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VG Karlsruhe: Dem Bundesverfassungsgericht ist es gestattet ausgewählte Journalisten vorab über den Inhalt einer Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

VG Karlsruhe
Beschluss vom 08.06.2020
3 K 2476/20


Das VG Karlsruhe hat entschieden, dass es dem Bundesverfassungsgericht gestattet ist, ausgewählte Journalisten vorab über den Inhalt einer Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eilantrag der Alternative für Deutschland (AfD) gegen das Bundesverfassungsgericht erfolglos

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe einen Antrag der Alternative für Deutschland (AfD) auf Erlass einer einstweilen Anordnung abgelehnt. Mit ihrem Antrag wandte sich die AfD gegen die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, die Mitglieder der Justizpressekonferenz, eines privaten Vereins von Journalistinnen und Journalisten, bereits vor der Verkündung des Urteils in einem Organstreitverfahren, welche für den morgigen Dienstag um 10:00 Uhr angesetzt ist, über den Inhalt der Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag als unbegründet ab. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz verbiete es dem Bundesverfassungsgericht nicht, einen ausgewählten Kreis an Journalistinnen und Journalisten bereits vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Verkündung oder sonstigen Bekanntmachung einer Entscheidung über deren Inhalt in Kenntnis zu setzen. Auf die Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts, die der von der AfD angegriffenen Praxis möglicherweise entgegenstehen könnte, könne sie sich nicht berufen. Denn hierbei handle es sich lediglich um Binnenrecht, welches der AfD keine Ansprüche verleihe. Auch sei sie nicht in den ihr als politische Partei zukommenden Rechten betroffen. Denn die beanstandete Praxis des Bundesverfassungsgerichts sehe, soweit erkennbar, eine Bekanntgabe lediglich gegenüber in der Justizpressekonferenz organisierten Journalistinnen und Journalisten vor, hingegen nicht gegenüber Angehörigen anderer politischer Parteien, mit denen sich die AfD im politischen Wettbewerb befinde. Schließlich vermöge sich die AfD weder auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der „für sie auftretenden natürlichen Personen“ zu berufen, noch könne sie eine mögliche Beeinträchtigung anderer Journalistinnen und Journalisten in der diesen gegenüber jeweils zu gewährleistenden Pressefreiheit geltend machen.

Der Beschluss (3 K 2476/20) ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof



LG Köln: Verleger einer Zeitschrift kann nach den Grundsätzen der Störerhaftung verpflichtet sein, Werbeanzeigen vor Erscheinen auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen

LG Köln
Urteil vom 08.04.2011
33 O 342/10


Das LG Köln hat entschieden, dass der Verleger eine Zeitschrift nach den Grundsätzen der Störerhaftung ggf. verpflichtet sein kann, die in der Zeitung erscheinenden Werbeanzeigen vorab auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Andernfalls haftet er ebenfalls als Störer auf Unterlassung. Dem Verleger treffen bei Werbeanzeigen für bekanntermaßen problematische Produkte (hier: Schlankheitsmittel) gesteigerte Pürfungspflichten.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beklagte ist auch die zutreffende Anspruchsgegnerin. Sie ist als das Inserat publizierendes Unternehmen gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG verpflichtet, die Verbreitung der irreführenden Werbung künftig zu unterlassen und kann entsprechend in Anspruch genommen werden.

a) Zwar haftet die Beklagte für die Veröffentlichung der irreführenden Anzeigen nicht als Täterin oder Gehilfin von Wettbewerbsverstößen gem. § 4 Nr. 11 UWG, da sie die Anzeige nicht geschaltet hat, was die Haftung als Täterin ausschließt. Auch ist sie in ihrer Eigenschaft als Verlegerin der Beilage "Q” zumindest deswegen auch nicht Gehilfin, weil die Beklagte nach ihrer Darstellung vor der Rechtmäßigkeit der Anzeige ausging. Das Oberlandesgericht Köln hat aber nun in einem Parallelverfahren, an dem die Parteien beteiligt waren, entschieden, dass die Beklagte jedenfalls dann als Täterin haftet, wenn ihr die Verletzung einer Verkehrspflicht vorzuwerfen ist (vgl. OLG Köln Urteil v. 27.08.2010, Az. 6 U 43/10, Bl. 53 d.A.) und ausgeführt:
22

aa) Das Veröffentlichen von ungeprüften Anzeigen in einer Zeitungsbeilage eröffnet den Inserenten die Möglichkeit, Anzeigen jedweden Inhalts zu schalten, und birgt so die Gefahr der Irreführung der Leser und damit einer Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Verbraucher, zu denen auch § 11 Abs. 1 LFGB gehört. Dabei handelt es sich um eine nicht nur theoretische, sondern ernsthafte Gefahr. Es ist allgemein bekannt, dass für Schlankheitsmittel nicht selten mit Aussagen geworben wird, die einer Nachprüfung nicht standhalten.

[...]

Diese Prüfungspflicht setzt aber – anders als der BGH (a.a.O. Rz 38, 41 f) es für Angebote auf der Internetplattform e-bay angenommen hat – nicht erst mit Kenntnis der Beklagten von dem irreführenden Inhalt einer bestimmten Anzeige ein. Sie besteht vielmehr auch ohne konkreten Anlass für jede entgegengenommene Anzeige.

Nach der Rechtsprechung des BGH zu den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten ist nicht etwa generell die Kenntnis erforderlich, dass sich die Gefahr einer Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften bereits realisiert habe. Vielmehr richten sich das Bestehen und der Umfang der Prüfungspflichten im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Dabei dürfen im Hinblick darauf, dass es sich – dies gilt auch für die Entgegennahme von Anzeigenaufträgen - um eine erlaubte geschäftliche Tätigkeit handelt, allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH a.a.O. Rz 38). Diese Abwägung führt zu der Verpflichtung der Beklagten, im Ausgangspunkt sämtliche eingehenden Anzeigenaufträge vor ihrer Veröffentlichung einer Überprüfung zu unterziehen.

Das OLG Köln geht daher von einer generellen Prüfungspflicht des Presseunternehmens für die Lauterkeit von Anzeigen, mit denen für Schlankheitsmittel geworben wird, aus."