit Drogenhandel und Drogenterrorismus assoziiert wird. Die Marke würde daher gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Die Verkehrskreise würden diesen Namen mit Drogenhandel und Drogenterrorismus in Verbindung bringen

Am 30. September 2021 meldete die Gesellschaft Escobar Inc. mit Sitz in Puerto Rico (Vereinigte Staaten) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen Pablo Escobar für ein breites Spektrum an Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an.

Der am 1. Dezember 1949 geborene und am 2. Dezember 1993 verstorbene kolumbianische Staatsangehörige Pablo Escobar gilt als Drogenbaron und Drogenterrorist, der das Kartell von Medellín (Kolumbien) gründete, dessen einziger Chef er war.

Das EUIPO wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass die Marke gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße. Es stützte sich dabei auf die Wahrnehmung der spanischen Verkehrskreise, weil diese wegen der Verbindungen zwischen Spanien und Kolumbien Pablo Escobar am besten kennen.

Die Gesellschaft Escobar ficht diese Zurückweisung beim Gericht der Europäischen Union an.

Das Gericht bestätigt die Zurückweisung der Anmeldung der Marke Pablo Escobar.

Nach Ansicht des Gerichts konnte sich das EUIPO bei seiner Beurteilung auf die Wahrnehmung vernünftiger Spanier mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle stützen, die die unteilbaren und universellen Werte teilen, auf die sich die Union gründet (Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität sowie die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit).

Das EUIPO hat zutreffend entschieden, dass diese Personen den Namen von Pablo Escobar mit Drogenhandel und Drogenterrorismus sowie den Verbrechen und dem sich daraus ergebenden Leid in Verbindung bringen würden und nicht mit seinen etwaigen guten Taten zugunsten der Armen in Kolumbien1 . Die Marke würde daher als gegen die in der spanischen Gesellschaft vorherrschenden grundlegenden moralischen Werte und Normen verstoßend wahrgenommen.

Das Gericht fügt hinzu, dass nicht gegen das Grundrecht von Pablo Escobar auf Unschuldsvermutung verstoßen wurde, denn auch wenn er nie strafrechtlich verurteilt wurde , wird er in der spanischen Öffentlichkeit als für zahlreiche Verbrechen verantwortliches Symbol des organisierten Verbrechens wahrgenommen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Audi als Inhaber der entsprechenden Unionsmarke kann Nutzung des Audi-Logos oder eines ähnlichen Zeichens für Ersatzteile von Drittanbietern verbieten

EuGH
Urteil vom 25.01.2024
C-334/22 | Audi
Emblemhalterung auf einem Kühlergrill


Der EuGH hat entschieden, dass Audi als Inhaber der entsprechenden Unionsmarke die Nutzung des Audi-Logos oder eines ähnlichen Zeichens für Ersatzteile von Drittanbietern verbieten kann.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a bis c der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass der Dritte, der ohne Zustimmung des Automobilherstellers, der Inhaber einer Unionsmarke ist, Ersatzteile, und zwar Kühlergrills für diese Fahrzeuge, einführt und zum Kauf anbietet, die ein Element enthalten, das für die Anbringung des Emblems, das diese Marke wiedergibt, gedacht ist und dessen Form mit dieser Marke identisch oder ihr ähnlich ist, ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr in einer Weise benutzt, die eine oder mehrere Funktionen dieser Marke beeinträchtigen kann, was das nationale Gericht prüfen muss.

2. Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 ist dahin auszulegen, dass er den Automobilhersteller, der Inhaber einer Unionsmarke ist, nicht daran hindert, einem Dritten die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens für Autoersatzteile, und zwar Kühlergrills, zu verbieten, wenn dieses Zeichen in der Form eines Elements des Kühlergrills besteht, das für die Anbringung des diese Marke wiedergebenden Emblems auf diesem Kühlergrill gedacht ist, ohne dass es insoweit von Bedeutung ist, ob es technisch möglich ist, dieses Emblem auf dem Kühlergrill zu befestigen, ohne das Zeichen auf ihm anzubringen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Unionsmarke: Ein Automobilhersteller kann die Benutzung eines Zeichens, das mit der Marke, deren Inhaber er ist, identisch oder ihr ähnlich ist, für Ersatzteile verbieten

Das gilt dann, wenn das Ersatzteil ein Element enthält, das für die Anbringung des Emblems dieses Herstellers gedacht ist und in seiner Form dieser Marke ähnlich oder mit ihr identisch ist-

Der Automobilhersteller Audi ist Inhaber der folgenden Unionsbildmarke:

[Abbilung]

Sie ist u. a. für Fahrzeuge, Ersatzteile und Autozubehör eingetragen.

Diese Marke wird als Audi-Emblem wiedergegeben und benutzt. Ein polnischer Händler bietet nachgebaute, auf ältere Audi-Fahrzeuge angepasste Kühlergrills zum Kauf an und macht auf seiner Webseite Werbung dafür. Diese Kühlergrills enthalten ein Teil, dessen Form dieser Marke ähnlich oder mit ihr identisch ist und das für die Anbringung des Audi-Emblems gedacht ist.

Audi hat diesen Händler verklagt. Ihm soll verboten werden, nachgebaute Kühlergrills, die ein mit der Marke AUDI identisches oder ihr ähnliches Zeichen enthalten, zu vermarkten. Das mit dieser Klage befasste polnische Gericht möchte wissen, welchen Umfang der Schutz aus dieser Marke hat. Es hat sich an den Gerichtshof gewandt, um zu klären, ob die Vermarktung von Autoersatzteilen wie der in Rede stehenden Kühlergrills nach dem Unionsrecht1 eine „Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr“ darstellt, die die Funktionen der Marke AUDI beeinträchtigen kann. Es fragt sich auch, ob der Inhaber dieser Marke einem Dritten eine solche Benutzung verbieten kann.

In seinem Urteil bejaht der Gerichtshof dies. Er stellt zunächst fest, dass die für Geschmacksmuster vorgesehene Reparaturklausel nicht anwendbar ist . Sodann führt er aus, dass im vorliegenden Fall die Kühlergrills nicht vom Inhaber der Marke AUDI stammen und ohne seine Zustimmung auf den Markt gebracht werden. Das Teil, das für die Anbringung des Audi-Emblems gedacht ist, ist für ihre Vermarktung durch den Dritten in die Kühlergrills integriert. Es ist für das Publikum, das ein solches Ersatzteil kaufen will, sichtbar. Dies könnte einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem fraglichen Ersatzteil und dem Inhaber der Marke AUDI darstellen. Daher kann eine solche Benutzung die Funktionen der Marke, die u. a. darin bestehen, die Herkunft oder die Qualität der Ware zu garantieren, beeinträchtigen.

Der Gerichtshof überlässt es dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob das fragliche Teil des Kühlergrills mit der Marke AUDI identisch oder ihr ähnlich ist und ob der Kühlergrill mit einer oder mehreren Waren, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich ist. Wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass die Marke AUDI in der Union bekannt ist, muss ihr Inhaber allerdings unter bestimmten Bedingungen verstärkten Schutz genießen. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob die fraglichen Kühlergrills und die Waren, für die diese Marke eingetragen ist, identisch, ähnlich oder verschieden sind.

Der Gerichtshof bestätigt auch, dass das Unionsrecht, wenn die Wahl der Form des Teils, das für die Anbringung des Emblems des Automobilherstellers gedacht ist, von dem Willen geleitet ist, einen Kühlergrill zu vermarkten, der dem Originalkühlergrill so getreu wie möglich ähnelt, das ausschließliche Recht dieses Herstellers und Inhabers der Marke, die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens zu verbieten, nicht beschränkt.


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OLG Frankfurt: Marke "Terra Greca" wird nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland von einem Durchschnittsverbraucher nicht rein beschreibend verstanden

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2022
6 U 277/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Marke "Terra Greca" nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland von einem Durchschnittsverbraucher nicht rein beschreibend für ein Produkt aus Griechenland verstanden wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB oder einem anderen Rechtsgrund zu. Die Abmahnung gegenüber der A GmbH & Co. KG (Anlage K19) war wegen einer begangenen Markenverletzung berechtigt.

a) An der geschäftlichen Verwendung und der markenmäßigen Benutzung des auf der Nudel-Verpackung angebrachten Wort-/Bilds-Zeichens "Terra Greca“ bestehen keine Zweifel.

b) Zwischen der Unionsbildmarke „Terra Greca“ der Beklagten und dem von der A GmbH & Co. KG verwendeten Wort-/Bildzeichen „Terra Greca“ besteht Verwechslungsgefahr (Art. 9 Abs. 2 b UMV).

aa) Es ist eine zumindest geringe Warenähnlichkeit gegeben. Von absoluter Warenunähnlichkeit kann entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ausgegangen werden.

(1) Warenähnlichkeit ist anzunehmen, wenn die sich die gegenüberstehenden Waren unter Berücksichtigung insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn 65 - OBELIX/MOBILIX; BGH GRUR 2015, 176, 177Rn 16 - ZOOM). Mit anderen Worten geht es darum, ob die beteiligten Verkehrskreise davon ausgehen, beide Warenarten könnten von ein- und demselben Unternehmen hergestellt und angeboten werden (BeckOK UMV/Büscher/Kochendörfer, 26. Ed. 15.8.2022, UMV Art. 8 Rn 42). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a.a.O. Rn 17 - ZOOM).

(2) Vorliegend kommt es auf Beklagtenseite auf die im Warenverzeichnis der prioritätsälteren Marke eingetragenen Waren an. Die Marke ist für folgende Waren der Klasse 29 eingetragen:

„Fleisch; Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Natürliche oder künstliche Wursthäute; Nicht lebende Fische, Meeresfrüchte und Weichtiere; Speiseöle und -fette; Suppen und Brühen, Fleischextrakte; Verarbeitetes Obst und Gemüse [einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte] sowie verarbeitete Pilze; Vogeleier und Eierprodukte; Zubereitete Insekten und Larven.“

Auf Klägerseite ist maßgeblich, für welche Waren das angegriffene Zeichen tatsächlich verwendet wurde. Es kommt - anders als im amtlichen Widerspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren - nicht auf einen Registervergleich mit den im Warenverzeichnis für die jüngere Marke der Klägerin eingetragenen Waren an. Die Beklagte machte mit ihrer Abmahnung einen Unterlassungsanspruch gegenüber einer konkreten Benutzungshandlung des Zeichens durch eine Abnehmerin der Klägerin geltend (Anlage K19). Maßgeblich ist daher die konkrete Verletzungsform, die mit der Abmahnung angegriffen wurde und die Gegenstand des Unterlassungsantrags ist. Das angegriffene Zeichen ist auf der Vorder- und Rückseite einer in einem X-Markt erworbenen Packung Nudeln (Sorte: Penne) aufgebracht. Auf die weiteren Produkte, für die die jüngere Marke eingetragen ist, kommt es nicht an.

(3) Eine Ähnlichkeit wird vorliegend nicht schon dadurch begründet, dass sich die gegenüberstehenden Waren unter den weiten Warenoberbegriff der „Lebensmittel“ fassen lassen. Denn nach den Erfahrungen des Verkehrs werden ganz unterschiedliche Lebensmittel üblicherweise nicht von den gleichen Unternehmen, sondern von spezialisierten Unternehmen für bestimmte Lebensmittelbereiche produziert. So bestehen z.B. keine Ähnlichkeiten zwischen „alkoholischen Getränken“ und „Heilwässern“ (BPatG, Beschluss vom 28.6.2021 - 26 W (pat) 511/18, Rn 75, juris). Allerdings gibt es keine strikte Trennung zwischen jedem einzelnen Nahrungsmittel. Es bestehen vielfach Überschneidungen von Lebensmittelarten, die nach den Erfahrungen des Verkehrs aus demselben Unternehmen stammen können. Das betrifft z.B. „feine Backwaren“, zu denen neben Mehlen, Müsliprodukten und Brot auch Nudeln und Tortillas rechnen können (BPatG, Beschluss vom 19.1.2010 - 27 W (pat) 189/09, Rn 34 - Mami/MAMA). Nicht entscheidend ist auch, ob sich die gegenüberstehenden Waren unter den gemeinsamen Oberbegriff der „mediterranen Produkte“ fassen lassen. Die im Warenverzeichnis der älteren Marke eingetragenen Waren (z.B. Fleisch- und Molkereiprodukte) lassen ohne nähere Angaben nicht auf eine mediterrane Herkunft schließen. Es kommt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht darauf an, dass Nudeln und die von der älteren Marke beanspruchten Waren im Warenverzeichnis unter benachbarte Klassen (29 bzw. 30) fallen. Die Klasseneinteilung dient Verwaltungszwecken und ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit nicht zu berücksichtigen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl., § 9 Rn 94).

(4) Es entspricht den Erfahrungen des Verkehrs als Durchschnittsverbraucher, der regelmäßig in Supermärkten einkauft, dass Teigwaren wie Nudeln auch von Unternehmen vertrieben werden, die gleichzeitig Zutaten für Nudelgerichte wie Speiseöle oder Suppen, für die die ältere Marke eingetragen ist, im Angebot haben (z.B. Y, B, C etc.). Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde beurteilen. Es handelt sich um einander ergänzende Waren. Insbesondere im Konserven- und Fertiggerichtbereich sind Überschneidungen zwischen diesen Produkten gang und gäbe. Zudem haben einige namhafte Herstellungsbetriebe unter derselben Marke sowohl Teigwaren als auch Soßen dazu im Angebot (vgl. dazu auch BPatG, Beschluss vom 31.3.2004 - 32 W (pat) 43/03, Rn 21 - Maggi/MARTI). Warum dies heute anders sein soll, hat die Klägerin nicht plausibel dargelegt. Der Verkehr schließt daher nicht aus, dass auch Speiseöle und Suppen einerseits und Nudeln andererseits von demselben Unternehmen stammen können. Es ist damit zumindest von einer geringen Warenähnlichkeit auszugehen.

(5) Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, der Senat sei an einer eigenen Feststellung des Verkehrsverständnisses gehindert, weil das von der Klägerin vorgetragene Verkehrsverständnis unwidersprochen geblieben sei, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat das von der Klägerin behauptete Verkehrsverständnis bereits mit ihrer Klageerwiderung vom 23.8.20212 bestritten (Bl. 114 d.A.).

bb) Es ist mangels abweichender Anhaltspunkte eine durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Wort-/Bildmarke „Terra Greca“ von Haus aus anzunehmen. Die Marke weist einen Bildbestandteil auf, der die Produkte des Warenverzeichnisses nicht beschreibt, sowie den Wortbestandteil „Terra Greca“. Eine originäre Kennzeichenschwäche des Wortbestandteils kann nicht festgestellt werden. Das gilt auch dann, wenn man von beschreibenden Bezügen im Hinblick auf die mögliche Herkunft der gekennzeichneten Produkte ausgeht. Eine glatt beschreibende Bedeutung ist jedenfalls nicht ersichtlich (vgl. unten). Insgesamt bildet die Wortkombination ein prägnantes, schlagwortartiges Kennzeichen, das als „sprechende“ Marke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Schwächung der originären Kennzeichnungskraft durch Drittzeichen bestehen nicht. Der Umstand, dass es einige Lebensmittelmarken mit dem Bestandteil „terra“ gibt, reicht dafür - angesichts der unüberschaubaren Vielzahl von Lebensmittelmarken - nicht aus (vgl. Anlage K11).

cc) Die gegenüberstehenden Zeichen sind in klanglicher Hinsicht identisch. Der Gesamteindruck sowohl der älteren Marke als auch der Gesamteindruck des angegriffenen Kombinationszeichens werden durch ihren Wortbestandteil geprägt. Dies folgt aus dem Erfahrungssatz, wonach sich der Verkehr für die Aussprache eines Zeichens erfahrungsgemäß an der einfachsten Benennungsmöglichkeit orientiert (EuGH BeckRS 2013, 81259 Rn 20 - MILRAM/RAM; EuG GRUR Int. 2010, 722 Rn 43 - Golden Eagle; BGH GRUR 2008, 903Rn 25 - SIERRA ANTIGUO; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2021, 273Rn 35 - ALFALIQUID/ALPA TOBACCO). Eine Ausnahme gilt nur bei besonders markanten Bildbestandteilen, wenn gleichzeitig der Wortbestandteil kennzeichnungsschwach ist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor. Die grafischen Elemente erschöpfen sich zwar - in beiden Zeichen - nicht in völlig nichtssagenden Verzierungen, sondern sind markant. Der Wortbestandteil ist jedoch weder glatt beschreibend noch besonders kennzeichnungsschwach. Die Marken werden daher phonetisch vom Wortbestandteil dominiert. Für die Zeichenähnlichkeit genügt die Ähnlichkeit in einer Wahrnehmungsrichtung (BGH GRUR 2011, 824 Rn 26 - KAPPA). Unterschiede in den Bildbestandteilen spielen daher keine entscheidende Rolle.

(1) Zunächst kommt es nicht darauf an, ob „Terra Greca“ als Unionswortmarke schutzfähig wäre, insbesondere über die notwendige Unterscheidungskraft verfügen würde. Dies wäre schon dann zu verneinen, wenn dem Begriff nach Auffassung des Verkehrs in einem der über 20 verschiedenen Sprachgebiete der Europäischen Union ein glatt beschreibender Gehalt zugemessen werden würde. Das ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht maßgeblich, weil diese Beurteilung - anders als die Beurteilung der Schutzfähigkeit als Unionsmarke - je nach Sprachgebiet unterschiedlich ausfallen und ggf. zu territorial begrenzten Verboten führen kann (vgl. EuGH GRUR 2011, 518 Rn 48 - DHL/Chronopost; EuGH EuZW 2016, 906 - combit; Kochendörfer GRUR 2016, 778, 779). Im streitgegenständlichen, auf Deutschland bezogenen Kollisionsfall kommt es allein darauf an, welche Bestandteile den Gesamteindruck der Wort-/Bildmarke nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland prägen. Denn die Abmahnung zielte auf ein Verbot in der Bundesrepublik Deutschland ab (vgl. Anlage K19).

(2) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „Terra Greca“ zutreffend mit „griechischer Erde“ oder „aus griechischer Erde“ übersetzt. Hierfür sind Fremdsprachkenntnisse erforderlich, die über den Horizont des Durchschnittsverbrauchers, der im Regelfall nur den englischen Grundwortschatz beherrscht (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn 30 - pjur/pure; BGH GRUR 2015, 173 Rn 18 - for you), hinausgehen. Auch sonst erschließt sich die Wortbedeutung nicht ohne weiteres. Selbst wenn der Verkehr aber die Wortkombination zutreffend übersetzen würde, kann jedenfalls ein glatt beschreibender Gehalt nicht festgestellt werden. Der Verkehr wird „griechische Erde“ zwar als Hinweis auf die örtliche Herkunft der gekennzeichneten Lebensmittel verstehen. Der Herkunftsort (Griechenland) wird dabei aber nicht unmittelbar bezeichnet, sondern subtil umschrieben. Dem Wortbestandteil kann daher die Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Zwischen den Zeichen besteht damit eine hohe klangliche Ähnlichkeit.

dd) Nach Abwägung aller Umstände ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen. Zwar liegt nur eine geringe Warenähnlichkeit, jedoch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit vor.

2. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung im Hinblick auf die in der Abmahnung erwähnten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zu. Auf UWG-Ansprüche war die Abmahnung ersichtlich nur hilfsweise gestützt. Dies ergibt sich auch aus der vorformulierten Unterlassungserklärung, die auf ein markenrechtliches Verbot abzielt und nicht kumulativ eine Unterlassung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen fordert. Da eine Markenverletzung tatsächlich gegeben war, kommt es auf die subsidiär geltend gemachten Ansprüche nicht an.

3. Da die Abmahnung berechtigt war, stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zu.


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LG München: Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung greift nicht wenn Zeichen auch nur geringfügig verändert wird

LG München
Urteil vom 24.11.2022
33 O 4349/22


Das LG München hat entschieden, dass die Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung nicht greift, wenn das Zeichen auch nur geringfügig verändert wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Bei der Wort-/Bildunionsmarke Nr. ... (Bild) und der Unionswortmarke Nr. ... („M“), handelt es sich um bekannte Marken im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV. Das Merkmal „bekannt“ setzte nach der Rechtsprechung des EuGH einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraus, der als erreicht anzusehen ist, wenn die Unionsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 17 - Iron & Smith/Unilever). In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Unionsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 19 - Iron & Smith/Unilever).

Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin nutzt diese die M-Marken seit Jahrzehnten intensiv in mehreren Baureihen, wobei die Produktionszahlen seit 1997 auf hohem Niveau steigen. Danach soll beispielsweise im Jahr 2019 jedes dritte BMW-Serienfahrzeug serienmäßig über eine „M“ Ausstattung verfügt haben. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (Anlage K 5) beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.

Danach rechtfertigen es die hohen Umsatzzahlen in Deutschland als bedeutendem Absatzmarkt für Fahrzeuge und als dem Sitz der Klägerin sowie die unbestritten hohe Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen von der Bekanntheit der M-Marken der Klägerin auszugehen.

b) Für den Bekanntheitsschutz nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt es weiter darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt und es zu den dort näher spezifizierten Beeinträchtigungen der bekannten Marke kommt. Daneben bedarf es nicht der gesonderten Feststellung, dass in eine der geschützten Markenfunktionen der bekannten Marke eingegriffen wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 135 mit Verweis auf BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 36 - ÖKO-TEST I). Erforderlich ist aber eine Benutzung des Zeichens für Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn, 32 ff. - ÖKO-TEST I).

Die Frage, ob die Unterscheidungskraft einer Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören. Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 49 - L’Oréal; BGH GRUR 2015, 1114 Rn. 38 - Springender Pudel).

In die vorzunehmende Abwägung ist auch der Freistellungstatbestand des Art. 14 UMV einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des Art. 14 UMV - insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke gegen die guten Sitten verstößt - kommen im Tatbestand des Art. 9 UMV bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (vgl. zu § 23 MarkenG BGH GRUR 2019, 165 Tz. 22 - keine-vorwerkvertretung).

c) Vorliegend verwendet der Beklagte mit dem Zeichen „M-Look“ ein zu den M-Marken klanglich und auch schriftbildlich ähnliches Zeichen. Auch der durch einen Bindestrich angefügte rein beschreibende englische Begriff „-look“ als Hinweis auf Aussehen/Design der Ware kann eine gedankliche Verknüpfung mit den M-Marken der Klägerin nicht verhindern und verstärkt sogar nochmals die Bedeutung des vorangestellten Zeichens „M“, indem auf die damit verbundene Verkehrserwartung anpreisend Bezug genommen wird. Daneben sind auch die weiteren, in der beanstandeten Produktbezeichnung genutzten Zusätze - mit Ausnahme des Zeichens „BMW“ - rein beschreibend. Die Verwendung des beanstandeten Zeichens erfolgt außerdem in der Produktbezeichnung und damit an einer Stelle, an der der Verkehr üblicherweise Hinweise auf die betriebliche Herkunft erwartet. Auch ist zu berücksichtigen, dass das angebotene Produkt identisch ist zu Waren, für welche die Klagemarken Schutz genießen. Schließlich wird die bereits entstandene gedankliche Verknüpfung zu den „M“-Marken der Klägerin noch weiter durch die Verbindung mit dem anschließend genutzten und eine Verwechslungsgefahr begründenden Zeichen „BMW“ verstärkt.

Damit nutzt der Beklagte die Unterscheidungskraft der Klagemarken dadurch aus, indem er die Aufmerksamkeit, die mit den bekannten Marken Nr. ... (Bild) und Nr. ... („M“) der Klägerin verbunden ist, dazu verwendet, auf die von ihm angebotene identische Ware hinzuweisen. Es besteht auch keine anzuerkennende Notwendigkeit, die M-Marken der Klägerin zur Beschreibung der angebotenen Ware in diesem Zusammenhang zu nutzen.

7. Die Nutzung der beanstandeten Zeichen, insbesondere des Zeichens „BMW“, erfolgte auch nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil, im Sinne des Art. 14 c) UMV. Das Zeichen wurde in der hier beanstandeten Bezeichnung bereits markenmäßig und nicht als bloßer Hinweis auf die Eignung der angebotenen Ware verwendet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 23 Rn. 132). Insbesondere erblickt der angesprochene Verkehr in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware (siehe oben unter II.3.). So fehlt in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“).

8. Soweit der Beklagte sich durch die Behauptung, bei dem angebotenen Produkt habe es sich Originalware gehandelt, auf Erschöpfung beruft, kann dem nicht gefolgt werden.

a) Nach Art. 15 Abs. 1 UMV hat der Inhaber einer Marke zwar nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Handelt es sich bei den in Rede stehenden Waren um Produktfälschungen, scheidet eine Erschöpfung jedoch von vornherein aus, da diese weder durch den Markeninhaber selbst noch mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind (BeckOK UMV/Müller, 26. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 15). Vorliegend hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2012, 626 S2. 26 - CONVERSE, m.w.N.) - wie bereits oben unter Ziffer 2 d) bereits festgestellt - jedoch nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um Originalware der Klägerin handelte. Insbesondere fehlt belastbarer Vortrag zur konkreten Herkunft der angebotenen Ware einschließlich einer lückenlosen Lieferkette bis zum Hersteller. Solcher Vortrag wäre aber insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der angebotenen Ware nach bestrittenem Vortrag des Beklagten um ein Einzelteil gehandelt haben soll, zu erwarten gewesen.

b) Im Übrigen schiede eine Erschöpfung vorliegend auch aus, weil die von dem Beklagten verwendete Bezeichnung derart abgewandelt worden wäre, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch die Klägerin - eine solche unterstellt - entspräche. Denn die Klägerin hat unbestritten vorgebracht, dass sie gar kein Produkt mit der Bezeichnung „M-Look“ vertreibe. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich jedoch auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, Rn. 72).


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OLG Frankfurt: Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" wird durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt - Skechers

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 313/21


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass eine Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt wird. Vorliegend ging es um Sportschuhe.

Aus den Entscheidunsggründen:
Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit besteht; er wird gemäß § 140 Abs. 3 Markengesetz in Verbindung mit Artikel 129 Abs. 2 UMV vermutet. Überdies hat die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, erst Anfang April 2021 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt zu haben. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 2.9.2021 ausgeführt, rechtfertigt es das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Ausgehend von einer Kenntniserlangung Anfang April 2021 hat die Antragstellerin alsbald nach Kenntniserlangung ihren Eilantrag - am 30.4.2021 - bei Gericht eingereicht.

B) Es besteht auch ein Verfügungsanspruch.

Der auf die Verletzung der Unionsbildmarke UM 003867579 gestützte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV.

1. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung (Art. 18 UMV) greift nicht durch. Die Antragsgegnerin beanstandet in diesem Zusammenhang, die - insoweit darlegungsbelastete - Antragstellerin habe keine Benutzungsnachweise vorgelegt, ausweislich derer sie die Verfügungsmarke - stilisiertes „S“ vor schwarzem, quadratischen Hintergrund - benutze. Mit dieser Argumentation kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen. Der kennzeichnende Charakter der Marke wird durch das stilisierte „S“, nicht aber durch das schwarze Quadrat im Hintergrund bestimmt. Deshalb sieht der Verkehr in der benutzten Form des stilisierten „S“ ohne ein schwarzes Quadrat im Hintergrund dieselbe Marke (auf dieses Kriterium abstellend: BGH GRUR 2009, 772 - Augsburger Puppenkiste).

2. Zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Verfügungsmarke besteht Verwechslungsgefahr.

a) Die Markenrechtsrichtlinie überlässt die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr dem nationalen Recht (16. Erwägungsgrund a.E.).

Ob von einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist, ist nach deutschem Rechtsverständnis eine Rechtsfrage (Bornkamm/Kochendörfer, FS 50 Jahre Bundespatentgericht, S. 533 m. zahlr. Nachw.). Das gilt in gleicher Weise für die Hauptkriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, also die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und die Zeichenähnlichkeit. Für die Verwechslungsgefahr ist es deshalb nicht maßgeblich, ob es bei den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich zu Verwechslungen kommt (Bornkamm/Kochendörfer, a.a.O., S. 534). Die Zuerkennung eines weiten Schutzbereichs für besonders kennzeichnungskräftige Marken etwa lässt sich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht begründen, weil die empirische Verwechslungsgefahr hier eher abnimmt (Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG 13. Aufl., § 9 Rn 20).

b) Es besteht Warenidentität. Die Verfügungsmarke ist für Schuhwaren eingetragen. Die Antragstellerin nutzt sie für Lifestyle-Schuhe wie aus Anlage AST1 ersichtlich. Auch die Antragsgegnerin benutzt das angegriffene Zeichen für Schuhwaren. Zwar ist sie auf Sicherheitsschuhe spezialisiert, sie bietet aber auch sportliche Sneaker an, wie aus Anlage Ast4 (Bl. 48, 50 d.A.) ersichtlich.

c) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, ist die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke durch die von der Antragstellerin dargelegte umfangreiche Nutzung gesteigert.

Die Antragstellerin hat zwischen Juli 2016 und April 2019 in Europa, insbesondere in der EU, mehr als drei Millionen Paar Schuhe verkauft, auf denen die Verfügungsmarke aufgebracht ist. Sie vertreibt die Schuhe innerhalb der EU über Vertriebspartner und über ihre eigenen Tochterunternehmen. Zu ihren Vertriebspartnern gehören in Deutschland u.a. B, C, D, E und F. Außerdem vertreibt sie die Schuhe in der EU über ihre E-Commerce Internetseiten. Damit hat die Antragstellerin einen Nutzungsumfang dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, der es rechtfertigt, von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, im Jahr 2019 seien in der EU mehr als 2,5 Milliarden Schuhe verkauft worden, der Marktanteil der Antragstellerin liege mithin bei nur 0,04 %, verfängt nicht. Für die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft einer Marke kommt es nicht allein auf den Marktanteil, sondern auch auf den Werbeaufwand an. Abgesehen davon ist ein Anteil von 0,04 % an einem Markt, auf dem eine Ware - hier Schuhe - milliardenfach verkauft wird, durchaus beachtlich.

Die Kennzeichnungskraft wird nicht relativiert durch den Umstand, dass zugunsten des französischen Schuhherstellers Salomon S.A.S. ebenfalls ein stilisiertes „S“ für Schuhe als Marke geschützt ist. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt:

„Zwar ist es richtig, dass durch dritte Zeichen im Ähnlichkeitsbereich eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke eintreten kann (BGH, Urteil vom 5.11.2008 - I ZR 39/06 - Stofffähnchen I - Rn 32, juris). Eine solche Schwächung stellt aber einen Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass die Drittzeichen im Bereich der gleichen Branche oder eng benachbarter Branchen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH, a.a.O.). Derartiges hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie hat sich lediglich auf eine weitere Marke berufen, die ebenfalls ein stilisiertes „S“ darstellt. Weitere Drittkennzeichen hat sie nicht benannt. Auch wenn als zutreffend unterstellt werden kann, dass es sich bei dem Schuhhersteller Salomon um ein bekanntes französisches Unternehmen handelt, rechtfertigt diese eine Marke es nicht, anzunehmen, dass sich der Verkehr an weitere Zeichen im Ähnlichkeitsbereich gewöhnt hat, zumal die Antragsgegnerin zum Umfang der Nutzung des Salomon-S nichts vorgetragen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dieses „S“ sich von der Verfügungsmarke dadurch unterscheidet, dass die verbindende Linie zwischen dem oberen und dem unteren Querstrich diagonal gestaltet ist und nicht horizontal, wie bei der Verfügungsmarke.“

Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Umsätze des Unternehmens Salomon insgesamt verfängt nicht, da dieses bei weitem nicht nur Schuhwaren verkauft, sondern vor allem auf dem Markt der Wintersportausrüstung tätig ist.

d) Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, liegt ein Fall absoluter Zeichenunähnlichkeit nicht vor. Dass es für den Schutz der Marke grundsätzlich allein auf die eingetragene Form ankommt und außerhalb der Registereintragung liegende Umstände nicht zu berücksichtigen sind, hat der Senat in diesem Beschluss unter Verweis auf sein Urteil vom 26.10.2017 - 6 U 154/16 („notebooksbilliger.de“) bereits ausgeführt.

Bei der Verfügungsmarke handelt es sich um eine Bildmarke in Gestalt eines stilisierten „S“, die sich dadurch auszeichnet, dass drei nahezu horizontal zueinander verlaufende Querbalken oben links und unten rechts mit einer teilweise geschwungenen Linienführung miteinander verbunden sind. Das angegriffene Zeichen besteht ebenfalls aus drei Querbalken, die allerdings nur unten rechts miteinander verbunden sind. Der Senat ist nach wie vor - der Argumentation der Antragstellerin folgend - der Überzeugung, dass hierdurch beim Verkehr der Eindruck eines „abgeschnittenen“ S entsteht.

Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 3.5.2001 - I ZR 318/98 - Das Beste jeden Morgen). Dieses Erfahrungswissen kann das Gericht grundsätzlich selbst dann haben, wenn die entscheidenden Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (BGH, Urteil vom 29.3.2007, I ZR 122/04 - Bundesdruckerei, Rn 36, juris). Maßgebend ist der Eindruck eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs; die Bestimmung des Teils des Verkehrs, der als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr anzusehen ist, ist normativer Art und von den Umständen des Einzelfalles abhängig (BGH, Urteil vom 19.11.1992 - I ZR 254/90 - Guldenburg, Rn 29, juris).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen als ein „abgeschnittenes S“ wahrnimmt und gedanklich vervollständigt, indem er die oberen beiden Balken durch eine bogenförmige Linienführung verbindet und damit ein Zeichen wahrnimmt, dass der Verfügungsmarke hochgradig ähnlich ist. Für diesen Teil des Verkehrs ist die Verwechslungsgefahr evident gegeben. Um den Schutzbereich der gesteigert kennzeichnungskräftigen Verfügungsmarke nicht zu eng zu definieren, ist bereits ein vergleichsweise kleiner Teil des Verkehrs ausreichend, um als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zu gelten.

Die von der Antragsgegnerin eingeholte demoskopische Erhebung der Firma G stellt diese Argumentation nicht in Frage. Grundlage der Erhebung ist eine Online-Befragung, bei der das angegriffene Zeichen isoliert auf dem Bildschirm eingeblendet wurde. Der weit überwiegende Teil der Befragten konnte mit dem Zeichen im Zusammenhang mit Schuhen nichts verbinden, nur rund 5 % erkannte in dem Zeichen ein „abgeschnittenes S“ oder gar das „SKETCHERS-Logo“. Aus den oben dargelegten Gründen vermag dieser empirische Befund die normativen Erwägungen zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht in Frage zu stellen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer der Online-Befragung das angegriffene Zeichen auf einem Bildschirm vor sich sahen und nicht, wie in der Realität, aufgebracht auf einem Schuh.

Die vorstehenden Erwägungen beruhen auf der Vorberatung des Senats und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zum Zeitpunkt der Vorberatung war dem Senat der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. Mai 2022, der der Antragsgegnerin nach ihren Angaben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorlag, noch nicht bekannt.

Nur ergänzend, ohne dass es für die Entscheidung des Falles hierauf ankäme, zeigt der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16.5.2022 weitere Aspekte auf, die gegen die Aussagekraft des Parteigutachtens sprechen. So spricht die angegebene Interviewdauer von im Durchschnitt 1:58 Minuten (so das Parteigutachten, Bl. 422 d.A.) gegen eine gewissenhafte Beantwortung der gestellten Fragen.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Teilnehmer der Befragung diese möglichst schnell „abarbeiten“ wollten. Auch weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass das Parteigutachten davon ausgeht, dass die Hälfte der Bevölkerung (47,9 %) von sich aus die Abbildung nicht beschreiben und nichts damit verbinden könne. Das ergibt sich aus dem Ankreuzen der vorgegebenen Antworten bei Frage 2 „weiß nicht“ und bei Frage 3 „kann nichts dazu sagen“ und bei Frage 4 „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“. Der Personenkreis, der diese Antwortmöglichkeiten ankreuzt, unterliegt jedoch ebenfalls einer potentiellen Verwechslung der Verfügungsmarke mit dem angegriffenen Zeichen.

Der Aufbau des Fragenkatalogs bietet den Befragten durch das Setzen eines Häkchens bei der Antwort „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“ einen einfachen Ausweg, die Befragung schnell zu beenden.

e) Mit Rücksicht auf die zumindest hochgradige Warenähnlichkeit und die gesteigerte Kennzeichnungskraft, die der Verfügungsmarke zukommt, ist die vorhandene Zeichenähnlichkeit hoch genug, um zu dem Ergebnis des Bestehens einer Verwechslungsgefahr zu gelangen.


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OLG Frankfurt: Privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch "Ersatzkopf für Philips RQ11" für Drittanbieter-Ersatzteil

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.05.2022
6 W 28/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine privilegierte Zeichenverwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV und keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung von "Ersatzkopf für Philips RQ11" für ein Drittanbieter-Ersatzteil vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsanspruch erstmals mit Schriftsatz vom 10.2.2022 darauf stützt, die beanstandete Werbung sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter, fehlt es an dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hat mit diesem Vorbringen einen neuen Streitgegenstand in dieses Eilverfahren eingeführt (BGH, Urteil vom 19.7.2018 - I ZR 268/14 - Champagner Sorbet II, Rn 14, juris). Die Antragstellerin hatte jedoch spätestens am 23.12.2021 Kenntnis von allen vermeintlich anspruchsbegründenden Tatsachen. Es bestand kein Grund, die Beanstandung der Werbung als irreführend erst mit Schriftsatz vom 10.2.2022 in dieses Eilverfahren einzuführen.

B. Im Übrigen fehlt es an einem Verfügungsanspruch.

1. Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV zu.

a) Zwar wird die bekannte Verfügungsmarke in der angegriffenen Anzeige rechtsverletzend benutzt, da der Wortbestandteil des Zeichens, wenn auch in kleinen Buchstaben geschrieben, identisch für Zubehörteile von Elektrorasierern und damit für eine Ware benutzt wird, für die auch die Verfügungsmarke eingetragen ist.

b) Jedoch ist die Zeichenverwendung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV privilegiert.

Nach dieser Vorschrift gewährt die Unionsmarke dem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist, wenn die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel insbesondere dann nicht, wenn

- sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht;

- sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt;

- durch sie diese Marke herabgesetzt oder schlechtgemacht wird;

- oder der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist (EuGH, Urteil vom 17.3.2005, C-228/03 - Gillette, Rn 49).

Die Verwendung der Verfügungsmarke „Philips“ durch die Antragsgegnerin ist erforderlich, um auf die Bestimmung des Scherkopfs als Ersatzteil für die von der Antragstellerin hergestellten Elektrorasierer hinzuweisen.

Die Art der Verwendung in der angegriffenen Werbung entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.

(1) Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 die Auffassung vertritt, die Benutzung der Verfügungsmarke sei nicht mehr durch das Ankündigungsrecht gedeckt, weil die Antragsgegnerin darüber täusche, dass sie kein Original, sondern ein Plagiat liefert, ist dem nicht zu folgen. Der angesprochene Verkehr wird durch die angegriffene Werbung, wie sie sich in dem in Anlage AST 12 wiedergegebenen Kontext darstellt, nicht darüber getäuscht, dass es sich bei den Ersatzköpfen nicht um ein Originalprodukt der Antragstellerin handelt. Das ergibt sich bereits aus der Formulierung „Ersatzkopf für Philips RQ11“. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen Ersatz für den Original-Ersatz-Scherkopf von Philips handelt. Auch die Aufmachung der Internetseite im Übrigen, auf der der Wortbestandteil der Verfügungsmarke nur einmal kleingeschrieben verwendet wird, führt den angesprochenen Verkehr weg von der Annahme, dass es sich um ein Original-Ersatzteil handeln könnte, dies auch deshalb, weil die Antragsgegnerin das Produkt auf ihrer Internetseite grandada.com anbietet.

Im Übrigen widerspricht die Antragstellerin mit diesem Vorbringen im Schriftsatz vom 10.2.2022 ihrem Vorbringen in der Antragsschrift, wo sie die Verwendung des Zeichens „RQ 11“ beanstandet, weil die zusätzliche Angabe der Produktnummer RQ 11 erkennbar deshalb geschehe, um weiteren Traffic im Internet zu generieren. Auch die Antragstellung zielt nicht darauf ab, dass durch die beanstandete Werbung der Eindruck erweckt werde, es würden Original-Ersatzteile angeboten, sondern darauf, nicht originale Scherköpfe mit dem Zeichen „Philips“ in Kombination mit dem Zeichen „RQ11“ zu benutzen.

(2) Die Nutzung des Zeichens „RQ 11“ führt jedoch nicht dazu, die Nutzung der Verfügungsmarke als nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechend anzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Wertschätzung der Verfügungsmarke durch die Nennung des Zeichens „RQ 11“, das die Antragstellerin für ihre Original Ersatz-Scherköpfe verwendet, an dem sie aber keine Zeichenrecht geltend macht, ausgenutzt wird oder die Verfügungsmarke gar hierdurch herabgesetzt oder schlechtgemacht wird. Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht auf die BGH-Entscheidungen „GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE“ (GRUR 2011, 1135) berufen, denn dort hat der BGH entschieden, dass es von dem Ankündigungsrecht nicht gedeckt ist, eine bekannte Wort-/Bildmarke eines Automobilherstellers zu verwenden, wenn die Benutzung der Wortmarke die schützenswerten Interessen des Markeninhabers weniger beeinträchtigt. Ebenso wenig einschlägig ist die Entscheidung „keine-Vorwerk-vertretung I“ des BGH (Urteil vom 28.6.2018 - I ZR 236/16), weil sich auch diese Entscheidung mit der Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens beschäftigt. Auch die Entscheidung des BGH „Verbrauchsmaterialien“ (GRUR 1996, 781) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Denn in diesem Urteil ging es darum, dass Produkte von Drittanbietern mit der identischen Bezeichnung der Originalprodukte versehen und unter dieser Bezeichnung auf den Markt gebracht wurden. Daran fehlt es vorliegend, da die Produkte der Antragsgegnerin, wie bereits ausgeführt, hinreichend deutlich als Ersatz für die jeweiligen Original Produkte ausgelobt werden.

(3) Soweit schließlich die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 erstmals beanstandet, dass die Antragsgegnerin in der angegriffenen Werbung selbst „das Logo“ identisch übernommen habe, ist dieser Beanstandung nicht weiter nachzugehen, da sie keinen Niederschlag in dem Eilantrag gefunden hat. Dort ist zwar die konkrete Verletzungsform - die das Logo beinhaltet - wiedergegeben. Der abstrakte Tel des Antrags zielt aber auf die Verwendung des Zeichens Philips in Kombination mit dem Zeichen „RQ 11“ und den Bezeichnungen für die einzelnen Rasierertypen und wendet sich nicht gegen eine identische Verwendung eines Logos.


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OLG Frankfurt: Markenrechtsverletzung wenn ehemaliger Vertragshändler Marke als Teil einer neuen Unternehmensbezeichnung nutzt - Harley Davidson

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.08.2021
6 U 102/20
Harley Davidson


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn ein ehemaliger Vertragshändler die Marke als Teil einer neuen Unternehmensbezeichnung nutzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

A) Die Unterlassungsansprüche gemäß dem Tenor zu 1. a) des angegriffenen Urteils stehen der Klägerin zu.

1. Soweit die Klägerin sich dagegen wendet, dass die Beklagten den Bestandteil „Harley Davidson“ als Zusatz zu ihrer Firmierung nutzen, folgt ihr Unterlassungsanspruch aus Art. 9, 130 UMV. Die Beklagte zu 1) bezeichnet sich in ihrem Internetauftritt als „(Nachfolgegesellschaft der A - Harley Davidson Vertretung Stadt1 GmbH)“.

a) Eine markenmäßige Benutzung im Sinne von Artikel 9 Abs. 3 lit. d) UMV liegt vor. Danach ist es u.a. verboten, das Zeichen als Teil einer Unternehmensbezeichnung zu nutzen. Im Impressum der Beklagten zu 1) heißt es: „Y GmbH (Nachfolgegesellschaft der A - Harley-Davidson Vertretung Stadt1 GmbH)“. Bei dieser Darstellung stellte sich der Klammerzusatz als Firmenzusatz zu der Firmierung „Y GmbH“ dar, denn er dient als Erläuterung der Identität der Y GmbH. Die Voraussetzungen des Artikel 9 Abs. 3 lit. d) UMV liegen daher vor.

b) Der Tatbestand der Verwechslungsgefahr ist angesichts der vorliegenden Doppelidentität unproblematisch erfüllt.

c) Der Anspruch ist nicht gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c) UMV ausgeschlossen. Danach gewährt die Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist.

Die Beklaget zu 1) handelt nach wie vor mit gebrauchten Motorrädern der Marke Harley-Davidson. Dafür ist die Benutzung der Marke - wie geschehen - jedoch nicht erforderlich im Sinne des Art. 14 Abs. 1 lit. c) UMV. Der EuGH hat entschieden, dass die Benutzung einer Marke, um die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass der Werbende spezialisiert auf den Kauf von Waren mit dieser Marke ist, oder solche Waren, die unter der Marke von deren Inhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, instand setzt und wartet, eine Benutzung darstellt, mit der auf die Bestimmung einer Ware oder einer Dienstleistung hingewiesen wird (EuGH GRUR 2005, 509, Rn 33 - Gillette). Allerdings muss die Benutzung der Marke praktisch das einzige Mittel darstellen, um eine solche Information zu liefern (a.a.O., Rn 35). Die Beklagte zu 1) ist jedoch nicht davon abhängig, auf ihre Eigenschaft als Nachfolgegesellschaft der A - Harley-Davidson Vertretung Stadt1 GmbH hinzuweisen, um die Öffentlichkeit auf ihre Spezialisierung aufmerksam zu machen. Die Beklagten weisen selbst darauf hin, dass es freie Händler gibt, die Produkte und Dienstleistungen in Bezug auf die Produkte der Klägerin anbieten können, ohne zuvor Vertragshändler gewesen zu sein. Der Hinweis auf die ehemalige Firmierung und damit auf die ehemalige Vertragshändlereigenschaft ist daher nicht erforderlich, um auf eine Spezialisierung der Beklagten zu 1) hinzuweisen.

d) Der Durchsetzung des Anspruchs steht der tu-quoque-Einwand nicht entgegen. Die Beklagten stützen diesen Vorwurf darauf, die Beklagte zu 1) sei in allen Navigationsgeräten (von der Firma B) der Touringmodelle der Klägerin bis zur Modellpalette 2018 gespeichert. Das ist nicht verwunderlich, weil die Beklagte zu 1) bis Ende 2017 tatsächlich Vertragshändlerin der Klägerin war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Datenbestand bei den festinstallierten Navigationsgeräten nur durch Harley-Davidson KFZ-Vertragshändler durch ein Software-Update korrigiert werden kann. Dazu müssten nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sämtliche in Frage kommenden Motorräder zu einem Software-Update zurückgerufen werden. Es steht außer Frage, dass ein Rückruf sämtlicher Motorräder, die mit einem entsprechenden Navigationsgerät ausgestattet sind, einzig mit dem Ziel, die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin zu löschen, vollkommen unverhältnismäßig wäre.

Externe Navigationsgeräte können durch den Kunden selbst aktualisiert werden, indem das Gerät über eine USB-Schnittstelle an einen Rechner angeschlossen wird. Die Klägerin behauptet, sie habe der Firma B im Mai 2018 ein Update ausgehändigt. Die Beklagten bestreiten dies. Selbst wenn es jedoch im Mai 2018 nicht zur Aushändigung eines Updates an die Firma B gekommen sein sollte, bei dem die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin gelöscht ist, könnte dies den Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht begründen. Denn insoweit würde es sich erkennbar um ein Versehen der Klägerin handeln. Dies deshalb, weil die Klägerin kein Interesse daran haben kann, dass in der Navigationssoftware ein Unternehmer als Vertragshändler bezeichnet wird, der diesen Status tatsächlich nicht mehr hat. Nachdem die Zusammenarbeit der Klägerin mit der Beklagten zu 1) endete, ist für die Klägerin in dem betroffenen Gebiet eine andere Vertragshändlerin tätig. Es liegt daher in dem Interesse der Klägerin, die neue Vertragshändlerin in der Navigationssoftware kenntlich zu machen. Wenn in der Navigations-Software ein Unternehmen als Vertragshändlerin aufgeführt wird, mit der die Klägerin tatsächlich keine Vertragsbeziehungen mehr unterhält, schadet dies der Klägerin, da ihre Kunden ein Unternehmen ansteuern, zu dem sie keine Vertragsbeziehungen mehr unterhält und stattdessen die aktuelle Vertragshändlerin übersehen.

Die Beklagten versuchen in der Berufungsbegründung ihren Vorwurf der Treuwidrigkeit darauf zu stützen, dass die Klägerin aus dem Vertragshändlervertrag gesteigerte nachvertragliche Treuepflichten träfen und sie insbesondere alles dafür tun müsste, die Beklagte zu 1) nicht „in den Schein der Vertragshändler-Eigenschaft zurückzuziehen“. Dieser Einwand ist schon deshalb nicht verständlich, weil es die Beklagten sind, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin nachhaltig versucht haben, sich so darzustellen, als sei die Beklagte zu 1) nach wie vor Vertragshändlerin der Klägerin. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin ein Interesse daran haben könnte, die Beklagte zu 1) in den Schein der Vertragshändler-Eigenschaft zurückzuziehen. Da die Beklagte zu 1) nicht mehr Vertragshändlerin der Klägerin ist, liegt es - wie bereits dargelegt - im Interesse der Klägerin, bei ihren Kunden nicht den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, die Beklagte zu 1) sei noch Vertragshändlerin. Sollte der Klägerin dies nicht vollständig gelungen sein - etwa durch verspätete Übermittlung eines Software-Updates an B oder durch Übermittlung eines fehlerhaften Updates, welches die Beklagte zu 1) noch als Vertragshändlerin führt - würde dies erkennbar auf einem Versehen der Klägerin beruhen, das den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht zu begründen vermag.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch zu, es zu unterlassen, den Bestandteil „HD“ als Zusatz zu ihrer Firmierung zu verwenden. Auch dieser Anspruch folgt aus Art. 9, 130 UMV. Eine markenmäßige Verwendung liegt vor, weil die Bezeichnung „HDOnlineshop.de“ gemäß Anlage K 26 in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werbung „World‘s Finest Products for Harley Davidson“ steht. Es besteht auch eine Verwechslungsgefahr. Der Verkehr erkennt in der angegriffenen Bezeichnung das Wort „Onlineshop“ und davorgeschaltet die beiden Großbuchstaben HD. Gegen eine Wahrnehmung der großgeschriebenen Buchstaben „HDO“ als Einheit spricht es, dass die sich anschließende Zeichenfolge „nlineshop“ bei dieser Lesart keinen Sinn ergibt. Nur in Verbindung mit dem vorangestellten großgeschriebenen „O“ ergibt sich das Wort „Onlineshop“.

Die Verwendung des Kürzels „HD“ verletzt die Rechte der Klägerin an ihrer Unionsmarke „H-D“. Der Umstand, dass bei der Unionsmarke die Großbuchstaben H und D mit einem Bindestrich voneinander getrennt sind, ändert am Vorliegen des Tatbestands der Verwechslungsgefahr nichts, weil die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen „HD“ und „H-D“ groß genug ist, um die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr mit Rücksicht auf die Warenidentität und die starke Kennzeichnungskraft der Marke „H-D“ zu erfüllen.

Ein Fall von Art. 14 Abs. 1 lit. c) UMV liegt nicht vor, weil die Verwendung des Kürzels „HD“ in dem Domainnamen nicht erforderlich ist, um auf eine Spezialisierung der Beklagten zu 1) hinzuweisen.

B) Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung gemäß 1. b) des Tenors des angegriffenen Urteils wendet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch darauf, es zu unterlassen, durch den beanstandeten Geschäftsauftritt den Eindruck zu erwecken, autorisierter Vertragshändler (oder autorisierte Vertragswerkstatt) von Harley-Davidson zu sein, wenn dies geschieht wie im Tenor des angefochtenen Urteils abgebildet. Der Anspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 2 UWG.

1. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Das Argument der Beklagten zu 1) in der Berufungsinstanz, sie betreibe jetzt vorrangig ein Unternehmen in der Tourismusbranche, verfängt nicht. Wie die Klägerin zutreffend ausführt, betreibt die Beklagte zu 1) auf ihrer Internetseite auch einen Shop, in dem sie gebrauchte Motorräder der Marke Harley-Davidson anbietet. Vor diesem Hintergrund unterliegt es keinem Zweifel, dass die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, auch wenn sie auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind. Die von den Parteien erörterte Frage, wie weit genau der Tatbestand des konkreten Wettbewerbsverhältnisses auszulegen ist, stellt sich nicht.

2. Die angegriffenen Abbildungen erwecken den irreführenden Eindruck, dass die Beklagte zu 1) nach wie vor Vertragshändlerin der Klägerin ist. Aus der Abbildung mit dem Schild „Fahrzeugauslieferung“ ergibt sich das aus dem Umstand, dass links und rechts von dem Schriftzug die Wortbildmarke der Klägerin bzw. ihrer Muttergesellschaft verwendet wird. Unter dem Schild befindet sich eine Fahne, auf der „Harley-Davidson Stadt1 Motorcycles“ steht. Das Bild wurde in der Zeit aufgenommen, als die Beklagte zu 1) Vertragshändlerin der Klägerin war. Die Beklagten haben das Bild mittlerweile aus ihrem Internet auftritt entfernt, jedoch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

3. Auch der Screenshot, der bereits Gegenstand des Unterlassungsantrages zu 1. a) ist, erweckt wegen der Headline „HDOnlineshop.de since 2002 World’s Finest Products for Harley-Davidson“ den irreführenden Eindruck der Vertragshändlereigenschaft der Beklagten zu 1). Dieser Eindruck wird durch die Angaben im Impressum zwar, anders als das Landgericht meint, nicht verstärkt, da die Beklagte zu 1) dort ja gerade darauf hinweist, nur in den Jahren 1997 - 2018 Vertragshändlerin der Klägerin gewesen zu sein. Diese relativ kleingedruckte Passage vermag aber nicht den irreführenden Eindruck aufzulösen, den die Headline vermittelt.

C) Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ist gemäß Art. 130 UMV, §§ 125b Nr. 1, 14 Abs. 6 MarkenG und 9 UWG begründet.

D) Auch der Antrag auf Auskunft bezüglich des Klageantrages zu 1. a) ist gemäß Art. 130 UMV, §§ 125b Nr. 1, 19 MarkenG begründet.

E) Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist gemäß §§ 687, 670, 677 BGB begründet.


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OLG Frankfurt: Keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken

OLG Frankfurt
Beschluss vom 06.05.2021
6 W 34/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung des Teddykopfmotivs nach Maßgabe der angegriffenen Gestaltungen aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 5 MarkenG, Art. 9 UMV zu. Die Antragsgegnerin hat mit den angegriffenen Gestaltungen von Babykleidungsstücken, soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die Rechte aus den Verfügungsmarken nicht verletzt (Anlagen Ast 1, Ast 2). Es fehlt an einer markenmäßigen Benutzung des auf den Kleidungsstücken verwendeten Teddykopf-Motivs.

a) Die in Rede stehenden Benutzungen kann die Antragstellerin unter Berufung auf ihre Verfügungsmarken nur verbieten, wenn sie Funktionen der Marke beeinträchtigen können. Die Hauptfunktion der Marke wird beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Das Verständnis als Herkunftshinweis muss positiv festgestellt werden. Entscheidend ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen „auch“ als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Dabei ist maßgeblich auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 25 - Damen Hose MO).

b) Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern, die auf der Vorderseite oder der Rückseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, geht der Verkehr nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis; ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (BGH, Beschluss vom 30.1.2020 - I ZB 61/17, Rn 13 - #darferdas? II).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine kennzeichenmäßige Verwendung des Teddymotivs in den angegriffenen Verletzungsformen nicht festgestellt werden.

aa) Die von der Antragstellerin beanstandeten Kleidungsstücke, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, weisen alle im Brustbereich das Motiv eines oder mehrerer, zum Teil plüschartig ausgestatteter Teddybärenköpfe auf. Bei dem blauen Strampler nach Anlage Ast 1 sind die Bärenköpfe mit minimalistisch stilisierten Gesichtsmerkmalen ausgestattet. Bei den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 weisen die Teddybärenköpfe zusätzlich eine rote Schleife am Kopf unterhalb des linken Ohres auf. Bei den blauen Kleidungsstücken nach Anlage Ast 2 sind die Teddybärenköpfe nur umrissartig dargestellt. Wie das Landgericht völlig zu Recht angenommen hat, ist die Abbildung von stilisierten Tieren und Teddybären auf Babykleidung üblich. Dies gilt auch für die plüschartige Ausstattung. Derartige Abbildungen werden nach den Erfahrungen der angesprochenen Endverbraucherkreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, aus dekorativen Gründen verwendet. Der Verkehr hat daher bei der Verwendung entsprechender Motive grundsätzlich keinen Anlass, von einem Herkunftshinweis auszugehen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Die Motive der Antragsgegnerin sind eher schlicht gehalten und entsprechen typischen Gestaltungsmustern, an die der Verkehr vielfach gewöhnt ist. Der Verkehr sieht in ihnen kein Kennzeichnungsmittel, sondern ein kindgerechtes Gestaltungsmotiv.

bb) Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Bekanntheit ihres Teddykopfmotivs berufen. Die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, hängt allerdings auch von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Marke ab (BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 175/09, Rn 24 - Medusa). Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Bekanntheit der Marke auf hochgradig ähnliche Gestaltungen Dritter in der Weise auswirkt, dass auch sie als Herkunftshinweis wahrgenommen werden (BGH GRUR 2016, 197 Rn 33 - Bounty).

(1) Die Antragstellerin hat eine gesteigerte Kennzeichnungskraft bzw. Bekanntheit der Verfügungsmarken nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sämtliche ihrer Kinderkleidungsstücke mit den Verfügungsmarken kennzeichnet und dass Händler in der Werbung für diese Kleidungsstücke zum Teil auf den „berühmten Steiff-Teddy“ verweisen. Es reicht auch nicht aus, dass sich die Antragstellerin im „Premium-Segment“ für Kinderkleidung in einer Führungsposition sieht und das Branchenblatt Textil-Wirtschaft im April 2018 „die Kindermode-Kollektion mit dem berühmten Teddy-Kopf“ zu den Top-Sellern in diesem hart umkämpften Markt zählte. Die Antragstellerin hat es versäumt, zu Marktanteilen, Umsatzzahlen und Werbeanstrengungen ihrer Kleidungsstücke konkret vorzutragen. Soweit ihr Geschäfteführer eidesstattlich versichert, dass ein bestimmtes Jackenmodell der Kollektion Herbst/Winter 2020 einen Umsatz von über 10.000,- € erzielt hat, reicht dies ersichtlich nicht aus, um eine Bekanntheit der Verfügungsmarken auf dem mutmaßlich sehr großen Markt für Babybekleidung zu begründen. Der angesprochene Endverbraucherkreis kann auch nicht aufgespalten und auf solche Personen begrenzt werden, die Interesse an Kleidung des Premium-Segments haben.

(2) Es fehlt auch an einer hochgradigen Ähnlichkeit. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich die Antragsgegnerin des Teddykopfmotivs bedient. Ein bloßer Motivschutz ist dem Markenrecht fremd (BGH, Urteil vom 23.9.2015 - I ZR 105/14, Rn 35 - Goldbären). Der Schutz der Verfügungsmarken erstreckt sich daher nicht allgemein auf das Motiv eines Teddykopfes. Maßgeblich ist die konkrete Ausgestaltung. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, unterscheidet sich der Gesamteindruck der angegriffenen Gestaltungen maßgeblich von dem Gesamteindruck der Verfügungsmarken. Der Gesichtsumriss ist bei allen angegriffenen Gestaltungen plump und rund, während die Verfügungsmarken ein charakteristisch ausgebildetes Kinn aufweisen. Auch die Gestaltung innerhalb des Gesichtes weicht - soweit vorhanden - von den Verfügungsmarken 1 und 2 deutlich ab. Die halbkreisförmige Linie im Ohr fehlt bei sämtlichen angegriffenen Ausführungsformen. Soweit die Antragstellerin eine Gemeinsamkeit mit dem Steiff-Teddy in den „markanten Knopfaugen“ sehen möchte, handelt es sich schlicht um zwei runde Punkte, denen für sich genommen keinerlei Wiedererkennungswert zukommt.

cc) Ungeachtet der (fehlenden) Bekanntheit der Verfügungsmarken könnte es für einen Herkunftshinweis der von der Antragsgegnerin verwendeten Motive sprechen, wenn sich der Verkehr durch sie an einen typischen Steiff-Teddy erinnert fühlen würde. Es kann angenommen werden, dass dem Verkehr die Wort-Bild-Marke der Antragstellerin „Knopf-im-Ohr“, die eine Metallniete mit einem daran angebrachten gelben Fähnchen darstellt, als Kennzeichen für Teddybären und Plüschtiere bekannt ist (Anlage Ast 5). Die Antragstellerin ist der Ansicht, jedenfalls die Motivgestaltungen auf den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 deuteten auf die „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung mit dem Fähnchen hin. Das ist indes nicht der Fall.

Das Motiv der im dritten Bild des Antrags abgebildeten vier rosa Babykleidungsstücke erinnert den Verkehr nicht an den „Steiff-Teddy“. Weder ist ein Knopf im Ohr erkennbar noch ein gelbes Fähnchen. Die Bärenköpfe weisen stattdessen unterhalb des linken Ohres eine stilisierte rote Schleife auf. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Motiv den Durchschnittsverbraucher in irgendeiner Weise an einen Steiff-Teddy erinnern könnte.

dd) Die Antragstellerin kann schließlich nicht damit gehört werden, bereits die dekorative Verwendung fremder Marken auf Kleidungsstücken stelle eine herkunftshinweisende und damit rechtsverletzende Benutzung dar. Der Verkehr geht bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis. Etwas anderes kann - wie oben ausgeführt - bei bekannten Marken gelten. Soweit der BGH zum Teil darauf hinweist, dass die Verwendung von außen auf der Kleidung angebrachten Fantasie- oder Bildzeichen auch unabhängig von ihrer Bekanntheit als Kennzeichen aufgefasst werden können (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Rn 20 - DDR-Logo), bedeutet dies nicht, dass es sich in jedem Fall so verhält. Es liegt auf der Hand, dass der Verkehr markentypisch gestaltete Zeichen - wie zum Beispiel Wort-/Bild-Logos auch auf der Vorderseite von Kleidungsstücken - als Marke wahrnehmen kann. Um eine solche Gestaltung handelt es sich jedoch bei den angegriffenen Motiven nicht. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf ihre eigene Kennzeichnungspraxis hinweist, bei der auf Kleidungsstücken im Brustbereich ein Teddykopf mit Fähnchen platziert wird, mag diese Gestaltung tatsächlich als Herkunftshinweis aufgefasst werden. Das liegt aber maßgeblich an dem stilisierten Fähnchen am Ohr, das auf die bekannte „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung bei Plüschtieren hinweist. Das Teddy-Motiv für sich genommen wird von Verkehr bei der Anbringung im Brustbereich rein dekorativ aufgefasst."


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LG München: Markenrechtsverletzung durch Verkauf gebrauchter Router aus Providerbeständen mit veränderter Firmware - AVM Fritzbox

LG München
Urteil vom 09.04.2020
17 HK O 1703/20

Das LG München hat entschieden, dass eine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn gebrauchte Router aus Providerbeständen mit veränderter Firmware zum Verkauf angeboten werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf die Widersprüche der Antragsgegner hin war gemäß § 925 Abs. 1 ZPO zu überprüfen, ob die einstweilige Verfügung vom 13.02.2020 zurecht ergangen ist.

I) Ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gegeben.

Die Antragstellerin macht einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch, sowie einen Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG geltend. Nach § 140 Abs. 3 MarkenG wird die Dringlichkeit vermutet.

Die Dringlichkeitsvermutung ist im vorliegenden Falle auch nicht widerlegt. Die Antragstellerin hatte, wie sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung von Herrn ... vom 11.02.2020 (Anlage ASt 20) ergibt, überhaupt erstmals am 02.01.2020 davon Kenntnis erlangt, dass die Beklagte gebrauchte ... anbietet.

Des Weiteren ist durch die eidesstattliche Versicherung von Herrn ... vom 10.02.2020 (Anlage ASt 13) glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin am 07.01.2020 einen Testkauf durchführte und diese Lieferung dann am 13.01.2020 bei der Packstation von DHL abgeholt wurde und sodann eine Untersuchung am 13.01.2020 vorgenommen wurde.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging bei Gericht am 12.02.2020 ein und damit innerhalb eines Monats ab Kenntniserlangung von dem Verletzungssachverhalt. Denn erst durch die Untersuchung des gelieferten Testobjektes konnte die Antragstellerin mit der erforderlichen Sicherheit tatsächliche und positive Kenntnis davon erlangen, ob eine Markenrechtsverletzung vorliegt, weil erst durch die Untersuchung des Gerätes klar und erkennbar wird, dass es sich nicht mehr um eine Box in der ...-Version handelt, sondern diese nunmehr die gleichen Funktionen wie die Serienversion hat.

Der von der Antragstellerin durchgeführte Testkauf war auch nicht schuldhaft verzögert, weil er innerhalb weniger Tage nach Kenntniserlangung von dem Internetangebot durchgeführt wurde und auch das gelieferte Testobjekt innerhalb angemessener Zeit abgeholt und untersucht wurde. Insoweit kann hierin die erkennende Kammer ein schuldhaftes Zögern der Antragstellerseite nicht erkennen.

Aus diesem Grunde ist die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.

II) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch begründet:

1) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 a., b. UMV.

a. Die Antragstellerin ist Inhaberin der Unionsmarke ... entsprechend Anlage ASt 3, diese Marke steht in Kraft (Auslaufdatum: 22.04.2024) und wird von der Antragstellerin auch zur Kennzeichnung der von ihr vertriebenen WLAN-Router benutzt. Die Marke genießt Schutz u. a. für Datenverarbeitungsgeräte, zu welchen auch WLAN-Router gehören.

b. Die von der Antragsgegnerseite vertriebenen Boxen sind, wie sich aus Anlagen ASt 26 und 27 ergibt, ebenfalls mit der Bezeichnung ... gekennzeichnet, so dass auf diesen Boxen die Antragsgegnerseite ein identisches Kennzeichen verwendet.

Soweit in der Internetbewerbung, wie aus Anlage ASt 9 ersichtlich, die Antragsgegnerin die Bezeichnung ... (ohne Ausrufzeichen zwischen ... und ...) verwendet, wird ein hochgradig mit der Unionsmarke der Antragstellerin verwechslungsfähiges Zeichen verwendet, weil beide sich gegenüberstehenden Zeichen klanglich identisch sind, da das Ausrufezeichen in der klägerischen Marke zwischen ... und ... nicht mitgesprochen wird. Außerdem sind die Zeichen schriftbildlich hochgradig ähnlich, weil in der Kennzeichnung, welche die Antragsgegnerseite verwendet, lediglich das Ausrufezeichen fehlt.

Somit verwendet die Antragsgegnerseite ein mit der Unionsmarke der Antragstellerin identisches oder jedenfalls hochgradig ähnliches Zeichen.

Verwendet wird dieses Zeichen ebenfalls für WLAN-Router, somit für identische Waren, bzw. für jedenfalls hochgradig verwechslungsfähige Waren, soweit die von der Antragsgegnerin vertriebenen Router firmwareseitig verändert wurden.

c. Damit kann nach Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 a und b UMV die Antragstellerin den Antragsgegnern die Verwendung der Bezeichnung ... für WLAN-Router untersagen, weil die Antragsgegner ein mit der Unionsmarke identisches Zeichen für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, verwenden, bzw. ein Zeichen verwenden, welches der Unionsmarke hochgradig ähnlich ist, wobei dieses für Waren benutzt werden, die mit denjenigen für die die Unionsmarke eingetragen ist, hochgradig ähnlich sind. In Bezug auf letzteres besteht bei den angesprochenen Verkehrskreisen auch Verwechslungsgefahr, da diese zweifelsfrei davon ausgehen, dass die seitens der Antragsgegner angebotenen Boxen solche der Antragstellerin sind.

2) Auf Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 UMV kann sich im vorliegenden Falle die Antragsgegnerseite nicht berufen, weil berechtigte Gründe auf Seiten der Antragstellerin es rechtfertigen, dass sich die Antragstellerin als Inhaberin der Unionsmarke dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt.

a. Auch wenn der Markeninhaber mit dem ersten Inverkehrbringen der Ware im europäischen Wirtschaftsraum die ihm durch die Marke verliehenen Rechtsmacht grundsätzlich ausgeschöpft hat, gibt es Fälle, in welchen die markenrechtliche Kontrollbefugnis im Hinblick auf überwiegende Interessen des Markeninhabers wieder auflebt. Art. 15 Abs. 2 UMV bestimmt deshalb, nach Art einer Generalklausel, dass der Erschöpfungsgrundsatz dann nicht zur Anwendung kommt, soweit sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt. Soweit in der Vorschrift Veränderungen oder Verschlechterungen der Ware genannt sind, welche berechtigte Interessen zum Widersetzen des Markeninhabers sind, handelt es sich nur um Beispiele für berechtigte Gründe. Der Markeninhaber kann sich letztendlich vielmehr allen Handlungen widersetzen, welche die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke verletzen oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018 Rdn. 69 zu § 24).

b. Im vorliegenden Falle hat nach Überzeugung der Kammer eine Veränderung der Ware durch die Antragsgegner i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMV stattgefunden.

aa. Wann eine Veränderung der Ware i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMV vorliegt, ist nicht abschließend festgelegt. Der Bundesgerichtshof hat sich bisweilen auf den Standpunkt gestellt, dass sich der Begriff der Eigenart auf die charakteristischen Sacheigenschaften der Ware beziehen müsse, an anderer Stelle aber angenommen, dass auch Änderungen des Verwendungszwecks (oder der Funktionalität) der Ware oder sonstiger Merkmale, auf welche sich die Garantiefunktion der Marke bezieht, die Eigenart der Ware berühren könnten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering a.a.O. Rdn. 70 zu § 24). Vom Grundsatz her legt allerdings die Rechtsprechung strenge Maßstäbe an und lässt den Weitervertrieb geänderter Produkte in nur sehr begrenztem Rahmen zu. Denn von der Sache her geht es darum, ob eine Beeinträchtigung der Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke gegeben ist. Für Herkunft und Qualität kann der Markeninhaber mit seiner Marke jedoch grundsätzlich nur für die Ware in dem Zustand bürgen, in dem sie von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., Rdn. 71 zu § 24).

bb. Grundsätzlich gilt, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Freiheit der Produktgestaltung nicht daran gehindert ist, unter der selben Marke Waren mit unterschiedlichen Eigenschaften in den Verkehr zu bringen oder Produktveränderungen Dritter zuzustimmen (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2004, Az. I ZR 13/02, SIM-Lock, Rdn. 30).

Von einer solchen Freiheit der Produktgestaltung hatte die Antragstellerin im vorliegenden Falle dadurch Gebrauch gemacht, dass sie eine von der Serienversion abweichende Version für die Firma ... herstellte und in den Verkehr brachte. Dabei unterschied sich diese Sonderedition für bereits ... durch ihr äußeres von der Serienedition, nämlich durch veränderte Farbgebung und Aufbringen des ...-Logos. Zwar stehen an dem ...-Logo der Antragstellerin selbst keine Markenrechte zu, aber die Anbringung dieses Logos neben dem Markenzeichen der Antragstellerin hat für den Verkehr zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um eine spezielle Version für einen bestimmten Abnehmer handelt und diese Version nicht für den freien Verkehr und für Jedermann gedacht ist.

Darüber hinaus zeichnete sich diese Sonderedition für ... dadurch aus, dass sie kein DVB-C-Streaming erlaubte, ferner dadurch, dass diese Edition im Regelbetrieb mit einer Firmware-Version ausgestattet war, die den Bezug von Firmware-Updates bei der Antragstellerin ausschloss. Denn es sollten die Kabelkunden von ... Firmware-Updates alleine von ... beziehen. Der Leistungsumfang dieser ...-Sonderedition blieb somit hinter der Serienversion zurück.

cc. Der Umstand, dass die Antragsgegnerseite ... der ...Version auf einen Stand brachte, der demjenigen der Serienversion entspricht, stellt eine Veränderung i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMV dar.

Es wurde die installierte Firmware durch eine andere Firmware ersetzt, weshalb von einer Änderung der Eigenart dieser Geräte der Klägerin auszugehen ist, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob hierdurch die Funktion verschlechtert wurde (vgl. BGH, a.a.O., Rdn. 28).

Es wurde auf eine Eigenschaft der mit der Marke der Antragstellerin gekennzeichneten Geräte eingewirkt. Es wurde deren Verwendungszweck verändert, den die Markeninhaberin beim Inverkehrbringen dieser Geräte vorgesehen hatte, nämlich dass diese nur einen eingeschränkten Leistungsumfang gegenüber den Serienmodellen haben sollten. Zu den Merkmalen, auf die sich die Garantiefunktion der Marke der Antragstellerin bezieht, gehört auch der geringere vorgesehene Leistungsumfang. Wenn aber dieser Leistungsumfang entgegen dem, was seitens des Markeninhabers vorgesehen war, wesentlich erhöht wird, reicht dies nach Überzeugung der Kammer aus, um die Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 2 MarkenG auszuschließen. Denn die angesprochenen Verkehrskreise erwarten, dass die Funktion und der Verwendungszweck der Geräte nach dem Inverkehrbringen nicht derart von einem Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers verändert worden sind (vgl. BGH, a.a.O. Rdn. 29).

Hinzu kommt, dass, ausgehend von der Bewerbung entsprechend Anlage ASt 9, für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, die Änderung nicht als solche eines Dritten erkennbar ist, die angesprochenen Verkehrskreise somit den veränderten Zustand der Ware, da auf eine Aufarbeitung durch einen Dritten, insbesondere die Antragsgegnerseite, nicht hingewiesen wird, fälschlich dem Markeninhaber zurechnen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O. Rdn. 72 zu § 24).

Da somit nach Art. 15 Abs. 2 UMV berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass sich die Antragstellerin dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, kann sich die Antragsgegnerseite nicht auf Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 MarkenG berufen.

3) Die Antragsgegnerseite kann sich auch nicht auf Art. 14 Abs. 1 b UMV berufen, dass sie die Bezeichnung ... lediglich als reine Bezeichnung der Ware verwenden würde:

a. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kann sich die Antragsgegnerseite nicht auf Erschöpfung berufen.

Im Verhältnis zwischen Art. 15 UMV und Art. 14 Abs. 1 b UMV gilt der Grundsatz, dass der Vertrieb nicht erschöpfter Ware nicht über Art. 14 Abs. 1 b UMV mit der Begründung, dass mit der fremden Marke lediglich die betriebliche Herkunft der Waren „beschrieben“ werde, gerechtfertigt werden kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering a.a.O. Rdn. 74 zu § 23).

b. Im Übrigen kommt hinzu, dass im vorliegenden Falle die Antragsgegnerseite die ... Bezeichnung auch nicht rein beschreibend verwendet.

Sowohl in der Werbung entsprechend Anlage ASt 9 als auch auf den Geräten selbst wird die Bezeichnung ... markenmäßig verwendet, die angesprochenen Verkehrkreise verstehen diese Bezeichnung als Herkunftshinweis darauf, dass die angebotenen Produkte von einem bestimmten Hersteller stammen. Insbesondere in der Bewerbung entsprechend Anlage ASt 9 werden die Verkehrskreise in keinster Weise darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um von einem Dritten überarbeitete Geräte handeln würde. Sie schreiben die angebotenen Geräte vielmehr direkt dem Hersteller der ... zu, mit der Verwendung der Bezeichnung ... wird daher nicht lediglich die Ware beschrieben, die Verkehrskreise verstehen diese Bezeichnung - vielmehr als Herkunftshinweis.

Damit scheidet auch aus diesem Grunde ein Berufen der Antragsgegnerseite auf Art. 14 Abs. 1 b UMV aus.

c. Im Übrigen ist das Berufen auf Art. 14 Abs. 1 b UMV seitens der Antragsgegner auch nach Art. 14 Abs. 2 UMV ausgeschlossen, weil die Benutzung des Zeichens durch den Dritten, also die Antragsgegner, den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe oder Handel nicht entspricht. Es wird insbesondere hinsichtlich der veränderten Ware weder nach der Werbung noch nach den ausgelieferten Artikeln die vorgenommene Änderung in irgendeiner Weise dem Dritten, also den Antragsgegnern zugewiesen, sondern vielmehr dem ursprünglichen Hersteller, also der Antragstellerin, obwohl diese mit der Veränderung der Boxen nichts zu tun hat. Dies ist mit den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe oder Handel nach Auffassung der Kammer nicht vereinbar.

4) Auf die Vorschriften des Elektrogesetzes, wonach Elektroschrott so gut wie möglich zu vermeiden ist, kann sich die Antragsgegnerseite zur Rechtfertigung ihres Handelns nicht berufen. Denn das Elektrogesetz ermächtigt keinen Dritten, Markenrechte eines anderen zu verletzen.

5) Die Haftung des Antragsgegners zu 2) ergibt sich aus dessen Stellung als alleiniges verantwortliches Organ der Antragsgegnerin zu 1).

III) Da somit die Überprüfung der einstweiligen Verfügung auf Grund der mündlichen Verhandlung dazu geführt hat, dass sowohl Verfügungsgrund als auch Verfügungsanspruch bestehen, die einstweilige Verfügung vom 13.02.2020 somit zurecht ergangen ist, war diese gemäß § 925 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf den nicht erledigten Unterlassungsanspruch zu bestätigen.


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BGH: Auch nach Neufassung des Art. 127 Abs. 3 UMV ein kann älteres Recht der Inanspruchnahme aus einer Unionsmarke im Wege der Einrede entgegengesetzt werden

BGH
Urteil vom 09.11.2017
I ZR 110/16
form-strip II
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b, Art. 97, Art. 99; Verordnung (EU) 2015/2424 Art. 1 Nr. 11, Art. 1 Nr. 92; Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 Buchst. b, Art. 127


Der BGH hat entschieden,dass auch nach Neufassung des Art. 127 Abs. 3 UMV ein kann älteres Recht der Inanspruchnahme aus einer Unionsmarke im Wege der Einrede entgegengesetzt werden

Leitsätze des BGH:

a) Die Neufassung des Art. 127 Abs. 3 UMV, die - anders als Art. 99 Abs. 3 Fall 2 GMV - nicht mehr die Einrede des Inhabers des älteren Rechts vorsieht, hat nichts daran geändert, dass ein älteres Recht der Inanspruchnahme aus der Unionsmarke im Wege der Einrede entgegengesetzt werden kann. Dies folgt aus der Neufassung des Art. 9 Abs. 2 UMV, die durch die ausdrückliche Erwähnung des Prioritätsprinzips klarstellt, dass der Markeninhaber (weiterhin) sein Recht aus der Unionsmarke nicht mit Erfolg gegen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens geltend machen kann, das Gegenstand eines älteren Rechts ist
.
b) Der Prioritätsgrundsatz regelt, wie im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 UMV zum Ausdruck kommt, das zeitliche Rangverhältnis von Rechten. Einer tatsächlichen Benutzungsform kann mangels Rechtscharakters kein Vorrang im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UMV zukommen.

BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 110/16 - OLG München - LG München I

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