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OLG Stuttgart: Keine Zuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 6 UKlaG für Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe durch Abmahnverein / Verband

OLG Stuttgart
Urteil vom 10.07.2024
9 UKl 2/24


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass Oberlandesgerichte nicht nach § 6 UKlaG für Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe durch einen Abmahnverein / Verband zuständig sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Das Oberlandesgericht ist wegen der bindenden Verweisung durch das Amtsgericht zuständig.

Die Zuständigkeit ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 1 UKlaG i. d. F. v. 08.10.2023. Individualklagen wie insbesondere solche auf Geltendmachung von Vertragsstrafen fallen, wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat, gerade nicht unter diese Zuständigkeitsregelung. Denn dabei handelt es sich nicht um Klagen i. S. d. §§ 1 f. UKlaG, sondern um die Geltendmachung von im Zweipersonenverhältnis begründeten Schadensersatzverpflichtungen. Entgegen der Ansicht von Köhler/Alexander (in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, § 6 UKlaG, Rn. 4), der sich auch das Amtsgericht Künzelsau angeschlossen hat, ist die Vorschrift – anders als dies hinsichtlich der vorangegangenen Fassung nach verbreiteter Auffassung erfolgt ist – auch nicht analog anwendbar. Das ergibt sich zum einen schon daraus, dass Voraussetzung einer analogen Rechtsanwendung eine planwidrige Regelungslücke ist (s. statt vieler nur BGH, Urteil vom 14.12.2006 – IX ZR 92/05, zit. nach juris, Rn. 15). Die ist nach der Zuständigkeitsänderung durch Art. 10 des Gesetzes vom 08.10.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 272) nicht mehr ernsthaft anzunehmen (vgl. zur Rolle der Gesetzgebungshistorie schon BGH, aaO., Rn. 17). Trotz der bis dahin mitunter gesehenen Regelungslücke und darauf basierenden analogen Anwendung auf Vertragsstrafenansprüche hat der Gesetzgeber gerade diese Zuständigkeitskonzentration neu geregelt, ohne Vertragsstrafenansprüche einzubeziehen. Das ist erkennbar aufgrund bewusster Entscheidung erfolgt, wie auch daraus ersichtlich ist, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus Vertragsstrafen in §§ 13a f. UWG nun ausdrücklich geregelt ist. Von einer „planwidrigen“ Regelungslücke kann man danach schlicht nicht mehr ausgehen. Auch verfängt der Hinweis auf den erforderlichen Gleichlauf mit § 13 UWG (a.F.) nicht (mehr). Denn dessen analoge Anwendung auf Ansprüche auf Vertragsstrafen hatte der Bundesgerichtshof mit der großen Sachkunde und dem „notwendigen Erfahrungswissen“ der Landgerichte begründet (BGH, Beschluss vom 19.10.2016 – I ZR 93/15, zit. nach juris, Rn. 24). Die ausschließliche OLG-Zuständigkeit nach § 6 Abs. 1 UKlaG dagegen soll der Beschleunigung der Verfahren dienen, was damit gerechtfertigt wurde, dass bei Klagen nach §§ 1 und 2 UKlaG „überwiegend Rechtsfragen zu klären [seien], so dass eine Tatsacheninstanz ebenso wie bei Musterfeststellungsklagen und Abhilfeklagen nach dem VDuG ausreichend“ ist (BT-Drs. 20/6520, S. 118, zu Nr. 17 Buchstabe b). Das ist bei Ansprüchen aus Vertragsstrafen gerade nicht der Fall, da diese auf individuellen Willenserklärungen bzw. Verträgen beruhen, die durchaus auslegungsbedürftig sein können und dann nach §§ 133, 157 BGB – unter Berücksichtigung der weiteren bekannten und erkennbaren Umstände – auszulegen sind (vgl. statt vieler nur Grüneberg, Ellenberger, 83. Aufl. 2024, § 133 BGB, Rn. 9, 14 m. w. N.). Es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, den Parteien die ihnen bei Ermittlung und Bewertung entscheidender Willenserklärungen zustehende zweite Tatsacheninstanz vorzuenthalten. Schließlich haben auf Vertragsstrafenabreden basierende Ansprüche – anders als Verbands- wie insbesondere Musterfeststellungs- und Abhilfeklagen – auch keinerlei über das individuelle Schuldverhältnis hinausgehende Bedeutung für das Interesse der Allgemeinheit in einem größeren Bezirk, mit der man eine Notwendigkeit für diesbezügliche Entscheidungen durch die Oberlandesgerichte gegebenenfalls sonst noch zu rechtfertigen versuchen könnte.

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich allein aus der Verweisung durch das Amtsgericht nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Es hat den Rechtsstreit, trotz Berücksichtigung der – zutreffenden – Erwägungen des Klägers, gestützt auf die Kommentierung insbesondere von Köhler/Alexander in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 6 UKlaG Rn. 4 (die weiter angegebene Fundstelle im jurisPK-BGB Band 2, 10. Auflage 2023, § 6 UKlaG, Rn. 23, bezog sich auf die alte Fassung, die Erwägungen des BGH (MMR 2017, 169) ausschließlich auf § 13 UWG a.F.) an das Oberlandesgericht verwiesen. Willkürlich erfolgte die Entscheidung folglich nicht; sie ist vielmehr bindend.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verweisung durch einen Arzt an bestimmte Leistungserbringer regelmäßig wettbewerbswidrig - Hörgeräterversorgung

BGH
Urteil vom 13.01.2011
Hörgeräteversorgung II
UWG § 4 Nr. 11; MBO-Ä 1997 Kap. B §§ 31, 34 Abs. 5


Leitsätze des BGH:
a) Vom Begriff der Verweisung in § 34 Abs. 5 MBO-Ä sind alle Empfehlungen für bestimmte Leistungserbringer erfasst, die der Arzt - ohne vom Patienten darum gebeten worden zu sein - von sich aus erteilt.

b) Die Qualität der Versorgung kann im Einzelfall einen hinreichenden Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 MBO-Ä darstellen, wenn die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bietet. In langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnene gute Erfahrungen oder die allgemein hohe fachliche Kompetenz eines Anbieters oder seiner Mitarbeiter reichen dafür nicht aus.

c) Das Verbot des § 31 MBO-Ä gilt nicht nur, wenn ein Arzt einem anderen Arzt Patienten überweist, sondern auch für Patientenzuführungen an die in § 34 Abs. 5 MBO-Ä genannten Apotheken, Geschäfte oder Anbieter gesundheitlicher Leistungen.

d) Der Begriff der Zuweisung in § 31 MBO-Ä umfasst alle Fälle der Überweisung, Verweisung und Empfehlung von Patienten an bestimmte andere Ärzte, Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen; entscheidend ist allein, dass der Arzt für die Patientenzuführung an einen
anderen Leistungserbringer einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 111/08 - OLG Celle
LG Stade

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