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OLG Frankfurt: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO erfordert Nachweis eines konkreten Schadens - aus Art. 17 DSGVO ergibt sich auch ein Unterlassungsanspruch

OLG Frankfurt
Urteil vom 02.03.2022
13 U 206/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO den Nachweis eines konkreten Schadens erfordert. Zudem führt das Gericht aus, dass sich aus Art. 17 DSGVO auch ein Unterlassungsanspruch ergibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Hinsichtlich der Verurteilung im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch ist die Berufung der Beklagten hingegen unbegründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu, sofern diese in der Form erfolgt wie mit der Nachricht vom 23.10.2018 an einen Dritten. Dies ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. 2016 L 119 S. 1, berichtigt in ABl. 2016 L 314 S. 72 und ABl. 2018 L 127 S. 2; im Folgenden: DS-GVO), wie zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt wurde (vgl. BGH, Urteile vom 12.10.2021 - VI ZR 488/19 - VI ZR 489/19 -, jeweils Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 20, 23 [zur Auslistung]; BSGE 127, 181 Rn. 13), so dass ein Rückgriff auf §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 BGB nicht erforderlich ist, um einen lückenlosen Individualrechtsschutz hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von natürlichen Personen zu gewährleisten (so noch: OLG Dresden, Urteil vom 14. Dezember 2021 - 4 U 1278/21 -, Rn. 47, juris; OLG München, Urteil vom 19. Januar 2021 - 18 U 7243/19 Pre -, Rn. 62, 65, juris).

Die Voraussetzungen des sich aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO (auch) ergebenden Unterlassungsanspruchs sind erfüllt.

Die DS-GVO ist vorliegend anwendbar, da sie seit dem 25.5.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union Geltung erlangt hat (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18 -, BGHZ 226, 285-310, Rn. 110 - 13).

Die Beklagte hat durch die Übermittlung der Nachricht vom 23.10.2018 „personenbezogene Daten" des Klägers im Sinne von Art. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO an einen Dritten offenbart. Insoweit sind der Name, das Geschlecht, die Tatsache des laufenden Bewerbungsverfahrens und die Gehaltsvorstellung des Klägers als personenbezogene Daten anzusehen.

Sofern die Beklagte dies hinsichtlich der Anrede „Herr B" verneint, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da der Name in der Legaldefinition sogar ausdrücklich erwähnt wird. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO benennt beispielhaft Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, der Name wird im Rahmen der alternativen Aufzählung an erster Stelle aufgeführt.

Nach der Definition sind „personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Der Begriff der "personenbezogenen Daten" nach Art. 4 DS-GVO ist damit weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen.

Unter die Vorschrift fallen damit neben Identifikationsmerkmalen und äußeren Merkmalen auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt (Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, Art. 4 DS-GVO Rn. 8; Ernst in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, Auflage 2021, Art. 4 Rn. 14; OLG Köln, Urteil vom 26. Juli 2019 - I-20 U 75/18 -, Rn. 304, juris).

Die hier offenbarten Informationen, nämlich der Nachname des Klägers und sein der Anrede zu entnehmendes Geschlecht, sowie die aus der Nachricht herauslesbaren Angaben, insbesondere die Tatsache eines laufenden Bewerbungsprozesses bei der Beklagten, stellen persönliche Informationen dar. Auch die Gehaltsvorstellung des Klägers, die sich aus der angegebenen Gehaltsobergrenze der Beklagten rückschließen lässt, stellt eine sachliche Information dar. Dabei kann die Angabe „80k + variable Vergütung" nicht mit Angaben in einer Stellenanzeige gleichgesetzt werden, wie es die Berufung meint. Eine dahingehende Interpretation lässt den Kontext der Nachricht außer Acht. Dort wird ausdrücklich erwähnt, dass die Gehaltsvorstellungen des Klägers nicht erfüllt werden können und im Anschluss äußert die Beklagte ihrerseits eine Gehaltsobergrenze. Aus diesen beiden Angaben lassen sich Rückschlüsse auf die Gehaltsvorstellungen des Klägers ziehen.

Auch die Identifizierbarkeit ist zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn der Nachname häufig vorkommen sollte. Sofern die Beklagte einwendet, das Landgericht habe die Anlage B 3 und die darin aufgeführten weiteren Nutzer der Plattform Xing mit gleichem Nachnamen nicht hinreichend gewürdigt, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Insoweit kann als zutreffend unterstellt werden, dass auf der Plattform Xing mehrere Personen den Nachnamen des Klägers tragen, dies hindert jedoch die Identifizierbarkeit nicht. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass sich alle zur Identifizierung der betreffenden Person erforderlichen Informationen in den Händen einer einzigen Person befinden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - Rs. C- 434/16, NJW 2018, 767, Nowak). Der Nachname ist ein gängiges Identifikationsmerkmal, es ist nicht erforderlich, dass die Identifikation „zweifelsfrei" ermöglicht wird, eine dahingehende Voraussetzung, die die Beklagte postulieren will, besteht nicht, da eine solche Einschränkung dem Text der Verordnung nicht zu entnehmen ist. Zudem ist es vorliegend dem Dritten unmittelbar gelungen, den Kläger zu identifizieren, da er sich nach Erhalt der Nachricht direkt an diesen gewandt hat. Auf die Frage, ob dem Adressaten der Nachricht die Identifikation des Klägers aufgrund der übermittelten Angaben möglich war, oder ob er, wie es die Berufung meint, auf dessen Antwort angewiesen war, kommt es für die Qualifikation als „personenbezogene Daten" i.S. d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO nicht an (zu Namensangaben: BGH, Urteil vom Oktober 2021 - VI ZR 489/19 -, Rn. 26, juris; zu Name, Geschlecht, Religion und Sprache: EuGH, Urteil vom 17.07.2014 - Rs. C-141/12, Rs. C-372/12, CR 2015, 103, 104).

Die Versendung einer Nachricht, fällt, sofern sie - wie hier - personenbezogene Daten enthält, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO).

Die Beklagte ist verantwortliche Stelle für die Verarbeitung von Daten und damit "Verantwortlicher" im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (Ernst in: Paal/Pauly, a.a.O., Art. 4 Rn. 55).

Indem die Beklagte die Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens erhebt, erfasst, ordnet, speichert und gegenüber Dritten offenlegt, "verarbeitet" sie diese Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO. Danach ist eine „Verarbeitung" jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

Die Übermittlung der Nachricht mit den enthaltenen personenbezogenen Daten des Klägers an einen unbeteiligten Dritten stellt eine Verarbeitung seiner Daten in Form der beispielhaft genannten „Offenlegung durch Übermittlung" dar.

Die Berufung wendet ein, es handele sich vorliegend nicht um eine Verarbeitung, da mit dem versehentlichen „Klick", mit dem die Nachricht an den falschen Empfänger geschickt wurde, eine manuelle Handlung vorgenommen worden sei. Ein solches manuelles Verklicken stelle bereits keinen „Vorgang" im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar. Dies ist abzulehnen, da die Legaldefinition auch Vorgänge ohne Hilfe automatisierter Verfahren benennt und damit das manuelle Handeln ausdrücklich einschließt.

Auch die Versendung an einen zufälligen Adressaten schadet dabei nicht. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 25.11.2021 zu Inbox-Werbung klargestellt, dass eine „Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung" im Sinne der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) darstellt, ohne dass die Bestimmung der Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip von Bedeutung ist (EuGH, Urteil vom 25. November 2021 - C-102/20 -, juris). Dies gilt für die hier maßgebliche Nachricht in gleicher Weise.

Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers durch Versendung an einen in das Bewerbungsverfahren nicht eingebundenen Dritten war unrechtmäßig und insbesondere nicht von einer Einwilligung des Klägers erfasst. Durch den Umstand des Bewerbungsverfahrens hat der Kläger weder in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch Offenlegung gegenüber Dritten gemäß Art. 6 Abs. a) DS-GVO eingewilligt noch sind die in Art. 6 b) bis f) genannten Voraussetzungen, etwa die Notwendigkeit der Weitergabe im Bewerbungsverfahren, diesbezüglich gegeben.

Auch die für eine Begründetheit des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Umfang des vorliegenden Datenschutzverstoßes besteht insofern eine tatsächliche Vermutung (Grüneberg/Herrler, BGB 81. Aufl., § 1004, Rn. 32), welche die Beklagte nicht widerlegt hat. Denn insofern vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass es sich nicht um einen Datenschutzverstoß handelte, keine persönlichen Daten offenbart wurden und eine Unterlassungserklärung im Umfang des Klageantrages von ihr nicht geschuldet ist (ebenso: OLG Dresden, Urteil vom 14. Dezember 2021 - 4 U 1278/21 -, Rn. 47, juris).

Soweit der Klageantrag auch Daten erfasst, die nicht Gegenstand der Nachricht vom 23.10.2018 waren, ergibt sich die insofern erforderliche Erstbegehungsgefahr aus dem unstreitigen bzw. bewiesenen Sachverhalt. Denn die Beklagte beruft sich auf ein fahrlässiges „Verklicken" einer Mitarbeiterin im Rahmen der Kommunikation über Xing. Eine bewusste Auswahl hinsichtlich der weitergegebenen Daten erfolgte hierbei nicht, da die Weiterleitung an Herrn A ja unbeabsichtigt geschah und die Mitarbeiterin, Frau D, meinte, die Nachricht an den Kläger zu senden, was datenschutzrechtlich unbedenklich gewesen wäre. Solange die Beklagte nichts unternimmt, Fehler dieser Art künftig zu vermeiden, besteht daher die Gefahr entsprechender Datenschutzverstöße. Soweit hierbei andere von dem Kläger über Xing mitgeteilte Daten betroffen sind, besteht eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung, was für eine Unterlassungsanspruch ausreichend ist (Grüneberg/Herrler, a.a.O.).

Mangels hinreichender Unterlassungserklärung, der es im Regelfall zur Widerlegung der Wiederholungs- bzw. der Erstbegehungsgefahr bedarf (OLG München, Urteil vom 19.1.2021 - 18 U 7243/19, Rn. 63 juris), besteht diese fort. Zwar lässt eine (ordnungsgemäße) Unterlassungsverpflichtungserklärung auch ohne Annahme durch den Gläubiger die Wiederholungsgefahr grundsätzlich entfallen; hierzu muss die Erklärung den Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang aber voll abdecken (BGH, Urteil vom 21.6.2005. VI ZR 122/04, Rn. 6, juris m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 4.3.2019 (Anlage K 5, Bl. 29 d.A.) beschränkte sich auf den genauen Wortlaut der streitgegenständlichen Nachricht. Vor neuen Verletzungshandlungen schützt sie daher nicht in ausreichender Weise.

Der Kläger muss nämlich insgesamt vor der rechtswidrigen Weitergabe seiner personenbezogenen Daten geschützt werden. Diese Gefahr besteht nicht nur im Hinblick auf die konkrete Nachricht, sondern auch hinsichtlich der Weitergabe seiner Angaben an Dritte in vergleichbarer Weise. Da die Begrenzung der Unterlassungserklärung auf den konkreten Wortlaut der Nachricht zu eng gefasst ist, ist die Berufung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs unbegründet.

Dass der konkrete Verstoß mit gleichem Wortlaut erneut erfolgen könnte, liegt angesichts der Individualität der Nachricht fern. Vergleichbare Verstöße hingegen, die bei nicht ausreichend sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten drohen könnten, sind nicht ausgeschlossen. Sofern die Berufung einwendet, eine Wiederholung sei ausgeschlossen, da es sich um ein Augenblicksversagen einer Mitarbeiterin gehandelt habe, ist dies für die Bewertung der Wiederholungsgefahr nach Auffassung des Senats nicht der entscheidende Gesichtspunkt. Es obliegt der Beklagten als Verantwortliche für die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten, ihre Mitarbeiter im Umgang ausreichend zu schulen (so auch: Golland, DSB 2020, 286-288; Gündel, Grundeigentum 2021, 1109-1111) sowie ggf. durch technische Maßnahmen vorhersehbare Fehlanwendungen zu vermeiden.

Insoweit hat das Landgericht richtigerweise Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E zu den seitens der Beklagten im Zusammenhang mit dem Rechtsverstoß ergriffenen Maßnahmen. Es ist dabei zu der Überzeugung gelangt, dass keine Schulungsmaßnahmen oder anderweitige Vorkehrungen von der Beklagten hinsichtlich der betreffenden Mitarbeiterin oder deren Kollegen veranlasst worden sind, die mit der notwendigen Sicherheit etwaige künftige Rechtsverstöße vermeiden und damit die Vermutung widerlegen könnten. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Zeuge nicht bestätigen konnte, dass alle relevanten Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit personenbezogenen Daten geschult worden seien. Zwischen der streitgegenständlichen Nachricht und der Benachrichtigung des Zeugen lag ein Zeitraum von mehr als sechs Wochen, so dass auch eine unverzügliche Reaktion auf den Datenschutzverstoß seitens der Beklagten nicht festgestellt werden konnte. Zudem hat die Beweisaufnahme ergeben, dass neue Mitarbeiter der Beklagten nicht im Hinblick auf die Problematik geschult werden, sondern lediglich eine Erklärung abgeben müssen, dass sie die Datenschutzbestimmungen einhalten werden.

Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, wonach diese Maßnahmen nicht ausreichen, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen. Denkbar wären Schulungsmaßnahmen zwecks Sensibilisierung der Mitarbeiter hinsichtlich konkreter Fehlerquellen oder die Vorgabe anderer Kommunikationswege als die direkt über das Portal Xing zugeleitete Nachricht, die ein hohes Risiko der Falschadressierung birgt. Die Berufung greift die Feststellungen des Landgerichts zum Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht an.

Die Wiederholungsgefahr entfällt schließlich auch nicht teilweise im Umfang der abgegebenen Erklärung. Zwar sind - im Falle einer sachlich teilbaren Wiederholungsgefahr - Teilunterwerfungserklärungserklärungen möglich (BGH, Urteil vom 21.6.2005, a.a.O). Dies ist vorliegend jedoch nicht in relevanter Weise gegeben. Denn ein nochmaliges Versenden der gleichen Nachricht, was allein Gegenstand der abgegebenen Unterlassungserklärung ist, steht nicht in Rede. Zwar sind Unterlassungserklärungen der Auslegung zugänglich. Eine Auslegung dahingehend, dass die Beklagte sich strafbewehrt zur Unterlassung jeder künftigen Verletzung der in der Nachricht vom 23.10.2018 gegenständlichen Daten (Nachname, Geschlecht, Umstand der Bewerbung, Gehaltsvorstellung) verpflichtet hat, lässt sich dieser aufgrund des ausdrücklich eng beschränkten Wortlauts jedoch nicht entnehmen. Hiergegen spricht zudem die von der Beklagten nach wie vor vertretenen Auffassung, es liege überhaupt kein Datenschutzverstoß vor und sie dürfe die genannten Daten daher weiterverarbeiten.

Die Geltendmachung des Anspruchs innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach dem Verstoß ist nicht zu beanstanden. Das Abwarten des Bewerbungsprozesses ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der Anspruchsinhaber darf die Durchsetzung seines Rechts zunächst zurückstellen, ohne dass die sich anschließende Geltendmachung als missbräuchlich darstellt. Die Enttäuschung über die Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren mag für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs mitursächlich sein, den Einwand des Rechtsmissbrauchs vermag sie nicht auszulösen.

Im Hinblick auf den zugesprochenen Schadenersatzanspruch hat die Berufung der Beklagten Erfolg, zugleich ist der Anschlussberufung des Klägers der Erfolg zu versagen, da die Zahlungsklage unbegründet ist.

Dem Kläger steht kein Anspruch aus Art. 82 DS-GVO gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Datenverarbeitung zu.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DSGVO.

Die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen nach Auffassung des Senats nicht vor, da es jedenfalls an der Darlegung des Eintritts eines Schadens bei dem Kläger fehlt.

Zwar liegt, wie ausgeführt, ein Verstoß durch Übermittlung von personenbezogenen Daten an einen unbeteiligten Dritten vor. Zudem ist das Landgericht auch richtigerweise zusätzlich von einem Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 DS-GVO ausgegangen und hat ein durch die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten voraussichtlich hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten angenommen. Die Information des Klägers über den Datenschutzverstoß erfolgte nicht unverzüglich, sondern erst auf dessen Nachfrage.

Die Frage, ob bereits der Datenschutzverstoß als solcher für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs ausreicht oder es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (auch: immateriellen) Schadens bedarf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (für ein Ausreichen des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht: z.B. OLG München, Urteil vom 4.2.2019 - 15 U 3688/18 -, juris, Rn. 19 ff., Ehmann/Selmayr/Nemitz, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 82 DS-GVO Rn. 11-13; für das Erfordernis eines nachgewiesenen Schadens z.B. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.02.2021, 17 Sa 37/20, zit. nach juris, Rn. 96, LG Karlsruhe, Urt. v. 02.08.2019, 8 O 26/19, zit. nach juris, Rn. 19, Ernst, juris PR-ITR 1/2021 Anm. 6 in einer Anmerkung zu dem vorliegend angefochtenen Urteil des Landgerichts Darmstadt v. 26.05.2020, 13 O 244/19, m.w.N.). Insbesondere von den Verfechtern eines Anspruchs ohne Nachweis eines konkreten Schadens wird zudem vertreten, dass die Beeinträchtigung über eine bloße Bagatellverletzung hinausgehen muss (vgl. hierzu die Quellenangaben bei Ernst, a.a.O.).

Sowohl der österreichische Oberste Gerichtshof (Vorabentscheidungsersuchen vom 12.05.2021, ZD 2021, S. 631, wobei der Gerichtshof die Auffassung vertritt, es sei der Nachweis eines Schadens erforderlich) als auch das Bundesarbeitsgericht (Vorabentscheidungsersuchen vom 26.08.2021, 8 AZR 253/20-A, wobei das BAG den Nachweis eines Schadens nicht für notwendig hält) haben die hiermit zusammenhängenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Senat folgt im Ergebnis der Auffassung, wonach über den festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften des DS-GVO hinaus Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld der Nachweis eines konkreten (auch immateriellen) Schadens ist. Hierfür spricht zunächst bereits der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, der über den Verstoß hinaus ausdrücklich die Entstehung eins Schadens („...Schaden entstanden ist") voraussetzt (Eichelberger, WRP 2021, 159-167; Wybitul/Brams, ZD 2020, 644-646). Hätte der Verordnungsgeber eine nur an den Rechtsverstoß anknüpfende, vom Nachweis eines konkreten Schadens unabhängige Zahlungspflicht anordnen wollen, hätte es demgegenüber nahegelegen, dies - wie z.B. im Luftverkehrsrecht gem. Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO (EG) 261/2004 - durch Pauschalen zu regeln (Eichelberger, aaO. Rn. 24). In dem Erwägungsgrund 146 S. 3 zu der DS-GVO heißt es zwar, dass der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der Anspruch soll nach Erwägungsgrund 146 S. 6 sicherstellen, dass die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Das schließt ein, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen. Der Begriff des Schadens in Art. 82 DSGVO ist autonom auszulegen, mithin kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Schaden nach nationalem Recht als Schaden angesehen werden könnte (Bergt in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 17; vgl. in diesem Zusammenhang auch: BVerfG 14.1.2021 - 1 BvR 2853/19 - Rn. 20, juris).

Auch hiernach ist der Schaden jedoch nicht mit der zugrundeliegenden Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen. Denn ausdrücklich muss der Schaden „erlitten" werden, woraus folgt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird (LAG Baden-Württemberg, Urte. v. 25.02.2021, 17 Sa 37/20, zit. nach juris, Rn. 96 unter Bezug auf Frenzel in: Paal/Pauly, a.a.O., Art. 82, Rn. 10 und Klein GRUR-Prax 2020, 433). Der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DS-GVO reicht daher nicht aus.

Hinzu kommt schließlich, dass weder Art. 82 DS-GVO noch dessen Erwägungsgründe einen Hinweis darauf enthalten, dass geringfügige (Bagatellschäden) nicht auszugleichen wären; vielmehr sieht Erwägungsgrund 148 Satz 2 vor, dass lediglich ausnahmsweise bei geringfügigen Verstößen auf die Verhängung einer Geldbuße verzichtet werden kann (LAG Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N.).

Das Erfordernis des Nachweises eines tatsächlich erlittenen Schadens ist daher auch der Sache nach erforderlich, um ein vom Verordnungsgeber nicht gewolltes Ausufern von Schadensersatzforderungen in allen Fällen eines - tatsächlich für den Betroffenen folgenlosen - Datenschutzverstoßes zu vermeiden (so insbesondere auch Ernst, a.a.O.).

Das Vorliegen eines konkreten -immateriellen- Schadens, wozu auch Ängste, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen (Bergt in: Kühling/Buchner, DS- GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Rn. 18 b), hat der Kläger nicht dargetan. Der Vortrag in seinem auf einen entsprechenden Hinweis des Senats eingereichten Schriftsatz vom 11.1.2022 (Bl. 326 ff. d. A.) erschöpft sich in der - erneuten- Darlegung des Datenschutzverstoßes. Insofern führt der Kläger an, dass der Schaden nicht in dem bloßen, abstrakten Kontrollverlust über die offenbarten Daten, sondern in der Tatsache liege, dass nunmehr mindestens eine weitere Person, die den Kläger und potentielle wie ehemalige Arbeitgeber kenne, über Umstände Kenntnis habe, die der Diskretion unterlägen. Zudem empfinde der Kläger das „Unterliegen" in den Gehaltsverhandlungen als Schmach, die er nicht an Dritte - vor allem nicht an potentiellen Konkurrenten - weitergegeben hätte.

Nähere Ausführungen zu einem Schaden erfolgen klägerseits nicht. Selbst bei Unterstellung einer „Schmach", vermag der Senat diese nicht als einen immateriellen Schaden zu bewerten. Denn der Kläger hat schon nicht mitgeteilt, welche Größenordnung des Gehaltsrahmens angestrebt, ob die angebotene Summe, die durch variable Anteile ohnehin nicht die Obergrenze bildete und im noch laufenden Bewerbungsverfahren vorläufig war, mit einer Diskreditierung verbunden war.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus dem Gegenstandswert der berechtigt geltend gemachten Unterlassungsansprüche und damit aus der Gebührenstufe bis 15.000,- € zu. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war notwendig, da es sich um schwierige Rechtsfragen handelt, für deren Klärung eine anwaltliche Beratung erforderlich ist. Der Anspruch beläuft sich gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG Nr. 2300 VV RVG auf 1.029,35 €. Da die Anschlussberufung den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 1.025,55 € nicht angreift, hat es bei diesem zu verbleiben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat nicht gehalten, das vorliegende Verfahren auszusetzen und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 2, 1 AEUV über die Auslegung von Art. 15 DS-GVO vorzulegen.

Die hier maßgeblichen Rechtsfragen liegen dem EuGH bereits in anhängigen Verfahren (BAG, EuGH-Vorlage vom 26. August 2021 - 8 AZR 253/20 (A) -, Rn. 33, juris; Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) eingereicht am 12. Mai 2021 - juris) vor. Zudem besteht eine Pflicht zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht, weil das vorliegende Urteil hier nicht als Entscheidung eines Gerichts ergeht, dessen Entscheidungen selbst im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Dem Kläger steht es infolge der diesbezüglich zuzulassenden Revision - dazu unten - frei, die Entscheidung durch den Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen (s. OLG Köln, Urteil vom 26. Juli 2019 - I-20 U 75/18 -, Rn. 328, juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





LAG Berlin-Brandenburg: 2.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter oder unvollständiger Auskunft nach Art. 15 DSGVO

LAG Berlin-Brandenburg
Urteil vom 18.11.2021
10 Sa 443/21

Das LAG Berlin-Brandenburg hat dem Betroffenen in diesem Fall 2.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter bzw. unvollständiger Auskunft nach Art. 15 DSGVO zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung des Klägers ist aber nur teilweise begründet.

Zutreffend hat die Beklagte in der Berufungserwiderung die jeweiligen Prüffragen für den geltend gemachten Anspruch aufgeworfen.

1. Liegt ein Verstoß gegen Art. 15 DSGVO vor?
2. Ist die Beklagte für einen etwaigen Verstoß verantwortlich?
3. Ist beim Kläger ein Schaden entstanden?
4. Gibt es eine Kausalität zwischen einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO und einem etwaigen beim Kläger eingetretenen Schaden?
5. Trifft den Kläger ein etwaiges Mitverschulden bzw. ist der etwaige Anspruch verwirkt oder rechtsmissbräuchlich geltend gemacht?
6. Ist ggf. die geltend gemachte Entschädigungssumme angemessen?

1. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat der Kläger grundsätzlich das Recht, von der Beklagten eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet und ggf. auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und u.a. auf folgende Informationen:

a) die Verarbeitungszwecke;
b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

Diese Informationen hat die Beklagte dem Kläger nur teilweise erteilt.

2. Es mag sein, dass die Beklagte große Mengen Daten über den Kläger verarbeitet hat. Konkrete Angaben dazu hat die Beklagte nicht gemacht. Anders als das Arbeitsgericht meint, ist das in diesem Fall aber auch unerheblich, da der Kläger keine generelle Auskunft hinsichtlich der von der Beklagten über ihn gespeicherten Daten verlangt hat, sondern beschränkt auf zwei Sachverhalte.

2.1 Zum einen ging es um die Anhörung des Betriebsrates und dessen Zustimmung. Durch die Bezugnahme auf Art. 15 DSGVO war aber in jedem Fall klar und eindeutig, dass der Kläger nicht nur um das Anhörungsschreiben der Arbeitgeberin und das Antwortschreiben des Betriebsrates ging, sondern zugleich auch um die in der Vorschrift genannten weiteren Aspekte. Mit der erteilten Auskunft durch Übersendung der beiden Schreiben hat die Beklagte allenfalls die Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchst. c) bis g) hat die Beklagte mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 offensichtlich nicht erfüllt.

Weder hat die Beklagte mitgeteilt, ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Versetzungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Beklagte oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Beklagte nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Kläger erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.

2.2 Zum anderen ging es um die Abmahnung vom 29. Mai 2019. Auch hier hat die Beklagte durch die Übersendung des Antrags des Herrn A auf Erteilung einer Abmahnung und dem sogenannten Logbuch-Eintrag allenfalls die Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchst. c) bis g) hat die Beklagte mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 auch zu diesem Vorgang offensichtlich nicht erfüllt.

Weder hat die Beklagte mitgeteilt, ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Abmahnungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Beklagte oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Beklagte den Kläger nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Kläger erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.

3. Dass diese Informationen fehlen, ist offensichtlich. Denn durch einen einfachen Blick in den Text des Art. 15 Abs. 1 DSGVO hätte die Beklagte feststellen können, was der Kläger von ihr verlangt. Insofern ist die Beklagte auch für die unzureichende Information und damit den Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO verantwortlich.

4. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, liegt bei ihm ein Schaden vor. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 besteht unabhängig von dem Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle bei Verstößen gegen Regelungen der DSGVO ein immaterieller Schadensersatzanspruch. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade ausgehend von Erwägungsgrund 146 Satz 3 zur DSGVO eine weite Auslegung geboten ist, um den Zielen der Verordnung in vollem Umfang zu entsprechen. Hiermit wäre es unvereinbar, würde eine Schadensersatzpflicht nur bei erheblichen Rechtsverstößen eintreten, da dann eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar wäre, in denen Betroffene trotz Verstößen gegen die Regelungen der DSGVO keine Kompensation erhielten. Ferner kann, um die Regelungen der DSGVO effektiv durchzusetzen, auch auf eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes abgestellt werden (vgl. EuGH 17. Dezember 2015 – C-407/14 – Rn. 44). Zudem sollen die betroffenen Personen nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Dass ein Schaden erlitten ist, ergibt sich nicht erst bei Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle - der Schwere der Pflichtverstöße und damit einhergehenden Beeinträchtigungen kann vielmehr effektiv auf Ebene der Höhe des Schadensersatzes begegnet werden.

Indem die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung inhaltlich nicht hinreichend nachgekommen ist, hat der Kläger keine ausreichenden Kenntnisse über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erlangt. Insofern ist ein Kontrollverlust eingetreten und ihm wurde die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten unmöglich gemacht oder erschwert.

5. Die Kausalität zwischen der unzureichenden Auskunft der Beklagten und der Ungewissheit beim Kläger, welche Daten bei der Beklagten bezüglich der zwei konkret benannten Sachverhalte verarbeitet worden sind, liegt auf der Hand. Es bedurfte keines ergänzenden Auskunftsverlangens, da allein der Blick in den Verordnungstext ausreicht, um die Unvollständigkeit der Auskunft zu erkennen.

6. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt oder aus anderem Grunde rechtsmissbräuchlich geltend gemacht worden. Zwar ist es ungewöhnlich, dass der Kläger bereits mit der Klageschrift sein Schreiben vom 22. Juli 2019 und das Antwortschreiben der Beklagten vom 23. August 2019 eingereicht hat, ohne diesbezüglich einen Streitgegenstand hinsichtlich Art. 15 DSGVO zu eröffnen. Dadurch mag ein für die Verwirkung erforderliches Zeitmoment zwischen dem 23. August 2019 und dem 21. Dezember 2020 entstanden sein. Ein darüber hinaus erforderliches Umstandsmoment ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Da sich die beiden Schreiben nicht nur mit Art. 15 DSGVO, sondern auch mit der Rückgängigmachung der Versetzung und der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers beschäftigten, war es für eine vollständige Sachverhaltsdarstellung erforderlich, diese der Klageschrift beizufügen. Denn in der Klageschrift ging es zunächst (nur) um diese beiden Sachverhalte.

Angesichts des offensichtlich nicht vollständig erfüllten Auskunftsanspruchs bedurfte es entgegen der Ansicht der Beklagten auch keines Hinweises des Klägers, dass der Anspruch mit dem Schreiben vom 23. August 2019 nicht erfüllt sei.

7. Dem Kläger ist in Anbetracht der Pflichtverstöße der Beklagten nach richterlichem Ermessen gem. § 287 Abs. 1 ZPO ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 2.000,-- Euro zuzusprechen.

Die Schadensersatzansprüche sollen, worauf auch das LAG Niedersachsen in dem Urteil vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 unter Bezugnahme auf Entscheidungen anderer Gerichte hingewiesen hat, generell eine Abschreckungswirkung haben. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 Satz 6 zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen sollen eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen.

Gemessen an der Zweckrichtung des Schadensersatzes hält die Kammer unter Berücksichtigung und Abwägung der Umstände des vorliegenden Falls einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.000,-- Euro je unvollständig beantwortetem Auskunftsverlangen für angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Auskunft der Beklagten offensichtlich unvollständig erfolgte. Auch nach der Klageerweiterung vom 21. Dezember 2020 hat die Beklagte die Auskunft nicht vervollständigt. Durch die unzureichende Auskunft hatte der Kläger keine umfassende Kenntnis über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Beklagte bei zwei für ihn nachteiligen Sachverhalten (Versetzung und Abmahnung).

Durch einen Schadenersatz von jeweils 1.000,-- EUR wird ausreichend sichergestellt, dass durch die Zahlung eines spürbaren Betrages der Regelung des Art. 15 DSGVO zur Geltung verholfen wird und die Verpflichteten angehalten werden, die entsprechenden Maßgaben einzuhalten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hannover: 5.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigtem Negativeintrag in Auskunftei

LG Hannover
Urteil vom 14.02.2022
13 O 129/21


Das LG Hannover hat entschieden, dass dem Betroffenen 5.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen eines unberechtigten Negativeintrags in einer Auskunftei zusteht. Der Betroffene hatte den Betreiber der Auskunftei verklagt.

Aus den Entscheidungsgründen:

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Hannover örtlich gemäß § 44 Abs. 1 BDSG zuständig.

B. Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 5.000,00 € (nachfolgend zu 1.) nebst Verzugszinsen (nachfolgend zu 2.) sowie im Hinblick auf die Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 282,15 € (nachfolgend zu 3.) begründet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen (nachfolgend zu 4.).

Im Einzelnen:

1. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO verlangen.

a. Die von der Telekom veranlassten Negativeinträge vom 10.01.2018 haben den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Eine nicht von den Bestimmungen des zum Zeitpunkt des Negativeintrags insoweit noch maßgeblichen § 28a BDSG (Art 6 Abs. 1 Buchst, f DSGVO (i.V.m. § 31 BDSG n.F.) gilt gern, deren Art. 99 Abs. 2 ab dem 25.05.2018) gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB Schutz genießt (BGH, Urteil vom 07.07.1983- III ZR 159/82-, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2014- 1-16 U 7/14-, Rn. 5, juris). Nach §4 Abs. 1 BDSG a.F. ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung hat der Kläger nicht erteilt. Deswegen ist die Übermittlung der Daten aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Telekom an die Beklagte an § 28a BDSG a.F. zu messen. Vorliegend scheitert deren Zulässigkeit schon an der Voraussetzung des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) BDSG a.F., weil sich nicht feststellen lässt, dass die Telekom den Kläger mindestens zweimal schriftlich gemahnt hat.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten trägt grundsätzlich die übermittelnde Stelle (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21.10.2014 - 1-15 U 107/14-, Rn. 59, juris; OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 5; LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020- 9 O 145/19-, Rn. 31, 47) resp. vorliegend die Beklagte als die die Daten verarbeitende Stelle i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf die Mahnungen als ihr günstige - weil sie zur Aufnahme des Negativeintrags in ihre Auskunftei berechtigende - Tatsache und trägt damit auch nach allgemeinen Grundsätzen die Last des Beweises (vgl. Arnold in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 130 BGB, Rn. 33).

Soweit die Telekom Mahnungen an den Kläger unter dessen seinerzeit für ihn nicht mehr aktuelle Anschrift (nur noch) seiner Eltern gesandt hat, lässt sich deren Zugang beim Kläger unabhängig davon nicht feststellen, ob diese den Eltern des Klägers zugegangen sind. Der Kläger mag durch sein Verhalten, seine neue Adresse nicht an seine Vertragspartner mitgeteilt zu haben, eine Ursache dafür gesetzt haben, dass ihn die an ihn gerichtete Post und damit auch die Mahnungen nicht erreicht haben. Das ändert aber nichts daran, dass sich ein Zugang beim Kläger nicht feststellen lässt und ist für die Frage der Zulässigkeit der Datenverarbeitung zunächst ohne Belang. Nach dem Sinn und Zweck der in § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) bis c) BDSG aufgestellten Erfordernisse reicht eine bloße Versendung von Mahnungen nicht aus; vielmehr ist grundsätzlich ein Zugang beim Betroffenen erforderlich, um die beabsichtigte Warnfunktion zu erfüllen und diesem so entweder einen Ausgleich der Forderung zu ermöglichen oder ihn in die Lage zu versetzen, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben (vgl. BR-Drs. 548/08, S. 25 f.); dabei obliegt auch allein dem Absender der Nachweis eines Zugangs von ihm versandter Schreiben, der das durch es ein geeignetes Versandverfahren sicher stellen könnte; das wäre im Hinblick auf die Folgen einer negativen Eintragung im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit des Betroffenen auch ohne weiteres zumutbar und der Mahnende trägt das Risiko, wenn er sich so der Möglichkeit des Nachweises begibt; auch ein Anscheinsbeweis greift insofern grundsätzlich nicht ein, weil es vielfache Ursache dafür geben kann, dass ein Schreiben den Empfänger nicht erreicht (vgl. OLG Köln, a.a.O., Rn. 59, juris).

b. Die Beklagte hat gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO durch die nicht im Sinne der Vorschrift rechtmäßige Datenverarbeitung verstoßen, weil diese gemessen an §§ 28a Abs. 1 Nr. 4 Buchst, a), 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. bzw. § 31 Abs. 2 Nr. 4 Buchst, a) BDSG n.F. (auch wenn diese Neufassung nicht mehr die Übermittlungsvoraussetzungen definiert, sondern nur Anforderungen an den Datenkranz, der für die Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten verwendet werden darf, so werden dadurch die Übermittlungsvoraussetzungen doch zumindest mittelbar bestimmt und in gewisserWeise durch den Gesetzgeber fortgeschrieben, vgl. Kamlah in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, §31 BDSG, Rn. 49) mangels (nachgewiesener) Mahnungen des Klägers durch die Telekom nicht rechtmäßig war.

c. Soweit der Kläger mithin in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt ist, bedarf es keiner Feststellung, dass es sich dabei um eine schwerwiegende handelt.

Anders als für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nach §§ 823 Abs. 1, 249, 253 BGB, Art 1 und 2 GG wird eine solche von Art. 82 GG nicht vorausgesetzt (vgl. (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 38. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 32; Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 13; LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 - 324 S 9/19 -, Rn. 34, juris; LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 55, juris).

d. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.

Ein solches Verschulden ist - wie nach Auffassung der Kammer schon Art. 82 Abs. 3 DSGVO zeigt - auch im Rahmen einer Haftung nach Art. 82 DSGVO erforderlich und wird zunächst mit der Möglichkeit einer Exkulpation vermutet (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 - 9 U 34/21 -, Rn. 43, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 02.08.2019- 8 O 26/19-, Rn. 15, juris; Gola DS-GVO, a.a.O., Rn. 9; BeckOK DatenschutzR, a.a.O., Rn. 17; a.A. wohl: BAG, EuGH-Vorlage vom 26.08.2021 - 8 AZR 253/20 (A) -, Rn. 39, juris).

Daran gemessen traf die Beklagte zunächst nicht der Vorwurf eines schulhaften Verhaltens, weil ihr die Prüfung der Voraussetzung der Übermittlung in § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) BDSG a.F. zunächst nicht oblag (vgl. LG Stuttgart Urt. v. 15.05.2002 - 21 O 97/01, BeckRS 2002, 31212889, beck-online). Die Beklagte musste mithin nicht ohne irgendeinen Anhaltspunkt überprüfen, ob der Kläger nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung der Telekom mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden war, sondern durfte sich vielmehr darauf verlassen, dass die Telekom als übermittelnde Stelle das getan hatte.

Die Beklagte hatte dann aber Anlass zur Prüfung dieser Frage, nachdem ihr der Kläger im April 2019 mitgeteilt hatte, dass er nicht gemahnt worden sei, die Voraussetzungen für die Negativeinträge also - jedenfalls aus seiner Sicht - nicht Vorlagen. Soweit sie mangels der Kenntnis der Problematik der Mahnungen und ihres Zugangs beim Kläger deswegen bis dahin i.S.v. Art. 82 Abs. 3 DSGVO exkulpiert war und (noch) nicht schuldhaft handelte, gelingt ihr das für die Zeit ab April 2019 nicht mehr und das Verschulden der Beklagten seitdem ist zu vermuten. Die Beklagte hatte ab April 2019 Anlass, die Frage der Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die ihr obliegende Sorgfalt hätte das auch erfordert und die Beklagte handelte seitdem mindestens fahrlässig, solange sie das nicht tat.

e. Der Kläger hat auch einen immateriellen Schaden erlitten.

Es kann dahinstehen, ob auch unter Berücksichtigung des weiten Schadensbegriffs (vgl. Erwägungsgrund 146) nicht bereits jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einer Ausgleichspflicht führt, weil der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen muss (LG Hamburg, a.a.O.-, Rn. 33 f., juris). Denn jedenfalls eine in einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden "Bloßstellung" stellt eine solche dar (vgl. LG Hamburg, a.a.O.; LG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19, juris; LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 55; Ehmann/Selmayr/Nemitz, DS-GVO, 2. Auflage, Art. 82 Rn. 13).

Die Beklagte hat daran gemessen, die mit den Negativeinträgen verbundenen Daten ihren Vertragspartnern zum Abruf bereit- und schon dadurch den Kläger "bloßgestellt". Bei der Beklagten handelt es sich um eine Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, ein Warnsystem der Kreditwirtschaft, dessen Aufgabe es ist, ihren Vertragspartnern Informationen zur Verfügung zu stellen, um sie vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2015- 1-16 U 41/14-, Rn. 28, juris). Innerhalb dieses Systems hat die Beklagte die Daten nicht nur zur Verfügung gestellt, sie wurden ausweislich der Auskunft vom 04.03.2021 auch mehrfach und sowohl im Kontext privater Anfragen als auch bezogen auf die Tätigkeit des Klägers als Inhaber einer Physiotherapiepraxis abgerufen. Darauf, ob die Negativeinträge auch dazu führten, dass dem Kläger kein Kredit oder ein solcher zu anderen (schlechteren) Bedingungen gewährt wurde als er ohne die Einträge gewährt worden wäre, kommt es indes für den immateriellen Ersatzanspruch nicht an.

f. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigt und erfordert die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 €.

aa. Für den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gelten die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten allgemeinen Grundsätze (BeckOK DatenschutzR/Quaas, a.a.O., Rn. 31; Gola DS-GVO, a.a.O., Rn. 9). Deswegen kann auch das Mitverschulden des Betroffenen analog § 254 BGB bei der Bemessung der Schadensersatzhöhe zu berücksichtigen sein (vgl. BeckOK DatenschutzR/Quaas, a.a.O., Rn. 28; Ehmann/Selmayr/Nemitz, a.a.O., Rn. 15; a.A. wohl Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82; BAG, a.a.O.).

bb. Vorliegend rechtfertigt der Verstoß der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 €.

(1) Die Daten zur Bonität des Klägers sind schützenswerte und sensible Daten, die sowohl seine berufliche Tätigkeit als auch seine Kreditwürdigkeit im privaten Rahmen betreffen. Sie können maßgeblichen negativen Einfluss auf die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr in diesen Bereichen haben, indem Kredite versagt oder vom Kläger angestrebte Verträge mit ihm nicht abgeschlossen werden. Dass die Beklagte als Warnsystem der Kreditwirtschaft mit ihren Auskünften und dem ersichtlich zu diesem Zweck und auf der Grundlage der Einträge ja errechneten Basisscore (der -wenn auch die Algorithmen zu dessen Bildung nicht bekannt sind und der Wert damit nicht nachvollziehbar ist - sich am 25.04.2019 auf 55,2% (vgl. Anlage Kl), am 04.03.2021 auf 69,56 € (vgl. Anlage K7) und am 07.09.2021 und mithin nach Löschung der Negativeinträge auf 91,79% belief) auf derartiges keinen Einfluss ausübt, wird man nicht ernsthaft annehmen können. Dieser Einfluss - ohne dass es im Rahmen eines immateriellen Anspruchs der konkreten Feststellung der materiellen Nachteile bedarf - ist auch von einigem Gewicht; zutreffend weist das LG Lüneburg darauf hin, dass dadurch mittelbar Grundrechte wie die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt werden können (LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 58).

(2) Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind die Negativeinträge sind April 2019 bis zur Löschung wohl kurz nach dem 04.03.2021 zu berücksichtigen und hatten damit ungefähr zwei Jahre Bestand.

(3) Sie fielen auch in einen Zeitraum, der aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin für am Wirtschaftsleben Teilnehmende mit großen wirtschaftlichen Risiken und Probleme verbunden war, der Kläger war damit für die Folgen der Negativauskünfte in besonderem Maße anfällig.

(4) Weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwar einerseits zunächst kein erhebliches Verschulden traf, mit zunehmender Dauer des rechtswidrigen Zustandes ab den ersten Hinweisen durch den Kläger im April 2019 über die Klageerhebung im Mai 2020 ihr die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Handelns hätten immer stärker hätten aufkommen müssen. Das gilt ganz besonders für die Zeit nach Erlass des Anerkenntnisurteils vom 25.01.2021 und dem Umstand, dass die Negativeinträge auch am 04.03.2021 noch gespeichert waren.

(5) Gleichermaßen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger eine zu den Negativeinträgen führende Ursache selbst gesetzt hat. Dadurch, dass er der Telekom die Änderung seiner Adresse nicht mitgeteilt hat, hat er ihr die Möglichkeit genommen, ihn mit ihren Mahnungen auf dem zwar im Hinblick auf den Nachweis des Zugangs riskanten, aber immerhin ganz üblichen Versandweg eines einfachen Briefs auch zu erreichen. Das Verhalten des Klägers nach Kenntnis von den Rückständen lässt vermuten, dass es dann sogleich zum Ausgleich der Forderungen der Telekom gekommen wäre und die Negativeinträge nicht lanciert worden wären.

cc. Nach alledem ist-wie geschehen - ein einheitliches Schmerzensgeld zu bilden.

Die vom Kläger vorgenommene Berechnung nach Zeitabschnitten ist mithin nicht vorzunehmen. Soweit eine Bemessung eines Schmerzensgeldes nach (zwei) Zeitabschnitten ausnahmsweise dann vorgenommen werden kann, wenn es einerseits um die Zahlung von Kapital und andererseits um Rente geht (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1976 - VI ZR 216/74 -, juris), kommt eine solche im Übrigen und insbesondere bei einer Zahlung (nur) von Kapital nicht in Betracht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.02.2000 - 9 U 204/99 -, Rn. 17, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.04.2020 -15 W 18/20 -, Rn. 17 -18, juris; jeweils m.w.N.).

2. Der Kläger kann Verzugszinsen ab dem 10.04.2019 aufgrund des ablehnenden Schreibens der Beklagten vom 09.04.2019 gern. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB verlangen, wobei entsprechend § 187 Abs. 1 BGB die Verzinsung erst an dem auf den Verzugseintritt folgenden Tag beginnt (vgl. Staudinger/Repgen (2019) BGB § 187, Rn. 5; Grünberg-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl., Rn. 1 zu § 187 m.w.N.).

3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Freistellung der zur Rechts Verfolgung erforderlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Bei einem Gegenstandswert von 5.000,00 € (maßgeblich ist der berechtigte Teils der außergerichtlich geltend gemachten Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2017 -VI ZR 465/16 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 12.12.2017 - VI ZR 611/16 -, Rn. 5, juris)) belaufen sich diese nach §§13 Abs. 1, i.V.m. Nrn. 2300, 7002, 7008 VV RVG auf die angemessene 1,3 Geschäftsgebühren nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer unter Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr gern. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG, § 15a RVG, mithin auf (217,10 € + 20,00 € + 45,05 € =) 282,15 €.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Leipzig: Kein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei verspäteter Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

LG Leipzig
Urteil vom 23.12.2021
03 O 1268/21


Das LG Leipzig hat entschieden, dass regelmäßig kein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei verspäteter Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

9. Der Schmerzensgeldanspruch der Beklagten war demgegenüber im Ergebnis nicht zuzusprechen.

Soweit zwischenzeitlich mit Verfügung vom 4.11.2021 eine abweichende Ansicht vertreten wurde, wird hieran nicht festgehalten. Auf diese Möglichkeit wurde im Termin zur Vermeidung eines Überraschungsurteils ausdrücklich hingewiesen.

Nach Art. 82 Abs. 1 DS - GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS - GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter. Auszugleichen sind hiernach ausdrücklich auch immaterielle Schäden.

In der Literatur wird unter Geltung der DS - GVO überwiegend für eine Absenkung der Voraussetzungen für die Gewährung immateriellen Schadensersatzes und für eine Verschärfung der Haftung mit deutlich höheren Beträgen gegenüber den bisherigen plädiert. Dies folge aus dem weiten Schadensbegriff der DS - GVO sowie daraus, dass der EuGH bei der Wahl zivilrechtlicher Sanktionen zur Umsetzung von Unionsrecht generell eine abschreckende Wirkung verlange. Insbesondere dürfe der zugesprochene Schadensersatz nicht nur symbolisch sein. Auch dürfe die Gewährung immateriellen Schadensersatzes nicht mehr von einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung abhängig gemacht werden. Die abschreckende Wirkung zivilrechtlicher Sanktionen sei nur zu erreichen, wenn entsprechend hohe Beträge ausgeurteilt würden (vgl. hierzu die Nachweise bei Eichelberger, WRP 2021, 159 ff.).

Hiervon unabhängig kann als gesichert gelten, dass das Unionsrecht die Mitgliedsstaaten grundsätzlich nicht zu überkompensatorischem Schadensersatz verpflichtet.

Allein der Verstoß gegen die DS - GVO reicht für sich genommen noch nicht aus, einen Schadensersatzanspruch auszulösen.

Ohne Schaden gibt es keinen Schadensersatzanspruch (vgl. hierzu Eichelberger a.a.O.). Vielmehr muss dem von einem Datenschutzverstoß Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein. Es muss eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte, Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen vorliegen. Die Beeinträchtigung muss von einer gewissen Erheblichkeit sein.

Einen normativen Anknüpfungspunkt hierzu gibt die DS - GVO in ihren Erwägungsgründen 75 und 85. Im Anschluss an die beispielhafte Aufzählung möglicher - hier nicht geltend gemachter - Beeinträchtigungen durch Datenschutzverletzungen (Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder - betrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von einem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten) ist dort ergänzend allgemein von anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen die Rede (vgl. hierzu Eichelberger a.a.O.).

Demzufolge kann die Beklagte keine Entschädigung für eine verspätete Datenauskunft sowie für die bislang noch nicht vollständig erteilte Datenauskunft von der Klägerin beanspruchen.

Allein der Umstand, dass die Beklagte auf die (vollständige) Datenauskunft noch warten muss, kann keinen ersatzfähigen Schaden begründen.

Es muss auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Anderenfalls scheidet ein Schaden schon begrifflich aus (so auch LG Bonn, Urteil vom 01.07.2021, Az.: 15 O 372/20).

Die im Erwägungsgrund 75 der DS - GVO genannten immateriellen Nachteile, wie eine Diskriminierung, ein Identitätsdiebstahl, ein Identitätsbetrug, eine Rufschädigung, ein Verlust der Vertraulichkeit oder sonstige gesellschaftliche Nachteile sind der Beklagten durch die Führung der Handakten durch die von ihr beauftragten Rechtsanwälte in den familiengerichtlichen Verfahren unstreitig nicht erwachsen.

Demzufolge scheidet auch die Zusprechung eines Schmerzensgeldes im Streitfall für die bislang nicht erteilte Datenauskunft nach Art. 15 Abs. 3 DS - GVO aus.

Für diese Erkenntnis bedurfte es keiner Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Zum einen entscheidet die Kammer nicht als letztinstanzliches, sondern als erstinstanzliches Gericht, wonach eine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH nicht besteht.

Zum anderen stützt die Kammer ihr Verständnis von der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DS - GVO auf den Erwägungsgrund 75 der DS - GVO, mithin auf die europarechtliche Norm selbst. Unabhängig hiervon erscheint es nicht zielführend, dass jedes Instanzgericht bei Entscheidungen auf der Grundlage der DS - GVO den EuGH mit einem Vorabentscheidungsersuchen bemüht. Sinnvoller erscheint es, dass das letztinstanzliche nationale Gericht die Entscheidung der Instanzgerichte zu Art. 82 Abs. 1 DS - GVO sammelt und in deren Auswertung darüber befindet, ob und wenn ja mit welchen Vorlagefragen es den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bemüht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Mainz: Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigtem Schufa-Eintrag

LG Mainz
Urteil vom 12.11.2021
3 O 12/20


Das LG Mainz hat in diesem Fall Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen eines unberechtigten Schufa-Eintrags zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf den Klageantrag zu 4. sind dem Kläger 5.000,- € zuzusprechen.

Der Antrag ist dahin gehend zu verstehen, dass lediglich die Beklagte (im Singular), nicht die Beklagten (im Plural) zu verurteilen sind. Soweit der Antrag auf die Verurteilung mehrerer Beklagter gerichtet ist, handelt es sich angesichts des Umstandes, dass im Verfahren immer nur eine Beklagte in Anspruch genommen worden ist, um ein offenkundiges Schreibversehen.

Die Beklagte hat dem Kläger Schadenersatz zu leisten in Höhe von 5.000,- €. Soweit der Kläger darüber hinaus Schadenersatz in Höhe von insgesamt 10.000,- € geltend macht, ist die Klage unbegründet, weil weder ein erstattungsfähiger materieller Schaden hinreichend dargelegt und bewiesen ist, noch der festzustellende immaterielle Schaden einen Ersatzanspruch von mehr als 5.000,- € rechtfertigt.

a. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadenersatz ist in Höhe von 5.000,- € aus Art. 82 DSGVO begründet.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist.

Die Ersteinmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG vom 16.07.2019 war ein "Verstoß gegen diese Verordnung“ im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach Erwägungsgrund 146 genügt entgegen dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch ein Verstoß gegen die erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte sowie präzisierenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten (so ausdrücklich Erwägungsgrund 146 zur DSGVO; vgl. ferner Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rın. 15; Ehrmann/Selmayr DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 9), so dass es nicht darauf ankommt, ob sich vorliegend die Unzulässigkeit der Ersteinmeldung aus der DSGVO selbst oder aus den präzisierenden Rechtsvorschriften des nationalen Rechts ergibt. Dass die Einmeldung als solche rechtswidrig war, ist bereits festgestellt worden.

Es ist der Beklagten auch nicht gelungen, im Sinne des Art. 82 Abs. 3 DSGVO nachzuweisen, dass sie in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. „Verantwortung“ meint hier das Verschulden im Sinne der deutschen Rechtsterminologie, nicht die datenschutzrechtliche Verantwortung (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art 82 DSGVO Rn. 17). Ausreichend ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit (Ehrmann/Selmayer, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 14). Das Verschulden wird nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 82 Abs. 3 DSGVO vermutet (Beweislastumkehr, Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art 82 DSGVO Rn 17; Ehrmann/Selmayr DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 4, 19). Die mithin zur Meidung einer Haftung erforderliche Exkulpation ist der Beklagten nicht gelungen. Sie hatte keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob der Mahnbescheid dem Kläger wirksam zugestellt oder dem Kläger sonst in der gebotenen Weise rechtliches Gehör gewährt worden war, ob ihm etwa die Mahnschreiben der Beklagten einschließlich insbesondere der Ankündigung, ggf. die Forderung an die SCH. Holding AG zu melden, tatsächlich zugegangen waren. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten nur erfüllt, wenn sie vorsorglich zusätzlich eine kurze Karenzfrist nach Erlass des Titels abgewartet hätte.

Der Kläger hat durch die Ersteinmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG vom 16.07.2019 zwar keinen von ihm bezifferten materiellen Schaden erlitten. Er behauptet, er habe aufgrund des Negativeintrages „massive wirtschaftliche Konsequenzen und Nachteile, die bis jetzt andauerten“, ohne konkret darzutun, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang es über eine bloße Vermögensgefährdung hinaus zu einer konkreten Vermögensbeeinträchtigung gekommen sein soll.

Der Kläger hat jedoch einen nach Art. 82 DSGVO gleichfalls ersatzfähigen immateriellen Schaden erlitten. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch für immaterielle Schäden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist eine benennbare und tatsächliche Persönlichkeitsverletzung. Die in der bisherigen deutschen Rechtsprechung für Schmerzensgeld geforderte Voraussetzung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung verträgt sich hingegen nicht mit Art. 82 Abs. 2 DSGVO; sie ist weder vorgesehen noch von dessen Ziel und Entstehungsgeschichte gedeckt, der Anspruch ist hiervon grundsätzlich unabhängig. Die schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung kann vor diesem Hintergrund auch nicht als untere Grenze einer Schmerzensgeldhöhe wieder eingelesen werden. Vielmehr ist der immaterielle Schaden umfassend zu ersetzen. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung wird regelmäßig zu einem hohen Schmerzensgeld führen (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rn. 32). Mit dieser Einschränkung gelten für den immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 2 DSGVO die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach 8 287 ZPO (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rn. 31). Bei der Bemessung des „vollständigen und wirksamen Schadenersatzes für den erlittenen Schaden“ (Erwägungsgrund 146 zur DSGVO) ist auch die Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion des Anspruchs aus Art. 82 DSGVO zu berücksichtigen.

Der Kläger hat plausibel und im Kern unbestritten dargelegt, durch den SCH.-Eintrag eine massive Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens im Sinne der Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit durch Dritte erlitten zu haben. Die Beklagte hat lediglich die weitere Behauptung des Klägers in Abrede gestellt, die konkret in Rede stehende Einmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG sei auch ursächlich dafür gewesen, dass dem Kläger Kreditkarten gesperrt worden seien und dass seineImmobilienfinanzierung gefährdet gewesen sei. Für diese damitverbundene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erachtet die Kammereinen Schadenersatzanspruch von 5.000,- € als angemessen, aber auch ausreichend.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LAG Hannover: 1.250 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für verspätete Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO - keine Erheblichkeitsschwelle für Anspruch

LAG Hannover
Urteil vom 22.10.2021
16 Sa 761/20


Das LAG Hannover hat in diesem Fall einem Arbeitnehmer im Rahmen einer Kündigungsschutzklage 1.250 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für eine verspätete Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO zugesprochen. Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass ein solcher Anspruch nicht das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle voraussetzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens folgt aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO. Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Diese Voraussetzungen liegen vor.

(1) Der Kläger ist anspruchsberechtigt. Er gehört zu den von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO geschützten betroffenen Personen iSv. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO als diejenige Person, auf die sich die Daten beziehen, welche verarbeitet werden (vgl. EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 3). Vorliegend geht es um die Datenverarbeitung in Bezug auf den Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten und iZm. der sog. „Dieselaffäre“. Insoweit ist der Kläger eine betroffene Person.

(2) Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet. Gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO haftet jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Hierunter zu fassen sind die Verantwortlichen nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 6). Dies ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Danach ist die Beklagte als juristische Person und Arbeitgeberin des Klägers Verantwortliche, da sie die personenbezogenen Daten verarbeitet.

(3) Ein Verstoß gegen diese Verordnung iSd. § 82 Abs. 1 DS-GVO ist gegeben. Hierbei ist jeglicher Verstoß gegen eine Vorschrift der DS-GVO einschließlich der Formvorschriften ausreichend (hM - vgl. EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 10; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 23; Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 8, jeweils mwN).

(a) Ein solcher ist jedoch nicht in der möglicherweise fehlerhaften Auskunftserteilung im Jahr 2016 und der Übermittlung der Personalakte Ende des Jahres 2016 und weiterer Unterlagen an unterschiedliche Stellen in den USA vor dem 25.05.2018 zu erblicken.

(aa) Zwar tritt die DS-GVO gem. Art. 99 Abs. 1 DS-GVO am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. In Anbetracht der am 04.05.2016 erfolgten Veröffentlichung war dies der 25.05.2016. Sie gilt nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO jedoch ab dem 25.05.2018. Die DS-GVO ist im Übergangszeitraum aber noch nicht anwendbar und datenverarbeitende Stellen (Verantwortliche und Auftragsverarbeiter) oder Betroffene können sich noch nicht auf sie berufen. Die Artikel der DS-GVO beanspruchen erst ab dem 25.5.2018 Gültigkeit (Gola DS-GVO/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 99 Rn. 5).

(bb) Vor diesem Hintergrund sind etwaige datenschutzrechtliche Verstöße der Beklagten, die vor dem 25.05.2018 erfolgten, nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu begründen. Es handelte sich bei der Übertragung der Personalakte und weiterer Unterlagen und der ggf. unzureichenden bzw. fehlerhaften Beantwortung des Auskunftsbegehrens des Klägers auch um bereits abgeschlossene Handlungen der Beklagten. Diese Pflichtverletzungen wirken nicht fort, sind daher nicht seit dem 25.05.2018 auf Grundlage der Vorschriften der DS-GVO zu beurteilen und können zu keinen kausalen Schäden iSd. Art. 82 DS-GVO führen. Die Datenübermittlung ist ein Akt, der sich in der Weitergabe der Daten erschöpft. Das Verbleiben der Daten bei der Stelle, an welche die Übermittlung erfolgte, ist nicht mehr zu der Übermittlung selbst zu zählen, sondern eine Folge davon. Auch die Beantwortung des Auskunftsbegehrens ist abgeschlossen, indem die Beklagte entsprechende Mitteilungen tätigte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Rechtsverstoß bei einer Datenverarbeitung vor dem Geltungszeitpunkt der DS-GVO die fortgesetzte Datenverarbeitung „infiziert“ und zu einem Schadensersatzanspruch führt (LAG Baden-Württemberg 25. Februar 2021 – 17 Sa 37/20 – Rn. 85; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82).

(b) Die Beklagte hat ihre Pflichten iZm. dem Auskunftsersuchen des Klägers nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO verletzt. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO besteht auch in einem Arbeitsrechtsverhältnis. Die allgemeinen Bestimmungen der DS-GVO enthalten eine Vollregelung, auch zum Beschäftigtendatenschutz (LAG Baden-Württemberg 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18 – Rn. 172). Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf bestimmte, in der Norm aufgezählte Informationen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.08.2018 ein solches Auskunftsbegehren gegenüber der Beklagten geltend gemacht und dieses auf die Daten, die bezüglich des Klägers im Zusammenhang mit der „vermeintlichen Diesel-Affäre“ gespeichert sind, beschränkt. Mit Schreiben vom 27.09.2018 hat er dieses Begehren konkretisiert. Dieses Auskunftsverlangen ist mit Schreiben der Beklagten vom 15.10.2018 nur unvollständig beantwortet worden.

(aa) Der Umfang der Auskunft wird nicht einheitlich beurteilt.

Gemäß Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 DS-GVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19 – Rn. 22 mit Verweis auf EuGH 20. Dezember 2017 – C-434/16). Der Personenbezug im Rahmen von Art. 15 DS GVO setzt nicht voraus, dass es um „signifikante biografische Informationen“ gehe, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stünden (BGH 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19 – Rn. 22). Die umfasst auch Korrespondenzen mit Dritten sowie interne Vermerke oder interne Kommunikation, soweit auf die Person des Klägers bezogene Daten enthalten sind (BGH 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19 – Rn. 26, 27). Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizieren oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf (OLG Köln 26. Juli 2019 – 20 U 75/18 – Rn. 62).Rechtliche Analysen können zwar personenbezogene Daten enthalten, die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst stellt aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum dar(BGH 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19 – Rn. 28 mit Verweis auf EuGH 17. Juli 2014 – C-141/12 und C-372/12 – Rn. 39 ff.).

Nach anderer Ansicht bezieht sich der Auskunftsanspruch aber nicht auf sämtliche internen Vorgänge der Beklagten, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann. Der Anspruch aus Art. 15 DS-GVO dient nicht der vereinfachten Buchführung des Betroffenen, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen kann (LG Köln 19. Juni 2019 – 26 S 13/18 – Rn. 23).

Die Kammer folgt der Ansicht, wonach die Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO einem weitreichenden Verständnis unterliegt. Der Wortlaut der Norm gibt keinen Anlass, eine Einschränkung vorzunehmen. Vielmehr bezieht sich die Vorschrift uneingeschränkt auf personenbezogene Daten. Auch Erwägungsgrund 63 Satz 1 verweist umfassend auf ein Auskunftsrecht hinsichtlich der personenbezogenen Daten mit dem Zweck, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Insoweit ist auf die Definition in Art. 4 Ziff. 1 DS-GVO abzustellen, wonach es sich bei den personenbezogenen Daten um alle Informationen handelt, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nur bei einem weiten Verständnis der personenbezogenen Daten ist es der betroffenen Person möglich, zweckentsprechend die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu überprüfen.

(bb) Dementsprechend wurde durch die Beklagte keine umfassende Auskunft erteilt, da sie keine abstrakte Zusammenstellung aller verarbeiteten, personenbezogenen Daten des Klägers enthält. Die Beklagte verwies in ihrem Schreiben vom 15.10.2018 auf die in der Anlage 2 übermittelten, teils unkenntlich gemachten Dokumente, die Gegenstand der Auflistung der Anlage 3 sind. Sie verwies weiter darauf, dass darüber hinausgehend Dokumente existieren, die wegen Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nicht als Kopien in Anlage 2 enthalten sind. Diese wurden dementsprechend auch nicht aufgelistet. Ferner wurden nach Mitteilung in der Auskunft keine Dokumente beigefügt, in denen die relevanten Informationen weiterverwendet wurden – bspw. in Bewertungen der Rechtsabteilung. Insofern ist erkennbar, dass die Auskunft sich nicht auf alle relevanten Informationen erstreckte, da die Beklagte schon nicht mitteilte, in welchen weiteren Dokumenten personenbezogene Daten des Klägers enthalten sind, die weder aufgelistet waren noch beigefügt. Die Beklagte selbst trägt vor, dass Informationen aufgrund eines überwiegenden Interesses Dritter nicht beauskunftet werden konnten.

(cc) Dass die Beklagte zu einer eingeschränkten Auskunft berechtigt war, ergibt sich aus ihren Darlegungen nicht hinreichend. Die Beklagte beruft sich insoweit auf entgegenstehende Rechte und Freiheiten anderer Personen - auch der Beklagten selbst - und den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

(aaa) Nach § 34 Abs. 1 BDSG iVm. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen.

Nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO darf das Recht auf Erhalt einer Kopie die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Ob sich Art. 15 Abs. 4 DS-GVO allein auf die Herausgabe von Kopien bezieht oder auch den aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO folgenden Auskunftsanspruch umfasst (so: Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 41; Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art. 15 Rn. 22), kann dahingestellt bleiben, auch wenn grds. auch der Verantwortliche selbst dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO unterfällt (vgl. Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 42).

Bezüglich beider Vorschriften ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen vorliegen.

(bbb) Dass die Beklagte berechtigt war, die entsprechenden Auskünfte zu verweigern, hat sie nicht hinreichend vorgetragen.

(aaaa) Inwieweit tatsächlich fremde Rechte der reinen Informationserteilung entgegenstehen können (was von Erwägungsgrund 63 zumindest angedeutet wird), ist in Ansehung des vorbehaltlos gewährleisteten Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh in jedem Einzelfall und nach strengen Maßstäben kritisch zu prüfen (Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15). Soweit die Verpflichtete mit dem Hinweis auf schützenswerte Interessen Dritter den Auskunftsanspruch verweigert, ist sie für die maßgeblichen Umstände in der Darlegungslast (vgl. LAG Baden-Württemberg 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18 – Rn. 183; LAG Baden-Württemberg 17. März 2021 – 21 Sa 43/20 – Rn. 32). Gegenläufige Rechte und Freiheiten schließen das Recht auf eine Datenkopie allerdings nur in einer konkreten Kollisionslage aus, für die der Verantwortliche die Beweislast trägt. Die stets begründbare allgemeine Besorgnis, dass die betroffene Person mit hinreichendem Zusatzwissen aus der Datenkopie auf sensible Informationen schließen könnte, reicht nicht aus (Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15). Bei der Darlegung im Prozess wird verlangt, dass dafür Sorge getragen werden müsse, dass die Darlegungen nicht so weit gehen müssen, als dass aus der Darstellung des Hinderungsgrundes für den Arbeitnehmer die gewünschten Informationen zu entnehmen sind (Fuhlrott, NZA-RR 2019, 242 (252)).

(bbbb) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht, ein die Einschränkungen hinreichend begründender Tatsachenvortrag ist nicht erfolgt. Die Beklagte hat pauschal vorgetragen, dass Daten oder Informationen wegen der Beschränkungen des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO zurückgehalten wurden, dass eine Auskunft über die Verarbeitung durch die Rechts- und Compliance-Abteilungen in Form der rechtlichen Bewertungen, Analysen, Gutachten und Vermerke nicht erfolgte. Zudem sei ein Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch über § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG gerechtfertigt und auch ihre eigenen Rechte seien im Rahmen des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO zu berücksichtigen und vor diesem Hintergrund sei ein Zurückhalten der Daten gerechtfertigt. Schließlich machte die Beklagte eine Einschränkung im Hinblick auf das arbeitsgerichtliche Verfahren zwischen den Parteien geltend.

Dieser Vortrag ist in der vorgenommenen Pauschalität jedoch nicht nachprüfbar. Inwieweit in diesem Zusammenhang ein berechtigtes entgegenstehendes Interesse Dritter oder Betriebsgeheimnisse es im Einzelnen notwendig machten, die Auskunft nicht vorzunehmen, begründete die Beklagte nicht mit konkretem Tatsachenvortrag. Dementsprechend ist mangels Vortrages nicht nachvollziehbar, erwiderungsfähig oder überprüfbar, ob berechtigte Ausnahmen einer Auskunftserteilung entgegenstehen. Jedenfalls in Grundzügen wäre von der Beklagten zu verlangen, dass sie Vortrag leistet, aus dem sich ergeben kann, dass das Auskunftsbegehren mit den Rechten und Freiheiten Dritter, ihren eigenen Belangen oder Geschäftsgeheimnissen kollidiert. Es müsste wenigstens ein gewisser diesbezüglicher Mindestvortrag erfolgen. Anderenfalls könnte allein durch die bloße Behauptung, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen liegen vor, die Auskunft – teilweise – verweigert werden. Die Beklagte hätte beispielsweise benennen können, um welche Informationen es sich handelt und stichwortartig unter zeitlicher Eingrenzung umschreiben können, was Gegenstand dieser ist, ohne den genauen Inhalt wiedergeben zu müssen. Die Beklagte belässt es jedoch dabei auszuführen, dass weitere Auskünfte nicht erteilt und Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt würden, ohne dass auch nur im Ansatz ersichtlich ist, worauf die Beklagte sich bezieht. Weder nach der Anzahl noch dem Gegenstand der Informationen hat die Beklagte eine Konkretisierung vorgenommen.

(dd) Der Beklagten stand kein Verweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b DS-GVO zu, wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Regelung auf die Ansprüche aus Art. 15 DS-GVO übertragbar ist. Der Antrag des Klägers war nicht offensichtlich unbegründet, exzessiv oder rechtsmissbräuchlich. Dass dem Kläger ein Antragsrecht nach Art. 15 DS-GVO zustand, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Zudem scheidet eine exzessive Nutzung des Antragsrechts aus. Exzessiv ist eine Antragstellung insbes. dann, wenn sie ohne tragfähigen Grund häufig wiederholt wird oder einen unverhältnismäßigen Umfang aufweist (Paal/Pauly/Paal/Hennemann, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 12 Rn. 64). Es sollen rechtsmissbräuchliche Anträge unterbunden werden, die ua vornehmlich auf die Schikanierung des Verantwortlichen abzielen (Paal/Pauly/Paal/Hennemann, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 12 Rn. 66). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger stellte 2016 und 2018 jeweils einen Auskunftsantrag, so dass bereits die Häufigkeit nicht für eine exzessive Nutzung spricht. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Auskunftsanspruch explizit auf die iZm. der „Dieselaffäre“ verarbeiteten Daten bezog und nicht auf alle, während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses erhobenen Daten richtete. Dem Kläger war daher nicht daran gelegen, die Beklagten mit unverhältnismäßigem Aufwand zu belasten, sondern er nahm seine Rechte zielgerichtet im Rahmen seiner Interessen wahr. Auch ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers ist nicht ersichtlich. Dass das Auskunftsverlangen darauf gerichtet war, die Beklagte auszuforschen, vermutet sie in Anbetracht des zeitlichen Zusammenhangs mit der Anhörung zum Kündigungssachverhalt. Dies kann für den Kläger jedoch auch nur Anlass gewesen sein, über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten Auskunft zu begehren, um deren Rechtmäßigkeit beurteilen zu können.

(ee) Ein Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßigen Aufwands ist nicht gegeben. Ein solches ist in Art. 15 DS-GVO nicht ausdrücklich normiert, jedoch anerkannt (Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 38). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Auskunftsverlangen präzisiert und damit die Möglichkeit, die in Erwägungsgrund 63 aE niedergelegt ist, bereits wahrgenommen hat. Der Kläger verlangt gerade nicht Auskunft über alle im Rahmen des gesamten Arbeitsverhältnisses verarbeiteten Daten, sondern grenzt sein Begehren auf diejenigen ein, die mit der „Diesel-Thematik“ im Zusammenhang stehen.

(c) Die Beklagte hat nicht gegen ihre Verpflichtungen nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verstoßen, indem sie zu einem Großteil geschwärzte Unterlagen und Kopien an den Kläger übermittelte. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 27.09.2018 ausdrücklich auch auf die Pflicht zur Verfügungstellung von Kopien der personenbezogenen Daten hingewiesen.

(aa) Die Reichweite des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ist streitig.

Nach einer Ansicht soll der Anspruch auf Erteilung einer Kopie über die personenbezogenen Daten auf diejenigen bezogen sein, auf die sich auch das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bezieht (vgl. LAG Niedersachsen 9. Juni 2020 – 9 Sa 608/19 - Rn. 45; LAG Baden-Württemberg 17. März 2021 – 21 Sa 43/20 – Rn. 29; Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 33, ArbG Bonn 16. Juli 2020 – 3 Ca 2026/19 – Rn. 56). Nach der anderen Auffassung widerspreche eine solche Auslegung dem der DS-GVO zugrunde liegenden weit gefassten Begriff der personenbezogenen Daten und dem Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO (vgl. OVG Münster 8. Juni 2021 – 16 A 1582/20 – Rn. 73 ff.; OLG München 4. Oktober 2021 – 3 U 2906/20 – Rn. 20), die Datenkopie soll nicht identisch mit der Auskunft über die verarbeiteten Daten sein (Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 39).

(bb) Die Kammer schließt sich der Ansicht an, wonach die Ansprüche nach Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht nebeneinander stehen, sondern sich der Anspruch auf Kopien auf die Auskünfte des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bezieht. Sinn und Zweck des aus Art. 15 DS-GVO folgenden Auskunftsrechts ist es, den betroffenen Personen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu ermöglichen, was aus Erwägungsgrund 63 Satz 1 folgt. Danach sollte eine betroffene Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dieses Ziel der Ermöglichung der Überprüfung wird erreicht, wenn die aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO folgenden Auskünfte in Kopie zur Verfügung gestellt werden. Hierfür bedarf es nicht der Vorlage der gesamten Unterlagen in Kopie. Ferner folgt aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO, dass personenbezogene Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung gestellt werden. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bezieht sich jedoch gerade auf die Auskunft über diese personenbezogenen Daten.

Dementsprechend ist die Beklagte ihrer Pflicht aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, jedenfalls in dem Umfang, in dem sie eine Auskunft vorgenommen hat, hinreichend nachgekommen.

(d) Das Auskunftsverlangen des Klägers wurde verspätet beantwortet.

Nach Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. Gemäß Art. 12 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO kann diese Frist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über eine Fristverlängerung, zusammen mit den Gründen für die Verzögerung Art. 12 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO.

Diese Vorgaben wurden durch die Beklagte nicht gewahrt. Das Auskunftsbegehren des Klägers vom 09.08.2018 wurde per E-Mail an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten übersandt. Dass eine Empfangsbevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten auch insoweit vorlag, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Auch wenn nicht ersichtlich ist, wann genau dieses Schreiben der Beklagten zugegangen ist, ist jedoch erkennbar, dass jedenfalls am 26.09.2018 die Monatsfrist abgelaufen war. Mit Schreiben vom 26.09.2018 teilte die Beklagte zwar mit, dass sie von der Fristverlängerung um zwei Monate nach Art. 12 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO Gebrauch machen würde, zu diesem Zeitpunkt war jedoch unstreitig der Fristablauf bereits eingetreten. Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO ist insoweit eindeutig, als darin gefordert wird, dass innerhalb eines Monats nach Antragseingang über die Fristverlängerung zu unterrichten ist (vgl. Paal/Pauly/Paal/Hennemann, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 12 Rn. 54; (Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 12 Rn. 26). Die E-Mail vom 20.08.2018 stellte bereits kein Schreiben iSv. Art. 12 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO dar, da in diesem nicht auf eine Fristverlängerung hingewiesen, sondern mitgeteilt wurde, dass binnen Monatsfrist eine Antwort erfolgen wird.

(e) Eine Pflichtverletzung ist nicht darin zu sehen, dass die Beklagte eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten in die USA nicht benannt hat.

Die Informationspflicht aus Art. 13 Abs. 1 c), Art. 14 Abs. 1 c) DS-GVO umfasst die Mitteilung der Rechtsgrundlage der Verarbeitung, in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ist eine solche Mitteilungspflicht gerade nicht normiert (vgl. auch Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018 Rn. 7, DS-GVO Art. 15 Rn. 7). Eine solche könnte gegeben sein, wenn die betroffene Person ein berechtigtes Interesse an einer rechtlichen Würdigung plausibilisiert (Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 13). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

(f) Auch ein Verstoß gegen die Datensicherheit ist durch die Übermittlung der Kopien mittels Taxi nicht ersichtlich. Der Kläger selbst hat nicht vorgetragen, dass es sich um einen offenen Karton handelte, in welchem die Kopien enthalten waren, so dass jederzeit ein unbefugter Zugriff ermöglicht worden wäre. Auch wenn die Unterlagen auf dem Postweg übersandt worden wären, hätte ein Überbringen durch die Beklagte selbst oder ihrer Vertreter nicht stattgefunden. In Anbetracht des Umfangs der Unterlagen war es zudem der Beklagten zuzugestehen, nicht den Postweg, sondern einen Kurierfahrer mit der Übermittlung zu beauftragen.

(g) Dass die Auskunft unvollständig war, da sie sich nicht auf einen Ergebnisbericht der Kanzlei JD bezog, ist nicht erkennbar. Der Kläger vermutet lediglich, dass ein solcher existieren müsse. Die Beklagte hatte von Anfang an vorgetragen, dass dieser nicht vorliege. Der Kläger, der mittlerweile Einsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten hatte, hat auch nicht vorgetragen, dass in diesen ein solcher enthalten war und auch keine weiteren Anhaltspunkte dargelegt, die auf die Existenz eines solchen schließen lassen.

(4) Das Verschulden der Beklagten wird nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO vermutet. Die Beklagte hat keinen entgegenstehenden Vortrag geleistet.

(5) Es liegt zudem ein kausaler, immaterieller Schaden vor. Es ist hierbei von einem weiten Schadensverständnis auszugehen.

(a) Der Schadensbegriff wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.

So verlange Erwägungsgrund 146 S. 3 eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rspr. des EuGH, die den Zielen der DS-GVO in vollem Umfang entspricht (vgl. BVerfG 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 – Rn. 19; ArbG Neumünster, 11. August 2020 – 1 Ca 247 c/20 – Rn. 38). Die Forderung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung vertrage sich nicht mit Art. 82 DS-GVO, da sie weder von dessen Ziel und Entstehungsgeschichte gedeckt sei (LG Lüneburg 14. Juli 2020 – 9 O 145/19 – Rn. 49), dies wirke sich nur noch bei der Höhe des Anspruchs aus (vgl. ArbG D-Stadt 5. März 2020 – 9 Ca 6557/18 - Rn. 84, mwN). Ein immaterieller Schaden entstehe auch, wenn die betroffene Person um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert ist, die sie betreffenden personenbezogen Daten zu kontrollieren (vgl. ArbG Dresden 26. August 2020 – 13 Ca 1046/20 – Rn. 14). Weder der DSGVO noch ihren Erwägungsgründen lasse sich entnehmen, dass der Schadensersatzanspruch einen qualifizierten Verstoß gegen die DSGVO voraussetzt. Für die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle oder anders - herum formuliert - die Ausnahme von Bagatellfällen, gebe es keinen Anhaltspunkt (vgl. LAG Hamm 11. Mai 2021 – 6 Sa 1260/20 – Rn. 50). Soweit es nicht um reine Formfehler wie Verstöße gegen Dokumentationspflichten geht, gehe mit der Verletzung datenschutzrechtlicher Normen letztlich immer ein immaterieller Schaden einher (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 18a). Erwägungsgrund 146 S. 6 spreche gegen die Einschränkung des Entschädigungsanspruchs auf schwere Beeinträchtigungen, die Schwere der Beeinträchtigung sei nur bei der Frage der Höhe des Anspruchs zu berücksichtigen, wobei Bagatellfälle außer Betracht bleiben können (vgl. Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 13). Damit könne eine betroffene Person nun mehr für jede Verletzung der DS-GVO durch Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten auch ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen (vgl. Ehmann/Selmayr/Nemitz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 13).

Nach anderer Meinung führe nicht jeder Verstoß zu einem Schadensersatzanspruch. Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründe nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung müsse in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben (vgl. LG Landshut 6. November 2020 – 51 O 513/20 - Rn. 18). Die Anwendung von Strafschadenersatz sei aufgrund Art. 82 nicht zugelassen (vgl. Spindler/Schuster/Spindler/Horváth, 4. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 82 Rn. 8). Daher werde man im Grundsatz weiterhin davon ausgehen können, dass immaterielle Schäden im vorliegenden Zusammenhang nur entstehen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person nicht unerheblich verletzt wurde (vgl. EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 22). Es müsse auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Andernfalls scheide ein "Schaden" begrifflich schon aus (vgl. LG Bonn 1. Juli 2021 – 15 O 372/20 – Rn. 42). Der Schaden müsse – wie auch der Anwendungsbereich mancher Norm des EU-Rechts – weit verstanden werden; gleichwohl muss er „erlitten“ (ErwGr 146 S. 6), maW „spürbar“, objektiv nachvollziehbar, von gewissem Gewicht sein (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 10).

(b) Die Kammer folgt den Erwägungen, wonach unabhängig von dem Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle bei Verstößen gegen Regelungen der DS-GVO ein immaterieller Schadensersatz in Betracht kommt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade ausgehend von Erwägungsgrund 146 Satz 3 eine weite Auslegung geboten ist, um den Zielen der Verordnung in vollem Umfang zu entsprechen. Hiermit wäre es unvereinbar, würde eine Schadensersatzpflicht nur bei erheblichen Rechtsverstöße eintreten, da dann eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar wäre, in denen Betroffene trotz Verstößen gegen die Regelungen der DS-GVO keine Kompensation erhielten. Ferner kann, um die Regelungen der DS-GVO effektiv durchzusetzen, auch auf eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes abgestellt werden (vgl. EuGH 17. Dezember 2015 – C-407/14 – Rn. 44). Zudem sollen die betroffenen Personen nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Dass ein Schaden erlitten ist, ergibt sich nicht erst bei Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle – der Schwere der Pflichtverstöße und damit einhergehenden Beeinträchtigungen kann vielmehr effektiv auf Ebene der Höhe des Schadensersatzes begegnet werden.

Indem die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung zeitlich und inhaltlich nicht hinreichend nachgekommen ist, hat der Kläger keine zeitgerechten, ausreichenden Kenntnisse über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erlangt – insofern ist ein Kontrollverlust eingetreten und ihm wird die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten unmöglich gemacht oder erschwert.

(6) Dem Kläger ist in Anbetracht der Pflichtverstöße der Beklagten nach richterlichem Ermessen gem. § 287 Abs. 1 ZPO ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 1.250,-- Euro zuzusprechen.

(a) Den Schadensersatzansprüchen soll generell eine Abschreckungswirkung innewohnen (Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art. 82 Rn. 10, mwN).). Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 (Satz 6) zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten(LAG Hamm 11. Mai 2021 – 6 Sa 1260/20 – Rn. 50). Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen sollen eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen (effet utile) (ArbG Dresden 26. August 2020 – 13 Ca 1046/20 – Rn. 16).

(b) Gemessen an der Zweckrichtung des Schadensersatzes hält die Kammer unter Berücksichtigung und Abwägung der Umstände des vorliegenden Falls einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.250,-- Euro angemessen, aber auch ausreichend. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die verspätete Auskunft der Beklagten erfolgte, weil sie nicht innerhalb des ersten Monats die Inanspruchnahme der Verlängerung um zwei Monate begründet mitteilte. Im Ergebnis wurde die Auskunft jedoch innerhalb von gut zwei Monaten nach Geltendmachung des Auskunftsbegehrens und somit noch vor dem Ablauf von drei Monaten erteilt, die der Gesetzgeber dem Verantwortlichen grundsätzlich maximal zubilligt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im September 2018 sein Begehren präzisierte und die Beklagte dem in ihrer Antwort Rechnung trug. Andererseits ist erkennbar, dass der Beklagten die einmonatige Frist durchaus bewusst war, da deren Prozessbevollmächtigte im Schreiben vom 20.08.2018 mitteilte, dass eine Erledigung innerhalb dieser Frist erfolgen würde. Insgesamt ist in Anbetracht dieser Gesamtumstände, die dazu führten, dass der Kläger nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum nach Antragstellung über die Datenverarbeitung im Unklaren war, ein immaterieller Schadensersatz von 250,-- Euro zuzuerkennen. Schwerer wiegt demgegenüber der Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Da durch die unzureichende Auskunft der Erkenntnisgewinn des Klägers über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht umfassend war und die Beklagte hierfür keine ausreichend nachvollziehbare Begründung angeben konnte, erscheint der Kammer ein Schadensersatz in Höhe von 1.000,-- Euro angemessen. Hierdurch wird ausreichend sichergestellt, dass durch die Zahlung eines spürbaren Betrages der Regelung des Art. 15 DS-GVO zur Geltung verholfen wird und die Verpflichteten angehalten werden, die entsprechenden Maßgaben einzuhalten. In die Überlegung einzustellen ist, dass die Beklagte nicht versehentlich die Auskunft hinsichtlich bestimmter Informationen mit personenbezogenen Daten unterlassen hat, sondern diese bewusst zurückgehalten hat, ohne dass ein Grund hierfür nachvollziehbar dargelegt wurde. Anzuknüpfen ist hierbei nach Sicht der Kammer weder an den Verdienst des Klägers noch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beklagten, da beide Komponenten in keinem Zusammenhang mit den datenschutzrechtlichen Verstößen stehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LArbG Hamm: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO

LArbG Hamm
Urteil vom 11.05.2021
6 Sa 1260/20


Das LArbG Hamm hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO besteht. Im vorliegenden Fall hat das Gericht einem Arbeitnehmer 1.000 EURO zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

II. Soweit die Klägerin den in erster Instanz unbezifferten gestellten Klageantrag nunmehr im Rahmen der Berufungsbegründung beziffert, liegt eine Klageänderung - die im Rahmen der Berufung an den Voraussetzungen des § 533 ZPO zu messen wäre - nicht vor. Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Darunter fällt auch der Übergang von einem nicht bezifferten Feststellungsantrag zu einem bezifferten Zahlungsantrag (vgl. BGH vom 12.05.1992 – VI ZR 118/91 -; BGH vom 13.11.2014 – IX ZR 267/13-).Wird zunächst eine Stufenlage erhoben und der Auskunftsantrag gestellt, stellt der Kläger dann aber, ohne die Bescheidung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, sogleich den Zahlungsantrag, ist dieser Antrag ebenfalls nach § § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Um eine Klageänderung handelt es sich nicht (BGH vom 13.11.2014 – IX ZR 267/13 - ). Für den Zahlungsantrag, der in erster Instanz noch nicht beziffert war, gilt hier nicht anderes.

B) Die Berufung ist indes nur im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten immateriellen Schadensersatzanspruchs begründet. Insoweit hat das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

I. Die Berufung ist teilweise begründet, soweit die Klägerin die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes begehrt. Sie hat aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Anspruch auf Zahlung eines solchen Schadensersatzes in Höhe von 1.000,00 Euro.

1. Der Klageantrag ist zunächst bestimmt genug, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einem Schadensersatzanspruch auf Geldentschädigung, bei dem die Bestimmung des Betrages von der Ermittlung der Schadenshöhe durch Beweisaufnahme oder durch gerichtliche Schätzung oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängt, ist es ausreichend, wenn die zahlenmäßige Feststellung der Klageforderung dem Gericht überlassen wird, sofern dem Gericht zugleich die tatsächlichen Grundlagen gegeben werden, die ihm die Feststellung der Höhe des gerechtfertigten Klageanspruchs ermöglichen (vgl. BGH vom 13.03.1967 – III ZR 8/66 m.z.N.). Selbes gilt, wenn – wie hier - die ziffernmäßige Festlegung der Schadenshöhe entscheidend von der Ausübung des richterlichen Ermessens oder einer richterlichen Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO abhängt (BGH vom 13.03.1967 – III ZR 8/66 m.z.N.). Vorliegend hat die Klägerin zudem angegeben, dass sie einen Mindestschaden von 6.000,00 Euro (vgl. Berufungsbegründung vom 21.12.2020) für angemessen erachtet.

2. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen.

Die DSGVO, die seit dem 25.05.2018 in Kraft getreten ist (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) gilt gemäß Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf.

a) Verantwortlicher im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (Art. 4 Ziff. 7 DSGVO), mithin die Beklagte.

b) Die Beklagte hat vorliegend gegen ihre Auskunftspflicht gegenüber der Klägerin aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO verstoßen. Der Auskunftsanspruch besteht auch in einem Arbeitsverhältnis. Die allgemeinen Bestimmungen der EU-DSVO enthalten eine Vollregelung, auch zum Beschäftigtendatenschutz (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 -). Der Auskunftsanspruch ist ein Grundrecht (Art. 8 Abs. 2 GRCh, Art. 6 Abs. 1 EUV) und gehört zur „Magna Charta“ der Betroffenenrechte (Lemke, der Datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Arbeitsverhältnis, NJW 2020, 1841ff).

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person (Art. 4 Ziff. 7 DSGVO) das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und – soweit dies der Fall ist – das weitere Recht auf die unter lit. a) bis h) der Vorschrift benannten Informationen. Nach der Vorgabe des Art. 12 Abs. 3 S. 1-3 DSGVO ist ein solches Auskunftsbegehren binnen eines Monats nach Eingang, nach einer Unterrichtung über eine Fristverlängerung binnen zwei weiterer Monate zu beantworten.

(1) Ein solches Verlangen hat die Klägerin vorliegend mit außergerichtlichem Schreiben ihres heutigen Prozessbevollmächtigten vom 30.01.2020 gestellt. Darin hat sie unter Bezugnahme auf die Datenschutzgrundverordnung Auskunft über „sämtliche bei Ihnen gespeicherten Daten, insbesondere die Daten der Arbeitszeiterfassung“ begehrt. Das Auskunftsbegehren unterliegt nach den Bestimmungen der DSGVO keinen besonders geregelten Anforderungen an Form und Inhalt. Es kann dahinstehen, ob sich der Anspruch der Klägerin inhaltlich auf den gesamten Umfang der mit dem Schreiben geltend gemachten Daten bezieht. Aus diesem verlangen konnte die Beklagte hinreichend konkret erkennen, auf welche Rechtsgrundlage die Klägerin ihr begehren stützt. Aus Art. 4 Ziff. 2 DSGVO ergibt sich zudem, dass sich die Verarbeitung, die Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ist, auf jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten bezieht. Eine Einschränkung auf einen bestimmten Auskunftsteil hat die Klägerin nicht vorgenommen. Sie hat nur formuliert, dass sich ihr Begehren „insbesondere“ aber nicht erkennbar nicht ausschließlich auf die Daten der Zeiterfassung beziehe.

(2) Der Auskunftsanspruch bezieht sich inhaltlich auf personenbezogene Daten. Dabei handelt es sich nach Art. 4 Ziff. 1 DSGVO um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Zur Verarbeitung gehört nach Art. 4 Ziff. 2 DSGVO insbesondere das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung und die Verwendung solcher Daten. In einem Arbeitsverhältnis verarbeitet der Arbeitgeber zwangsläufig personenbezogene Daten der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Bei diesen Daten kann es sich neben den Kontaktdaten der Person etwa um Informationen über das Bestehen und die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit, über die Gewährung von Urlaubsansprüchen oder auch über Leistungs- und Verhaltensdaten handeln. Die Beklagte hat bis heute keine Auskunft darüber erteilt, ob und zu welchem Verarbeitungszweck (Art. 15 Abs. 1 lit. a)) und nach welchen Kategorien (Art. 15 Abs. 1 lit. b)) sie entsprechende Daten der Klägerin verarbeitet. Die Beklagte hat auf das gestellte Auskunftsverlangen erstmals unter dem 13.08.2020 reagiert und der Klägerin - offenbar auch im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt klageweise rechtshängig gemachte und auf den Umfang der geleisteten Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis beschränkten Auskunftsantrag – Arbeitszeitnachweise zugesendet. Eine weitere Auskunft ist – bis heute – nicht erfolgt.

(3) Eine Haftung für die Verstöße könnte nur entfallen, wenn die Beklagte für diese nicht verantwortlich wäre, Art. 83 Abs. 3 DSGVO. Dies hat die Beklagte nicht dargetan.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Klägerin durch die fehlende Erteilung der Auskunft ein immaterieller Schaden entstanden.

Das zutreffende Verständnis des Schadensbegriffs ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bislang nicht geklärt. Der Begriff kann auch nicht in seinen einzelnen, für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts notwendigen Voraussetzungen unmittelbar aus der DSGVO bestimmt werden. Auch in der bislang vorliegenden Literatur, die sich unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 146 überwiegend für ein weites Verständnis des Schadensbegriffs ausspricht, sind die Details und der genaue Umfang des Anspruchs noch unklar (vgl. dazu: BVerfG vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19 – mit zahlreichen Nachweisen).

Weder der DSGVO noch ihren Erwägungsgründen lässt sich indes entnehmen, dass der Schadensersatzanspruch einen qualifizierten Verstoß gegen die DSGVO voraussetzt. Für die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle oder anders - herum formuliert – die Ausnahme von Bagatellfällen, gibt es keinen Anhaltspunkt (so auch BVerfG vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19 -).

Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 S. 3 zur DSGVO soll der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes weit und auf eine Weise ausgelegt werden, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Die Ziele der DSGVO bestehen dabei u.a. darin, den Risiken für die Rechte und Freiheit natürlicher Personen zu begegnen, die - mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere - aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen und zu einem immateriellen Schaden führen können. Dabei kann ein immaterieller Schaden nicht nur in einer Diskriminierung, einem Identitätsdiebstahl oder -betrug, einem finanziellen Verlust, einer Rufschädigung, einem Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten, der unbefugten Aufhebung der Pseudonomisierung oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen liegen. Er kann (bereits) entstehen, wenn die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (vgl. Erwägungsgrund 75).

In jedem Arbeitsverhältnis verarbeitet der Arbeitgeber zwangsläufig personenbezogene Daten seiner Mitarbeiter. Jeder Arbeitgeber wird mindestens die Kontaktdaten, die Bankdaten zwecks Überweisung des Entgelts sowie Anwesenheits- und Fehlzeitendaten seiner Mitarbeiter erheben, speichern und verwenden. In welchem Umfang und in welchen Kategorien eine solche Verwendung erfolgt, ist Arbeitnehmern nicht ohne weiteres ersichtlich. Ebenso können Arbeitnehmer nicht von sich aus erkennen, ob Daten auch Dritten zur Verfügung gestellt und für welche Dauer – ggf. auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – diese Daten gespeichert bleiben. Die Beklagte wendet vorliegend nicht ein, dass sie über die der Klägerin im August 2020 übersendeten Arbeitszeitnachweise keine Weiteren personenbezogenen Daten der Klägerin verarbeitet. Eine Kontrolle über diese Daten hat die Klägerin indes nicht, solange die Beklagte ihrer Auskunftspflicht – in erster Stufe zumindest hinsichtlich der Bestätigung des „Ob“ der Verarbeitung personenbezogener Daten - nicht nachkommt. Der Klägerin fehlt dabei nicht nur die Kenntnis, welche Kategorien von Daten die Beklagte formalisiert oder nicht formalisiert verarbeitet. Sie kann ebenso nicht beurteilen, wie lange solche Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter gespeichert bleiben und an welche Dritte die Beklagte solche Daten ggf. weiterreicht. Die Schwere des immateriellen Schadens, mithin das Gewicht der Beeinträchtigung, das die Klägerin – subjektiv – wegen der bestehenden Unsicherheit und des Kontrollverlustes empfinden mag, ist für die Begründung der Haftung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO und mithin für die Frage des „ob“ eines entstandenen Schadens nicht erheblich (so auch ArbG Düsseldorf vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18).

d) Die Klägerin hat die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt, § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles geht die Berufungskammer davon aus, dass der Klägerin zur Abgeltung des immateriellen Schadens ein Geldanspruch in Höhe von 1.000,00 Euro zusteht.

(1) Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 (Satz 6) zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Insoweit erscheint eine Orientierung an dem Kriterienkatalog für die Bemessung von Bußgeldern in Art. 83 Abs. 2 S. 2 DSGVO naheliegend (so auch ArbG Düsseldorf vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18 -). Danach sind für die Ermittlung der Höhe einer Geldbuße u. a. die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung, der Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des den betroffenen Personen entstandenen Schadens, frühere einschlägige Verstöße sowie die Kategorien der betroffenen personenbezogenen Daten zu betrachten. Bei der Bemessung der Entschädigung für immaterielle Schäden kommt den Gerichten grundsätzlich ein weites Ermessen zu, § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO. Es müssen mithin sowohl sämtliche Auswirkungen des konkreten Datenschutzverstoßes für die geschädigte Person als auch sämtliche in der Person des Schädigers liegenden, insbesondere die Tatsituation und den Verschuldensgrad betreffenden, Umstände berücksichtigt werden (vgl. Oetker in MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 253 ZPO Rz. 36 ff).

2) In Anwendung des zuvor dargestellten Maßstabs ist unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ein Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 Euro angemessen.

Dabei hat die Kammer zu Lasten der Beklagten berücksichtigt, dass diese die Auskunft nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO bis zum heutigen Tag nicht erteilt hat. Die Beklagte hat der Klägerin lediglich im August 2020 Arbeitszeitnachweise übermittelt. Damit hat die Beklagte den Auskunftsanspruch allenfalls rudimentär erfüllt. Schriftsätzlich hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 30.01.2020 zu Unrecht Auskunft über „sämtliche Daten“ gefordert habe, obgleich ein Anspruch sich allenfalls auf solche Daten beziehe könne, die die Klägerin persönlich betreffen. Soweit die Beklagte darin eine Rechtfertigung erblickt, einem aus ihrer Sicht unklaren oder überzogenen Begehren nicht nachkommen zu müssen, kann dies nur zu ihren Lasten berücksichtigt werden. Zum einen erscheint eine derart weite Auslegung des Begehrens der Klägerin im Kontext des Schreibens bereits fernliegend. So erläutert der Prozessvertreter in dem Schreiben vom 30.01.2020, dass die Beklagte nach Auskunft seiner Mandantin, die Arbeitszeit elektronisch erfasse, dass es sich bei der Erfassung dieser Daten um personenbezogene Daten handele und die Mandantin daher „ihren“ Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung geltend mache. Auch für einen unbefangenen Leser ist erkennbar, dass die Klägerin keine Auskunft über Daten begehrt, die mit ihrer Person nicht in Zusammenhang stehen. Von dieser Auslegung ist die Beklagte indes auch im Kammertermin nicht abgerückt. Ein Problembewusstsein der Beklagten im Hinblick auf die Verletzung eines Rechts, dass der Europäischen Verordnungsgeber, wie sich bereits aus Art. 8 Abs. 2 der Grundrechtscharta zeigt, als sehr bedeutsam einordnet, vermochte die Berufungskammer nicht zu erkennen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die tatsächliche Erteilung der Auskunft in der Zukunft noch außergerichtlich erreichen wird. Zugunsten der Beklagten kann insoweit nur unterstellt werden, dass einschlägige frühere Verstöße nicht vorliegen.

Obwohl das vorgehend dargestellte Verhalten die Annahme nahelegt, dass die Beklagte den Umfang und die Bedeutung ihrer Verpflichtung aus der Datenschutzgrundverordnung jedenfalls fahrlässig grob verkennt, ist zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie die tatsächliche Erlangung der ihr nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zustehenden Informationen in Erkennung des Umstandes, dass die Beklagte diesem Auskunftsbegehren nicht ohne Weiteres nachkommen wird, bislang nicht konsequent verfolgt hat. Nachdem die Beklagte im August 2020 Arbeitsnachweise erteilt hat, hat die Klägerin den Auskunftsanspruch insoweit für erledigt erklärt. Sie hat aber in der Folgezeit davon abgesehen, ihr Auskunftsverlangen im Weiteren gerichtlich geltend zu machen, um eine tatsächliche Durchsetzung zu erreichen. Vielmehr hat die Klägerin sich darauf beschränkt, unter Berufung auf die fehlende Auskunft einen immateriellen Schadensersatzanspruch gerichtlich einzuklagen. Ihr Prozessverhalten deutet für die Berufungskammer darauf hin, dass die tatsächliche Erlangung einer Kontrolle über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht ihr primäres Ziel ist. Es drängt sich vielmehr für die Berufungskammer der Eindruck auf, dass es ihr in dem außergerichtlichen Schreiben vom 30.01.2020 maßgeblich um die Herausgabe der Arbeitsaufzeichnungen zum Zwecke der Bezifferung einer beabsichtigten Überstundenklage ging. Obwohl sie durch die nach wie vor ausstehende Auskunft nach wie vor keine Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten hat, die bei der Beklagten – auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – gegebenenfalls weiter verwendet werden, lässt das Verhalten der Klägerin nicht erkennen, dass dieser Umstand als solcher eine besondere Belastung für sie darstellt, die nicht jedenfalls mit der Zahlung eines Schadensersatzbetrages kompensiert werden könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Klägerin beabsichtigt, die tatsächliche Erteilung der Auskunft auch im Falle der Zahlung eines Schadensersatzes durch die Beklagte weiterzuverfolgen. Dies deutet darauf hin, dass ihre persönliche Betroffenheit im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit der Kontrolle ihrer personenbezogenen Daten überschaubar ist und Zweifel an der Nachhaltigkeit des Auskunftsverlangens berechtigt erscheinen. Dieser Umstand ist bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes - anders als bei der Frage des Entstehens eines solchen - zu berücksichtigen.

Inwieweit die Höhe des Schadensersatzes auch von dem nach Art. 4 Ziffer 7 DSGVO Verantwortlichen und dessen Finanzkraft abhängen mag (so ArbG Düsseldorf 5. März 2020 – 9 Ca 6557/18), kann dahinstehen. Keine der Parteien hat vorliegend Angaben diesbezüglich getätigt. Der Umstand, dass es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb handelt, hat für sich genommen keine Aussagekraft hinsichtlich der Finanzkraft des Unternehmens.

Unter Berücksichtigung all dessen hat die Kammer für den Verstoß der Beklagten gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO insgesamt einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.000,00 Euro angesetzt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Bonn: Kein Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für unvollständige oder verspätete Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO

LG Bonn
Urteil vom 01.07.21
15 O 372/20


Das LG Bonn hat entschieden, dass ein Betroffener keinen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Geldentschädigung aus Art. 82 DSGVO für eine unvollständige oder verspätete Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO zusteht.



KG Berlin: Fehlt bei Zustellung einer einstweiligen Verfügung eine Seite so ist die Zustellung unwirksam und die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen

KG Berlin
Beschluss vom 03.05.2019
5 U 118/18


Das KG Berlin hat entschieden, dass die Zustellung einer einstweiligen Verfügung unwirksam ist und die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen wurde, wenn bei der Zustellung eine Seite fehlte.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Zustellung einer Gerichtsentscheidung muss nicht zwangsläufig unwirksam sein, wenn die übersendete Abschrift unvollständig ist oder einen Fehler aufweist. Die Unwirksamkeit der Zustellung ist nur bei wesentlichen Mängeln anzunehmen. Kleine Fehler und geringfügige Abweichungen schaden nicht, wenn der Zustellungsempfänger aus der ihm zugestellten Abschrift den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer bzw. den Inhalt und die Reichweite des Verbots erkennen kann. (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1665; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2011, 2 U 92/10; OLG Bamberg GRUR-RR 2014, 331; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Juni 2016, 6 U 2/17; Hess in jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12, Rn 161).

Das Fehlen mehrerer oder auch nur einer einzigen Seite wird jedoch typischerweise als wesentlicher Mangel angesehen (vgl. BGH GRUR 1998, 476 - Unzulängliche Zustellung; OLG Schleswig FamRZ 2014, 1846; Schilling in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., § 12 UWG, Rn 512)."



OLG Frankfurt: Irreführende Verwendung der Bezeichnung Branchenbuch für eine nur aus bezahlten Einträgen bestehende Datensammlung

OLG Frankfurt
Urteil vom 25.02.2010
6 U 237/08
Branchenbuch


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Bezeichnung "Branchenbuch" für eine Datensammlung dann irreführend ist, wenn die Datensammlung nicht vollständig ist und nur aus bezahlten Einträgen besteht, sofern nicht gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen wird, dass das Verzeichnis infolgedessen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: