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EuGH-Generalanwältin: Kein Verstoß gegen DSGVO wenn nationale Anti-Doping-Behörde personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht

EuGH-Generalanwältin
Schlussantrage vom 14.09.2023
C-115/22 | NADA u. a.


Die EuGH-Generalanwältin kommt in ihren Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, wenn eine nationale Anti-Doping-Behörde personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Dopingbekämpfung und Datenschutz: Nach Ansicht von Generalanwältin Ćapeta verstößt eine nationale Anti-Doping-Behörde, die personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht, nicht gegen die DSGVO

Der dadurch entstehende Eingriff in das Recht auf Datenschutz kann mit dem Präventionsziel einer solchen Veröffentlichung gerechtfertigt werden.

Eine österreichische Profisportlerin im Mittelstreckenlauf wurde für schuldig befunden, gegen österreichische AntiDoping-Regeln verstoßen zu haben. Die Österreichische Anti-Doping-Rechtskommission (ÖADR) erklärte alle im fraglichen Zeitraum von der Sportlerin erzielten Ergebnisse für ungültig, erkannte alle Start- und/oder Preisgelder ab und verhängte über sie eine vierjährige Sperre für die Teilnahme an jeglicher Art von sportlichen Wettkämpfen. Dieser Beschluss wurde von der ÖADR und der Unabhängigen Schiedskommission (USK) bestätigt.

Die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung (NADA) veröffentlichte in Bezug auf die Sportlerin auch ihren Namen, ihren Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln und den Zeitraum der Sperre in einer Tabelle gesperrter Sportler auf ihrer öffentlich zugänglichen Website.

Die Sportlerin beantragte bei der USK eine Überprüfung des Beschlusses. Diese Einrichtung möchte unter anderem wissen, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten eines gedopten Profisportlers im Internet mit der DSGVO vereinbar ist.

In den heutigen Schlussanträgen geht Generalanwältin Tamara Ćapeta zuerst auf die Zulässigkeit des Ersuchens ein. Nach Ansicht der Generalanwältin ist die USK ein „Gericht“’ im Sinne von Art. 267 Abs. 4 AEUV. Die Generalanwältin vertritt nämlich die Ansicht, dass die USK unter den Umständen des vorliegenden Falles sogar ein „Gericht“ darstelle, gegen dessen Entscheidungen keine Rechtsmittel gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eingelegt werden könnten. Die USK sei daher sogar zur Vorlage verpflichtet gewesen.

In materiellrechtlicher Hinsicht befindet Generalanwältin Tamara Ćapeta zuerst, dass die DS-GVO auf den Sachverhalt des Falles nicht anwendbar sei. Das Anti-Doping-Recht regele vorrangig den Sport als Sport. Es beziehe sich eher auf die sozialen und erzieherischen Funktionen des Sports als auf seine wirtschaftlichen Aspekte. Es gebe derzeit keine unionsrechtlichen Vorschriften, die die Anti-Doping-Politik der Mitgliedstaaten beträfen. Ohne auch eine nur indirekte Verbindung der Anti-Doping-Politik zum Unionsrecht könne die DS-GVO solche Verarbeitungstätigkeiten nicht regeln. Deshalb vertritt die Generalanwältin die Ansicht, dass der Sachverhalt dieses Falles nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und somit nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO falle.

Alternativ vertritt die Generalanwältin Tamara Ćapeta die Ansicht, dass die DS-GVO in einem bestimmten Kontext die Verarbeitung personenbezogener Daten erlaube, ohne dass eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich sei. Die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, zu verlangen, dass bei Profisportlern, die gegen geltende Anti-Doping-Regeln verstießen, personenbezogene Daten an die Allgemeinheit bekannt gegeben würden, unterliege daher keiner zusätzlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung jedes Einzelfalles. Der durch die Veröffentlichung verursachte Eingriff in die Rechte von Profisportlern könne mit dem Präventionsziel gerechtfertigt werden, dass junge Sportler von Verstößen gegen Anti-DopingRegeln abgehalten und interessierte Kreise unterrichtet würden.

Generalanwältin Tamara Ćapeta erläutert weiter, dass es in der modernen Gesellschaft nur einen einzigen Weg gebe, um sicherzustellen, dass eine Pflicht zur allgemeinen Bekanntgabe wie im vorliegenden Fall die Pflicht des österreichischen Gesetzgebers erfüllt werde, nämlich durch eine Veröffentlichung im Internet. Eine bloße Veröffentlichung in gedruckter Form könne nicht mehr als geeignetes Mittel angesehen werden, um die Allgemeinheit mit Informationen zu versorgen. Wenn lediglich eine Offline-Veröffentlichung der fraglichen Informationen gefordert würde, käme dies einer Umgehung der Pflicht zur Information der Allgemeinheit gleich. Die Bekanntgabe des Namens der Sportlerin, des fraglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln und der gegen sie verhängten Sperre auf der öffentlich zugänglichen Website einer nationalen Anti-Doping-Behörde sei während der Dauer ihrer Sperre geeignet und erforderlich, um die präventive Funktion der Abschreckung einerseits und der Information der interessierten Kreise andererseits zu erfüllen.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

LfDI Bremen: Bußgeld von rund 1,9 Millionen Euro nach Art. 83 DSGVO gegen Wohnungsbaugesellschaft wegen diskriminierender Datenerhebung und Datenverarbeitung

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Bremen hat ein Bußgeld von rund 1,9 Millionen Euro nach Art. 83 DSGVO gegen eine Wohnungsbaugesellschaft wegen diskriminierender Datenerhebung und Datenverarbeitung verhängt.

Die Pressemitteilung der LfDI Bremen:
LfDI verhängt gegen die BREBAU GmbH Geldbuße nach DSGVO

Am heutigen Tage hat die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) als datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde die BREBAU GmbH mit einer Geldbuße nach Artikel 83 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) belegt.

Die BREBAU GmbH hat mehr als 9.500 Daten über Mietinteressent:innen verarbeitet, ohne dass es hierfür eine Rechtsgrundlage gab. Beispielsweise Informationen über Haarfrisuren, den Körpergeruch und das persönliche Auftreten sind für den Abschluss von Mietverhältnissen nicht erforderlich.

Bei mehr als der Hälfte der Fälle handelte es sich darüber hinaus um Daten, die nach der DSGVO besonders geschützt sind. Rechtswidrig verarbeitet wurden auch Informationen über die Hautfarbe, die ethnische Herkunft, die Religionszugehörigkeit, die sexuelle Orientierung und über den Gesundheitszustand. Auch hat die BREBAU GmbH Anträge Betroffener auf Transparenz über die Verarbeitung ihrer Daten bewusst konterkariert.

Die nach Artikel 83 DSGVO verhängte Geldbuße beläuft sich auf rund 1,9 Millionen Euro. Der außerordentlichen Tiefe der Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz wäre eine deutlich höhere Geldbuße angemessen gewesen. Weil die BREBAU GmbH im datenschutzrechtlichen Aufsichtsverfahren umfassend kooperierte, sich um Schadensminderung, eigene Aufklärung des Sachverhalts und darum bemühte, dass entsprechende Verstöße sich nicht wiederholen, konnte die Höhe der Geldbuße erheblich reduziert werden.

Anlässlich dieses Aufsichtsverfahrens äußerte die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Dr. Imke Sommer: "Im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über den Fall, der diesem datenschutzrechtlichen Aufsichtsverfahren zugrunde liegt, bin ich häufig gefragt worden, ob die DSGVO Diskriminierungen verbietet. Die Antwort auf diese Frage ist kompliziert, weil die DSGVO in spezifischer Weise auf Sachverhalte schaut. Nach der DSGVO ist es nur in wenigen Ausnahmefällen überhaupt erlaubt, Daten über Hautfarbe, ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung und über den Gesundheitszustand zu verarbeiten. Damit sorgt die DSGVO dafür, dass diese besonders geschützten Daten in den allermeisten Fällen gar nicht erst erhoben und gespeichert werden dürfen. Nicht erhobene Daten können nicht missbraucht werden. In diesem Sinne schützt die DSGVO auch vor Diskriminierungen.



LG Halle: 1.000 EURO Ordnungsgeld bei Verstoß gegen Unterlassungsverfügung wegen fehlender Information über Muster-Widerrufsformular bei eBay

LG Halle
Beschluss vom 28.12.2021
8 O 15/17


Das LG Halle hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EURO bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung wegen fehlender Information über das Muster-Widerrufsformular bei eBay angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das verhängte Ordnungsgeld ist nach § 890 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt.

Durch Anerkenntnisurteil der Kammer vom 08.03.2017 im einstweiligen Verfügungsverfahren wurde dem Schuldner unter Androhung von Ordnungsmitteln in Ziff. I.1.(2) untersagt,

im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz betreffend Kraftfahrzeug- und/oder Motorradzubehör Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird.

Das Anerkenntnisurteil wurde den Parteien von Amts wegen und dem Schuldner darüber hinaus im Parteibetrieb jeweils am 15.03.2017 zugestellt.

Gegen dieses Unterlassungsgebot hat der Schuldner objektiv zuwidergehandelt, indem er am 21.07.2020 bei eBay Angebote aus dem Bereich Kraftfahrzeug-/Motorradzubehör eingestellt hat, ohne das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB beizufügen (Anlagenkonvolut G 2 (Anlagenband)).

Den Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung stellt der Schuldner nicht in Abrede.

Die Zuwiderhandlung ist schuldhaft begangen worden. Soweit der Schuldner einwendet, der Textbaustein "Muster-Widerrufsformular" sei im Rahmen der Programmierungsstruktur bei eBay "auf bis heute unbekannten Weg verloren gegangen" ist ihm jedenfalls vorzuwerfen, daß er nach Einstellung seiner Angebote diese nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft hat.

Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners in die Erwägung einzustellen (vgl. BGH GRUR 2017, 318 - bei juris Rdnr. 17). Vorliegend ist zwar zu berücksichtigen, daß es sich bei der Informationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1EGBGB um die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 (lit.) h der Richtlinie 2011/83/EU handelt. Diese Richtlinie hat nach Art, 1 den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen (vgl. BGH BB 2019, 1873 - bei juris Rdnr. 24). Anderseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß inzwischen in Deutschland der durchschnittliche Internetkäufer über die Art und Weise der Ausübung seines Widerrufsrechts informiert ist. Darüber hinaus scheint es sich bei den streitgegenständlichen Angeboten vom 21.07.2020 um einmalige Vorfälle zu handeln. Gleichwohl ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Schuldner durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird. Verstöße gegen gerichtliche Verbote dürfen wirtschaftlich nicht lohnend sein. Insgesamt wird daher ein Ordnungsgeld von 1.000,- EUR für angemessen erachtet.

Die Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO.

3. Der Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers auf Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit ist nach § 33 Abs. 1 und 2 RVG zulässig, da sich die gerichtlichen Gebühren über die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO nicht nach einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten, sondern nach Nr. 2111 GKG-KV lediglich eine Festgebühr anfällt.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG a.F. am Wert einer Hauptsacheklage auf Unterlassung auszurichten. Der Wert des Vollstreckungsverfahrens nach § 890 ZPO richtet sich damit nach dem Interesse, daß der Unterlassungsgläubiger an der Einhaltung des ausgesprochenen Verbots hat.

Der für das einstweilige Verfügungsverfahren festgesetzte Wert von 10.000,- EUR betraf 4 Anträge im Hinblick auf unterlassene Informationspflichten, die ungefähr gleich zu bewerten sind. Da der Wert des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Regel nur mit etwa 2/3 des Hauptsacheverfahrens angesetzt wird und es vorliegend um den Verstoß gegen eines der insgesamt 4 Verbote geht, erscheint ein Gegenstandswert von 3.750,- EUR als angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Online-Marktplatz wie eBay muss bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.06.2021
6 U 244/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Online-Marktplatz wie eBay bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

ebay muss bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss nach dem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung das konkrete Angebot unverzüglich sperren. Darüber hinaus muss er nach der heutigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts kommt. Das OLG verpflichtete deshalb die Betreiberin von ebay.de, es zu unterlassen, ihren Marktplatz gewerblichen Verkäufern trotz mehrfacher Hinweise auf rechtswidrige Angebote für den Vertrieb von Schwimmhilfen zur Verfügung zu stellen, sofern die Angebote wiederum nicht rechtmäßig gekennzeichnete Waren betreffen.

Die Klägerin produziert und vertreibt Schwimmscheiben u.a. als mehrfarbige Oberarmschwimmhilfen, die aus permanent schwimmfähigem Material gefertigt und so gestaltet sind, dass eine optimale Arm- und Bewegungsfreiheit gewährleistet wird. Die Schwimmhilfen tragen die Marke der Klägerin, eingeprägte Sicherheitshinweise, Name und Anschrift der Klägerin sowie ein CE-Kennzeichen.

Die Beklagte betreibt in Deutschland den Internetmarktplatz ebay.de. Dort wurden von gewerblichen Verkäufern Schwimmscheiben chinesischer Herkunft angeboten, die weder über eine Herstellerkennzeichnung noch eine CE-Kennzeichnung, EU-Konformitätserklärung und Baumusterprüfbescheingigung verfügten. Die Klägerin beanstandete dies wegen Verstoßes gegen die Produktsicherheitsvorschriften mehrfach schriftlich gegenüber der Beklagten.

Das Landgericht hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung hatte vor dem OLG überwiegend Erfolg. Die Beklagte habe es zu unterlassen, auf ihrer Handelsplattform Angebote bereits angezeigter Verkäufer zu schalten, bei denen auf den Lichtbildern das Fehlen der CE-Kennzeichnung und der Hersteller-Angaben zu erkennen sei, urteilte das OLG. Gemäß der EU-Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen dürften diese nur dann auf den Markt bereitgestellt werden, wenn sie der Verordnung entsprechen und nicht die Gesundheit oder Sicherheit von Personen gefährden. Entgegen den Anforderungen der Verordnung verfügten die angebotenen Schwimmhilfen jedoch weder über eine CE-Kennzeichnung noch eine Herstellerkennzeichnung. Die Angebote erfüllten zudem nicht die Anforderungen nach dem Produktsicherheitsgesetz, da sowohl Angaben zum Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers als auch die vorgeschriebene CE-Kennzeichnung fehlten.

Die Beklagte sei für diese Verstöße verantwortlich. Sie müsse nicht nur konkrete Angebote unverzüglich sperren, wenn sie auf klare Rechtsverletzungen - wie hier - hingewiesen wurde (sog. „notice an take down“-Prinzip). Vielmehr müsse sie auch darüber hinaus Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts komme. Sie treffe deshalb jedenfalls bei der Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften die Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Durch ihr gefahrerhöhendes Verhalten bestehe eine „Erfolgsabwendungspflicht“. Daraus folgende Prüfungspflichten seien ihr zumutbar, da die Produkte leicht identifizierbar seien. Die Verpflichtung führe auch nicht zu einer Gefährdung oder unverhältnismäßigen Erschwerung des Geschäftsmodells der Beklagten. Sie könne vielmehr eine Filtersoftware einsetzen, mit welcher Schwimmscheiben-Angebote derjenigen Accounts ermittelt werden, bei denen in der Vergangenheit rechtsverletzende Angebote bereits angezeigt wurden.

Nicht zumutbar wäre allerdings die Überprüfung, ob die Kennzeichnung zu Recht angebracht und die Sicherheitsanforderungen tatsächlich erfüllt wurden. Dies sei jedoch auch nicht streitgegenständlich.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.6.2021, Az. 6 U 244/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.10.2019, Az. 2-6 O 77/19)


LfDI Baden-Württemberg: Bußgeld in Höhe von 300.000 EURO gegen VfB Stuttgart wegen fahrlässiger Verletzung der datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg hat gegen den VfB Stuttgart wegen fahrlässiger Verletzung der datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO ein Bußgeld in Höhe von 300.000 EURO verhängt.

Die Pressemitteilung des LfDI:

Bußgeldverfahren gegen VfB Stuttgart 1893 AG endet mit der Verhängung eines Bußgeldes.

LfDI Stefan Brink: „Neben dem spürbaren Bußgeld sorgt der VfB für erhebliche organisatorische und technische Verbesserungen in Sachen Datenschutz. Zudem planen die Verantwortlichen erfreulicherweise künftig ein Engagement bei der Aufklärung über Datenschutzanliegen, mit dem vor allem junge Menschen angesprochen werden sollen.“

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Stefan Brink schließt das Verfahren gegen die VfB Stuttgart 1893 AG ab und erlässt ein Bußgeld in Höhe von 300.000 Euro wegen fahrlässiger Verletzung der datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht gemäß Art. 5 Abs. 2 DS-GVO.

Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart 1893 e.V. und der VfB Stuttgart 1893 AG haben die Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen des Landesbeauftragten unterstützt, durch eigene Initiative gefördert sowie mit der Behörde des Landesbeauftragten umfangreich kooperiert.

Neben der Bußgeldzahlung und der kostenträchtigen Umstrukturierung und Verbesserung ihres Datenschutzmanagements ergreift die VfB Stuttgart 1893 AG in Abstimmung mit dem LfDI Maßnahmen zur Sensibilisierung junger Menschen für Datenschutzanliegen.

So fördert der VfB das Projekt „Datenschutz geht zur Schule“ durch Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit für regionale Schul-Aktionstage und im Rahmen kind-/jugendgerechter Videos zur Sensibilisierung für datenschutzrelevante Themen. Darüber hinaus konzipiert der VfB Schulungen für die Fußballnachwuchsmannschaften U10 bis U21 zum Thema „Datenschutz bei Jugendlichen“.

LfDI Stefan Brink: „Mit dem Erlass dieses Bußgeldbescheides schließen wir ein Verfahren ab, das auch für uns als Aufsichtsbehörde ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war nicht nur der Gegenstand unseres Verfahrens, sondern vor allem das hiermit verbundene öffentliche und mediale Interesse. Ungewöhnlich war auch der Umfang des durch die Einschaltung der Esecon belegten Aufklärungsinteresses und der Kooperationsbereitschaft des VfB mit unserer Behörde.“

Aus diesem Verfahren heraus ergebe sich die gute Chance, so Stefan Brink weiter, dass der VfB Stuttgart künftig beim fairen Umgang mit den Daten der Mitglieder besser aufgestellt ist. „Auch wenn wir mit Blick auf Verjährungsvorschriften nicht alle öffentlich diskutierten Vorgänge vollständig untersuchen konnten, ist doch das jetzt einvernehmlich gefundene Ergebnis überzeugend: Neben dem spürbaren Bußgeld sorgt der VfB für erhebliche organisatorische und technische Verbesserungen in Sachen Datenschutz. Zudem planen die Verantwortlichen erfreulicherweise künftig ein Engagement bei der Aufklärung über Datenschutzanliegen, mit dem vor allem junge Menschen angesprochen werden sollen.“

Mit dem Erlass des Bußgeldbescheids sind die Ermittlungen gegen den VfB Stuttgart 1893 e.V. und die VfB Stuttgart 1893 AG abgeschlossen.


LfDI Baden-Württemberg: Bußgeld in Höhe von 1.240.000,00 EURO gegen AOK Baden-Württemberg wegen Verstößen gegen Art. 32 DSGVO

Das LfDI Baden-Württemberg hat ein Bußgeld in Höhe von 1.240.000,00 EURO gegen die AOK Baden-Württemberg wegen Verstößen gegen Art. 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung) verhängt.

Die Pressemitteilung des LfDI:

LfDI Baden-Württemberg verhängt Bußgeld gegen AOK Baden-Württemberg – Wirksamer Datenschutz erfordert regelmäßige Kontrolle und Anpassung

Wegen eines Verstoßes gegen die Pflichten zu sicherer Datenverarbeitung (Art. 32 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung DS-GVO) hat die Bußgeldstelle des LfDI Baden-Württemberg mit Bescheid vom 25.06.2020 gegen die AOK Baden-Württemberg eine Geldbuße von 1.240.000,- Euro verhängt und – in konstruktiver Zusammenarbeit mit der AOK – zugleich die Weichen für eine Verbesserung der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz persönlicher Daten bei der AOK Baden-Württemberg gestellt.

Die AOK Baden-Württemberg veranstaltete in den Jahren 2015 bis 2019 zu unterschiedlichen Gelegenheiten Gewinnspiele und erhob hierbei personenbezogene Daten der Teilnehmer, darunter deren Kontaktdaten und Krankenkassenzugehörigkeit. Dabei wollte die AOK die Daten der Gewinnspielteilnehmer auch zu Werbezwecken nutzen, sofern die Teilnehmer hierzu eingewilligt hatten. Mithilfe technischer und organisatorischer Maßnahmen, u. a. durch interne Richtlinien und Datenschutzschulungen, wollte die AOK hierbei sicherstellen, dass nur Daten solcher Gewinnspielteilnehmer zu Werbezwecken verwendet werden, die zuvor wirksam hierin eingewilligt hatten. Die von der AOK festgelegten Maßnahmen genügten jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen. In der Folge wurden die personenbezogenen Daten von mehr als 500 Gewinnspielteilnehmern ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken verwendet. Versichertendaten waren hiervon nicht betroffen.

Die AOK Baden-Württemberg stellte unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorwurfs alle vertrieblichen Maßnahmen ein, um sämtliche Abläufe grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Zudem gründete die AOK eine Task Force für Datenschutz im Vertrieb und passte neben den Einwilligungserklärungen insbesondere auch interne Prozesse und Kontrollstrukturen an. Weitere Maßnahmen sollen in enger Abstimmung mit dem LfDI erfolgen.

Innerhalb des Bußgeldrahmens gemäß Art. 83 Abs. 4 DS-GVO sprachen die umfassenden internen Überprüfungen und Anpassungen der technischen und organisatorischen Maßnahmen sowie die konstruktive Kooperation mit dem LfDI zu Gunsten der AOK. Auf diese Weise konnte in kurzer Zeit eine Steigerung des Schutzniveaus für personenbezogene Daten bei Vertriebstätigkeiten der AOK erreicht werden. Diese Verbesserungen und zusätzlichen Kontrollmechanismen wird die AOK zukünftig entsprechend den Vorgaben und Empfehlungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit fortführen und ggf. anpassen.

Bei der Bemessung der Geldbuße wurde neben Umständen wie der Größe und Bedeutung der AOK Baden-Württemberg insbesondere auch berücksichtigt, dass sie als eine gesetzliche Krankenversicherung wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems ist. Schließlich obliegt der AOK die gesetzliche Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Weil Bußgelder nach der DS-GVO nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch verhältnismäßig sein müssen, war bei der Bestimmung der Bußgeldhöhe sicherzustellen, dass die Erfüllung dieser gesetzliche Aufgabe nicht gefährdet wird. Hierbei wurden die gegenwärtigen Herausforderungen für die AOK infolge der aktuellen Corona-Pandemie in besonderem Maße berücksichtigt.

„Datensicherheit ist eine Daueraufgabe“, betont der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Dr. Stefan Brink. „Technische und organisatorische Maßnahmen sind regelmäßig den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen, um auf Dauer ein angemessenes Schutzniveau sicherzustellen.“ Der Sicherstellung datenschutzkonformer Zustände und der guten Zusammenarbeit von verantwortlichen Stellen mit dem LfDI als Aufsichtsbehörde wird dabei regelmäßig große Bedeutung beigemessen. „Wir streben keine besonders hohen Bußgelder, sondern ein besonders gutes und angemessenes Datenschutzniveau an“, so Brink abschließend.


Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann: Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers

In Ausgabe 4/20, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers".

Siehe auch zum Thema: BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben


BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben

BGH
Beschluss vom 17.10.2019
I ZB 19/19


Der BGH hat entschieden, dass der Unterlassungsschuldner auch nach einstweiliger Verfügung eine Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer, streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben, hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Nach der Rechtsprechung des Senats verpflichtet das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben (zu allem ausführlich BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 17 ff.).

b) Die vom Beschwerdegericht ausgeführten Einwände veranlassen den Senat nicht, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen.

aa) Ist der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustands zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden
Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen. Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit -
gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist daher verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken. Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Dritte kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat. Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 25).

bb) Die spezialgesetzlich vorgesehenen Rückrufansprüche des Immaterialgüterrechts stehen - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - der Annahme von Beseitigungspflichten im Rahmen der Unterlassungshaftung nicht entgegen, weil diese in Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG ergangenen Vorschriften keinen Vorrang vor anderen Vorschriften beanspruchen (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 29). Im vorliegend betroffenen Fall einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungspflicht kommt eine Sperrwirkung schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer solchen speziellen Regelung fehlt.

cc) Dem Bedenken, die Geltendmachung einer Rückrufpflicht könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen, trägt der Senat Rechnung, indem er den Schuldner ggf. lediglich für verpflichtet hält, Maßnahmen zu treffen, die die Abwehransprüche des Gläubigers sichern, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Hierzu zählt die Aufforderung an die Abnehmer, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 37 bis 39).

dd) Die Annahme einer positiven Handlungspflicht aufgrund des Unterlassungsgebots verstößt - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 1654/90, juris; BVerfG, GRUR 2007, 618, 619 [juris Rn. 16 bis 22]; BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 24 mwN).

ee) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts begründet die Annahme einer Pflicht zum Rückruf oder zur Aufforderung der Abnehmer, nicht weiterzuvertreiben, nicht die Besorgnis einer Entwertung des Abschlussverfahrens oder einer gesteigerten Inanspruchnahme der Gerichte. Beschränkt sich die Pflicht des Schuldners auf eine solche Aufforderung, weil andernfalls im Eilverfahren eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vorläge, kann der Gläubiger eine weitergehende Verpflichtung zum Rückruf allein im Hauptsacheverfahren erlangen, sofern sich der Schuldner nicht entsprechend strafbewehrt verpflichtet. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, von der Pflicht zur Unterlassung sei keinerlei Beseitigungshandlung umfasst, so muss der Gläubiger hierfür auch dann gesonderte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn eine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

c) Zur Frage, ob die Schuldnerin im Zeitraum zwischen der Verkündung der Urteilsverfügung und den durch die Gläubigerin veranlassten Testkäufen einen Rückruf oder auch nur eine Aufforderung, nicht weiterzuvertreiben, an ihre Abnehmer gerichtet hat, hat das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen zum Verschulden der Schuldnerin, zur Höhe des wegen des Verstoßes gegen die Schuldnerin festzusetzenden Ordnungsgeldes und zur Dauer der deswegen ersatzweise festzusetzenden Ordnungshaft.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Bundeskartellamt hat nach Sektorenuntersuchung zu Internet-Vergleichsportalen Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße

Das Bundeskartellamt hat nach einer Sektorenuntersuchung zu Internet-Vergleichsportalen den Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt sieht verbraucherrechtlichen Handlungsbedarf bei Vergleichsportalen

Das Bundeskartellamt hat heute Ergebnisse seiner Sektoruntersuchung zu Internet-Vergleichsportalen vorgestellt. Die Untersuchung zahlreicher Vergleichsportale aus den Dienstleistungsbereichen Reisen, Energie, Versicherungen, Telekommunikation und Finanzen hat den Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße in einigen Punkten erhärtet. Die betroffenen Unternehmen haben nun Gelegenheit, zu dem heute veröffentlichten Konsultationspapier Stellung zu nehmen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Internet-Vergleichsportale sind ein wichtiges Werkzeug, solange sie objektive und unverfälschte Ergebnisse liefern. Viele Vergleichsinformationen sind zutreffend und seriös. Aber unsere Untersuchung offenbart auch eine Anzahl von möglichen Rechtsverstößen. Es fehlt oft an einer Aufklärung der Verbraucher darüber, wie die Reihenfolge der Suchergebnisse und die Empfehlungen der Vergleichsportale im Einzelnen zu Stande kommen. Dies kann zu Fehleinschätzungen der Verbraucher führen. So werden bei Versicherungsvergleichen zum Teil wichtige Anbieter nicht einbezogen. Anbieter von Hotelzimmern können sich Listenplätze auf Hotelplattformen erkaufen. Und mitunter deckt ein Portal weniger als 50 Prozent der im Markt befindlichen Angebote ab. Kurzum: Der Verbraucher kann sich nicht immer darauf verlassen, tatsächlich das für ihn beste Angebot auf einem Vergleichsportal zu finden.“

Viele Vergleichsportale liefern seriöse Informationen, die dem Verbraucher die Bestellentscheidungen erleichtern. Allerdings gibt es nach den Erkenntnissen des Bundeskartellamtes auch Verhaltensweisen, die den Verbraucher in die Irre führen können:

- Häufig haben die von den Anbietern gezahlten Entgelte bzw. Provisionen Einfluss auf die vom Portal voreingestellte Ergebnisdarstellung. Dies erfolgt je nach Branche über eine Vorauswahl der berücksichtigten Angebote, über die Positionierung einzelner Angebote vor dem eigentlichen Ranking oder über die Berücksichtigung der Höhe der Zahlungen der Anbieter im Ranking selbst.

- Vergleichsportale haben in einigen Branchen eine geringe Marktabdeckung und stellen teilweise nur eine Auswahl von weniger als 50 Prozent der insgesamt im Markt existierenden Angebote dar.

- Viele Vergleichsportale setzen Hinweise auf angeblich begrenzte Verfügbarkeiten, praktisch kaum realisierte Vorteile oder vermeintliche Exklusivangebote ein.

- Zahlreiche Portale erstellen keinen eigenständigen Vergleich, sondern greifen lediglich auf die Datensätze und/oder Tarifrechner anderer Portale zu.

Die Verbraucher werden über diese Praktiken der Vergleichsportale häufig nicht angemessen informiert. Soweit dies der Fall ist, kann eine unzulässige Irreführung bzw. eine verdeckte Werbung und damit ein Verstoß gegen die verbraucherrechtlichen Vorgaben des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegen.

Im Rahmen einer ersten Ermittlungsrunde hat das Bundeskartellamt zunächst rund 150 Vergleichsportale aus den Branchen Reisen, Energie, Versicherungen, Telekommunikation und Finanzen zu allgemeinen Strukturdaten befragt. Die darauf aufbauende zweite Befragungsrunde richtete sich mit spezifischen Fragen an insgesamt 36 Vergleichsportale, die in den untersuchten Branchen am relevantesten waren. Die Befragungen umfassten die Themenkomplexe Kooperationen zwischen verschiedenen Portalen, Marktabdeckung der einzelnen Portale, Zustandekommen des Rankings der Suchergebnisse, sonstige Faktoren zur Beeinflussung der Auswahl der Verbraucher sowie den Umgang mit Nutzerbewertungen.

Das Bundeskartellamt hatte die Sektoruntersuchung Vergleichsportale im Oktober 2017 auf Basis seiner neuen, seit Mitte 2017 bestehenden verbraucherrechtlichen Kompetenzen eingeleitet (vgl. Pressemitteilung vom 24.Oktober 2017). Das Bundeskartellamt kann im Bereich Verbraucherschutz Untersuchungen durchführen und so Defizite identifizieren – eine Befugnis, etwaige Rechtsverstöße auch per behördlicher Verfügung abzustellen, ist damit bislang hingegen nicht verbunden (vgl. Pressemitteilung vom 12. Juni 2017).

Mit dem heute vorgelegten Konsultationspapier stellt das Bundeskartellamt die Erkenntnisse aus den Ermittlungen ausführlich dar und nimmt eine erste rechtliche Einordnung vor. Betroffene Marktteilnehmer sowie weitere interessierte Kreise haben nun bis zum 4. Februar 2019 die Gelegenheit, zu dem Konsultationspapier Stellung zu nehmen. Nach Auswertung der Stellungnahmen wird das Bundeskartellamt im kommenden Jahr einen abschließenden Bericht zur Sektoruntersuchung Vergleichsportale veröffentlichen.

Das Konsultationspapier ist unter folgendem Link abrufbar



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OLG Düsseldorf: Einschränkung in Unterlassungserklärung wonach Vertragsstrafe bei 3 oder mehr Verstößen nur dreimal verwirkt ist reicht nicht aus

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 27.06.2017
I-20 W 40/17


Das OLG Düsseldorf hat wenig überraschend entscheiden, dass die Einschränkung in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, wonach die Vertragsstrafe bei drei oder mehr gleichzeitig festgestellten Verstößen nur dreimal verwirkt ist, nicht ausreicht und die Wiederholungsgefahr nicht ausschließt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Kosten des von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits sind entgegen der Auffassung des Landgerichts der Beklagten aufzuerlegen, § 91a ZPO, denn sie wäre mutmaßlich unterlegen gewesen. Die von ihr vorprozessual übersandte Unterwerfungserklärung (Schreiben vom 15.06.2016) war nämlich nicht geeignet, die durch die Werbung bewirkte Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die Einschränkung ihres Versprechens (nachfolgend S. 1 genannt)

Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung – auch für den Fall der Zuwiderhandlung durch Erfüllungsgehilfen – gegen eine der vorgenannten Verpflichtungen gegen eine der vorgenannten Verpflichtungen wird an den [Kläger] eine Vertragsstrafe gezahlt, die in das Ermessen des [Klägers] gestellt und im Streitfall vom zuständigen Landgericht zu überprüfen ist.

durch den Satz (nachfolgend S. 2 genannt)

Im Fall von drei und mehr Verstößen, die gleichzeitig festgestellt werden, ist die Vertragsstrafe dreifach verwirkt.

ist ohne erkennbare Berechtigung und von daher geeignet, die Ernsthaftigkeit des Unterlassungsversprechens erheblich in Zweifel zu ziehen. Die Festsetzung angemessener Vertragsstrafen in diesen drei Fällen war nämlich bei weiteren Verletzungsfällen nicht möglich.

Den Bedenken der Beklagten wird bereits durch eine sachgerechte Handhabung des S. 1 hinreichend Rechnung getragen. Wird durch eine Handlung dem Unterlassungsversprechen zuwider gehandelt, wird lediglich eine Vertragsstrafe verwirkt, und zwar unabhängig davon, ob ein Verstoß lediglich hinsichtlich einer einzigen Nr. des umfangreichen Katalogs zu unterlassender Aussagen oder einer Mehrzahl hiervon verstoßen wird. Infolge der vorrangigen Prüfung, ob eine natürliche Handlung vorliegt (vgl. dazu Bornkamm, in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 1.205) sowie der Möglichkeit der Überprüfung der vom Kläger festgesetzten Vertragsstrafe auf ihre Billigkeit hin besteht die Gefahr einer übermäßigen Belastung der Beklagten nicht. Das gilt umso mehr, als auch bei der Annahme mehrerer Verstöße, die jedoch innerlich miteinander zusammenhängen, keine bloße Addition der – bei gesonderter Betrachtung eines jeden einzelnen Verstoßes für diesen angemessenen – Vertragsstrafen stattfindet; da die Vertragsstrafe zugunsten eines Verbandes versprochen wurde, steht der Gedanke der Schadenspauschalierung hintan, vielmehr steht der Zweck der Pönalisierung des Verstoßes und die Verhinderung weiterer Verstöße – ebenso wie beim Ordnungsgeld (vgl. BGH GRUR 2010, 355 Rn. 32) – im Vordergrund, so dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung eines Ordnungsgeldes bei mehreren Verstößen, insbesondere zur Bemessung insgesamt angemessener Ordnungsgeld unter Vermeidung einer Addition von – an sich angemessenen - Ordnungsgeldern (BGH GRUR 2009, 427 Rn. 14) auch hier anzuwenden ist.

Vor diesem Hintergrund kann S. 2 nur als darüber hinausgehende unberechtigte Einschränkung des Vertragsstrafenversprechens der Beklagten gewertet werden. Eine insgesamt angemessene Vertragsstrafenfestsetzung wird dadurch erschwert. Die Beschränkung auf 3 Vertragsstrafen konnte von vornherein nur Fallgestaltungen betreffen, in den mehr als 3 Verletzungsfälle vorlagen; die Festsetzung wurde über die Prüfung der oft nicht einfachen Frage, ob eine „natürliche Handlungseinheit“ vorliegt, hinaus mit der Frage belastet, ob die Verstöße „gleichzeitig festgestellt“ wurden. Die Ansicht des Klägers, mit den ausgewählten die schwerwiegendsten Verletzungsfälle herausgesucht zu haben, muss nicht unbedingt mit der Auffassung des streitentscheidenden Gerichts übereinstimmen. Eine Kompensation der Tatsache, dass letztlich nur für drei Verstöße Vertragsstrafen verwirkt werden, kann zwar in gewissem Umfange dadurch erreicht werden, dass das Additionsverbot (BGH GRUR 2009, 427 Rn. 14) nicht oder nur sehr zurückhaltend angewendet wird. Die unberücksichtigt bleibenden Verstöße können aber nicht bei der Bemessung der Vertragsstrafe für die verbleibenden Verstöße erhöhend berücksichtigt werden. Nach allgemeinen strafrechtlichen Erwägungen (vgl. dazu allgemein BGH GRUR 2017, 318 zum Ordnungsgeld) ist dies nur dann möglich, wenn hinsichtlich vorausgegangener Verstöße eine Warnung des Verletzers erfolgt ist, mithin eine Vertragsstrafe bereits festgesetzt worden ist. Insgesamt verkompliziert S. 2 die Bildung insgesamt angemessener Vertragsstrafen – wenn sie überhaupt möglich ist – derart übermäßig, dass sie aus der Sicht des Vertragsstrafengläubigers nur als unnötige Erschwerung der Durchsetzung des Versprechens angesehen werden kann.


Denb Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Nur eine Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, wenn Bilder aus mehreren abgelaufenen eBay-Auktionen nicht gelöscht werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 10.07.2013
11 U 28/12


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass nur eine Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, wenn Bilder aus mehreren abgelaufenen eBay-Auktionen nicht gelöscht werden. Das Gericht sieht in dem Verhalten einen einheitlichen Vorgang.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Vertragsstrafenanspruch knüpft an eine schuldhafte Zuwiderhandlung durch die Beklagte an, wobei sie sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. Elf Vertragsstrafen wären nur dann verwirkt, wenn elf Zuwiderhandlungen vorlägen, für die es elf verschiedener Handlungsentschlüsse bedurft hätte (vgl. OLG Hamm; Urteil vom 18.9.2012, 4 U 105/12 - zitiert nach juris). Die Beklagte hat aber gerade nicht in jedem der elf Fälle einen Entschluss gefasst, die Löschung zu veranlassen oder nicht, und diese Entschlüsse sodann durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen umgesetzt (für einen solchen Fall wäre zu prüfen, ob eine rechtliche Handlungseinheit i.S.d. Entscheidungen BGH GRUR 2001, 758, 760 – Trainingsvertrag; GRUR 2008, 181,182f – Kinderwärmekissen - vorliegt), sondern sie hat letztlich überhaupt keinen Entschluss gefasst. Der rechtliche Vorwurf an die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter beschränkt sich nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts darauf,dass sie sich entsprechend hätten kundig machen müssen und so die Fortexistenz der beendeten Auktionen und deren Einsehbarkeit auch nach ihrem Abschluss hätten kennen können. Dies rechtfertigt jedoch nur den Vorwurf einer einzigen Zuwiderhandlung gegen die Vertragsstrafenvereinbarung."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg verbietet Onlinebuchhändler "Fördermodell", um den durch die Buchpreisbindung vorgegebenen Preis zu reduzieren

LG Hamburg
Urteil vom 08.06.2011
315 O 182/11


Das LG Hamburg hat letztlich wenig überrasschend einem Onlinehändler ein "Fördermodell" untersagt, um dadurch für den Buchkäufer den durch die Buchpreisbindung vorgegebenen Preis zu senken.

Aus der Pressemitteilung des LG Hamburg:

"Die Antragsgegnerin betreibt im Internet eine Versandbuchhandlung, in der sie u.a. Bücher aus allen Bereichen der Wissenschaften anbietet. Für den Verkauf von Fachbüchern entwickelte die Antragsgegnerin ein „Fördermodell“: Sie wandte sich an diverse Wirtschaftsunternehmen und warb Beiträge für einen sog. „Fördertopf“ ein. Unternehmen, die Beiträge in den „Fördertopf“ eingezahlt hatten, wurden auf der Homepage der Antragsgegnerin als „Partnerunternehmen“ ausgewiesen. Wenn nun ein Kunde ein Fachbuch kaufte, stellte die Antragsgegnerin ihm zunächst auf seinem Kundenkonto den Ladenpreis in Rechnung, belastete sodann den „Fördertopf“ mit 10% des Ladenpreises und schrieb diesen Betrag anschließend wieder dem Kundenkonto gut. Im Ergebnis musste der Kunde damit nur 90% des nach der Buchpreisbindung festgesetzten Ladenpreises bezahlen. Auf der Rechnung wurde er auf das fördernde Unternehmen hingewiesen.

Nach der Entscheidung der zuständigen Wettbewerbskammer verstößt das von der Antragsgegnerin entwickelte „Fördermodell“ gegen das Gesetz über die Preisbindung für Bücher, weil der von den Verlagen festgesetzte Buchpreis unterschritten werde. Bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung des „Fördermodells“ erhalte die Antragsgegnerin nicht den gesamten Buchpreis. Tatsächlich zahlten die Partnerunternehmen nämlich nicht allein in den „Fördertopf“, um zu fördern. Sie zahlten vielmehr auch, um als Gegenleistung von der Antragsgegnerin auf ihrer Homepage sowie ihren Kundenrechnungen genannt zu werden und auf diese Weise für das eigene Unternehmen werben zu können."



Die vollständige Pressemitteilung des LG Hamburg finden Sie hier: "LG Hamburg verbietet Onlinebuchhändler "Fördermodell", um den durch die Buchpreisbindung vorgegebenen Preis zu reduzieren" vollständig lesen

OLG Frankfurt: Es reicht nicht aus, wenn Pflichtangaben und Hinweise in einem Online-Shop nur per Mouseover-Effekt einsehbar sind

OLG Frankfurt 6. Zivilsenat
Beschluss vom 23.02.2011
6 W 111/10
Mouseover-Effekt


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn Pflichtangaben oder notwendige Hinweise in einem Online-Shop nur per Mouseover-Effekt einsehbar sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Wiederholung der Werbung, verbunden mit dem Versuch eines aufklärenden Zusatzes, fällt jedoch dann in den Kernbereich des Unterlassungstitels, wenn der Aufklärungszusatz in derart versteckter Form erfolgt, dass er vom Werbeadressaten praktisch nicht wahrgenommen wird (Senat a.a.O.). Ein solcher Fall ist – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – hier gegeben. Die Verlinkung des Slogans mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen über einen sogenannten Mouseover-Effekt ist zur hinreichenden Aufklärung von vornherein unzureichend, weil der Mouseover-Link als solcher nur erkannt wird, wenn der Besucher der Webseite den Curser über den als Link ausgestatteten Bestandteil der Webseite bewegt."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Flucht in eine neue Rechtsform entbindet nicht von Verpflichtungen aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung

OLG Hamm
Urteil vom 30.04.2009
4 U 1/09


Im vorliegenden Fall hatte der Inhaber einer Einzelfirma wegen unzulässiger gesundheitsbezogener Werbeaussagen für ein von ihm vertriebenes Produkt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Später gründete der Inhaber eine GmbH, die ebenfalls dieses Produkt vertrieb. Nun forderte die Klägerin die Vertragsstrafe ein, da die GmbH mit kerngleichen Werbeaussagen geworben hatte. Das Gericht gab der Klage statt.

In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:

"Der Beklagte war Inhaber der Einzelhandelsfirma J. Er hat die Unterlassungserklärungen nicht etwa nicht für sich und nur für die Firma abgegeben, weil er nämlich selbst die Einzelhandelsfirma war. Einzelhandelsunternehmung und Inhaber sind insoweit nicht trennbar, § 17 I HGB. Die Firma ist ihrerseits nicht eigenständig eine rechtsfähige Person. Der Beklagte selbst ist hieraus verpflichtet und insofern auch verantwortlich für die Verstöße, die nunmehr durch die J GmbH, deren Geschäftsführer er ist, erfolgt sind. Er bleibt, wie vom Kläger gerügt, in Persona auch im Rahmen seiner Funktion als Geschäftsführer der (neuen) GmbH aus den Unterlassungsverträgen verpflichtet, und kann nunmehr nicht auf eine neue und andere Organisationseinheit verweisen. Der persönlich verpflichtete Unterlassungsschuldner handelt verantwortlich und schuldhaft, wenn er sich nunmehr eines Dritten bedient oder als Organ oder Geschäftsführer eines Dritten (juristische Person, Gesellschaft) (zuwider-) handelt oder, wenn er dies könnte, den Verstoß nicht verhindert (vgl. Senat GRUR 1979, 873 und 1979, 807; Ahrens-Spätgens, Kap. 64. Rn. 70; Teplitzky, Kap. 57 Rn. 26; jew. m.w.N.)."

Die Flucht in eine andere Rechtsform ist - was mitunter vergessen wird - kein geeignetes Mittel um ein einmal abgegebenes Vertragsstrafeversprechen auszuhebeln.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
"OLG Hamm: Flucht in eine neue Rechtsform entbindet nicht von Verpflichtungen aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung" vollständig lesen

BGH: Keine Zusammenfassung mehrerer Verstöße gegen ein Unterlassungsgebot bei Bestimmung der Vertragsstrafe

Der BGH hat mit Urteil vom 17.07.2008 - I ZR 168/05 entschieden, dass eine Zusammenfassung von mehreren Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu einer Verletzungshandlung ausscheidet, wenn - wie vorliegend - das Vertragsstrafeversprechen auf jeden einzelnen Verkauf eines Produkts abstellt. Auch eine Herabsetzung der sich dann aus den einzelnen Verletzungshandlungen ergebenen Vertragsstrafe kommt - so der BGH - nur in ganz engen Grenzen in Betracht. Abzustellen ist dabei nicht auf die Angemessenheit der Vertragsstrafe, sondern auf § 242 BGB (Treu und Glauben). Dieser Fall belegt wieder einmal, wie wichtig die sorgsame Formulierung einer Unterlassungserklärung einschließlich der Vertragsstrafeversprechens (Stichwort: Neuer Hamburger Brauch) und das vollständige Abstellen der Verletzungshandlungen ist.


BGH
Urteil vom 17.07.2008 - I ZR 168/05
Kinderwärmekissen
BGB §§ 242 Ba, 339 Abs. 1 Satz 2, § 343;
HGB § 348


Die Leitsätze des Gerichts:

1. Eine Zusammenfassung mehrerer oder aller Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder einer Handlung im Rechtssinne scheidet aus, wenn die Parteien eine Vertragsstrafe für jedes einzelne verkaufte Produkt vereinbart haben.

2. Steht eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung, ist ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten, auch wenn eine Verringerung der Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe nach § 343 BGB gemäß § 348 HGB ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist die Vertragsstrafe nicht auf die nach § 343 BGB angemessene Höhe, sondern nur auf das Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: BGH, Urt. v. 17. Juli 2008 - I ZR 168/05