BGH: Kombination aus Gattungsbegriff und Top-Level-Domain nicht unterscheidungskräftig im Sinne vom § 18 Abs. 1 HGB
BGH
Beschluss vom 11.03.2025
II ZB 9/24
HGB § 18 Abs. 1
Der BGH hat entschieden, dass die Kombination aus Gattungsbegriff und Top-Level-Domain nicht unterscheidungskräftig im Sinne vom § 18 Abs. 1 HGB ist. Vorliegend ging es um die Unternehmensbezeichnung einer AG.
Leitsatz des BGH:
Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.
BGH, Beschluss vom 11. März 2025 - II ZB 9/24 - KG AG - Registergericht - Charlottenburg
Aus den Entscheidungsgründen:
b) Bei der Bezeichnung der zur Eintragung angemeldeten Firma der Antragstellerin handelt es sich in der Second-Level-Domain um eine Gattungsbezeichnung in Verbindung mit einer Top-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben wird.
Bei der Bezeichnung "v. " handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt. Diesem Firmenbestandteil fehlt die Unterscheidungskraft. Es ist umstritten, ob eine solche Firma allein aufgrund der Verbindung des nicht unterscheidungskräftigen Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit der Top-LevelDomain die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt.
aa) Teilweise wird angenommen, dass so eine Bezeichnung unabhängig von der fehlenden Unterscheidungskraft des verwendeten Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier ".de" - hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne (OLG Dresden, K&R 2011, 213, 214; AG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26. Juni 2009 - 72 AR 74/09, BeckRS 2011, 2082; Staub/Burgard, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 29a; Foerster in Heymann, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 22; MünchKommHGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rn. 37; MHdB GesR III/Heidinger/Knaier, 6. Aufl., § 19 Rn. 24; Hopt/Merkt, HGB, 44. Aufl., § 18 Rn. 6; MHLS/Mock, GmbHG, 4. Aufl., § 4 Rn. 28; Scholz/Scheller, GmbHG, 13. Aufl., § 4 Rn. 68).
bb) Nach anderer Ansicht führt bei einem Gattungsbegriff in der SecondLevel-Domain auch der Zusatz einer Top-Level-Domain wie ".de" und die Tatsache, dass bei der Denic eG nur eine Internetadresse mit dem für die Firma gewählten Namen vergeben wird, nicht zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB (OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 202, 203; LG Köln, RNotZ 2008, 553; BeckOK-HGB/Bömeke, Stand 1.1.2025, § 18 Rn. 16; Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 350 f.; Herrler/Eickelberg, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 19 Rn. 113; Heinrich in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 4 Rn. 25; MünchKommGmbHG/Heinze, 4. Aufl., § 4 Rn. 47; Hecht in Born/Simon/Gehrlein, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 56 f.; Lamsa in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 18 Rn. 25; BeckOGKHGB/ Lüken/Grensemann, Stand 1.11.2024, § 18 Rn. 77; Raff in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 4 Rn. 40; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 18 Rn. 4; Reuschle in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 18; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 18; Schäfer in Bork/Schäfer, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 8; Schodder, ZIP 2024, 2451, 2452; Seifert, Rpfleger 2001, 395, 396 f.; Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 24. Aufl., § 4 Rn. 9; Wamser in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 18 HGB Rn. 3).
cc) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Die Kombination eines unspezifischen, keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese muss sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.
Die erforderliche Unterscheidungskraft erhält eine nicht unterscheidungskräftige Firma nicht deswegen, weil derselbe Domainname nicht noch einmal vergeben werden darf. Durch die gewählte Top-Level-Domain ".de" wird auf die Registrierung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic eG hingewiesen. Der Registrierung der Domain ist hingegen bei der erforderlichen Individualisierung des Gattungsbegriffs für die firmenrechtliche Beurteilung kein entscheidendes eigenes Gewicht beizumessen. Der allgemeine Geschäftsverkehr nimmt die Top-Level-Domain in der Regel nicht als prägend, sondern vielmehr nur als Hinweis auf die Internetpräsenz des Unternehmens wahr. Werden weitere Unternehmen mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains (".com", ".net") bei der Denic eG registriert, schützt die Top-Level-Domain nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr. Des Weiteren ist bei der Verwendung von Branchen- bzw. Gattungsbegriffen auch das Freihaltebedürfnis der Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen, da die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigt werden darf.
Schließlich kann die Antragstellerin aus den Eintragungen anderer Unternehmen mit ähnlich strukturierten Firmen im Handelsregister nichts für ihre Rechtsposition herleiten, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht und das Registergericht für jede angemeldete Firma eine Prüfung der Zulässigkeit des angemeldeten Namens vorzunehmen hat.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Beschluss vom 11.03.2025
II ZB 9/24
HGB § 18 Abs. 1
Der BGH hat entschieden, dass die Kombination aus Gattungsbegriff und Top-Level-Domain nicht unterscheidungskräftig im Sinne vom § 18 Abs. 1 HGB ist. Vorliegend ging es um die Unternehmensbezeichnung einer AG.
Leitsatz des BGH:
Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.
BGH, Beschluss vom 11. März 2025 - II ZB 9/24 - KG AG - Registergericht - Charlottenburg
Aus den Entscheidungsgründen:
b) Bei der Bezeichnung der zur Eintragung angemeldeten Firma der Antragstellerin handelt es sich in der Second-Level-Domain um eine Gattungsbezeichnung in Verbindung mit einer Top-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben wird.
Bei der Bezeichnung "v. " handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt. Diesem Firmenbestandteil fehlt die Unterscheidungskraft. Es ist umstritten, ob eine solche Firma allein aufgrund der Verbindung des nicht unterscheidungskräftigen Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit der Top-LevelDomain die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt.
aa) Teilweise wird angenommen, dass so eine Bezeichnung unabhängig von der fehlenden Unterscheidungskraft des verwendeten Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier ".de" - hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne (OLG Dresden, K&R 2011, 213, 214; AG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26. Juni 2009 - 72 AR 74/09, BeckRS 2011, 2082; Staub/Burgard, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 29a; Foerster in Heymann, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 22; MünchKommHGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rn. 37; MHdB GesR III/Heidinger/Knaier, 6. Aufl., § 19 Rn. 24; Hopt/Merkt, HGB, 44. Aufl., § 18 Rn. 6; MHLS/Mock, GmbHG, 4. Aufl., § 4 Rn. 28; Scholz/Scheller, GmbHG, 13. Aufl., § 4 Rn. 68).
bb) Nach anderer Ansicht führt bei einem Gattungsbegriff in der SecondLevel-Domain auch der Zusatz einer Top-Level-Domain wie ".de" und die Tatsache, dass bei der Denic eG nur eine Internetadresse mit dem für die Firma gewählten Namen vergeben wird, nicht zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB (OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 202, 203; LG Köln, RNotZ 2008, 553; BeckOK-HGB/Bömeke, Stand 1.1.2025, § 18 Rn. 16; Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 350 f.; Herrler/Eickelberg, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 19 Rn. 113; Heinrich in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 4 Rn. 25; MünchKommGmbHG/Heinze, 4. Aufl., § 4 Rn. 47; Hecht in Born/Simon/Gehrlein, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 56 f.; Lamsa in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 18 Rn. 25; BeckOGKHGB/ Lüken/Grensemann, Stand 1.11.2024, § 18 Rn. 77; Raff in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 4 Rn. 40; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 18 Rn. 4; Reuschle in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 18; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 18; Schäfer in Bork/Schäfer, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 8; Schodder, ZIP 2024, 2451, 2452; Seifert, Rpfleger 2001, 395, 396 f.; Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 24. Aufl., § 4 Rn. 9; Wamser in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 18 HGB Rn. 3).
cc) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Die Kombination eines unspezifischen, keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese muss sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.
Die erforderliche Unterscheidungskraft erhält eine nicht unterscheidungskräftige Firma nicht deswegen, weil derselbe Domainname nicht noch einmal vergeben werden darf. Durch die gewählte Top-Level-Domain ".de" wird auf die Registrierung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic eG hingewiesen. Der Registrierung der Domain ist hingegen bei der erforderlichen Individualisierung des Gattungsbegriffs für die firmenrechtliche Beurteilung kein entscheidendes eigenes Gewicht beizumessen. Der allgemeine Geschäftsverkehr nimmt die Top-Level-Domain in der Regel nicht als prägend, sondern vielmehr nur als Hinweis auf die Internetpräsenz des Unternehmens wahr. Werden weitere Unternehmen mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains (".com", ".net") bei der Denic eG registriert, schützt die Top-Level-Domain nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr. Des Weiteren ist bei der Verwendung von Branchen- bzw. Gattungsbegriffen auch das Freihaltebedürfnis der Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen, da die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigt werden darf.
Schließlich kann die Antragstellerin aus den Eintragungen anderer Unternehmen mit ähnlich strukturierten Firmen im Handelsregister nichts für ihre Rechtsposition herleiten, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht und das Registergericht für jede angemeldete Firma eine Prüfung der Zulässigkeit des angemeldeten Namens vorzunehmen hat.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: