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VG Münster: Stadtbücherei darf zur Ausleihe zur Verfügung gestelltes Buch mit dem Eindordnungshinweis "umstrittener Inhalt" versehen

VG Münster:
Beschluss vom 11.04.2025
1 L 59/25


Das VG Münster hat entschieden, dass eine Stadtbücherei ein zur Ausleihe zur Verfügung gestelltes Buch mit dem Eindordnungshinweis "umstrittener Inhalt" versehen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Eilantrag gegen Einordnungshinweis der Stadtbücherei Münster erfolglos

Ein Einordnungshinweis, den die Stadtbücherei Münster in einem zur Ausleihe zur Verfügung gestellten Buch angebracht hat, verletzt nicht die Grundrechte des Autors des Buchs. Dies hat das Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 11. April 2025 entschieden und einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Stadtbücherei Münster versah im Jahr 2024 zwei Bücher ihres Bestands mit einem Einordnungshinweis, der in seiner letzten Fassung wie folgt lautet: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt.“ Hiergegen wandte sich der Autor eines der betroffenen Bücher mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und verlangte die Entfernung sowie die zukünftige Unterlassung entsprechender Hinweise in seinen Büchern.

Dieses Begehren hatte jedoch keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus: Der Einordnungshinweis sei von der gesetzlichen Aufgabenzuweisung für öffentliche Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen, denen unter anderem ein Bildungsauftrag zukomme, gedeckt. Die Stadtbücherei Münster dürfe zu den von ihr zur Ausleihe bereitgestellten Werken inhaltlich Stellung nehmen. Dies gelte sowohl in positiver Hinsicht – bspw. in Form von Leseempfehlungen für einzelne Werke – als auch in negativer Hinsicht in Form von kritischen Hinweisen. Mit dem gesetzlichen Auftrag wäre es hingegen nicht vereinbar, eine öffentliche Bibliothek darauf zu beschränken, Medien allein passiv zur Ausleihe bereit zu stellen.

Eine besondere gesetzliche Grundlage für den Hinweis sei nicht erforderlich, weil der Hinweis den Autor nur mittelbar-faktisch beeinträchtige und weder von seiner Intensität noch von seinen Wirkungen einem zielgerichteten Grundrechtseingriff gleichstehe.

Einer Neutralitätspflicht, wie sie die Rechtsprechung bei Äußerungen von Hoheitsträgern über politische Parteien annehme, unterliege die Stadtbücherei im Verhältnis zum Antragsteller nicht. Vielmehr müsse sie insofern die Anforderungen des Sachlichkeitsgebots wahren, die im vorliegenden Fall erfüllt seien. Der Einordnungshinweis stelle ein Werturteil dar, das auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhe. Dies ergebe sich bereits daraus, dass in dem Buch des Antragstellers mehrere gesicherte historische Ereignisse – etwa die Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki oder die bemannten Mondlandungen – negiert würden. Die Negierung von historischen Fakten könne ohne weiteres dahingehend gewürdigt werden, dass der Inhalt umstritten sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Einordnungshinweis auf sachfremden Erwägungen beruhe, weil neben dem Buch des Antragstellers bislang nur ein weiteres Buch einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei es nicht willkürlich, dass die Stadtbücherei die Werke im Wesentlichen anlassbezogen prüfe, das heißt, wenn sich Nutzerinnen oder Nutzer der Bücherei – wie im vorliegenden Fall – darüber beschwerten oder sie sonstige Hinweise auf einen umstrittenen Inhalt erhalte. Der Einordnungshinweis erweise sich schließlich auch nicht als unverhältnismäßig. Ein Autor von Thesen, die historische Fakten negierten, müsse aushalten, dass dieser Umstand von öffentlichen Bibliotheken im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags zum Anlass genommen werde, sich in sachlicher Form kritisch mit einem solchen Werk auseinanderzusetzen.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet.

OVG Münster: Kundenkontaktdaten dürfen weiterhin zum Zweck der Kontaktpersonennachverfolgung auf Grundlage der Coronaschutzverordnung erhoben werden

OVG Münster
Beschluss vom 23.06.2020
13 B 695/20.NE


Das OVG Münster hat entschieden, dass Kundenkontaktdaten weiterhin zum Zweck der Kontaktpersonennachverfolgung auf Grundlage der Coronaschutzverordnung erhoben werden dürfen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kundenkontaktdaten dürfen weiterhin auf Grundlage der Coronaschutzverordnung erhoben werden

Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Eilverfahren mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden, dass die in der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung vorgesehene Datenerhebung zum Zweck der Kontaktpersonennachverfolgung im Bereich der Gastronomie, des Friseurhandwerks und der Fitnessstudios voraussichtlich rechtmäßig ist.

Zur Rückverfolgbarkeit möglicher Infektionsketten sieht die Coronaschutzverordnung für bestimmte Wirtschaftsbereiche die papiergebundene Erfassung der Kundenkontaktdaten (Name, Adresse, Telefonnummer, Zeitraum des Aufenthalts bzw. Zeitpunkt von An- und Abreise) vor. Die Kontaktdaten sind vier Wochen aufzubewahren und danach zu vernichten. Eine Weitergabe an die für die Nachverfolgung zuständige Behörde erfolgt nur auf deren Verlangen.

Gegen die Regelungen zur Kontaktdatenangabe in Restaurants, Fitnessstudios und Friseursalons hatte sich ein Bochumer Rechtsanwalt gewandt und geltend gemacht, die Datenerhebung verletze ihn in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Maßnahme sei insbesondere unverhältnismäßig und verstoße zudem gegen datenschutzrechtliche Vorgaben.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffenen Regelungen voraussichtlich rechtmäßig seien. Mit der vorsorglichen Erhebung der Kundendaten solle sichergestellt werden, dass bei Nachweis einer Neuinfektion die Kontaktpersonen des Betroffenen leichter durch die Gesundheitsämter identifiziert werden könnten. Angesichts der inzwischen weitgehenden Öffnung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens sei es voraussichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die Kontaktdatenerhebung in bestimmten kontaktintensiven Bereiche als - milderes Mittel - nutze, um Infektionsketten aufzudecken und zu unterbrechen. Das durch die Regelungen in erster Linie betroffene Recht auf informationelle Selbstbestimmung trete gegenüber dem Schutz von Leben und Gesundheit vorübergehend zurück. Dabei sei unter anderem zu berücksichtigen, dass weder der Besuch einer gastronomischen Einrichtung noch das Aufsuchen eines Fitnessstudios oder der Besuch eines Friseursalons der Deckung elementarer Grundbedürfnisse diene und zudem Alternativen zur Verfügung stünden. Der sichere Umgang mit den erhobenen personenbezogenen Daten werde durch die zu beachtenden Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung voraussichtlich gewährleistet.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 695/20.NE