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Irische Datenschutzbehörde: Bußgeld in Höhe von 345 Millionen EURO gegen TikTok wegen diverser Verstöße gegen die DSGVO

Die Irische Datenschutzbehörde hat ein Bußgeld in Höhe von 345 Millionen EURO gegen TikTok wegen diverser Verstöße gegen die DSGVO verhängt.

Die Pressemitteilung der Irish Data Protection Commission:
Irish Data Protection Commission announces €345 million fine of TikTok

The Data Protection Commission (DPC) adopted its final decision regarding its inquiry into TikTok Technology Limited (TTL) on 1 September 2023.

This own-volition inquiry sought to examine the extent to which, during the period between 31 July 2020 and 31 December 2020 (the Relevant Period), TTL complied with its obligations under the GDPR in relation to its processing of personal data relating to child users of the TikTok platform in the context of:

Certain TikTok platform settings, including public-by-default settings as well as the settings associated with the ‘Family Pairing’ feature; and
Age verification as part of the registration process.
As part of the inquiry, the DPC also examined certain of TTL’s transparency obligations, including the extent of information provided to child users in relation to default settings.

At the conclusion of its investigation, the DPC submitted a draft decision to all Supervisory Authorities Concerned (CSAs), for the purpose of Article 60(3) GDPR, on 13 September 2022. The DPC’s draft decision proposed findings of infringement of Articles 5(1)(c), 5(1)(f), 24(1), 25(1), 25(2), 12(1) and 13(1)(e) GDPR, in relation to the above processing. While there was broad consensus on the DPC’s proposed findings, objections to the draft decision were raised by the Supervisory Authorities (each an SA, collectively SAs) of Italy and Berlin (acting on behalf of itself and the Baden-Württemberg SA).

The objection raised by the Berlin SA sought the inclusion of an additional finding of infringement of the Article 5(1)(a) GDPR principle of fairness as regards ‘dark patterns’ while the objection raised by the Italian SA sought to reverse the DPC’s proposed finding of compliance with Article 25 GDPR, as regards TTL’s approach to age verification during the Relevant Period. The DPC was unable to reach consensus with the CSAs on the subject-matter of the objections and, in the circumstances, decided to refer the objections to the EDPB for determination pursuant to the Article 65 GDPR dispute resolution mechanism.

The European Data Protection Board adopted its binding decision on the subject matter of the objections on 2 August 2023 with a direction that the DPC must amend its draft decision to include a new finding of infringement of the Article 5(1)(a) GDPR principle of fairness, further to the objection raised by the Berlin SA, and to extend the scope of the existing order to bring processing into compliance, to include reference to the remedial work required to address this new finding of infringement.

The DPC’s decision, which was adopted on 1 September 2023, records findings of infringement of Articles 5(1)(c), 5(1)(f), 24(1), 25(1), 25(2), 12(1), 13(1)(e) and 5(1)(a) GDPR. The decision further exercises the following corrective powers:

A reprimand;
An order requiring TTL to bring its processing into compliance by taking the action specified within a period of three months from the date on which the DPC’s decision is notified to TTL; and
Administrative fines totalling €345 million.
For more information, the EDPB has published the Article 65 decision and the final decision on its website.


Die vollständige Entscheidung finden Sie hier:

OVG Rheinland-Pfalz: DSGVO steht Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 20.06.2023
7 B 10360/23


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Vorgaben der DSGVO der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen stehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


AG München: Benachrichtigung über Datenschutzverstoß nach Art. 34 DSGVO genügt nicht um Schadensersatzanspruch nach Art 82 DSGVO schlüssig darzulegen und zu beweisen

AG München
Urteil vom 03.08.2023
241 C 10374/23

Das AG München hat entschieden, dass der Erhalt einer Benachrichtigung über einen Datenschutzverstoß nach Art. 34 DSGVO nicht genügt, um einen Schadensersatzanspruch nach Art 82 DSGVO schlüssig darzulegen und zu beweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags in Ziffer 2. unzulässig, im Übrigen aber zulässig.

Ein Feststellungsinteresse liegt bezüglich des Antrags Ziffer 2. nicht vor. Bei Vermögensschäden bedarf es für die Zulässigkeit der Klage der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Urteil vom 26.07.2018 – ZR 274/16, NJW-RR 2018, 1301 Rn. 20, beck-online). Der Kläger als Anspruchsteller hat die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt. Vorliegend ist den Ausführungen des Klägers nicht zu entnehmen, welche Nachteile ihm drohen könnten, zumal seit dem Abgreifen der Daten bereits 3 Jahre verstrichen sind, ohne dass es zu einem Missbrauch der Daten gekommen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso jetzt mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen wäre.

2. Die Klage ist in Ziffer 1. unbegründet

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens in Höhe von mindestens 1 .OOO € gegen die Beklagte gem. Art. 82 DGSVO.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen trägt der Anspruchsberechtigte (Rn 51 zu Art.82 DS-GVO, BeckOK Datenschutzrecht, 44. Auflage, 01.05.2023, beck-online).

Trotz Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2023 hat der Kläger weder dargelegt, welche Pflichtverletzung nach der DSGVO er der Beklagten vorwirft, noch welcher konkrete, immaterielle Schaden hierdurch eingetreten sein soll.

Aus dem Schreiben vom 19.10.202 folgt nicht ein vorheriger Verstoß der Beklagten gegen die DGSVO. Die Benachrichtigungspflicht gem. Art.34 DSGVO setzt eine „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ gem. Art. 4 Nr. 12 DSGVO voraus. Auf ein Verschulden oder eine Mitverursachung durch den Verantwortlichen kommt es hierbei nicht an (Rn 23 zu Art. 34 DGSVO, BeckOK Datenschutzrecht, 01.02.2022, 44 Auflage, beck-online)

Selbst wenn ein Verstoß gegen die DSGVO vorgelegen hätte, führt der Datenschutzverstoß an sich nicht zu einem Ersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO, da der „Verstoß gegen diese Verordnung“ und der „Schaden“ zwei unterschiedliche Tatbestandsmerkmale der Vorschrift sind. Auch reicht der bloße Kontrollverlust über Daten nicht für das Vorliegen eines Schadens aus.

b) Mangels konkreten Schadens steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen nach dem BGB zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-GRURRS-B-2023-N-20971?hl=true

OLG Düsseldorf: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO setzt Nachweis eines konkreten ggf. auch immateriellen Schadens voraus

OLG Düsseldorf
Urteil vom 09.03.2023
16 U 154/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO den Nachweis eines konkreten ggf. auch immateriellen Schadens voraussetzt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht – in dem für das Berufungsverfahren noch relevanten Umfang – weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Vielmehr hat das Landgericht die Klage mit weitgehend zutreffender und überzeugender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zunächst kein Anspruch auf weitergehende Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO zu. Insoweit hat das Landgericht mit zutreffender und in jeder Hinsicht überzeugender Begründung, der sich der Senat nach eigener Würdigung vollumfänglich anschließt, eine Erfüllung dieses ursprünglich bestehenden und vom Landgericht auch zutreffend angenommenen Anspruchs bejaht. Dabei geben die Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren lediglich noch Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Entgegen der Ansicht des Klägers sind die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19 – aufgestellten Grundsätze für die Bejahung der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs, die das Landgericht zutreffend dargestellt und auf den zugrunde liegenden Streitfall angewandt hat, vorliegend gegeben. Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch demnach grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/18, juris, Rn. 19). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann kann der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20).

Hier hat die Beklagte dem Kläger im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens letztlich Auskunft in Form der Anlage B11 erteilt. Die Übermittlung dieser unstreitig auch der Form des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO genügenden Unterlagen war verbunden mit der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten, über weitergehende Unterlagen bzw. den Kläger betreffende personenbezogene Daten nicht zu verfügen. Einzige Ausnahme bilden nach Auskunft der Beklagten dabei Unterlagen der Rechtsabteilung, die sich auf die Kommunikation im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Rechtsstreit, u.a. auch zwischen der Beklagten und deren Prozessvertretern, beziehen. Auf eine Auskunft über diese Kommunikation hat der Kläger aber bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 05.05.2021 verzichtet, weshalb die Frage des Eingreifens einer etwaigen Bereichsausnahme für entsprechende Unterlagen vorliegend keiner Erörterung bedarf. Bereits diese, die Vorlage der Anlage B11 begleitenden Angaben der Beklagten belegen nach Auffassung des Senats aber eindeutig, dass die Beklagte sich grundsätzlich zur umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet sah. Vor diesem Hintergrund ist sodann ihre – nicht einmal nur konkludent, sondern sogar ausdrücklich erfolgte – Vollständigkeitserklärung zu werten. Hinzu kommt, dass sich die begleitende Erklärung der Beklagten auch ausdrücklich zu den Vertragsverhältnissen verhielt, hinsichtlich derer der Kläger vorträgt, dass weitere Unterlagen mit Blick auf die Aufbewahrungspflicht gemäß § 147 Abs. 1 AO vorhanden sein müssten. Insoweit verkennt der Kläger bei seiner Argumentation aber bereits, dass der Umstand, dass etwas nach den gesetzlichen Vorgaben vorhanden sein bzw. aufbewahrt werden müsste, nichts dazu aussagt, dass dem auch tatsächlich genügt worden ist. Zudem ist dieser Umstand nicht geeignet, die von der Beklagten in Kenntnis ihrer umfassenden Auskunftspflicht abgegebene Vollständigkeitserklärung in Zweifel zu ziehen. Vielmehr handelt es sich insoweit allenfalls um einen Umstand, der im Zusammenhang mit der Frage der Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung Bedeutung erlangen kann (siehe dazu unten). Bereits aus diesem Grund hat das Landgericht hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Frage der Erfüllung des Auskunftsanspruchs in nicht zu beanstandender Weise von der Einvernahme des Datenschutzbeauftragten der Beklagten abgesehen. Hierin lag entgegen der Auffassung des Klägers mithin auch keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Soweit der Kläger zudem Zweifel daran äußert, dass das Landgericht die Anlage B11 hinreichend bei seiner Entscheidung gewürdigt habe, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Behauptung ins Blaue hinein, die durch keinerlei Tatsachen belegt oder auch nur gestützt wird. Im Gegenteil verhalten sich die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe ausdrücklich zu Anlage B11. Hieran vermag auch der Umstand, dass die Anlage B11 im Zusammenhang mit der Berufungseinlegung zunächst versehentlich nicht vom Landgericht an das Oberlandesgericht übermittelt worden ist, nichts zu ändern. Denn dieses Übermittlungsversehen hat keinerlei Aussagegehalt in Bezug auf die Frage, ob dem erstinstanzlichen Gericht die Anlage B11 bei seiner Entscheidung tatsächlich vorlag.

2. Dem Kläger steht, wie das Landgericht ebenfalls im Ergebnis und mit zum Teil überzeugender Begründung ausgeführt hat, auch kein Anspruch aus Art. 82 DS-GVO gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens wegen einer verzögerlichen und unvollständigen Datenauskunftserteilung zu (vgl. zum Ganzen, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20, juris, Rn. 64 ff.).

Nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DS-GVO. Die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen nach Auffassung des Senats nicht vor, da es jedenfalls an der Darlegung des Eintritts eines Schadens bei dem Kläger fehlt, worauf bereits das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung zumindest auch abgestellt hat.

Die Frage, ob bereits der Datenschutzverstoß als solcher für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs ausreicht oder es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (auch: immateriellen) Schadens bedarf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. Nachweise zum Streitstand: OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 68). Sowohl der österreichische Oberste Gerichtshof (Vorabentscheidungsersuchen vom 12.05.2021, ZD 2021, S. 631, wobei der Gerichtshof die Auffassung vertritt, es sei der Nachweis eines Schadens erforderlich) als auch das Bundesarbeitsgericht (Vorabentscheidungsersuchen vom 26.08.2021, 8 AZR 253/20-A, wobei das BAG den Nachweis eines Schadens nicht für notwendig hält) haben die hiermit zusammenhängenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Senat folgt im Ergebnis der Auffassung, wonach über den festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften des DS-GVO hinaus Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld der Nachweis eines konkreten (auch immateriellen) Schadens ist. Hierfür spricht zunächst bereits der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, der über den Verstoß hinaus ausdrücklich die Entstehung eins Schadens („...Schaden entstanden ist") voraussetzt. Dieser Differenzierung im Wortlaut hätte es nicht bedurft, wenn bereits der Verstoß als solcher konstitutiv für den Anspruch wäre. Hätte der Verordnungsgeber eine nur an den Rechtsverstoß anknüpfende, vom Nachweis eines konkreten Schadens unabhängige Zahlungspflicht anordnen wollen, hätte es zudem demgegenüber nahegelegen, dies - wie z.B. im Luftverkehrsrecht gem. Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO (EG) 261/2004 - durch Pauschalen zu regeln (vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 70 m.w.N.; OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2022 – 5 U 2141/21, juris, Rn. 73 f., m.w.N.). In dem Erwägungsgrund 146 S. 3 zu der DS-GVO heißt es zwar, dass der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der Anspruch soll nach Erwägungsgrund 146 S. 6 sicherstellen, dass die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Das schließt ein, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen. Der Begriff des Schadens in Art. 82 DS-GVO ist autonom auszulegen, mithin kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Schaden nach nationalem Recht als Schaden angesehen werden könnte. Auch hiernach ist der Schaden jedoch nicht mit der zugrunde liegenden Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen. Denn ausdrücklich muss der Schaden „erlitten" werden, woraus folgt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird. Der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DS-GVO reicht daher nicht aus (OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 71; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2021, 17 Sa 37/20, juris, Rn. 96 m.w.N.).

Das Vorliegen eines konkreten - immateriellen - Schadens, etwa Ängste oder starken Stress, hat der Kläger vorliegend nicht dargetan. Soweit der Kläger im Rahmen seiner Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 07.04.2021 vorträgt, erschöpfen sich seine Ausführungen in der Darlegung des Datenschutzverstoßes – also einer verzögerlichen und seiner Ansicht nach unvollständigen Datenauskunftserteilung – ohne irgendwelche hierdurch bedingte Einbußen oder Beeinträchtigungen immaterieller Art aufzuzeigen. Diesen Vortrag ergänzt der Kläger auch zweitinstanzlich nicht. Vielmehr beruft er sich auch in der Berufungsbegründung letztlich auf seine – von dem Senat aus den vorstehend dargestellten Erwägungen nicht geteilte – Ansicht, wonach allein der Datenschutzverstoß in der vorliegenden Konstellation einen Schaden begründe. Ergänzend verweist er auf seinen – wie dargestellt – bereits erstinstanzlich unzureichenden Vortrag. Nichts anderes gilt, soweit er im Schriftsatz vom 21.01.2023 einen „Kontrollverlust über die Daten“ als Schaden anführt. Dies stellt lediglich eine Umschreibung des von ihm geltend gemachten Gesetzesverstoßes dar, aber keinen davon zu unterscheidenden Schaden immaterieller oder materieller Art. Da sich die Ausführungen des Klägers letztlich im Wesentlichen auf die Darlegung seiner abweichenden Rechtsauffassung, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur beschränken, aber keinerlei Tatsachenvortrag enthalten, der geeignet wäre, einen etwaigen immateriellen Schaden konkret des Klägers zu belegen, vermag der Senat, der – ebenso wie das Landgericht – zum Erfordernis der Darlegung eines Schadens eine vom Kläger abweichende Rechtsauffassung vertritt, auch keine Verletzung dessen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu erkennen.

Auf den konkreten Umfang des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO und darauf, ob entgegen dem Landgericht die unter Berücksichtigung der in Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verzögerliche Aukunftserteilung eine taugliche Verletzungshandlung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO darstellt (vgl. dazu: OLG Köln, Urteil vom 14.07.2022 – 15 U 137/21, juris, Rn. 24; Quaas, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 41. Edition, Stand: 01.08.2022, Art. 82 DS-GVO, Rn. 14), kommt es nach dem Vorstehenden an dieser Stelle mithin nicht entscheidungserheblich an.

3. Soweit der Kläger erstmals mit der Berufungsbegründung hilfsweise die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung betreffend die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Datenauskunft beantragt, ist die hierin liegende Klageänderung zwar zulässig, jedoch dringt der Kläger mit seinem Begehren in der Sache auch insoweit nicht durch.

a. Die Klageänderung ist zunächst gemäß § 533 ZPO zulässig. Zwar hat die Beklagte insoweit ausdrücklich nicht eingewilligt (§ 533 Nr. 1, 1. Alt. ZPO), jedoch ist diese nach Auffassung des Senats vorliegend sachdienlich (§ 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO). Bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit sind die beiderseitigen Interessen zu bewerten und abzuwägen. Es kommt auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderenfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist (vgl. Wulf, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK, 47. Edition, Stand 01.12.2022, § 533 Rn. 11). Das ist vorliegend zu bejahen, da die Frage der Erfüllung bzw. deren Umfang weiterhin zwischen den Parteien in Streit steht. Auch die Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO ist vorliegend gegeben. Danach hängt die Zulässigkeit einer zweitinstanzlichen Klageänderung davon ab, dass sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Maßgeblich ist gemäß § 529 i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO mithin der erstinstanzliche Sach- und Streitstand (vgl. Rimmelspacher, in: MüKo/ZPO, 6. Auflage 2020, § 533 Rn. 14). Vorliegend stand die Frage der Erfüllung des Auskunftsanspruchs bzw. einer vollständigen Erfüllung bereits erstinstanzlich zwischen den Parteien in Streit, sodass die für die Entscheidung des klageerweiternd geltend gemachten Anspruchs maßgeblichen Umstände bereits erstinstanzlich Gegenstand der Erörterung gewesen sind.

b. In der Sache kann der Kläger von der Beklagte aber nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB nicht die Abgabe der begehrten eidesstattlichen Versicherung verlangen. Hiernach hat der Verpflichtete die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben auf Verlangen an Eides statt zu versichern, wenn die Besorgnis besteht, dass diese nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind. Erforderlich sind insoweit mithin Unvollständigkeit der Rechnungslegung / Auskunft und dass dies auf mangelnder Sorgfalt des Verpflichteten beruht. Beide Punkte müssen nicht feststehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit ein auf Tatsachen gründender Verdacht, die der Berechtigte darlegen und notfalls beweisen muss (vgl. Krüger, in: MüKo/BGB, 9. Auflage 2022, § 260 Rn. 47, § 259 Rn. 38 f.). Daran fehlt es vorliegend im Ergebnis jedoch.

So ist nach Auffassung des Senats bereits die Unvollständigkeit der erteilten Auskunft nicht hinreichend substantiiert dargetan. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang das Vorhandensein weiterer Unterlagen mit der Aufbewahrungspflicht des § 147 Abs. 1 AO begründet, verkennt er bereits, dass das Bestehen einer entsprechenden Aufbewahrungspflicht nichts über den Umfang einer tatsächlich erfolgten Aufbewahrung und Speicherung aussagt. Eine Auskunftspflicht kann sich dabei aber von vornherein nur auf tatsächlich aufbewahrte und gespeicherte Unterlagen und Daten beziehen. In diesem Zusammenhang ist mit Blick auf den Umfang der tatsächlich erteilten Auskunft für den Senat nicht ansatzweise erkennbar, dass und weshalb die Beklagte weitergehende Vertragsunterlagen zu den genannten Kundennummern, die sie selbst bestätigt hat, nicht herausgeben sollte, sondern letztlich „lieber“ einen etwaigen Verstoß gegen ihre Pflichten gemäß § 147 AO einräumen sollte. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte das Vorhandensein weiterer Unterlagen, zu deren Herausgabe sie nicht bereit war – Stichwort: Rechtsabteilung –, eingeräumt hat. Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass allein der Pflichtenverstoß der Beklagten gegen § 147 AO einen Verdacht auf die Unvollständigkeit im Sinne der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB begründet, wäre auch insoweit dem Beweisangebot des Klägers auf Einvernahme der Datenschutzbeauftragten der Beklagten nicht nachzugehen, da es jedenfalls an einer hinreichend substantiierten Darlegung etwaiger Tatsachen fehlt, nach denen davon auszugehen wäre, dass die – unterstellt unvollständige – Auskunftserteilung als solche auf mangelnder Sorgfalt der Beklagten beruht. Im Gegenteil. So bemängelt der Kläger wiederholt über das gesamte Verfahren hinweg die administrative Organisation der Beklagten. Dies wird sogar noch belegt durch die wiederholten unberechtigten Abbuchungen von dessen Konto, die ebenfalls Gegenstand eines zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrags gewesen sind. All dies mag für durchaus gravierende Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit ihrer Organisation, der Datenerfassung und –aufbewahrung, insbesondere auch der Achtung gesetzlicher Pflichten wie solchen gemäß § 147 AO sprechen, ist aber in keiner Weise geeignet, Zweifel dahingehend zu begründen, dass die Beklagte nicht sämtliche bei ihr vorhandene Daten und Unterlagen letztlich vollständig – also abgesehen von den, seitens des Klägers nicht begehrten Unterlagen der Rechtsabteilung – herausgegeben hat. Der sich aus dem Vortrag des Klägers allenfalls hinreichend substantiiert ergebende Vorwurf belegt mithin jedenfalls keine mangelnde Sorgfalt bei der Erteilung der Auskunft, sondern ggfls. im Vorfeld.

Damit kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage eines Eingreifens der §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 3 BGB ebenso wenig an wie darauf, ob § 260 Abs. 2 BGB überhaupt auf einen Anspruch aus Art. 15 DS-GVO anwendbar ist (aufgeworfen von: BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, juris, Rn. 34).

4. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung in keiner Weise zu beanstanden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision hat gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO teilweise zu erfolgen: Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Ansprüche des Klägers auf Zahlung eines Schadenersatzes liegt eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor, da die Voraussetzungen des Geldentschädigungsanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO und das Verständnis dieser Vorschrift bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind und sich nicht unmittelbar aus den Regelungen der DS-GVO ergeben (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, Rn. 20).

Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs war die Zulassung der Revision hingegen nicht geboten, weil die Rechtssache insoweit keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 1 ZPO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, juris Rn. 4; Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02, juris, Rn. 5). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2010 – 1 BvR 381/10, juris, Rn. 12). Die Frage, wann ein Auskunftsanspruch erfüllt ist, hat der BGH zwischenzeitlich in dem hier zugrunde gelegten Sinne entschieden. Ob im konkreten Fall Erfüllung eingetreten ist, ist dagegen eine Frage des Einzelfalls.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 39, 43, 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 2.400,00 € festgesetzt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Haftung und Höhe des Schadensersatzes nach Art. 82 DGVO richten sich nicht nach dem Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 25.05.2023
C‑667/21


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass sich Haftung und Höhe des Schadensersatzes nach Art. 82 DGVO nicht nach dem Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters richten.

Ergebnis des EuGH-Generalanwalts:
Art. 9 Abs. 2 Buchst. h und Abs. 3 sowie Art. 82 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung),

sind dahin auszulegen, dass

es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse nicht untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten.

Sie lassen eine Ausnahme vom Verbot der Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten zu, wenn diese Verarbeitung zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers erforderlich ist; dabei sind die in Art. 5 genannten Grundsätze sowie eine der in Art. 6 der Verordnung 2016/679 genannten Bedingungen für die Rechtmäßigkeit einzuhalten.

Der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters ist weder für deren Haftung noch für die Bemessung der Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 zu ersetzenden immateriellen Schadens von Bedeutung.

Die Beteiligung der betroffenen Person an dem Umstand, aus dem sich die Verpflichtung zum Schadenersatz ergibt, kann je nach Lage des Falles zu einer Befreiung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters von der Haftung gemäß Art. 82 Abs. 3 der Verordnung 2016/679 führen.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


LG München: Weitergabe von Positivdaten an SCHUFA durch Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 verstößt gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO und ist rechtswidrig

LG München
Urteil vom 25.04.2023
33 O 5976/22


Das LG München hat entschieden, dass die Weitergabe von Positivdaten an die SCHUFA durch den Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO verstößt und somit rechtswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die streitgegenständliche Datenübertragung personenbezogener Daten (vgl. Anlage K 3) stellt eine Zuwiderhandlung gegen Art. 5, 6 DSGVO dar. Gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 DSGVO normierten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Übermittlung der sog. Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien, wie im Streitfall an die SCHUFA (vgl. Anlage K3), erfolgt ohne Rechtsgrundlage.

a. Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden. Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien.

Soweit ein solcher Vertragsschluss unter Weitergabe von Positivdaten schlicht weniger risikobehaftet ist, begründet dies nicht die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung im Rechtssinne.

b. Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.

aa. Die Kammer legt bei ihrer gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO zu treffenden Abwägung zugrunde, dass verschiedene Interessen grundsätzlich auch für die Übermittlung von sog. Positivdaten sprechen.

Allen voran ist insoweit die auch aus Sicht der Beklagten als Verantwortliche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO hervorgehobene Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich zu nennen, welche u. a. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten bzw. die Verhinderung eines Identitätsdiebstahls durch den Abgleich mit Positivdaten erreicht werden soll.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten und einer frühzeitigen Kundenbindung sowie einer höheren Abschlussquote (wegen gesteigerter Annahmequoten) dient.

Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden.

Gleiches gilt für das wirtschaftliche Interesse von Dritten, hier der Auskunftei, deren Geschäftsmodell auf der Einmeldung von Daten im Gegenseitigkeitsprinzip basiert, an der Funktionsfähigkeit von Auskunfteien und der Genauigkeit von Scores.

Auch die von der Beklagten für die Betroffenen angeführten Interessen, etwa günstigere Vertragskonditionen durch eine Verbesserung des Scorewerts der Betroffenen, der Möglichkeit der besseren Gewichtung von Negativeinträgen, einem Schutz vor Überschuldung und einer (erweiterten) Möglichkeit zum Abschluss von Erstverträgen, können für die vorzunehmende Abwägung als gegeben unterstellt werden.

bb. Inwieweit die Meldung von Positivdaten als Mittel zur Wahrung der genannten Interessen tatsächlich geeignet ist, kann im Streitfall dahinstehen, denn zur Wahrung dieser Interessen wählt die Beklagte mit der Übermittlung der Positivdaten jedenfalls nicht das erforderliche und verhältnismäßige Mittel aus, sondern die aus ihrer Sicht effektivste Methode. Dies ist unzulässig.

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EuGH: Fehlende Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO und fehlendes Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO führt nicht zur Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten

EuGH
Urteil vom 04.05.2023
C‑60/22


Der EuGH hat entschieden, dass eine fehlende Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO und ein fehlendes Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO nicht zur Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten führt.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

sind dahin auszulegen, dass

der Verstoß eines Verantwortlichen gegen die Pflichten aus den Art. 26 und 30 dieser Verordnung über den Abschluss einer Vereinbarung zur Festlegung der gemeinsamen Verantwortung für die Verarbeitung bzw. das Führen eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten keine unrechtmäßige Verarbeitung darstellt, die der betroffenen Person ein Recht auf Löschung oder auf Einschränkung der Verarbeitung verleiht, weil dieser Verstoß als solcher nicht bedeutet, dass der Verantwortliche gegen den Grundsatz der „Rechenschaftspflicht“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung verstößt.

2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher gegen seine Pflichten aus den Art. 26 oder 30 der Verordnung 2016/679 verstoßen hat, die Einwilligung der betroffenen Person keine Voraussetzung dafür darstellt, dass die Berücksichtigung dieser Daten durch ein nationales Gericht rechtmäßig ist.

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EuGH: DSGVO-Verstoß begründet nicht automatisch einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO - aber keine Erheblichkeitsschwelle

EuGH
Urteil vom 04.05.2023
C-300/21
Österreichische Post (Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten)


Der EuGH hat entschieden, dass ein DSGVO-Verstoß nicht automatisch einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO begründet. Es kommt aber nicht darauf an, dass ein Erheblichkeitsschwelle überschritten wird.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen,
dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.

2. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen,
dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat.

3. Art. 82 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen,
dass die nationalen Gerichte bei der Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes, der aufgrund des in diesem Artikel verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet wird, die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden haben, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schadenersatzanspruch

Der Schadenersatzanspruch hängt jedoch nicht davon ab, dass der entstandene immaterielle Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht.

Ab dem Jahr 2017 sammelte die Österreichische Post Informationen über die politischen Affinitäten der österreichischen Bevölkerung. Mit Hilfe eines Algorithmus definierte sie anhand sozialer und demografischer Merkmale „Zielgruppenadressen“. Aus den so gesammelten Daten leitete die Österreichische Post ab, dass ein bestimmter Bürger eine hohe Affinität zu einer bestimmten österreichischen politischen Partei habe. Die verarbeiteten Daten wurden jedoch nicht an Dritte übermittelt.

Der betroffene Bürger, der der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht zugestimmt hatte, behauptet, er habe dadurch, dass ihm eine besondere Affinität zu der fraglichen Partei zugeschrieben worden sei, großes Ärgernis und einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürt. Als Ersatz des ihm angeblich entstandenen immateriellen Schadens begehrt er vor den österreichischen Gerichten die Zahlung von 1 000 Euro.

Der österreichische Oberste Gerichtshof äußerte Zweifel in Bezug auf den Schadensersatzanspruch, den die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 für den Fall vorsieht, dass wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob der bloße Verstoß gegen die DSGVO ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, und ob für den Ersatz der entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreichen muss. Des Weiteren möchte es wissen, welche unionsrechtlichen Vorgaben für die Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes bestehen.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass der in der DSGVO vorgesehene Schadenersatzanspruch eindeutig an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft ist: einen Verstoß gegen die DSGVO, einen materiellen oder immateriellen Schaden, der aus diesem Verstoß resultiert, und einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Demnach eröffnet nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO für sich genommen den Schadenersatzanspruch. Eine andere Auslegung liefe dem klaren Wortlaut der DSGVO zuwider. Zudem führt nach dem Wortlaut der Erwägungsgründe der DSGVO, die speziell den Schadenersatzanspruch betreffen, ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden und muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem entstandenen Schaden bestehen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Somit unterscheidet sich die Schadenersatzklage von anderen in der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfen – insbesondere von jenen, die die Verhängung von Geldbußen erlauben –, für die das Vorliegen eines individuellen Schadens nicht nachgewiesen werden muss. Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass der Schadenersatzanspruch nicht auf immaterielle Schäden beschränkt ist, die eine gewisse Erheblichkeit erreichen. In der DSGVO wird ein solches Erfordernis nicht erwähnt, und eine solche Beschränkung stünde zu dem vom Unionsgesetzgeber gewählten weiten Verständnis des Begriffs „Schaden“ im Widerspruch. Würde der Ersatz eines immateriellen Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte dies zudem die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen. Die graduelle Abstufung, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, könnte nämlich je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen.

Als Drittes und Letztes stellt der Gerichtshof zu den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes fest, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich diesen Regeln widmet. Daher sind die Ausgestaltung von Klageverfahren, die den Schutz der dem Einzelnen insoweit aus der DSGVO erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, und insbesondere die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des in diesem Rahmen geschuldeten Schadenersatzes Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind. In diesem Zusammenhang betont der Gerichtshof die Ausgleichsfunktion des in der DSGVO vorgesehenen Schadenersatzanspruchs und weist darauf hin, dass dieses Instrument einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll.


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EuGH-Generalanwalt: Unmittelbare Verhängung einer Geldbuße gegen juristische Person nach Art. 83 Abs. 4-6 DSGVO möglich - § 30 OWiG gilt nicht

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom
C-807/21


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträge zu dem Ergebnis, dass die unmittelbare Verhängung einer Geldbuße gegen juristische Person nach Art. 83 Abs. 4-6 DSGVO möglich ist. § 30 OWiG greift insoweit nicht.

Das Ergebnis der Schlussanträge:
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Kammergericht Berlin (Deutschland) wie folgt zu antworten:

Art. 58 Abs. 2 Buchst. i der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) in Verbindung mit Art. 4 Nr. 7 und Art. 83 dieser Verordnung

ist dahin auszulegen, dass

die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist, nicht von der vorherigen Feststellung eines Verstoßes durch eine oder mehrere individualisierte natürliche Person(en), die im Dienst dieser juristischen Person stehen, abhängt.

Die Verwaltungsgeldbußen, die gemäß der Verordnung 2016/679 verhängt werden können, setzen voraus, dass festgestellt wird, dass das den geahndeten Verstoß begründende Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig war.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

OLG Dresden: Juristische Personen haben keine Ansprüche nach der DSGVO - Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO und Erwägungsgrund 14 S. 2 DSGVO

OLG Dresden
Urteil vom 14.03.2023
4 U 1377/22


Das OLG Dresden hat entschieden, dass juristische Personen keine Ansprüche nach der DSGVO haben und verweist auf den Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO und Erwägungsgrund 14 S. 2 DSGVO.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ansprüche nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO können sich juristische Personen wie die Klägerin nicht auf die in der DSGVO enthaltenen Ansprüche berufen. Vielmehr betrifft der Schutz der dort genannten „personenbezogenen Daten“ nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (“betroffene Person“) beziehen. Dass der Schutz der DSGVO sich nicht auf juristische Personen bezieht, ergibt sich in gleicher Weise aus Erwägungsgrund 14 S. 2 DSGVO, der klarstellt, dass der „durch diese Verordnung gewährte Schutz [...] für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten natürlicher Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gelten [soll]. Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person.“. Ob etwas anderes gilt, wenn ein unmittelbar auf eine juristische Person bezogenes Datum zugleich eine natürliche Person betrifft, wie es zB bei der Ein-Personen-GmbH der Fall ist (so etwa Sydow/Marsch DS-GVO/BDSG/Ziebarth, 3. Aufl. 2022, DS GVO Art. 4 Rn. 13), kann dahinstehen. Vorliegend enthaltenen die streitgegenständlichen E-Mails zwar auch Daten, die den Geschäftsführer der Klägerin betreffen. Ansprüche macht die Klägerin jedoch allein im eigenen Namen geltend. Ob, wie die Klägerin meint, Artikel 6, 17 und 83 DSGVO Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB bedarf hier daher schon deswegen keiner Entscheidung, weil eine mögliche Schutzwirkung sich allein auf natürliche Personen beziehen könnte.

2. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf das Bundesdatenschutzgesetz stützen. Zwar stellt sie als juristische Person des privaten Rechts eine nichtöffentliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 4 BDSG dar und ist damit Verpflichtete im Sinne des BDSG. Für nicht öffentliche Stellen gilt das Gesetz für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, es sei denn, die Verarbeitung durch natürliche Personen erfolgt zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten, § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Der Umstand, dass die Klägerin als nicht-öffentliche Stelle verpflichtet ist, die von ihr erhobenen Daten ihrer Arbeitnehmer zu schützen, führt aber nicht zu einem eigenen - im BDSG nicht geregelten - Anspruch der Klägerin als juristische Person gegen einen Dritten. Unabhängig davon, dass die Vorschriften des BDSG gem. § 46 Nr. 1 BDSG ebenfalls nur den Schutz„personenbezogener Daten“, d.h. aller Informationen normieren, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen, enthält das BDSG keine Grundlage, aus der sich Ansprüche privater Arbeitgeber gegen private Dritte herleiten ließen. Die von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen §§ 26, 42, 43 und 53 BDSG sind bereits tatbestandlich nicht einschlägig. § 26 BDSG schützt nicht die Klägerin als juristische Person, sondern die personenbezogenen Daten ihrer Beschäftigten und regelt,für welche Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses personenbezogene Daten verarbeitetwerden dürfen. §§ 42 und 43 BDSG enthalten Straf- und Bußgeldvorschriften und stellen ebenfalls kein Schutzgesetz zu Gunsten der Klägerin dar. § 53 BDSG regelt, dass die mit der
Datenverarbeitung befassten Personen die personenbezogenen Daten nicht unbefugt verarbeiten dürfen.

3. Eine Anspruchsgrundlage folgt insofern auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften des BDSG. Diese können zwar grundsätzlich Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen, jedoch nur zugunsten des betroffenen Einzelnen (Grüneberg-Sprau, BGB, 82. Aufl. § 823 Rn 65). Das BDSG gilt in seinem Anwendungsbereich seit Inkrafttreten der DSGVO überdies nur ergänzend zu deren Vorschriften. Aufgrund der unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit der DSGVO (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und ihres Anwendungsvorrangs verbleibt dem nationalen Recht nunmehr nur dann ein Anwendungsbereich, wenn der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eingeschränkt ist oder wenn der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten durch eine Öffnungsklausel die Befugnis zur Konkretisierung der DSGVO oder Abweichung von ihren Regelungen eingeräumt hat.). Die Betroffenenrechte bei der Verletzung personenenbezogener Daten hat der Europäische Gesetzgeber aber in den Art. 12-22 DSGVO abschließend geregelt und hierbei juristische Personen ausdrücklich ausgenommen. Dieser Anwendungsvorrang würde indes unterlaufen, wenn man aus der Verpflichtung einer nichtöffentlichen Stelle in Verbindung mit §§ 823, 1004 BGB eine Anspruchsgrundlage zugunsten juristischer Personen ableiten würde, mit deren die Verarbeitung unternehmensbezogener Daten in datenschutzrechtlicher Hinsicht untersagt werden könnte.

4. Aufgrund dieser Sperrwirkung kann sich die Klägerin für die von ihr geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht berufen. Grundsätzlich genießen allerdings auch juristische Personen des Privatrechtes zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz. Sie nehmen an diesem Recht insoweit teil, als sie aufgrund ihres Wesens und ihrer individuellen Funktion dieses Rechtsschutzes bedürfen; insbesondere ist dies der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 16.01.2018 - 4 W 1066/17, Rn. 9 - juris; vgl. Sprau, in: Grüneberg, 82. Aufl., § 823 Rn. 91). Die Schutzdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind indes einzelfallbezogen im Abgleich mit den Grundrechten Dritter zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 –, BVerfGE 152, 152-215, Rn. 81). Vom Schutzgehalt der Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Klägerin aber als juristische Person nicht umfasst; da dieser Schutzgehalt sich auch verfassungsrechtlich allein auf natürliche Personen (“den Schutz des Einzelnen“) bezieht, deren freie Entfaltung es sicherstellen will, indes keinen gesamthaften Schutzanspruch hinsichtlich jederlei Umgangs mit Informationen enthält (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 Rn 84, 89 - Recht auf Vergessen 1). Ein darüber hinausgehender äußerungsrechtlicher Schutzgehalt, auf den sich auch juristische Personen berufen können, ist hier nicht ersichtlich. Bei den Mitteilungen in den E-Mails handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht im Streit steht. Sie sind auch nicht ehrenrührig und geeignet, das unternehmerische Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.



EuGH-Generalanwalt: SCHUFA-Scoring ist Profiling im Sinne der DSGVO und zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 16.03.2023
C-634/21 SCHUFA Holding u. a. (Scoring)
und den verbundenen Rechtssachen
C-26/22 und C-64/22 SCHUFA Holding u. a. (Restschuldbefreiung)


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das SCHUFA-Scoring Profiling im Sinne der DSGVO ist. Zudem äußert sich der EuGH-Generalanwalt zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus durch Wirtschaftsauskunfteien.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pikamäe: Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ist ein Profiling im Sinne der DSGVO

Rechtsverbindliche Beschlüsse einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde müssten gerichtlich umfassend überprüfbar sein

Die Rechtssache C-634/21 betrifft einen Rechtsstreit zwischen einem Bürger und dem Land Hessen, vertreten durch den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (im Folgenden: HBDI), hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, die darin besteht, ihre Kunden mit Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter zu versorgen, lieferte die SCHUFA Holding AG einem Kreditinstitut einen Score-Wert in Bezug auf diesen Bürger. Dieser Score-Wert diente als Grundlage für die Verweigerung des von diesem Bürger beantragten Kredits. Der Bürger forderte daraufhin die SCHUFA auf, die darauf bezogene Eintragung zu löschen und ihm Zugang zu den entsprechenden Daten zu gewähren. Die SCHUFA teilte ihm jedoch nur den entsprechenden Score-Wert und in allgemeiner Form die der Methode zur Berechnung des Score-Wertes zugrunde liegenden Grundsätze mit. Sie erteilte ihm aber keine Auskunft darüber, welche konkreten Informationen in diese Berechnung eingeflossen waren und welche Bedeutung ihnen in diesem Zusammenhang beigemessen wurde und begründete dies damit, dass die Berechnungsmethode dem Geschäftsgeheimnis unterliege.

Soweit der betroffene Bürger geltend macht, dass die Ablehnung seines Ersuchens durch die SCHUFA gegen Datenschutzrecht verstoße, wird der Gerichtshof vom Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht, über die Beschränkungen zu entscheiden, die die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der wirtschaftlichen Tätigkeit von Auskunfteien im Finanzsektor, insbesondere bei der Datenverwaltung, auferlegt, sowie über die Bedeutung, die dem Geschäftsgeheimnis zuzuerkennen ist. Der Gerichtshof wird auch den Umfang der Regelungsbefugnisse zu präzisieren haben, die dem nationalen Gesetzgeber durch einige Bestimmungen der DSGVO abweichend von dem mit diesem Rechtsakt verfolgten allgemeinen Harmonisierungszweck übertragen werden.

In seinen Schlussanträgen führt Generalanwalt Priit Pikamäe zunächst aus, dass die DSGVO ein „Recht“ der betroffenen Person verankere, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden.

Der Generalanwalt stellt sodann fest, dass die Voraussetzungen, denen dieses Recht unterliege, erfüllt seien, da:

1. das fragliche Verfahren ein „Profiling“ darstelle,
2. die Entscheidung rechtliche Wirkungen gegenüber der betroffenen Person entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige und
3. davon auszugehen sei, dass die Entscheidung ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhe.

Die Bestimmung der DSGVO, in der dieses Recht vorgesehen sei, sei somit unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens anwendbar.

Der Generalanwalt unterstreicht, dass die betroffene Person nach einer anderen Bestimmung der DSGVO das Recht habe, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht nur die Bestätigung zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht, sondern auch andere Informationen wie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling, aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die Verpflichtung, „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ bereitzustellen, dahin zu verstehen sei, dass sie hinreichend detaillierte Erläuterungen zur Methode für die Berechnung des Score-Wertes und zu den Gründen umfasst, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Generell sollte der Verantwortliche der betroffenen Person allgemeine Informationen übermitteln, vor allem zu bei der Entscheidungsfindung berücksichtigten Faktoren und deren Gewichtung auf aggregierter Ebene, die der betroffenen Person auch für die Anfechtung von „Entscheidungen“ im Sinne der Bestimmung der DSGVO, in der das Recht verankert sei, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung, einschließlich Profiling, beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, nützlich seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass bereits die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer betroffenen Person, künftig einen Kredit zu bedienen, eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhende Entscheidung darstelle, die der betroffenen Person gegenüber rechtliche Wirkung entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige, wenn dieser mittels personenbezogener Daten der betroffenen Person ermittelte Wert von dem Verantwortlichen an einen dritten Verantwortlichen übermittelt werde und jener Dritte nach ständiger Praxis diesen Wert seiner Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit der betroffenen Person maßgeblich zugrunde lege.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat zwei weitere Vorabentscheidungsersuchen zur DSGVO vorgelegt (Rechtssachen C-26/22 und C-64/22). Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Bürgern und dem Land Hessen, vertreten durch den HBDI, über Anträge dieser Bürger beim HBDI auf Löschung einer Eintragung betreffend eine Restschuldbefreiung bei der SCHUFA. Im Rahmen der diese Bürger betreffenden Insolvenzverfahren wurde ihnen mit gerichtlichen Beschlüssen eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt. Dieser Umstand wurde im Internet amtlich veröffentlicht, und der Eintrag nach sechs Monaten gelöscht. Die SCHUFA speichert solche veröffentlichten Informationen über vorzeitige Restschuldbefreiungen in ihrem Datenbestand, löscht sie aber erst drei Jahre nach der Eintragung. Die vom nationalen Gericht gestellten Fragen betreffen unter anderem die Rechtsnatur der Entscheidung der mit einer Beschwerde befassten Aufsichtsbehörde sowie den Umfang der gerichtlichen Kontrolle, die das Gericht im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine solche Entscheidung ausüben kann. Die Rechtssachen betreffen auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Speicherung personenbezogener Daten aus öffentlichen Registern bei Wirtschaftsauskunfteien.

In seinen Schlussanträgen weist Generalanwalt Pikamäe als Erstes darauf hin, dass sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung aus einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen ergeben müsse, wobei die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten überwiegen müssten. Die Aufsichtsbehörde, die nach der DSGVO jede etwaige Beschwerde der betroffenen Person wegen Verletzung ihrer Grundrechte zu behandeln habe, habe zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verarbeitung erfüllt seien. Sollte diese Person schließlich gemäß der DSGVO einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss der Aufsichtsbehörde einlegen, obliege es den nationalen Gerichten, eine wirksame gerichtliche Kontrolle sicherzustellen. Nach Ansicht des Generalanwalts unterliegt ein rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle in der Sache, wodurch die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs gewährleistet werde.

Als Zweites führt der Generalanwalt aus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nach der DSGVO unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig sei:

- erstens müsse von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem oder den Dritten, denen die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden,
- zweitens müsse die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und
- drittens dürften die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen.

Herr Pikamäe merkt an, dass die erheblichen negativen Folgen, die die Speicherung der Daten für die betroffene Person nach Ablauf des fraglichen Zeitraums von sechs Monaten haben werde, gegenüber dem geschäftlichen Interesse des privaten Unternehmens und seiner Kunden an der Speicherung der Daten nach diesem Zeitraum zu überwiegen scheinen. In diesem Kontext sei hervorzuheben, dass die gewährte Restschuldbefreiung dem Begünstigten ermöglichen solle, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken zu speichern, nachdem diese Daten aus dem öffentlichen Register gelöscht worden seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass die Speicherung der Daten durch eine private Wirtschaftsauskunftei nicht auf der Grundlage der Bestimmung der DSGVO, in der die oben genannten Voraussetzungen aufgeführt sind, rechtmäßig sein könne, wenn die personenbezogenen Daten über eine Insolvenz aus den öffentlichen Registern gelöscht worden seien. Was den Zeitraum von sechs Monaten betrifft, in dem die personenbezogenen Daten auch in öffentlichen Registern verfügbar seien, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, die angeführten Interessen und Auswirkungen auf die betroffene Person gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, ob die parallele Speicherung dieser Daten durch private Wirtschaftsauskunfteien auf dieser Grundlage rechtmäßig sei.

Als Drittes unterstreicht der Generalanwalt, dass die DSGVO vorsehe, dass die betroffene Person das Recht habe, zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten gelöscht werden, wenn sie Widerspruch gegen die Verarbeitung einlege und wenn diese Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien. Nach Ansicht des Generalanwalts hat die betroffene Person in einem solchen Fall daher das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es ausnahmsweise vorrangige berechtigte Gründe für die Verarbeitung gebe.


Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:
C634/21
C26/22 und C64/22

ArbG Oldenburg: 10.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für ehemaligen Arbeitnehmer wegen unterbliebener Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO durch Arbeitgeber

ArbG Oldenburg
Urteil 09.02.2023
3 Ca 150/21


Das Arbeitsgericht Oldenburg hat einem ehemaligen Arbeitnehmer 10.000 EURO immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unterbliebener Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO durch den Arbeitgeber zugesprochen. Die Auskunftserteilung war über 20 Monate nicht erfolgt und das Gericht hielt 500 EURO pro Monat für angemessen. Das Gericht ist der Ansicht, dass Art. 82 DSGVO abschrecken und generalpräventiv wirken soll.


OLG Hamm: 100 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für versehentliche Weiterleitung personenbezogener Daten per E-Mail-Verteiler an 1200 Personen durch Impfzentrum

OLG Hamm
Urteil vom 20.01.2023
11 U 88/22


Das OLG Hamm hat entschieden, dass 100 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für die versehentliche Weiterleitung personenbezogener Daten per E-Mail-Verteiler an 1200 Personen durch ein Impfzentrum angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit das Landgericht den dem Kläger zum Ausgleich des ihm entstandenen immateriellen Schadens zustehenden Betrag mit 100,00 Euro bemessen hat, ist hiergegen aus Sicht des Senats nichts zu erinnern.

Ausgehend von dem bereits dargestellten Schadensbegriff gelten bei der Bemessung der Schadenshöhe die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; der Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen (OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2022 – 5 U 2141/21, juris Rn. 81). Hierbei ist der Erwägungsgrund 146 S. 3 und 6 zur DS-GVO zu berücksichtigen, wonach der Begriff des Schadens auf eine Art und Weise auszulegen ist, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht und die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten sollen. Ergänzend können auch in Art. 83 Abs. 2 DS-GVO genannte Kriterien herangezogen werden, obwohl diese Vorschrift nicht die Geltendmachung individueller Entschädigungsansprüche sondern die Verhängung von Geldbußen betrifft; dies gilt insbesondere für Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung von Art, Umfang oder Zweck der betreffenden Verarbeitung, den Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des entstandenen Schadens, frühere Verstöße sowie die Kategorie der betroffenen personenbezogenen Daten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2021 – 16 U 275/20, juris Rn. 55 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2022 – 3 U 21/20, juris Rn. 56; Quaas, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 42. Edition, Stand 01.08.2022, Art. 82 DS-GVO Rn. 31).

aa) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die in der Excel-Datei enthaltenen personenbezogenen Daten des Klägers, nämlich vollständiger Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefonnummer und E-Mail-Adresse sowie der für die Impfung vorgesehene Impfstoff und das Datum der Impfung sowie Angaben zur Anzahl der Impfungen in ihrer Gesamtheit ein Datenbündel darstellen, welches problemlos die Identifizierung des Klägers ermöglicht. Auch sind hier nicht lediglich personenbezogene Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO betroffen, sondern auch Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 4 Nr. 15 DS-GVO, welche grundsätzlich besonders sensibel sind, wie auch Art. 9 DS-GVO deutlich macht.

Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass die Excel-Datei an eine Vielzahl von Personen übersandt wurde. Insoweit hat die Beklagte im Senatstermin klargestellt, dass der Versand an insgesamt 1.200 Personen erfolgte, wobei allerdings ein unmittelbar nach dem Versand erfolgter Rückruf der E-Mail in 500 Fällen Erfolg hatte. Damit haben 700 Personen die Datei erhalten und konnten deren Inhalt auch zur Kenntnis nehmen, da die Datei nicht vor einem einfachen Zugriff geschützt war. Auch ist zu berücksichtigen, dass dieser Versand und damit die Offenbarung der Daten nicht mehr rückgängig zu machen ist. Denn der Kläger hatte bzw. hat keine Möglichkeit, eine etwaige Weitergabe der Daten effektiv zu verhindern oder auch nur zu kontrollieren. Trotz des von der Beklagten unternommenen Versuches, die Empfänger der E-Mail zur Löschung der Datei zu veranlassen, kann eine Weitergabe dieser Dateien an Dritte nicht ausgeschlossen werden.

Damit besteht für den Kläger das Risiko des Erhalts unerwünschter Werbung insbesondere per E-Mail oder von Phishing-E-Mails mit dem Ziel, auf diese Art weitere Informationen vom Kläger zu erlangen. Auch die Möglichkeit eines Identitätsdiebstahls ist ebenso in Betracht zu ziehen wie die Auslösung kostenpflichtiger Bestellungen durch Dritte unter Verwendung der personenbezogenen Daten des Klägers.

Es ist aber auch zu beachten, dass es sich bei den offenbarten personenbezogenen Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO lediglich um solche Daten handelt, welche der Sozialsphäre des Klägers zuzuordnen sind. Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, also insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums. Demgegenüber umfasst die Privatsphäre sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird. Dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 16). Nach dieser Maßgabe sind jedenfalls die personenbezogenen Daten des Klägers, die zur Beschreibung seiner Person dienen, der Sozialsphäre zuzuordnen. Demgegenüber waren von dem Verstoß nicht besonders sensible Daten wie etwa Bank- oder Steuerdaten, Zugangsdaten und Kennwörter oder ähnliche Daten betroffen. Soweit Gesundheitsdaten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 15 DS-GVO offenbart wurden, sind diese zwar der Privatsphäre zuzurechnen. Allerdings darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass insbesondere im Hinblick auf den weiten Begriff der Gesundheitsdaten auch hier deren konkreter Inhalt zu berücksichtigen ist. Aus den offenbarten Daten lässt sich allenfalls das Fehlen einer Kontraindikation in der Person des Klägers bezüglich einer zweiten Impfung nach erfolgter Erstimpfung ableiten, nicht aber konkrete Schlüsse auf eine Erkrankung des Klägers oder eine besondere gesundheitliche Disposition. Damit stellt sich die Offenbarung der Gesundheitsdaten hier als weit weniger schwerwiegend dar, als dies etwa bei der Offenbarung spezifischer Gesundheitsdaten wie eines medizinischen Befundes oder einer ärztlichen Diagnose der Fall wäre.

Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass der vom Kläger beanstandete Versand der die personenbezogenen Daten des Klägers enthaltenden Datei von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt bezweckt war. Denn im Zuge des Betriebs des Impfzentrums benötigte die Beklagte die Datei einmalig für kurze Zeit zum Zwecke der Organisation des Impfzentrums, namentlich um die von der Änderung der Öffnungszeiten betroffenen Personen hierüber zu informieren. Der Versand der Datei beruhte auf einem Versäumnis der handelnden Mitarbeiter im Zug des Versands der E-Mail an die von der Änderung der Öffnungszeiten betroffenen Personen, war aber zu keinem Zeitpunkt intendiert.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit dem Betrieb des Impfzentrums und den damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen hat und insbesondere nicht mit der Absicht handelte, hierbei in irgendeiner Weise Gewinne zu erzielen. Auch der Versand der E-Mail vom 00.00.2021 stand in keinerlei Zusammenhang mit einer gewinnorientierten Tätigkeit.

Ferner ist der geringe Grad des Verschuldens auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen. Insoweit geht der Senat lediglich von einem fahrlässigen Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten aus, welche die E-Mail abgesandt haben. Soweit der Kläger hier von einem vorsätzlichen Verstoß ausgeht, hat er schon nicht dargelegt, welche Umstände die Annahme von Vorsatz rechtfertigen sollten. Auch soweit der Kläger meint, es greife insoweit ein Beweis des ersten Anscheins ein, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beweiswürdigungsregel des Anscheinsbeweises ist nur bei regelmäßigen (typischen) Geschehensabläufen anwendbar, die nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweisen (vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 4. Auflage 2019, Kap. 17 Rn. 10). Es ist schon nicht erkennbar, welcher typischen Geschehensablauf hier aufgrund von Erfahrungssätzen den Schluss auf ein vorsätzliches Verhalten erlauben soll. Allein der Versand einer E-Mail mit einem zuvor nicht entfernten Anhang kann zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, die Übersendung der angehängten Datei sei vorsätzlich erfolgt. Im Hinblick auf die Darstellung der Beklagten von den Abläufen, die zum Versand der E-Mail nebst angehängter Excel-Datei geführt haben und die der Kläger auch im Senatstermin nicht in Abrede gestellt hat, ist die Annahme vorsätzlichen Verhaltens fernliegend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass den betroffenen Mitarbeitern der Beklagten und damit auch der Beklagten allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass nicht ersichtlich ist, dass es bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall zu einem vergleichbaren Verstoß gekommen ist und sich dieser anlässlich des Versands der E-Mail vom 00.00.2021 wiederholt hätte.

Schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um den infolge des Verstoßes aufgetretenen Schaden gering zu halten. So wurde unmittelbar nach dem Versand der Mail der Versuch des Rückrufs der E-Mail unternommen, was bei insgesamt 500 Adressaten auch erfolgreich war. Ferner hat die Beklagte auch die Empfänger der E-Mail aufgerufen, die Daten zu löschen. Darüber hinaus hat die Beklagte den Kläger – sowie alle anderen Betroffenen – bereits kurz nach dem Verstoß mit Schreiben vom 05.08.2021 über diesen und über die offenbarten Daten informiert. Nachdem die Beklagte zudem Kenntnis davon erlangt hatte, dass sich eine Europäische Zentrale für Verbraucherschutz per E-Mail an den Kläger und andere Betroffene gewandt hatte, kam es nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten auf deren Betreiben auch zu einem Abschalten der Internetseite Webseite01.

Darüber hinaus hat die Beklagte sich mit Schreiben vom 05.08.2021 beim Kläger entschuldigt und den Vorfall der Aufsichtsbehörde angezeigt.

bb) Die Tatsache, dass der Kläger auf Facebook als Befürworter der Impfung aufgetreten ist und sich aus dem Profil auch Tag und Monat seines Geburtsdatums ablesen lassen, ist für die Bemessung der dem Kläger zuzusprechenden immateriellen Entschädigung demgegenüber lediglich von untergeordneter Bedeutung. Dies insbesondere deshalb, da die so durch den Kläger offenbarten Daten lediglich einen kleinen Teil der infolge des der Beklagten zuzurechnenden Datenschutzverstoßes offenbarten Daten repräsentieren, damit auch nicht ohne weiteres eine Identifizierung der Person des Klägers ermöglichen und der Kläger zudem auch eine Kontrolle über diese Daten innehat, die er jederzeit löschen kann.

cc) Im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Ersatzanspruchs wegen immaterieller Schäden ist die an den Kläger versandte E-Mail vom 18.08.2021 von Bedeutung. Denn insoweit geht es nicht mehr nur um die bloße Sorge des Klägers vor den Folgen eines Datenschutzverstoßes und des darauf beruhenden Kontrollverlusts; vielmehr hat sich das in dem Datenschutzverstoß liegende Risiko hier bereits verwirklicht. Allerdings ist zu sehen, dass es sich lediglich um eine E-Mail handelt. Weitere konkrete Beeinträchtigungen über den eingetreten Kontrollverlust hinaus, die sich als Folge der Offenbarung der personenbezogenen Daten des Klägers darstellen, hat der Kläger im Senatstermin am 09.12.2022 verneint, sie werden angesichts der seit dem Datenverstoß bereits verstrichenen Zeit auch zunehmend weniger wahrscheinlich. Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf militante Impfgegner auf eine von diesen ausgehende Gefahr körperlicher oder sonstiger Übergriffe aufgrund des Umstands hinweisen will, dass der Kläger selbst eine Impfung befürwortet, hat sich insoweit kein Anhaltspunkt für eine konkrete Beeinträchtigung aufgrund des Datenschutzverstoßes ergeben.

dd) Soweit der Kläger geltend macht, der vom Landgericht zuerkannte Betrag von 100,00 Euro sei eher symbolischer Natur und habe keinerlei Abschreckungseffekt, so vermag der Senat dem nicht beizutreten.
153
Im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 S. 3 zur DS-GVO sollen Schadenersatzforderungen zwar abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv gemacht werden (Schaffland/Holthaus, in: Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Stand: August 2022, Art. 82 DS-GVO Rn. 10b). Auch vermag sich ein Abschreckungseffekt vielleicht nicht aus dem dem Kläger zuerkannten Betrag ergeben. Allerdings ist hier in den Blick zu nehmen, dass der der Beklagten zuzurechnende Verstoß gegen die DS-GVO hier nicht lediglich den Kläger betrifft, sondern eine Vielzahl weiterer Personen, deren personenbezogene Daten ebenfalls in der übermittelten Excel-Datei enthalten waren. Insoweit gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Datei Daten von insgesamt 13.000 Personen enthielt. Dieser Umstand bietet jedenfalls das Potenzial, das sich aus Ansprüchen vieler Betroffener ein durchaus messbarer finanzieller Schadensbetrag bei der Beklagten einstellt.

ee) Eine Erhöhung der Entschädigung ist auch nicht im Hinblick auf eine Sanktionswirkung der Entschädigung angezeigt.

Das für die konkrete Bemessung der Höhe maßgebliche deutsche Recht (vgl. Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Art. 82 Rn. 17) kennt – anders als die Rechtsordnungen anderer Staaten – keinen Strafschadensersatz. Eine wie auch immer geartete Sanktionswirkung neben dem Ausgleich eines konkret entstandenen immateriellen Schadens ist daher bei der Bemessung der dem Kläger zustehenden Entschädigung nicht in Betracht zu ziehen. Insoweit bestimmt Art. 83 DS-GVO, dass die zuständige Aufsichtsbehörde im Falle eines Verstoßes gegen die DS-GVO neben einem etwaigen individuellen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO eine Geldbuße verhängen kann.

ff) Unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen hält der Senat bei einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falles und seiner Besonderheiten im Hinblick auf den eingetretenen dauerhaften Kontrollverlust und den Erhalt einer unerwünschten E-Mail den durch das Landgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 100,00 Euro für angemessen, aber auch ausreichend, um den beim Kläger eingetretenen immateriellen Schaden nach Maßgabe des in der DS-GVO geregelten Schadensersatzanspruchs zu kompensieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Vorlagebeschluss liegt im Volltext vor - BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor

BAG
Beschluss vom 22.09.2022
8 AZR 209/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor - Immaterieller Schadensersatz bei Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses" über die Entscheidung berichtet.

Tenor der Entscheidung:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist eine nach Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie etwa § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, im Folgenden BDSG -, in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten – von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen unter Beachtung von Art. 88 Abs. 2 DSGVO zulässig ist, dahin auszulegen, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind?

2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:

Darf eine nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie § 26 Abs. 4 BDSG – dahin ausgelegt werden, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist?

3. Sofern die Frage zu 2. bejaht wird:

Worauf darf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

5. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtigt werden?

6. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen unzulässiger Speicherung personenbezogener Daten allenfalls in Höhe von 50 EURO gerechtfertigt

OLG Hamm
Beschluss vom 19.12.2022
11 W 69/22


Das OLG Hamm hat im vorliegenden Fall entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen unzulässiger Speicherung personenbezogener Daten allenfalls in Höhe von 50 EURO gerechtfertigt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Unabhängig von den fehlenden Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs kommt ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß Art. 82 DSGVO infrage.

Dass die Bestimmungen dieser EU-Verordnung von der Beklagten zu beachten waren, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Ihr sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 DSGVO) ist eröffnet, nachdem die Beklagte personenbezogene Daten des Klägers gespeichert hat. Es liegt auch ein Verstoß gegen die Vorschriften dieser Verordnung vor, weil die Speicherung der Daten gem. Art. 17 Abs. 1a DSGVO unzulässig war.

Im Rahmen der europarechtlich auszulegenden Verordnung - diese verlangt aufgrund des Erwägungsgrundes 146 S. 3 eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, die den Zielen der Datenschutzgrundverordnung in vollem Umfang entspricht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.1.2021, 1 BvR 2853/19, NJW 2021, S. 105 Rz. 19 - ist derzeit ungeklärt, ob immaterieller Schadensersatz zu versagen ist, wenn es an einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.1.2021, 1 BvR 2853/19, NJW 2021, S. 105 Rz. 20; auch Quaas in BeckOK Datenschutzrecht, Wolf/Brink, 42. Edition, Stand 01.08.2022, Art. 82 DSGVO Rz. 33 m.w.Nachw.). Diese Frage ist in einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht zulasten der antragstellenden Partei zu beantworten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008, 1 BvR 1807/07, NJW 2008, S. 1060), sondern im Hauptsacheverfahren einer Klärung zuzuführen.

Deswegen kommt Prozesskostenhilfe für einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO im vorliegenden Fall grundsätzlich in Betracht.

Allerdings ergibt sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt kein Gesichtspunkt, der eine Schmerzensgeldzahlung von über 50,00 € rechtfertigen könnte. Dies auch dann, wenn man zugunsten des Klägers eine weite, europarechtliche Auslegung des Schadensbegriffes zugrunde legt, die neben einem individuellen Ausgleich wegen der Schutzgutverletzung, eine den Verstoß feststellende Genugtuungsfunktion und letztendlich auch eine generalpräventive Einwirkung auf den Schädiger in die Betrachtung einbezieht, vgl. insoweit auch OLG Koblenz, Urteil vom 18. Mai 2022, 5 U 2141/21, juris Rz. 80. Zu bewerten sind in der Sache insoweit dieselben Gesichtspunkte, die im Rahmen der Amtshaftung die Bewertung rechtfertigen, dass eine dort zu berücksichtigende Bagatellgrenze nicht überschritten worden ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: