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OVG Münster: Ministerium bzw. Behörde darf bei IFG-Anfrage über fragdenstaat.de nicht standardmäßig die Angabe der Postanschrift des Antragstellers verlangen

OVG Münster
Urteil vom 15.06.2022
16 A 857/21


Das OVG Münster hat entschieden, dass ein Ministerium bzw. eine Behörde bei einer IFG-Anfrage über fragdenstaat.de nicht standardmäßig die Angabe der Postanschrift des Antragstellers verlangen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Standardmäßige Erhebung der Postanschrift des Antragstellers bei IFG-Antrag über „fragdenstaat.de“ unzulässig

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) darf nicht standardmäßig die Angabe der Postanschrift des Antragstellers verlangen, der über die Internetplattform „fragdenstaat.de“ einen Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stellt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit heute verkündetem Urteil entschieden und die vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln geändert.

Ein Bürger stellte mittels einer von der Internetplattform „fragdenstaat.de“ generierten, nicht personalisierten E-Mail-Adresse beim BMI einen Auskunftsantrag nach dem IFG. Das Ministerium forderte ihn dazu auf, seine Postanschrift mitzuteilen, da andernfalls der verfahrensbeendende Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben und das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne. Aufgrund dessen sprach der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) eine datenschutzrechtliche Verwarnung gegenüber dem BMI aus. Das Verwaltungsgericht Köln gab der dagegen gerichteten Klage des BMI statt und hob die Verwarnung auf. Die Berufung des BfDI hatte nun Erfolg.

Zur Begründung hat der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Verwarnung des Ministeriums durch den BfDI ist rechtmäßig. Die Erhebung der Postanschrift war im Zeitpunkt der Datenverarbeitung für die vom BMI verfolgten Zwecke nicht erforderlich. Weder aus den maßgeblichen Vorschriften des IFG noch aus den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts geht hervor, dass ein Antrag nach dem IFG stets die Angabe einer Postanschrift erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass eine Datenerhebung im vorliegenden Einzelfall erforderlich war, liegen ebenfalls nicht vor.

Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

In einem weiteren, auf einem vergleichbaren Sachverhalt beruhenden Verfahren hatten der BfDI und die beigeladene Open Knowledge Foundation, die die Internetplattform „fragdenstaat.de“ betreibt, mit ihren Berufungen hingegen keinen Erfolg. Der BfDI hatte dem BMI die datenschutzrechtliche Anweisung erteilt, in Verfahren nach dem IFG über die vom Antragsteller übermittelten Kontaktdaten hinaus nur noch dann zusätzliche personenbezogene Daten zu verarbeiten, wenn ein Antrag ganz oder teilweise abzu­lehnen sein wird oder wenn Gebühren zu erheben sind. Wie schon das Verwaltungsgericht Köln hielt auch das Oberverwaltungsgericht mit heute verkündetem Urteil diese Anweisung für rechtswidrig - allerdings aus anderen Gründen: Der streitgegenständliche Bescheid weist jedenfalls einen zu weitreichenden Regelungsgehalt auf, weil er eine Datenverarbeitung auch für die Fälle verbietet, in denen sie ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte.

In diesem Verfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 16 A 857/21 (Verwarnung; I. Instanz: VG Köln 13 K 1190/20), 16 A 858/21 (Anweisung; VG Köln 13 K 1189/20)



BVerwG: Voten der Berichterstatter des Bundeskartellamts unterliegen dem Vertraulichkeitsschutz für Beratungen von Behörden nach dem Informationsfreiheitsgesetz

BVerwG
Urteil vom 09. 05.2019
7 C 34.17


Das BVerwG hat entschieden, dass die Voten der Berichterstatter des Bundeskartellamts dem Vertraulichkeitsschutz für Beratungen von Behörden nach dem Informationsfreiheitsgesetz unterliegen. Diese müssen daher nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgegeben werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Voten der Berichterstatter des Bundeskartellamts vor Informationszugang geschützt

Vorbereitende Vermerke (Voten) der Berichterstatter von Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts unterliegen dem Vertraulichkeitsschutz für Beratungen von Behörden nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist ein Journalistenverband, der vom beklagten Bundeskartellamt Zugang zu Informationen begehrt, die die kartellrechtliche Beurteilung eines Fusionsvorhabens von zwei Zeitungsverlagen betrafen. Er verlangte u. a. Zugang zu dem Votum des Berichterstatters der zuständigen Beschlussabteilung. Widerspruch, Klage und Berufung gegen die ablehnende Entscheidung blieben ohne Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen ist nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgeschlossen, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Der vom Gesetz geschützte Beratungsprozess zeichnet sich durch einen offenen Meinungsaustausch aus, der durch Elemente der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung geprägt ist. Der Prozess der Meinungsbildung wäre gefährdet, wenn das schriftliche Votum als Diskussionsbeitrag eines Mitglieds der Beschlussabteilung, die als Kollegialorgan entscheidet, gesondert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde und der getroffenen Entscheidung gegenüber gestellt werden könnte.


Fußnote:
Informationsfreiheitsgesetz:


§ 1 Abs. 1 Satz 1:


Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.


§ 3 Nr. 3 Buchst. b:


Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, […] wenn und solange […] die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.

Urteil vom 09. Mai 2019 - BVerwG 7 C 34.17 -

Vorinstanzen:

OVG Münster, 15 A 530/16 - Urteil vom 18. Oktober 2017 -

VG Köln, 13 K 5012/13 - Urteil vom 28. Januar 2016 -