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LG Darmstadt: Kammer für Handelssachen nur dann funktionell zuständig wenn sämtliche Ansprüche und deren Anspruchsgrundlagen Handelssachen sind

LG Darmstadt
Beschluss vom 01.03.2024
18 O 34/23


Das LG Darmstadt hat entschieden, dass die Kammer für Handelssachen nur dann funktionell zuständig ist, wenn sämtliche Ansprüche und deren Anspruchsgrundlagen Handelssachen sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Rechtsstreit ist auf Antrag des Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 GVG an die funktional zuständige Zivilkammer zu verweisen.

Eine Zuständigkeit der Kammer für Handelssache ist nur gegeben, wenn die gesamte Streitsache eine Handelssache ist, also insbesondere hinsichtlich aller Ansprüche und Anspruchsgrundlagen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 6.5.1992 - 20 AR 92/92; Urteil vom 26.9.2018 - 6 U 49/18).

Mit dem Antrag nach § 97 Abs. 1 GVG kann der Beklagte die Verweisung des gesamten Rechtsstreits an eine Zivilkammer erreichen, auch wenn nur Teile des Rechtsstreits nicht in die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen fallen (vgl. Pernice, in: BeckOK-GVG, 21. Edition, Stand: 15.11.2023, § 97 Rn. 4). Insbesondere ist die Kammer für Handelssachen nicht gehalten, lediglich den nicht die Voraussetzungen des § 95 GVG erfüllenden Teil nach § 145 ZPO abzutrennen und nur diesen Teil zu verweisen (vgl. Lückemann, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 97 GVG Rn. 8). Eine Prozesstrennung ist sogar unzulässig, wenn ein einheitlicher prozessualer Anspruch auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt wird, von denen - für sich betrachtet - nur eine Handelssache ist (vgl. Wittschier, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 97 GVG Rn. 5; ferner LG Offenburg, Beschluss vom 13.5.2014 - 5 O 20/14 KfH und Hunke, in: Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024 § 97 GVG Rn. 5).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Kammer für Handelssachen funktional nicht zuständig.

Die Klägerin macht sowohl Ansprüche nach § 43 Abs. 2 GmbHG und Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend, die aus einem anlässlich einer Anteilsübertragung dem Erwerber gegenüber abgegebenem Garantieversprechen resultieren sollen. Beide Ansprüche würden sich - so der schlüssige Vortrag der Klägerin, auf den es hier ankommt - zeitlich und inhaltlich überschneiden.

Ohne Zweifel ist die Kammer für Handelssachen für Ansprüche, die gegen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer geltend gemacht und auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützt werden, funktional zuständig gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG.

Für die Ansprüche aus dem Garantieversprechen, das von dem Beklagten als Verkäufer von Anteilen an der Klägerin an das Unternehmen B GmbH abgegeben wurde, und die von dem Unternehmen B GmbH an die Klägerin abgetreten worden sein sollen, ist eine funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen jedoch nicht begründet. Diese Ansprüche werden von dem Zuständigkeitskatalog des § 95 GVG nicht erfasst. Insoweit räumt auch die Klägerin ein, „dass eine funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach vorherrschender Meinung nicht möglich ist“ (Bl. 63 d.A.).

Der Beklagte hat bereits im Schriftsatz vom 18.1.2024 konkludent die Verweisung des Gesamtrechtstreits an die Zivilkammer gemäß § 97 Abs. 1 GVG beantragt und diesen Antrag im Schriftsatz vom 23.2.2024 ausdrücklich wiederholt.

Die Klägerin hatte Gelegenheit, zu dem Verweisungsantrag gemäß § 97 Abs. 1 GVG im Schriftsatz der Beklagten vom 18.1.2024 Stellung zu nehmen (vgl. Bl. 53 d.A.).

Eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO kam nicht in Betracht. Denn die geltend gemachten Ansprüche, für die eine funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nicht begründet ist, und die geltend gemachten Ansprüche, für die eine solche anzunehmen ist, überschneiden sich zum Teil zeitlich und inhaltlich. Teilweise wird nämlich der gleiche Anspruch sowohl auf § 43 Abs. 2 GmbHG als auch auf abgetretenes Recht aus einem Garantieversprechen gestützt.

Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Kammer für Handelssachen ausdrücklich keine Entscheidung zu der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt getroffen hat; hierzu ist die Zivilkammer berufen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Berlin: Fotografiert ein Schüler einen Lehrer heimlich im Unterricht und verbreitet der Schüler die Fotos weiter so rechtfertigt dies einen schriftlichen Verweis

VG Berlin
Urteil vom 21.07.2023
VG 3 K 211/22

Das VG Berlin hat entschieden, dass ein schriftlicher Verweis gerechtfertigt ist, wenn ein Schüler einen Lehrer heimlich im Unterricht und verbreitet der Schüler die Fotos weiter so rechtfertigt dies schriftlichen Verweis

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schriftlicher Verweis wegen Fotoaufnahmen vom Lehrer

Einem Schüler, der während der Unterrichtszeit von seinem Lehrer ohne dessen Einverständnis Fotos machte und diese versendete, ist zurecht ein schriftlicher Verweis erteilt worden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Achtklässler fotografierte seinen Klassenlehrer – nach seinen Angaben aus Langeweile – heimlich während des Unterrichts mit seinem Tablet und versendete die Fotos an eine unbekannte dritte Person. Die Bilder wurden sodann über Nachrichtendienste in der Schülerschaft der Schule digital weiterverbreitet. Eine einberufene Klassenkonferenz unter Leitung des Klassenlehrers beschloss einstimmig, dem Schüler einen schriftlichen Verweis zu erteilen, und mehrheitlich, den Verweis auf dem Schuljahreszeugnis einzutragen. Der Widerspruch des Schülers gegen den Verweis blieb ohne Erfolg.

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die daraufhin eingereichte Klage des Schülers abgewiesen. Der schriftliche Verweis habe als schulische Ordnungsmaßnahme keinen Strafcharakter, sondern sei eine pädagogische Maßnahme, die neben der Erziehung des betroffenen Schülers vornehmlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Schule, insbesondere des Schulunterrichts, diene. Voraussetzung seien objektive Pflichtverletzungen des betreffenden Schülers. Bei der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme komme der Schule ein pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt einer gerichtlichen Kontrolle unterliege, insbesondere dahingehend, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt worden sei, die Maßnahme willkürfrei sei und die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahre. Dies sei hier gegeben. Der Schüler habe eingeräumt, die Fotos vom Klassenlehrer ohne dessen Einverständnis angefertigt und versendet zu haben. Damit habe er gegen die Hausordnung der Schule verstoßen, den Unterrichtsablauf gestört sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Lehrers verletzt. Der schriftliche Verweis sei als mildeste Ordnungsmaßnahme angesichts der viralen Verbreitung der Fotos in der Schule, der damit verbundenen Nachahmungsgefahr und des uneinsichtigen Verhaltens des Schülers verhältnismäßig. Der Schule stehe es frei, sich wegen desselben Vorfalls ggf. sowohl erzieherischer Maßnahmen – etwa in Form eines erzieherischen Gesprächs mit dem Schüler – als auch förmlicher Maßnahmen – wie hier dem Verweis – zu bedienen. Auch die Eintragung des Verweises auf dem Zeugnis sei vor dem Hintergrund der Pflichtverletzung des Schülers, der durch das Versenden der ungenehmigten Fotos erst das Risiko ihrer Verbreitung geschaffen habe, nicht zu beanstanden, zumal es sich nicht um ein Abschlusszeugnis handle.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Urteil der 3. Kammer vom 21. Juli 2023 (VG 3 K 211/22)


LG Berlin: Irreführende Werbung mit "Immobilienbewertung in zwei Minuten" im Internet wenn Nutzer nach Eingabe der Daten auf Telefonat mit Immobilienmakler verwiesen wird

LG Berlin
Urteil vom 14.09.2021
103 O 69/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass ein Irreführende Werbung mit "Immobilienbewertung in zwei Minuten" im Internet vorliegt, wenn der Nutzer nach Eingabe der Daten in einen "Immobilien-Bewertungsrechner" nicht etwa das Bewertungsergebnis erhält, sondern auf ein Telefonat mit dem werbenden Immobilienmakler verwiesen wird. Es handelt sich um einen Fall der Wettbewerbszentrale.