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BGH legt EuGH vor: Zulässigkeit der Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen aus Einnahmen einer Verwertungsgesellschaft

BGH
Beschluss vom 21.11.2024
I ZR 135/24
Herausgeberanteil


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Zulässigkeit der Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen aus Einnahmen einer Verwertungsgesellschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
EuGH-Vorlage zur Frage der Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen durch eine Verwertungsgesellschaft

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, ob und unter welchen Voraussetzungen die Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen aus den Einnahmen einer Verwertungsgesellschaft mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist die Verwertungsgesellschaft Wort. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Wortautoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren und deren Verlegern wahr.

Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat sich zudem die Rechte eines Autors von Sachbüchern (im Folgenden: Zedent) abtreten lassen. Der Kläger hat mit der Beklagten im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, der Zedent im Jahr 1993. Darin haben sie der Beklagten die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung zur Wahrnehmung übertragen.

Der Kläger wendet sich aus eigenem und abgetretenem Recht dagegen, dass die Beklagte Herausgeber und den Förderungsfonds Wissenschaft, dessen einzige Gesellschafterin die Beklagte ist, entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans und ihrer Satzung an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber beteiligt und dadurch den Anteil des Klägers und des Zedenten an diesen Einnahmen schmälert. Der Förderungsfonds Wissenschaft vergibt Druckkostenzuschüssen für das Erscheinen wissenschaftlicher Werke und Fachwerke, Zuschüsse für Forschungen, aus denen wissenschaftliche Werke oder Fachwerke hervorgehen sollen, sowie Zuschüsse für sonstige Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Schrifttums und des Fachschrifttums. Die Zuschüsse können von Urhebern und Verlagen beantragt werden, die mit der Beklagten einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Feststellungsanträge in vollem Umfang stattgegeben und die begehrte Auskunft teilweise zugesprochen.

Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht die Klage nur hinsichtlich der an den Kläger abgetretenen Ansprüche als begründet angesehen und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt vorgelegt.

Zunächst soll der Gerichtshof der Europäischen Union klären, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG sowie Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU einer nationalen Vorschrift entgegenstehen (hier: § 32 Abs. 1 VGG), nach der eine Verwertungsgesellschaft kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern soll, und dies zur Folge hat, dass auch Empfänger in den Genuss der Förderung gelangen, die (jedenfalls noch) nicht zum Kreis der Rechtsinhaber zählen.

Für den Fall, dass die Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU nur an Rechtsinhaber zulässig sein sollte, ist außerdem klärungsbedürftig, ob der Rechtsinhaber einen gegenwärtigen Vergütungsanspruch innehaben muss oder ob die Inhaberschaft eines gegenwärtig nicht zu vergütenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts ausreicht sowie ob ein Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft bestehen muss.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 4. Oktober 2021 - 42 O 13841/19

OLG München - Urteil vom 27. Juli 2023 - 29 U 7919/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 32 Abs. 1 VGG (Verwertungsgesellschaftengesetz)

Die Verwertungsgesellschaft soll kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern. [...]

Art. 5 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen: [...]

b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden; [...]

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2006/115/EG

Die Mitgliedstaaten können hinsichtlich des öffentlichen Verleihwesens Ausnahmen von dem ausschließlichen Recht nach Artikel 1 vorsehen, sofern zumindest die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten. [...]

Art. 11 Abs. 4 Richtlinie 2014/26/EU

Die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung dürfen die Einnahmen aus den Rechten und die Erträge aus den Anlagen dieser Einnahmen nicht für andere Zwecke als zur Verteilung an die Rechtsinhaber verwenden, außer in Fällen, in denen sie gemäß einem nach Artikel 8 Absatz 5 Buchstabe d gefassten Beschluss die Verwaltungskosten einbehalten oder verrechnen oder die Einnahmen aus den Rechten und die Erträge aus den Anlagen dieser Einnahmen gemäß einem nach Artikel 8 Absatz 5 gefassten Beschluss verwenden dürfen. [...]

Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 2014/26/EU

Erbringt eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung soziale, kulturelle oder Bildungsleistungen, die durch Abzüge von den Einnahmen aus den Rechten oder den Erträgen aus deren Anlage finanziert werden, werden solche Leistungen auf der Grundlage fairer Kriterien, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu solchen Leistungen und deren Umfang, bereitgestellt.



BGH legt EuGH Fragen vor: Ist eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie nach § 443 Abs. 1 BGB und welche Anforderungen sind an Zufriedenheitsgarantien zu stellen

BGH
Beschluss vom 10.02.2022
I ZR 38/21
Zufriedenheitsgarantie
Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 14, Richtlinie (EU) 2019/771 Art. 2 Nr. 12


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie nach § 443 Abs. 1 BGB ist und welche Anforderungen an Zufriedenheitsgarantien zu stellen sind.

Leitsatz des Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) sowie zur Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. L 136 vom 22. Mai 2019, S. 28) in der berichtigten Fassung (ABl. L 305 vom 26. November 2019, S. 66) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU und eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 vorliegen, wenn die Verpflichtung des Garantiegebers an in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, insbesondere an seine subjektive Haltung zur Kaufsache (hier: die in das Belieben des Verbrauchers gestellte Zufriedenheit mit der Kaufsache) anknüpft, ohne dass diese persönlichen Umstände mit dem Zustand oder den Merkmalen der Kaufsache zusammenhängen müssen?

2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Muss das Fehlen von Anforderungen, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände (hier: seine Zufriedenheit mit den erworbenen Waren) gründen, anhand objektiver Umstände feststellbar sein?

BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: