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Volltext BGH liegt vor: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III
UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; TabakerzV § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2; Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Das Vorenthaltungsverbot gemäß § 5a Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 5b Abs. 4 UWG umfasst alle Informationen, die dem Zweck dienen, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Das können auch Informationen sein, die den Verbraucher von einem Vertragsschluss abhalten können (beispielsweise die Nährwertdeklaration bei Lebensmitten, vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 33 und 35] - Knuspermüsli II) oder (wie die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV und Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU auf den Packungen und Außenverpackungen eines Tabakerzeugnisses anzubringenden gesundheitsbezogenen Warnhinweise) sogar davon abhalten sollen.

b) Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses sind nicht allein deshalb im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV "verdeckt", weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. März 2023 - C-356/22, GRUR 2023, 501 = WRP 2023, 549 - Pro Rauchfrei II).

c) "Abbildungen von Packungen" im Sinne von § 11 Abs. 2 TabakerzV liegen auch dann vor, wenn es sich bei (hier auf einem Ausgabeautomaten für Zigaretten angebrachten) Abbildungen zwar nicht um naturgetreue Abbilder von Zigarettenpackungen handelt, der Verbraucher die Abbildungen aber aufgrund ihrer Gestaltungen hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit Zigarettenpackungen assoziiert (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - C-370/20, GRUR 2022, 93 = WRP 2022, 159 - Pro Rauchfrei I).

BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 - I ZR 176/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III


Der BGH hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Die Pressemitteilung des BGH:
Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Ausgabeautomaten müssen gesundheitsbezogene Warnhinweise
zeigen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU (Tabakerzeugnisrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (siehe Pressemitteilung Nr. 81/2020 vom 25. Juni 2020). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93) nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 24. Februar 2022 (GRUR 2022, 993) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dieser hat die weiteren Fragen mit Urteil vom 9. März 2023 (C-356/22, GRUR 2023, 501) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Abweisung des vorrangig verfolgten Hauptantrags bestätigt, mit dem der Kläger der Beklagten verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV bestimmt, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürfen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Aus der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht werden. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher - wie im Streitfall - die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.

Die Revision des Klägers hat allerdings Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 2 TabakerzV müssen Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, den Anforderungen der Tabakerzeugnisverordnung zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist deshalb gleichfalls richtlinienkonform auszulegen. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen liegt eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung - wie im Streitfall - an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 05. Juli 2018 - 17 HK O 17753/17, juris

OLG München - Urteil vom 25. Juli 2019 - 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 TabakerzV

(1) Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen: Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise …

4. dürfen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden; …

(2) Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen den Anforderungen dieses Unterabschnitts genügen.

Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. …

(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.



BGH legt EuGH erneut Fragen zur Sichtbarkeit von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten vor dem Verkauf vor

BGH
Beschluss vom 24.02.2022
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat II
Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat dem EuGH erneut Fragen zur Sichtbarkeit von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten vor dem Verkauf vorgelegt

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Erfasst der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU das Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten in der Weise, dass die darin befindlichen Zigarettenpackungen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen, die Zigarettenpackungen aber zunächst für den Verbraucher nicht sichtbar im Automaten vorrätig gehalten werden und die darauf befindlichen Warnhinweise erst sichtbar werden, sobald der zuvor vom Kassenpersonal freigegebene Automat vom Kunden betätigt und die Zigarettenpackung dadurch noch vor dem Bezahlvorgang auf das Kassenband ausgegeben wird?

b) Erfasst das in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU enthaltene Verbot, die Warnhinweise "durch sonstige Gegenstände zu verdecken", den Fall, dass im Rahmen der Warenpräsentation durch einen Automaten die ganze Tabakverpackung verdeckt wird?

BGH, Beschluss vom 24. Februar 2022 - I ZR 176/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Schockbilder auf Zigarettenschachteln dürfen nicht verdeckt oder versteckt werden und müssen auch in Warenausgabeautomaten, Zigarettenautomaten und Regalen zu sehen sein

EuGH
Urteil vom 09.12.2021
C-370/20
Pro Rauchfrei e. V. gegen JS e.K.


Der EuGH hat entschieden, dass Schockbilder auf Zigarettenschachteln nicht verdeckt oder versteckt werden dürfen und auch in Warenausgabeautomaten, Zigarettenautomaten und Regalen zu sehen sein müssen.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG ist dahin auszulegen, dass ein Bild, bei dem es sich zwar nicht um eine naturgetreue Wiedergabe einer Zigarettenpackung handelt, der Verbraucher es aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer solchen Packung assoziiert, ein „Bild von einer Packung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2. Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40 ist dahin auszulegen, dass ein Bild einer Zigarettenpackung, das unter diese Bestimmung fällt, auf dem aber nicht die gesundheitsbezogenen Warnhinweise gemäß Titel II Kapitel II der Richtlinie zu sehen sind, selbst dann nicht mit dieser Bestimmung vereinbar ist, wenn der Verbraucher vor dem Erwerb der Zigarettenpackung die Gelegenheit hat, diese Warnhinweise auf der dem Bild entsprechenden Zigarettenpackung wahrzunehmen.


OLG Frankfurt: Arztbewertungsportal darf bei begründetem Verdacht von „gekauften Bewertungen“ Arztprofil mit Warnhinweis versehen - zulässige Verdachtsberichterstattung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 19.11.2020
16 W 37/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Arztbewertungsportal darf bei begründetem Verdacht von „gekauften Bewertungen“ das Arztprofil mit einem Warnhinweis versehen. Insofern gelten die Grundsätze einer zulässigen Verdachtsberichterstattung

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Warnhinweis auf Ärzteportal rechtmäßig beim Verdacht manipulierter Bewertungen

Ein Ärztebewertungsportal darf bei einem begründeten Verdacht von „gekauften Bewertungen“ das Arztprofil mit einem Warnhinweis kennzeichnen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute verkündetem Beschluss. Die Grundsätze der sog. Verdachtsberichterstattung gelten auch hier.

Der Antragsteller ist Zahnarzt. Die Antragsgegnerin betreibt ein Arztsuche- und -bewertungsportal. Sie informierte den Antragsteller darüber, dass ihren Feststellungen nach auf seinem Profil „gefälschte positive Bewertungen“ veröffentlicht worden seien. Sollte er dies nicht aufklären können, kündigte sie an, die Nutzer per Warnhinweis über das Vorliegen gekaufter Bewertungen zu informieren. Nach anschließender Korrespondenz veröffentlichte die Antragsgegnerin einen Warnhinweis auf dessen Profil. Auszugsweise heißt es dort: Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profil haben wir Auffälligkeiten festgestellt, die uns veranlassen an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert. Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären. Der Profilinhaber bestreitet für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein...

Dieser Hinweis erscheint, wenn man mit der Maus auf die Gesamtnote im Profil des Antragstellers fährt. An der linken oberen Ecke der Gesamtnote befindet sich ein kleines rot unterlegtes Ausrufezeichen.

Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren von der Antragsgegnerin, die Kennzeichnung seines Profils mit einem Warnzeichen und das Einblenden des Hinweistextes zu unterlassen. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Der Warnhinweis greife zwar in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Gewerbebetriebs ein. Dies sei jedoch nicht rechtswidrig. Der Antragsteller moniere zu Unrecht, dass die Antragsgegnerin ihn „als Lügner und Betrüger“ darstelle. Dem Warnhinweis sei vielmehr klar zu entnehmen, dass es sich um einen bloßen Verdacht handele und der Antragsteller die Vorwürfe bestreite. An keiner Stelle werde der Eindruck erweckt, der Arzt selbst sei für die Bewertungen verantwortlich.

Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin sei deshalb nach den Grundsätzen über die sog. Verdachtsberichterstattung gedeckt. Diese Grundsätze seien auf die Antragsgegnerin, die mit dem Bewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion ausübe, anwendbar. Die Antragsgegnerin berufe sich hier zu Recht auf einen „Mindestbestand an Beweistatsachen für das Vorliegen gekaufter/manipulierter Bewertungen im Profil“ des Antragstellers. Das OLG verweist auf die landgerichtlichen Feststellungen, wonach die Antragsgegnerin anhand von E-Mails und IP-Adressen herausgefunden habe, „dass Bewerter für Bewertungsanbieter tätig waren und diese Bewerter ebenfalls das Ärzte-Profil des (Klägers) bewertet haben sollen. Dass diese Nutzer gekaufte Bewertungen abgaben, hätten andere, von diesen Nutzern bewertete Ärzte eingeräumt“. Der Verdacht falle dabei grundsätzlich auf den Antragsteller als Profilinhaber. Dieser müsse die Vorwürfe ausräumen bzw. an der Aufklärung mitwirken. Dem sei der Antragsteller hier nicht hinreichend nachgekommen.

Ohne Erfolg berufe sich der Antragsteller auf angebliche Erpressungsversuche. Sein Vorbringen, er habe Schreiben von Erpressern erhalten, die mit dem Zusenden positiver Bewertungen an die Antragsgegnerin gedroht hätten, wenn er nicht 500,00 € zahle, sei widersprüchlich und nicht plausibel. So sei es etwa nicht verständlich, warum die Erpresser nicht unmittelbar mit negativen Bewertungen gedroht hätten.

Der Warnhinweis sei auch in seiner Gestaltung nicht zu beanstanden. Insbesondere enthalte er keine Vorverurteilung. Schließlich bestehe ein öffentliches Interesse an dem Warnhinweis. Dies sei bereits beim Verdacht einer Manipulation anzunehmen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.11.2020, Az. 16 W 37/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.6.2020, Az. 2-03 O 167/20)


Volltext BGH liegt vor: Vorlagebeschluss an EuGH - Dürfen gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen vor dem Verkauf verdeckt werden

BGH
Beschluss vom 25.06.2020
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat
Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 Satz 1, Art. 8 Abs. 8


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH vor: Dürfen gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen vor dem Verkauf etwa in Warenausgabeautomaten an der Supermarktkasse verdeckt werden über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erfasst der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU das Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten in der Weise, dass die darin befindlichen Zigarettenpackungen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen, die Zigarettenpackungen aber zunächst für den Verbraucher nicht sichtbar im Automaten vorrätig gehalten werden und die darauf befindlichen Warnhinweise erst sichtbar werden, sobald der zuvor vom Kassenpersonal freigegebene Automat vom Kunden betätigt und die Zigarettenpackung dadurch noch vor dem Bezahlvorgang auf das Kassenband ausgegeben wird?

2. Erfasst das in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU enthaltene Verbot, die Warnhinweise "durch sonstige Gegenstände zu verdecken", den Fall, dass im Rahmen der Warenpräsentation durch einen Automaten die ganze Tabakverpackung verdeckt wird?

3. Ist das Tatbestandsmerkmal "Bilder von Packungen" in Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU auch dann erfüllt, wenn es sich bei einer Abbildung zwar nicht um ein naturgetreues Abbild der Originalverpackung handelt, der Verbraucher das Bild aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer Tabakverpackung assoziiert?

4. Ist den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt, wenn der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrags die Gelegenheit hat, die Zigarettenverpackungen mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen wahrzunehmen?

BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 176/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH vor: Dürfen gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen vor dem Verkauf etwa in Warenausgabeautomaten an der Supermarktkasse verdeckt werden

BGH
Beschluss vom 25.06.2020
I ZR 176/19


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen or dem Verkauf etwa in Warenausgabeautomaten an der Supermarktkasse verdeckt werden dürfen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Erforderlichkeit von Warnhinweisen beim Verkauf von Zigaretten vor

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, ob Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen zum Kauf bereitgehalten werden dürfen, wenn die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen durch den Warenausgabeautomaten verdeckt sind.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufsmodalitäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie. Das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen sei für sich genommen weder als Inverkehrbringen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigarettenpackung mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufsmodalitäten nicht gelte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zum einen ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob eine Zigarettenpackung bereits dann, wenn sie in einem Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten wird, im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in Verkehr gebracht wird. Ferner wird der Gerichtshof gefragt, ob im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Zigarettenpackung durch sonstige Gegenstände verdeckt werden, wenn die ganze Zigarettenpackung durch einen Warenausgabeautomaten verdeckt wird. Außerdem ist zu klären, ob ein Bild einer Zigarettenpackung im Sinne von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU vorliegt, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigarettenpackung zeigt, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigarettenpackung in Verbindung bringt. Schließlich wird der EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt ist, wenn der Verbraucher die Zigarettenpackung mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen kann.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 05. Juli 2018 - 17 HK O 17753/17, juris

OLG München - Urteil vom 25. Juli 2019 - 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 2 Satz 1 UWG

Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 TabakerzV

(1) Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen: Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise

4. dürfen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden; […]

(2) Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen den Anforderungen dieses Unterabschnitts genügen.

Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU

(1) Jede Packung eines Tabakerzeugnisses und jede Außenverpackung trägt gesundheitsbezogene Warnhinweise gemäß diesem Kapitel in der oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis in Verkehr gebracht wird. [...]

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. […]

(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.




LG Hamburg: Warnhinweis gem. §12 Abs. 2 VermAnlG muss in Werbevideo bzw YouTube-Video während der gesamten Dauer des Videos für Zuschauer deutlich erkennbar sein

LG Hamburg
Urteil vom 28.11.2019
312 O 279/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Warnhinweis gem. §12 Abs. 2 VermAnlG in einem Werbevideo bzw YouTube-Video während der gesamten Dauer des Videos für Zuschauer deutlich erkennbar sein muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Kläger steht hingegen ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte bezüglich der Werbevideos ohne den deutlich hervorgehobenen Warnhinweis: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen“ aus § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 VermAnlG zu.

1. Bei § 12 Abs. 2 VermAnlG handelt es sich um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG. Zu den nicht ausdrücklich in § 2 UKlaG genannten Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt. Dazu gehören auch alle spezialgesetzlichen Vorschriften über die Informations- und Verhaltenspflichten gegenüber Verbrauchern (Köhler/Bornkamm, 37. Aufl. 2019, UKlaG § 2 Rn. 30). Das VermAnlG statuiert in § 12 Abs. 2 derartige Informations- und Verhaltenspflichten und ist deshalb ein Verbraucherschutzgesetz.

2. Die Beklagte ist Anbieterin im Sinne des § 12 Abs. 2 VermAnlG. Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt (RegE VermAnlG, BT-Drucks. 17/6051, S. 32; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.), WpPG/VermAnlG 3. Aufl. 2017, § 12 Rz. 3). Dass die Beklagte tatsächlich nur eine Vermittlungsplattform für Vermögensanlagen betreibt, ist unerheblich, weil sie in den streitgegenständlichen Werbespots für den Verkehr erkennbar als Anbieterin auftritt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin der Vermögensanlagen ist, enthalten die Videos nicht. Selbst wenn man eine Stellung der Beklagten als Anbieterin verneinen würde, dann würde sie jedenfalls eine Haftung als Gehilfin treffen.

3. Es handelt sich bei den beiden Videos auch um Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen im Sinne von § 12 Abs. 2 VermAnlG. Die Regelungen in § 12 VermAnlG sollen einen wirksamen Anlegerschutz gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der Werbung weit zu verstehen und umfasst jede Äußerung, die mit dem Ziel erfolgt, den Absatz der Vermögensanlagen zu fördern (RegE Kleinanlegerschutzgesetz, BT-Drucks. 18/3994, S 45; Assmann a.a.O. § 12, Rz. 5). Die Werbung muss daher nicht selbst ein konkretes öffentliches Angebot für Vermögensanlagen enthalten, um die Pflichten nach § 12 Abs. 2 VermAnlG auszulösen. Sie muss sich lediglich auf ein solches Angebot beziehen. Wie der Vergleich mit § 12 Abs. 1 VermAnlG zeigt, ist dabei gerade nicht erforderlich, dass die Werbung die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlage enthält (vgl. LG Hamburg, Urteil v. 4.12.2018 – 406 HKO 74/18, Anlage K 4; Assmann a.a.O. § 12 Rz. 17).

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Werbevideos auch nicht um allgemeine Imagewerbung für die Tätigkeit der Beklagten. Denn bei den Videos ist ein hinreichender Bezug zu den von ihr vermittelten Vermögensanlagen gegeben. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sie nur Nachrangdarlehen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG und Kreditforderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG vermittelt. Darüber hinaus werden weitere Eckdaten (Online-Investition in Immobilien, Volumen ab EUR 500,00, jährliche Rendite bis 6%) in den Videos genannt. Weitere Einzelheiten sind für die Auslösung der Hinweispflicht nach § 12 Abs. 2 VermAnlG nicht erforderlich.

4. Der nach § 12 Abs. 2 VermAnlG erforderliche Warnhinweis wurde in den angegriffenen Werbevideos nicht deutlich hervorgehoben. Hierfür muss er während der gesamten Dauer des Videos für den Zuschauer deutlich erkennbar sein (Bußalb/Schermuly, WM 2016, 2005, 2008). Der Hinweis ist in den Videos jedoch nur für rund zwei Sekunden sichtbar und überdies in einer zu kleinen Schrift verfasst.

5. Die durch den Verstoß geschaffene Wiederholungsgefahr ist durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anlage K 3b) nicht entfallen. Denn angesichts des vorliegenden Verstoßes genügte eine Strafbewehrung von EUR 2.000,00 nicht. Zudem ist die Erklärung insoweit ungenügend, als sie sich lediglich auf die Dauer des Hinweises, nicht jedoch auf die Größe bezieht."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: EU-Richtlinie über Tabakerzeugnisse rechtlich zulässig - Vereinheitlichung der Packungen - Strenge regeln für E-Zigaretten - Verbot von Menthol-Zigaretten

EuGH
Urteile vom 04.05.2016
C-358/14 Polen/Parlament und Rat
C-477/14 Pillbox 38 (UK) Limited/Secretary of State for Health
C-547/14 Philip Morris Brands SARL u. a/Secretary of State for Health


Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Richtlinie über Tabakerzeugnisse (Tabakrichtinie) rechtlich nicht zu beanstanden ist. Diese regelt die Vereinheitlichung der Zigaretten-Packungen und enthält gesonderte strenge Regeln für E-Zigaretten und ein Verbot von Menthol-Zigaretten.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die neue Richtlinie der Europäischen Union über Tabakerzeugnisse ist gültig

Sowohl die weitreichende Vereinheitlichung der Packungen als auch das zukünftige Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten in der Union und die Sonderregelung für elektronische Zigaretten sind rechtmäßig

Ziel der neuen Richtlinie von 2014 über Tabakerzeugnisse ist es, ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse zu erleichtern und dabei die Verpflichtungen der Union aus dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs2
einzuhalten.

Die Richtlinie sieht u. a. ein ab dem 20. Mai 2020 geltendes Verbot des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aoma und die Vereinheitlichung der Etikettierung und der Verpackung von Tabakerzeugnissen vor. Sie führt zudem eine Sonderregelung für elektronische Zigaretten ein.

Polen beanstandet mit Unterstützung durch Rumänien vor dem Gerichtshof das Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten (Rechtssache C-358/14). In zwei weiteren Rechtssachen (C-477/14 und C-547/14) befragt der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) den Gerichtshof zur Gültigkeit einer Reihe von Bestimmungen der Richtlinie über Tabakerzeugnisse.

Mit seinen Urteilen von heute weist der Gerichtshof die Klage Polens ab und bestätigt die Gültigkeit der Richtlinienbestimmungen, die er geprüft hat. Was zunächst das Verbot von mit Menthol versetzten Zigaretten betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass die Tabakerzeugnisse mit einem charakteristischen Aroma (sei es Menthol oder ein anderes Aroma) ähnliche objektive Eigenschaften aufweisen und ähnliche Auswirkungen auf den erstmaligen Tabakkonsum und die Aufrechterhaltung des Tabakgebrauchs haben. Er weist darauf hin, dass Menthol durch sein angenehmes Aroma die Tabakerzeugnisse attraktiver für die Verbraucher machen soll und dass die Verringerung der Attraktivität dieser Erzeugnisse dazu beitragen kann, die Prävalenz des Tabakkonsums und die Abhängigkeit sowohl unter neuen als auch unter kontinuierlichen Rauchern zu reduzieren.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass bei Erlass der Richtlinie erhebliche Unterschiede zwischen den Regelungen der Mitgliedstaaten bestanden, da einige von ihnen verschiedene Listen zulässiger oder verbotener Aromen erstellt hatten, während andere keine besonderen Vorschriften hierzu erlassen hatten. Durch das Verbot des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma beugt die Richtlinie einer solchen heterogenen Entwicklung der Regelungen der Mitgliedstaaten vor. Daher erleichtert ein solches Verbot das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und ist zugleich geeignet, einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, sicherzustellen.

Der Gerichtshof entscheidet außerdem, dass der Unionsgesetzgeber in Ausübung seines weiten Ermessens ein solches Verbot verhängen durfte, da die von Polen befürworteten Maßnahmen nicht als gleich geeignet erscheinen, das verfolgte Ziel zu erreichen. Denn weder die Anhebung der Altersgrenze für den zulässigen Konsum nur für Tabakerzeugnisse mit einem
charakteristischen Aroma noch das Verbot des grenzüberschreitenden Verkaufs von Tabakerzeugnissen oder die Anbringung eines gesundheitsbezogenen Warnhinweises auf der Etikettierung, dass Tabakerzeugnisse mit einem charakteristischen Aroma genauso schädlich für die Gesundheit wie die anderen Tabakerzeugnisse sind, können die Attraktivität dieser
Erzeugnisse verringern und damit den Einstieg von Personen, die die festgelegte Altersgrenze überschreiten, in den Tabakkonsum verhindern. Der Gerichtshof entscheidet weiter, dass ein solches Verbot nicht gegen den Subsidiaritätsgrundsatz verstößt.

Was die Vereinheitlichung der Etikettierung und der Verpackung von Tabakerzeugnissen betrifft, stellt der Gerichtshof zunächst klar, dass die Mitgliedstaaten weitere Anforderungen nur in Bezug auf Aspekte der Verpackung von Tabakerzeugnissen beibehalten oder einführen können, die durch diese Richtlinie nicht harmonisiert sind.

Das Verbot, auf der Kennzeichnung der Packung, der Außenverpackung und dem Tabakerzeugnis selbst Elemente oder Merkmale anzubringen, die geeignet sind, ein Tabakerzeugnis zu bewerben oder zu dessen Konsum anzuregen, selbst wenn diese Elemente oder Merkmale inhaltlich zutreffen, ist zum einen geeignet, die Verbraucher vor den mit dem Tabakgebrauch verbundenen Gefahren zu schützen und geht zum anderen nicht über die Grenzen dessen hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Zudem sind die Regeln, die im Wesentlichen die Unversehrtheit der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach Öffnung der Packung, die Platzierung und die Mindestmaße der gesundheitsbezogenen Warnhinweise sowie die Form von Zigarettenpackungen und die Mindestzahl von Zigaretten pro Packung betreffen, verhältnismäßig.

Außerdem hat der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er vorgesehen hat, dass jede Packung und jede Außenverpackung gesundheitsbezogene Warnhinweise trägt, die aus einem textlichen Warnhinweis und einer Farbfotografie bestehen, die 65 % der äußeren Vorder- und der äußeren Rückseite der Packung einnehmen, nicht die Grenzen dessen überschritten, was geeignet und erforderlich ist.

Was die Sonderregelung für elektronische Zigaretten betrifft, die u. a. eine Verpflichtung der Hersteller und Importeure, jedes Produkt, das sie auf den Markt bringen wollen, bei den nationalen Behörden anzumelden (kombiniert mit einer sechsmonatigen Stillhaltepflicht), besondere Warnhinweise, einen zulässigen Höchstgehalt an Nikotin von 20 mg/ml, eine Verpflichtung, einen
Beipackzettel beizufügen, ein besonderes Verbot von Werbung und Sponsoring sowie Verpflichtungen zur Erstattung jährlicher Berichte, vorsieht, weist der Gerichtshof darauf hin, dass elektronische Zigaretten andere objektive Merkmale aufweisen als Tabakerzeugnisse. Daher hat der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er für elektronische Zigaretten eine andere und im Übrigen
weniger strenge rechtliche Regelung als für Tabakerzeugnisse vorgesehen hat, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

Zudem sind angesichts des wachsenden Marktes für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter die nationalen Vorschriften über die Anforderungen, denen diese Produkte entsprechen müssen, ohne eine unionsweite Harmonisierung von Natur aus geeignet, den freien Warenverkehr zu behindern. Indem die Richtlinie es den Mitgliedstaaten erlaubt, den grenzüberschreitenden Verkauf von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern im Fernabsatz zu verbieten, und den
Mitgliedstaaten, die ihn nicht verbieten, bestimmte gemeinsame Regelungen aufgibt, ermöglicht sie es den Mitgliedstaaten, eine Umgehung der Konformitätsvorschriften zu verhindern. Aufgrund der erwiesenen und potenziellen Risiken des Gebrauchs von elektronischen Zigarettenar der Unionsgesetzgeber veranlasst, entsprechend den Anforderungen, die sich aus dem
Vorsorgeprinzip ergeben, tätig zu werden. Insoweit ist die Anmeldepflicht für elektronische Zigaretten nicht offensichtlich ungeeignet bzw. geht nicht offensichtlich über das hinaus, was zur Erreichung des vom Unionsgesetzgeber angestrebten Ziels erforderlich ist. Darüber hinaus weist der Gerichtshof das Argument zurück, dass die Verpflichtung der Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten jährlich bestimmte Informationen vorzulegen, die es ihnen ermöglichen, die Entwicklung des Markts zu überwachen, gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit verstoße. Ebenso wenig hat der Gesetzgeber willkürlich gehandelt oder offensichtlich die Grenzen dessen überschritten, was zur Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels geeignet und
erforderlich war, als er den zulässigen Höchstgehalt an Nikotin der Flüssigkeit elektronischer Zigaretten auf 20 mg/ml festgelegt hat.

Es ist auch nicht unverhältnismäßig, für Packungen mit elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehälter einen gesonderten Beipackzettel vorzuschreiben, und ebenso wenig, Werbung und Sponsoring für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter im Wesentlichen zu verbieten. Außerdem berührt das den Wirtschaftsteilnehmern auferlegte Verbot, ihre Produkte zu bewerben,
nicht den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts, die durch die
Charta der Grundrechte der Union anerkannt sind.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Sonderregelung für elektronische Zigaretten nicht
gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt.



OLG Hamm: Online-Händler müssen beim Anbieten von Spielzeug Warnhinweise mit dem Wort "Achtung" beginnen

OLG Hamm
Urteil vom 06.05.2013
4 U 194/12


Das OLG Hamm hat entschieden, dass auch Onlinehändler verpflichtet sind, die nach der Verordnung zum Geräte und Produktsicherheitsgesetz (GPSGV) erforderlichen Warnhinweise beim Vertrieb von Spielzeug gut sichtbar mit dem einleitenden Wort "Achtung" versehen müssen. Andernfalls liegt ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Beklagten oblag es, gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 Abs. 4 der 2. GPSGV als Internet-Händlerin dafür Sorge zu tragen, dass dem Verbraucher die gemäß § 11 Abs. 3 der 2. GPSGV maßgeblichen Warnhinweise und damit auch das gemäß § 11 Abs. 3 der 2. GPSGV diese Hinweise einleitende Wort „Achtung“ vor dem Kauf klar erkennbar gemacht werden. Das heißt, dass bei Online-Käufen die Warnhinweise vor dem Kauf auf der Website sichtbar sein müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass hierfür nur der Händler Sorge tragen kann und muss.

Die Beklagte hat dem nicht genügt, da die Warnhinweise nicht mit dem Wort „Achtung“, sondern mit dem Wort „Sicherheitshinweise“ beginnen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: