OLG Köln: Keine Dringlichkeit für einstweilige Verfügung im Urheberrecht wenn Verletzungshandlung eingestellt wurde
OLG Köln
Beschluss vom 12.04.2021
6 W 98/20
Das OLG Köln hat entschieden, dass keine Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung im Urheberrecht besteht, wenn die Verletzungshandlung eingestellt wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
"II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller dürfte zwar ein Verfügungsanspruch zustehen aus §§ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a, 72 UrhG, weil die Antragsgegnerin den Eindruck erweckt hat, dass alle nicht gesondert gekennzeichneten Inhalte auf der streitgegenständlichen Internetseite der Antragsgegnerin – wie das Lichtbild des Antragstellers - aus ihrem Hause stammten und ihr zuzuordnen seien. Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund.
Ein Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO besteht in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wessentlich erschwert werden könnte (G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10 m.w.N.). Es ist durch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 14.8.2020 glaubhaft gemacht, dass er erst am 16.7.2020 Kenntnis von der Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbildes auf der im Antrag und Tenor wiedergegebenen Internetseite erhalten hat. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 14.8.2020 beim Landgericht eingegangen. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller die Verfolgung seiner Rechte nachdrücklich betrieben hat.
Die Antragsgegnerin hat jedoch am 30.7.2020, also vor Beantragung der einstweiligen Verfügung, wie durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht und letztlich unstreitig gestellt, nachträglich einen auf den Antragsteller lautenden Urhebervermerk am streitgegenständlichen Lichtbild einfügen lassen. Eine aktuelle Rechtsverletzung des Antragstellers liegt derzeit nicht vor. Zwar führt materiell-rechtlich die bloße Einstellung oder Beendigung eines Verstoßes nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Die bereits begangene Verletzungshandlung indiziert die Wiederholungsgefahr; insoweit besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. nur BGH GRUR 2014, 706 – Reichweite des Unterlassungsgebots – juris Rn.12). Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Verfügungsgrundes jedoch nicht schon aus der materiellrechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10). Im Rahmen des Verfügungsgrundes kann die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur das Hauptsacheverfahren bleibt (vgl. Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. § 97 Rn. 114; Köhler in: KBF, UWG, 39. Aufl. § 12 Rn. 2.18 für zeitbedingte Verstöße; ebenso: Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139 m.w.N.).
Dies gilt jedenfalls für das Urheberrecht. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG greift hier nicht. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und ggfls. glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG Nürnberg, GRUR#RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit zwar auch ohne Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben (vgl. Senat BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR 2007, 184; Senat WRP 2014, 1085). Im vorliegenden Fall dauert die Rechtsverletzung jedoch nicht mehr an, sodass es Sache des Antragstellers gewesen wäre, näher vorzutragen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich ist. Allein dass die Wiederholungsgefahr weiter besteht, genügt nicht. Denn zur Bejahung der Wiederholungsgefahr bedarf es keiner zeitlichen Komponente. Für die Wiederholungsgefahr ist der Zeitpunkt einer etwaigen weiteren Rechtsverletzung irrelevant (vgl. Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139). Für die Frage des Verfügungsgrundes hingegen ist die zeitliche Komponente, also ob zeitnah eine Wiederholung droht, von entscheidender Bedeutung. Wenn die Antragsgegnerin nach der Abmahnung den Urhebervermerk nachträglich einfügen lässt, besteht aufgrund der vorangegangenen Verletzungshandlung zwar grundsätzlich weiter die Vermutung zukünftiger Rechtsverletzungen, also die Wiederholungsgefahr. Dafür jedoch, dass eine zukünftige Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin nicht nur als solche wahrscheinlich, sondern auch konkret in unmittelbar zeitlicher Nähe stattfinden wird, sodass ein Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden könnte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen. Für die zeitliche Nähe einer weiteren Rechtsverletzung besteht, anders als für die Wiederholungsgefahr, auch keine tatsächliche Vermutung. Insoweit wäre es Sache des Antragstellers gewesen näher darzutun, weshalb es ihm, obwohl die Rechtsverletzung bereits eingestellt worden ist, dennoch unzumutbar ist, im Hauptsacheverfahren eine abschließende Klärung herbeizuführen. Soweit er auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 21.8.2020 im Schriftsatz vom 7.9.2020 nähere Ausführungen macht, beziehen sich diese im Wesentlichen auf das Fortbestehen der materiell-rechtlichen Wiederholungsgefahr trotz rein tatsächlicher Aufgabe der Verletzungshandlung, wobei er von einem Gleichlauf von Wiederholungsgefahr und Verfügungsgrund ausgeht mit Ausnahme der zögerlichen Verfolgung durch den Verletzten selbst. Da ein solcher Gleichlauf bei zeitbedingten Verstößen (etwa anlässlich von Jubiläen) und bei Aufgabe einer Verletzungshandlung ausscheiden kann, hätte es weiteren Vortrags zur Dringlichkeit bedurft.
Der Antragsteller ist auch nicht schutzlos dem Willen oder der Willkür des Verletzers ausgesetzt. Sollte die Antragsgegnerin den Urhebervermerk vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens tatsächlich wieder entfernen und dadurch die Rechtsverletzung wiederholen, wäre damit eine zeitnahe Wiederholung der Rechtsverletzung offensichtlich und dann ein Verfügungsgrund unproblematisch gegeben.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Beschluss vom 12.04.2021
6 W 98/20
Das OLG Köln hat entschieden, dass keine Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung im Urheberrecht besteht, wenn die Verletzungshandlung eingestellt wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
"II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller dürfte zwar ein Verfügungsanspruch zustehen aus §§ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a, 72 UrhG, weil die Antragsgegnerin den Eindruck erweckt hat, dass alle nicht gesondert gekennzeichneten Inhalte auf der streitgegenständlichen Internetseite der Antragsgegnerin – wie das Lichtbild des Antragstellers - aus ihrem Hause stammten und ihr zuzuordnen seien. Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund.
Ein Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO besteht in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wessentlich erschwert werden könnte (G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10 m.w.N.). Es ist durch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 14.8.2020 glaubhaft gemacht, dass er erst am 16.7.2020 Kenntnis von der Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbildes auf der im Antrag und Tenor wiedergegebenen Internetseite erhalten hat. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 14.8.2020 beim Landgericht eingegangen. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller die Verfolgung seiner Rechte nachdrücklich betrieben hat.
Die Antragsgegnerin hat jedoch am 30.7.2020, also vor Beantragung der einstweiligen Verfügung, wie durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht und letztlich unstreitig gestellt, nachträglich einen auf den Antragsteller lautenden Urhebervermerk am streitgegenständlichen Lichtbild einfügen lassen. Eine aktuelle Rechtsverletzung des Antragstellers liegt derzeit nicht vor. Zwar führt materiell-rechtlich die bloße Einstellung oder Beendigung eines Verstoßes nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Die bereits begangene Verletzungshandlung indiziert die Wiederholungsgefahr; insoweit besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. nur BGH GRUR 2014, 706 – Reichweite des Unterlassungsgebots – juris Rn.12). Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Verfügungsgrundes jedoch nicht schon aus der materiellrechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10). Im Rahmen des Verfügungsgrundes kann die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur das Hauptsacheverfahren bleibt (vgl. Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. § 97 Rn. 114; Köhler in: KBF, UWG, 39. Aufl. § 12 Rn. 2.18 für zeitbedingte Verstöße; ebenso: Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139 m.w.N.).
Dies gilt jedenfalls für das Urheberrecht. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG greift hier nicht. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und ggfls. glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG Nürnberg, GRUR#RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit zwar auch ohne Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben (vgl. Senat BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR 2007, 184; Senat WRP 2014, 1085). Im vorliegenden Fall dauert die Rechtsverletzung jedoch nicht mehr an, sodass es Sache des Antragstellers gewesen wäre, näher vorzutragen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich ist. Allein dass die Wiederholungsgefahr weiter besteht, genügt nicht. Denn zur Bejahung der Wiederholungsgefahr bedarf es keiner zeitlichen Komponente. Für die Wiederholungsgefahr ist der Zeitpunkt einer etwaigen weiteren Rechtsverletzung irrelevant (vgl. Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139). Für die Frage des Verfügungsgrundes hingegen ist die zeitliche Komponente, also ob zeitnah eine Wiederholung droht, von entscheidender Bedeutung. Wenn die Antragsgegnerin nach der Abmahnung den Urhebervermerk nachträglich einfügen lässt, besteht aufgrund der vorangegangenen Verletzungshandlung zwar grundsätzlich weiter die Vermutung zukünftiger Rechtsverletzungen, also die Wiederholungsgefahr. Dafür jedoch, dass eine zukünftige Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin nicht nur als solche wahrscheinlich, sondern auch konkret in unmittelbar zeitlicher Nähe stattfinden wird, sodass ein Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden könnte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen. Für die zeitliche Nähe einer weiteren Rechtsverletzung besteht, anders als für die Wiederholungsgefahr, auch keine tatsächliche Vermutung. Insoweit wäre es Sache des Antragstellers gewesen näher darzutun, weshalb es ihm, obwohl die Rechtsverletzung bereits eingestellt worden ist, dennoch unzumutbar ist, im Hauptsacheverfahren eine abschließende Klärung herbeizuführen. Soweit er auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 21.8.2020 im Schriftsatz vom 7.9.2020 nähere Ausführungen macht, beziehen sich diese im Wesentlichen auf das Fortbestehen der materiell-rechtlichen Wiederholungsgefahr trotz rein tatsächlicher Aufgabe der Verletzungshandlung, wobei er von einem Gleichlauf von Wiederholungsgefahr und Verfügungsgrund ausgeht mit Ausnahme der zögerlichen Verfolgung durch den Verletzten selbst. Da ein solcher Gleichlauf bei zeitbedingten Verstößen (etwa anlässlich von Jubiläen) und bei Aufgabe einer Verletzungshandlung ausscheiden kann, hätte es weiteren Vortrags zur Dringlichkeit bedurft.
Der Antragsteller ist auch nicht schutzlos dem Willen oder der Willkür des Verletzers ausgesetzt. Sollte die Antragsgegnerin den Urhebervermerk vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens tatsächlich wieder entfernen und dadurch die Rechtsverletzung wiederholen, wäre damit eine zeitnahe Wiederholung der Rechtsverletzung offensichtlich und dann ein Verfügungsgrund unproblematisch gegeben.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: