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LG Gießen: Abtretungsverbot in AGB im Regelfall wirksam sofern sich aus einer Interessenabwägung nicht eine unangemessene Benachteiligung ergibt

LG Gießen
Urteil vom 01.30.2023
1 S 148/21


Das LG Gießen hat entschieden, dass ein Abtretungsverbot in AGB im Regelfall wirksam ist, sofern sich aus einer Interessenabwägung nicht eine unangemessene Benachteiligung ergibt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist der Kläger aktivlegitimiert. Die Abtretung ist infolge der Unwirksamkeit der Klausel unter Ziffer I.4. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam.

Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt (vgl. BGH, Urt. v. 17.04.2012 – X ZR 76/11 = BGH NJW 2012, 2107 (2108), Rz. 9, beck-online). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher ein Ausschluss der Abtretung durch allgemeine Geschäftsbedingungen wiederholt anerkannt worden, insbesondere, wenn er die Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft. Indessen ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.04.2012 – X ZR 76/11 = NJW 2012, 2107 (2108), Rz. 9, beck-online). Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (ebd., Rn. 10).

Mit Blick auf die vorliegende Konstellation, führt die Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Klausel unwirksam ist i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, nachdem sich hier die Beklagte einerseits auch darauf beruft, dass auch Nebenpflichten aus dem Werkvertrag von dem Abtretungsverbot, bzw. der Einschränkung der Abtretbarkeit durch den Zustimmungsvorbehalt erfasst sein sollen. Zudem ist es im Zuge von Reparaturaufträgen nach vorangegangener Erstellung eines Haftpflichtgutachtens eher der Regelfall, dass Ansprüche an einen Versicherer abgetreten werden, wenn diese gegenüber dem Geschädigten in die Regulierung eintritt. Insoweit liegt dann gerade kein Fall vor, in dem eine unüberschaubare Anzahl von Gläubigern dem Werkunternehmer gegenübertritt, sondern ein eng umgrenzter bzw. bestimmbarer Personenkreis. Auch dürfte der Werkunternehmer durch § 407 Abs. 1 BGB vor allem mit Blick auf die Erfüllungswirkung hinreichend geschützt sein bei der Erbringung seiner Werkleistung. Zudem ist im Wege der Interessenabwägung auch das Konstrukt des Vertrages zulasten Dritter sinngemäß heranzuziehen, wonach ein wirksames Abtretungsverbot, bzw. eine Abtretungsbeschränkung durch einen Zustimmungsvorbehalt ausschließen würde, dass der Schädiger oder dessen Versicherer zu hohe Werkunternehmerkosten nicht mehr geltend machen kann, obwohl er im Verhältnis zum Geschädigten zur Leistung verpflichtet ist und der Geschädigte selbst an der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Werkunternehmer nach Ausgleich seines Schadens durch den Schädiger oder den hinter diesem stehenden Versicherer kein (wirtschaftliches) Interesse mehr hat. Das wiederum hätte zur Folge, dass der Geschädigte zum Nachteil des Schädigers mit dem Werkunternehmer eine allein den Schädiger oder dessen Versicherer belastende AGB-Klausel vereinbart, ohne einen eigenen Nachteil zu erleiden. Der Werkunternehmer dürfte in diesem Fall pauschal aus dem Haftpflichtgutachten ersichtlichen Betrag abrechnen, ohne dass diese Kosten tatsächlich einem erforderlichen Reparaturaufwand entsprächen, wenn der Geschädigte auf die Richtigkeit des Privatgutachtens vertrauen dürfte. Im Ergebnis führt dies daher zu einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers, sodass die Klausel unter Ziffer I.4. nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist und eine Abtretung möglich ist. Die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Konstellationen, in denen ein Abtretungsverbot jeweils wirksam vereinbart worden ist, betrafen letztlich die Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung, welche hier aus Sicht der Beklagten aus den vorstehenden Gründen nicht betroffen war.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: