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OLG Frankfurt: Mobilfunkanbieter darf keine pauschalge Gebühr für eine Ersatz-SIM verlangen - AGB-Klausel unwirksam

OLG Frankfurt
Urteil vom 18.07.2024
1 UKl 2/24

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Mobilfunkanbieter keine pauschalge Gebühr für eine Ersatz-SIM verlangen darf. Eine entsprechende AGB-Klausel ist unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klausel, wonach die Beklagte befugt wird, ein Entgelt in Höhe von 14,85 € für die Überlassung einer Ersatz-SIM zu verlangen, unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Ihr unterfallen solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Nicht von der Inhaltskontrolle erfasst sind Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen. Kontrollfähig sind aber Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen, sowie Bestimmungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (BGH Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08 16, juris; BGH Urteil vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 3/10 Rn. 26, juris; BGH Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11 Rn. 13, juris; BGH Urteil vom 13. Mai 2014 Rn. 24, juris). Dies gilt auch dann, wenn die Entgeltklausel in einem Regelwerk enthalten ist, das - wie hier das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten - Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt (BGH Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 -, Rn. 16, juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen enthält die Klausel eine Regelung, die den Aufwand zur Erfüllung eigener vertraglicher Pflichten des Mobilfunkdiensteanbieters betrifft. Weder aus der Klausel selbst und noch aus dem systematischen Zusammenhang mit den weiteren betroffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen derZiff. 5.1 und 5.2 kann zutreffend geschlussfolgert werden, dass es sich ausschließlich um eine Entgeltregelung für eine Sonderleistung handelt, die ausschließlich im Interesse des Kunden auf dessen Sonderauftrag vorgenommen wird.

Bei der gebotenen Auslegung (BGH Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11. Rn. 15; BGH Urteil vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12 -, Rn. 26; BGH Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 -, Rn. 19 und vom 25, Oktober 2016 - XI ZR 9/15 -, Rn. 23, jeweils juris) ist ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel zu fragen. Sie ist so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung (BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08 -, Rn. 11; BGH Urteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08 -, Rn. 31, vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 -. Rn. 19 und vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 9/15 -, Rn. 23. jeweils juris). Danach ist die scheinbar kundenfeindlichste Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie häufig erst die Inhaltskontrolle eröffnet bzw. zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit zur Unwirksamkeit führt. Außer Betracht zu bleiben haben dabei solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwä­gung zu ziehen sind (BGH Urteil vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 3/10 Rn. 35, BGH Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 Rn. 19 und vom 26. Oktober 2016 - X ZR 9/15 - Rn. 23, BGH, Urteil vom 12. September 2017-XI ZR 590/15 Rn. 26, jeweils juris).

Die von dem Kläger beanstandete Klausel ist nach Maßgabe dessen so zu verstehen, dass der Kunde auch dann das Entgelt in Höhe von 14,85 Euro entrichten muss, wenn ihm ohne sein Zutun eine funktionsunfähige SIM durch den Mobilfunkdiensteanbieter überlassen worden ist und er deswegen eine SIM nachbestellt. Die Beklagte überbordet damit Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf den Kunden, denn in einem solchen Fall ist die in Ziff. 5.1 der AGB geregelte, den Mobilfunkdienstanbieter treffende kostenlose Überlassungspflicht der SIM tangiert. Diese ist als Nebenleistungspflicht des Mobilfunkdienstanbieters zu qualifizieren, weil ohne die einmalige Überlassung einer funktionsfähigen SIM die Hauptleistung in Gestalt der Erbringung der Mobilfunkdienstleistungen nicht gewährleistet werden kann. Aufgrund der umfassenden Formulierung der Klausel ist eine solche Auslegung auch nicht praktisch fernliegend oder nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen. Die Beklagte hat davon abgesehen, weitere, einschränkende Voraussetzungen für die Erhebung der Gebühr, etwa für den Fall einer durch den Kunden hervorgerufenen Funktionsunfähigkeit der SIM, zu formulieren, weshalb das in Rede stehende Entgelt aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittskunden grundsätzlich auch immer anfällt, sobald der Kunde - im Ausgangspunkt unabhängig davon, weshalb - eine Ersatz-SIM begehrt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist allein der Formulierung, dass die SIM bei naheliegender Auslegung nur auf Kundenwunsch nachbestellt werde, aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nicht zu entnehmen, dass Fallgestaltungen, in denen der Mobilfunkdiensteanbieter schon wegen Ziff. 5.1. der AGB zur unentgeltlichen Überlassung einer Ersatz-SIM verpflichtet ist, von vorneherein vom Geltungsbereich der Klausel ausgenommen sein sollen. Mit dem ohnehin in der Klausel nicht explizit benannten Kundenwunsch wird letztlich nur umschrieben, von wem die zur Ausstellung einer Ersatz-SIM führende Initiative ausgeht. Der Kunde kann aber auch in Fällen initiativ werden (müssen), in denen sein Vertragspartner bereits aufgrund einer eigenen Verpflichtung tätig werden müsste (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 -, Rn. 21 zum Parallelfall der Bestellung einer Ersatzgirocard).

Der Umstand, dass die Ersatz-SIM in der Preisliste als Zusatzleistung und sonstige Serviceleistung eingeordnet ist, steht dem Verständnis der Klausel im obigen Sinne nicht entgegen. Denn auch die Nachlieferung wegen einer ohne Zutun des Kunden funktionsunfähigen SIM ist eine Leistung, die der Mobilfunkdiensteanbieter schlicht zusätzlich, über die erstmalige Zurverfügungstellung der SIM hinaus, erbringt. Aufgrund der einschränkungslosen Formulierung ist die Klausel auch der Auslegung zugänglich, dass der Mobilfunkdiensteanbieter diejenigen Fälle gesondert vergütet wissen will, die Ziff. 5.2 der AGB regelt. Eine Vergütungspflicht nach Wechsel der SIM aufgrund technischer oder betrieblicher Gründe stellt eine Preisnebenabrede dar. Sie etabliert eine Aufwandsvergütung, die im Interesse des Mobilfunkanbieters liegt, weil sie zumindest auch die Konnektivität des Mobilfunknetzes mit dem Endgerät betrifft. Ziff. 5.2. der AGB stellt auch nicht klar, dass es sich bei einem aus solchen Gründen veranlassten Wechsel der SIM um eine Pflicht handelt, die nur den Mobilfunkdiensteanbieter trifft und damit gerade nicht auf Kundenwunsch erfolgt. Der Wortlaut der Klausel spricht lediglich von der „Berechtigung“ des Mobilfunkdiensteanbieters zum Austausch.

2. Die beanstandete Klausel hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Die streitige Gebühr für die Ersatz-SIM ist vielmehr mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar {§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist das nicht der Fall, können entstandene Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem gesetzlich auferlegte Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden. Jede Entgeltregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt- oder Neben-)Leistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und verstößt deshalb gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Darüber hinaus indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners (m.w.N. BGH, Urteil vom 18. April 2002-111 ZR 199/01 Rn 24, juris). Dies ist hier der Fall, weil die Beklagte den Aufwand zur Erfüllung der Nebenleistungspflicht. einmalig eine funktionsfähige Sim kostenlos zu überlassen, bei kundenfeindlichster Auslegung der AGB auf den Verbraucher überwälzt.

Ferner ist die Klausel mit dem aus § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB folgenden Transparenzgebot nicht zu vereinbaren. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Grüneberg-Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 307 Rn. 21). Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Verbraucher verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Ist der Verwender diesem Gebot nicht gefolgt, liegt schon darin eine unangemessene Benachteiligung des anderen Vertragspartners (BGH, Urteil vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06 Rn. 16, juris). So liegen die Dinge hier. Einem durchschnittlich verständigen Verbraucher ist nicht erkennbar, ob sich die streitbefangene Klausel auch auf die Fälle einer ohne sein Zutun defekten SIM bezieht. Der Umfang der bestehenden Vergütungspflicht bleibt damit im Unklaren.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Ausdrücklicher Wunsch auf Vertragserfüllung nach § 312d Abs 3 BGB aF - Maklerkunde muss vorab über Widerrufsrecht belehrt werden oder Umstände vorliegen wonach dieser Widerrufsrecht gekannt

BGH
Urteil vom 13.12.2018
I ZR 51/17
BGB § 312d Abs. 3 aF


Leitsatz des BGH:

Die Annahme eines auf die vollständige Vertragserfüllung gerichteten "ausdrücklichen" Wunsches eines Maklerkunden im Sinne von § 312d Abs. 3 BGB aF setzt voraus, dass der Maklerkunde vor Abgabe dieses Wunsches entweder über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist oder der Makler aufgrund anderer Umstände davon ausgehen konnte, dass der Kunde das Widerrufsrecht gekannt hat.

BGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 - I ZR 51/17 - LG Kiel - AG Kiel

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