Skip to content

OLG Frankfurt: Zwangsmittel bei erkennbarer Unvollständigkeit einer Auskunft wenn zur Auskunft Verpflichteter nicht alle zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten ausschöpft

OLG Frankfurt
Beschluss vom 08.08.2022
6 W 41/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Zwangsmittel bei erkennbarer Unvollständigkeit einer Auskunft gerechtfertigt sind, wenn der zur Auskunft Verpflichtete nicht alle zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf.

2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner über den Vorlieferanten der Schuhe keine vollständige Auskunft erteilt hat. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat er der Auskunftsverpflichtung nicht durch eine Negativerklärung genügt.

a) Ein Anspruch auf (ergänzende) Auskunftserteilung besteht nicht mehr, wenn der Schuldner eine formell ordnungsgemäße Auskunft erteilt hat. Ob die erteilte Auskunft richtig oder falsch ist, muss gegebenenfalls im Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geklärt werden. Bei erkennbarer Unvollständigkeit fehlt es jedoch an einer formell ordnungsgemäßen Auskunft. In diesem Fall ist der (titulierte) Anspruch auf Auskunft noch nicht vollständig erfüllt und er kann daher im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO weiterverfolgt werden (OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2016, 960 - unvollständige Auskunft; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.7.2005 - 6 W 6/05, Rn 3, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.8.2009 - 6 W 176/08, juris).

b) Der Antragsgegner hat zunächst über den Gerichtsvollzieher zwei Rechnungen übersandt mit dem Hinweis, die Schuhe seien einer der beiden Rechnungen zuzuordnen und bei einem der beiden Händler gekauft worden (Anlage Ast26). Es handelt sich um eine Rechnung vom 10.7.2018 von der Fa. A GmbH aus Stadt1 und um eine Rechnung vom 11.4.2019 von der Fa. B GmbH, ebenfalls aus Stadt1. Mit Schriftsatz vom 30.3.2022 hat sein Prozessbevollmächtigter ergänzend dargelegt, dass eine Identifizierung der Schuhe an Hand von Artikelnummern o.ä. nicht (mehr) möglich sei. Telefonische Nachforschungen bei den genannten Händlern hätten kein Ergebnis gebracht. Die Gesprächspartnerin der Fa. B GmbH sei der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen. Der Geschäftsführer der Fa. A GmbH habe keine weitere Auskunft in der Sache erteilen wollen.

c) Mit diesen Angaben genügt der Antragsgegner seiner Auskunftspflicht nicht.

aa) Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der mit der Verfügungsmarke gekennzeichneten Waren vorliegen, muss der Antragsgegner bei den in Betracht kommenden Vorlieferanten nachforschen. Der Schuldner hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information auszuschöpfen. Er hat seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und muss sich, wenn dies nicht ausreicht, gegebenenfalls durch Nachfrage bei seinen Lieferanten und Abnehmern um Aufklärung bemühen (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 - Parfumtestverkäufe). Der Auskunftsanspruch geht zwar nicht so weit, dass Nachforschungen bei Dritten vorzunehmen sind, um unbekannte Vorlieferanten erst zu ermitteln. Sind hingegen - wie hier - die möglichen Vorlieferanten bekannt, sind Zweifel durch Nachfrage bei den Lieferanten aufzuklären (BGH GRUR 2003, 433 - Cartier-Ring; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2021, 477 - Salami und Oliven). Erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels feststeht, können Nachforschungen unterbleiben. Hierzu bedarf es substantiierten und nachprüfbaren Vorbringens des Schuldners (Zöller/Seibel ZPO, 34. Auflage, § 888, Rn 11). Die bloße Angabe, weitere Nachforschungen bei den Vorlieferanten hätten keine Aussicht auf Erfolg, genügt nicht.

bb) Der Antragsgegner hat die ihm zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Eine bloße telefonische Nachfrage genügt in der Regel nicht. Die gilt besonders dann, wenn - wie bei der Fa. B GmbH - eine mündliche Verständigung mangels Sprachkenntnissen des Gesprächspartners nicht möglich ist. Vielmehr sind die in Betracht kommenden Lieferanten schriftlich um Überprüfung zu bitten, welche Schuh-Modelle der Rechnung zugrunde lagen und ob es die streitgegenständlichen waren. Bei in Deutschland ansässigen Unternehmen genügt es, wenn das Schreiben in deutscher Sprache verfasst wird. Wird das Schreiben nicht in angemessener Zeit beantwortet, ist ggf. unter Fristsetzung erneut nachzufragen.

Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 4.8.2022 in Reaktion auf den Nichtabhilfebeschluss darlegt, eine schriftliche Kontaktaufnahme sei sinnlos, weil die Fa. B GmbH unmissverständlich eine Kontaktaufnahme verweigert hätte, steht dieses Vorbringen in Widerspruch zu dem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 30.3.2022. Dort heißt es, die Kontaktaufnahme und Informationsbeschaffung sei daran gescheitert, dass die telefonische Gesprächspartnerin der deutschen Sprache nicht mächtig war. Das neue Vorbringen kann daher nicht berücksichtigt werden.

Eine schriftliche Kontaktaufnahme mit der Fa. B GmbH ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Handelsgeschäft bei Google als „vorrübergehend geschlossen“ bezeichnet wird. Der vom Antragsgegner daraus abgeleitete Schluss, der Geschäftsbetrieb sei (endgültig) eingestellt worden, ist nicht nachvollziehbar. Die Internetseite des Unternehmens ist nach wie vor mit sämtlichen Kontaktdaten erreichbar. Die GmbH ist auch nach wie vor im Handelsregister des AG Stadt2 eingetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso das Unternehmen postalisch nicht erreichbar sein soll.

cc) Anders liegt es bei der Fa. A GmbH. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hatte telefonisch Kontakt mit dem Geschäftsführer. Dieser äußerte, keine weiteren Auskünfte erteilen zu wollen. Er verwies außerdem darauf, dass er selbst von der Antragstellerin in der Vergangenheit wegen der Verfügungsmarke in Anspruch genommen worden sei. Es besteht daher keine Aussicht, dass er auf schriftliche Anfrage des Antragsgegners die Lieferung der streitgegenständlichen Schuhe einräumen und sich damit weiteren Ansprüchen aussetzen wird. Ein schriftliches Auskunftsersuchen wäre eine bloße “Förmelei“ ohne Erfolgsaussicht.

3. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Landgericht zunächst nicht seinen Schriftsatz vom 30.3.2022 berücksichtigt habe. Das Zwangsmittel war aus den dargelegten Gründen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz vom 30.3.2022 zu verhängen. Außerdem hat das Landgericht den Schriftsatz jedenfalls bei der Entscheidung über die Nichtabhilfe berücksichtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Minderung des Streitwerts für Unterlassungsklage wenn durch unzureichende Unterlassungserklärung Wiederholungsgefahr gemindert wurde

OLG Frankfurt
Beschluss vom 18.05.2017
6 W 41/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich der Streitwert für eine Unterlassungsklage mindert, wenn durch eine vorher abgegebene aber unzureichende Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt aber erheblich reduziert wurde.

Die Entscheidung:

Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Streitwert des Rechtsstreits erster Instanz wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Die zulässige Streitwertbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Interesse des Klägers an der Verfolgung der geltend gemachten Klageansprüche erscheint zum - für die Beurteilung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren maßgeblichen - Zeitpunkt der Klageeinreichung mit einem Streitwert von 20.000,- € ausreichend bemessen.

Das Landgericht ist zutreffend von einem erheblichen Wert der Klagemarke ausgegangen und hat auch den Angriffsfaktor zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung mit Recht als hoch eingestuft; insoweit kann auf die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 9.5.2017 Bezug genommen werden. Der Angriffsfaktor wird allerdings auch durch den Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Zuwiderhandlungen bestimmt (vgl. BGH GRUR 2016, 1275 [BGH 12.05.2016 - I ZR 1/15] - Tannöd, Tz. 35). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschl. v. 14.1.2015 - 6 W 106/15, juris, m.w.N.) kann es sich daher streitwertermäßigend auswirken, wenn der Verletzer vor der Klageeinreichung die Wiederholungsgefahr zwar nicht vollständig ausgeräumt, den Rechtsverstoß jedoch eingeräumt und durch sein Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass er die Beanstandung als berechtigt ansieht; eine solche deutliche Verminderung der Wiederholungsgefahr kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Verletzer bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, die lediglich den inhaltlichen Anforderungen an die Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht vollständig entspricht.

Bei Anwendung dieser Grundsätze muss auch im vorliegenden Fall von einer die Streitwertreduzierung rechtfertigenden Verminderung der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Der Beklagte hat auf die vorprozessuale Abmahnung vom 15.1.2016 hin unter dem 3.2.2016 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und einen Aufnahmeantrag beim Kläger gestellt. Die Unterlassungserklärung war zwar unzureichend, da nach deren Inhalt die Unterlassungsverpflichtung enden sollte, "wenn … die Voraussetzungen für die Aufnahme vorliegen"; dies konnte dahin verstanden werden, dass der Beklagte sich unabhängig von einer tatsächlich erfolgten Aufnahme in den Kläger und auch unabhängig von einem späteren Austritt zur Verwendung der Verfügungsmarke berechtigt hielt. Aus der nachfolgenden vorprozessualen Korrespondenz zwischen den Parteien bzw. ihren Anwälten ergab sich jedoch, dass der Beklagte grundsätzlich bereit war, dem Unterlassungsverlangen des Klägers nachzukommen. Dies rechtfertigt es, den Streitwert für das gerichtliche Verfahren - einschließlich der Folgeansprüche - auf 20.000,- € zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 III GKG.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist im Streitwertfestsetzungsverfahren kein Raum (§§ 68 I 5 i.V.m. 66 III 3 GKG).

VG Schleswig-Holstein: Rechtsbehelfsbelehrung ohne Hinweis auf mögliche Einlegung auf elektronischem Wege unzureichend - es gilt Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO

VG Schleswig-Holstein
Urteil vom 05.11.2015
1 A 24/15


Das VG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung ohne Hinweis auf eine mögliche Einlegung auf elektronischem Wege unzureichend ist und somit für die Widerspruchsfirst die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO gilt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: