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BayVGH: Verbot des Vertriebs von Tabakbags und Tabakpaste rechtmäßig - Unzulässige Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch die nicht zum Kauen bestimmt sind

BayVGH
Urteile vom 10.10.2019
20 BV 18.2231 und 20 BV 18.2234


Der BayVGH hat entschieden, dass das Verbot des Vertriebs von Tabakbags und Tabakpaste rechtmäßig ist. Es handelt sich dabei um unzulässige Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch, die nicht zum Kauen bestimmt sind.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Vertriebsverbote für Tabakerzeugnisse rechtmäßig

Der 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) hat mit Urteil vom 10. Oktober 2019 die Klagen eines Importeurs von Tabakerzeugnissen gegen Vertriebsverbote für auf dem deutschen Markt vertriebene Tabakerzeugnisse abgewiesen. Es handelte sich dabei um die Erzeugnisse „Thunder Frosted Chewing Bags“ (klein geschnittener Tabak, der mit Zusatzstoffen und Aromen versetzt und in durchlässige Zellulosebeutel abgepackt wird) und „Thunder Chewing Tobacco“ (Paste, vergleichbar mit weicher Knetmasse, die aus gemahlenem Tabak besteht, dem Zusatzstoffe und Aromen zugesetzt werden) des dänischen Herstellers V2 Tobacco.

Beide Produkte stufte der Senat als „Tabakerzeugnis zum oralen Gebrauch, das nicht zum Kauen bestimmt ist“ im Sinne der europäischen Tabakrichtlinie (Richtlinie 40/2014/EU) ein, das nach dem Tabakerzeugnisgesetz in Deutschland verboten ist.

Der BayVGH hatte das Verfahren im Juli 2017 ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) verschiedene Fragen zur Auslegung des Begriffs „Tabakerzeugnis zum oralen Gebrauch, das zum Kauen bestimmt
ist“, vorgelegt. Dieser hatte mit Urteil vom 17. Oktober 2018 entschieden, dass nur die Tabakerzeugnisse zum Kauen bestimmt seien, die an sich nur gekaut konsumiert werden, d. h., die ihre wesentlichen Inhaltsstoffe im Mund nur durch
Kauen freisetzen könnten.

Der Senat hatte nun die vom EuGH vorgenommene Auslegung auf die konkreten Produkte anzuwenden. Die Klägerin vertrat hierzu die Ansicht, es komme für die Einstufung als „zum Kauen bestimmt“ (und damit als erlaubt) darauf an, dass durch Kauen erheblich mehr der wesentlichen Inhaltsstoffe gelöst würden als beim bloßen Im-Mund-Halten des Erzeugnisses. Dieser Argumentation folgte der BayVGH in seiner Entscheidung nicht. Denn eine solche Aussage ist dem Urteil des EuGH nicht zu entnehmen, obwohl der BayVGH entsprechende Fragen an ihn gestellt hatte. Wie sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten Gutachten ergibt, lösen sich die wesentlichen Inhaltsstoffe der beanstandeten Erzeugnisse (Nikotin und Aromastoffe) aufgrund ihrer Zusammensetzung aus kleingeschnittenem Tabak bzw. gemahlenem Tabak auch bei einem bloßen Im-MundHalten der Erzeugnisse, wenn auch in geringerem Umfang. Nach der vom EuGH vorgenommenen Begriffsbestimmung ist dies jedoch ausreichend.

Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nicht zugelassen. Gegen das Urteil des BayVGH kann die Klägerin innerhalb eines Monats nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim BVerwG in Leipzig erheben.

(BayVGH, Urteile vom 10.10.2019, Az. 20 BV 18.2231, 20 BV 18.2234)


OLG Hamburg: Unzulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wenn Antragsteller nicht seine ladungsfähige Anschrift angibt - Gilt auch für Prominente

OLG Hamburg
Beschluss vom 12.11.2018
7 W 27/18


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig ist, wenn der Antragsteller nicht seine ladungsfähige Anschrift angibt. Dies gilt - so das Gericht - regelmäßig auch für Prominente.

Aus den Entscheidungsgründen

"Der Antragsteller - ein bekannter Musiker und Fernsehmoderator - hat beim Landgericht beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Verbreitung von Äußerungen und Bildnissen zu untersagen. In der Antragsschrift hat er seinen Vor- und Zunamen und als Adresse „c/o“ die Adresse seiner Prozessbevollmächtigten angegeben. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung erlassen und in dem Beschluss die Adressangabe aus der Antragsschrift übernommen. Gegen die einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt und diesen darauf gestützt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig sei, weil die Angaben zur Person des Antragstellers darin unzureichend seien. In einem hierauf erwidernden Schriftsatz hat der Antragsteller die Ansicht vertreten, die Angabe sei wie geschehen ausreichend, vorsorglich aber seine Adresse mitteilen lassen. Daraufhin haben die Parteien das Widerspruchsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens wechselseitig Kostenanträge gestellt.

[...]

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zunächst unzulässig, weil der Antragsteller nicht, wie in §§ 253 Abs. 2 Nr. 1 analog, 130 Nr. 1 ZPO grundsätzlich vorgesehen, eine Anschrift angegeben hat, unter der er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist.

Grundsätzlich ist im Hinblick auf die Zustellung eine vollständige Bezeichnung sowie die Angabe der ladungsfähigen Anschrift (einschließlich Straße und Hausnummer) notwendig. Für die Klageschrift ergibt sich die Notwendigkeit der Parteibezeichnung aus § 253 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der auf die Antragsschrift entsprechend anwendbar ist (s. etwa LG Berlin, Az. 63 T 29/12, NJW-RR 2012, S. 1229 f.); wie sie anzugeben ist, bestimmen § 253 Abs. 4 und § 130 Nr. 1 ZPO. Fehlt die Angabe der Anschrift des Klägers bzw. Antragstellers, ist eine Klage bzw. der Antrag unzulässig, auch dann, wenn der Kläger bzw. Antragsteller anwaltlich vertreten ist und Zustellungen an ihn daher grundsätzlich über seinen Prozessbevollmächtigten vorgenommen werden können (BGH, Urt. v. 17. 3. 2004, Az. VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, S. 1503 f., 1503). Die angegebene Anschrift muss allerdings nicht zwingend die Wohnanschrift sein; auch eine andere Anschrift wie insbesondere die der Arbeitsstelle kann genügen, wenn es sich dabei um eine Anschrift handelt, unter der der Kläger bzw. Antragsteller mit gewisser Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist (OLG Hamm, Beschl. v. 7. 3. 2013, Az. II-2 WF 9/13, FamRZ 2013, S. 1998; Foerste in Musielak / Voit, ZPO, 15. Aufl., § 253 ZPO Rdnr. 20), so dass hinreichende Aussicht besteht, dort nach § 177 ZPO Zustellungen vornehmen zu können. Der Grund, die Zulässigkeit von Klage oder Antrag von der Angabe einer solchen Anschrift abhängig zu machen, liegt darin, den Kläger bzw. Antragsteller hinreichend identifizierbar zu machen, hat aber weitere wichtige Funktionen: Die Klage- bzw. Antragsschrift ist Anlass und Voraussetzung für das gerichtliche Verfahren und soll für dieses eine möglichst sichere Grundlage schaffen; die Angabe der Anschrift des Klägers bzw. Antragstellers ist schon deswegen geboten, weil er sonst nicht zu den Gerichtsterminen geladen werden kann. Da mit dem Betreiben des Prozesses nachteilige Folgen verbunden sein können, wie insbesondere die Kostenpflicht im Falle des Unterliegens, wird durch die Angabe der Anschrift dokumentiert, dass der Kläger bzw. Antragsteller sich diesen möglichen Folgen stellt. Hinzu kommt, dass er - wie sich aus § 141 ZPO, aber auch aus §§ 297 Abs. 2, 445 ff. ZPO ergibt - bereit sein muss, persönlich in Terminen zu erscheinen, falls das Gericht dies anordnet, das bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden soll, sein Ermessen ohnehin nur sachgerecht ausüben kann, wenn ihm auch der Aufenthalt des Klägers bzw. Antragstellers bekannt ist (grundsätzlich zu diesem allen s. BGH, Urt. v. 9. 12. 1987, Az. IVb ZR 4/87, NJW 1988, S. 2114 f.).

Diese Grundsätze gelten auch hier. Allerdings kann eine Ausnahme sich dann ergeben, wenn der Angabe einer Anschrift unüberwindliche Schwierigkeiten oder schutzwürdige Belange des Klägers oder Antragstellers entgegenstehen; zu letzteren kann durchaus auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse gehören (BGH aaO. S. 2115). Beruft sich ein Kläger oder Antragsteller auf das Vorliegen solcher Gründe, ist seine Klage oder sein Antrag indessen nur dann zulässig, wenn er dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet, damit dieses prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers oder Antragstellers verzichtet werden kann. Fehlt deren Angabe hingegen schlechthin (oder wird ihre Mitteilung ohne zureichenden Grund verweigert), liegt keine ordnungsmäßige Klageerhebung oder Antragstellung vor mit der Folge, dass das betreffende Rechtsschutzgesuch als unzulässig abzuweisen ist (BGH aaO.), wenn nicht - was grundsätzlich möglich ist (BGH aaO.) - der Mangel im Verlauf des Prozesses geheilt wird.

Danach war der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, worauf die Antragsgegnerin zu Recht abhebt, zu Beginn unzulässig, da der Antragsteller nicht nur seine Anschrift nicht angegeben hat, sondern dem Landgericht auch keine Gründe dafür mitgeteilt hat, weshalb die betreffende Angabe unterblieben ist. Auch bei prominenten Persönlichkeiten liegt es nicht von vornherein auf der Hand, dass hinsichtlich ihrer Anschrift - die, wie oben ausgeführt, ja nicht notwendig die Wohnanschrift sein muss - ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse besteht, weil sie bei dessen Bekanntwerden einen Ansturm von Menschenmengen auf ihren Wohnort befürchten müssten. Dem steht schon entgegen, dass die Anschrift gegenüber Gericht und Gegenseite anzugeben ist, was nicht bedeutet, dass diese ohne weiteres berechtigt wären, diese Angabe nun zu veröffentlichen. Aber selbst dann, wenn die Gegenseite - wie hier - als Zeitschriftenverlag tätig ist und deshalb die Gefahr bestehen mag, dass Journalisten von der im Prozess oder Verfahren mitgeteilten Anschrift Kenntnis erlangen, bedarf es einer besonderen Begründung dafür, dass ein Geheimhaltungsinteresse bestehe; denn es gibt prominente Personen, die aus ihrer Wohnanschrift in der Öffentlichkeit gar kein Geheimnis machen oder die ihre Wohnung so von der Öffentlichkeit abschotten, dass sie nicht befürchten müssen, von Neugierigen in ihrer Privatsphäre gestört zu werden. Alles das vermag das Gericht nur zu beurteilen, wenn ihm die hierfür erforderlichen Fakten mitgeteilt werden.

2. Der Widerspruch war daher bis zur nachträglichen Angabe der Anschrift des Antragstellers begründet, so dass es der Billigkeit entspricht, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen. Besondere Gesichtspunkte, die hier im Rahmen des § 91 a Abs. 1 ZPO eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.

Der Antragsteller weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Antragsgegner, der mit seinem Widerspruch ausschließlich die fehlende Angabe der Anschrift des Antragstellers moniert, sein Interesse an dieser Angabe nicht daraus herleiten kann, dass er möglicherweise Ansprüche gegen den Antragsteller zu vollstrecken habe und deswegen wissen müsse, wo er diesen finden könne; denn da er nach der einstweiligen Verfügung die Kosten des (Erlass-) Verfahrens zu tragen hat, hat er gegen den Antragsteller gar nichts zu vollstrecken. Das vermag aber einen Verzicht auf das Gebot der Angabe einer Anschrift des Antragstellers nicht zu rechtfertigen, selbst dann nicht, wenn dem Verfügungsantrag so vollständig entsprochen wird, dass die Antragsgegnerseite sämtliche Kosten des Erlassverfahrens zu tragen hat, und auch dann nicht, wenn - wie hier - der Antragsgegner die einstweilige Verfügung der Sache nach zu akzeptieren bereit ist und seinen Widerspruch nach Angabe der Anschrift nicht weiterverfolgt.

Die Möglichkeit zur Vollstreckung im Laufe des Verfahrens titulierter Forderungen ist, wie ausgeführt, nur einer der Gründe, die die Angabe der Anschrift des Antragstellers erforderlich machen, so dass allein auf diesen Gesichtspunkt nicht abgestellt werden darf. Hinzu kommt als gewichtiges Kriterium, dass einem Antragsgegner das Recht, sich gegen eine auf einen unzulässigen Antrag ergangene Entscheidung zur Wehr zu setzen, nicht genommen werden kann und darf. Dies schon deswegen nicht, weil er, sobald er die Unzulässigkeit erkennt, nicht wissen kann, ob es bei dieser Unzulässigkeit bleibt. So ist ja keineswegs ausgeschlossen, dass der Antragsgegner seinen Widerspruch nur auf das Fehlen der Angabe der Adresse des Antragstellers stützt und dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens sich weiterhin schlicht weigert, eine Anschrift anzugeben oder sich für seine Weigerung auf Gründe beruft, die das Gericht als nicht genügend ansieht, um von dem Erfordernis der Adressangabe ausnahmsweise abzusehen. Das Einlegen eines Rechtsbehelfs gegen eine auf fehlerhafter Grundlage ergangene Entscheidung kann in einem solchen Fall daher nicht als mutwillig in dem Sinne angesehen werden, dass derjenigen Partei, die den Verfahrensmangel gerügt hat, nach dessen Heilung die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn sie die Entscheidung nach Heilung dieses Mangels zu akzeptieren bereit ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: