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BVerwG: Prüfling hat Anspruch aus Art. 15 DSGVO auf Überlassung unentgeltlicher Kopien der von ihm gefertigten Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung

BVerwG
Urteil vom 30.11.2022
6 C 10.21


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Prüfling einen Anspruch aus Art. 15 DSGVO auf Überlassung unentgeltlicher Kopien der von ihm gefertigten Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Datenschutzrecht gibt Anspruch auf unentgeltliche Kopien von Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung
Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesjustizprüfungsamt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Nachdem der Kläger im Jahr 2018 die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen bestanden hatte, verlangte er von dem Amt unter Berufung auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Landesjustizprüfungsamt war zu einer Übermittlung der Kopien nur gegen Erstattung der nach dem Landeskostenrecht berechneten Kosten in Höhe von 69,70 € bereit und lehnte den Antrag des Klägers ab. Der von dem Kläger hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stattgegeben. Die von dem Land Nordrhein-Westfalen gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision des Landes Nordrhein-Westfalen ist vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben.

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person u.a. das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann sie von dem Verantwortlichen die Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ergibt sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungsleistungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt - das heißt letztlich Wort für Wort - personenbezogene Daten des Prüflings darstellen. Macht in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, muss das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dies gilt nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen vorliegenden Form umfasst. Nichts Anderes folgt aus einem engeren Interpretationsansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten besteht. Denn ein solches Vorgehen ist bei Prüfungsarbeiten nicht möglich. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht von einer Vorlage der Frage an den EuGH abgesehen, welcher Auffassung zu folgen ist.

Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stehen keine Ausschlussgründe nach der Datenschutzgrundverordnung entgegen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei dem Landesjustizprüfungsamt verursacht, ist als vergleichsweise gering zu beurteilen. Der Anspruch bezieht sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint. Es hat ferner festgestellt, dass der fristgebundene Einsichtsanspruch nach dem nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetz den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lässt. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden.

BVerwG 6 C 10.21 - Urteil vom 30. November 2022

Vorinstanzen:

OVG Münster, OVG 16 A 1582/20 - Urteil vom 08. Juni 2021 -

VG Gelsenkirchen, VG 20 K 6392/18 - Urteil vom 27. April 2020 -


BGH: Markeninhaber kann bei Markenrechtsverletzung keinen Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangen wenn Lizenzierung sonst ausschließlich unentgeltlich erfolgt

BGH
Urteil vom 16.12.2021
I ZR 201/20
ÖKO-TEST III
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 aF Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c, Art. 101 Abs. 2, Art. 102 Abs. 1 Satz 1; Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 Buchst. c, Art. 130 Abs. 1 Satz 1; MarkenG § 14 Abs. 6, § 19 Abs. 1 und 3; MarkenG aF § 125b Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Markeninhaber bei Markenrechtsverletzungen keinen Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangen kann, wenn die Lizenzierung sonst ausschließlich unentgeltlich erfolgt.

Leitsätze des BGH:

a) Die Verwendung einer bekannten Marke, die ein Testlogo darstellt, zur Bewerbung eines getesteten Produkts mit dem um das Testergebnis und die Fundstelle ergänzten Testlogo stellt eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke dar, wenn für die getestete Produktgruppe ein neuerer Test mit veränderten Testkriterien vorliegt.

b) Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen, wenn er in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an der verletzten Marke erteilt.

c) Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berechnen, auch wenn er seine Marke selbst nicht kommerziell vermarktet.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - I ZR 201/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG Würzburg: Kein Anspruch auf Lizenzschaden bei Fotoklau wenn Lichtbild unter Creative Commons-Lizenz steht und unentgeltlich lizenziert werden kann

AG Würzburg
Urteil vom 23.07.2020
34 C 2436/19


Das AG Würzburg hat entschieden, das kein Anspruch auf Lizenzschaden beim Fotoklau besteht, wenn das Lichtbild unter der Creative Commons-Lizenz steht und unentgeltlich lizenziert werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Hinsichtlich der Schadensersatzklage ergibt sich Folgendes:

Der Beklagte hat nicht nachweisen können, dass ihm ein Zahlungsanspruch gegen den Kläger zusteht.

Die Entstehung eines konkreten Schadens in Form eines entgangenen Gewinns hat der Beklagte schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt.

Auch auf der Grundlage der Lizenzanalogie ergibt sich kein anderes Ergebnis. Hierbei ist davon auszugehen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für vom Verletzer vorgenommene Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums gezahlt hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsbeeinträchtigung, wobei die Höhe des Schadens nach § 287 ZPO zu schätzen ist. Neben dem Umfang der Nutzung ist der Wert des verletzten Rechts zu berücksichtigen. Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlung beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, Az. 62/14, zitiert nach Juris).

Mit dem OLG Köln ist das Gericht der Auffassung, dass ein Lichtbild, das der Beklagte und Widerkläger zur Nutzung im Rahmen einer CC-Lizenz unentgeltlich zur Verfügung stellt, mit einem objektiven Wert von 0,00 € zu bemessen ist. Auch eine Verdoppelung im Hinblick auf einen Verletzerzuschlag führt zu keinem höheren Wert. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte die unentgeltliche Benutzung nur unter Werbegesichtspunkten - und folglich unter Nennung seines Namens - zugelassen haben will. Dies stellt lediglich das Motiv des Beklagten für die Erlaubnis zur unentgeltlichen Nutzung dar. Das Gericht ist jedoch nicht der Auffassung, dass sich hierdurch der objektive Wert erhöht. Ein gesonderter wirtschaftlicher Wert ist in der unterlassenen Namensnennung nicht zu sehen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: