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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD

OLG Köln
Urteil vom 20.10.2023
6 U 20/21

Das OLG Köln hat im Rechtsstreit KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben. Wie der BGH bereits in früheren Entscheidungen und auch im hiesigen Revisionsurteil ausgeführt hat, dienen Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz vorrangig dem Schutz individueller Leistungen und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Sie sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützende Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware. Es kann aber auch der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte eines nachgeahmten Erzeugnisses als unmittelbarer Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 a) UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird (vgl. RU Rn. 12 sowie BGH, Urteil vom 14.04.1988 – I ZR 35/86, GRUR 1988, 620 [juris Rn. 17] – Vespa-Roller; Urteil vom 18.10.2990 – I ZR 283/88, GRUR 1991, 223 [juris Rn. 15] – Finnischer Schmuck; Urteil vom 24.03.1994 – I ZR 42/93, GRUR 1994, 630 [juris Rn. 42] – Cartier-Armreif; Urteil vom 15.07.2004 – I ZR 142/01, GRUR 2004, 941 [juris Rn. 39] – Metallbett).

Vorliegend ist aufgrund der von der Klägerin als Anlagen K 23 a und b vorgelegten Unterlagen sowie der Aussage des Zeugen L. von einer Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin für die irische Produktherstellerin auszugehen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16.06.2023 – dort auf S. 1 ff. – weiter zu ihrer ausschließlichen Vertriebsberechtigung ausgeführt und das Sole Distribution Agreement vom 28.12.2005 (Anlagen K 23 a) nebst deutscher Übersetzung (Anlage K 23 b) sowie als Anlage K 24 ein Amendment to the Sole Distribution Agreement vom 21.12.2017 vorgelegt. Bei dem „Sole Distribution Agreement“ handelt es sich um eine Alleinvertriebsvereinbarung der Klägerin (damals noch J. Deutschland GmbH) mit der Muttergesellschaft (damals noch J. Limited). In der Präambel des Vertrags wird festgehalten, dass die Klägerin eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin ist. Unter Ziffer 1. der Vereinbarung ist sodann die Ernennung der Klägerin zum exklusiven Alleinvertriebshändler für Verpackung, Vertrieb, Bewerbung und Verkauf der unter Ziffer 2. genannten Vertragsprodukte, worunter alle Milcherzeugnisse irischen Ursprungs und insbesondere Butter und Käse fallen, im unter Ziffer 3. bezeichneten Vertragsgebiet, welches das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst, geregelt. Unter Ziffer 4. findet sich die Verpflichtung der Muttergesellschaft im Vertragsgebiet die Vertragsprodukte nicht selbst zu vertreiben und keinem anderen die diesbezüglichen Rechte einzuräumen. Unter Ziffer 11. der Vereinbarung ist schließlich geregelt, dass der Vertrag am 01.01.2006 beginnt und auf unbestimmte Zeit geschlossen ist, wobei er von beiden Seiten mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Jahres gekündigt werden kann. Dass dieser Vertrag mit diesen Bestimmungen seinerzeit zwischen den dort genannten Parteien so geschlossen wurde, hat zudem der Zeuge L. glaubhaft im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Insbesondere hat dieser auch ausgesagt, wofür zudem bereits die Überschriften der einzelnen „geschwärzten“ Passagen sprechen, dass diese Textabschnitte nicht die Frage der Vertriebsberechtigung betrafen, und zudem bekundet, dass die Vereinbarung bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin am 31.12.2019 und damit nach der Klageerhebung im hiesigen Verfahren ungekündigt fortbestand und seines Kenntnisstandes nach immer noch unverändert fortbestehe. Anhaltspunkte dafür, dass dem entgegen zwischenzeitlich eine Kündigung dieser Vereinbarung erfolgt wäre, sind nicht ansatzweise ersichtlich und auch von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht dargetan. Die Richtigkeit des Vertragstextes als solches oder der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um das Nachfolgeunternehmen der J. Deutschland GmbH handelt, wird seitens der Beklagten bereits nicht in Abrede gestellt.

Sofern die Beklagte darüber hinaus die Auffassung vertritt, dass auch bei bestehender Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin die Aktivlegitimation mangels Vorliegens weiterer hierfür erforderlicher Voraussetzungen nicht gegeben sei, kann sie damit nicht durchdringen. Wie der BGH in seinem Revisionsurteil - dort auf S. 8 - unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt hat, kann der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte als unmittelbar Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird. Nach diesen Grundsätzen ist ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Unterbindung unlauterer Nachahmungen hier gegeben. Hierbei kann es zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf ankommen, ob es sich um eine nahezu identische Nachahmung handelt, da der Grad der Nachahmung nicht für die Anspruchsberechtigung, sondern nur für die Frage, ob in der Sache überhaupt ein Anspruch besteht, relevant ist. Ferner ist davon auszugehen, dass der Verkehr durch den Vertrieb der nachgeahmten Produkte auch über die Herkunft aus dem Betrieb der Klägerin getäuscht wird, mithin der Verbraucher die unternehmerische Leistung der Herstellerin auch dem Betrieb der Klägerin zuordnet. Bei einem ausschließlich Vertriebsberechtigten ist hiervon in der Regel auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 24.07.2020 – 6 U 298/19 -, juris Rn. 50 ff. – Jeanshose mit V-Naht; Spoenle in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 3 UWG, Stand: 10.01.2023, Rn. 42). Da die Klägerin zudem unstreitig auf jeder einzelnen Produktverpackung namentlich mit ihrer deutschen Adresse angeben ist, wird sie von den Verbrauchern in Deutschland auch als das Unternehmen wahrgenommen werden, von dem die Produkte stammen. Auch kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Klägerin ein für die Aktivlegitimation erforderliches eigenes Leistungsschutzrecht mangels schutzwürdiger Eigenleistung sowie eigenem wirtschaftlichen Interesse nicht zustehe. Dem exklusiven Vertriebsberechtigen steht - anders als einem bloßen Händler - bereits im Hinblick auf seine besondere Eigenleistung für den Vertrieb ein selbständiges wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht zu, da er in seinem Individualinteresse an der Vermarktung des Originalprodukts beeinträchtigt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 41. Auflage, § 4 UWG Rn. 3.85). Sofern die Beklagte meint, dies verhalte sich vorliegend bei der Klägerin ausnahmsweise anders, da diese aufgrund der Konzernstrukturen kein eigenes betriebswirtschaftliches Risiko übernehme und ihr diese Strukturen zudem auch keine eigenen betrieblichen Entscheidungen hinsichtlich des Vertriebs der Produkte erlaubten, ist sie bereits der ihr für diese - klägerseits ausdrücklich bestrittene - Behauptung obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Aus den von ihr in Bezug genommenen Unterlagen (Anlagen K 23, K 24, BB 4 und BB5 – Jahresabschlussbericht der Klägerin 2019, 2020), kann dies nicht hergeleitet werden. Alleine der Umstand, dass nach den Jahresabschlussberichten Preis- und Marktschwankungen für den Rohstoff Butter keine Risikoposition für die Klägerin darstellen, vermag keinen Hinweis darauf zu geben, dass die Klägerin generell kein wirtschaftliches Risiko trägt. Weiterer substantiierter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt gänzlich, vielmehr mutmaßt sie lediglich, dass der Klägerin durch die als Anlage K 23 vorgelegte Vereinbarung keine eigene Leistungsposition oder Einkommensmöglichkeit eingeräumt werden sollte, sondern diese alleine steuerliche Gründe habe.

2. Im Weiteren ist vorliegend auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung anzunehmen.

Auszugehen ist - gemäß den vom BGH nicht beanstandeten Feststellungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 25.10.2021 - von einer im durchschnittlichen Bereich liegenden wettbewerbsrechtlichen Eigenart der klägerischen Produktverpackungen und einer jedenfalls nachschaffenden Nachahmung dieser Produktverpackungen durch die Produktverpackungen der Beklagten.

Der Senat hatte ursprünglich offengelassen, ob von einer unmittelbaren Herkunftstäuschung ausgegangen werden kann, und eine mittelbare Herkunftstäuschung angenommen. Hierzu hat der BGH weitere Feststellungen des Senats vermisst, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verbraucher die „Dairygold“-Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin ansehen oder die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ für eine Zweitmarke der Klägerin halten.

Hierauf kommt es indes im Weiteren nicht an, da der Senat nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage vorliegend eine unmittelbare Herkunftstäuschung für gegeben erachtet. Aufgrund der hier von der Beklagten vorgenommenen Gestaltung der Produktverpackung ist die Gefahr begründet, dass der angesprochene Verkehrskreis der Endverbraucher, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, annimmt, bei der Nachahmung handle es sich um das Originalprodukt.

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH GRUR 2005, 166 (168) – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen; BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen; BGH GRUR 2009, 1069 Rn. 20 – Knoblauchwürste). Hierbei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 41 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 47 – Herrnhuter Stern; BGH WRP 2018, 950 Rn. 65 – Ballerinaschuh). Die Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 3.43-3.43c). Bei - wie vorliegend - Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von ähnlichen Produkten wenig unterscheiden, orientiert sich der Verkehr in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe (BGH GRUR 2001, 443 (445) – Viennetta). Allerdings ist – dies hat der BGH in seinem Revisionsurteil in diesem Verfahren ausdrücklich klargestellt - eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung bei unterschiedlicher Produkt- oder Herstellerbezeichnung nicht stets ausgeschlossen, dies auch dann nicht, wenn keine identische Übernahme aller wesentlicher Gestaltungsmerkmale vorliegt. Sofern der Leitsatz seiner Senatsentscheidung „Vienetta“ in diese Richtung zu verstehen sein sollte, halte er hieran nicht fest. Insoweit müssten vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, welche Produkt und Herkunftsbezeichnung auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschehe (BGH RU Rn. 50).

Unter Beachtung dieser Grundsätze besteht vorliegend die Gefahr einer unmittelbaren Herkunftstäuschung. Die Beklagte hat für ihre Produktverpackungen gerade jene Gestaltungselemente übernommen, die die wettbewerbsrechtliche Eigenart der Verpackung der Klägerin begründen. Der BGH hat vor diesem Hintergrund die Beurteilung des Senats, nach der von einer nachschaffenden Übernahme der Butterverpackung der Klägerin durch die Beklagte und darüber hinaus von einer fast identischen Übernahme der Gestaltung der Verpackung der Mischstreichfette auszugehen sei, gebilligt. Überdies hat der BGH auch die Feststellung des Senats bestätigt, dass Butter und Mischstreichfette, die aus Butter und Rapsöl bestehen, Konkurrenzprodukte sind und derselben Warenkategorie angehören. Von der Beklagten ist zwar eine abweichende Produkt- und Herkunftsbezeichnung auf den Verpackungen angebracht worden, was – wie ausgeführt – grundsätzlich einer Herkunftstäuschung entgegenwirken kann, allerdings besteht insoweit – wie auch vom BGH in seinem Revisionsurteil im hiesigen Verfahren (dort Rn. 52) ausgeführt – die Besonderheit, dass die Produkt- und Herstellerbezeichnungen sich nicht deutlich unterscheiden. Die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ ist sprachlich vielmehr stark an die Bezeichnung „Kerrygold“ angelehnt, lediglich der Anlaut unterscheidet sie sich, was indes im Gesamteindruck nicht ins Gewicht fällt. Die Ähnlichkeit wird zudem noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte unter die Angabe „DAIRYGOLD“ – welche prominent an gleicher Stelle wie die Bezeichnung „Kerrygold“ auf der Verpackung der Klägerin platziert ist - die Herkunftsbezeichnung „From County Kerry“ angebracht und damit beide Wortbestandteile der Produkt- bzw. Herstellerbezeichnung der Klägerin „Kerry“ und „Gold“ aufgegriffen hat. Bezieht man all dies ein, wird sich einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs der Eindruck aufdrängen, die Produkte stammten von demselben Hersteller.


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BGH: Auch verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 15/22
KERRYGOLD
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Leitsätze des BGH:
a) Verpackte Produkte - wie Butter und Mischstreichfette - können Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die äußere Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen.

b) Eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung ist bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen nicht stets ausgeschlossen, wenn nicht alle wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Originals identisch übernommen werden. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, müssen vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 = WRP 2001, 534 - Viennetta).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 15/22 - OLG Köln - LG Köln

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BVerwG: Süßwarenhersteller müssen nach der LMIV Füllgewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren angeben - dies gilt auch für einzeln verpackte Bonbons

BVerwG
Urteil vom 09.03.2023
3 C 15.21


Das BVerwG hat entschieden, dass Süßwarenhersteller nach der LMIV Füllgeweicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren angeben müssen und dies auch für einzeln verpackte Bonbons gilt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren

Auf der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels, in der sich mehrere Einzelpackungen befinden, müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke - wie etwa einzeln umwickelte Bonbons - handelt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke. Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.


Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen. Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen.

BVerwG 3 C 15.21 - Urteil vom 09. März 2023

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, OVG 6 A 10695/21 - Urteil vom 02. November 2021 -

VG Koblenz, VG 2 K 511/20.KO - Urteil vom 28. April 2021 -



LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne wenn Produkt im Ausland hergestellt wird

LG Hamburg
Urteil vom 02.06.2022
327 O 307/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne vorliegt, wenn das Produkt im Ausland hergestellt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG.

Die streitgegenständlichen Verpackungsaufmachungen sind irreführungsgeeignet i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Die angesprochenen Durchschnittsverbraucher der hier in Rede stehenden Waren werden der Abbildung der Farben der Deutschlandfahne schwarz/rot/gold in drei Balken nebeneinander mit dem Zusatz „German Quality“ nicht nur die Beschreibung einer bestimmten - deutschen, „German“ - Qualität, unabhängig vom Ort der Herstellung, entnehmen, sondern diese Bestandteile der Verpackungsaufmachungen als Hinweise auf den Ort der Herstellung der Kondome auffassen, auch wenn - anders als in dem vom OLG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 17.08.2020, Az. 6 W 84/20, GRUR-RS 2020, 21585) entschiedenen Fall - auf der Verpackung kein Bezug auf den Herstellungsprozess als solchen genommen wird. Das Argument der Beklagten, unter deutscher Qualität verstehe der Verbraucher unabhängig vom Herstellungsort die Einhaltung der für Deutschland einschlägigen Industrienormen und Parameter sowie überobligatorische Tests und die stichprobenartige Qualitätsprüfung durch die Beklagte als deutsches Unternehmen, überzeugt insoweit nicht. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher hat nämlich keine Kenntnis von etwaig hier einschlägigen konkreten Industrienormen und sonstigen Herstellungsparametern im Einzelnen oder davon, ob und welche besonderen technischen Qualitätsnormen in Deutschland im Vergleich zum Ausland gelten. Eine derartige Vorstellung des angesprochenen Verkehrs anzunehmen, überspannte vielmehr dessen Kenntnisstand und die daraus resultierenden Vorstellungen von einer - wie auch immer gestalteten - „deutschen Qualität“. Gerade bei einem - wie vorliegend - einteiligen Produkt, das aus einem Rohstoff in einem Herstellungsschritt erzeugt wird, wird der Verbraucher der Abbildung einer Deutschlandfahne mit den Worten „German Quality“ entnehmen, dass dieses in Deutschland hergestellt wird, sich die Qualität mithin aus den Fertigungsstandards sowie der Ausbildung und Kenntnisse der Mitarbeiter am Produktionsstandort Deutschland ergibt, nicht hingegen lediglich daraus, dass einem Lohnhersteller im Ausland bestimmte qualitative Vorgaben gemacht werden, deren Einhaltung im Inland lediglich stichprobenartig überprüft wird.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Abmahnkostenersatzanspruch nebst Rechtshängigkeitszinsen folgt aus § 13 Abs. 3 UWG i. V. m. den §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB. Dem Grunde nach wird wegen der Irreführungseignung der abgemahnten Produktaufmachung auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Auch die übrigen abgemahnten Werbeaussagen waren irreführend i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG, da auch sie dem angesprochenen Verkehr suggeriert haben, die so beworbenen Produkte würden - wie unstreitig nicht - in Deutschland hergestellt. Der Höhe nach ist der von der Klägerin für die Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 125.000,00 €, von dem ein Teilgegenstandswert von 75.000,00 € auf die Abmahnung der Produktaufmachungen und der Gegenstandswert im Übrigen auf die Abmahnung der drei o. g. Werbeaussagen im Internet entfällt, nicht übersetzt. Der höhere Gegenstandswert der Abmahnung der Produktaufmachungen bildet vielmehr das höhere wirtschaftliche Interesse der Klägerin an deren Verbot, insbesondere aufgrund deren hohen Angriffsfaktors, nachvollziehbar ab.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Köln: Urheberrechtlicher Schutz für Zeichnungen auf Donutverpackung als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG

LG Köln
Urteil vom 03.02.2022
14 O 392/21


Das LG Köln hat im vorliegenden Fall, den urheberrechtlicher Schutz für Zeichnungen auf einer Donutverpackung als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:
a) Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Grafiken, Zeichnungen bzw. Darstellungen, die auf der streitgegenständlichen Donutverpackung ersichtlich sind (im Weiteren: „Zeichnungen“) um geschützte Werke der angewandten Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Die Donutverpackung selbst, die von der Verfügungsklägerin ausweislich ihres Antrags als primäre Grundlage ihres Unterlassungsbegehrens anzusehen ist, ist überdies als Sammelwerk gem. § 4 Abs. 1 UrhG geschützt. Es handelt sich jeweils um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG.

Die Kammer hat keinen Zweifel an der Schutzfähigkeit der hier gegenständlichen Zeichnungen. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 143/12 –, juris Rn. 26, 41 – Geburtstagszug). Ähnliches gilt nach der Rechtsprechung des EuGH: Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 36 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH ZUM 2019, 834 Rn. 30 f. – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 23 f. – Brompton). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 37 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH, ZUM 2019, 834 Rn. 32 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 25 – Brompton), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 40 – Levola Hengelo).

Alle hier zu bewertenden (Einzel-) Zeichnungen stellen nach diesen Anforderungen eine solche künstlerische Leistung dar, die freie kreative Entscheidungen der Urheberin manifestieren. Die Zeichnungen der einzelnen Produkte, v.a. Donuts und anderes Gebäck, bilden zwar Produkte der realen Welt ab. Sie weisen aber eine zeichnerische Gestaltung auf, die gerade nicht nur dem Gebrauchszweck dient, sondern durch Auswahl verschiedener Perspektiven auf die jeweiligen Produkte, verschiedener Akzentuierung einzelner Merkmale der Donuts sowie mitunter einer individuellen Farbauswahl einzelner Merkmale eine ausreichende Originalität aufweisen. Zudem ist zu beachten, dass alle Zeichnungen bei einer Gesamtbetrachtung einem gemeinsamen individuellen Stil folgen, der an ein in sich geschlossenes „Comic“-Thema erinnert. Auch die Gestaltungsweise, dass demnach alle einzelnen Zeichnungen – wie sie auf der Donutverpackung auch gemeinsam dargestellt sind – als zusammen gehörig erscheinen, unterstreicht den künstlerischen Charakter der Werke. Hieraus wird auch deutlich, dass die Verfügungsklägerin im Einzelnen Gestaltungsspielräume hatte und diese ausnutzte.

Bei der Verkaufsverpackung insgesamt ist noch ergänzend zu beachten, dass die Positionierung der einzelnen Zeichnungen in dem Sammelwerk individuelle Züge und einen hohen, offensichtlich ausgenutzten Gestaltungsspielraum aufweist. Es ist nicht aufgezeigt oder sonst ersichtlich, dass die Anordnung der einzelnen Elemente auf der Gesamtzeichnung zwingenden Regeln folgt. So sind die einzelnen Elemente teils überlappend, teils freigestellt, womit eine individuelle Platzierung mit gestalterischer Intention offenbar wird. Insoweit ist auch die Auswahl der einzelnen Zeichnungen, wobei neben den Donuts bzw. Gebäckspezialitäten noch das antike Automobil mit „Donutreifen“ sowie die Spritzen offenbar frei gewählt sind, ein wichtiger Aspekt, der dem Sammelwerk Schutz verleiht. Wenn die Verfügungsbeklagte hierin im konkreten Fall gerade keine persönliche geistige Schöpfung erkennen will, verkennt sie den maßgeblichen Maßstab der notwendigen Schutzhöhe, wonach grundsätzlich auch die sog. „kleine Münze“ geschützt ist. Eine besondere Gestaltungshöhe wird gerade nicht gefordert (vgl. für Werke der angewandten Kunst: BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 143/12, – Geburtstagszug).

Soweit die Verfügungsbeklagte zu 2) an dieser Stelle zunächst einwendet, dass die Donuts bzw. Gebäckspezialitäten seine „Kreationen“ seien (eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers des Verfügungsbeklagten zu 2, Bl. 445 GA), so bedarf es hiermit keiner tiefergehenden Auseinandersetzung. Zum einen erscheint die Glaubhaftmachung des Geschäftsführers des Verfügungsbeklagten zu 2) bereits zu pauschal, um für jedes durch Zeichnungen auf der Donutverpackung abgebildete Gebäckstück eine urheberrechtliche Prüfung vorzunehmen. Es wird dabei durchgehend nur generisch von Kreationen (bzw. von hier nicht unmittelbar streitgegenständlichen Lichtbildern) gesprochen, ohne mit Blick auf den Streitgegenstand eine konkrete Aussage zu treffen, was er wann und unter welchen Umständen geschaffen haben mag. Auch hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn nach den obigen Ausführungen kann sich die Verfügungsklägerin bereits auf den Schutz eines Sammelwerks stützen, das nach dem Wortlaut von § 4 UrhG aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung ist. Die einzelnen Elemente sind auch ausreichend unabhängig voneinander, weil sie voneinander getrennt werden können, ohne dass der Wert ihres künstlerischen oder sonstigen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird (Schricker/Loewenheim/Leistner, 6. Aufl. 2020, UrhG § 4 Rn. 18 m.w.N. aus der Rspr.).

Dass die Verfügungsbeklagte zu zu 2) bzw. ihr Geschäftsführer der Verfügungsklägerin gerade bei der Auswahl der einzelnen Zeichnungen oder bei der Anordnung der einzelnen Elemente auf der Verpackung eine eindeutige Vorgabe gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. Die Verfügungsbeklagte zu 2) selbst legt WhatsApp-Nachrichten vor, ausweislich derer die Verfügungsklägerin offenbar – mit Ausnahme des Markenzeichens und der Farbanweisung „dominieren sollen pink rosa gold“ – freie Hand bei der Gestaltung hatte („du machst aus dieser Datei etwas abgefahrenes und tobst dich aus“ oder „dann ist dieses Kunstwerk das du da schaffst einfach eine Box die man zusammenfalten kann“, S. 31 des Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 29.11.2022, Bl. 427 GA). Die Verfügungsklägerin macht diese Freiheit bei der Auswahl und Anordnung der Motive ergänzend glaubhaft in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 14.12.2021, Bl. 505 GA.

Unerheblich sind im hiesigen Einzelfall demnach die den Großteil des schriftsätzlichen Vortrags der Verfügungsbeklagten zu 2) ausmachenden Ausführungen und Darstellungen zur angeblichen Übereinstimmung der Zeichnungen der Verfügungsklägerin mit den „Gebäckwerken“ bzw. mit Lichtbildern, die diese Gebäckstücke als Motiv aufweisen. Selbst wenn man an dieser Stelle die Schutzfähigkeit solcher „Gebäckwerke“ unterstellt, geht die Kammer davon aus, dass die einzelnen Zeichnungen mindestens nach § 3 UrhG ein eigenständiges Bearbeiterurheberrecht der Verfügungsklägerin begründen würden. Dabei müsste jedoch in jedem Einzelfall zunächst vorrangig geprüft werden, ob nicht der nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG beschriebene hinreichende Abstand gewahrt ist, was bejahendenfalls zu einem eigenständigen, freien Werk nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG führt. Ein solcher hinreichender Abstand dürfte etwa gegeben sein bei dem „Einhorn-Donut“ (siehe S. 31 des Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 29.11.2022, Bl 389 GA), sodass auch die Verfügungsklägerin jedenfalls an einer Einzelzeichnung nicht nur als Bearbeiterin berechtigt ist. Unbestritten bleibt im Übrigen, dass das auf der Verpackung unten mittig ersichtliche antike Automobil mit „Donutreifen“ nicht auf einer Vorlage der Verfügungsbeklagten zu 2) beruht.

Mit Blick auf die Signifikanz der Auswahl und Anordnung der einzelnen Elemente bedarf es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit dem von der Verfügungsklägerin dezidiert dargestellten Schaffensprozess der einzelnen Zeichnungen sowie der dahingehenden, auch mit Videos illustrierten Einwände der Verfügungsbeklagten zu 2), wonach hier maßgeblich die Ausnutzung der Wirkweise von Computersoftware vorliege, die keinen Schutz verdiene. Denn wiederum zeigt die Verfügungsbeklagte zu 2) nicht auf, dass die Verfügungsklägerin bei der Auswahl und der Anordnung der einzelnen Zeichnungen auf der Box nicht ihren „schöpferischen Geist“ in origineller Weise zum Ausdruck gebracht hat, sondern diesen Anknüpfungspunkt urheberrechtlichen Schutzes einem Dritten oder gar einem Computer überlassen hat. Demzufolge ist auch das Argument, das nach „Streichung“ von Bestandteilen aus dem Verpackungsdesign (wie dargestellt S. 61 des Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 29.11.2022, Bl 419 GA) praktisch nichts Individuelles aus der Feder der Verfügungsklägerin verbleibe, rechtsirrig.

Soweit die Verfügungsbeklagte zu 2) eine Verletzung von Urheberrechten ihres Geschäftsführers durch die Anfertigung der Zeichnungen bzw. der Verpackung als Ganzes rügt, so ist dies ebenfalls an dieser Stelle unerheblich. Es steht dem Urheberrechtsschutz nicht entgegen, dass das Motiv der Zeichnung ggf. seinerseits urheberrechtlich geschützt ist; die Frage der Verwertung ist abstrakt von der Entstehung von Urheberrechtsschutz zu betrachten (vgl. Urteil der Kammer vom 01.07.2021 – 14 O 15/20, ZUM-RD 2021, 731, Rn. 34, zum Urheberrechtsschutz an einem Lichtbild, das ein geschütztes Werk der Architektur als Motiv hat). Selbst unterstellt, die Verfügungsklägerin hätte Werke des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten zu 2) vervielfältigt, so scheint sie hierzu beauftragt gewesen zu sein und hätte demnach nicht rechtswidrig gehandelt.

b) Die Verfügungsklägerin ist als Urheberin aktivlegitimiert. Die Erstellung der Donutverpackung und der darauf ersichtlichen Zeichnungen wird seitens der Verfügungsbeklagten zu 2) nicht bestritten, sondern eindeutig zugestanden. Das Bestreiten der Verfügungsbeklagten zu 1) mit Nichtwissen ist angesichts der ausführlichen Glaubhaftmachungsmittel der anderen Parteien unerheblich.

Die Verfügungsklägerin hat zur Überzeugung der Kammer auch nicht im Rahmen eines „total buyout“ vollständig die eigene Rechtsposition (allenfalls mit Ausnahme des Urheberpersönlichkeitsrechts) gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 2) aufgeben und an diese übertragen.

aa) Angesichts des konkreten Streitgegenstandes – also der Nutzung des Verpackungsdesigns in einem Instagram-Posting der Verfügungsbeklagten zu 1) – bedarf es vorliegend keiner umfassenden Auslegung des Umfangs der Nutzungsrechteübertragung. Es ist jedoch zur Überzeugung der Kammer offensichtlich, dass es sich bei der Vereinbarung zwischen der Verfügungsklägerin und dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 2) nicht um einen „total buyout“ an den Rechten betreffend die Verkaufsverpackung handelte.

Die Verfügungsklägerin hat durch eidesstattliche Versicherung vom 15.11.2021, Bl. 189 ff. GA glaubhaft gemacht, dass sie zum Zeitpunkt der Beauftragung zur Erstellung der Verkaufsverpackung durch den Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 2) – wobei unklar bleibt, ob er bereits als Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 2) tätig geworden ist, insbesondere ob diese als Unternehmen bereits existierte – im Februar 2020 nur Kenntnis von S Filialen in L, B, F und I2 gehabt habe. Eine ausdrückliche Nutzungsrechtsübertragung ist nicht erfolgt; der Umfang der Nutzungsrechtseinräumung wurde nicht schriftlich oder mündlich fixiert. Dieser letzte Umstand deckt sich weitestgehend mit der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 30.11.2021, Bl. 445 ff., der selbst beschreibt, dass er zu dieser Zeit kaum schriftliche Verträge abgeschlossen habe. Im Übrigen ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung vom 30.11.2021 nur, dass der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 2) die Verfügungsklägerin mit der Erstellung einer Verkaufsbox „für alle Stores“ beauftragt habe. Er macht hingegen weder Angaben dazu, welche Stores es zu dieser Zeit bereits gegeben hatte, noch von welchen Stores die Verfügungsklägerin Kenntnis hatte, noch dass es sich bei seinem Unternehmen um ein im schnellen Wachstum befindliches Franchisesystem handelte. Auch aus der (wohl nachträglich verschickten) Nachricht bei Whatsapp, wonach die Box 50.000 Mal gedruckt werde, ergibt sich kein Rückschluss auf einen bestimmten vereinbarten Nutzungsumfang. Dabei hält die Kammer eine Druckauflage von 50.000 Stück schon bei nur vier Filialen für sehr gering, die bei einem gut laufenden Geschäft wohl nicht einmal für ein Jahr ausreichen dürfte. Im Weiteren schildert der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 2) einseitige Erwartungen und Vorstellungen, ohne mitzuteilen, dass er hierüber mit der Verfügungsklägerin auch tatsächlich bei (mündlichem oder konkludentem) Vertragsabschluss gesprochen hätte.

Auf dieser Grundlage ist von einer vollständigen Rechtsübertragung nicht auszugehen, zumal die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für eine derartige vertragliche Gestaltung bei den Verfügungsbeklagten liegt. Die Verfügungsbeklagte zu 2) vermag nicht konkret darzulegen, wann und mit welchem Inhalt eine ausdrückliche mündliche Vereinbarung zur Einräumung ausschließlicher (und außerdem unterlizensierbarer) Rechte erfolgt sein soll.

bb) Dasselbe gilt für eine ggf. mögliche konkludente Vereinbarung über die Lizenzierung von Werken der Verfügungsklägerin an Herrn T bzw. die S GmbH. Es fehlt jeglicher belastbarer Vortrag dazu, in welchem konkludenten Verhalten der Verfügungsklägerin ein ausreichender Rechtsbindungswille für einen „total buyout“, also einem für sie extrem wirtschaftlich ungünstigen Rechtsgeschäft, zu erblicken wäre.

cc) Eine nachträgliche ausdrückliche oder konkludente Lizensierung bzw. eine rechtlich bindende Duldung von Nutzungen der streitgegenständlichen Werke, die der Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin entgegenstehen könnte, ist dem Vortrag der Verfügungsbeklagten zu 2) ebenfalls nicht zu entnehmen. Selbst wenn die Verfügungsklägerin in sozialen Medien wie Whatsapp oder Instagram (jeweils nach den konkreten Rechnungsdaten) von „deutschlandweit“ und international existierenden S Filialen spricht/schreibt, ist hierin angesichts des glaubhaft gemachten Klägervortrags nach Ansicht der Kammer kein Rechtsbindungswille für eine nachträgliche Lizensierung zu erkennen. Die Verfügungsklägerin trägt insoweit vor und macht glaubhaft durch eidesstattliche Versicherung, dass sie ihre Werke nur für den Geschäftsbetrieb in L bzw. allenfalls für ihr bekannte Filialen, d.h. ebenfalls von Herrn T betriebene Geschäfte, nicht aber für Franchisenehmer, in drei weiteren Städten, lizensiert habe. Falls sie im Nachhinein Kenntnis von weiteren Standorten erlangt hat, so ist damit ersichtlich noch keine rechtsgeschäftliche Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten verbunden. Und zwar erst recht nicht in Form eines „total buyouts“, wie er von den Verfügungsbeklagten behauptet wird. Die zitierten Whatsapp Nachrichten (Bl. 301 GA) enthalten jedenfalls keine auf den Abschluss eines (nachträglichen) Lizenzvertrags gerichteten Willenserklärungen. Die weiteren Hinweise auf die Kenntnis der Verfügungsklägerin von der Verwendung der Verkaufsverpackung durch die Verfügungsbeklagte zu 2), etwa durch Instagram Beiträge, führen auch nicht zu einer nachträglichen Nutzungsrechteeinräumung, da es insoweit schon an einem Erklärungstatbestand fehlt. Das Video der Verfügungsklägerin vom 20.09.2020, in welchem sie offenbar Werbung für die Verfügungsbeklagte zu 2) machte und auf Geschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwies, vermag die Kammer ebenfalls nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung auszulegen, die im Ergebnis zum Verlust ihrer eigenen Aktivlegitimation führen würde. Es handelt sich offenbar um eine Verlautbarung an die Allgemeinheit, nicht um eine Erklärung an die Verfügungsbeklagte zu 2). Die Sprachnachricht vom 12.01.2021, wie sie in der Antragserwiderung der Verfügungsbeklagten zu 2) niedergeschrieben ist, lässt jedenfalls erahnen, dass die Verfügungsklägerin selbst Rechte behalten wollte, was wiederum der Annahme eines „total buyout“ entgegensteht. Was sie im Einzelnen mit ihrer laienhaften Beschreibung der urheberrechtlichen Rechtslage erklären will, bleibt mehrdeutig und folglich unklar. Einer Sprachnachricht vom 17.02.2021 ist im Ergebnis auch keine weitgehende Rechtsübertragung unter Preisgabe ihrer eigenen Rechtsposition als Urheber zu entnehmen.

dd) Zudem verfangen auch die Ausführungen zur Zweckübertragungslehre, die vorliegend zu einer umfassenden und unterlizensierbaren Rechteeinräumung an Herrn T bzw. die S GmbH führen sollen, nicht. Insoweit hat die Kammer bereits in ihren Entscheidungen in der an dieser Stelle parallel zu bewertenden Sache zu Az. 14 O 175/21 zur grundsätzlich urheberschützenden Wirkung der aus § 31 Abs. 5 UrhG gefolgerten Zweckübertragungslehre ausgeführt. Die Verfügungsbeklagte zu 2) meint jedoch, dies sei vorliegend anders, weil es sich bei den Werken der Verfügungsklägerin offensichtlich um Bestandteile des „Corporate Designs“ bzw. der „Corporate Identity“ der S Geschäfte handele. Dieser Ansicht vermag sich die Kammer auch nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht anzuschließen.

Aus der Zweckübertragungslehre folgt, dass im Zweifel die Rechte beim Urheber verbleiben. Dahinter steht der Leitgedanke, den Urheber an sämtlichen Erträgnissen aus der Verwertung seines Werkes oder seiner Leistung angemessen zu beteiligen. Deshalb werden im Zweifel nur diejenigen Rechte eingeräumt, die zu der im Vertrag konkretisierten Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werkes erforderlich sind. Die Zweckübertragungslehre führt zu einer Spezifizierungslast. Wer sichergehen will, dass er das betreffende Nutzungsrecht erwirbt, muss es ausdrücklich bezeichnen. Will er das Werk auf verschiedene Art und Weise nutzen, muss jede einzelne Nutzungsart bezeichnet werden; denn im Zweifel gilt nur das als vereinbart, was ausdrücklich bezeichnet worden ist (Dreier/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 31 Rn. 110 f., m.w.N. aus der Rspr.).

Nach diesen Grundsätzen genügt die Erkennbarkeit der Zugehörigkeit von zu schaffenden Werken zu einem „Corporate Design“ bzw. einer „Corporate Identity“ eines Unternehmens nicht per se für die Annahme einer nicht ausdrücklich vereinbarten Übertragung ausschließlicher, unbeschränkter und unterlizensierbarer Nutzungsrechte vom Urheber auf den Auftraggeber. Auch in einer solchen Konstellation ist der Urheber in Ermangelung einer konkreten Nutzungsrechtevereinbarung schutzwürdig, um ihn angemessen an der Verwertung seiner Rechte zu beteiligen. Abgesehen davon ist es nicht ersichtlich, dass im hier vorliegenden Fall der von beiden Parteien übereinstimmend erkannte Zweck der einzelnen Beauftragungen gerade einzig der Förderung des Unternehmens des Herrn T dienen soll. Für diesen Zweck wären wiederum die Verfügungsbeklagten darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet. Gegen einen solchen allein die wirtschaftlichen Interessen des S Unternehmens dienenden Zweck spricht schon die Beauftragung der Verfügungsklägerin als „Künstlerin“ sowie das Anbringen der Urheberbezeichnung der Verfügungsklägerin auf der Verkaufsbox – sei dies auch nur ein (ggf. im Einklang mit § 13 UrhG stehendes) „Geschenk“ des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten zu 2) gewesen, wie er es in seiner eidesstattlichen Versicherung beschreibt. Demnach erscheinen die Beauftragungen hier eher als übliche Auftragsarbeiten im kreativen Bereich, für die die obige Zweifelsregelung zum Schutz von Urhebern grundsätzlich gilt. Es hätte insoweit dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 2) oblegen, auf eine ausdrückliche Beschreibung des Umfangs von Nutzungsrechten hinzuwirken. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die wiederholten, kleineren Beauftragungen der Verfügungsklägerin, ohne aber einen einheitlichen Rahmen der Kooperation abzustecken. Auch die vorgelegte, freundschaftlich erscheinende Whatsapp Kommunikation legt eher nahe, dass Zweck der Zusammenarbeit auch die Förderung der Bekanntheit der Verfügungsklägerin als Künstlerin und mithin der Förderung ihres wirtschaftlichen Gedeihens gewesen ist.

Nichts anderes ergibt sich aus den von der Verfügungsbeklagten zu 2) vorgetragenen Rechtsprechungs- oder Literaturfundstellen oder dem Verweis auf eine angebliche Branchenüblichkeit. Denn anders als im „normalen“ Fall der Schaffung von Teilen eines „Corporate Designs“, in denen der Ersteller regelmäßig nicht als Künstler oder Ersteller bekannt gemacht wird, liegt hier eine Urheberbenennung vor. Dies ist demnach mit Konstellationen zu vergleichen, in denen Künstler spezielle Designs für ein bekanntes Unternehmen schaffen und dies auch entsprechend gekennzeichnet wird. Auch in diesen Fällen wird im Zweifel der/die Künstler/in mangels ausdrücklicher Vereinbarung an einem Erfolg partizipieren wollen und sollen. Auch das Argument, dass die Verfügungsbeklagte zu 2) in Ermangelung eines „total buyout“ keine Rechtsverletzungen Dritter eigenständig verfolgen könne, überzeugt nicht. Denn anders herum hat auch die Verfügungsklägerin weiterhin ein eigenes Interesse daran, dass Dritte ihre Werke nicht verletzen. Wäre die Ansicht der Verfügungsbeklagten zu 2) zutreffend, so wäre stattdessen die Verfügungsklägerin von der Verfolgung von Rechtsverstößen Dritter abgeschnitten, wofür die vertraglichen Grundlagen, wie oben ausführlich aufgezeigt, keinen Anhalt geben.

Zuletzt spricht auch der gezahlte Preis in Höhe von 870,- € für die streitgegenständliche Verkaufsverpackung (siehe Anlage ASt 4) nicht für einen „total buyout“. Angesichts der üppigen Gestaltung der Verkaufsverpackung unter Verwendung von mehr als einem Dutzend einzelner trennbarer Zeichnungen hinken hier Vergleiche zur Herstellung von minimalistischen Unternehmenslogos o.Ä., deren Rechte (soweit urheberrechtlich schutzfähig) ggf. für entsprechende Beträge im weitest gehenden Umfang erworben werden können. Bei dem hier zu bewertenden Gesamtwerk erscheint dieser Betrag selbst bei einer unbekannten Künstlerin als gering. Dies wird erst recht deutlich, wenn man eine Lizenz pro gedruckter Verpackung errechnet – bei Ansatz der von der Verfügungsbeklagten zu 2) genannten 50.000 Stück beliefe sich die Lizenz pro Vervielfältigungsstück bereits auf 0,0174 €, was durch weitere Auflagen nochmals verringert wird. Hier erscheint schon fraglich, ob es sich um eine angemessene Vergütung nach § 32 UrhG für einfache Nutzungsrechte handelt, sodass ein „total buyout“ allein auf Grundlage der gezahlten Vergütung nach Ansicht der Kammer fernliegt.

Der Verweis der Verfügungsbeklagten zu 2) auf eine angebliche Scheinselbständigkeit ist substanzlos. Der folgende Verweis auf § 43 UrhG ist rechtlich irrelevant, weil auch insoweit vertragliche Regelungen vorgehen und aus dem hier gegenständlichen Sach- und Streitstand jedenfalls ersichtlich ist, dass kein „total buyout“ vorliegt. Eine Anwendung von § 34 Abs. 1 S. 2 UrhG ist an dieser Stelle auch nicht für die Verfügungsbeklagten hilfreich, weil damit nur Rechte weiterübertragen werden können „wie sie sind“.

c) Durch die im Tenor dargestellte konkrete Verletzungsform wurde in die ausschließlichen Rechte der Verfügungsklägerin eingegriffen. Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat die streitgegenständliche Verkaufsverpackung als zentralen Bestandteil eines Fotos im Zuge eines werbenden Postings auf Instagram öffentlich zugänglich gemacht, § 19a UrhG. Damit ist technisch ein Vervielfältigung gem. § 16 UrhG verbunden.

d) Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist hierfür als unmittelbare Täterin passivlegitimiert. Es handelt sich um ihren Instagram Account für den sie verantwortlich ist.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist jedenfalls als Gehilfin gem. § 27 StGB passivlegitimiert. Nach den allgemeinen Grundsätzen setzen Ansprüche wegen der Verletzung eines Ausschließlichkeitsrechts voraus, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem als pflichtwidrig geltend gemachten Verhalten (Tun oder Unterlassen) und der Beeinträchtigung des geschützten Rechts vorliegt. Das Grunderfordernis für die Annahme eines Zurechnungszusammenhangs ist im Rahmen sowohl der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung die Verursachung im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der insoweit anzuwendenden Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (BGH, Urteil vom 06.05.2021, I ZR 61/20, juris, Rn. 19 - Die Filsbacher; Kammerurteil vom 06.01.2022 – 14 O 38/19, GRUR-RS 2022, 344, Rn. 100).

Ein solches ursächliches Verhalten ist hier in der Mitwirkung der Verfügungsbeklagten zu 2) bei dem Gewinnspiel der Verfügungsbeklagten zu 1) zu erkennen. Ohne die Gestattung der Nutzung der Verkaufsverpackung sowie die Gestattung der Verlinkung der Instagram Accounts der Verfügungsbeklagten zu 2) und deren Geschäftsführers wäre es zu der konkreten Verletzung nicht gekommen. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Textes des Instagram Postings fest, aus dessen Subtext sich eine zumindest lose Werbekooperation ergibt. Ob dabei der verloste Gutschein von der Verfügungsbeklagten zu 2) kostenlos gestellt worden ist oder aber von der Verfügungsbeklagten zu 1) erworben worden ist, kann dahinstehen. Denn alleine der Umstand, dass die „Teilnahmebedingungen“ das Folgen beider Instagram Accounts der Verfügungsbeklagten erforderten, führte zu einer Förderung der Bekanntheit der Verfügungsbeklagten zu 2) im Sinne eines Cross-Marketing. Dass dies eine einseitige Aktion der Verfügungsbeklagten zu 1) ohne Zutun und ohne Einverständnis der Verfügungsbeklagten zu 2) gewesen sein soll, liegt fern und wird so auch nicht behauptet.

Für die Haftung als Täter oder Teilnehmer einer deliktischen Handlung wie einer Urheberrechtsverletzung gelten die strafrechtlichen Grundsätze zur Täterschaft und Teilnahme. Täter ist danach, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 25 Abs. 2 StGB) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist die Tatherrschaft. Danach ist Täter, wer den zum Erfolg führenden Kausalverlauf beherrscht, während als Teilnehmer verantwortlich ist, wer einem mit Tatherrschaft handelnden Dritten Hilfe leistet oder dessen Tatentschluss hervorruft. Fehlen die objektiven oder subjektiven Voraussetzungen einer Haftung als Täter oder Teilnehmer, kommt lediglich eine allein zur Unterlassung und Beseitigung verpflichtende Verantwortlichkeit als Störer in Betracht. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Prüfung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liegt. Auch dann kommt bei einer durch mehrere Personen verursachten Rechtsverletzung sowohl eine Täter- oder Teilnehmerhaftung als auch eine Störerhaftung in Betracht. In allen Fällen schließt die Tatherrschaft des unmittelbar Handelnden die Annahme aus, er werde als Tatmittler von einem bloß mittelbar oder tatferner Handelnden beherrscht. In Betracht kommt dann allenfalls Mittäterschaft, die eine gemeinschaftliche Tatbegehung und damit ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraussetzt (stRspr; vgl. nur BGH GRUR 2020, 738 Rn. 42 - Internetradiorecorder, mwN; Kammerurteil vom 06.01.2022 – 14 O 38/19, GRUR-RS 2022, 344, Rn. 111).

Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB ist nach allgemeinen Grundsätzen, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst, ebenso wenig eine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach fremde Tatbeiträge gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen sind, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (s. BGHSt 64, 10 = NJW 2019, 1818 Rn. 157; BGH NStZ-RR 2019, 203 [204]; NStZ 2020, 22 Rn. 4 f. mwN; BGH, Beschluss vom 12.8.2021 - 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896 [2899] Rn. 50; Kammerurteil vom 06.01.2022 – 14 O 38/19, GRUR-RS 2022, 344, Rn. 112).

Auch die psychische Förderung der Tat, insbesondere die Bestärkung des Tatwillens des Handelnden, kann ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein (s. BGH BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatbeitrag 2 = BeckRS 1990, 31093586; NStZ 2012, 379 [380]; NStZ-RR 2018, 40; NStZ-RR 2018, 178 [180]). Um allein die Annahme von Mittäterschaft - in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe - zu tragen, muss der psychischen Förderung allerdings ein erhebliches Gewicht zukommen (s. BGH NStZ-RR 2019, 203 [204]; BGH, Beschluss vom 12.8.2021 - 3 StR 441/20, juris, Rn. 47 ff.; Kammerurteil vom 06.01.2022 – 14 O 38/19, GRUR-RS 2022, 344, Rn. 113).

Nach diesen Grundsätzen ist zumindest von einer Beihilfe auszugehen. Ob der Beitrag der Verfügungsbeklagten sogar als Mittäterschaft anzusehen ist, kann offenbleiben; insgesamt erscheint der Vortrag der insoweit grundsätzlich darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Verfügungsklägerin nicht ausreichend belastbar für diese Feststellung, weil zur Frage, welches der Unternehmen hier Tatherrschaft hatte, keine nähere Auseinandersetzung erfolgt. Sie trägt nur pauschal eine nicht näher spezifizierte Kooperation der beiden Verfügungsbeklagten vor. Demnach geht die Kammer davon aus, dass allein die Verfügungsbeklagte zu 1) über die Entscheidungshoheit verfügte, ob und wie ein bestimmtes Posting bei Instagram veröffentlicht wird. Dass hier eine Freigabe durch die Verfügungsbeklagte zu 2) erfolgte, ist weder vorgetragen noch zwingend anzunehmen. Jedoch ist die Kammer nach den Umständen des Falls davon überzeugt, dass die Verfügungsbeklagte zu 2) als Gehilfin der mit Tatherrschaft handelnden Verfügungsbeklagten zu 1) Hilfe geleistet hat. Wie bereits oben im Rahmen der Kausalität beschrieben ist diese Cross-Marketing Maßnahme nicht ohne Zustimmung der Verfügungsbeklagten zu 2) durchgeführt worden. Angesichts des großen Werts, den die Verfügungsbeklagte zu 2) auf ihren Instagram Account legt, ist ausgeschlossen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) hier eigenmächtig handelte. Es ist auch davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) als seriöses Unternehmen nicht ohne Zustimmung der Verfügungsbeklagten zu 2) deren Verkaufsverpackung darstellt, Gutscheine für deren Waren verlost und zum Folgen von deren Accounts im Sinne einer Teilnahmebedingung des Gewinnspiels auffordert. Dies ist unabhängig von den urheberrechtlichen Fragen schon wegen der lauterkeitsrechtlichen Problematik eines solchen Vorgehens anzunehmen. Demnach steht eine Beihilfehandlung der Verfügungsbeklagten zu 2) durch Gestattung der Nutzung der eigenen Verkaufsverpackung (bzw. der entsprechenden Unterlizensierung des hier gegenständlichen Werks) fest. Da für die Beihilfe neben der oben bereits festgestellten Kausalität keine besondere Qualität der Beihilfehandlung notwendig ist, genügt diese Gestattung der Werknutzung für die Bejahung von § 27 StGB ohne Weiteres aus.
[...]
h) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor; sie wird durch die vorangegangene Verletzung indiziert. Die Verfügungsbeklagte zu 2), die wegen der hier streitgegenständlichen konkreten Verletzung nicht abgemahnt worden ist, hat sich jedenfalls nicht unterworden.

Die Verfügungsbeklagte zu1) hat zwar eine Unterlassungserklärung im Laufe des Verfahrens abgegeben. Diese war aber nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen.

An die Ausräumung der Vermutung werden strenge Anforderungen gestellt. Schon geringe Zweifel gehen zu Lasten des Schuldners. Die bloße Erklärung des Verletzers, er werde das beanstandete Verhalten einstellen, reicht danach regelmäßig nicht aus, auch wenn es sich um ein angesehenes und bedeutendes Unternehmen handelt. Das Gleiche gilt, wenn der Verletzer die Verletzung tatsächlich einstellt. Der Wegfall der Wiederholungsgefahr wird vielmehr regelmäßig erst dadurch herbeigeführt, dass der Verletzer sich unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung unwiderruflich zur Unterlassung verpflichtet (vgl. Fromm/Nordemann/Jan Bernd Nordemann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 97 Rn. 31f. mwN aus der Rechtsprechung). Im hier einschlägigen Bereich der Schutzrechtsverletzungen ist regelmäßig nur eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen, während grundsätzlich schon geringe Zweifel an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung zu Lasten des Schuldners gehen. Es muss sich jedoch um objektivierbare Zweifel und nicht nur um subjektive Befürchtungen des Unterlassungsgläubigers handeln; nicht jede Modifikation einer von ihm vorformulierten Erklärung lässt auf fehlende Ernstlichkeit schließen. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung und damit für deren Eignung zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Beziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind (OLG Köln, ZUM-RD 2011, 18). Vorbehalte in der Erklärung sind allenfalls ausnahmsweise und jedenfalls nur insoweit unschädlich, als sie mit Sinn und Zweck einer Unterwerfungserklärung vereinbar sind, also eine abschließende (außergerichtliche) Unterbindung rechtswidrigen Verhaltens nicht ausschließen. Als ein solcher - zulässiger - Vorbehalt kommt eine auflösende Bedingung in Betracht, wenn diese in einer Änderung der Rechtslage - oder in deren verbindlicher Klärung in entsprechendem Sinne - besteht, durch die das zu unterlassende Verhalten rechtmäßig bzw. seine Zulässigkeit verbindlich geklärt wird; die Rechtmäßigkeit muss zweifelsfrei und allgemein verbindlich feststehen (zum UWG: BGH GRUR 1993, 677, 679 – Bedingte Unterwerfung).

Diesen Anforderungen wird die Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten zu 1) vom 29.11.2021 (Anlage AG 1.3, Bl. 229 GA) nicht gerecht. Die Unterlassungserklärung enthielt den folgenden Passus der Unterlassungsverpflichtung: „bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim LG Köln zum Aktenzeichen 14 O 392/21 anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahrens und eines dazu ggf. noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens, die die mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Antragstellerin bestätigen, oder deren einvernehmlichen Beendigung“. Diese Einschränkung war nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Aus dem objektivierten Empfängerhorizont könnte dies als auflösende Bedingung zu verstehen sein. Diese auflösende Bedingung entspricht jedoch nicht den obigen Anforderungen des BGH, wonach die Rechtmäßigkeit des zu unterlassenden Handelns zweifelsfrei und allgemein verbindlich feststehen muss. Die Einschränkung nimmt vielmehr Bezug auf eine Entscheidung bzw. einen Vergleich, der nur „inter partes“ verbindlich wird. Auch wird nicht hinreichend deutlich, was die Bedingung bezwecken soll, was zu Folgestreitigkeiten führen kann. So ist nicht verständlich, wieso die Unterlassungserklärung bei Bestätigung der klägerischen Ansprüche wegfallen soll – die Erklärung soll ja gerade eine solche Bestätigung im Verhältnis der Parteien zueinander vermeiden. Soweit hiermit auf das Prozessverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten zu 2) Bezug genommen werden soll, mangelt es an der Ernstlichkeit der Unterwerfung, weil hiermit durch die Bestätigung der Ansprüche die Unterlassungserklärung wegfiele und mithin die Wiederholungsgefahr wieder neu entstünde. Solche Auslegungsstreitigkeiten sollen aber durch die Unterwerfung grundsätzlich vermieden werden. Demnach bestehen objektivierbare Zweifel an der Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung.


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OLG Zweibrücken: Wettbewerbswidrige Werbung für Reifen mit Testergebnis wenn andere Reifendgröße getestet wurde

OLG Zweibrücken
Urteil vom 17.03.2022
4 U 127/21


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass ein wettbewerbswidrige Werbung für Reifen mit einem Testergebnis vorliegt, wenn eine andere Reifendgröße getestet wurde. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


BGH: Bei Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ist die Unlauterkeit allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG und nicht § 3a UWG zu beurteilen

BGH
Urteil vom 07.04.2022
I ZR 143/19
Knuspermüsli II
UWG § 3a, § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4; Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2, Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2


Der BGH hat entschieden, dass bei Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation die Unlauterkeit allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG und nicht nach § 3a UWG zu beurteilen ist.

Leitsätze des BGH:
a) In Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ist die Unlauterkeit allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG und nicht nach § 3a UWG zu beurteilen (Aufgabe von BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 139/12, GRUR 2014, 576 Rn. 15 = WRP 2014, 689 - 2 Flaschen GRATIS; Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 60 bis 66] = WRP 2022, 452 - Zufriedenheitsgarantie).

b) Die Gewährung einer Aufbrauchfrist setzt voraus, dass dem Schuldner eines Unterlassungsanspruchs durch ein sofort mit der Zustellung des Titels uneingeschränkt zu beachtendes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstehen und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung des Wettbewerbsverstoßes nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. In der danach erforderlichen Interessenabwägung kann sich zu Lasten des Schuldners auswirken, dass er sich aufgrund einer Verurteilung in den Vorinstanzen oder aufgrund des Verlaufs des Revisionsverfahrens, etwa wegen einer vom Senat veranlassten Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, auf einen für ihn ungünstigen Ausgang des Revisionsverfahrens einstellen konnte und musste (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. November 1973 - I ZR 98/72, GRUR 1974, 474, 476 [juris Rn. 23] = WRP 1974, 85 - Großhandelshaus; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12, GRUR 2013, 1254 Rn. 44 = WRP 2013, 1596 - Matratzen Factory Outlet; Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13, GRUR 2016, 1031 Rn. 42 - Wärmetauscher).

BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - OLG Hamm - LG Bielefeld

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OVG Rheinland-Pfalz: Auf Verpackung die mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthält ist auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen neben der Gesamtnettofüllmenge anzugeben

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 02.11.2021
6 A 10695/21


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass auf einer Verpackung, die mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthält, auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen neben der Gesamtnettofüllmenge anzugeben ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Stückzahlangabe auf Süßigkeitenpackung

Auf einer Verpackung, in der mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthalten sind, ist neben der Gesamtnettofüllmenge auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzu­geben. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Klägerin stellt Süßigkeiten wie Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten her. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen des Landes Rheinland-Pfalz beanstandete anlässlich einer Prüfung mehrere Produkte der Klägerin wegen fehlender Stückzahl­angaben auf der Verpackung, in der sich mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten befanden, und leitete deswegen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Daraufhin erhob die Klägerin Klage und beantragte die Feststellung, dass sie nicht gegen die Lebensmittelinformationsverordnung verstoße, wenn sie diese Produkte ohne die Angabe einer Stückzahl der in der Vorverpackung befindlichen Einzelpackungen in Ver­kehr bringe. Das Verwaltungsgericht Koblenz lehnte die Klage ab. Das Oberverwal­tungsgericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Klägerin verstoße mit der fehlenden Angabe der Gesamtzahl der Einzelpackungen gegen die Lebensmittelinformationsverordnung der Europäischen Union. Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher bestimmt sei, seien Informatio­nen nach Maßgabe der Lebensmittelinformationsverordnung beizufügen. Für Produkte der hier in Rede stehenden Art, bei denen es sich um Vorverpackungen mit zwei oder mehr Einzelpackungen handele, sehe die Verordnung die Angabe der Gesamtnettofüll­menge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen vor. Die Stückzahlkennzeichnungs­pflicht verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Entgegen der Ansicht der Klägerin führe sie nicht zu einem nicht zu rechtfertigenden oder gar sinn­losen Informationsüberschuss. Der Angabe der Stückzahl zusätzlich zur Gesamtnetto­füllmenge könne ein ergänzender Informationswert nicht abgesprochen werden. In Fällen, in denen der Endverbraucher abschätzen müsse, wie viele Vorverpackungen (Verkaufseinheiten) er für bestimmte Anlässe erwerben müsse, sei die Angabe der ent­haltenen Stückzahl – beispielsweise bei einer feststehenden Anzahl an Gästen – häufig hilfreicher als der Informationswert, der aus der Gesamtnettofüllmenge resultiere. Das Informationsbedürfnis an der Kenntnis der enthaltenen Stückzahl könne sich auch darauf erstrecken, in Erfahrung zu bringen, wie viele Einzelverpackungen in einer äußeren Verpackung enthalten seien, um damit die Kaufentscheidung auch anhand von umweltbezogenen Aspekten treffen zu können.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Urteil vom 2. November 2021, Aktenzeichen: 6 A 10695/21.OVG


EuGH: Kalorienangabe auf Vorderseite einer Müsliverpackung darf sich nicht auf Mischportion von Milch und Müsli beziehen - Dr. Oetker Vitalis Knuspermüsli

EuGH
Urteil vom 11.11.2021
C-388/20
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. gegen Dr. August Oetker Nahrungsmittel


Der EuGH hat entschieden, dass sich die Kalorienangabe auf der Vorderseite einer Müsliverpackung nicht auf eine Mischportion von Milch und Müsli beziehen darf.

Tenor der Entscheidung:

Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.

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BGH präzisiert Rechtsprechung zur Werbung mit Testsiegeln und Testergebnissen insbesondere auf Produktabbildungen - Alpina Weiß

BGH
Urteil vom 1504.2021
I ZR 134/20
Testsiegel auf Produktabbildung
UWG § 5a Abs. 2


Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Werbung mit Testsiegeln und Testergebnissen insbesondere auf Produktabbildungen weiter präzisiert.

Leitsätze des BGH:
a) Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, eine Werbung mit einem Testergebnis für eine informierte geschäftliche Entscheidung prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einordnen zu können, hängt nicht von der Intensität der Bewerbung des Testergebnisses, sondern allein davon ab, ob das Testergebnis in der Werbung erkennbar ist.

b) Für eine zulässige Werbung mit einem Testsiegel ist es erforderlich, dass eine Fundstelle des Tests deutlich erkennbar angegeben wird, die leicht zugänglich ist und eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Test erlaubt, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - I ZR 50/07, GRUR 2010, 248 Rn. 31 - Kamerakauf im Internet).

BGH, Urteil vom 15. April 2021 - I ZR 134/20 - OLG Köln - LG Köln

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BGH: Schwarzwälder Schinken muss nicht zwingend im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden - Erfordernis nicht produktspezifisch gerechtfertigt

BGH
Beschluss vom 03.09.2020
I ZB 72/19
Schwarzwälder Schinken II
VO (EU) Nr. 1151/2012 Art. 7 Abs. 1 Buchst. e


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 19.12.2018 - C‑367/17 entschieden, dass Schwarzwälder Schinken nicht zwingend im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden muss. Dieses Erfordernis ist - so der BGH - nicht produktspezifisch gerechtfertigt

Leitsätze des BGH:

a) Eine Änderung der Spezifikation, die die Zuerkennung einer geschützten geografischen Angabe an die Aufmachung im Erzeugungsgebiet knüpft, ist nur gerechtfertigt, wenn einer der drei in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 genannten Rechtfertigungsgründe - Qualitätswahrung oder Ursprungsgewährleistung oder Kontrollgewährleistung - vorliegt.

b) Bei der Prüfung, ob die Wahrung der Qualität des in Rede stehenden Erzeugnisses (hier: von der geschützten geografischen Angabe "Schwarzwälder Schinken" erfasster Schinken) das Erfordernis der Aufmachung (hier: das Schneiden und Verpacken) im Erzeugungsgebiet (hier: im Schwarzwald) erfordert, kommt es darauf an, ob dieses Erfordernis produktspezifisch gerechtfertigt ist. Eine produktspezifische Rechtfertigung liegt nur vor, wenn das betreffende Erzeugnis bei einer Verarbeitung außerhalb des Erzeugungsgebiets im Vergleich zu anderen vergleichbaren Erzeugnissen erhöhten Risiken ausgesetzt ist, denen mit den vorgesehenen Maßnahmen wirksam begegnet werden kann.

c) Das Erfordernis der Aufmachung im Erzeugungsgebiet ist unter dem Gesichtspunkt der Ursprungsgarantie und der Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses nur gerechtfertigt, wenn die Spezifikation zur Gewährleistung des Ursprungs des Erzeugnisses Kontrollen vorsieht, die innerhalb des Erzeugungsgebiets effektiver als außerhalb dieses Gebiets vorgenommen werden können.

d) Das Erfordernis der Aufmachung eines von einer geschützten geografischen Angabe erfassten Erzeugnisses im Erzeugungsgebiet ist gerechtfertigt, wenn es dem Ziel dient, eine wirksame Kontrolle der Spezifikation für diese geschützte geografische Angabe zu gewährleisten. Dabei muss es sich um Kontrollen handeln, die außerhalb des Erzeugungsgebiets weniger Garantien für die Qualität und Echtheit dieses Erzeugnisses geben als Kontrollen, die im Erzeugungsgebiet unter Einhaltung der in der Spezifikation vorgesehenen Verfahren durchgeführt werden.

BGH, Beschluss vom 3. September 2020 - I ZB 72/19 - Bundespatentgericht

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EuGH: Angabe des Verwendungszwecks auf Verpackung oder Behälter von Kosmetik muss klar über Anwendung und Verwendungsweise informieren

EuGH
Urteil vom 17.12.2020
C-667/19
A.M. / E.M.


Der EuGH hat entschieden, dass die Angabe des Verwendungszwecks auf Verpackung oder Behälter von Kosmetik klar über Anwendung und Verwendungsweise informieren muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Angabe des „Verwendungszwecks“ eines kosmetischen Mittels, die auf dessen Behältnis und Verpackung anzubringen ist, muss den Verbraucher klar über die Anwendung und die Verwendungsweise des Mittels informieren

Die Angaben zu den besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des kosmetischen Mittels, zu seinem Verwendungszweck und zu seinen Bestandteilen können nicht in einem Firmenkatalog vermerkt werden, auf den das Symbol einer Hand mit einem aufgeschlagenen Buch, das auf der Verpackung oder dem Behältnis angebracht ist, verweist A. M., die u. a. Inhaberin eines Schönheitssalons in Polen ist, kaufte 2016 Cremes, Masken und Puder eines amerikanischen Herstellers bei E. M., die diese kosmetischen Mittel vertreibt. Auf der Verpackung der Mittel befanden sich der Name des verantwortlichen Unternehmens, der Originalname des kosmetischen Mittels, seine Zusammensetzung, sein Verfallsdatum und seine Seriennummer sowie folgendes Symbol einer Hand mit einem aufgeschlagenen Buch, das auf einen Katalog verwies, der alle Informationen in polnischer Sprache enthielt:

A. M. löste den Kaufvertrag über die kosmetischen Mittel auf und machte geltend, dass auf der Verpackung keine Informationen in polnischer Sprache über den Verwendungszweck des Mittels vorhanden seien, so dass es nicht möglich sei, es zu identifizieren und seine Wirkung zu erkennen, und dass diese Elemente nicht klar aus der Aufmachung hervorgingen. Sie trug weiter vor, dass sich die Angaben in polnischer Sprache, die das polnische Recht vorschreibe und die sich aus dem Unionsrecht ergäben, nur im Katalog befänden, der nicht mit dem kosmetischen Mittel verbunden sei.

Nachdem ihre Klage auf Erstattung der Kosten für den Kauf der kosmetischen Mittel abgewiesen worden war, legte A. M. Berufung beim Sąd Okręgowy w Warszawie XXIII Wydział Gospodarczy Odwoławczy (Bezirksgericht Warschau, 23. Abteilung für Berufungen in Wirtschaftssachen, Polen) ein. Dieses Gericht hat den Gerichtshof um Auslegung der Verordnung der Union über kosmetische Mittel ersucht.

Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass mit dieser Verordnung die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der Union umfassend harmonisiert werden sollen, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.

Er stellt insoweit fest, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Sicherheit der auf den Markt gebrachten kosmetischen Mittel und den Anforderungen an ihre Aufmachung und Kennzeichnung besteht. Daher kann sich die Anforderung, auf den Behältnissen und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbare, leicht lesbare und deutlich sichtbare Angaben zum Verwendungszweck des kosmetischen Mittels anzubringen, nicht auf eine Verpflichtung beschränken, über die mit dem
Gebrauch des kosmetischen Mittels verfolgten Zwecke, d. h. zu reinigen, zu parfümieren, das Aussehen zu verändern, einen der in dieser Vorschrift aufgeführten Teile des menschlichen Körpers zu schützen oder in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen, zu informieren. Zwar ist es anhand dieser Zwecke möglich, zu bestimmen, ob ein bestimmtes Produkt je nach seiner Verwendung und seinem Zweck als kosmetisches Mittel eingestuft werden kann, und somit, es von anderen Produkten, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, abzugrenzen, doch bezieht sich der „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ auf die Angabe spezifischerer Merkmale des Mittels.

Der Gerichtshof folgert daraus, dass die Angabe des „Verwendungszweck[s] eines kosmetischen Mittels“, die auf dem Behältnis und der Verpackung eines solchen Mittels anzubringen ist, geeignet sein muss, den Verbraucher klar über die Anwendung und die Verwendungsweise des Mittels zu informieren, um sicherzustellen, dass die Verbraucher das Mittel sicher und ohne Beeinträchtigung ihrer Gesundheit verwenden können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der Merkmale und Eigenschaften des betreffenden kosmetischen Mittels sowie der Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers Art und Umfang der Informationen zu bestimmen, die auf dem Behältnis und der Verpackung des Mittels erscheinen müssen, damit es ohne Gefahr für die menschliche Gesundheit verwendet werden kann.

Der Gerichtshof prüft sodann die Frage, ob die Angaben zu den besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des kosmetischen Mittels, zu seinem Verwendungszweck und zu seinen Bestandteilen in einem Firmenkatalog vermerkt werden können, in dem auch andere Produkte aufgeführt sind, wenn auf der Verpackung oder dem Behältnis des kosmetischen Mittels das Symbol einer Hand mit einem aufgeschlagenen Buch angebracht ist.

Er stellt fest, dass, wenn ein Verweis erfolgen muss, als externe Träger zum kosmetischen Mittel nur „dem kosmetischen Mittel [beigepackte] oder an ihm [befestigte] Zettel, Etikett[en], Papierstreifen, Anhänger oder Kärtchen“ verwendet werden können. Ein gesondert zur Verfügung gestellter Firmenkatalog, der eine Beschreibung des oder der betreffenden kosmetischen Mittel, aber auch anderer Produkte der vom Hersteller angebotenen Produktpalette enthält, ist einem bestimmten Produkt nicht beigelegt oder an diesem befestigt. Außerdem ist es nur dann zulässig, auf einen externen Träger zurückzugreifen, wenn es „aus praktischen Gründen“ nicht möglich ist, die Angaben auf einem Etikett aufzuführen. Diese Unmöglichkeit bezieht sich auf Fälle, in denen es schon aufgrund der Art und der Aufmachung des kosmetischen Mittels faktisch unmöglich ist, bestimmte Angaben erscheinen zu lassen.

Der Umstand, dass die streitigen kosmetischen Mittel importiert werden, was in Anbetracht der Anforderung, die erforderlichen Angaben in der Sprache erscheinen zu lassen, die vom Recht des Mitgliedstaats, in dem das kosmetische Mittel für die Endverbraucher bereitgestellt wird, bestimmt wird, zu organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten führen kann, die mit der Notwendigkeit verbunden sind, bestimmte Informationen zu übersetzen und das Mittel neu zu kennzeichnen oder selbst neu zu verpacken, macht es für sich genommen nicht praktisch unmöglich, die Angaben auf dem Etikett aufzuführen. Die Kosten, die durch die Kennzeichnung dieser Mittel in einer anderen Sprache für ihre Vermarktung in anderen Mitgliedstaaten entstehen, können in keinem Fall als Rechtfertigungsgrund für eine unvollständige Kennzeichnung des Mittels auf seinem Behältnis und seiner Verpackung angesehen werden. Eine solche Anforderung erlaubt die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Der Schutz der menschlichen Gesundheit könnte nämlich nicht in vollem Umfang gewährleistet werden, wenn die Verbraucher nicht in der Lage wären, insbesondere von der Angabe des Verwendungszwecks des betreffenden kosmetischen Mittels und der bei seiner Verwendung zu beachtenden besonderen Vorsichtsmaßnahmen umfassend Kenntnis zu nehmen und sie zu verstehen. Die Informationen, die die Hersteller- oder Vertriebsunternehmen kosmetischer Mittel, die unter die Verordnung fallen, auf dem Behältnis und der Verpackung des Mittels angeben müssen, sind, sofern sie nicht durch Piktogramme oder andere Zeichen als Worte erfolgreich übermittelt werden können, ohne praktischen Nutzen, wenn sie nicht in einer für ihre Adressaten verständlichen Sprache abgefasst sind.

Auch der Umstand, dass die Kennzeichnung kosmetischer Mittel ihrem Hersteller und nicht dem Unternehmen, das sie vertreibt, obliegt, macht es ebenfalls nicht praktisch unmöglich, die erforderlichen Angaben in die Kennzeichnung der Mittel aufzunehmen. Insoweit reicht der Wille des Hersteller- oder Vertriebsunternehmens, den Verkehr der kosmetischen Mittel innerhalb der Union zu erleichtern, für sich allein nicht aus, um die unvollständige Angabe der vorgeschriebenen Informationen zu rechtfertigen. Der Begriff der Unmöglichkeit bezieht sich im Allgemeinen auf Umstände, auf die derjenige, der sich auf sie beruft, keinen Einfluss hat; er kann daher nicht so verstanden werden, dass er es dem Hersteller- oder Vertriebsunternehmen kosmetischer Mittel erlaubt, sich wegen der Anzahl der von ihm gewählten Sprachen – unabhängig davon, ob es sich dabei um Unionssprachen handelt oder nicht – nach seinem Belieben auf eine „Unmöglichkeit aus praktischen Gründen“ im Sinne der Verordnung zu berufen.

Daraus folgt, dass die Angaben zu den besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des kosmetischen Mittels, zu seinem Verwendungszweck und zu seinen Bestandteilen nicht in einem Firmenkatalog vermerkt werden können, auf den das Symbol einer Hand mit einem aufgeschlagenen Buch, das auf der Verpackung oder dem Behältnis des Mittels angebracht ist,
verweist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH liegt vor: Quadratische Verpackung der Ritter Sport Schokolade bleibt als Marke geschützt

BGH
Beschluss vom 23.07.2020
I ZB 42/19
Quadratische Tafelschokoladenverpackung II
MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 3, § 54 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Quadratische Verpackung der Ritter Sport Schokolade bleibt als Marke geschützt - keine Löschung der Marken nach § 3 Abs. 2 MarkenG über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Aus § 54 Abs. 2 MarkenG geht nicht hervor, dass im Markenlöschungsverfahren eine Erweiterung des Streitgegenstands um weitere Löschungsgründe unzulässig ist. Ist bereits ein Löschungsverfahren anhängig und werden weitere Löschungsgründe geltend gemacht, werden diese vielmehr unter den Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Regelung des § 263 ZPO Gegenstand des laufenden Verfahrens, ohne ein neues Löschungsverfahren in Gang zu setzen. Den nachgeschobenen Löschungsgründen muss daher auch nicht innerhalb von zwei Monaten widersprochen werden, um eine Löschung zu verhindern.

b) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bezieht sich nicht nur auf die Form von Waren, die einen rein künstlerischen oder dekorativen Wert haben, sondern auch auf Warenformen, die außer einem bedeutenden ästhetischen Element auch wesentliche funktionelle Eigenschaften aufweisen.

c) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG liegt vor, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in hohem Maße dadurch bestimmt wird, dass die Form der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Es kommt nicht darauf an, ob die Form der Ware für den Markeninhaber einen besonderen wirtschaftlichen Wert hat, weil sie sich im Verkehr als Hinweis auf die Herkunft der Ware durchgesetzt hat.

d) Bei der Entscheidung, ob dieses Schutzhindernis vorliegt, ist die Verkehrsauffassung kein entscheidender Faktor. Maßgeblich sind vielmehr Beurteilungskriterien, wie die Art der in Rede stehenden Warenkategorie, der künstlerische Wert der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit im Vergleich zu anderen auf dem jeweiligen Markt allgemein genutzten Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Vermarktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht.

BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZB 42/19 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: I ZB 42/19 und hier: I ZB 43/19

BGH legt EuGH vor: Darf sich Kalorienangabe auf Vorderseite einer Müsliverpackung auf Mischportion von Milch und Müsli beziehen - Dr. Oetker Vitalis Knuspermüsli

BGH
Beschluss vom 23.07.2020
I ZR 143/19


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob sich die Kalorienangabe auf der Vorderseite einer Müsliverpackung auf eine Mischportion von Milch und Müsli beziehen darf oder die Kalorienangabe für eine reine Portion des Müslis anzugeben ist.

Tenor der Entscheidung:

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2020 [... ] beschlossen:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission,
der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 18; im Weiteren: Lebensmittelinformationsverordnung - LMIV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV dahin auszulegen, dass diese Regelung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist ?

2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Meint die Wortfolge "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV allein
100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber - zumindest auch - 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels ?

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: