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BVerfG lehnt weitere Eilanträge gegen Vorratsdatenspeicherung ab - Verfassungsrechtliche Bewertung nicht für Eilverfahren geeignet

BVerfG
Beschlüsse vom 26.03.2017
1 BvR 3156/15 und 1 BvR 141/16


Das Bundesverfassungsgericht hat erneut Eilanträge gegen die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung abgelehnt und auf die Hauptsacheverfahren verwiesen.

Die Pressemitteilung des BVerfG:

Weitere Eilanträge in Sachen „Vorratsdatenspeicherung“ erfolglos

Die Antragsteller haben sich mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erneut gegen das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 gewandt. Sie wollten insbesondere mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 (Rs. C-203/15 und C-698/15) erreichen, dass die durch dieses Gesetz eingeführte Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit außer Kraft gesetzt wird. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellen sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bewertung der angegriffenen Regelungen Fragen, die nicht zur Klärung im Eilrechtschutzverfahren geeignet sind.


Die Volltexte der Entscheidungen finden Sie hier:

1 BVR 3156/15

1 BvR 141/16

VG Köln: Keine einstweilige Anordnung gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nach § 113b TKG - Vereinbarkeit mit EuGH-Rechtsprechung muss im Hauptsachverfahren geklärt werden

VG Köln
Beschluss vom 25.01.2017
9 L 1009/16


Das VG Köln hat den Antrag eines Providers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten nach § 113b TKG abgelehnt und den Provider auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, um die Vereinbarkeit der Regelung mit der EuGH-Rechtsprechung und den EU-Grundrechten überprüfen zu lassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Vorliegend kann bei der nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, dass die gesetzlichen Regelungen in den §§ 113a ff TKG gegen die von der Antragstellerin genannten Artikel des Grundgesetzes verstoßen. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der sog. Vorratsdatenspeicherung die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinreichend beachtet hat.

Anders verhält es sich allerdings bei den geltend gemachten Verstößen gegen Unionsgrundrechte. Inwieweit die deutschen Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht,
insbesondere mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Urteil vom 8. April 2014 - C-293/12, C-594/12 -, u.a. Vorlagebeschluss High Court Dublin „Digital Rights Ireland Ltd.“, juris; Urteil vom 21. Dezember 2016 - C-203/15 und C-698/15 verbundene Rechtssache Tele2 SverigeAB/Postoch telestyrelsen und Secretary of State for the Home Department/Tom Watson u.a. -. www.curia.europa.eu.

vereinbar sind, muss aufgrund der Komplexität der zu beantwortenden Fragen der Prüfung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben. Jedenfalls ist aber im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht davon auszugehen, dass das Unionsrecht das Gericht dazu verpflichten könnte, die angegriffenen, Vorschriften des TKG schon im Eilverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung für nicht anwendbar zu erklären,

in diesem Sinne auch: BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2016-1 BvQ 42/15 juris, Rn. 26."



EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten unzulässig - Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens geht vor

EuGH
Urteil vom 21.12.2016
in den verbundenen Rechtssachen
C-203/15,
Tele2 Sverige AB / Post- och telestyrelsen
C-698/15,
Secretary of State for the Home Department / Tom Watson u. a


Der EuGH hat entschieden, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten unzulässig ist. Der EuGH führt aus, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens im Rahmen einer Güterabwägung vorgeht, da die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der jeweiligen Personen zulassen. Lediglich die Bekämpfung besonders schwerer Straftaten könnte diesen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Die hier streitgegenständlichen Regelungen der Mitgliedsstaaten genügen diesen Anforderungen nicht.


Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen

Das Unionsrecht untersagt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, vorbeugend eine gezielte Vorratsspeicherung dieser Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen, sofern eine solche Speicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden
Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Der Zugang der nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten muss von Voraussetzungen abhängig gemacht erden, zu denen insbesondere eine vorherige Kontrolle durch eine unabhängige Stelle und die Vorratsspeicherung der Daten im Gebiet der Union gehören

Mit dem Urteil hat der Gerichtshof die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt, weil der Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten durch die mit dieser Richtlinie vorgeschriebene allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nicht auf das absolut Notwendige beschränkt war. Im Anschluss an dieses Urteil ist der Gerichtshof mit zwei Rechtssachen befasst worden, in denen
es um die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste in Schweden und im Vereinigten Königreich auferlegte allgemeine Verpflichtung geht, Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge, deren Vorratsspeicherung in der für ungültig erklärten Richtlinie vorgesehen war, auf Vorrat zu speichern.

Am Tag nach der Verkündung des Urteils Digital Rights Ireland teilte das Telekommunikationsunternehmen Tele2 Sverige der schwedischen Überwachungsbehörde für Post und Telekommunikation mit, dass es die Vorratsspeicherung von Daten einstellen werde und beabsichtige, die bereits gespeicherten Daten zu löschen (Rechtssache C-203/15). Nach schwedischem Recht sind die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste nämlich verpflichtet, systematisch und kontinuierlich, und dies ohne jede Ausnahme, sämtliche Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel zu speichern.

In der Rechtssache C-698/15 klagten Herr Tom Watson, Herr Peter Brice und Herr Geoffrey Lewis gegen die britischen Regelung über die Vorratsspeicherung von Daten, die den Innenminister ermächtigt, die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsdienste zu verpflichten, sämtliche Kommunikationsdaten für bis zu zwölf Monate auf Vorrat zu speichern, wobei die Speicherung des Inhalts der Kommunikationsvorgänge ausgeschlossen ist.

Der Gerichtshof ist vom Kammarrätt i Stockholm (Oberverwaltungsgericht Stockholm, Schweden) und vom Court of Appeal (England and Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgerichtshof für England und Wales, Vereinigtes Königreich) gefragt worden, ob nationale Regelungen, die den Betreibern eine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten auferlegen und den zuständigen nationalen Behörden den Zugang zu den gespeicherten Daten ermöglichen, ohne dass dieser Zugang auf die Zwecke der Bekämpfung schwerer Straftaten beschränkt wäre und einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde unterworfen wäre, mit dem Unionsrecht – im vorliegenden Fall der „Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation“ im Licht der EU-Grundrechtecharta – vereinbar sind.

In seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von Daten vorsieht.

Der Gerichtshof bestätigt zunächst, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Denn die mit der Datenschutzrichtlinie garantierte Vertraulichkeit elektronischer Kommunikationen und der Verkehrsdaten gilt für Maßnahmen sämtlicher anderer Personen als der Nutzer, unabhängig davon, ob es sich um private Personen oder Einrichtungen oder um staatliche Einrichtungen handelt.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die Datenschutzrichtlinie zwar den Mitgliedstaaten erlaubt, die Tragweite der grundsätzlichen Verpflichtung, die Vertraulichkeit der Kommunikation und der damit verbundenen Verkehrsdaten zu gewährleisten, einzuschränken, sie es aber nicht zu rechtfertigen vermag, dass die Ausnahme von dieser grundsätzlichen Verpflichtung und insbesondere von dem mit dieser Richtlinie aufgestellten Verbot der Speicherung dieser Daten zur Regel wird.

Der Gerichtshof weist außerdem auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass sich die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken. Der Gerichtshof wendet diese Rechtsprechung sowohl auf die Regeln über die Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Regeln über den Zugang zu den gespeicherten Daten an.

In Bezug auf die Vorratsspeicherung stellt der Gerichtshof fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden können. Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, ist somit als besonders schwerwiegend anzusehen. Der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten vorgenommen wird, ohne dass die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste darüber informiert werden, ist geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist. Deshalb vermag allein die Bekämpfung schwerer Straftaten einen solchen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass eine Regelung, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung vorsieht, keinen Zusammenhang zwischen den Daten, deren Vorratsspeicherung vorgesehen ist, und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verlangt und sich insbesondere nicht auf die Daten eines Zeitraums und/oder eines geografischen Gebiets und/oder eines Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, beschränkt. Eine solche nationale Regelung überschreitet somit die Grenzen des absolut Notwendigen und kann nicht als in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt angesehen werden, wie es die Richtlinie im Licht derGrundrechtecharta verlangt.

Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Datenschutzrichtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermöglicht, sofern diese Vorratsspeicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Speicherungsdauer auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Dem Gerichtshof zufolge muss jede nationale Regelung, die derartiges vorsieht, klar und präzise sein und hinreichende Garantien enthalten, um die Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Die betreffende Regelung muss angeben, unter welchen Umständen und Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsspeicherung von Daten vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass der Umfang dieser Maßnahme in der Praxis tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Eine solche Regelung muss insbesondere auf objektive Anknüpfungspunkte gestützt sein, die es ermöglichen diejenigen Personen zu erfassen,
deren Daten geeignet sind, einen Zusammenhang mit schweren Straftaten aufzuweisen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern.

Was den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten betrifft, bekräftigt der Gerichtshof, dass sich die betreffende nationale Regelung nicht darauf beschränken darf, zu verlangen, dass der Zugang einem der in der Datenschutzrichtlinie genannten Zwecke dienen muss – auch wenn es sich bei diesem Zweck um die Bekämpfung schwerer Straftaten handelt –, sondern außerdem die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten festzulegen hat. Die nationale Regelung muss sich bei der Festlegung der Umstände und Voraussetzungen, unter denen den zuständigen nationalen Behörden Zugang zu den Daten zu gewähren ist, auf objektive Kriterien stützen. Zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten darf Zugang grundsätzlich nur zu Daten von Personen gewährt werden, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat zu planen, zu begehen oder begangen zu haben oder auf irgendeine Weise in eine solche Straftat verwickelt zu sein. Allerdings könnte in besonderen Situationen wie etwa solchen, in denen vitale Interessen der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der öffentlichen Sicherheit durch terroristischen Aktivitäten bedroht sind, der Zugang zu Daten anderer Personen ebenfalls gewährt werden, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Daten im konkreten Fall einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung solcher Aktivitäten leisten könnten.

Zudem ist es nach Auffassung des Gerichtshofs unerlässlich, dass der Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten grundsätzlich, außer in Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle entweder durch ein Gericht oder eine unabhängige Stelle unterworfen wird. Außerdem müssen die zuständigen nationalen Behörden, denen Zugang zu den gespeicherten Daten gewährt wurde, die betroffenen Personen davon in Kenntnis setzen.

In Anbetracht der Menge an gespeicherten Daten, ihres sensiblen Charakters und der Gefahr eines unberechtigten Zugangs muss die nationale Regelung vorsehen, dass die Daten im Gebiet der Union zu speichern sind und nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist unwiderruflich zu vernichten sind.




BVerfG: Zwei Eilanträge gegen Vorratsdatenspeicherungsgesetz abgelehnt - Datenspeicherung kein so schwerwiegender Nachteil der Außerkraftsetzung erforderlich macht

BVerfG
Beschlüsse vom 08.06.2016
1 BvQ 42/15
1 BvR 229/16


Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Eilanträge gegen das Vorratsdatenspeicherungsgesetz abgelehnt.

Den Volltext der Entscheidungen finden Sie hier:
1 BvQ 42/15
1 BvR 229/16

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Eilanträge gegen das Vorratsdatenspeicherungsgesetz erfolglos

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 abgelehnt. Die Entscheidung der Kammer beruht auf einer Folgenabwägung. Mit der Datenspeicherung allein ist noch kein derart schwerwiegender Nachteil verbunden, dass er die Außerkraftsetzung eines Gesetzes erforderte. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den Abruf von Telekommunikations-Verkehrsdaten von qualifizierten Voraussetzungen abhängig gemacht, die das Gewicht der durch den Vollzug der Vorschrift drohenden Nachteile im Vergleich mit den Nachteilen für das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung weniger gewichtig erscheinen lassen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer nutzen privat und geschäftlich verschiedene Telekommunikationsdienste. Mit ihren Eilanträgen begehren die Beschwerdeführer die eingeführte Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit außer Kraft zu setzen. Die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen finden sich in den neu geschaffenen §§ 113a bis 113g TKG, in dem neu gefassten § 100g StPO und den neu geschaffenen §§ 101a und 101b StPO.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen.

1. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 Abs. 1 BVerfGG). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht eine Folgenabwägung vornehmen.

2. Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines in Kraft getretenen Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist. Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar sind, um das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen.

3. Nach diesen Maßstäben waren die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

a) Zwar kann die umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann einen erheblichen Einschüchterungseffekt bewirken, weil das Gefühl entsteht, ständig überwacht zu werden. Der in der Speicherung für Einzelne liegende Nachteil für ihre Freiheit und Privatheit verdichtet und konkretisiert sich jedoch erst durch einen Abruf der Daten zu einer möglicherweise irreparablen Beeinträchtigung. Mit der Speicherung allein ist noch kein derart schwerwiegender Nachteil verbunden, dass er die Außerkraftsetzung eines Gesetzes erforderte. Dies gilt auch für die Speicherung der Daten von Berufsgeheimnisträgern.

Ein die Aussetzung der Speicherpflicht erfordernder besonders schwerer Nachteil ergibt sich auch nicht daraus, dass beim Short Message Service (SMS) Verkehrsdaten und Kommunikationsinhalte möglicherweise nicht getrennt werden können. Nach dem klaren Wortlaut des § 113b Abs. 5 TKG dürfen der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden. Wenn dies technisch zurzeit noch nicht möglich sein sollte, rechtfertigt das nicht, sich über die Maßgabe des Gesetzes hinwegzusetzen; vielmehr sind dann zunächst die technischen Bedingungen zu schaffen, um die Speicherpflicht erfüllen zu können.

b) Im Verkehrsdatenabruf nach § 100g Abs. 1 und 2 StPO liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG. Doch hat der Gesetzgeber mit § 100g Abs. 2 StPO den Abruf von Telekommunikations-Verkehrsdaten im Sinne des § 113b TKG von qualifizierten Voraussetzungen abhängig gemacht, die das Gewicht der dem Einzelnen und der Allgemeinheit durch den Vollzug der Vorschrift drohenden Nachteile für die Übergangszeit bis zur Entscheidung über die Hauptsache hinnehmbar und im Vergleich mit den Nachteilen für das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung weniger gewichtig erscheinen lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 wegen des öffentlichen Gewichts einer wirksamen Verfolgung schwerer Straftaten solche Abrufersuchen zugelassen, die der Verfolgung von Katalogtaten im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO dienten, wenn darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorlagen, namentlich die Tat auch im Einzelfall schwer wog und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos gewesen wäre. Diese Voraussetzungen ergeben sich nunmehr unmittelbar aus § 100g Abs. 2 Satz 1 StPO. Angesichts dieser Einschränkungen hat das öffentliche Strafverfolgungsinteresse grundsätzlich derartiges Gewicht, dass die Aussetzung der Vorschrift durch eine einstweilige Anordnung trotz der entgegenstehenden gewichtigen Nachteile nicht geboten ist.

c) Auch in Blick auf die das zu beachtende Verfahren regelnden §§ 101a, 101b StPO ist eine einstweilige Anordnung nicht geboten. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Europäische Grundrechtecharta oder sonstiges Unionsrecht für die Beurteilung der angegriffenen Vorschriften Bedeutung entfaltet, ist im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Dass Unionsrecht dazu verpflichten könnte, die angegriffenen Vorschriften schon im Eilverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung außer Kraft zu setzen, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.


BVerfG: Keine einstweilige Anordnung gegen Vorratsdatenspeicherung - kein Eilbedürfnis - § 113b TKG - § 113c TKG

BVerfG
Beschluss vom 12.01.2016
1 BvQ 55/15


Das Bundesverfassungsggericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die durch § 113b bzw. § 113c TKG eingeführte Vorratsdatenspeicherung abgelehnt.


Die Entscheidung:

In dem Verfahren über den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung

§ 113b des Telekommunikationsgesetzes, eingefügt durch Artikel 2 Nummer 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl I S. 2218) darf bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht angewendet werden, hilfsweise darf § 113c des Telekommunikationsgesetzes, eingefügt durch Artikel 2 Nummer 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl I S. 2218) bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht angewendet werden

Antragsteller:

G…,

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Kirchhof,

den Richter Masing

und die Richterin Baer

gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. Januar 2016 einstimmig beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:


Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Antragstellers lässt nicht erkennen, dass Nachteile, die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, die Nachteile, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten, in Ausmaß und Schwere deutlich überwiegen (vgl. BVerfGE 104, 23 <27>; 117, 126 <135>; 121, 1 <17>; stRspr).


Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorratsdatenspeicherung ab dem 18.12.2015 - Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten im Bundesgesetzblatt veröffentlicht

Das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten wurde heute am 17.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, so dass die zu Recht auch in der aktuellen Fassung kritisierte Vorratsdatenspeicherung zum 18.12.2015 kommt.




Vorratsdatenspeicherung - Bundesregierung legt verfassungswidrigen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vor

Die Bundesregierung hat den "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten"-PDF vorgelegt. Die bekannten verfassungsrechtlichen Bedenken bleiben. Dem Gesetzgeber ist es nicht gelungen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten (siehe dazu "Bundesverfassungsgericht: Die anlasslose Speicherung von Telekommunkationsdaten ist verfassungswidrig - Vorratsdatenspeicherung" ). So fehlt es bereits - so eine Anforderung des Bundesverfassungsgerichts - hinsichtlich der Datensicherheit an einer Regelung, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgibt. Insbesondere § 113f TKG-E genügt diesen Vorgaben ganz sicher nicht.

BGH: Provider dürfen dynamische IP-Adressen anlasslos speichern, um Netzstörungen und Fehler zu verhindern

BGH
Urteil vom 03. Juli 2014
III ZR 391/13

Der BGH hat entschieden, dass Provider dynamische IP-Adressen anlasslos speichern dürfen, um Netzstörungen und Fehler zu verhindern

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wegen unverhältnismäßiger Grundrechtsverletzung ungültig - Vorratsdatenspeicherung aber grundsätzlich möglich

EuGH
Urteil vom 08.04.2014
C-293/12 und C-594/12
Digital Rights Ireland und Seitlinger u. a.


Der EuGH hat (zum Glück) und im Ergebnis zutreffend die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Der EuGH führt aus, dass die Richtlinie einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten beinhaltet und sich die Richtlinie nicht auf das notwendigste beschränkt.

Leider kommt der EuGH aber zu den Ergebnis, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich möglich.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:

"Er stellt fest, dass die nach der Richtlinie vorgeschriebene Vorratsspeicherung von Daten nicht geeignet ist, den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten anzutasten. Die Richtlinie gestattet nämlich nicht die Kenntnisnahme des Inhalts elektronischer Kommunikation als solchen und sieht vor, dass die Diensteanbieter bzw. Netzbetreiber bestimmte Grundsätze des Datenschutzes und der Datensicherheit einhalten müssen.

Die Vorratsspeicherung der Daten zur etwaigen Weiterleitung an die zuständigen nationalen Behörden stellt auch eine Zielsetzung dar, die dem Gemeinwohl dient, und zwar der Bekämpfung schwerer Kriminalität und somit letztlich der öffentlichen Sicherheit.

Der Gerichtshof kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten die Grenzen überschritten hat, die er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste."



Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier:


EU-Generalanwalt: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

Advocate General’s Opinion in Joined Cases
C-293/12 Digital Rights Ireland
C-594/12 Seitlinger and Others


Der zuständige EU-Generalanwalt kommt in einem Gutachten im Rahmen von zwei Verfahren zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die geplante Vorratsdatenspeicherung jedenfalls in der geplanten Form nicht mit dem EU-Recht zu vereinbaren ist.

In der Pressemitteilung heißt es:
"According to the Advocate General, Mr Cruz Villalón, the Data Retention Directive is incompatible with the Charter of Fundamental Rights He proposes, however, that the effects of the finding of invalidity should be suspended in order to enable the EU legislature to adopt, within a reasonable period, the measures necessary to remedy the invalidity found to exist"



Die vollständige Pressemitteilung finden Sie hier:


Koalitionsvertrag: (Verfassungswidrige) Vorratsdatenspeicherung kommt - Cyberkriminalität, Datenschutz, IT-Sicherheit, NSA & Co.

Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition liegt vor. Insbesondere ist erneut die Einführungen einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung geplant (siehe dazu "Bundesverfassungsgericht: Die anlasslose Speicherung von Telekommunkationsdaten ist verfassungswidrig - Vorratsdatenspeicherung").

Die relevanten Passagen zum Thema Vorratsdatenspeicherung, Cyberkriminalität, Datenschutz, IT-Sicherheit, NSA & Co. finden Sie hier:




"Koalitionsvertrag: (Verfassungswidrige) Vorratsdatenspeicherung kommt - Cyberkriminalität, Datenschutz, IT-Sicherheit, NSA & Co." vollständig lesen

Bundeskabinett beschließt "Maßnahmen für einen besseren Schutz der Privatsphäre" - Prism - NSA - XKeyscore

Das Bundeskabinett hat einen Maßnahmenkatalog "für einen besseren Schutz der Privatsphäre" beschlossen und einen entsprechenden Fortschrittsbericht veröffentlicht. Es bleibt abzuwarten, ob die gesetzten Ziele erreicht werden. Papier ist geduldig.

Die dazugehörige Pressemitteilung des Bundeskabinetts finden Sie hier:

LG München: Betrieb eines offenen WLAN-Hotspots ohne Nutzerauthentifikation zulässig

LG München
Urteil vom
17 HK O 1398/11


Das LG München hat entschieden, dass Betrieb eines offenen WLAN-Hotspots ohne Nutzerauthentifikation zulässig ist.. Der Betreiber eines offenen WLAN-Netzes ist - so das Gericht - nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet. Eine Pflicht die Nutzer vor Zugang zurn Internet zu identifizieren und deren Verkehrsdaten während der Nutzung zu speichern, ergibt sich weder aus dem TKG noch dem UrhG.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht: Verzicht auf flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung führt zu keinen Schutzlücken

Nach einer Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht würde der Verzicht auf die geplante flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zu Schutzlücken führen.

Die flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist nach richtiger Ansicht zudem verfassungswidrig, da jeder Internetnutzer pauschal kriminalisiert wird (siehe auch BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 -- 1 BvR 256/08 - - 1 BvR 263/08 - - 1 BvR 586/08 -Vorratsdatenspeicherung).
´

Bundesverfassungsgericht: Die anlasslose Speicherung von Telekommunkationsdaten ist verfassungswidrig - Vorratsdatenspeicherung

Bundesverfassungsgercht
vom 2. März 2010
- 1 BvR 256/08 -
- 1 BvR 263/08 -
- 1 BvR 586/08 -
Vorratsdatenspeicherung´


Das Bundesverfassungsgericht hat heute völlig zu Recht entschieden, dass die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunkationsverkehrsdaten mit Art. 10 GG nicht vereinbar ist.

Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.

Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.

Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht.
Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: