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LG Bamberg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung und als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

LG Bamberg
Urteil vom 15.03.2024
13 O 730/22 UKlaG


Das LG Bamberg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung und die Vorgehensweise von Fitnessstudios als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die von Klägerseite geltend gemachten Ansprüche sind auch begründet. Dem Kläger steht gem. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. Nr. 2 und Nr. 3, S. 3 UWG i.V.m.§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG bzw. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F. der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

1. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG a.F. i.V.m. der Liste der qualifizierten Einrichtungen des Bundesamts für Justiz aktivlegitimiert, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F., § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

Er ist ein in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG a.F. eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es unter anderem gehört, als Interessenvertreter der Verbraucher Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, das AGB-Recht und andere dem Schutz der Verbraucher dienende gesetzliche Bestimmungen, auch durch Einleitung gerichtlicher Maßnahmen, zu verfolgen.

2. Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine unzulässige aggressive geschäftliche und damit unlautere Handlung i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 und Nr. 3, S. 3 UWG dar.

2.1. Die Aufforderung an die Mitglieder der Fitness-Studios, das Drehkreuz zu durchschreiten und damit der geforderten Beitragserhöhung zuzustimmen, ist eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

Danach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Ein objektiver Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.23). Insofern spricht eine Vermutung für die geschäftliche Relevanz, welche von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 4a Rn. 1.36).

Die an ihre Mitglieder gerichtete Aufforderung der Beklagten, sich mit dem Durchschreiten des Drehkreuzes darüber zu erklären, ob diese mit der künftigen Geltung der neuen Beiträge einverstanden sind und diesen zustimmen, stellt eine geschäftliche Handlung der Beklagten dar, da dadurch eine geschäftliche Entscheidung der Verbraucher nicht nur beeinflusst, sondern ausdrücklich gefordert wird, nämlich die Zustimmung zu einer Beitragserhöhung.

2.2. § 4a Abs. 1 UWG fordert, dass das Unternehmen ein bestimmtes Mittel der Beeinflussung verwendet. Vorliegend ist insofern sowohl der Tatbestand einer unzulässigen Beeinflussung (§ 4 a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG) als auch der einer Nötigung (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG) gegeben.

2.2.1. Gemäß § 4a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte (Satz 1). Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch Belästigung, Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder unzulässige Beeinflussung (Satz 2). Insofern ist anhand der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, welches der abschließend aufgezählten möglichen Mittel der Beeinflussung vorliegt und wie es sich auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers auswirkt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.28).

2.2.2. Die bloße Abgabe eines Angebots zu einem Vertragsabschluss ist nicht zu beanstanden, da sie dem Verbraucher lediglich eine Gelegenheit zu einem Vertragsabschluss verschafft. Der aggressive Charakter einer derartigen geschäftlichen Handlung kann sich daher nur aus dem Vorgehen des Unternehmers ergeben, den Verbraucher zur Annahme des Angebots zu bewegen, ergeben.

2.2.3. Die von Beklagtenseite gewählte Vorgehensweise erfüllt die Kriterien einer unzulässigen Beeinflussung, § 4 a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG.

Um das Fitness-Studio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich eine Machtposition der Fitness-Studio-Inhaber ergibt, unter welchen Bedingungen die Mitglieder das Fitness-Studio betreten dürfen. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Mit Einführung der Zustimmung zur Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes durch die Beklagte standen die Mitglieder vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Fitness-Studio betreten zu können, oder nicht trainieren zu können. Mit dem Durchschreiten des Drehkreuzes hatte man der Beitragserhöhung zunächst zugestimmt. Auf diese Weise wurde von Seiten der Beklagten Druck auf die Mitglieder ausgeübt und wurde von ihnen ad-hoc eine Entscheidung über die künftigen Modalitäten ihres bereits bestehenden Mitgliedsvertrags abverlangt.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass diese Aufforderung, der Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes zuzustimmen, vielen Mitgliedern erstmaligen mit Betreten des Fitness-Studios bekannt gemacht worden sein dürfte. Zwar wurde von Beklagtenseite behauptet, alle Mitglieder seien per Mail auf die bevorstehende Beitragserhöhung hingewiesen worden. Jedoch ist selbst in diesem Fall nicht gewährleistet, dass alle Fitness-Studio-Mitglieder vor der Konfrontation mit den Aufstellern am Drehkreuz diese E-Mails auch tatsächlich erhalten und gelesen haben. Sie waren daher nicht vorbereitet auf die ihnen konkludent abverlangte Willenserklärung unmittelbar vor dem Betreten des Fitness-Studios. Dies gilt um so mehr, als der Besuch eines Fitness-Studios eine Freizeitaktivität darstellt, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.

2.2.4. Die Vorgehensweise der Beklagte erfüllt zugleich den Begriff der Nötigung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG. Der Begriff ist unionsrechtlicher Natur und daher einheitlich und autonom auszulegen, weshalb unter einer Nötigung die Anwendung körperlicher Gewalt oder psychischen Zwangs zu verstehen ist und muss der auf den Kunden ausgeübte Druck so stark sein, dass dieser entweder keine Wahl hat, sich anders zu entscheiden, oder zumindest seine Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.30 f., 1.48).

Der Kunde steht vorliegend unter dem Druck der erzwungenen Entscheidung, entweder der Beitragserhöhung zuzustimmen oder nicht zu trainieren. Situationsabhängig kann der Druck noch steigen, wenn sich am Drehkreuz hinter dem Mitglied ein Stau gebildet hat oder wenn das Mitglied sich als Teil einer Gruppe zum Fitness-Studio begeben hat, um gemeinsam zu trainieren. Dann vervielfacht sich der Druck auf das einzelne Mitglied, da es seine Entscheidung das Drehkreuz nicht zu durchschreiten nicht nur vor sich selbst rechtfertigen, sondern sich zusätzlich gegen den Gruppendruck stemmen muss.

2.3. Die aggressive geschäftliche Handlung muss geeignet sein, die Entscheidungsfreiheit des Adressaten zu beeinträchtigen, d.h. der von ihr ausgehende Druck muss nach Art oder Umfang so stark sein, dass objektiv wahrscheinlich ist, dass sich der Kunde ihm tatsächlich oder voraussichtlich nicht mehr entziehen kann, wobei maßgebend die wahrscheinliche Reaktion eines Durchschnittskunden der jeweils angesprochenen Zielgruppe ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.32 m.w.N.). Eine erhebliche Beeinträchtigung ist immer dann anzunehmen, wenn ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer kritischer (bzw. verständiger) Durchschnittsverbraucher oder durchschnittlicher sonstiger Marktteilnehmer davon ausgeht, dass er sich dem von dem Mittel ausgehenden Druck nicht entziehen kann und daher zumindest ernsthaft in Erwägung zieht, die von ihm erwartete geschäftliche Entscheidung zu treffen bzw. sich in der erwarteten Weise zu verhalten, um die ihm sonst drohenden Nachteile abzuwenden. Dabei muss das eingesetzte Mittel von einer gewissen Intensität oder Nachhaltigkeit sein (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.34).

Vorliegend war es gerade Sinn und Zweck der Maßnahme, die Kunden zu einer ad-hoc-Zustimmung zur Beitragsanpassung zu veranlassen, indem sie vor die Wahl gestellt wurden, entweder der Beitragserhöhung zuzustimmen und – jedenfalls zunächst einmal – das Fitness-Studio nicht betreten zu dürfen. Insofern wird auf die Ausführungen unter 2.2. verwiesen.

2.4. Die aggressive geschäftliche Handlung muss außerdem geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit muss für die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung ursächlich sein, wobei eine widerlegliche Vermutung für diese Ursächlichkeit spricht. Denn nach der Lebenserfahrung ist es kaum vorstellbar, dass eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nicht zu einer Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers führt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.36).

Diese Vermutung wurde nicht widerlegt. Vielmehr wurden unstreitig zahlreiche Kunden durch das Druckmittel der unzulässigen Beeinflussung und Nötigung veranlasst einer Preiserhöhung zuzustimmen.

2.5. An der Einstufung des geschäftlichen Verhaltens der Beklagten als aggressiv ändert auch der Umstand nichts, dass die Kunden nachträglich die Möglichkeit hatten, der Beitragserhöhung zu widersprechen. Denn zunächst einmal waren sie gezwungen, ihre Zustimmung zu erteilen, um das Fitness-Studio betreten zu können. Sie mussten aktiv werden, um sich aus dieser eingegangenen Verpflichtung wieder zu lösen. Dabei bleibt aus dem angegriffenen Text unklar, welche Konsequenzen es für die Mitglieder hat, wenn sie ihre Zustimmung widerrufen. Zwar heißt es, sie könnten unverändert weiter trainieren, aber nur, wenn man sich vor dem nächsten Studiobesuch beim Customer Service meldet. Gerade durch diese Verknüpfung über ein „aber“ mit einer Meldepflicht beim Customer Service entsteht der Eindruck, dass die Ablehnung der Preiserhöhung nicht näher genannte, aber womöglich auch negative Konsequenzen haben wird.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass zahlreiche Mitglieder gerade diese Sorge gehabt haben und daher von einem Widerruf ihrer Zustimmung abgesehen haben. Denn was für einen Sinn macht eine auf diese Weise erzwungene Zustimmung, wenn man sie ohne jegliche Konsequenz sofort widerrufen kann?

2.6. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Mitglieder gleichzeitig mit der Beitragserhöhung zusätzliche Leistungen erhalten haben. Denn auch diese wären ihnen aufgezwungen worden.

3. Die Vorgehensweise der Beklagten verstößt außerdem gegen gesetzliche Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F. i.V.m. §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB (vgl. auch BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20; LG Hannover, Urteil vom 28.11.2022, 13 O 173/22).

3.1. Die von Beklagtenseite verwendeten Formulierungen zur Zustimmung zur Beitragsanpassung sind allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbestimmungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei stellt. Der Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingung setzt damit eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll. Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt demnach vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei auf den rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 404/12, Rn. 23 f.).

Vorliegend legt die Beklagte durch eine für alle ihre Mitglieder vorformulierte Regelung fest, dass dem Durchschreiten des Drehkreuzes eine bestimmte Bedeutung zu kommt, nämlich die einer Zustimmungserklärung, und dass sich dadurch deren Mitgliedsverträge ändern. Die mit der Klage angegriffenen Formulierungen stellen vor diesem Hintergrund allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Ein Aushandeln im Einzelnen ist nicht gegeben.

3.2. Die angegriffenen Klauseln weichen von dem wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB ab.

Die von der Beklagten verwendete Klausel knüpft an ein bestimmtes Verhalten die Bedeutung einer Zustimmungserklärung und fingiert damit letztendlich das Zustandekommen eines Konsenses hinsichtlich der Vertragsänderung. Dieses Vorgehen der Beklagten weicht jedoch von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, wonach sowohl ein Vertragsschluss als auch eine Vertragsänderung durch zwei, ggf. auch konkludente übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen.

3.3. Diese Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wobei eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vermutet wird, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist (BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 24 juris).

Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 24 juris).

Vorliegend ist die Vermutung jedoch nicht widerlegt. Die Beklagte darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes einen Zustimmungswillen der Mitglieder zum Ausdruck bringt. Denn, wie bereits ausgeführt, geht es diesen beim Durchschreiten des Drehkreuzes vorrangig darum, ihr vertraglich vereinbartes Recht wahrzunehmen und zu trainieren und nicht darum, einer für sie nachteiligen Preiserhöhung zuzustimmen. Für diesen Fall hat sich die Beklagte mit Hilfe von AGB eine Handhabe geschaffen, um die Verträge einseitig umzugestalten. Dies ist sachlich nicht gerechtfertigt.

Gleichzeitig ist die Möglichkeit des Widerspruchs kein geeignetes Mittel, um den Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB auf vergleichbare Weise zu gewährleisten. Auch hier ändert daher der Umstand, dass die Mitglieder der Vertragsänderung widersprechen können, nichts an der Unzulässigkeit des Vorgehens der Beklagten. Denn der Verbraucher muss aktiv werden, um die herbeigeführte Vertragsänderung wieder zu beseitigen. Die Gründe, aus denen er untätig bleibt, können vielfältig sein und haben letztlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vertragsänderung. Insofern wird auf die Ausführungen unter 2.5. verwiesen (vgl. auch BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 26 juris).

4. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr liegt ebenfalls vor.

Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 226/13). Vorliegend ergibt sich die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte den Unterlassungsanspruch negiert und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat. Es ist daher davon auszugehen ist, dass auch künftig mit ähnlichen Methoden Beitragserhöhungen oder ähnliche Vertragsänderungen durchgesetzt werden könnten. Denn die Wiederholungsgefahr beschränkt sich nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8 Rn. 1.43).

5. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten ergibt sich aus §§ 13 Abs. 3 UWG, 5 UKlaG a.F., der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 BGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Augsburg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung - Aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

LG Augsburg
Urteil vom 06.10.2023
081 O 1161/23


Das LG Augsburg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zu einer Preiserhöhung darstellt und eine entsprechende Regelung als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1,S.2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.

Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben - ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig — nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.

Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, 8 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios - Rückzahlungsanspruch des Mitglieds für gezahlte Beiträge

BGH
Urteil vom 04.05.2022
XII ZR 64/21


Der BGH hat entschieden, dass keine Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios besteht und sich auch die Mitgliedschaft nicht um die geschlossenen Monate verlängert. Für gezahlte Mitgliedbeiträge während der Schließung besteht ein Rückzahlungsanspruch.

Die Pressemitteilung des BGH:
Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob die Betreiberin eines Fitness-Studios zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet ist, welche sie in der Zeit, in der sie ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem Kunden per Lastschrift eingezogen hat.

Die Parteien schlossen am 13. Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto des Klägers ein. Eine vom Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2020 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8. Dezember 2021 wurde von der Beklagten akzeptiert. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen. Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum in Höhe von 86,75 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.

Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. So liegt der Fall hier.

Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird - wie im vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.

Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine solche Vertragsanpassung wird zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit - wie im vorliegenden Fall - der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.

Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.

Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.

Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.

Durch diese "Gutscheinlösung" hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage findet daneben nicht statt.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 275 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. […]

§ 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. [...]

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

Art 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch

(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. [...]

(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn

1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder

2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.

Vorinstanzen:

LG Essen – 15 S 164/20 - Urteil vom 16. März 2021

AG Gelsenkirchen – 409 C 215/20 - Urteil vom 9. November 2020



OLG Köln: Bei Verlängerung eines Mobilfunkvertrages mit neuem Smartphone ist Vertragsbindung über 2 Jahre hinaus zulässig

OLG Köln
Urteil vom 28.05.2021
6 U 160/20


Das OLG Köln hat entschieden, dass bei der Verlängerung eines Mobilfunkvertrages mit neuem Smartphone eine Vertragsbindung über 2 Jahre hinaus zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Mobilfunkvertrag: Vertragsbindung bei Verlängerung mit neuem Smartphone über 2 Jahre hinaus zulässig

Ein Mobilfunkvertrag kann sich bei einem vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit seitens des Kunden gewünschten Tarifwechsel mit neuem Endgerät in zulässiger Weise um weitere 24 Monate ab dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit verlängern. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 28.05.2021 - 6 U 149/20 - entschieden und damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Bonn bestätigt.

Der klagende Verbraucherverband hatte ein bundesweit agierendes Fest- und Mobilfunknetzunternehmen wegen Unterlassung in Anspruch genommen, weil dessen Vorgehensweise bei einer vorzeitigen Tarif- und Preisänderung mit neuem Endgerät zu einer unzulässigen bindenden Laufzeit des Vertrages von mehr als zwei Jahren führen könne. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der ursprüngliche Mobilfunkvertrag mehrfach verlängert worden, zuletzt im September 2019 ca. 5 Monate vor Ablauf der Mindestlaufzeit. Hierbei übernahm der Sohn des ursprünglichen Kunden den Vertrag, wobei ein Tarifwechsel stattfand und ein neues Endgerät erworben wurde. In ihrem Bestätigungsschreiben zu den geänderten Vertragsdetails führte die Beklagte u.a. aus, dass sich die Mindestvertragslaufzeit ab dem ursprünglichen Ende der Laufzeit um 24 Monate verlängere. Das Landgericht Bonn hatte mit Urteil vom 01.12.2020 (Az. 11 O 31/20) den seitens des Klägers u.a. auf § 309 Nr.9a BGB gestützten Unterlassungsanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen.

Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht von einem an der Vorschrift des § 309 Nr. 9a BGB zu messenden erstmaligen Abschluss eines Mobilfunkvertrages, sondern von einer Verlängerung des ursprünglichen Vertrages auszugehen sei. Dies ergebe die Auslegung der zugrundeliegenden Vertragserklärungen, wo ausdrücklich von einer Vertragsverlängerung die Rede sei, der der Kunde zustimme. Die mit dem Tarifwechsel verbundene umfassende Änderung der Vertragsdetails ändere hieran nichts. Gegen die Annahme eines Neuabschlusses spreche insbesondere, dass die Leistungen nach der Änderung sofort wirksam wurden und die für die Zukunft vereinbarten Leistungen unmittelbar vor Ablauf des ursprünglichen Vertrages als vereinbart gelten sollten. Dieses Verständnis trage auch den Interessen der Vertragsparteien Rechnung: Zwar habe der Kunde ein Interesse, den Vertrag möglichst zeitnah zu beenden, um - ohne vertragliche Bindung - einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen zu können, der sich an den aktuellen Konditionen orientiert. Dem stehe aber das Interesse des Unternehmens entgegen, die zulässige und vereinbarte Vertragslaufzeit einzuhalten, so dass aus seiner Sicht allein die Änderung des Vertrages mit neuen Konditionen zweckmäßig erscheine. Der Kunde erhalte somit im Gegenzug für eine verlängerte Bindung eine Änderung der Vertragskonditionen und die Möglichkeit, ein Handy zu vergünstigten Konditionen zu erwerben.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28.05.2021 - Az. 6 U 160/20.


BMJV: Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat den Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BMJV:

"BMJV veröffentlicht Entwurf eines Gesetzes für fairere Verbraucherverträge

Heute hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Entwurf eines Gesetzes für fairere Verbraucherverträge veröffentlicht.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht dazu:

„Verbraucherinnen und Verbraucher werden viel zu häufig abgezockt und übervorteilt. Undurchsichtige Vertragsstrukturen und kalkulierte Kostenfallen sind leider immer noch an der Tagesordnung. Dem wollen wir mit dem Gesetz für fairere Verbraucherverträge einen Riegel vorschieben. Lange Vertragslaufzeiten und in AGB versteckte automatische Vertragsverlängerungen um ein Jahr wollen wir verkürzen. Auf diese Weise ermöglichen wir Kundinnen und Kunden den schnelleren Wechsel zu günstigeren und attraktiveren Angeboten und stärken so ihre Wahlfreiheit. Zudem müssen telefonisch abgeschlossene Verträge über Strom- und Gaslieferungen künftig von den Verbraucherinnen und Verbrauchern schriftlich oder per E-Mail bestätigt werden. Auf diese Weise werden sie besser vor aufgedrängten und untergeschobenen Verträgen geschützt.“

Die in dem heute vorgelegten Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen sollen die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Unternehmen weiter verbessern und erreichen, dass nicht nur der Vertragsschluss unter faireren Bedingungen erfolgt, sondern auch die Vertragsbedingungen ausgewogeneren Regelungen unterliegen.

Der Referentenentwurf sieht u.a. folgenden Maßnahmen vor:

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geregelte Abtretungsverbote für Geldforderungen sollen künftig unwirksam sein.

Durch AGB können nur noch kürzere Erstlaufzeiten und automatische Vertragsverlängerungen geregelt werden.
Für telefonisch abgeschlossene Fernabsatzverträge über Energielieferungen wird eine Bestätigungslösung eingeführt, d.h. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen Gas- und Stromlieferverträge schriftlich oder per E-Mail bestätigen, nachdem die Verträge auf einen Datenträger zur Verfügung gestellt wurden.

Unternehmer werden verpflichtet, Einwilligungen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Telefonwerbung zu dokumentieren und aufzubewahren. Damit soll unerlaubte Telefonwerbung stärker bekämpft werden.
Die Fachkreise und Verbände haben die Möglichkeit, bis zum 24. Februar 2020 zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen."


LG Dortmund: Auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist eine intransparente Regelung zur Mindestlaufzeit, Kündigung und automatischer Laufzeitverlängerung in einem Softwarebetreuungsvertrag unw

LG Dortmund
Urteil vom 02.07.2014
10 O 14/14


Das LG Dortmund hat entschieden,dass auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine intransparente Regelung zur Mindestlaufzeit, Kündigung und automatischer Laufzeitverlängerung in einem Softwarebetreuungsvertrag unwirksam ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Ziff. 7 des Vertrages benachteiligt die Beklagte hinsichtlich der Kündigungsregelung unangemessen, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist.

1. Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, so dass der Anwendungsbereich der Norm eröffnet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ggfs. andere Teile des Vertrages zwischen den Parteien ausgehandelt worden sind. Jedenfalls Ziffer 7 des Vertrages wird von der Klägerin ständig in dieser Formulierung in Verträgen so verwandt, was der Mitgeschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.07.2014 selbst erklärt hat. Dass Ziffer 7 des Vertrages etwa ernsthaft zur Disposition gestellt worden sei, behauptet die Klägerin nicht.

2. Die Unklarheit ergibt sich aus Folgendem: Der Begriff der Mindestlaufzeit kann zwanglos nur dahin verstanden werden, dass mit ihm die Laufzeit beschrieben wird, die der Vertrag zumindest Bestand haben soll. Der Kunde wird – auch im kaufmännischen Verkehr – diesen Begriff zunächst dahin verstehen, dass die Vertragslaufzeit länger, aber nicht kürzer sein kann. Zumindest im kaufmännischen Verkehr wird der Kunde damit rechnen, dass er den Vertrag nicht zu einem früheren Zeitpunkt als 2 Jahre nach Vertragsschluss durch eine ordentliche Kündigung beenden kann. Es wird in ihm aber auch die berechtigte Erwartung geweckt, dass er es in der Hand hat, den Vertrag nicht über die Mindestlaufzeit hinaus fortzusetzen. Ob ihm diese Möglichkeit verbleibt, ist jedoch durch den weiteren Satzteil „und ist im Anschluss mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres mit eingeschriebenem Brief zu kündigen“ unklar. Durch die Verwendung der Worte „im Anschluss“ kann die Klausel dahin verstanden werden, dass erst nach Ablauf der zwei Jahre eine Kündigung erklärt werden kann, die dann aber auch erst mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres Wirkung entfalten würde. Die Vertragslaufzeit wäre dann aber nicht, wie es der berechtigten Erwartung bei der Verwendung des Begriffes „Mindestlaufzeit“ entsprechen würde, auf 2 Jahre begrenzt. Damit aber liegt eine unklare Regelung vor, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligt, weil sie geeignet ist, diesen länger als gewollt in der Vertragsbindung zu halten (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 957).

Dass die Regelung wie vorstehend beschrieben unklar ist, wird hier im Übrigen exemplarisch durch die Kündigungserklärung der Klägerin vom 24.05.2013 belegt. Die Erklärung der Kündigung „zum nächst möglichen Termin“ dürfte sich daraus ergeben haben, dass die Beklagte nicht in der Lage war, den zutreffenden Termin, zu welchem die Kündigung wirksam werden konnte, Ziffer 7 des Vertrages sicher zu entnehmen.

3. Die Intransparenz hat vorliegend gemäß § 306 Abs.1 BGB nicht zur Folge, dass Satz 2 der Ziffer 7 des Vertrages insgesamt entfällt, weil eine teilbare Klausel vorliegt. Der Satzteil „die Mindestlaufzeit beträgt 2 Jahre“ kann nach dem sogenannten „blue pencil-test“ (vgl. hierzu Palandt, BGB, 73. Aufl., § 306, Rn. 7 m.w.N.) aufrechterhalten werden, da er für sich genommen hinreichend klar ist. Bei Streichung des folgenden Satzteils bleibt ein auch grammatikalisch nicht zu beanstandender Satz erhalten.

Die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren hat sodann zur Folge, dass der Vertrag frühestens zum Ende dieser Laufzeit kündbar war, so dass die Auffassung der Klägerin, sie könne gemäß § 621 Nr. 3 BGB auf einen früheren Zeitpunkt kündigen, nicht zutreffend ist. Denn zumindest im kaufmännischen Verkehr wird ein Vertragspartner davon ausgehen, dass ein Vertrag für diesen Zeitraum nicht ordentlich kündbar ist. Damit muss die Beklagte die Betreuungspauschalen bis zum Ablauf der Mindestlaufzeit, hier bis zum 13.12.2013, entrichten.

Dahinstehen kann, ob eine Unwirksamkeit der Kündigungsregelung auch aus § 309 Nr. 9 c BGB folgt. Denn die Kündigungsregelung ist bereits auf Grund der Intransparenz unwirksam. Auch die Unwirksamkeit gemäß § 309 Nr. 9 c BGB würde den Satzteil „die Mindestlaufzeit beträgt 2 Jahre“ nicht erfassen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: