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VG Göttingen: Siri, Alexa und Co. - Wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten

VG Göttingen
Urteil vom 21.06.2022
4 A 79/21

Das VG Göttingen hat entschieden, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten (Siri, Alexa und Co.) vorliegen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Der auf einen bekannten Sprachassistenten lautende Vorname eines Mädchens darf geändert werden
Mit Urteil vom 21.06.2022 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen entschieden, dass eine Klägerin, deren Vorname mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten identisch ist, einen Anspruch auf Änderung ihres Vornamens hat (4 A 79/21).

Die Klägerin begehrte die Änderung ihres Namens durch Hinzufügen eines zweiten Vornamens. Dies begründeten die Eltern der Klägerin damit, dass ihre Tochter aufgrund der Namensidentität ihres Vornamens mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten erheblich unter Mobbing und Hänseleien leide. Immer wieder würden andere Personen der Klägerin Befehle erteilen, da der Name sofort mit dem Namen des Sprachassistenten in Verbindung gebracht werde. Dies verunsichere und belaste die Klägerin seelisch sehr.

Die beklagte Stadt hielt dagegen, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht vorliege. Die seelische Belastung der Klägerin sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt. Der Namensänderungswunsch beruhe vielmehr auf nachträglicher Reue der Eltern an der früheren Namensgebung und auf Mobbingbefürchtungen. Ein Produktname könne nicht automatisch zu einem Anspruch der vielen Inhaber gleichlautender Vornamen auf Namensänderung führen. Insgesamt könne quasi jeder Name mit einiger Fantasie ins Lächerliche gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die seelische Belastung der Klägerin ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG darstelle. In der Rechtsprechung sei bereits geklärt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vorliege, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen Interessen an der Namensbeibehaltung überwiegen. Auch eine seelische Belastung könne als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei. Dabei müsse die seelische Belastung nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall vor. Die Eltern hätten in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen die Klägerin aufgrund ihres Vornamens belästigt worden sei. Dabei sei nachvollziehbar, dass es aufgrund dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen sei, der die Klägerin aufgrund ihres jungen Alters nichts entgegensetzen könne. Insgesamt sei zu erwarten, dass die Hänseleien auch in Zukunft weiter andauern würden. Die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handele, sondern um das „Schlüsselwort“ zur Nutzung des Geräts, führten dazu, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet sei. Hier gehe es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden würden. Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.

Im Ergebnis gehe die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin aus. Im vorliegenden Fall gehe es nur um die Änderung eines Vornamens. Da der Familienname im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal diene als der Vorname, komme den öffentlichen Interessen bei der Änderung des Vornamens im Vergleich zu der Änderung eines Familiennamens ein geringeres Gewicht zu. Die Klägerin habe im Vorschulalter bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibe durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser „Widererkennungswert“ beim Namen der Klägerin erhalten.

Gegen die Entscheidung kann die Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.


VG Göttingen: Verwendung einer Dashcam durch eine Privatperson um Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer aufzuzeichnen ist datenschutzrechtswidrig

VG Göttingen
Beschluss vom 12.10.2016
1 B 171/16

Das VG Göttingen hat entschieden, dass die Verwendung einer Dashcam durch eine Privatperson, um Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer aufzuzeichnen, datenschutzrechtswidrig ist. Das Gericht bestätigte eine datenschutzrechtliche Verfügung der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen gegen den sogenannten "Knöllchen-Horst".

Die Pressemitteilung der Landesdan

"Entscheidung des Verwaltungsgerichts Göttingen Gericht bestätigt datenschutzrechtliche Verfügung gegen „Knöllchen-Horst

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, Barbara Thiel, hat dem sehr speziellen Hobby eines Autofahrers aus dem Harz ein Ende gesetzt. Der in der Öffentlichkeit als „Knöllchen-Horst" bekannt gewordene Mann hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vermeintliche oder tatsächliche Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer auch bei fehlender eigener Betroffenheit zur Anzeige zu bringen.

Als Beweismittel hatte er auf Fotos und Videosequenzen der an Front- und Heckscheibe seines Kfz befestigten sogenannten Dashcams zurückgegriffen.
Der Einsatz von Dashcams im öffentlichen Verkehr stellt einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der davon betroffenen Verkehrsteilnehmer dar. Die Landesdatenschutzbeauftrage hatte deshalb die Verwendung dieser Kameras zur Dokumentation des Verkehrsgeschehens untersagt und die Löschung der datenschutzwidrig angefertigten Videoaufnahmen angeordnet.

Diese Entscheidung der Datenschutzbeauftragten ist am 12.10.2016 vom Verwaltungsgericht Göttingen im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens bestätigt worden (Az.: 1 B 171/16). In dem kürzlich veröffentlichten Beschluss hat das Gericht auch darauf hingewiesen, dass die Verfolgung von Verkehrsverstößen eine öffentliche Aufgabe darstellt, deren Erfüllung Polizei und Ordnungsbehörden vorbehalten ist.

„Ich bin sehr froh, dass das Verwaltungsgericht die Maßnahmen meiner Behörde gegen diesen selbst ernannten Sachwalter öffentlicher Interessen gebilligt hat", so Thiel in einer ersten Reaktion auf den Gerichtsbeschluss. Damit sei zugleich die von den deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden seit mehreren Jahren vertretene Auffassung zur Unzulässigkeit des Einsatzes von Dashcams bestätigt und deutlich gemacht worden, dass bereits die Anfertigung solcher Kamerabilder datenschutzwidrig ist.

„Der Gerichtsbeschluss hat nach meiner Auffassung auch für die aktuelle politische Diskussion über die Ausweitung der Überwachung öffentlicher Räume unter Nutzung von Kameras privater Betreiber Bedeutung. Das Gericht hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine staatliche Aufgabe ist, die nicht privaten Stellen überantwortet werden darf", so Thiel abschließend."