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Volltext BGH liegt vor: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden

BGH
Urteil vom 27.06.2024
I ZR 98/23
klimaneutral
UWG § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden - QR-Code reicht nicht über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen (hier: "klimaneutral") und -zeichen irreführend ist, gelten - wie für gesundheitsbezogene Werbung - strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - I ZR 219/87, BGHZ 105, 277 [juris Rn. 14] - Umweltengel; Urteil vom 20. Oktober 1988 - I ZR 238/87, GRUR 1991, 546 [juris Rn. 26] = WRP 1989, 163 - Aus Altpapier; Urteil vom 4. Oktober 1990 - I ZR 39/89, GRUR 1991, 550 [juris Rn. 13] = WRP 1991, 159 - Zaunlasur; Urteil vom 14. Dezember 1995 - I ZR 213/93, GRUR 1996, 367 [juris Rn. 33 f.] = WRP 1996, 290 - Umweltfreundliches Bauen; Urteil vom 23. Mai 1996 - I ZR 76/94, GRUR 1996, 985 [juris Rn. 17] = WRP 1996, 1156 - PVC-frei).

b) Aus dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt umweltbezogener Angaben folgt, dass an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise strenge Anforderungen zu stellen sind. Diese Anforderungen werden bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff verwendet, regelmäßig nur dann erfüllt sein, wenn bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert wird, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist.

c) Eine Erläuterung in der Werbung selbst ist bei der Verwendung des Begriffs "klimaneutral", der sowohl die Vermeidung von CO2-Emissionen als auch die CO2-Kompensation umfasst, insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität sind. Vielmehr gilt der Grundsatz des Vorrangs der Reduktion gegenüber der Kompensation.

BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 - I ZR 98/23 - OLG Düsseldorf - LG Kleve

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden - QR-Code reicht nicht

BGH
Urteil vom 27.06.2024
I ZR 98/23


Der BGH hat entschieden, dass bei der Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" bereits in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden muss. Ein QR-Code mit Verlinkung auf eine Website mit Erläuterungen reicht insoweit nicht aus.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet zur Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff "klimaneutral"

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff (hier: "klimaneutral") regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz herstellt. Die Produkte sind im Lebensmitteleinzelhandel, an Kiosken und an Tankstellen erhältlich. Die Beklagte warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: "Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral" und einem Logo, das den Begriff "klimaneutral" zeigt und auf die Internetseite eines "ClimatePartner" hinweist. Der Herstellungsprozess der Produkte der Beklagten läuft nicht CO2-neutral ab. Die Beklagte unterstützt indes über den "ClimatePartner" Klimaschutzprojekte.

Die Klägerin hält die Werbeaussage für irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht war der Auffassung, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG wegen Irreführung zu. Die Leser der Fachzeitung verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen, da ihnen bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 1 und 3 UWG wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde. Zwar sei diese Information wesentlich. Die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang etwaiger Kompensationen lasse sich aber über die Internetseite des Kooperationspartners erlangen, die in der Werbeanzeige angegeben sei und mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Code aufgerufen werden könne. Dies sei Lesern der Zeitung auch zumutbar.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Unterlassung der Werbung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Die beanstandete Werbung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff "klimaneutral" nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung - nicht anders als von Verbrauchern - sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung - ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung - eine Irreführungsgefahr besonders groß ist und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen besteht. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral" verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend. Eine Erläuterung des Begriffs "klimaneutral" war hier insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.

Vorinstanzen:

LG Kleve - Urteil vom 22. Juni 2022 - 8 O 44/21

OLG Düsseldorf - Urteil vom 6. Juli 2023 - I-20 U 152/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 5 Abs. 1 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 5a Abs. 1 und 3 UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. [...]

(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:

1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie

2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. [...]



LG Karlsruhe: Wettbewerbswidrige Werbung der Drogeriemarktkette dm für diverse Produkte der Eigenmarke mit klimaneutral oder umweltneutral

LG Karlsruhe
Urteil vom 26.07.2023
13 O 46/22


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass die Werbung der Drogeriemarktkette dm für diverse Produkte der Eigenmarke mit "klimaneutral" oder "umweltneutral" wettbewerbswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Entscheidung im Rechtsstreit um die Bewerbung von Produkten als „klimaneutral“ oder „umweltneutral“

Kurzbeschreibung: Landgericht Karlsruhe entscheidet über die Bewerbung von Produkten als „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ (LG Karlsruhe, 13 O 46/22 KfH)

Nach mündlicher Verhandlung am 24.05.2023 hat das Landgericht Karlsruhe (Kammer für Handelssachen) in seinem heute verkündeten Urteil der Klage der Deutschen Umwelthilfe e.V. stattgegeben und entschieden, dass die Beklagte, die dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, es künftig zu unterlassen hat,

Produkte (hier: Flüssigseife, Sonnenmilch, Cremedusche) auf der Verpackung mit dem Begriff „klimaneutral“ (unter Verweis auf eine „ClimatePartner“-Nummer und mit dem Zusatz „CO2-kompensiert“) und
Produkte (hier: Spülmittel) auf der Verpackung mit dem Begriff „Umweltneutrales Produkt“
zu bewerben.

Das Gericht stützt sein Urteil im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

1. Zur Werbung mit dem Claim „klimaneutral“

Die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ (verstanden als „ausgeglichene Treibhausgasbilanz“) ist bei zwei der herausgegriffenen Produkte nach § 5a Abs. 1 UWG zu unterlassen, weil die Beklagte dem angesprochenen Verbraucher wesentliche Informationen zum Verständnis dieses Begriffs vorenthält. Die Beklagte hat bei den betroffenen Produkten jeweils angegeben, das Produkt sei klimaneutral im Sinne von CO2-kompensiert. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Verpackung nicht, wohl aber sind sie auf Internetseiten der ClimatePartner GmbH zu finden, von der die Beklagte das entsprechende Logo bezogen hat. Dabei geht es um die weiteren, für den umweltinteressierten durchschnittlichen Verbraucher wesentlichen Informationen darüber,

i. auf welche Schritte im Lebenszyklus eines Produkts sich der Claim der Klimaneutralität bezieht, mit anderen Worten, ob bestimmte (gasförmige) Emissionen von der Bilanzierung ausgenommen wurden,

ii. anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Label des jeweiligen Zertifizierungspartners – hier der ClimatePartner GmbH – erfolgt ist.

Auf eine Internetseite für die näheren Informationen zu verweisen, ist rechtlich zulässig. Der Verbraucher muss aber aus dem Aufdruck auf der Verpackung erkennen können, dass es eine entsprechende Internetseite gibt. Dies ist bei zwei der herausgegriffenen Produkte nicht der Fall, weil hierbei lediglich zusammen mit dem Logo der ClimatePartner GmbH der Schriftzug „ClimatePartner“ und eine längere Ziffernfolge angegeben sind.

Die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ ist ferner bei allen drei herausgegriffenen Produkten nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG zu unterlassen, weil sie ein klimaneutrales Produkt verspricht, dieses Versprechen aber aus prinzipiellen Gründen nicht einlösen kann. Dabei kommt es nicht auf eine etwaige subjektive Absicht der Irreführung an, dafür sieht die Kammer auch keinerlei Anhaltspunkt. In objektiver Hinsicht erweckt der Claim indes bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis, das nicht der Realität entspricht:

Die Kompensation der produktbezogen emittierten Treibhausgase soll bei den von ClimatePartner zertifizierten Produkten durch Zahlungen in bestimmte Projekte erfolgen, unter anderem ein Waldschutzprojekt in Peru. Dass der weltweite Schutz des Waldes ein wichtiges Mittel beim Klimaschutz darstellt, steht außer Frage. Daraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass Treibhausgaskompensation über entsprechende Zertifikate auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt die wettbewerbsrechtliche Berechtigung verleiht, das kompensierte Produkt als klimaneutral bewerben zu dürfen. Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht nämlich prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist. Der Verbraucher erwartet, dass eine Kompensation von Emissionen, die im Ergebnis zur Klimaneutralität des Produkts führen soll, diese auch tatsächlich bewirkt. Das produktbezogen emittierte Treibhausgas muss also dauerhaft bilanziell neutralisiert worden sein. CO2 besitzt jedoch in der Atmosphäre eine Verweildauer, die weit über die Laufzeit der Waldschutzprojekte hinausgeht. Wald bindet und speichert CO2 demgegenüber nur vorübergehend. Wenn ein Baum gefällt wird und vermodert oder auch abbrennt, setzt er das gespeicherte Treibhausgas wieder frei. Erreicht wird durch – erfolgreiche, korrekt aufgesetzte – Waldschutzprojekte sicherlich, dass mehr Wald für längere Zeiträume erhalten wird, wodurch in den entsprechenden Zeiträumen die CO2-Speicherkapazität des geschützten Waldes höher ist als im hypothetischen Szenario ohne das Projekt. Dies ist allerdings ein völlig anderer Effekt als der, den der Verbraucher aufgrund des Klimaneutral-Claims erwartet. Die produktbedingten, anthropogenen, zusätzlichen CO2-Emissionen sind hunderte oder tausende Jahre nachweisbar, gebunden und gespeichert wird die entsprechende Menge an CO2 durch das konkrete Waldschutzprojekt nur für Jahrzehnte. Danach ist die vorübergehend ausgeglichene CO2-Bilanz des Produkts wieder unausgeglichen. Um sie dauerhaft auszugleichen, müssten kontinuierlich – auch in 100 oder 1000 Jahren – weitere entsprechende Waldschutzbemühungen unternommen werden. Das hier fragliche Projekt in Peru läuft jedoch nur bis 2040, die bis dahin ausgegebenen Zertifikate sind ein für allemal „verdient“. Danach kann es zwar, wenn die grundlegenden Bedingungen sich nicht verändert haben, verlängert oder ein neues am selben Ort aufgesetzt werden. Daraus entspringen dann aber neue handelbare Zertifikate für neue Emissionen.

Die Kammer lässt dahinstehen, ob Klimaschutzprojekte wie das hier in Rede stehende im Hinblick auf ihre Zertifizierungs- und Auditierungsmechanismen und die zur Anwendung gelangenden Algorithmen einer naturwissenschaftlichen und soziologischen Analyse im Übrigen standhalten, was in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch diskutiert wird. Es bedarf auch keiner näheren Befassung mit dem hier zum Einsatz gekommenen, vom Kläger und in einigen Medien scharf kritisierten Waldschutzprojekt in Tambopata in Peru.

2. Zur Werbung mit dem Claim „Umweltneutrales Produkt“

Auch bei dem insoweit herausgegriffenen Produkt liegt ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG vor. Die Werbung ist überschießend und damit unzutreffend.

Der neu kreierte Begriff der „Umweltneutralität“ wird von den angesprochenen Verbrauchern – parallel zum bereits bekannten Begriff der Klimaneutralität – im Sinne eines „Produkts mit ausgeglichener Umweltbilanz“ verstanden. Die so beworbenen Produkte besitzen jedoch keine ausgeglichene Umweltbilanz. Denn bislang werden von dem GREENZERO-Ansatz (den die Beklagte von der Streithelferin übernommen hat) nicht alle Umweltauswirkungen erfasst, sondern nur die Kategorien CO2-Emissionen, Eutrophierung (Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Auch wenn es sich bei diesen fünf Auswirkungen um die mit den relativ höchsten Umweltkosten handeln mag, verbleiben immerhin acht von 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen – nach bisherigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis – unberücksichtigt. Das Marketing der Beklagten für ihre Pro Climate-Produktlinie kommt insofern verfrüht.

Es gelingt der Beklagten auch nicht, die – absolute, überschießende und mithin falsche – Behauptung der Umweltneutralität durch Erläuterungen auf der Verpackung so zu relativieren, dass nach dem Gesamteindruck des Verbraucherverständnisses eine zutreffende Werbung vorliegt. Dabei unterstellt das Gericht zugunsten der Beklagten, dass der auf zwei Erläuterungen verweisende Sternchenhinweis auf der Verpackung trotz seiner geringen Größe und Positionierung am Rand der Verpackung vom Verbraucher überhaupt entdeckt wird. Doch bei näherer Betrachtung wird das aus der Werbung mit den Worten „Umweltneutrales Produkt“ fehlerhaft vorgeprägte Verständnis des Verbrauchers durch die näheren Erläuterungen letztlich verstärkt. Der Verbraucher erhält den – unzutreffenden – Eindruck, das Produkt sei durch Reduktion und Kompensation von Umwelteinwirkungen unter dem Strich vollständig umweltneutral gestellt.


§ 5 Unlauterer Wettbewerb-Gesetz (UWG) lautet:

Irreführende geschäftliche Handlungen

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

§ 5a Unlauterer Wettbewerb-Gesetz (UWG) lautet:

Irreführung durch Unterlassen

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.



OLG Düsseldorf: Zulässige Werbung für Fruchtgummi mit "klimaneutral" wenn per QR-Code oder Link weitere Informationen vorgehalten werden

OLG Düsseldorf
Urteil vom 06.07.2023
20 U 152/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Werbung für Fruchtgummi mit "klimaneutral" zulässig ist, wenn per QR-Code oder Link weitere Informationen vorgehalten werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist jedoch unbegründet.

1.Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG, denn die beanstandete Werbeanzeige in der X.-Zeitung ist nicht irreführend.

Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe in dem angesprochenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit). Das ist bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nicht ohne weiteres der Fall. Dieser wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht zwingend im Sinne eines gleichsam emissionsfreien Herstellungsprozesses verstanden.

Abzustellen ist dabei auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten Verbrauchers. Zwar stimmt der Senat mit der Beklagten überein, dass sich die X.-Zeitung ausschließlich an Fachkreise wendet. Diese weisen aber in der Lebensmittelbranche eine derartige „Spannweite“ auf, dass ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verständnis dieser Fachkreise fern liegt.

Das Verkehrsverständnis können die Mitglieder des Senats damit selbst beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und hinsichtlich der von der Anzeige angesprochenen Fachkreise kein abweichendes Verständnis zu erwarten ist.

Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, GRUR 2022, 1451 Rn. 27 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral). Dies schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, etwa Flugreisen.

In der angegriffenen Werbung wird dieses Verständnis auch gerade durch den Hinweis auf die Website „ClimatePartner.com“ gestützt, weil sich der angesprochene Verkehr die Frage stellen wird, wofür – wenn nicht zur Kompensation – die Kooperation mit einem „Klima-Partner“ erforderlich ist.

Soweit der Kläger bestreitet, dass die Beklagte tatsächlich ausreichende Kompensationsleistungen erbringt, ist bereits unklar, was der Kläger damit vortragen will: Trägt er vor, dass gar keine Leistungen erbracht werden oder dass diese nicht ausreichen oder zur Kompensation ungeeignet sind? Dabei erfolgt die Behauptung unterbliebener Kompensation, ohne dass der Kläger hierfür Anhaltspunkte vortragen würde. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage des Senats keine derartigen Hinweise vortragen können.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 5a Abs. 1 UWG n.F.

Dies gilt allerdings nicht schon deswegen, weil sich die Werbung nicht an Verbraucher richtet, was Voraussetzung für die Anwendung von § 5a Abs. 2 UWG a.F. war.

Zwar handelt es sich – wie ausgeführt – bei den Lesern der X.-Zeitung um Fachkreise. Dies bedeutet indes nicht, dass sie von der Werbung nur als Unternehmer angesprochen werden. Vielmehr sind die meisten Leser jedenfalls auch Verbraucher und werden nicht nur in ihrer etwaigen Eigenschaft als Händler, sondern auch in der Eigenschaft als Verbraucher von der Werbung angesprochen.

Fehlt es an einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, weil es an einer irregeleiteten Fehlvorstellung des Verbrauchers fehlt, so kann doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden vorliegen, weil dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (BGH, GRUR 2020, 1226, 1229 – LTE-Geschwindigkeit).

Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. und § 5a Abs. 1 UWG n.F. handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wesentlich ist eine Information nicht schon dann, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information also aus einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Falls heraus (BGH GRUR 2016, 1076 Ls. 2 u. Rn. 31 – LGA tested).

Ist eine Information nach diesem Maßstab wesentlich, muss sie gegeben werden, auch wenn sie keinen der in § 5a Abs. 3 UWG a.F. aufgeführten Umstände betrifft. Die in § 5a Abs. 3 UWG a.F. geregelte Informationsanforderung ist nicht abschließend. Im Einzelfall kann es geboten sein, weitere Umstände mitzuteilen, die für eine Beurteilung der Ware oder Dienstleistung von Bedeutung erscheinen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information in diesem Sinne.

Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral).

Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht beispielsweise nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter beziehungsweise auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (wie hier: OLG Frankfurt a.a.O.)

Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gibt es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen ist. Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden.

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Werbung gerecht.

Zwar erfolgt die erforderliche Information erst, wenn der Leser der Anzeige entweder über den QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ aufsucht. Dies reicht indes zur Information der Verbraucher aus.

Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind räumliche Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen, § 5a Abs. 3 UWG.

Insoweit ist dem Verbraucher nicht allein mit der Angabe „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“ gedient, weshalb die Information nähere Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen bedarf, für die in einer Zeitungsanzeige letztlich der Platz fehlt. Wie schon das Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass es dem Zeitungsleser zuzumuten ist, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen.

Da unstreitig die Verpackung selber nicht Gegenstand des Verbotsbegehrens ist kommt es nicht darauf an, ob dies auch für einen Verbraucher gilt, dem der Claim auf einer Verpackung in der Kaufsituation entgegen tritt.

3. Da danach eine unlautere Handlung schon gegenüber Verbrauchern nicht vorliegt, kommt eine Unlauterkeit nach § 5a Abs. 1 UWG a.F. erst Recht nicht in Betracht.
[...]
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ zulässig ist, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden, so dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen war.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Düsseldorf: Bei Werbung auf Produktverpackung mit Klimaneutralität muss aufgeklärt werden wie diese erreicht wird - Verweis auf Website kann genügen

OLG Düsseldorf
Urteil vom 06.07.2023
20 U 72/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei der Werbung auf der Produktverpackung (hier: Marmeladenglas) mit Klimaneutralität aufgeklärt werden muss, wie diese erreicht wird. Dabei kann ein Verweis auf eine Website genügen.

II. Weder die Anzeige in der X.-Zeitung, noch die Angabe auf der Produktverpackung ist für sich genommen irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG.

Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe in dem angesprochenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit). Das ist bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nicht ohne weiteres der Fall. Dieser wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht zwingend im Sinne eines gleichsam emissionsfreien Herstellungsprozesses verstanden.

Abzustellen ist dabei auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten Verbrauchers. Dies liegt für die Produktverpackung auf der Hand. Es gilt aber letztlich auch für die Anzeige in der X.-Zeitung. Zwar stimmt der Senat mit der Beklagten überein, dass diese sich ausschließlich an Fachkreise wendet. Diese weisen aber in der Lebensmittelbranche eine derartige „Spannweite“ auf, dass ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verständnis dieser Fachkreise fern liegt.

Das Verkehrsverständnis können die Mitglieder des Senats beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und hinsichtlich der von der Anzeige angesprochenen Fachkreise kein abweichendes Verständnis zu erwarten ist.

Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, GRUR 2022, 1451 Rn. 27 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral). Dies gilt schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, wie etwa Flugreisen. Nicht anders ist es, wenn sich die Klimaneutralität – wie hier – nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern nur auf ein konkretes Produkt bezieht.

Warum vorliegend die konkrete Verwendung – wie das Landgericht gemeint hat – ein abweichendes Verständnis zur Folge haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

III. Der Kläger hat gegen die Beklagte aber einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1 UWG bzw. § 5a Abs. 2 UWG a.F.

Fehlt es an einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, weil es an einer irregeleiteten Fehlvorstellung des Verbrauchers fehlt, so kann doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden vorliegen, weil dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (BGH, GRUR 2020, 1226, 1229 – LTE-Geschwindigkeit). Während § 5 UWG ein Irreführungsverbot regelt und voraussetzt, dass der Werbende eine Fehlvorstellung bei dem Verbraucher hervorruft, ist nach § 5a UWG die Verletzung von Informationsgeboten unlauter.

Nach § 5a Abs. 1 UWG bzw. § 5a Abs. 2 UWG a.F. handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wesentlich ist eine Information nicht schon dann, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information also aus einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Falls heraus (BGH GRUR 2016, 1076 Ls. 2 u. Rn. 31 – LGA tested).

Ist eine Information nach diesem Maßstab wesentlich, muss sie gegeben werden, auch wenn sie keinen der in § 5a Abs. 3 UWG a.F. aufgeführten Umstände betrifft. Die in § 5a Abs. 3 UWG a.F. geregelte Informationsanforderung ist nicht abschließend. Im Einzelfall kann es geboten sein, weitere Umstände mitzuteilen, die für eine Beurteilung der Ware oder Dienstleistung von Bedeutung erscheinen.

Neben der Werbung auf der Verpackung richtet sich auch die Werbung in der X.-Zeitung auch an Verbraucher, denn bei den Lesern der X.-Zeitung handelt es sich zwar um Fachkreise, jedoch nicht notwendigerweise an Unternehmer. Vielmehr spricht die streitgegenständliche Werbung in der X.-Zeitung die Leser auch in ihrer Eigenschaft als Verbraucher an.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information in dem vorgenannten Sinne.

Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral).

Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht beispielsweise nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter beziehungsweise auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert Der Verbraucher hat daher – neben der Frage, welche Produktionsvorgänge einberechnet werden - ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (wie hier: OLG Frankfurt a.a.O.), darüber hinaus – da bestimmte Ausgleichsmaßnahmen umstritten sind – die Art der Ausgleichsmaßnahmen.

Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gibt es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen ist. Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden.

Hieran fehlt es vorliegend. Weder die Anzeige noch die Produktverpackung enthalten einen Hinweis darauf, wie es zu der „Klimaneutralität“ kommt. Soweit die Beklagte geltend macht, entsprechende Erläuterungen fänden sich auf ihrer sowohl in der Werbung, als auch auf der Verpackung angegebenen Internetseite, mag dies zutreffen, verfängt aber deshalb nicht, weil dann jedenfalls die Information in der Werbung beziehungsweise auf der Packung erforderlich ist (und sei es auch nur durch eine Angabe vergleichbar „Näheres unter …“), dass dies der Fall ist. Vorliegend besteht aber kein Zusammenhang zwischen der Angabe „klimaneutral“ und der Website.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EU-Kommission: Richtlinienvorschlag über neue Vorschriften zur Substantiierung von Umweltaussagen - Green Claims-Richtlinie - Greenwashing

Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag über neue Vorschriften zur Substantiierung von Umweltaussagen (Green Claims-Richtlinie) vorgelegt, der die Werbung mit Umweltaussagen (Greenwashing) regulieren soll.

Die Pressemitteilung des EU-Kommission:
Verbraucherschutz: nachhaltige Kaufentscheidungen ermöglichen und Greenwashing beenden

Die Kommission schlägt heute gemeinsame Kriterien gegen Grünfärberei und irreführende Umweltaussagen vor. Mit dem heutigen Vorschlag erhalten die Verbraucher größere Klarheit und mehr Sicherheit, dass etwas, das als umweltfreundlich verkauft wird, auch tatsächlich umweltfreundlich ist, und sie werden besser informiert, sodass sie fundiertere Entscheidungen für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen treffen können. Auch für die Unternehmen wird dies Vorteile mit sich bringen, da klarer erkennbar sein wird, welche Unternehmen echte Anstrengungen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit ihrer Produkte unternehmen, sodass sie die Verbraucher für sich gewinnen und ihre Absätze steigern können und nicht mehr unlauterem Wettbewerb ausgesetzt sind. Auf diese Weise wird der Vorschlag dazu beitragen, gleiche Ausgangsbedingungen in Bezug auf Aussagen zur Umweltleistung von Produkten zu schaffen.

Einer Studie der Kommission aus dem Jahre 2020 zufolge wurden 53,3 % der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert beurteilt und 40 % waren nicht belegt. Da es keine gemeinsamen Vorschriften zu freiwilligen Umweltaussagen, sogenannten Green Claims, von Unternehmen gibt, kommt es zu Grünfärberei und es entstehen ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem EU-Markt, wodurch wirklich nachhaltige Unternehmen benachteiligt werden.

Zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Informationen für die Verbraucher

Nach dem Vorschlag müssen Unternehmen, die freiwillige Umweltaussagen über ihre Produkte oder Dienstleistungen machen, Mindeststandards einhalten. Diese beziehen sich sowohl darauf, wie diese Aussagen zu belegen sind, als auch darauf, wie sie kommuniziert werden.

Der Vorschlag zielt ab auf ausdrückliche Werbeaussagen, wie z. B.: „T-Shirt aus recycelten Kunststoffflaschen“, „klimaneutraler Versand“, „Verpackung zu 30 % aus recyceltem Kunststoff“ oder „ozeanfreundlicher Sonnenschutz“. Außerdem soll gegen den zunehmenden Wildwuchs öffetnlicher und privater Umweltzeichen vorgegangen werden. Der Vorschlag deckt alle freiwilligen Werbeaussagen über umweltbezogene Auswirkungen, Aspekte oder Leistungen von Produkten, Dienstleistungen und der Gewerbetreibenden selbst ab. Ausgenommen sind jedoch Umweltaussagen, die unter bestehende EU-Vorschriften fallen, wie das EU-Umweltzeichen oder das EU-Bio-Logo für ökologische/biologische Lebensmittel, da durch die geltenden Rechtsvorschriften bereits gewährleistet wird, dass diese regulierten Aussagen zuverlässig sind. Umweltaussagen, die von künftigen EU-Regulierungsvorschriften abgedeckt werden, werden aus demselben Grund ausgeschlossen.

Bevor Unternehmen eine der fraglichen Arten von Umweltaussagen in ihre Verbraucherinformationen aufnehmen, müssen diese Angaben künftig unabhängig überprüft und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt werden. Die Unternehmen werden im Rahmen einer wissenschaftlichen Analyse die Umweltauswirkungen, die für ihr Produkt tatsächlich relevant sind, und auch etwaige Zielkonflikte ermitteln, um ein vollständiges und genaues Bild zu liefern.

Klare und harmonisierte Vorschriften und Kennzeichnungen

Durch mehrere Vorschriften wird künftig sichergestellt, dass diese Angaben sachdienlich kommuniziert werden. So werden beispielsweise keine Werbeaussagen oder Zeichen mehr gestattet sein, bei denen die gesamten Umweltauswirkungen des Produkts pauschal bewertet werden, außer wenn dies nach den EU-Vorschriften so vorgesehen ist. Werden Produkte oder Organisationen mit anderen verglichen, so sollten solche Vergleiche auf gleichwertigen Informationen und Daten beruhen.

Der Vorschlag sieht auch eine Regelung für Umweltzeichen vor. Derzeit gibt es mindestens 230 verschiedene Zeichen. Es liegt auf der Hand, dass dies bei den Verbrauchern zu Verwirrung und Misstrauen führt. Um die Ausbreitung solcher Zeichen zu kontrollieren, werden neue öffentliche Kennzeichnungssysteme nur dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden. Für neue private Systeme wird nachzuweisen sein, dass ihre Umweltziele ehrgeiziger sind als diejenigen bestehender Systeme. Zudem müssen sie vorab genehmigt werden. Es gibt detaillierte Vorschriften zu Umweltzeichen im Allgemeinen: Sie müssen auch verlässlich, transparent und unabhängig geprüft sein und regelmäßig überprüft werden.

Nächste Schritte

Nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren muss der Vorschlag für eine „Green Claims“-Richtlinie nun vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt werden.

Hintergrund

Der heutige Vorschlag ergänzt den Vorschlag vom März 2022 zur „Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“, indem neben einem allgemeinen Verbot irreführender Werbung spezifischere Vorschriften für Umweltaussagen festgelegt werden. Der heutige Vorschlag wird auch zusammen mit einem Vorschlag für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren vorgelegt, der ebenfalls zu einem nachhaltigen Verbrauch und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft beitragen wird.

Mit dem heutigen Vorschlag wird eine wichtige Zusage der Kommission im Rahmen des europäischen Grünen Deals umgesetzt. Es handelt sich um das dritte Paket von Vorschlägen zur Kreislaufwirtschaft, zusammen mit dem Vorschlag für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren. Das erste und das zweite Paket zur Kreislaufwirtschaft wurden im März und November 2022 angenommen. Das erste Paket umfasste die vorgeschlagene neue Verordnung über Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien und die vorgeschlagene Verbraucherschutzrichtlinie zur Stärkung der Rolle der Verbraucher für den ökologischen Wandel. Das zweite Paket umfasste die Vorschläge für die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die Mitteilung über biologisch abbaubare, biobasierte und kompostierbare Kunststoffe und die vorgeschlagene EU-Verordnung über die Zertifizierung von CO2-Entnahmen.