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EuGH: Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software ist keine unlautere Geschäftspraxis - fehlende Preisangabe für vorinstallierte Software nicht irreführend

EuGH
Urteil vom 07.09.2016
C‑310/15
Vincent Deroo-Blanquart gegen Sony Europe Limited


Der EuGH hat entschieden, dass der Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software keine unlautere Geschäftspraxis darstellt. Auch das Fehlen von Preisangaben für die vorinstallierte Software ist nicht irreführend.

Tenor der Entscheidung:

1. Eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, stellt an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) dar, es sei denn, eine solche Praxis widerspricht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht und beeinflusst in Bezug auf dieses Erzeugnis das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich oder ist dazu geeignet, es wesentlich zu beeinflussen; es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen.

2. Im Rahmen eines im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software bestehenden Kopplungsangebots stellt das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme keine irreführende Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und Art. 7 der Richtlinie 2005/29 dar.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software stellt an sich keine unlautere Geschäftspraxis dar

Ferner ist das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme keine irreführende Geschäftspraxis

Im Jahr 2008 kaufte Herr Vincent Deroo-Blanquart in Frankreich einen Laptop der Marke Sony mit vorinstallierter Software (Betriebssystem Microsoft Windows Vista und verschiedene Softwareanwendungen). Bei der ersten Nutzung dieses Computers lehnte Herr Deroo-Blanquart es ab, den „Endbenutzer-Lizenzvertrag“ (EULA) des Betriebssystems zu unterzeichnen, und
verlangte von Sony die Erstattung des den Kosten der vorinstallierten Software entsprechenden Teils des Kaufpreises. Sony lehnte dies ab, schlug Herrn Deroo-Blanquart aber vor, den Verkauf für ungültig zu erklären und ihm den vollständigen Kaufpreis, d. h. 549 Euro, gegen Rückgabe der gekauften Ware zu erstatten.

Herr Deroo-Blanquart lehnte dieses Angebot ab und verklagte Sony auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung für die vorinstallierte Software in Höhe von 450 Euro sowie von Schadensersatz wegen unlauterer Geschäftspraktiken in Höhe von 2 500 Euro. Nach einer Unionsrichtlinie sind unlautere Geschäftspraktiken, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher ändern und den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widersprechen, wie insbesondere irreführende und
aggressive Geschäftspraktiken, verboten.

Der französische Kassationsgerichtshof, bei dem diese Klage anhängig ist, möchte vom Gerichtshof zum einen wissen, ob eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, und zum anderen, ob im Rahmen eines Kopplungsangebots in Form des Verkaufs eines Computers mit vorinstallierter Software das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme eine irreführende Geschäftspraxis darstellt.

In seinem heutigen Urteil beantwortet der Gerichtshof die erste Frage dahin, dass der Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29 darstellt, wenn ein solches Angebot nicht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher
nicht beeinflusst. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Rechtssache zu beurteilen.

So weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass der Verkauf derartiger bereits ausgestatteter Computer geeignet ist, den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht zu entsprechen, da erstens der Verkauf von Computern mit vorinstallierter Software durch Sony die Erwartungen eines wesentlichen Teils der Verbraucher erfüllt, die den Erwerb eines so ausgestatteten und sofort nutzbaren Computers dem getrennten Kauf von Computer und Software vorziehen, zweitens Herr Deroo-Blanquart von dem Sony-Händler vor dem Computerkauf über die vorinstallierte Software und die genauen Merkmale dieser einzelnen Anwendungen gebührend informiert wurde und drittens Sony Herrn Deroo-Blanquart nach dem Kauf bei der ersten Nutzung des Computers die Möglichkeit gegeben hat, den EULA zu unterzeichnen oder den Kauf zu widerrufen. Es ist wiederum Sache des nationalen Gerichts, dies zu prüfen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses übermittelten Informationen für die Verbraucher von grundlegender Bedeutung sind. Das nationale Gericht hat zu klären, ob die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt
wurde, wenn er vor dem Kauf informiert wurde, dass das Computermodell nicht ohne vorinstallierte Software vertrieben wird, und er sich daher frei entscheiden konnte, ein mit ähnlichen technischen Merkmalen ausgestattetes Computermodell einer anderen Marke zu wählen, das ohne Software verkauft wird.

Zur zweiten Frage weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. Im Rahmen eines Kopplungsangebots, das im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software
besteht, hält der Gerichtshof das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme weder für geeignet, den Verbraucher daran zu hindern, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, noch für geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Da der Preis der einzelnen Programme somit keine
wesentliche Information darstellt, kann das Fehlen einer Preisangabe keine irreführende Geschäftspraxis sein.