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LG Koblenz: Online-Anbieter darf Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen

LG Koblenz
Urteil vom 27.02.2024
11 O 12/23

Da LG Koblenz hat entschieden, dass ein Online-Anbieter die Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Erfolgreiche Abmahnung durch eine Verbraucherzentrale wegen unzulässiger Verpflichtung zur Kündigungsbestätigung per Telefon

Ist ein durch eine Verbraucherzentrale geltend gemachter Unterlassungsanspruch begründet, wenn eine Firma die online erklärte Kündigung eines Kunden von einem Bestätigungstelefonat abhängig macht? Diese Frage hatte die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte bietet, auch gegenüber Verbrauchern, den Abschluss von Dienstleistungsverträgen über Dauerschuldverhältnisse unter anderem zur Bereitstellung von Webspeicherplatz, E-Mail-Postfächern und Servern an.

Der Kläger, ein eingetragener Verein (Verbraucherzentrale), begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, dass die Beklagte auf eine online erklärte Kündigung gegenüber Verbrauchern behauptet, dass zur Wirksamkeit der Kündigung noch ein Telefonat mit der Beklagten erforderlich sei. Konkret hat ein Kunde seinen Vertrag bei der Beklagten per Internet gekündigt. Der Kunde hat daraufhin von der Beklagten die Mitteilung erhalten, er möge seine Kündigung binnen 14 Tagen telefonisch bestätigen, ansonsten bleibe das Vertragsverhältnis unverändert bestehen.

Der Kläger hat daraufhin die Beklagte abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

Er behauptet, im Fall eines Anrufs nach der Kündigung werde seitens der Beklagten - mittels rhetorischer Kunstfertigkeit oder durch Anbieten anderer Vertragskonditionen - versucht, den Verbraucher zu überzeugen, von seinem Kündigungswillen Abstand zu nehmen.

Der Kläger ist zudem der Ansicht, die Mitteilung der Beklagten gegenüber Verbrauchern, dass nach einer Kündigung eine Rückbestätigung erfolgen müsse, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Sie enthalte unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers.

Der Kläger beantragt der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu untersagen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern diesen nach einer der Beklagten zugegangenen Kündigungserklärung eines Dienstleistungsvertrages in Form eines Dauerschuldverhältnisses mitzuteilen, die telefonische Bestätigung der erklärten Kündigung sei erforderlich.

Die Beklagte ist der Ansicht, ohne die telefonische Rückbestätigung der Kündigung bestünde das Risiko, dass unberechtigte Dritte den Vertrag eines Kunden kündigen könnten. Auch für den Fall einer Kündigung nach § 312k BGB sei es für die Beklagte erforderlich, sich davon zu überzeugen, dass die Kündigung auch vom Erklärenden stammt. Dabei biete ein fernmündliches Gespräch ein Mehr an Sicherheit verglichen etwa mit einem Bestätigungslink innerhalb einer E-Mail. Es finde keine Irreführung des Verbrauchers statt. Außerdem werde eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nicht beeinflusst.

Die Entscheidung:

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG.

Der Kläger als Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, sei aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 4 UKlaG.

Das Vorgehen der Beklagten, den Verbraucher aufzufordern, seine Kündigung innerhalb von 14 Tagen telefonisch zu bestätigen, stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Dazu gehörten auch Verhaltensweisen, die auf eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung oder das Ver-hindern einer Geschäftsbeendigung gerichtet sind.

Diese geschäftliche Handlung der Beklagten sei gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter sei. Danach handele unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Kammer hat die Vorgehensweise der Beklagten als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG eingestuft. Demnach sei eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthalte. Erfasst seien auch irreführende Angaben über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung bestimmter Rechte, zu denen auch das Kündigungsrecht zähle.

Auch wenn die Beklagte nach Auffassung der Kammer ein grundsätzliches Interesse an einer Authentifizierung haben könne, wäre eine solche vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre, als ein Telefonat. Auch während eines Telefonats sei es der Beklagten nicht möglich, sich umfassende Gewissheit über die wahre Person ihres Gesprächspartners zu verschaffen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es einem unbefugten Dritten, der sich Zugang zu der Kundennummer, der Vertragsnummer und dem E-Mail-Konto des wahren Vertragspartners verschafft hat, auch gelänge, in einem Telefonat über seine Identität zu täuschen.

Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beklagte stelle den Verbraucher nach Zugang seiner Kündigung vor die Wahl, seine Kündigung nicht telefonisch zu bestätigen, und in der Folge das Vertragsverhältnis fortzusetzen, oder innerhalb von 14 Tagen telefonisch Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Es werde dadurch eine zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers verlangt, ob er an der Ausübung seines Kündigungsrechts festhalten will. Ohne die irreführende Aufforderung der Beklagten würde der Verbraucher weder die eine noch die andere Entscheidung treffen.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergebe sich daraus, dass die Beklagte eingeräumt habe, dass die beanstandete Vorgehensweise der Beklagten deren übliche Vorgehensweise sei.

Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

§ 5 Irreführende Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält ...

§ 8 Beseitigung und Unterlassung
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden ...



LG Köln: Zum urheberrechtlichen Schutz des Spielkonzepts für ein Videospiel - Idee allein ist nicht geschützt

LG Köln
Urteil vom 11.01.2024
14 O 441/23

Das LG Köln hat sich in dieser Entscheidung mit dem urheberrechtlichen Schutz des Spielkonzepts für ein Videospiel befasst und klargestellt, dass die Idee allein nicht geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem die Verfügungsklägerin die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung begehrt, ist jedoch nicht begründet.

1. Allerdings ist deutsches Recht vorliegend anwendbar.

Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechts folgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 [juris Rn. 24] = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II; BGH, GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 24] - An Evening with Marlene Dietrich, jeweils mwN). Da Gegenstand des Antrags allein Ansprüche wegen einer Verletzung der Rechte der Verfügungsklägerin als Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem urheberrechtlich geschützten Werk „Titel entf“ sind, für die die Verfügungsklägerin im Inland Schutz beansprucht, ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anzuwenden (so für den Fall der Tonträgerherstellerrechte nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG: BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 135/18 – uploaded III, Rn. 21, juris).

Die Verfügungsklägerin kann sich als Gesellschaft nach französischem Recht auf die Verletzung deutschen Urheberrechts berufen. Nach § 120 Abs. 1 UrhG genießen deutsche Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz für alle ihre Werke, gleichviel, ob und wo die Werke erschienen sind. Gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG stehen Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union – und damit auch Staatsangehörige aus Frankreich – den deutschen Staatsangehörigen gleich, wobei mit dieser Vorschrift das bereits unmittelbar aus Art. 18 AEUV folgende Diskriminierungsverbot, dem auch Urheber- und verwandte Schutzrechte unterfallen, im deutschen Recht klargestellt wird (vergleiche etwa: Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 120 Rn. 8).

2. Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte allerdings nicht wegen einer Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechtspositionen zu.

Die Voraussetzungen aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1, 19 a UrhG liegen nach dem Sach- und Streitstand nicht vor.

Denn auch wenn Urheberrechtsschutz angenommen wird (dazu unter a), greift das öffentliche Zugänglichmachen des Videospiels „F. V.“ nicht in das der Verfügungsklägerin vorbehaltene Recht nach § 19a UrhG an dem Videospiel „Titel entf“ ein (dazu unter b).

a) Eine Verletzung des Urheberrechts gemäß § 97 UrhG liegt nicht nur bei einer identischen widerrechtlichen Nachbildung eines Werks vor. Aus der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, nach der Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werks nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen, ergibt sich, dass der Schutzbereich des Veröffentlichungsrechts im Sinne von § 12 UrhG und der Verwertungsrechte gemäß § 15 UrhG sich - bis zu einer gewissen Grenze - auch auf vom Original abweichende Gestaltungen erstreckt (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 55] - Porsche 911, mwN; BGH, Urteil vom 15.12.2022 – I ZR 173/21 – Rn. 27 – Vitrinenleuchte).

Bei der Prüfung, ob eine Veränderung eines Werks in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt, ist zu berücksichtigen, dass jede Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, soweit sie körperlich festgelegt ist, zugleich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt. Zu den Vervielfältigungen zählen nicht nur Nachbildungen, die mit dem Original identisch sind; vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden vielmehr auch - sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende - Werkumgestaltungen erfasst, wenn die Eigenart des Originals in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN). Allerdings führt nicht jede Veränderung eines Werks zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage ist nicht mehr als eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG zu sehen. Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG setzt daher eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG und keine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG, sondern ein selbständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN).

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich folgende Prüfungsfolge: Zunächst ist im Einzelnen festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 57 – Porsche 911, mwN). Weicht hingegen der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise ab, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, greift die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks ein (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 58 – Porsche 911, mwN). Bei der Feststellung des Gesamteindrucks sowie der Feststellung, in welchem Umfang eigenschöpferische Züge eines Werks übernommen worden sind, handelt es sich um Tatfragen (BGH, GRUR 2023, 571, 574, Rn. 31 – Vitrinenleuchte). Die Grundsätze, nach denen der Schutzbereich urheberrechtlicher Verwertungsrechte bestimmt wird, hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Entscheidungen “Infopaq International" (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009, 6569 = GRUR 2009, 1041) sowie "Pelham u.a." (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 36 37 - 19 - 2019, 929 = WRP 2019, 1156) geklärt (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 100] - Porsche 911).

Eine neue Gestaltung greift allerdings schon dann nicht in den Schutzbereich eines älteren Werks ein, wenn ihr Gesamteindruck vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf an, ob die neue Gestaltung die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt. Selbst wenn mit der neuen Gestaltung unter Benutzung des älteren Werks ein neues Werk geschaffen worden sein sollte, könnte dieser Umstand für sich genommen einen Eingriff in die Urheberrechte am älteren Werk nicht rechtfertigen. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Einschränkung des Schutzbereichs außerhalb der Schranken nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass kulturelles Schaffen nicht ohne ein Aufbauen auf früheren Leistungen anderer Urheber denkbar ist (EuGH GRUR 2019, 929 Rn. 56–65 – Pelham ua).

Zwar geht die Kammer davon aus, dass es sich bei dem Computerspiel der Verfügungsklägerin „Titel entf“ um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt.

So kann ein derartiges Computerspiel – bei entsprechenden Feststellungen – hinsichtlich der Client-Software ein Computerprogramm sein und darüber hinaus audiovisuelle Spieldaten, also Grafiken, Musik, Filmsequenzen, Texte und Modelle enthalten. Bei einer solchen Software für ein Computerspiel, die nicht nur aus einem Computerprogramm besteht, sondern auch audiovisuelle Daten enthält, kommt nicht nur dem Computerprogramm (§ 69a Abs. 1 UrhG), sondern auch den audiovisuellen Bestandteilen urheberrechtlicher Schutz zu, soweit sie einen eigenen schöpferischen Wert haben, der nicht auf die Kodierung in einer Computersprache beschränkt ist. Diese Bestandteile können für sich genommen als Sprachwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), Musikwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG), Werke der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG), Filmwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG), Lichtbilder (§ 72 UrhG) oder Laufbilder (§ 95 UrhG) urheberrechtlich geschützt sein oder an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben und zusammen mit diesem Urheberrechtsschutz genießen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 25/15 – World of Warcraft I, Rn. 34, juris).

Dabei geht die Kammer grundsätzlich davon aus, dass die Software, mit der das Videospiel programmiert ist, insbesondere auch die Client-Software, als Computerprogramm im Sinne von §§ 69a ff. UrhG geschützt ist und auch einzelne Bestandteile des Spiels „Titel entf“ im vorstehenden Sinne als Sprachwerke, Musikwerke, Werke der bildenden Kunst, Lichtbilder etc. urheberrechtlich geschützt sind.

Der Schutz des Spieles „Titel entf“ als Computerprogramm wird von der Verfügungsklägerin vorliegend für sich genommen nicht geltend gemacht. Auch der Schutz bestimmter audiovisueller Spieldaten, also Grafiken, Musik, Filmsequenzen, Texte und Modelle, wird von der Verfügungsklägerin nicht verlangt. Letzteres führt dazu, dass die Wertungen aus dem Beschluss der Kammer vom 26.03.2020 – 14 O 90/20 – vorliegend nicht eingreifen, weil für die Einordnung einer Urheberrechtsverletzung durch das dort streitgegenständliche Spiel die Übernahme der in das Spiel integrierten grafischen Elemente war.

Vielmehr begehrt die Verfügungsklägerin Unterlassung hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung des Videospiels der Verfügungsbeklagten „F. V.“ insgesamt und zwar nur dann,

„wenn und soweit die Version des Videospiels "F. V." das Spielkonzept enthält, dass ein sogenanntes "idle game" Rennspiel vorliegt, bei dem die Spielfigur in vier verschiedenen Disziplinen ein bestimmtes Terrain autonom zu überwinden hat, der Spieler dabei die Aufgabe hat, vor jedem Rennen seine Figur durch Trainings und bestimmte Ausrüstung bestmöglich vorzubereiten, damit die Spielfigur sodann autonom das jeweilige Rennen bestreitet, und durch das Gewinnen von Rennen, bestimmte Ereignisse oder den Erwerb im Shop die Ausrüstungsgegenstände erlangt werden können, und dieses Videospiel durch folgende Spielelemente ausgeführt wird:

(1) Vor jedem Rennen wird eine bestimmte Benutzeroberfläche ("user interface") gezeigt, welche die erlangten Fähigkeiten und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten für die Spielfigur zeigt;

(2) beim Countdown vibriert das Smartphone oder Tablet zu den Zahlen 3 bis 1, und es wird aus der Vogelperspektive im leichten Schwenk auf die Starter herangezoomt;

(3) jede der vier Disziplinen zur Überwindung des Terrains wird in einer bestimmten Kameraperspektive gezeigt, wobei im Hintergrund natürliche Elemente zu erkennen sind;

(4) nach Überqueren der Ziellinie wird wieder eine bestimmte Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Position der Spielfigur wiedergibt;

(5) nach dem Rennen wird eine neue Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Möglichkeiten der Verbesserung durch Trainings- und Ausrüstungsgegenstände darstellt.

Die Verfügungsklägerin macht mithin ihren Urheberrechtsschutz an dem Spielkonzept fest, das nach ihrer Auffassung eine Konkretisierung der zugrunde liegenden Spielidee und damit ein schutzfähiges Werk sein soll.

Es erscheint indes bereits fraglich, ob die Verfügungsklägerin ein urheberrechtlich geschütztes Spielkonzept in ihrem Spiel „Titel entf“ ausreichend vorgetragen hat.

Der Kläger trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung (BGH, Urteil vom 19. März 2008 - I ZR 166/05, GRUR 2008, 984 Rn. 19 = WRP 2008, 1440 - St. Gottfried, mwN). Er hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1973 - I ZR 93/72, GRUR 1974, 740, 741 - Sessel; Urteil vom 14. November 2002 - I ZR 199/00, GRUR 2003, 231, 233 = WRP 2003, 279 - Staatsbibliothek).

Nähere Darlegungen sind zwar entbehrlich, wenn sich die maßgeblichen Umstände schon bei einem bloßen Augenschein erkennen lassen. In solchen einfach gelagerten Fällen kann der Kläger seiner Darlegungslast bereits durch Vorlage des Werkes oder von Fotografien des Werkes genügen (vgl. BGH, GRUR 2003, 231, 233 - Staatsbibliothek; GRUR 2008, 984 Rn. 19 - St. Gottfried, mwN; zitiert nach: BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10 – Seilzirkus, Rn. 24 - 25, juris).

Ist das jedoch nicht der Fall und lassen sich die den Urheberrechtsschutz begründenden Umstände nicht ohne weiteres dem Werk entnehmen, muss genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit eine künstlerische Gestaltung gemäß § 2 Abs. 2 UrhG gegeben ist (so ausdrücklich für die angewandte Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG von Gebrauchsgegenständen: BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10 – Seilzirkus, Rn. 25, juris).

Diesen Anforderungen ist die Verfügungsklägerin im Ausgangspunkt gerecht geworden. Denn sie hat bereits in ihrer Antragsfassung und auch in der zugehörigen Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem von ihr geschaffenen Spiel um die Konkretisierung eines Spielkonzepts handelt, das bestimmte Spielelemente enthält, nämlich

- ein sogenanntes "idle game" Rennspiel vorliegt,

- bei dem die Spielfigur in vier verschiedenen Disziplinen ein bestimmtes Terrain autonom zu überwinden hat,

- der Spieler dabei die Aufgabe hat, vor jedem Rennen seine Figur durch Trainings und bestimmte Ausrüstung bestmöglich vorzubereiten,

- damit die Spielfigur sodann autonom das jeweilige Rennen bestreitet,


- und durch das Gewinnen von Rennen, bestimmte Ereignisse oder den Erwerb im Shop die Ausrüstungsgegenstände erlangt werden können,

und dies durch folgende Spielelemente, die dabei ausgeführt werden müssen, gestaltet ist:

1) Vor jedem Rennen wird eine bestimmte Benutzeroberfläche ("user interface") gezeigt, welche die erlangten Fähigkeiten und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten für die Spielfigur zeigt;

(2) beim Countdown vibriert das Smartphone oder Tablet zu den Zahlen 3 bis 1, und es wird aus der Vogelperspektive im leichten Schwenk auf die Starter herangezoomt;

(3) jede der vier Disziplinen zur Überwindung des Terrains wird in einer bestimmten Kameraperspektive gezeigt, wobei im Hintergrund natürliche Elemente zu erkennen sind;

(4) nach Überqueren der Ziellinie wird wieder eine bestimmte Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Position der Spielfigur wiedergibt;

(5) nach dem Rennen wird eine neue Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Möglichkeiten der Verbesserung durch Trainings- und Ausrüstungsgegenstände darstellt,

also zusammengefasst durch die folgenden Elemente geprägt ist:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Dabei ist indes zu beachten, dass die bloße Idee, also bloße Vorstellungen von einem Werk, die noch keine konkrete Form gefunden haben, nicht geschützt ist. Erst wenn diese Ideen eine konkrete Gestalt angenommen haben, beginnt der Urheberrechtsschutz (vergleiche: Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 37 mit weiteren Nachweisen).

In Anlehnung an die Kriterien für die Beurteilung, ob ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk gegeben ist, könnte auch das von der Verfügungsklägerin für sich reklamierte Spielkonzept bewertet werden.

Bei einem solchen Schriftwerk kann nämlich die urheberrechtlich geschützte, individuelle geistige Schöpfung sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 9/95, BGHZ 134, 250, 254 f. - CB-infobank I; Urteil vom 6. Mai 1999 - I ZR 199/96, BGHZ 141, 329, 333 f. - Tele-Info-CD). Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerkes dagegen allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 11. April 2002, GRUR 2002, 958, 959 = WRP 2002, 1177 - Technische Lieferbedingungen). Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 59 und 84). Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist daher urheberrechtlich grundsätzlich nicht geschützt (Schricker/Loewenheim aaO § 24 UrhG Rn. 19; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 24 Rn. 22, jeweils mwN).

Anders kann es sich verhalten, wenn diese Idee eine individuelle Gestalt angenommen hat, wie dies beispielsweise bei der eigenschöpferischen Gestaltung eines Romanstoffs der Fall ist. Dann kann die auf der individuellen Phantasie des Dichters beruhende Fabel wie etwa der Gang der Handlung, die Charakteristik der Personen oder die Ausgestaltung von Szenen urheberrechtlich geschützt sein (BGHZ 141, 267, 279 - Laras Tochter; zitiert nach: BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher, Rn. 36, juris)

Eine Fabel im Sinne der Gestaltung eines Romanstoffs entnimmt die Kammer den von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Merkmalen von „Titel entf“ indes nicht. Denn die Zusammenfügung der Merkmale

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

erzählt keine Geschichte und beschreibt auch keinen (komplexen) Handlungsstrang im Sinne einer solchen Fabel. Vielmehr stellt sie ein in sich geschlossenes System von Spielregeln und die Abfolge von Inhalten dar, die überdies in weiten Teilen durch Logik vorgegeben sind. An dieser Stelle ist für eigenschöpferische Tätigkeit kein Raum.

Damit verbleibt – angsichts des bewusst nicht gewählten Schutzes der Gestaltung der einzelnen Elemente – nur die Möglichkeit, dass eine individuelle geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung der Elemente zum Ausdruck gekommen ist. Allerdings erscheint es der Kammer ohne weiteres üblich zu sein, dass Rennspiele in aller Regel eine oder mehrere Disziplinen aufweisen, ein bestimmter Charakter am Rennen teilnimmt, eine Ausstattung gewählt werden kann, bestimmte strategische Entscheidungen vor dem Rennen getroffen werden können, nach dem Rennen ein Rangsystem gezeigt wird und zusätzliche Ereignisse im Spiel Fortschritt möglich sind, insbesondere auch ein Shop für In-Game-Käufe vorhanden ist. Allenfalls die Hinzunahme der Spieleelement „Idle Game“ und eines hierfür spezifischen Trainingssystems könnte eine Variante zu dem Konzept üblicher Rennspiele und deren Gestaltung darstellen. Insoweit erscheint aber gerade die Kombination des Trainingssystems und des „autonomen“ Rennens ohne Steuerung durch den Spieler in weitem Umfang von logischen Zwängen geprägt, etwa dass eine Spielfigur, die schneller laufen soll, durch Training oder sonstige Ausstattung an Schnelligkeit gewinnt. Dies ist im Ausgangspunkt weder individuell, noch schöpferisch.

Ob die Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung der Elemente im Spiel der Verfügungsklägerin indes bereits für den Urheberrechtsschutz ausreicht, ob also in dieser Kombination geläufiger oder durch Sachzwänge gebotener Merkmale eines Rennspiels eine individuelle geistige Schöpfung liegt, erscheint durchaus zweifelhaft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen Kriterien um abstrakte Gestaltungselemente handelt, die für sich genommen keinen konkreten Bezug zu der tatsächlichen Ausgestaltung durch die Verfügungsklägerin in ihrem Spiel „Titel entf“ haben. Dies führt dazu, dass die Zuerkennung des urheberrechtlichen Schutzes, wie ihn die Verfügungsklägerin begehrt, bei Lichte betrachtet zu einer Monopolisierung eines „Idle Game“ Rennspiels mit Trainingsfunktion, mit Ausstattungsoptionen vor jedem Rennen und Progressionssystem unabhängig von der konkreten Ausgestaltung führen würde. Damit würde aber ein dem Urheberrecht fremder Ideenschutz bewirkt.

Ähnlich stellt sich der Befund dar, wenn man den urheberrechtlichen Schutz des klägerischen Spiels auf den Gedanken eines Sammelwerks nach § 4 Abs. 1 UrhG stützen wollte. Denn auch insoweit müssten Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Dies kann nach den obigen Ausführungen hingegen nicht ohne Zweifel angenommen werden.

b) Selbst wenn ein Urheberschutz insofern unterstellt wird, greift das Anbieten des Spieles „F. V.“ in dem App Store und bei Google Play nicht in das Recht der Verfügungsklägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des Spiels „Titel entf“ gemäß § 19a UrhG ein. Es handelt sich bei der angegriffenen Gestaltung vielmehr um eine freie Bearbeitung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG, da sie einen hinreichenden Abstand zum (unterstellten) Originalwerk wahrt und damit auch keine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG ist.

Der Gesamteindruck des angegriffenen Videospiels „F. V.“ stimmt nicht in einem die Annahme einer Urheberrechtsverletzung tragenden Maße mit dem Spiel „Titel entf““ überein.

Bei der Würdigung ist der Schutzumfang bei Übernahme der vorstehend für den Urheberrechtsschutz von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Elemente zu beachten. Dieser ist umso enger, je abstrakter die übernommenen Gestaltungselemente sind (Loewenheim UrhR-HdB, § 7 Schutzgegenstand Rn. 8, beck-online). Wie bereits dargelegt, bleiben die insgesamt nur 10 Merkmale, an denen die Verfügungsklägerin den urheberrechtlichen Schutz festmachen will, sehr abstrakt und allgemein, sodass – wenn überhaupt – nur von einem sehr engen Schutzbereich auszugehen ist. In der Verletzungsprüfung ist besonders sorgsam darauf zu achten, dass in diesen Fällen auch nur die Nutzung der über die Idee hinausgehenden, bereits individualisierten Gestaltungselemente des Werks einen Eingriff in das in seinem Schutzumfang entsprechend beschränkte Urheberrecht begründen kann, während der bloße Rückgriff auf die zugrundeliegende allgemeine Idee frei bleibt (Loewenheim UrhR-HdB, § 7 Schutzgegenstand Rn. 6, beck-online).

Nach diesen Maßstäben sieht die Kammer keine Urheberrechtsverletzung der Verfügungsklägerin an ihrem Spiel „Titel entf“ durch eine Übernahme des Spielekonzepts durch die Verfügungsbeklagte in deren Spiel „F. V.“. Dies gilt auch bei Zugrundelegung der Präsentationen aus der Anlage AST 11 und der von der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vorgeführten und erläuterten Präsentation, eingereicht mit Schriftsatz vom 18.01.2024.

Die konkrete Ausgestaltung der von der Verfügungsklägerin angeführten abstrakten 10 Merkmale erfolgt in beiden Spielen – zum Teil, etwa in grafischer Hinsicht, erheblich – unterschiedlich. Zwar ist erkennbar, dass das Spiel „F. V.“ Inspirationen von dem Videospiel der Verfügungsklägerin „Titel entf“ enthält.

Allerdings sind die einzelnen Elemente nach dem Sach- und Streitstand sämtlich vorbekannt. Dies ergibt sich zum einen aus der Präsentation der Verfügungsbeklagten in der Anlage AG 1 zum Schriftsatz vom 10.01.2024, um die in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Videos ergänzt im Schriftsatz vom 15.01.2024. Auch wenn grundsätzlich der Verletzer durch Vorlage von konkreten Entgegenhaltungen darlegen und beweisen muss, dass der Urheber bei der Erschaffung seines Werkes auf Vorbekanntes zurückgegriffen habe (vergleiche: Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 73 mit weiteren Nachweisen), ist der Inhalt der zwischen den Parteien diskutierten (vorbekannten) Spiele letztlich nicht im Streit.

Danach steht fest, dass es sich bereits bei dem erstmals im Jahr 2001 veröffentlichten Spiel SEGA Chao Races um ein Racing Game handelt. Auch in diesem Spiel sind verschiedene Disziplinen zu absolvieren, zu denen auch Schwimmen, Fliegen und Laufen sowie Klettern gehören. Demnach ist jedenfalls die Auswahl dieser vier Disziplinen in „Titel entf“ nicht exklusiv der Verfügungsklägerin zuzuordnen.

Auch das aus dem Jahr 1999 stammende Spiel Duck Life ist ein Idle Racing-Game, bei dem Spieler Laufen, Schwimmen und Fliegen trainieren, um ihre Spieler für das Rennen zu verbessern.

Ebenfalls ein Idle Racing Game ist das aus dem Jahr 2011 stammende Spiel Animal Raceway, das auch eine Trainings-Funktionalität zur Verbesserung der Renn-Leistung aufweist. Deshalb drängt sich der Kammer auf, dass dieses Konzept des Trainings der autonomen Spielfiguren letztlich für dieses Spielgenre zwingend ist, da andernfalls kein sinnvolles Gameplay denkbar ist.

Dass eine Rangliste aufgestellt wird, weitere Möglichkeiten des Fortschritts durch Ereignisse im Spiel angeboten werden und ein Shop für In-App-Käufe in Videospielen vorhanden sind, ist allgemein bekannt und üblich, sodass eine Übernahme dieser Elemente möglich ist, ohne dass dadurch eine Urheberrechtsverletzung erfolgen würde.

Gewichtig für den maßgeblichen Gesamteindruck erscheint der Kammer nicht zuletzt auch die in der mündlichen Verhandlung unstreitig gebliebene Tatsache, dass beide Parteien für ihr jeweiliges Spiel bei demselben Anbieter Unity Asset Store das gleiche Gestaltungsmaterial (d.h. Grafiken, Buttons etc.) erworben haben, nämlich das „GUI Pro - Casual“ asset pack wie dies aus der Präsentation der Verfügungsbeklagten ersichtlich ist. Da somit in beiden Spielen die gleichen Einzelelemente bei den Schaltflächen, Symbolen etc. des Anbieters Unity Asset Store Verwendung gefunden haben, ergibt sich schon von daher eine ähnliche Anmutung in Menüdarstellungen und Übersichten außerhalb des Renngeschehens, oder wie die Verfügungsbeklagte dies ausdrückt, ein ähnlicher „Look and Feel“, wobei die Verfügungsbeklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass es sich dabei um einen allseits bekannten und weitverbreiteten „Look and Feel“ von Mobile Games handelt. Daran ändert letztlich auch nichts, wenn die Verfügungsklägerin darauf verweist, dass mehrere tausend Einzelelemente („Assets“) von dem Unity Asset Store zur Verfügung gestellt werden. Deshalb ist dieser Umstand nicht geeignet, eine Übernahme im Sinne einer unfreien Bearbeitung zu begründen, zumal die Verfügungsklägerin hier auch keine schöpferische Handlung neben der bloßen Auswahl aus dieser Vielfalt von Assets vorträgt.

Damit bleibt es dabei, dass die Verfügungsbeklagte zwar die Spielidee, die „Titel entf“ zugrunde liegt, für ihr Spiel „F. V.“ aufgegriffen hat, in die urheberrechtlich geschützte Position der Verfügungsklägerin an ihrem Spiel „Titel entf“ indes nicht eingegriffen hat. Sie hat ein Konkurrenzprodukt entwickelt, dass sich in der Auswahl und Anordnung von Spielelementen an das klägerische Spiel annähert, dabei aber auch Abweichungen enthält, zuvörderst in der andersartigen Renndisziplin „Steine zerschlagen“ statt Schwimmen. Im Übrigen folgt das mit Blick auf die Spielfiguren, Rennstrecken und Ausstattungsgegenständen grafisch erheblich andersartige Spiel „F. V.“ dem logisch zwingenden Ablauf eines „Idle Game“ Rennspiels. Denn es drängt sich auf, dass der Computerspieler seine Rennfigur, die er im Rennen nicht durch eigenes Geschick, nur durch strategische Entscheidungen zum Sieg führen kann. Dass dies durch Training geschehen kann, zeigen bereits die oben dargestellten vorbekannten Spiele auf. Dass dies durch die Auswahl von Hilfsmitteln, z.B. eines Fluggeräts bei der Disziplin Fliegen, geschehen kann, erscheint bei einer Gesamtbetrachtung von bekannten Videospielen ebenfalls als generelles Prinzip. So stellt die Suche nach „Items“ verschiedener Güte bei vielen Videospielen einen zentralen Spielinhalt dar, um dann in Kampf- oder Rennsituationen siegen zu können. Ebenso ist das von der Verfügungsbeklagten genutzte Progressionssystem mit Levels und freischaltbaren Funktionalitäten bei fortlaufender Spieldauer integraler Teil von nahezu allen Videospielen, die sich nicht binnen kurzer Zeit „durchspielen“ lassen.

3. Soweit die Verfügungsklägerin sich in zweiter Linie auf Lauterkeitsrecht stützt, steht ihr weder ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 a) UWG noch ein solcher nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 b) UWG noch wegen gezielter Behinderung nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4 UWG zu.

a) Die Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Anwendungsvoraussetzungen des UWG liegen vor. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist zwischen den Parteien gegeben. Die Videospiele zählen zum gleichen Marktsegment und sind substituierbar.

b) Das von der Verfügungsbeklagten angebotene Spiel „F. V.“ stellt im Ergebnis keine unlautere Nachahmung des klägerischen „Titel entf“ dar und verletzt daher nicht § 4 Nr. 3 UWG.

aa) Das Spiel „Titel entf“ der Klägerin verfügt dabei nach Ansicht der Kammer zwar wohl über die notwendige wettbewerbliche Eigenart.

(1) Wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten eines Produktes hinzuweisen. Dabei geht es um die Frage, ob die Gestaltung des Produktes vom Verkehr auf eine gleichbleibende Herkunftsquelle zurückgeführt wird, was unabhängig davon ist, ob die Herkunftsquelle auch namentlich benannt werden kann (BGH GRUR 2018, 311 R. 14 - Handfugenpistole).

Entscheidend ist der Gesamteindruck beim angesprochenen Verkehr (BGH GRUR 2010, 80 Tz. 34 - LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Tz. 19 - Regalsystem, GRUR 2013, 1052 Tz. 20 - Einkaufswagen III), der auch aus dem Zusammenwirken besonders gestalteter Elemente resultieren kann (vgl. BGH GRUR 2006, 79 Tz. 26 - Jeans I; GRUR 2008, 1115 Tz. 20 - ICON). Übliche Gestaltungsmerkmale, die für die betreffende Produktkategorie üblich sind, spielen dabei schon deswegen keine Rolle, weil der Verkehr ihre Verwendung nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb bezieht, sondern allen Produkten der betreffenden Gattung unabhängig von ihrem Hersteller zuschreibt.

(2) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Kammer aus eigener Sachkunde beurteilen, da sie als auf Urheberrechtsstreitsachen spezialisierter Spruchkörper auch über hinreichende Erfahrung mit in diesem Zusammenhang ebenfalls regelmäßig geltend gemachten Ansprüchen aus unlauterer Nachahmung verfügt. Dies gilt zumal als vorliegend nur der Gesamteindruck des Spielkonzepts zu berücksichtigen ist und sich die Spiele an ein allgemeines Publikum richten (vgl. BGH GRUR 2017, 1135 Rn. 19 – Leuchtballon). Zwar mag es ein besonderes Publikum geben, das für Mobile Games besonders empfänglich ist und solche Spiele in überdurchschnittlichem Maß nutzen. Insoweit lässt sich der Klägervortrag verstehen, der aus Kommentaren von Internetusern Rückschlüsse auf das Verkehrsverständnis herzuleiten versucht. Gleichwohl ist angesprochenes Publikum hier jeder Nutzer eines aktuellen Smartphones, da auf jedem solchen Gerät die hier gegenständlichen Spiele gespielt werden können und diese zudem im Ausgangspunkt kostenlos sind. Angesichts der Kurzweiligkeit des Spielkonzepts, das auch mit wenig Zeitaufwand regelmäßig gespielt werden kann, kommen auch Personen jedes Alters und unabhängig von ihren Vorlieben der Freizeitbetätigung als potentielle Abnehmer in Betracht.

Die Ausstattung von „Titel entf“ der Verfügungsklägerin soll vor allem durch die Kombination der oben im urheberrechtlichen Teil aufgelisteten 10 Merkmale geprägt sein, die dem Spiel als sogenanntes Idle Racing Game einen sich von anderen Spielen der auf dem bundesdeutschen Markt präsenten Wettbewerber abhebenden Gesamteindruck verleihen soll.

Die wettbewerbliche Eigenart von „Titel entf“ der Verfügungsklägerin ist dabei von Hause aus als durchschnittlich zu bewerten. Eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart der Erzeugnisse aufgrund tatsächlicher Bekanntheit im Verkehr (vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 37 – LIKEaBIKE; BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 24 – Femur-Teil; BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 24 – Einkaufswagen III) liegt nicht vor.

Die von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Tatsachen reichen für eine solche Annahme nicht aus. Die wettbewerbliche Eigenart ist trotz der Darstellung der Verfügungsklägerin, am Markt der Videospiele habe es bei Einführung kein zu „Titel entf“ vergleichbare Spiel gegeben, dass das Element eines „Idle Games“ mit einem Rennspiel kombiniert, nicht als erhöht anzusehen. Auch eine aktuell hohe Platzierung in Download-Charts genügt dabei nicht. Dass das Spiel der Verfügungsklägerin eine hohe Bekanntheit im maßgeblichen Markt erlangt habe, ist nicht feststellbar. Zwar mag es in dem Bereich derartiger Spiele erfolgreich sein. Dass aber „Titel entf“ von dem oben charakterisierten angesprochenen Publikum mehr als andere (Renn-)Spiele besonders zur Kenntnis genommen würde, ergibt sich nicht. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht zu besonderen Werbetätigkeiten oder sonstiger PR-Arbeit vorgetragen. Insbesondere handelt es sich bei dem Spiel der Verfügungsklägerin nicht um einen Videospielklassiker oder ein auf Anhieb allgemein bekanntes Spiel, der bei weiten Teilen der Smartphonenutzer bekannt und beliebt ist. Man wird es insbesondere nicht mit besonders bekannten und deshalb mit besonders hoher wettbewerblicher Eigenart ausgestatteten Rennspielen, wie etwa „Mario Kart“, gleichsetzen können.

bb) Die Ausgestaltung des Videospiels „F. V.“ der Verfügungsbeklagten stellen sich als nachschaffende Nachahmung dar.

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln. Zu berücksichtigen ist der Erfahrungssatz, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 41 – LIKEaBIKE). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produktes begründen (BGH GRUR 2017, 1135 Rn. 29 – Leuchtballon). Entscheidend hierfür ist der Gesamteindruck beider Produkte aus Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers.

Übernommen hat die Verfügungsbeklagte bei „F. V.“ die als solche (auch) lauterkeitsrechtlich nicht schutzfähige Grundidee eines Idle Racing Games mit vier Disziplinen und mit dem Konzept des Trainings der Spielfiguren, der Ausstattung dieser mit Gegenständen sowie eines Shops. Sie hat sich damit der Gestaltung der Verfügungsklägerin zwar angenähert. Dennoch weicht die Gestaltung von „F. V.“ der Verfügungsbeklagten von derjenigen von „Titel entf“ im maßgeblichen Gesamteindruck erheblich ab. Insoweit wird auf die obigen urheberrechtlichen Ausführungen Bezug genommen, die an dieser Stelle entsprechend gelten.

cc). Soweit eine nachschaffende Übernahme in Bezug auf die angegriffenen Gestaltungen vorliegt, fehlt es aber an der weiterhin notwendigen Unlauterkeit des Verhaltens. Besondere, die Unlauterkeit der Nachahmung begründende Umstände liegen nicht vor, weder in Form einer vermeidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft, noch einer unangemessenen Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts, noch in der unredlichen Erlangung von für die Nachahmung erforderlicher Kenntnisse oder Unterlagen. Bei durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart und einer nur nachschaffenden Nachahmung müssten unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre schon erhebliche Gründe vorliegen, um überhaupt zu einer wettbewerblichen Unzulässigkeit der – grundsätzlich zulässigen – Nachahmung gelangen zu können.

(1) Eine vermeidbare Herkunftstäuschung gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG liegt nicht vor.

Im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen Grad der Eigenart, Typus der Nachahmung und sonstiger Umstände ist die Gefahr einer Herkunftszuordnung zu verneinen. Zwar mag eine gewisse Bekanntheit der Verfügungsklägerin und ihres Spiels „Titel entf“ vorhanden sein; diese würde aber nur unlauter ausgenutzt, wenn eine (weitgehend) identische Übernahme vorliegt. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 a) UWG) liegt nicht vor. Für den angemessen gut informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen durchschnittlichen Abnehmer, auf den es ankommt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4 Rn. 3.41, mwN), kommt es jedenfalls nicht zu einer erheblichen Täuschungsgefahr.

Bei einer nachschaffenden Übernahme liegt die Gefahr einer Herkunftstäuschung nur nahe, wenn ergänzende Umstände vorliegen, die entweder auf eine mittelbare Beziehung zwischen den Unternehmen hinweisen oder die die Gefahr begründen, dass der Verkehr das Nachahmerprodukt dem Hersteller des nachgeahmten Produkts zuschreibt. Mittelbare Beziehungen dürfen nicht unterstellt werden, für sie müsste es einen Anhaltspunkt geben (so BGH GRUR 2019, 196 Rn. 20 - Industrienähmaschinen). Eine mittelbare Herkunftstäuschung erfordert eine Prüfung der Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Intensität der Übernahme sowie den besonderen Umständen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 - Viennetta).

Die Übernahme der Grundidee eines Idle Racing Games mit den oben dargestellten weiteren Spielkomponenten ist nicht geeignet, Herkunftserwartungen zu begründen, weil diese Idee frei ist.

Hinzu kommt ein eindeutig abweichender Name des Videospiels der Verfügungsbeklagten, der den Adressaten ohne Weiteres sofort ins Auge fällt, wenn das Spiel geöffnet wird und dabei zunächst einen unterschiedlichen Entwicklernamen und sodann mehrere Sekunden lang einen Startbildschirm mit unterschiedlichen Spielnamen zeigt. Auch die grafische Gestaltung der Rennspielfigur und der Rennstrecken bzw –landschaften sind eindeutig für jeden unterscheidungsfähig und lassen den angesprochenen Verkehr nicht darauf schließen, dass das Spiel der Verfügungsbeklagten von der Verfügungsklägerin stammen könnte.

(2) Auch eine unlautere Rufausbeutung gemäß § 4 Nr. 3 b) UWG liegt nicht vor.

Eine unlautere Rufausnutzung kann auch ohne Herkunftstäuschung der angesprochenen Verkehrskreise auf einer Anlehnung an eine fremde Leistung beruhen, sofern eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte vorliegt. Die Frage, ob dadurch eine Gütevorstellung im Sinne des § 4 Nr. 3 b) UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 42 – Femur-Teil; BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 38 – Einkaufswagen III; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 40 – Exzenterzähne; OLG Köln, GRUR-RR 2006, 278 [279 f.] – Arbeitselement für Resektoskopie; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 65 [68] – Pandas).

Die besondere Wertschätzung knüpft nach der Darstellung der Verfügungsklägerin maßgeblich daran an, dass es das erste Spiel in der Kombination eines Idle Games mit einem Rennspiel sei. Ein für die Rufausbeutung erforderlicher Transfer des Images vom Originalprodukt auf das Nachahmungsprodukt ist jedoch nicht feststellbar, nachdem die Verfügungsbeklagte zwar Stimmen vorgelegt hat, die „F. V.“ als Kopie von „Titel entf“ ansehen, dies aber auf Spanisch und auf Englisch erfolgt (vergleiche etwa Anlage AST 14) und diese zahlenmäßig eher gering bleiben und in Medien erfolgten, die nur einen kleinen und spezialisierten Ausschnitt des angesprochenen Publikums darstellen. Dass mit der Umsetzung derselben Grundidee eines Idle Racing Games eine Assoziation an das Spiel der Verfügungsklägerin verbunden sein mag, genügt für den Tatbestand der Rufausbeutung nicht. Insofern ist auch bezeichnend, dass die Verfügungsbeklagte ähnliche Stimmen vorlegen konnte, die das Spiel der Verfügungsklägerin zur Zeit des erstmaligen Erscheinens als Kopie von „SEGA Chao Racing“ bezeichneten. Auch dies sind vereinzelt gebliebene Stimmen in einem kleinen Teil des Adressatenkreises. Jedenfalls zeigen diese Äußerungen insgesamt, dass die Spielidee des Idle Racing Games mit verschiedenen Disziplinen nicht nur einem bestimmten Spieleentwickler zugeschrieben werden.

4. Schließlich ist auch keine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen. Deshalb steht der Verfügungsklägerin auch kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4 UWG zu.

Erforderlich hierfür ist eine geschäftliche Handlung, die sich gegen einen Mitbewerber in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis richtet und diesen behindert, also in seinen wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Diese muss „gezielt“ erfolgen. Jedenfalls an einer gezielten Behinderung in diesem Sinne fehlt es.

Als „gezielt“ ist eine Behinderung ganz allgemein dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände eine Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers gerichtet ist (BGH GRUR 2007, 800 Rn. 23 – Außendienstmitarbeiter; BGH GRUR 2008, 621 Rn. 32 – AKADEMIKS). Es muss also ein Eingriff in die wettbewerbliche Entfaltung eines Mitbewerbers erfolgen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 4.8).

Dabei kann der Eingriff unternehmensbezogen sein, was der Fall ist, wenn er sich unmittelbar gegen das Unternehmen des Mitbewerbers als solches richtet. Er ist unlauter, wenn der Handelnde rechtswidrig und vorsätzlich in das Unternehmen eines Mitbewerbers oder die darin zusammengefassten Rechte und Rechtsgüter eingreift (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 4.8a). Dass die Verfügungsbeklagte ein derartiges unmittelbar gegen das Unternehmen der Verfügungsklägerin gerichtetes Handeln, also etwa in Form der Vernichtung oder Beschädigung von Waren oder Werbemitteln; Störungen von Betriebsabläufen durch Eingriffe in die Datenverarbeitung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 4.8a), an den Tag gelegt hätte, ergibt sich auch aus dem Vortrag der Verfügungsklägerin nicht und ist auch nicht erkennbar.

Darüber hinaus fehlt es aber auch an einem marktbezogenen Eingriff. Marktbezogen ist ein Eingriff in die wettbewerbliche Entfaltung, wenn er mittels einer Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen von (aktuellen oder po

LG München: Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung sind nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig

LG München
Urteil vom 19.12.2023
33 O 12090/22

Das LG München hat entschieden, dass Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F. zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers als in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

2. § 3 HWG stellt in alter und neuer Fassung eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 41. Auflage, § 3a Rdnr. 1.25).

3. Bei den streitgegenständlichen Äußerungen auf dem Plakat der Beklagten handelt es sich um geschäftliche Handlungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da die Werbung mit einer bestimmten Wirkungsweise mit der Förderung des Absatzes eines Produkts objektiv zusammenhängt.

4. Das HWG ist nach § 1 des Gesetzes vorliegend anwendbar, da es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Medizinprodukt i. S. d. Art. 2 Nr. 1 der VO (EU) 2017/745 beziehungsweise um ein Arzneimittel nach § 2 AMG handelt. Bei dem Produkt der Beklagten handelt es sich um Lutschpastillen, die der Vorbeugung von grippalen Infekten der oberen Atemwege und von infektiösen und entzündlichen Atemwegserkrankungen, die durch Viren und Bakterien verursacht werden, dienen (vgl. S. 1 der wissenschaftlichen Stellungnahme in Anlage B1_1). Das streitgegenständliche Produkt ist damit für Menschen bestimmt und soll der Verhütung von Krankheiten dienen. Nachdem das HWG nach § 1 Nr. 1 und 1a sowohl auf Arzneimittel als auch auf Medizinprodukte anzuwenden ist, ist eine genauere Abgrenzung beider Alternativen vorliegend entbehrlich.

5. Die beanstandete Werbung der Beklagten verstößt gegen § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

a) Gemäß § 3 S. 1 HWG a.F./n.F. ist eine irreführende Werbung unzulässig und liegt nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG a.F. bzw. n.F. eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln bzw. Arzneimitteln, Medizinprodukten i.S.d. § 3 Nr. 4 des MPG in der bis einschließlich 25.05.2021 geltenden Fassung, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

b) Für die Beurteilung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Angabe kommt es allein darauf an, in welchem Sinne die Kreise, an die die Ankündigung sich wendet, die Angabe verstehen (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 1955, 37 – Cupresa-Kunstseide). Angesprochener Verkehrskreis der streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten sind vorliegend Verbraucher, die sich vor dem Coronavirus schützen wollen und damit prinzipiell jedermann. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der in Streit stehenden Darstellung eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, wobei es auf den Gesamteindruck der beanstandeten Angabe ankommt (BGH GRUR 2013, 1254 Rn. 15 – Matratzen Factory Outlet; BGH GRUR 2022, 925 Rn. 18 – Webshop Awards). Dieses Verständnis kann die Kammer vorliegend selbst feststellen, da deren Mitglieder als Durchschnittsverbraucher zum angesprochenen Verkehr gehören, und da sie aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand ihrer Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. hierzu etwa OLG München GRUR-RR 2016, 270 Rn. 31 – Klosterseer).

c) Von einer Irreführung ist dann auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2020, 1226 Rdnr. 14 – LTEGeschwindigkeit; BGH GRUR 2022, 925 Rdnr. 18 – Webshop Awards). Für die Feststellung, welches Verständnis die streitgegenständliche Werbeaussage bei dem Verbraucher erweckt, ist auf den Gesamteindruck der Werbung und nicht lediglich auf einzelne Elemente abzustellen (vgl. BGH GRUR 2022, 1347 Rdnr. 23 – 7 x mehr). Bei Werbung im Gesundheitsbereich sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen (vgl. BGH GRUR 2002, 182 (185) – Das Beste jeden Morgen).

d) Vorliegend ist eine Irreführung nach § 3 Nr. 1 HWG zu bejahen, da die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen die dem angesprochenen Verkehr suggerierten Wirkungen des streitgegenständlichen Produkts nicht tragen.

aa) Der angesprochene Verkehr, der das beanstandete Werbeplakat der Beklagten bei eher geringem Aufmerksamkeitsgrad im Vorbeigehen nur flüchtig wahrnimmt, versteht die Werbeaussagen „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ und „Immer dann, wenn Sie keine Maske tragen, z. B. beim Stadtbummel, Essen gehen, Freunde treffen, Feste feiern, Fitness.“ dahingehend, dass er bei den genannten Aktivitäten, bei denen keine Maske getragen wird, durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts genauso effektiv vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt werde wie durch das Tragen einer Schutzmaske, und dass durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts ein absoluter Schutz erreicht werden könne. Den relativierenden Hinweis „Viren- und Bakterienabwehr mit der Natur auf physikalische Weise, ... zeigt in ... eine hemmende Wirkung auf das Eindringen von Coronaviren.“, der schon nicht am Blickfang teilnimmt, nimmt der Verkehr schon nicht wahr, denn dieser ist nur auf dem untersten Abschnitt des Plakats in sehr kleiner Schrift gestaltet, und der durchschnittliche Verbraucher kann diesen mit dem bloßen Auge nur schwer und nur mit einem geringen Abstand zum Plakat vollumfänglich lesen. Eine solche genaue Analyse des Werbeaufstellers wird der angesprochene Verkehr aber nicht vornehmen. Hinzu kommt, dass der angesprochene Durchschnittsverbraucher keine genaue Kenntnis von der Bedeutung des Begriffs „...“ hat. Der angesprochene Verkehr ist damit – selbst bei Wahrnehmung der weiteren Hinweise – nicht in der Lage, die Begrenzung der prominent herausgestellten Wirkaussage „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ zu erfassen und versteht diese daher in einem umfassenden Sinne.

bb) Eine solche Wirkung des streitgegenständlichen Produkts lässt sich den vorgelegten Unterlagen aber nicht entnehmen:

i. Ob die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit beziehungsweise für die Unrichtigkeit der Werbeäußerungen der Beklagten auf Seiten des Klägers oder der Beklagten liegt, kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte die Unterlagen, die ihrer Ansicht nach die streitgegenständlichen Behauptungen stützen, vorgelegt hat und der Kläger sich diese zu eigen gemacht hat, sodass diese zur Überprüfung der streitgegenständlichen Werbeaussagen heranzuziehen sind.

ii. Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

iii. Eine solche „Goldstandard“- Studie liegt nicht vor. Zu beachten ist zunächst, dass es sich bei den in den Anlagen B1_1 und B1_2 vorgelegten Unterlagen um keine Studien handelt und diesen Dokumenten daher nur eine geringe Aussagekraft zuzubilligen ist. Die wissenschaftliche Stellungnahme von Frau Dr. ... in Anlage B1_1 betrifft zwar das streitgegenständliche Produkt und kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit und Verkehrsfähigkeit des streitgegenständlichen Produkts als Medizinprodukt belegt sei. Die Stellungnahme bezieht sich dabei auf eine mit dem Produkt der Beklagten durchgeführte „...“ -Studie, bei der eigene „...“ Zellkulturversuche mit dem streitgegenständlichen Produkt einen signifikanten Hemmeffekt auf das Eindringen von SARS-CoV-2 gezeigt hätten. Unabhängig davon, dass die Aussagekraft der wissenschaftlichen Stellungnahme aufgrund der Tatsache, dass Frau Dr. ... auf Seite 11 der Anlage B2 als Kontaktperson der Beklagten aufgeführt ist und damit wohl ein berufliches Verhältnis zur Beklagten besteht, nochmals eingeschränkt ist, vermag der Verweis auf die durchgeführte „...“ – Studie die Werbeaussage, das Produkt sei gleichsam effektiv wie eine Schutzmaske beziehungsweise schütze absolut vor dem Coronavirus, nicht zu rechtfertigen. Die übrigen in der Anlage B1_1 vorgelegten Artikel beziehen sich schon nicht konkret auf das streitgegenständliche Produkt. Auf Seite 6 des Artikels von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_1) wird sogar ausgeführt, dass es notwendig sei, Labortests „...“, aber auch „...“ bei Tieren und Patienten durchzuführen, um ihre Wirksamkeit gegen das Coronavirus zu bestätigen. Auch in der Anlage B1_2 wurden lediglich Artikel vorgelegt, die sich nicht auf das streitgegenständliche Produkt selbst beziehen und damit die behauptete Wirksamkeit nicht belegen können. Zudem wird in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) auf Seite 12 ausgeführt, dass die Wechselbeziehung zwischen der ACE2-Hemmung, der Entzündungshemmung und den antioxidativen Wirkungen von Flavonoiden noch durch eine umfassende „...“ und „...“ Auswertung geklärt werden müsse. Darüber hinaus müsse eine Entscheidung, die Rezeptoren ACE1 und ACE2 zu verändern, beispielsweise um eine Wirkung gegen COVID-19 zu erzielen, mit Vorsicht vorgenommen werden. Auch in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) wird auf Seite 10 dargelegt, dass sowohl natürliche als auch synthetische Verbindungen funktionelle Validierungen benötigen, die nicht auf „...“ – Tests auf Grundlage rekombinanter Proteine beschränkt werden können. Zudem wird in dem Aufsatz von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) auf Seite 11338 auf die Notwendigkeit weiterer Studien hingewiesen. Auch der Artikel von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) bezieht sich lediglich auf eine durchgeführte „...“ – Untersuchung bezüglich des „...“ und nicht auf das streitgegenständliche Produkt.

In Anlage B2 befindet sich zwar eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass das streitgegenständliche Produkt „...“ ein starker Hemmstoff gegen eine pseudotypisierte Infektion mit dem Coronavirus gewesen sei (vgl. Seite 4 der Studie in Anlage B2). Die Aussagekraft dieser Studie ist jedoch eingeschränkt, da auf Seite 1 und 11 der Anlage B2 die Beklagte als Sponsor der Studie ausgewiesen ist und damit die Neutralität des Ergebnisses diskussionswürdig ist. Letztendlich kann die Aussagekraft der Studie jedoch dahinstehen, da auch damit jedenfalls nicht belegt ist, dass das Produkt der Beklagten vor einer Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv wie eine Maske beziehungsweise absolut schützen kann. Bei dem in Anlage K5 vorgelegten Dokument handelt es sich lediglich um eine Zusammenfassung der „...“ Studienergebnisse, die die streitgegenständlichen Werbeäußerungen ebenfalls nicht zu belegen vermag.

Im Ergebnis belegen die vorgelegten Unterlagen mithin schon keine „...“- Wirksamkeit und erst recht keine uneingeschränkte Wirksamkeit „...“.

iv. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kam nicht in Betracht. Denn nach dem „Strengeprinzip“ sind Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, was bedeutet, dass der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein muss. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn der Werbende sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft, weil ein erst nachträglich eingeholtes Gutachten den Vorwurf nicht entkräften könnte, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (BGH GRUR 2021, 513 Rdnr. 34 – Sinupret).

e) Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, da die Werbung mit Äußerungen, nach denen ein bestimmtes Produkt eine Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv verhindern könne wie das Tragen einer Schutzmaske, beziehungsweise nach denen ein bestimmtes Produkt absoluten Schutz vor einer Infektion biete, geeignet ist, potenzielle Kunden zu einer näheren Beschäftigung mit dem Angebot der Beklagten zu verleiten.

6. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr nicht ausräumen, da der Kläger die Annahme dieser Erklärung ablehnte (vgl. Schreiben vom 27.01.2022 in Anlage K6). Zwar genügt für den Wegfall der Wiederholungsgefahr grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Lehnt der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner jedoch ab, scheitert der Abschluss des Unterlassungsvertrags und es fehlt ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 40ff. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III). Unabhängig davon, ob es sich bei dem von der Beklagten auf der Unterlassungserklärung vom 20.01.2022 (vgl. Erklärung in Anlage K3) hinzugefügten Zusatz um einen neuen Sachverhalt handelt, fehlte es jedenfalls seit der Ablehnung der Annahme durch den Kläger am 27.01.2022 (vgl. Schreiben in Anlage K6) an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine Vertragsstrafeverpflichtung. Damit ist der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr zwar von einem Willensakt des Gläubigers abhängig. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Schuldner bis zum Zugang der Ablehnung die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr durch einen Verweis auf seine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung sowohl dem Erstgläubiger als auch gegenüber Drittgläubigern widerlegen kann. Ein unbilliges Ergebnis hinsichtlich des Erstgläubigers kann im Übrigen dadurch vermieden werden, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, sich bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO der Kostentragung zu entziehen (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 43f. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III).

II. Der Kläger hat darüber hinaus gegen die Beklagte auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 2 Abs. 1, 3 UKlaG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

1. Der Kläger ist als in die Liste qualifizierter Einrichtungen i. S. d. § 4 UKlaG nach §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 UKlaG aktivlegitimiert.

2. Bei § 3 HWG handelt es sich in alter und neuer Fassung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 UKlaG um eine Verbraucherschutznorm i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG.

3. Ein Verstoß gegen den § 3 Nr. 1 HWG a.F. und n.F. liegt vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter A. I. 5 verwiesen.

4. Das Verbraucherschutzinteresse an der Geltendmachung des Anspruchs besteht, vgl. § 2 Abs. 1 UKlaG. Ein Versehen im Einzelfall liegt bei der gezielt gewählten Werbegestaltung nicht vor.

5. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr ist infolge der festgestellten Verletzungshandlung gegeben. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr aufgrund der Ablehnung des Klägers nicht ausräumen, Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter A. I. 6. verwiesen.

III. Aufgrund des bestehenden Unterlassungsanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung seiner Abmahnkosten nach § 5 UKlaG i.V. m. § 13 Abs. 3 UWG. Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


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BVerfG: Verstoß gegen prozessuale Waffengleichheit wenn einstweilige Verfügung keine Ausführungen enthält weshalb Gericht von mündlicher Verhandlung abgesehen hat

BVerfG
Beschluss vom 12.03.2024
1 BvR 605/24


Das BVerfG hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit naheliegt, wenn eine einstweilige Verfügung keine Ausführungen enthält, weshalb das Gericht von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Erfolgreicher Eilantrag einer Zeitungsverlegerin gegen die gerichtliche Untersagung der Bebilderung zweier Presseartikel

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts dem Antrag der Verlegerin einer deutschlandweit erscheinenden Zeitung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben. Sie wendet sich gegen eine ohne mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Verfügung, mit der ihr die Bebilderung zweier Presseartikel teilweise untersagt wurde. Eine Entscheidung über die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde steht noch aus.

Im Dezember 2023 berichtete die Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite in zwei Artikeln über einen Unfall. Beide Artikel waren mit Fotoaufnahmen bebildert, auf denen der bei dem Unfall Verstorbene – bis auf die Augenpartie unverpixelt – zu sehen war. Auf Antrag der Witwe des Verstorbenen untersagte das Landgericht der Beschwerdeführerin im Wege der – ohne mündliche Verhandlung ergangenen – einstweiligen Verfügung, diese Bilder zu veröffentlichen. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben und hiermit verbunden beantragt, die Wirksamkeit des angegriffenen Beschlusses einstweilen außer Vollzug zu setzen. Der angegriffene Beschluss verletze sie insbesondere in ihrem Recht auf prozessuale Waffengleichheit.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Die vorzunehmende Folgenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren offensichtlich zulässig und begründet.

Weshalb das Landgericht von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat, obschon eine solche auch vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Regel ist, lässt sich seiner Entscheidung nicht entnehmen. Ihre Begründung lässt mangels jeglicher Ausführungen zu § 937 Abs. 2 ZPO nicht einmal erkennen, dass sich das Landgericht von den einfachrechtlichen Anforderungen an seine Verfahrensweise überhaupt leiten ließ. Soweit es damit sogar hinter einer nur formelhaft begründeten Verfahrenshandhabung zurückbleibt, die das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall desselben Spruchkörpers erst unlängst beanstandet hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juni 2023 - 1 BvR 1011/23 -, Rn. 31 f.), ist deshalb ein bewusstes und systematisches Übergehen der prozessualen Rechte der Beschwerdeführerin nachvollziehbar dargetan.


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OLG Nürnberg: Kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung und keine Vertragsstrafe wenn urheberrechtswidrige Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 19.02.2024
3 U 2291/23


Das OLG Nürnberg führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass kein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung vorliegt und somit keine Vertragsstrafe verwirkt ist, wenn urheberrechtswidrige Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs hat die Klägerin keine Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen den Unterlassungsvertrag vom 16.11.2021 dargetan.

1. Bei dem behaupteten Verstoß der weiterhin bestehenden Auffindbarkeit der streitgegenständlichen Kartenausschnitte über Eingabe der genauen URL fehlt es an der Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. BGH GRUR 2021, 1286 Rn. 16 ff. – Lautsprecherfoto). Das Landgericht führte aus, dass bereits auf Grund der eigentümlichen Buchstaben-Zahlen-Kombination, die die Beklagte zur Bezeichnung ihrer Einsatzpläne verwendet hatte und die in dieser Form für den jeweiligen Einsatzplan auch in die längere URL hätte eingegeben werden müssen, nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könne, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben werden könne, die diese Adresse zuvor – als die Kartenausschnitte noch im Rahmen des Internetauftritts der Beklagten über die Systemnavigation frei zugänglich gewesen seien – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert hätten. Gegen diese zutreffende Einschätzung durch das Erstgericht wendet sich die Berufung nicht. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Wiedergabe gegenüber recht vielen Personen gegeben ist.

2. Eine Zuwiderhandlung nach § 339 S. 2 BGB kann auch nicht in dem Vortrag der Klägerin gesehen werden, dass die Kartenausschnitte auch nach Abschluss des Unterwerfungsvertrags über das Internetarchiv „w...“ abrufbar gewesen seien.

a) Es fehlt zum einen an den – auch für eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag – erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe in seiner besonderen Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.

aa) Im Streitfall kann bereits deshalb kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG angenommen werden, weil die Beklagte auf dem Internetarchiv „w...“ nicht die Kontrolle über die Bereithaltung der Kartenausschnitte ausübt und sich diese daher nicht in ihrer Zugriffssphäre befinden (vgl. BGH GRUR 2019, 950 Rn. 44 – Testversion).

bb) Darüber hinaus fehlt es an den Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte über die „w...“ nicht absichtlich und gezielt Dritten einen Zugang zu den Kartenausschnitten verschafft und auch Umstände, die im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von Bedeutung sind, gegen eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag sprechen.

In diesem Zusammenhang ist der Zweck der „w...” – eine Internetbibliothek mit dem Ziel zu schaffen, Forschern, Historikern, Wissenschaftlern und allen weiteren Interessierten einen permanenten Zugang insbesondere zu nicht mehr vorhandenen Webseiten zu bieten (Hoeren, MMR 2006, V) – zu berücksichtigen. So wie die fortdauernde Auffindbarkeit einer früheren, mittlerweile zu unterlassenden Werbung in der „w...“ mangels Marktbezugs keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt, da die Auffindbarkeit darüber kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung ist (LG Karlsruhe GRUR-RS 2023, 2296), liegt kein urheberrechtlich relevantes Verschaffen eines Zugangs zum geschützten Werk vor, da dem durchschnittlichen Internetnutzer bekannt ist, dass es sich bei den von der „w...“ vorgehaltenen Seiten um eine frühere Fassung des Internetauftritts handelt (vgl. zum Speichern im Cache der Suchmaschine Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 19a Rn. 6a). Die Beklagte verschafft somit nicht Dritten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Zugang zu den Kartenausschnitten.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die „w...“ nicht von üblichen Internet-Suchmaschinen durchsucht werden kann. Vielmehr muss der Internetnutzer gezielt das Internetarchiv aufrufen und dort – da das Archiv keine eigene Suchfunktion aufweist – gezielt nach Inhalten suchen.

Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe eine wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich macht. Daraus folgt für den Streitfall, dass in die Auslegung des Unterlassungsvertrags eingestellt werden kann, dass die Beklagte keine zentrale Rolle einnahm, um Nutzern über die „w...“ Zugang zu den Kartenausschnitten zu verschaffen, dass die (ursprüngliche) Veröffentlichung der Notfalltreffpunkte im Gemeindegebiet nicht Erwerbszwecken diente, sowie dass bei einer „Wiedergabe“ über die „w...“ nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine aufnahmebereite Öffentlichkeit für die Kartenausschnitte selbst besteht.

b) Zum anderen fehlt es an der Darlegung der Verletzung von Handlungspflichten zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands.

So ist weder dargetan noch ersichtlich, dass eine Abrufbarkeit über die „w...“ der Beklagten (wirtschaftlich) zugutekommt, was aber Voraussetzung für eine Einwirkungspflicht auf Dritte ist.

Außerdem trägt die Beklagte vor, dass sie gegenüber den Betreibern des Internetarchivs entsprechende Löschungsanträge gestellt habe. Damit hätte sie ihren – unterstellten – Handlungspflichten zur Beseitigung des Störungszustandes genügt. Einen Erfolg des Bemühens der Einwirkung auf Dritte schuldet der Unterlassungsschuldner nicht (vgl. BGH GRUR 2018, 292 Rn. 33 – Produkte zur Wundversorgung).

3. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag schließlich darauf stützt, dass bei der Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen ein Link zu der Datei mit dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt auf der Homepage der Beklagten an erster Stelle der Ergebnisliste erschienen sei, kann dies aus den nachfolgenden beiden Gründen der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.

a) Zum einen fehlt es beim Vortrag im Zusammenhang mit den Suchmaschinen an der Darlegung des Zugänglichmachens der Kartenausschnitte, also der Wiedergabe, selbst.

Auf den vorgelegten Screenshots mit den Ergebnislisten der Suchmaschinen ist lediglich ein Link zu einem PDF-Dokument auf der von der Beklagten betriebenen Homepage ersichtlich. Die Werke sind in der Ergebnisliste weder als Vorschaubilder (vgl. BGH GRUR 2010, 628 Rn. 19 – Vorschaubilder) noch sonst erkennbar.

Dass beim Klicken auf den Link tatsächlich die Homepage der Beklagten geöffnet und Zugang zu den Kartenausschnitten geschaffen wird, ist weder dargetan noch vor dem Hintergrund des nicht bestrittenen Vortrags der Beklagten des vollständigen Löschens aus dem CMS der Beklagten, weshalb ein Aufruf über die Seitennavigation der URL www.s[…]-m[…].de nicht mehr möglich sei, ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Kartenausschnitte bei heute abrufbar seien, kann den im Zusammenhang mit diesem Vortrag vorgelegten Anlagen K 15, BK 1 und BK 2 entnommen werden, dass diese Seiten bei der sogenannten „w...“ (https://archive.org/web) aufgerufen wurden. Die Aufrufbarkeit über das Internetarchiv „w...“ kann – wie bereits ausgeführt – eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag jedoch nicht begründen.

b) Zum anderen fehlt es – wegen der Übertragbarkeit der im Zusammenhang mit der Eingabe der genauen URL gemachten Überlegungen zur Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter Ziffer 1.) auf die im vorliegenden Fall notwendige Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen – an der Darlegung einer öffentlichen Wiedergabe. Aufgrund der vorliegend maßgeblichen Einzelfallumstände ist in der konkreten Situation nicht damit zu rechnen, dass eine entsprechend große Personengruppe die Kartenausschnitte suchen und auffinden könnte.

aa) Im vorliegenden Fall war es erforderlich, bestimmte Begriffe wie „Notfalltreffpunkt O. der S.“, „einsatzplan o. der st.“ oder „einsatzplan r. l.“ in die Suchmaschine einzugeben, um als Suchergebnis einen Link zur Webseite der Beklagten angezeigt zu bekommen. Eine – unterstellte – Zugänglichkeit zu den Kartenausschnitten war daher nur „umständlich“ durch Eingabe genau dieser Wörter möglich. Es fehlt vor diesem Hintergrund an der Öffentlichkeit der Wiedergabe, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass recht viele Personen über diese konkreten Suchbegriffe auf die streitgegenständlichen Notfallpläne Zugriff haben. Es ist auszuschließen, dass Dritte in nennenswerter Zahl von der Möglichkeit des Abrufs Gebrauch machen, weshalb jegliche Relevanz für den Urheber und dessen Möglichkeit, sein Werk wirtschaftlich zu verwerten, fehlt.

bb) Der Senat schließt sich der Einschätzung des Landgerichts an, dass die klägerseits verwendeten Suchmaschinenbegriffe für einen gewöhnlichen Internetnutzer zur Bezeichnung von Einsatzplänen schon deswegen völlig ungewöhnlich sind, weil nicht einmal der Gemeindename der Beklagten in das Suchfeld zusätzlich eingegeben wurde. Die Möglichkeit, dass ein gewöhnlicher Internetnutzer in der Zeit von 2015 bis November 2021 sich die entsprechenden Namen der Einsatzpläne der Beklagten notiert oder abgespeichert hat und sodann bei einer Suchmaschinen-Suche nach diesem Zeitraum direkt den Namen der Pläne ohne Angabe der Gemeinde suchen würde, entspricht nicht der Lebenserfahrung.

Die entsprechenden Namen sind überdies exklusiv auf das Gemeindegebiet der Beklagten – einer kleinen Gemeinde von reichlich 7.000 Einwohnern – zugeschnitten, so dass jedenfalls Nutzer, die nicht schon vor dem Jahr 2021 von der Existenz entsprechender Pläne samt Namen wussten, nunmehr nach Herunternahme der Einsatzpläne vom Internetauftritt der Beklagten von sich aus nicht darauf kommen würden, dass es solche Einsatzpläne womöglich geben könnte und deshalb danach mittels Suchmaschine suchen würden.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend um die Bezeichnung von Notfallplänen geht, deren namentliche Existenz überhaupt nur einer ganz kleinen, speziellen Gruppe – nämlich wohl nur Feuerwehr- und Katastrophenschutzbehördenmitarbeitern in der Gemeinde bzw. dem zugehörigen Landkreis – bekannt sein dürfte. Andere Personen, insbesondere Gemeindebürger der Beklagten, würden nach entsprechenden Einsatz-/Notfalltreffpunktplänen wohl ausnahmslos nur im ganz konkreten Brand- und/oder Katastrophenfall suchen, jedoch kaum vorab sich diese insbesondere namentlich (analog oder digital) notieren.

c) Außerdem setzt eine öffentliche Wiedergabehandlung grundsätzlich voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis – also absichtlich und gezielt – der Folgen seines Verhaltens tätig werden muss, woran es im vorliegenden Fall ebenfalls fehlt. Es sind keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Kartenausschnitte nach dem Löschen aus dem CMS der Beklagten, weshalb sie nicht (mehr) über die Homepage der Beklagten aufrufbar waren, nach dem Willen der Beklagten – einer Gemeinde – (weiter) für andere Personen verfügbar sein sollten. Der streitgegenständliche Unterlassungsvertrag kann vor dem Hintergrund des Wortlauts, der Art und Weise des Zustandekommens sowie der Anlassverstöße auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Parteien über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und vom verletzten Verwertungsrecht nicht erfasste Handlungen einbeziehen wollten.

d) In Bezug auf die schließlich notwendige wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls kann auf die obigen Ausführungen unter B.II.2.a) bb) a.E. verwiesen werden.


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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


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BGH: Unzulässige Bewerbung von Mundspülung mit "Corona-Prophylaxe" - Verweis in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG auf meldepflichtige Krankheiten / Erreger ist dynamisch

BGH
Urteil vom 21.12.2023
I ZR 24/23
UWG § 3a; HWG § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Anlage (zu § 12) Abschn. A Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Verweis in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG auf meldepflichtige Krankheiten / Erreger dynamisch ist. Die Werbung für eine Mundspülung mit dem Hinweis "Corona-Prophylaxe" ist unzulässig und wettbewerbswidrig.

Leitsatz des BGH:
Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG verweist dynamisch auf die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen.

BGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - I ZR 24/23 - OLG Hamm - LG Bielefeld

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OLG Köln: Cookie-Banner muss so gestaltet sein dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist - Schließen des Cookie-Banners mit "X" ist keine wirksame Einwilligung

OLG Köln
Urteil vom 19.01.2024
6 U 80/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Cookie-Banner so gestaltet sein muss, dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass das Schließen des Cookie-Banners mit "X" keine wirksame Einwilligung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch eine Gestaltung der Cookie-Banner wie in der vom Kläger in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform wird dem Verbraucher weder auf der ersten noch auf der zweiten Ebene eine gleichwertige, mithin auf klaren und umfassenden Informationen beruhende, Ablehnungsoption angeboten, weshalb er – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – zur Abgabe der Einwilligung hingelenkt und von der Ablehnung der Cookies abgehalten wird, so dass die erteilte Einwilligung nicht als freiwillig und hinreichend aufgeklärt im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art. 4 Nr. 11 DSGVO angesehen werden kann. Die erste Ebene enthält überhaupt keine Ablehnungsoption für den Verbraucher. Vielmehr kann dieser durch den Button „Einstellungen“ lediglich auf die zweite Ebene gelangen. Hier hat der Verbraucher dann die Auswahl zwischen dem Button „Alles Akzeptieren“ und dem Button „Speichern“. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, erschließt sich dem Durchschnittsnutzer aber bereits nicht, welche Funktion sich konkret hinter dem jeweiligen Button verbirgt bzw. mit welchem Button er nunmehr tatsächlich die Ablehnung der Cookies erreichen kann. Die Beklagte hat in erster Instanz selbst wiederholt ausgeführt, dass für den Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit gegeben sein müsse. Dies ist indes bei der hier aufgezeigten Gestaltung der Cookie-Banner gerade nicht der Fall.

Die Zurückweisung des Antrages zu b) – den der Kläger in der Berufungsinstanz in unveränderter Form gestellt hat – ist durch das Landgericht zu Unrecht erfolgt. Auch wenn der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung zunächst dahingehend positioniert hat, dass es ihm gerade auf den Einschub zu a) ankomme und daher allenfalls dieser von dem beantragten Verbot isoliert erfasst sein solle, hat er letztlich den Antrag wie angekündigt gestellt und demgemäß hieran gerade nicht festgehalten. Durch die Verknüpfung und/oder bestand zwischen den Anträgen zu a) und b) ein echtes Alternativverhältnis, weshalb das Landgericht auch isoliert über den Antrag zu b) hätte entscheiden müssen. Eine andere Auslegung lässt entgegen der Auffassung der Beklagten auch das den Antrag zu b) einleitende Wort „dabei“ nicht zu, da dies ohne weiteres auch Sinn ergibt, wenn dieser Antrag nur isoliert geltend gemacht wird.

Dieser hinreichend bestimmte Antrag hat in der Sache ebenfalls Erfolg. Die Gestaltung der Cookie-Banner mit dem verlinkten Button „Akzeptieren & Schließen X“ in der rechten oberen Ecke verstößt gegen die Grundsätze von Transparenz und Freiwilligkeit der Einwilligung und führt zu deren Unwirksamkeit. Insoweit kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Das „X“-Symbol ist Nutzern bekannt als Möglichkeit, um ein Fenster zu schließen, nicht aber, um in die Verwendung von Cookies und anderen Technologien durch den Websitebetreiber einzuwilligen. Dass hiermit eine Einwilligung erklärt wird, wird dem durchschnittlichen Nutzer nicht bewusst sein. Zwar steht unmittelbar neben dem „X“- Symbol „Akzeptieren & Schließen“. Die Verknüpfung dieser beiden Funktionen ist aber irreführend und intransparent für die Nutzer. Auch wird für die Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei „Akzeptieren & Schließen“ und dem „X“-Symbol um ein und denselben Button handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Einwilligung mithilfe des „X“-Symbols weder als unmissverständlich oder eindeutig bestätigend, noch als freiwillig im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art 4 Nr. 11 DSGVO bewertet werden


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OLG Düsseldorf: Vorformulierte Unterlassungserklärungen können der AGB-Kontrolle unterliegen - Vertragsstrafeklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.11.2023
2 U 99/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen der AGB-Kontrolle unterliegen können. Eine Vertragsstrafklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Die Berufung weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vertragsstrafenabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist. Denn die A hat die Vertragsstrafeklausel als Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Einzelnen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Beklagten ausgehandelt.

a) Vertragsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz in Abrede gestellt, dass es sich um ein vorgegebenes Formular gehandelt habe, das für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorformuliert gewesen sei (vgl. Bl. 66 eAkte LG). Damit kann sie indes nicht durchdringen.

Dass die mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 übergebene Unterwerfungserklärung „vorformuliert“ und nicht von ihr „ad hoc in Vertragsverhandlungen formuliert“ (vgl. Staudinger/Mäsch (2022) BGB § 305, Rn. 25) worden ist, steht außer Frage. Sie war ihrem äußeren Anschein nach aber auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert („Mehrfachverwendungsabsicht“).

Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingung muss derjenige darlegen und beweisen, der sich zu seinen Gunsten auf die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB beruft, vorliegend also die Beklagte. Der Darlegungslast kann aber im Einzelfall bereits durch Vorlage des Vertrags genügt werden (BGH, NJW 1992, 2160, 2162). Denn aus Inhalt und Gestaltung von Vertragsklauseln kann der äußere Anschein folgen, dass diese zur mehrfachen Verwendung vorformuliert wurden (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2004, 502, 503, NJW 2009, 3717, 3720, jeweils zum Bau(träger)vertrag; BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30 zum Architekten- und Ingenieurvertrag; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 556 - VENOM, OLG Jena, BeckRS 2012, 9286, jeweils zur Vertragsstrafevereinbarung; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 18; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 305 Rn. 23). Ein solcher Anschein kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Vertragsklauseln weitgehend allgemein und abstrakt gehalten sind (BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30). Es ist dabei nicht erforderlich, dass das gesamte Vertragsmuster diesen Anforderungen entspricht. Entscheidend ist, ob einzelne Vertragsklauseln, hier also das Vertragsstrafeversprechen, jeweils die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllen (BGH, NJW 1998, 2600 f.).

aa) Es drängt sich vorliegend bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf, dass der Inhaber von Schutzrechten eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht allein für den konkreten Einzelfall formuliert bzw. formulieren lässt, sondern – schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus – eine Mehrfachverwendungsabsicht verfolgt. Er wird darauf bedacht sein, ein Standardformular zu entwickeln, dass sich mit möglichst wenigen Modifikationen an die jeweilige Situation anpassen lässt. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gängige Praxis sei, „das Rad nicht immer neu zu erfinden“, sondern auf bewährte Muster oder in Datenbanken hinterlegte Textbausteine zurückzugreifen (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Individualvereinbarung“ Rn. 8).

Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn die Erklärung von einer Rechtsanwaltskanzlei formuliert wurde, was vorliegend naheliegt, da das Anschreiben von der (damaligen) Kanzlei C stammt. Diese wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder – bei erstmaliger Formulierung – darauf bedacht sein, solche – auch für spätere Mandate – zu entwickeln. Gerade bei großen Sozietäten streitet daher bereits der erste Anschein für eine Mehrfachverwendungsabsicht (Löhnig/Jerger, GWR 2013, 239, 240). In den Fällen von durch Dritte vorformulierten Verträgen genügt es im Übrigen, dass diese vom Dritten in Mehrfachverwendungsabsicht erstellt wurden. Die Partei, die sich eines solchen Formulars bedient, kann sich nicht darauf berufen, dass sie selbst nur die Absicht hatte, dieses in einem einzigen Fall zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 10; BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 305 Rn. 25; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 119; Löhnig/Jerger, a.a.O., für den von einer Rechtsanwaltskanzlei entworfenen Vertrag).

Im Ergebnis streiten daher bereits die äußeren Umstände dafür, dass es sich bei der Unterlassungserklärung um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Erklärung handelte. Diesen Anschein hat die Klägerin nicht entkräftet. Sie hat keine Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die es nahelegen könnten, dass es sich bei der Vertragsstrafeklausel um eine nur für diesen konkreten Einzelfall formulierte Abrede handelte. Soweit sie darauf verweist, dass ein Rückgriff auf ein „Simile“ aus einem anderen Rechtsstreit, das dort in Einzelverwendungsabsicht erstellt worden war, unschädlich sei, so lässt sie offen, ob sie einen solchen Geschehensablauf vorliegend behaupten will, zumal damit auch eine erst sodann für die Zukunft gefasste Mehrfachverwendungsabsicht nicht ausgeschlossen wäre. Wenn sie weiterhin ausführt, dass der seinerzeit sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht einmal auf ein „Simile“ zurückgreifen hätte müssen, da er die ihm aus seiner Praxis geläufige Vertragsstrafeklausel auch aus dem Gedächtnis heraus hätte formulieren können, so kommt es hierauf nicht an. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch dann vorliegen, wenn üblicherweise verwendete Klauseln aus dem Gedächtnis heraus in den Vertrag eingefügt werden (BGH, NJW 1999, 2180, 2181). Im Ergebnis genügt daher der – sich in allgemeinen Erwägungen erschöpfende – klägerische Tatsachenvortrag nicht, um eine ernsthafte Möglichkeit für einen vom Anscheinsbeweis abweichenden Geschehensablauf darzulegen, weshalb dem angetretenen Zeugenbeweis durch Vernehmung des seinerzeit sachbearbeitenden Rechtsanwalts nicht nachzugehen war.

bb) Im Übrigen erweckt die ursprüngliche Unterlassungserklärung auch ihrer inhaltlichen Gestaltung nach den Eindruck, dass ihre Klauseln für eine Vielzahl vergleichbarer Abmahnsituationen herangezogen und nur einzelne Stellen an den konkreten Sachverhalt angepasst werden.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die für das hiesige Verfahren streitentscheidende Vertragsstrafeklausel. Diese ist in ihrer Formulierung („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) allgemein gehalten und weist keinen besonderen Bezug zum konkreten Einzelfall auf, der erst im weiteren Verlauf der Erklärung – nämlich im Rahmen der Unterlassungsverpflichtung – durch Einrücken der Patentansprüche hergestellt wird. Auch bei dem Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs („excluding the application of the continuation-of-offence clause“) handelt es sich – auch heute noch – um eine vielfach verwendete Standardregelung (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11).

Die Vertragsstrafeklausel liefert damit keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ausschließlich für die Unterlassungserklärung der Beklagten formuliert wurde. Auch aus anderen Klauseln der ursprünglichen Unterlassungserklärung lassen sich solche Anhaltspunkte nicht herleiten.

So enthalten die beiden identisch ausgestalteten Klauseln zur Rechnungslegung (Ziffern I.2 und II.5) mehrere formelhafte Regelungen, die nur insoweit auf den Einzelfall zugeschnitten sind, als dass unter lit. a) und b) jeweils ein bestimmter Zeitraum benannt wird, für den Rechnung zu legen ist, während die übrigen Bestimmungen lit. a) aa) bis dd), b) aa) bis bb) und c) keinen konkreten Bezug zur Beklagten aufweisen. Bei Ziffer II.5 fällt zudem auf, dass der Verweis auf die „Handlungen unter 1.“ („actions referred to under 1. above“) fälschlicherweise nicht angepasst wurde, was notwendig gewesen wäre, da sich die zu unterlassende Handlung für die Vorrichtung im Sinne des EP 2 324 XXA unter Ziffer II.4 findet. Dies verstärkt den Eindruck der Verwendung vorformulierter Klauseln, wobei es allerdings – entgegen der Berufung – für den Beleg einer Mehrfachverwendungsabsicht nicht genügt, dass eine Klausel in demselben Vertrag mehrfach Verwendung findet, da § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine „Vielzahl von Verträgen“ fordert.

b) Die vorformulierten Vertragsbedingungen wurden von der A auch als Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt.

aa) Verwenderin ist diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrags vorformulierte Vertragsbedingungen stellt. Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, NJW 1994, 2825, NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Vorliegend kommt es demnach nicht darauf an, ob die A die strafbewehrte Unterlassungserklärung selbst formuliert hat oder ihre damalig beauftragte Rechtsanwaltskanzlei C. Denn es bestehen keine Zweifel, dass diese im Auftrag der A handelte, die sich das Handeln daher zurechnen lassen muss.

Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden. Dabei genügt der einseitige Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12 a.E.; NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Ein Ungleichgewicht hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht muss dabei nicht bestehen. Verwenderin kann auch eine Vertragspartei sein, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12).

Dass die A die Verwendung der von ihr eingebrachten Formularbestimmungen zumindest wünschte, steht vor dem Hintergrund des Inhalts ihres Abmahnschreibens vom 23. Oktober 2014 außer Frage. Denn dort wurde der Beklagten – mit äußerst knapper Frist bis zum nächsten Morgen, 8:00 Uhr – die Möglichkeit der Unterzeichnung der vorformulierten Unterlassungserklärung gegeben, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Dabei ging die A davon aus, dass die Erklärung durch die Beklagte mittels Unterzeichnung des zur Verfügung gestellten „Vordrucks“ erfolgen sollte.

bb) Allerdings gelten Vertragsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dann nicht als von dem Verwender gestellt, soweit diese zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein solches Aushandeln ist vorliegend indes nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die Beklagte an der überreichten Unterlassungserklärung umfangreiche Kürzungen vorgenommen und dieser einen Einleitungssatz zur Rechtsbindung vorangestellt hat.

(1) Von einem Aushandeln kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, NJW 2019, 2080 Rn. 14).

Hieran werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt (Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand März 2023, Teil „Klauselwerke“, Stichwort: „Stromlieferverträge“ Rn. 102). So führt beispielsweise allein eine formularmäßige Aufforderung an den Unterzeichner, den Inhalt einer Formularerklärung durch Streichung einzelner Teile zu verändern, nicht zu der Annahme eines Aushandelns (BGH, NJW 1987, 2011). Auch die Aufforderung in einem Anschreiben, „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ mitzuteilen, genügt für sich genommen noch nicht, um davon auszugehen, dass tatsächlich die Gelegenheit eingeräumt wurde, eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, NJW 2016, 1230 Rn. 30 – Vertragsstrafe). In aller Regel muss sich die Bereitschaft zur Änderung in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlagen, es sei denn, es bleibt erst nach gründlicher Erörterung bei dem vorformulierten Text (BGH, NJW 1998, 2600, 2601; NJW 2013, 2027 Rn. 20; NJW 2015, 1952 Rn. 33).

(2) Vorliegend ergibt sich aus dem klägerischen Anschreiben keine Bereitschaft, den Inhalt der Unterlassungserklärung ganz oder teilweise ernsthaft zur Disposition zu stellen. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Klägerin die seitens der Beklagten vorgenommenen Änderungen akzeptiert hat.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang die Feststellung getroffen, dass die Beklagte in der Vertragsstrafeklausel die Formulierung „für jeden Fall der Nichteinhaltung“ in „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ abgeändert habe. An diese Feststellung ist der Senat allerdings nicht gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Denn wie eingangs erläutert haben sich die A und die Beklagte allein auf der Grundlage einer englischsprachigen Unterlassungserklärung geeinigt. Sowohl in dem an die Beklagten ausgehändigten Exemplar als auch in der von der Beklagten unterzeichneten Erklärung findet sich jeweils übereinstimmend die Formulierung „for each case of non-compliance“. Eine Anpassung der Formulierung seitens der Beklagten hat es daher nicht gegeben. Vielmehr wurde in den später angefertigten Übersetzungen der Begriff „non-compliance“ unterschiedlich in die deutsche Sprache übersetzt, einmal als „Nichteinhaltung“ und einmal als „Zuwiderhandlung“. Da aber an der eigentlichen Vertragsstrafeklausel im englischsprachigen Original („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) keine Änderung vorgenommen wurde, kann hierauf ein „Aushandeln“ nicht gestützt werden.

Im Übrigen könnte selbst bei Vorliegen einer solchen Formulierungsänderung hieraus kein Rückschluss auf eine Dispositionsbereitschaft gezogen werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verliert eine Klausel selbst bei Änderungen des Textes ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel beibehalten und die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wurde (BGH, NJW 2015, 1952 Rn. 33). Vorliegend wäre mit der Formulierungsänderung aber keine Verbesserung der Rechtsposition der Beklagten einhergegangen. Aufgrund des in der Sache unveränderten Kerngehalts der Klausel hätte auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kerngehalt der Klausel seitens der Verwenderin ernsthaft zur Disposition gestellt wurde.

(3) Auch die Ergänzung in Form eines Einleitungssatzes lässt nicht den Rückschluss zu, dass die A die Vertragsstrafeklausel zur Disposition gestellt hat und insoweit von einer ausgehandelten Individualvereinbarung auszugehen ist. Das angegriffene Urteil enthält hierzu die Feststellung, dass der Unterlassungserklärung seitens der Beklagten der Einleitungssatz „for mere economical reasons and in order-to provide for a fast settlement of the matter, without prejudice, however, legally binding“ (deutsche Übersetzung: aus rein wirtschaftlichen Gründen und um eine schnelle Einigung in der Angelegenheit zu erzielen, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch rechtsverbindlich) vorangestellt wurde.

Die Formulierung des Vertragsstrafeklausel wurde durch diese Ergänzung allerdings nicht abgeändert. Dies ist deshalb von Belang, da es nicht darauf ankommt, ob die vom Verwender gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen an irgendeiner Stelle abgeändert oder ergänzt wurden, um von einem Aushandeln auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel vielmehr auch dann nicht ausgehandelt, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags nur dort Vertragsbedingungen geändert worden sind, nicht aber an der streitbefangenen Klausel (BGH NJW 2019, 2080 Rn. 15). Zwar mögen die Vertragspartner bei solchen Verhandlungen jeweils für sich ihre wirtschaftliche Position als einheitliches Paket beurteilt haben. Das rechtfertigt es aber nicht, eine vom Verwender gestellte, konkret nicht verhandelte und unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung als ausgehandelt anzusehen. Denn das Aushandeln muss sich nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen („im Einzelnen“) und führt nur in diesem Umfang („soweit“) zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, a.a.O.). Selbst in einem überwiegend als Individualvereinbarung ausgestalteten Vertrag können daher formularmäßige Einzelabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sein (BGH, NJW 1979, 2387; BGH NJW 1997, 135). Daher ist grundsätzlich für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gegeben sind oder nicht (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 46).

Die Ergänzung in Gestalt des Einleitungssatzes hat im Übrigen auch nur einen deklaratorischen Charakter (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 91), da in der strafbewehrten Unterlassungserklärung selbst keine Anerkennung der Berechtigung der Abmahnung liegt, sondern diese allein die Funktion hat, mit Wirkung für die Zukunft die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (BGH, GRUR 2013, 1252 Rn. 10 – Medizinische Fußpflege). Somit ist der Erklärungsinhalt dieser Ergänzung schon nicht in der Lage, den Inhalt der nachfolgenden vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung abzuschwächen, so dass die Akzeptanz der Ergänzung seitens der A nicht ihre Bereitschaft belegen kann, den wesentlichen Inhalt der von ihr vorgegebenen Vertragsstrafeklausel zur Disposition zu stellen.

(4) Die umfangreichen Streichungen der Beklagten in Bezug auf andere Vertragsklauseln führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien ergibt sich, dass die Beklagte große Teile aus der vorformulierten Unterlassungserklärung herausgestrichen hat, nämlich in Gestalt der Klauseln zur Rechnungslegung (Ziff. I.2, II.5), zur Entschädigung (Ziff. I.3. II.6), zur Vernichtung (Ziff. III), zur Tragung anwaltlicher Kosten (Ziff. IV) und der Gerichtsstandsvereinbarung (Ziff. V). Im Ergebnis hat sie damit nur die mit einer Vertragsstrafeandrohung versehene Unterlassungsverpflichtung übernommen.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abänderung eines Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten im Einzelfall darauf hindeuten, dass die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH, NJW 2013, 2027 Rn. 20). Dagegen spricht vorliegend aber schon, dass die Klausel zur vertragsstrafebewehrten Unterlassung als namensgebender Kern einer Unterlassungserklärung inhaltlich unverändert übernommen wurde. Es erscheint auch fernliegend, dass die A in diesem Kernbereich Streichungen gleichermaßen akzeptiert hätte. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, NJW 2013, 2027), in dem sich die Parteien mehrfach über den Inhalt eines möglichen vertraglichen Wettbewerbsverbots austauschten, sich wechselseitig entsprechende Entwürfe unterbreiteten und zu den Entwürfen der Gegenseite Stellung nahmen, kann vorliegend auch keine gründliche Erörterung festgestellt werden. Eine einseitig vorgenommene Streichung von Klauseln ist keine gründliche Erörterung, so dass deren Akzeptanz kein Aushandeln im Hinblick auf die unverändert gebliebene Vertragsstrafeklausel nahelegt.

4. Die Vertragsstrafenabrede benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Vertragsstrafenabreden im kaufmännischen Verkehr fallen zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht unter § 309 Nr. 6 BGB, sie unterliegen aber gleichwohl der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 12).

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender mit der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (vgl. z. B. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 13).

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, dass im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. „Wesentliche Grundgedanken“ des dispositiven Rechts sind solche, denen eine Leitbildfunktion zukommt und die eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellen (BGH, NJW-RR 2019, 1072 Rn. 26). „Gesetzliche Regelungen" sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; NJW 1998, 1640, 1642).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Vertragsstrafeklausel wegen ihres ausnahmslosen Ausschlusses des Zusammenfassens von einzelnen Verstößen als unangemessen benachteiligend einzustufen, da sie von einem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken abweicht, ohne dass dies wegen besonderer Umstände gerechtfertigt wäre.

Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, dass der in der Klausel enthaltene Einschub „excluding the application of the continuation-of-offence clause“ (deutsche Übersetzung: unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs) einen im Zusammenhang mit Vertragsstrafenabreden veralteten – wenn gleichwohl in der Vertragspraxis weiterhin verwendeten (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11) – Rechtsbegriff verwendet und dieser bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2014 überholt war. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2001 (vgl. BGH, NJW 2001, 2622 – Trainingsvertrag) seine bisherige Auffassung aufgegeben, wonach die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht einen vom Strafrecht losgelösten Bedeutungsgehalt gewonnen hat (so noch BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat könne im Recht der Vertragsstrafe nicht mehr anerkannt werden. Es müsse vielmehr durch Auslegung ermittelt werden, ob einzelne Taten, soweit sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellten, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln seien (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs hat seitdem (auch) im Bereich des Vertragsstrafenrechts keine Bedeutung mehr (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 113). Dies hat zur Folge, dass nun durch Auslegung ermittelt werden muss, ob einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellen, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln sind. Diese unterschiedliche Betrachtung ändert allerdings nichts daran, dass die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen eine Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sind (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein nach der heutigen Rechtslage nicht mehr gebräuchlicher Rechtsbegriff verwendet, so ist – entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln – nach einem objektivierten Empfängerhorizont zu ermitteln, was unter diesem Begriff im Zusammenhang heutiger Verhältnisse und geltender Rechtslage verstanden werden kann (OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 5601 Rn. 27). Losgelöst von der konkreten Begrifflichkeit kann es vorliegend keine Zweifel geben, dass durch die Klausel ein Zusammenfassen von Einzelverstößen und damit eine „Vergünstigung“ bei Mehrfachverstößen ausgeschlossen werden soll, wie sie – bei alleiniger Verwendung der Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ – ansonsten im Wege der Auslegung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. hierzu BGH, GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung).

Ungeachtet der Tatsache, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Verstöße zusammenzufassen sind, nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichthofs die Vereinbarung der Parteien ist, entspricht es nach wie vor einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass je nach Einzelfall mehrere Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind und die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 2332). Daher muss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch geeignete Formulierungen sichergestellt werden, dass durch die Aufsummierung rechtlich zusammengehöriger Einzelstrafen keine unangemessene Gesamtstrafhöhe entsteht (BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 309 Nr. 6 Rn. 28). Schließt eine Klausel hingegen eine Behandlung mehrerer Zuwiderhandlungen als Einheit kategorisch aus, z. B. durch ein Verbot der Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs, so verletzt sie diesen Grundgedanken und stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 4, juris; OLG Nürnberg, MDR 2023, 1262, 1263; BeckOGK/Kähler, 1.4.2023, BGB § 307 Vertragsstrafeklausel Rn. 209; Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Vertragsstrafe“ Rn. 35; Pitz, in: BeckOF Prozess, 56. Ed. 2023, Form. 9.1.1.3 Anm. Rn. 1; offengelassen von: BGH, NJW 2017, 3145 Rn. 22, Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 94 a.E.).

So liegt der Fall auch hier. Die Vertragsstrafeklausel benachteiligt den Schuldner durch den Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs unangemessen. Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Abweichung vom Rechtsgrundsatz der Zusammenfassung bei natürlicher Handlungseinheit ausnahmsweise rechtfertigen könnten, z. B. in Form einer aus bestimmten Gründen gegebenen Notwendigkeit oder besonderer Interessen der Gläubigerseite (vgl. hierzu BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich in den letzten 30 Jahren seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) in der Praxis die Verwendung von Klauseln, die eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung ohne einen entsprechenden Ausschluss vorsehen, aus Gläubigersicht als unzureichend erwiesen hätte.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass auch der Unterlassungsschuldner ein Interesse an der Wirksamkeit einer solchen Vertragsstrafeklausel habe, da bei der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vertragsstrafeklausel die Wiederholungsgefahr wiederauflebe, so verfängt dies nicht. So überzeugt bereits die Argumentation nicht, dass ein Unterlassungsschuldner stets eine ihn ungemessen benachteiligende Vertragsstrafeklausel hinnehmen wolle, um (weiterhin) die Wiederholungsgefahr beseitigt zu sehen. Denn er hat es in der Hand, diese Wirkung durch die Abgabe einer eigenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr keiner Annahme durch den Gläubiger bedarf (BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle), wiederherzustellen.

Der Senat setzt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in einen Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lauterkeitsrecht. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mitnichten seine Rechtsprechung zur unangemessenen Benachteiligung von Klauseln, die den Fortsetzungszusammenhang ausschließen (BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang), aufgegeben. Er hat dort allein darauf verwiesen, dass in dem zu entscheidenden Fall die Verneinung eines Missbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. nicht deshalb anders zu beurteilen sei, weil der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs in einer dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorgesehen hatte (vgl. BGH, GRUR 2012, 286 – falsche Suchrubrik). Eine (stillschweigende) Billigung dieser Klauseln unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung kann hieraus nicht hergeleitet werden. Vielmehr führt die Verwendung dieser Klauseln nicht (zugleich) auch zwangsläufig zu der Annahme einer missbräuchlichen Rechtsdurchsetzung im Sinne des Lauterkeitsrechts.

Soweit die Klägerin – ebenfalls unter Bezugnahme auf das Lauterkeitsrecht – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (MDR 2023, 1262=GRUR-RS 2023, 18853) verweist, so verkennt sie, dass sich dieses in der von der Klägerin zitierten Passage (GRUR-RS 2023, 18853 Rn. 36) allein mit der Frage einer Zulässigkeit des Ausschlusses des Fortsetzungszusammenhangs im Rahmen einer Individualvereinbarung befasst. Dahingegen wird eine Randnummer zuvor zutreffend darauf hingewiesen, dass „in allgemeinen Geschäftsbedingungen […] eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam“ ist (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 35).

c) Das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung führt gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Bestimmung. Dies hat vorliegend zur Folge, dass die gesamte Vertragsstrafeklausel als unwirksam anzusehen ist.

Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion scheidet es insbesondere aus, die Klausel durch die Streichung des Einschubes zum Fortsetzungszusammenhang auf ein zulässiges Maß zurückzuführen (so auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 5, juris). Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bundesgerichtshof dies in seiner Entscheidung „Fortsetzungszusammenhang“ (BGH, NJW 1993, 721) abweichend beurteilt habe. Denn dort musste sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage nicht befassen, da schon die Bejahung der Unwirksamkeit der Ausschlussklausel zu einer Aufrechterhaltung des Urteils der Berufungsinstanz führte, die die Klausel nur einschränkend ausgelegt hatte und deshalb zur Abweisung weiterer Ansprüche der (Revisions-)Klägerin gelangt war.

Die Klausel ist auch nicht aufteilbar im Sinne eines „blue-pencil-tests“. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die eigentliche Vertragsstrafenabrede aus Ziffer 1 der Unterlassungserklärung herauslösen ließe, so dass mit der – dann nicht mehr strafbewehrten – Verpflichtung zum Unterlassen ein zulässiger Teil verbliebe. Denn die Vertragsstrafenabrede an sich, von deren Wirksamkeit der Klageerfolg abhängt, ist jedenfalls nicht teilbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs. Hierfür wäre Voraussetzung, dass sich in einer Klausel mehrere inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen finden, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können (BGH, NJW 2020, 1811 Rn. 26). Dies könnte zwar gegebenenfalls für die Verpflichtung zur Unterlassung einerseits und für die Vertragsstrafenabrede andererseits zu bejahen sein. Der Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs innerhalb der Vertragsstrafeklausel stellt hingegen keine eigenständige Regelung dar, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein könnte, sondern bestimmt allein und von dieser abhängig die Reichweite der Vertragsstrafe (so auch OLG Frankfurt, und OLG Köln a.a.O.). Ein Herausstreichen würde damit kein Aufteilen zweier zusammengefasster selbständiger Regelungen in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil darstellen, sondern wäre eine unzulässige geltungserhaltene Reduktion.


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LG Berlin: Abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß wenn im Online-Shop auf der Seite zur Abgabe der Bestellung nicht alle wesentlichen Merkmale der Ware aufgelistet werden

LG Berlin
Urteil vom 07.11.2023
91 O 69/23


Das LG Berlin hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn in einem Online-Shop auf der Seite zur Abgabe der Bestellung entgegen § 312j Abs. 2 BGB nicht alle wesentlichen Merkmale der Ware aufgelistet werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Antragsgegnerin ist als Vertreiberin der streitgegenständlichen Kleidungsstücke für den Onlineauftritt einschließlich Onlineshop unstreitig verantwortlich und damit passiv legitimiert.

3. § 312j Abs. 2 BGB dient dem Schutz der Verbraucher und ist somit eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 3a Rn. 1.311).

Gemäß § 312j Abs. 2 BGB ist der Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, dem Verbraucher u.a. die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, somit die wesentlichen Eigenschaften der Ware, in dem für das Kommunikationsmittel und für die Ware angemessenen Umfang, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen.

a) Ein Zurverfügungstellen der Informationen, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, liegt nur dann vor, wenn sich die Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Kunde den Bestellvorgang abschließt, nicht aber, wenn die Informationen nur über einen Link abrufbar sind oder aber sogar nur - wie vorliegend - über das Anklicken der Produktdetailseite ohne eindeutigen Hinweis darauf, dass sich hier die Materialzusammensetzung befindet (Palandt-Grüneberg, BGB, 82. Aufl. § 312j Rn. 7; OLG München, GRUR-RR 2019, 265; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 5 W 14/14, juris, dort Tz. 3; vgl. auch OLG Köln NJW-RR 2015, 1453 Tz. 16). Dies ergibt sich unzweideutig aus der Gesetzesbegründung, in der insoweit ausgeführt ist (BT Drucksache 17/7745 S. 10):

Die Informationen müssen im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Abgabe der Bestellung stehen. Wenn - wie meist - die Bestellung über eine Schaltfläche erfolgt, müssen die Informationen in räumlicher Nähe zu der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden, damit das Merkmal der Unmittelbarkeit erfüllt ist. ... Keinesfalls genügt es, wenn die Informationen erst über einen gesonderten Link erreichbar oder nur einem gesondert herunterzuladenden Dokument entnehmbar sind.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich auch aus der Richtlinie 2011/83/EU, deren Art. 8 Abs. 2 durch § 312j Abs. 2 BGB umgesetzt wird (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O. § 312j Rn. 1), dass die Anzeige der wesentlichen Eigenschaften auf derselben Internetseite zu erfolgten hat, auf der die Bestellung abgeschlossen wird. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/83/EU lautet wie folgt:

Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Artikel 6 Abs. 1 Buchstaben a, e o und p genannten Informationen hin.

In Art. 6 Abs. 1 a) RL 2011/83/EU, der durch Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB umgesetzt wurde, sind wiederum die wesentlichen Eigenschaften der Waren in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren angemessenen Umfang genannt. In Erwägungsgrund 39 der RL 2011/83/EU heißt es hinsichtlich des Ortes der Anzeige:

Es ist wichtig, dass sichergestellt wird, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sollte in dieser Richtlinie dafür Sorge getragen werden, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden.

Nach der Richtlinie 2011/83/EU, deren Umsetzung § 312j Abs. 2 BGB dient, sollen die Informationen, auf die unmittelbar vor der Bestellung hinzuweisen ist, somit in unmittelbarer Nähe der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden, was bei einer bloßen Verlinkung gerade nicht der Fall ist. Dass die bloße Verlinkung auf die auf einer anderen Internetseite angegebenen wesentlichen Eigenschaften der Ware den Anforderungen des § 312j Abs. 2 BGB nicht genügt, ergibt sich auch daraus, dass die Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB mit den Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 (Gesamtpreis) und Nr. 11 und 12 (Laufzeit des Vertrages, Mindestdauer der Verpflichtungen) identisch geregelt sind. Dass hinsichtlich der Gesamtpreisangaben, der Vertragslaufzeit und der Mindestdauer der Vertragspflichten eine bloße Verlinkung auf diese in der Nähe des Bestellbuttons ausreichend sein sollte, ist aus Gründen des Verbraucherschutzes, dem die Regelungen dienen, fernliegend. Es mag aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit bei größeren Bestellungen - de lege ferenda - in Betracht kommen, hinsichtlich der wesentlichen Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen auch eine Verlinkung auf andere Seiten in der Nähe der Bestellschaltfläche für ausreichend zu erachten. De lege lata genügt dies den Anforderungen nicht.

b) Bei dem Material des Stoffes, dem Material des Gestells und dem Gewicht bei Sonnenschirmen sowie beim Material bei Bekleidungsstücken handelt es sich auch um wesentliche Eigenschaften der Waren im Sinne des Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (OLG München, GRUR-RR 2019, 265 (bestätigt doch BGH vom 28.11.19 zu I ZR 43/19 - juris; vgl. auch OLG Köln, BeckRS 2016, 119172, Tz. 39; OLG Hamm, Beschluss vom 14.03.2017, Az. 4 W 34/16, 4 W 35/16, juris, dort Tz. 19 - Warenkorbansicht; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 5 W 14/14, juris, dort Tz. 7). Hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs der gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu erteilenden Informationen kommt es auf die konkrete Ware an. Maßgebend ist eine Beschreibung, aus der der Verbraucher die für seine Entscheidung maßgeblichen Merkmale entnehmen kann (BT-Drucksache 17/12637 S. 74). Da für den Verbraucher die Zusammensetzung des Materials eines Kleidungsstückes von maßgeblicher Bedeutung ist, handelt es sich um eine aufzuführende wesentliche Eigenschaft eines T-Shirts oder anderer Kleidungsstücke (vgl. OLG Hamburg a.a.O. Tz. 7; a. A. OLG Hamm a.a.O. Tz. 19 - Warenkorbansicht).

c) Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.

II. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Nach § 12 Abs. 1 UWG können einstweilige Verfügungen zur Sicherung der vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfassten Ansprüche allerdings ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Im Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 UWG setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich keine gesonderte Darlegung und Glaubhaftmachung der in §§ 935, 940 ZPO geregelten Dringlichkeitsvoraussetzungen voraus; die Dringlichkeit wird insoweit vermutet (KG, Urteil vom 02. Juni 2017 – 5 U 196/16, Rn. 3, juris). Die von § 12 Abs. 1 UWG vorgesehene Vermutung kann jedoch dadurch widerlegt werden, dass der Verletzte durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass die Verfolgung des beanstandeten Verstoßes für ihn selbst nicht eilig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 01. Juli 1999 – I ZB 7/99, Rn. 11, juris – Späte Urteilsbegründung). Eine solche Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung kommt nicht nur bei zögerlicher Verfahrenseinleitung (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 5. Dezember 2019 – 6 U 151/19, Rn. 16, juris), sondern auch dann in Betracht, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch sein (Prozess-)verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 – I-4 U 57/21, Rn. 41, juris; KG, Urteil vom 17. Oktober 2014 – 5 U 63/14, Rn. 38, juris). Von einer zögerlichen Verfahrenseinleitung ist auszugehen, wenn der Verletzte in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortdauernd drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert hat. Dringlichkeitsschädlich verhält sich der Antragsteller dabei nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts regelmäßig dann, wenn er vom Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Person des Verletzers sowie von den maßgeblichen Umständen der Verletzungshandlung bis zur Einreichung des Verfügungsantrags länger als zwei Monate zugewartet hat (KG, Urteil vom 02. Juni 2017 – 5 U 196/16, Rn. 4, juris). Das ist vorliegend nicht der Fall gewesen. Soweit die Antragsgegnerin die angeblich zögerliche Verfahrenseinleitung rügt, so verkennt sie dabei, dass die Dauer der außergerichtlichen Korrespondenz maßgeblich dadurch geprägt war, dass die Antragsgegnerin vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten zweifach Fristverlängerung begehrt haben.


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BGH: Auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG hat Abmahnverein Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZB 42/23


Der BGH hat entschieden, dass auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG ein Abmahnverein über die notwendige Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren verfügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren nicht entgegen, dass er - anders als noch im Erkenntnisverfahren auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF) angenommen - gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 geänderten und seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (BGBl. | S. 2568, 2574; UWG nF) nicht mehr klagebefugt wäre, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF eingetragen ist.

a) Die Zwangsvollstreckung ist ein vom Erkenntnisverfahren selbständiges und unabhängiges Verfahren (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., 85 Rn. 10). Die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG nF.

[…]

cc) Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind.

(1) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF standen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF, um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können. Damit soll ein Missbrauch der Anspruchsverfolgung verhindert werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucks. 19/12084, S. 26 f.; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., 88 Rn. 3.31; BeckOK.UWG/Haertel, 22. Edition [Stand 1. Oktober 2023], 8 8 Rn. 171). Nach § 15a Abs. 1 UWG nF ist diese Neuregelung nicht auf Verfahren anzuwenden, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind.

(2) Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG arF/nF regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - | ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 13] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur) für die Geltendmachung von Beseitigungs- und (bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren. Ein Wegfall dieser Prozessführungsbefugnis durch die Neuregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF kann einer Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, für das es gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Parteistellung im Titel (oder der Klausel) ankommt (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard aaO 8 10 Rn. 60 und 8 23 Rn. 30), nicht entgegengehalten werden (vgl. KG, NJW 1995, 1036 [juris Rn. 9]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 1997 - 2 W 30/97, juris Rn. 31; aA Engler, NJW 1995, 2185, 2188; Koch/Artz, WM 2001, 1016, 1021).

(3) Dem steht die Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken, nicht entgegen. Ein Missbrauch kann in erster Linie auf der Ebene der prozessualen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis wirksam verhindert werden. Für eine Übertragung dieser Einschränkung in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich an der Parteistellung im zu vollstreckenden Titel orientiert (vgl. BGH, NJW 2018, 399 [juris Rn. 13]) besteht kein Bedürfnis.

dd) Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (vgl. BeckOK.UWG/Scholz aaO 8 12 Rn. 349a) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist.

b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein.

aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - V ZB 15/01, BGHZ 148, 392 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 135/03, BGHZ 158, 159 [juris Rn. 11]; GaulV/Schilken/ Becker-Eberhard aaO 8 40. Rn. 2).

bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Uhnterlassungstitel nach Wegfall der Sachbefugnis des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1995 [BGBi. | S. 1738], das keine dem § 15a Abs. 1 UWG nF vergleichbare Übergangsvorschrift enthielt, vgl. BGHZ 133, 316 [juris Rn. 31 bis 33] - Altunterwerfung I, mwN; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - | ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] =WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; Engler, NJW 1995, 2185, 2186).

cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (vgl. zum Streitstand Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 52 f. mwN) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (vgl. Scholz in Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavani, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Aufl., Rn. 1173; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., $ 927 Rn. 9a; zur erforderlichen einschränkenden Auslegung eines solchen Verzichts vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - | ZR 146/07, BGHZ 181, 373 [juris Rn. 26] - Mescher weis; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl, 812 Rn. 156; Teplitzky/Bacher aaO Kap. 43 Rn. 8).



BGH legt EuGH vor: Ist Werbung mit Zahlungsmodalität "bequemer Kauf auf Rechnung" ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZR 14/23
Bequemer Kauf auf Rechnung
Richtlinie 2000/31/EG Art. 6 Buchst. c; TMG § 6 Abs. 1 Nr. 3; Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 5 und Anhang II; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob die Werbung mit Zahlungsmodalitäten wie "bequemer Kauf auf Rechnung" ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ist.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie
2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"; ABl. L 178 vom 17. Juni 2000,S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Werbung mit einer Zahlungsmodalität (hier: "bequemer Kauf auf Rechnung"),
die zwar nur einen geringen Geldwert hat, jedoch dem Sicherheits- und Rechtsinteresse
des Verbrauchers dient (hier: keine Preisgabe sensibler Zahlungsdaten; bei Rückabwicklung des Vertrags keine Rückforderung einer Vorleistung), ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne des Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr dar?

BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 - I ZR 14/23 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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OLG Karlsruhe: Kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt

OLG Karlsruhe
Urteil vom 10.01.2024
6 U 28/23


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung ist hingegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung zu beseitigen und die Klage insoweit abzuweisen. Denn der vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung von Kosten ist unbegründet.

Es fehlt an den Voraussetzungen, von denen ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 UWG mit Blick auf Anforderungen an die ihm zugrunde gelegte Abmahnung abhängt. Insoweit können die Anspruchsvoraussetzungen im Streitfall auch nicht durch Zubilligung eines Anspruchs nach der vom Kläger ergänzend angeführten Vorschrift in § 9 UWG oder nach §§ 670, 677, 683 Satz 1 BGB unterlaufen werden (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 32; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47), zumal ein ersatzfähiger Schaden oder eine ersatzfähige Aufwendung nur den Kosten solcher Maßnahmen liegen könnten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren (siehe BGH, GRUR 2011, 754 Rn. 15 ff - Kosten des Patentanwalts II), was auf eine die gesetzlichen Anforderungen verfehlende Abmahnung nicht zutrifft.

a) Nach § 13 Abs. 3 UWG kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nicht schon dann verlangen, wenn und soweit die Abmahnung berechtigt ist; Voraussetzung des Ersatzanspruchs ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zudem, dass die Abmahnung den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 99; MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 241; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47).


b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verfehlt die Abmahnung allerdings nicht die Anforderungen an die Angaben zu Name oder Firma des Abmahnenden nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Ob dazu auch im Allgemeinen die Angabe der Anschrift des Abmahnenden gehört, kann dahinstehen. Sie war jedenfalls im Streitfall zur Angabe des Namens oder der Firma des Abmahnenden nicht erforderlich, der aus Sicht der früher bei diesem beschäftigten Beklagten zweifelsfrei identifiziert war. Abgesehen davon, dass der Beklagten aus dem früheren beruflichen Verhältnis zum Kläger zudem dessen Anschrift des Klägers bekannt gewesen sein musste, war dieser auf die Abmahnung hin über dessen in der Abmahnung mit Anschrift genannten Bevollmächtigten erreichbar.

c) Die Abmahnung war auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unzureichend, soweit nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG anzugeben sind. Diese ergaben sich ohnehin für jedermann klar und verständlich aus der Information im Abmahnschreiben, der Abmahnende sei Inhaber des Friseurbetriebs […] in […], wo er die typischen Dienstleistungen des Friseurhandwerks anbiete. Erst recht waren weitere Angaben nicht gegenüber der Beklagten erforderlich, der die geschäftliche handwerkliche Tätigkeit des Klägers aus ihrer früheren Beschäftigung zudem näher bekannt war.

d) Die Abmahnung ist auch nicht mit Blick auf die Anforderungen an die Bezeichnung der Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG) und die im Abmahnschreiben des Klägers erhobene Unterlassungsforderung ungeeignet, einen Anspruch auf Kostenerstattung zu begründen.

Erforderlich ist (nur), den Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau anzugeben und den darin erblickten Verstoß so klar und eindeutig zu bezeichnen, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (vgl. BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Der Abmahnende muss daher (nur) die begangene Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so detailliert schildern, dass dem Abgemahnten deutlich wird, was der Abmahnende konkret beanstandet und was der Abgemahnte abstellen oder künftig unterlassen soll (BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Dem genügen die Darlegungen des Abmahnschreibens dazu, welches Verhalten beanstandet wurde. Dazu wies die Abmahnung im Übrigen im Kern rechtlich zutreffend auf die „marktverhaltensregelnden Normen“ zur Ausübung des Friseurhandwerks im stehenden Gewerbe und die Kriterien zur Abgrenzung vom Reisegewerbe hin, beanstandete (als die abgemahnte Handlung), dass die Beklagte im Internet herausstelle, dass sich Interessierte unter Zuhilfenahme der vorgegebenen Angaben an sie wenden sollten, um sie mit der Leistungserbringung zu beauftragen, und verlangte, dass die Beklagte sich stattdessen vielmehr werbemäßig an die Vorgaben des Reisegewerbes halten müsse. Dass die Abmahnung das beanstandete Verhalten rechtlich unzutreffend als Irreführung im Sinn von § 5 UWG durch Umgehung der Berufsausübungsregeln des Reisegewerbes einordnete, kennzeichnete die geltend gemachte Verletzungshandlung nicht und steht der Erfüllung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung nicht entgegen.

Die Abmahnung war dabei auch nicht etwa deshalb (teilweise) unberechtigt, weil die darin für die Beklagte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst war. Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 35 mwN - Jogginghosen). Da die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung eher sprachlich missglückt scheint, als dass sie offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausginge, ist auch kein Ausschluss von Ansprüchen wegen Rechtsmittbrauchs nach § 8c Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 5 UWG zu erkennen.

d) Zu den Inhalten der Abmahnung, die für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 UWG erforderlich sind, gehört aber nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch, dass in der Abmahnung klar und verständlich angegeben wird, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

aa) Die Abmahnung gibt zwar – entgegen der Rüge der Berufung – eine Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs und deren Einforderung an.

bb) Sie genügt aber nicht der Anforderung, diese Angabe klar und verständlich zu machen und dabei anzugeben, wie sich der Aufwendungsersatzanspruch berechnet. Die Abmahnung gibt nur an, die zu erstattenden Kosten machten aufgrund eines Streitwerts von 10.000 € einen Betrag von 1.192,86 € aus. Sie gibt weder an, welche Art von Gebühr(en) und welcher Gebührensatz der Berechnung zugrunde liegen, noch ob in dem geforderten Betrag Umsatzsteuer enthalten ist.

Dabei kann dahinstehen, ob eine Angabe des geforderten Betrags in Verbindung mit einer Angabe des Gegenstandswerts genügt, wenn der Abgemahnte aus diesen Angaben durch eigene Rück- oder Proberechnung erschließen kann, dass eine der Kostenforderung eine – regelmäßig angesetzte – 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG bei nebst Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens 20 € zugrundeliegt, wobei sich aus dem angegeben Kostenbetrag ferner erschließen lässt, ob diese mit oder ohne Umsatzsteuer erstattet verlangt wird (siehe aber etwa MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 255). Dies ist im Streitfall nämlich ebenso wenig möglich wie sonstige Berechnungen zur Feststellung, welche Parameter zu dem in der Abmahnung genannten Kostenbetrag führen konnten. Bei dem angegebenen Streitwert von 10.000 € würden sich Gebühren in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr und einer Pauschale von 20 € selbst zuzüglich Umsatzsteuer lediglich auf 973,66 € belaufen. Es ist der Abmahnung nicht zu entnehmen, welche anderen (höheren) Ansätze eines Streitwerts und/oder Gebührensatzes mit oder ohne Umsatzsteuer zu dem von der Abmahnung genannten Betrag geführt haben könnten.

cc) Ob der Kläger seine – nun abweichend bezifferte – Klageforderung mit der darauf gerichteten Klageerweiterung vom 17. August 2022 (AS I 18) hinreichend erläutert hat, kann dahinstehen. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG verlangt ausreichenden Angaben gerade in der Abmahnung. Eine nachvollziehbare Kostenberechnung in einer späteren Klagebegründung genügt zumindest nach den Umständen des Streitfalls nicht, um einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung (nachträglich) zu begründen.

Es kann offenbleiben, ob eine Heilung formaler Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG ausnahmsweise möglich ist und dann auch zur Wahrung des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 3 UWG führt, solange dem Abgemahnten noch keine Aufwendungen für die Rechtsberatung oder -verteidigung entstanden sind (so Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 59 unter Hinweis auf BT-Drucks. 19/12084 S. 33; siehe auch Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 93a). Eine Heilung dadurch, dass die in § 13 Abs. 2 UWG aufgezählten Informationen vom Abmahnenden nachgereicht werden, wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfs ohnehin nur im Hinblick auf die Grundlage für einen Gegenanspruch des Abgemahnten in Betracht gezogen und dort jedenfalls nicht für möglich gehalten, wenn die Informationen erst in einem Gerichtsverfahren nachgereicht werden (BT-Drucks. 19/12084 S. 33).

Im Übrigen hat der Kläger auch mit der Klageerweiterung keine Informationen dazu gegeben, die den im Abmahnschreiben geforderten Betrag nachvollziehen ließen, und zudem nicht angegeben, ob er die (außergerichtliche) Forderung in der im Abmahnschreiben angegebenen Höhe aufrechterhält. Letzteres scheint insbesondere deshalb unklar, weil der Kläger sich bei der Klageerweiterung ausdrücklich insbesondere die Geltendmachung weitergehender Schadensersatzansprüche vorbehalten hat. Daher lässt sich eine Heilung auch nicht damit rechtfertigen, dass die Beklagte außergerichtlich und bis zur (erst nach der Klageerweiterung) erfolgten Verteidigungsanzeige möglicherweise noch keinen Rechtsanwalt beauftragt haben mag und eine Kostenfolge womöglich durch sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO hätte vermeiden können. Im Übrigen wären ihr auch für ein Anerkenntnis im vorliegenden Anwaltsprozess vor dem Landgericht Rechtsverteidigungskosten entstanden und hätten darauf beruht, dass der Kläger seine Forderung erst im Prozess nachvollziehbar dargelegt hat. Die Beklagte hätte allenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger gehabt und somit dessen Insolvenzrisiko getragen. Schon deshalb ist die Annahme einer allenfalls in engen Grenzen möglichen Heilung des Verstoßes der Abmahnung gegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht gerechtfertigt. Denn der Grund dafür, dass nach § 13 Abs. 3 UWG schon bloße formale Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG zum Nachteil des Abgemahnten führen sollen, liegt darin, den Abmahnenden dazu anzuhalten, die Abmahnung formal sorgfältig zu gestalten, um nicht durch fehlende Angaben (vermeidbare) Kosten bei dem Abgemahnten zu verursachen (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 33). Eine unzureichende Angabe des Kostenerstattungsanspruchs ist geeignet, den Abgemahnten von der außergerichtlichen Erfüllung abzuhalten und dazu zu veranlassen, das damit einhergehende Risiko einer mit Kostenaufwand verbundenen gerichtlichen Inanspruchnahme einzugehen.

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OLG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit 0%-Finanzierung im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt wenn zugleich Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

OLG München
Urteil vom 19.10.2023
6 U 3908/22


Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "0%-Finanzierung" im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt vorliegt, wenn zugleich ein Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

Aus den Entscheidungsgründen:
2) Indem die Beklagte eine 0%-Finanzierung zum Erwerb im Rahmen ihrer Online-Shops unter www.s...de und www.m...de blickfangmäßig beworben und lediglich im Rahmen eines nur schwer leserlichen und inhaltlich nicht hinreichend klaren auflösenden Hinweises zu einem Sternchenvermerk darauf hingewiesen hat, dass über die Finanzierung des Produkts hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag bis zu einem Nettodarlehensvertrag von EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P. mit einer veränderlichen Sollzinsbelastung von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) abgeschlossen wird, hat sie gegen das Irreführungsverbot gemäß § 5 Abs. 1 UWG verstoßen.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

aa) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Tatsachen oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 UWG genannten Umstände enthält. Hierzu zählen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG insbesondere die wesentlichen Merkmale der fraglichen Ware oder Dienstleistung einschließlich deren Art, Risiken und Zusammensetzung. Zur Täuschung im Sinne von § 5 Abs. 2 Alt. 2 UWG geeignet und damit irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den angesprochenen Kunden eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht, wobei es für die Beurteilung auf den Gesamteindruck ankommt, den die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 12.05.2022, Az. I ZR 203/20, GRUR 2022, 925 Tz. 18 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 04.07.2019, Az. I ZR 161/18, GRUR 2020, 299 Tz. 10 – IVD-Gütesiegel; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56). Wird dabei eine Angabe blickfangmäßig herausgestellt, darf diese für sich genommen nicht unrichtig oder für den Verkehr missverständlich sein (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 16 – All Net Flat; BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Vermittelt eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung, kann der dadurch veranlasste Irrtum nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhaben muss, was nur dann der Fall ist, wenn der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher die aufklärenden Hinweise auch wahrnimmt (BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Irreführungsverbotes der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie Nr. 2005/29/EG) entsprechend darin besteht, den Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 18 – All Net Flat).

bb) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist eine Irreführung über die Art und Zusammensetzung der von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb verschiedener Elektrogeräte angebotenen Dienstleistung einer 0%-Finanzierung im vorliegenden Fall zu bejahen, § 5 Abs. 2 Alt. 2 Nr. 1 UWG.

(1) Dabei sieht sich der Senat im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Würdigung an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden. Insbesondere mit Blick auf den vom Landgericht auf Seiten 3 und 4 des angegriffenen Urteils festgestellten Inhalt der klarstellenden Hinweise ist daher davon auszugehen, dass die von der Beklagten im Rahmen ihrer Online-Shops verwendeten Hinweistexte jeweils übereinstimmen. Dass ausweislich der Anlage K 3 betreffend das im Online-Shop www.s...de angebotene Produkt LG OLED55CX9LA OLED TV der Sternchenvermerk (***) nicht die eigentliche 0%-Finanzierung näher erläutert, sondern zunächst darauf hinweist, dass das Angebot „nur für direkt von Saturn angebotene Produkte“ gilt, mit der H. Bank GmbH & Co KG, …, im Fortfolgenden ein weiterer Finanzierungspartner genannt wird und auch der Satz, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. …, … sei, fehlt, war im Rahmen der Irreführungsprüfung daher nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des im Online-Shop www.m. .de angebotenen Produkts LG OLED65CX9LA OLED TV, bei dem ebenfalls der weitere Finanzierungspartner H. Bank …, genannt ist und der Hinweis, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. sei, fehlt (Anlage K 4). Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils weist insoweit keine Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten auf und wurde von den Parteien auch nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Ein Rückgriff auf die von der Klägerin vorgelegten Anlagen und den sich hieraus ergebenden tatsächlichen Text der Hinweise ist dem Senat daher verwehrt (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, Az. I ZR 137/20, WRP 2022, 48 Tz. 27 f. – Kaffeebereiter).

(2) Ungeachtet dessen stellt sich aber die streitgegenständlich beworbene 0%-Finanzierung unter Berücksichtigung des vom Landgericht festgestellten Hinweistextes als irreführend dar (nachfolgend (a)). Die zu den Sternchenvermerken von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen nicht, um eine Irreführung im vorliegenden Fall auszuschließen. Dem Verbraucher wird die entgegen der beworbenen 0%-Finanzierung tatsächlich mögliche Zinsbelastung in den in der Fußzeile der jeweiligen Homepage abgedruckten Hinweisen nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert (nachfolgend (b)).

(a) Die streitgegenständliche 0%-Finanzierung wurde von der Beklagten blickfangmäßig in einem Kästchen unmittelbar unterhalb der Preisangabe des jeweils zu erwerbenden Produkts beworben und herausgestellt. Mit der blickfangmäßigen Herausstellung der 0%-Finanzierung einschließlich der mit der Höhe und Anzahl der Raten klar bezeichneten wesentlichen Konditionen weckt die Beklagte bei dem angesprochenen Verbraucher die Erwartungshaltung, im Zusammenhang mit dem Erwerb der jeweiligen Ware keine, auch keine potentielle weitere Zinsbelastung tragen zu müssen. Dieser Verbrauchervorstellung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse nicht. Denn tatsächlich wird dem Verbraucher bei einem Einkauf über die Online-Shops der Beklagten unter www.s. .de und www.m. .de mit der Wahl der ihm angebotenen 0%-Finanzierung nicht nur eine entsprechende zinsfreie Finanzierung des tatsächlich erworbenen Produkts in Form eines Ratenkredits ermöglicht, sondern darüber hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag bis zu EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P.vermittelt und hierzu eine Mastercard zugesandt, bei deren Gebrauch dem Verbraucher erhebliche weitere Kosten in Höhe eines veränderlichen Sollzinssatzes von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) entstehen können.

Ihrem Inhalt nach richtet sich die streitgegenständliche Werbung an Endverbraucher. Maßgeblich ist damit die Sichtweise des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 20 – 150% Zinsbonus; BGH, Urt. v. 24.10.2022, Az. I ZR 50/500, GRUR 2003, 163, 164 – Computerwerbung II). Da die Mitglieder des erkennenden Senats zu den von der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen Verkehrskreisen zählen, können diese die mit der von der Beklagten angebotenen 0%-Finanzierung erzeugte Vorstellung aus eigener Anschauung selbst beurteilen. Angesichts der dem Wortlaut nach auf eine Finanzierung zu 0% Zinsen gerichteten Werbung und der zugleich angegebenen Anzahl und Höhe der zu bezahlenden Raten versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher die ihm dargebotene Finanzierungsmöglichkeit dahingehend, das fragliche Produkt gegen Zahlung der nach Anzahl und Höhe benannten Raten ohne jede zusätzliche Zinsbelastung erwerben zu können.

Dabei ist zwar entgegen dem Landgericht davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verbraucher die fragliche Werbung nicht lediglich flüchtig wahrnehmen wird. Denn bei den streitgegenständlichen Produkten, hier Fernseher der Marken Sony und LG mit OLED-Technologie, handelt es sich um hochpreisige Güter, die nicht Gegenstand alltäglicher Erwerbsgeschäfte sind, sondern typischerweise auf einer überlegten und geplanten Kaufentscheidung beruhen. Daher wird der Durchschnittsverbraucher im Grundsatz den unmittelbar in dem unterhalb der Preisangabe des jeweiligen Produkts blickfangmäßig hervorgehobenen Kästchen als solchen erkennbaren Sternchenvermerk zu der dort angebotenen 0%-Finanzierung wahrnehmen und diesem auch nachgehen. Da dem Verbraucher aber die zum Zwecke der Finanzierung primär relevanten Informationen betreffend die Höhe und Anzahl der von ihm zu zahlenden Raten bereits aus der eigentlichen Blickfangwerbung bekannt sind, wird er im Rahmen des Sternchenvermerks allenfalls ergänzende Informationen zur Abwicklung des Ratenkredits, insbesondere zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Raten und den zur Zahlungsabwicklung benötigten Bank- und Kontodaten des Zahlungsempfängers, erwarten. Stattdessen enthält der Sternchenvermerk aber neben der Angabe verschiedener in Betracht kommender Zahlungsdienstleister den Hinweis auf einen im Falle des Einkaufs über den jeweiligen Online-Shop mit dem Finanzierungspartner BNP P. zustande kommenden Rahmenkreditvertrag sowie auf eine in diesem Zusammenhang dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Mastercard, bei deren Gebrauch ihm möglicherweise Zinszahlungspflichten in Höhe von bis zu 15,9% effektiver Jahreszins des aus dem Kreditrahmen in Anspruch genommenen Betrages entstehen können. Der Inhalt des streitgegenständlichen Sternchenvermerks begründet mithin einen angesichts der aus dem Blickfang heraus klaren Verbrauchervorstellung einer vollständig zinsfreien Finanzierung eines spezifischen Erwerbsgeschäfts überraschenden Widerspruch zu der dem Verbraucher letztlich bei Gebrauch der im Zusammenhang mit der 0%-Finanzierung übersandten Mastercard möglicherweise entstehenden Zinszahlungspflicht und belegt somit das für die Annahme der Irreführung entscheidende Auseinanderfallen von Verbrauchervorstellung einerseits und tatsächlicher Situation andererseits.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang das mit Schriftsatz vom 29.08.2023 sowie in der mündlichen Verhandlung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vertiefte Argument, wonach dem relevanten Durchschnittsverbraucher aus verschiedenen Internetveröffentlichungen bekannt sei, dass auch im Falle von 0%-Finanzierungen alles seinen Preis habe und insoweit verschiedene Geschäftsmodelle einschließlich des zugleich mit dem Warenerwerb erfolgenden Verkaufs von Kreditkarten praktiziert würden. Von Verbraucherschutzorganisationen und Anbietern von Verbraucherinformationen veröffentlichte Hinweise und Warnungen vor versteckten Kostenfallen sind insoweit bereits im Ansatz nicht geeignet, das Vorstellungsbild des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers dahingehend zu prägen, dass dieser im Hinblick auf die im Einzelfall zu beurteilende Werbung keiner Fehlvorstellung unterliegt. Die von der Beklagten vorgelegten Internetpublikationen zeigen im Gesamtbild vielmehr, wie unklar und heterogen sich die Gestaltung von 0%-Finanzierungen darstellt. Hieraus folgt aber gerade nicht, dass eine Irreführung mangels entsprechender Fehlvorstellung des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers per se ausgeschlossen ist. Vielmehr ist damit im Gegenteil umso mehr belegt, dass der Anbieter einer 0%-Finanzierung gerade unmissverständlich und hinreichend klar erläutern muss, mit welchen möglichen Zusatzkosten ein Verbraucher gegebenenfalls rechnen muss, um in dem jeweiligen Einzelfall eine Irreführung auszuschließen.

(b) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sind die zu den Sternchenvermerken vorgehaltenen Hinweise weder nach Art noch nach Inhalt hinreichend klar, um die dargelegte Irreführung zu beseitigen. Die in der Fußzeile der streitgegenständlichen Internet-Webseiten von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen den Anforderungen an einen dem Bundesgerichtshof zufolge im Falle einer durch eine blickfangmäßige Werbung verursachten Fehlvorstellung notwendigen klarstellenden Hinweis nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verbraucher auf Grund der wortlautgemäß eindeutigen Blickfangwerbung für die streitgegenständliche 0%-Finanzierung keinerlei Anlass hat, damit zu rechnen, dass ihm aus oder im Zusammenhang mit dieser Finanzierung weitere Zinsbelastungen entstehen können. Im Gegenteil darf der Verbraucher aufgrund der seitens der Beklagten erfolgten Werbung gerade berechtigter Weise davon ausgehen, mit keinerlei Zinszahlungspflichten belastet zu werden, sodass entsprechend der auch vom Landgericht im Ergebnis zu Recht vertretenen Auffassung strenge Anforderungen an den im Streitfall erforderlichen klarstellenden Hinweis zu stellen sind.

Die streitgegenständlichen Hinweise sind bereits der Art ihrer Darstellung nach nicht hinreichend klar. Selbst wenn man – was der Senat im vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten unterstellt – im Hinblick auf die streitgegenständlichen hochpreisigen Produkte davon ausgeht, dass der angesprochene Verbraucher angesichts der wirtschaftlichen Tragweite der entsprechenden Kaufentscheidung dem Sternchenvermerk nachgeht, kann dessen Inhalt von dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher innerhalb der ohne erkennbare Absätze aneinandergereihten Liste verschiedener Klarstellungen nicht hinreichend klar zur Kenntnis genommen werden. Angesichts der eindeutigen blickfangmäßigen Bewerbung der 0%-Finanzierung und der daraus resultierenden Erwartung einer auch im Übrigen nicht bestehenden Zinsbelastung ist insoweit zu erwarten, dass die Beklagte, die als verantwortliche Anbieterin einem Kunden mit der 0%-Finanzierung zugleich eine dessen Erwartungshaltung kontrastierenden Rahmenkreditvertrag mit potentiell erheblicher Zinsbelastung vermitteln will, einen Hinweis so gestaltet, dass sich dieser seiner Darstellung nach der blickfangmäßig beworbenen 0%-Finanzierung entsprechend dem Kunden leicht erkennbar und klar erschließt. Diesen Anforderungen wird der streitgegenständliche Hinweis aber nicht gerecht. Schriftart und -größe sind im Vergleich zu der im Übrigen erfolgten Gestaltung der jeweiligen Online-Shops ersichtlich unauffällig und nur schwer leserlich gestaltet. Gleiches gilt für die von der Beklagten im Vergleich zu den sonstigen Textdarstellungen gewählte magere Schriftstärke. In ausgedruckter Form sind die Hinweise, wie aus Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich, allenfalls bei höchster Konzentration unter Zuhilfenahme von Seh- oder Lesehilfen entzifferbar.

Nichts anderes ergibt sich insoweit auch aus dem Argument der Beklagten, dass der Verbraucher seinerseits den Text über die sogenannte Zoomfunktion vergrößern und jedenfalls sodann klar wahrnehmen könne. Hierzu hat der Verbraucher im vorliegenden Fall angesichts der durch die eindeutige Blickfangwerbung geweckten Erwartung, keinerlei Zinsbelastungsrisiken ausgesetzt zu sein, bereits keinen Anlass. Will der verantwortliche Betreiber eines Online-Shops einem Kunden einen Vertragsschluss vermitteln, der ihn zu einer Leistung verpflichtet (hier: mögliche Zinsbelastung), welche gerade im Gegensatz zu der durch eine Blickfangwerbung geweckten Erwartungshaltung (hier: keinerlei Zinsbelastung) steht, hat vielmehr der Anbieter selbst dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Hinweise hardwareunabhängig mittels geeigneter Voreinstellungen des von ihm gestalteten Online-Shops leicht zur Kenntnis genommen werden können. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Vielmehr geht der Hinweis auf den zusätzlichen Abschluss eines Rahmenkreditvertrages samt möglicher zusätzlicher Zinsbelastung dem Gesamteindruck der Gestaltung der streitgegenständlichen Online-Shops nach in dem einheitlichen Textblock verschiedenster Hinweise unter, sodass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsverbraucher diesen nicht zur Kenntnis nehmen wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 20 – All Net Flat).

Darüber hinaus sind auch die Umstände der 0%-Finanzierung und der in diesem Zusammenhang erfolgten Kreditvergabe durch das Kreditinstitut BNP P. ihrem Inhalt nach nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert. Ergänzend zu den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (Bl. 88/89 d. Akte, dort: Ziff. 2.2.4) ist insoweit darauf hinzuweisen, dass insbesondere auch die Formulierung, dass „danach und für alle weiteren Verfügungen“ der veränderliche Sollzinssatz „(jährlich) 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz)“ betrage, missverständlich ist. Die Beklagte trägt zwar gemäß Rn. 33 ihrer Berufungsbegründung vom 12.09.2022 (Bd. 2, Bl. 22 d. Akte) vor, dass die 0%-Finanzierung auch für alle weiteren Produktangebote ihres Online-Shops gälte, sofern diese ebenfalls mit „0% Finanzierung“ beworben würden. Dem Wortlaut des von der Beklagten verwendeten Hinweises zufolge ist aber eine Auslegung gerade nicht ausgeschlossen, wonach im Falle einer Finanzierung eines jeden weiteren über den jeweiligen Online-Shop der Beklagten getätigten Erwerbsgeschäfts der vorstehende genannte veränderliche Sollzinssatz fällig wird. Hinzu kommt, dass jedwede nähere Erläuterung zu den Nutzungsbedingungen der dem Hinweis zu Folge einem Verbraucher zur Verfügung gestellten MasterCard fehlt. Insoweit bleibt es für den Verbraucher insbesondere unklar, ob er den veränderlichen Sollzinssatz schon bei jeder weiteren Bestellung über den fraglichen Online-Shop der Beklagten zu bezahlen hat oder ob dies nur bei gesonderter Inanspruchnahme der Master-Card zur Finanzierung von Produkten dritter Anbieter der Fall ist.

Die Beklagte kann dem auch nicht entgegenhalten, mit den Angaben zum Abschluss des Rahmenkreditvertrages lediglich gesetzliche Informationspflichten erfüllt zu haben. Diese von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als solche bezeichnete Dilemmasituation ist aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbotes bereits aus dem Grund in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich, weil die vermeintliche Pflichtenkollision gerade nicht unvermeidlich ist, sondern allein auf die von der Beklagten selbst getroffene geschäftliche Entscheidung zurückgeht, dem Kunden eine Warenfinanzierung in Verbindung mit einem mit dem Finanzierungspartner zusätzlich abzuschließenden Rahmenkreditvertrag anzubieten. Wie der streitgegenständliche Hinweis der Beklagten selbst auf die weiteren Finanzierungspartner zeigt, ist eine 0%-Finanzierung dagegen zweifellos auch in der Gestaltung eines auf das entsprechende Erwerbsgeschäft beschränkten Ratenkredits möglich und wird so von der Beklagten selbst in anderen Fällen wie etwa beim Erwerb in physischen Ladengeschäften auch praktiziert. Vor diesem Hintergrund kann der Senat die Frage offenlassen, ob die mit Blick auf den dem Verbraucher mit dem Abschluss einer 0%-Finanzierung zugleich vermittelten Rahmenkreditvertrag in dem streitgegenständlichen Hinweis enthaltenen Informationen überhaupt den sich insbesondere aus § 491a BGB i.V.m. Art. 247 § 3 EGBGB ergebenden strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechen (zur Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB auf Zahlungsinstrumente mit Rahmenkreditabrede siehe etwa Jungmann, in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 57).

Darüber hinaus ist auch der auf Homepage des Online-Shops der Beklagten enthaltene Link „0%-Finanzierung“ nicht geeignet, die Irreführung zu beseitigen. Zwar ist der Text insoweit zumindest leicht leserlich. Ungeachtet dessen ist aber der nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag mit den streitgegenständlichen Sternchenvermerken identische Text – wie ausgeführt – seinem Inhalt nach nicht hinreichend klar und verständlich. Letztlich kommt es hierauf aber gar nicht an. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in Fällen, in denen eine blickfangmäßige Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen solchen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhat (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, Tz. 16 m.w.N. – All Net Flat). Diese Voraussetzung ist indes hinsichtlich des in der Titelleiste der Homepage der Online-Shops der Beklagten enthaltenen Links „0%-Finanzierung“ nicht erfüllt. Denn der fragliche Link ist in der Titelzeile der Online-Shops der Beklagten enthalten und nimmt somit aufgrund der sich daraus ergebenden klaren optischen Trennung nicht an der unterhalb der jeweiligen Preisangabe enthaltenen blickfangmäßigen Bewerbung der für das konkrete Produkt angebotenen 0%-Finanzierung teil.

bb) Die nach alledem vorliegende Irreführung ist wettbewerblich relevant. Die wettbewerbliche Relevanz ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausführt – bereits aus der mit der streitgegenständlichen Blickfangwerbung verbundenen Anlockwirkung. Denn eine wie hier blickfangmäßig beworbene 0%-Finanzierung veranlasst den angesprochenen Durchschnittsverbraucher gerade dazu, sich mit dem Erwerb der entsprechenden hochpreisigen Waren näher auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.2016, Az. I ZR 23/15, MMR 2015, 680 Tz. 35 – Geo-Targeting; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.09.2021, Az. 6 U 133/20, GRUR-RR 2022, 94 Tz. 20; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.195 m.w.N.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Köln: Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG über 3,7 Millionen Euro gegen Telekommunikationsunternehmen wegen überhöhter Pauschalen für Mahnkosten und Rücklastschriften

OLG Köln
Urteil vom 01.12.2023
6 U 73/23


Das OLG Köln hat im vorliegenden Fall einen Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG über mehr als 3,7 Millionen Euro zzgl. Zinsen gegen ein Telekommunikationsunternehmen wegen überhöhter Pauschalen für Mahnkosten und Rücklastschriften bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung dem Grunde nach einen Abschöpfungsanspruch aus § 10 UWG festgestellt. Danach kann derjenige, der vorsätzlich eine nach §§ 3 oder 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, von den gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden.

a. Die Aktivlegitimation des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG als einer in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragenen Einrichtung steht außer Frage. Gemäß dem im Verfahren 26 O 74/16 LG Köln erlassenen Anerkenntnisurteils ist auch unstreitig, dass die Beklagte von 2013 bis einschließlich Juni 2016 in ihren AGB zu hohe Schadenspauschalen für Mahnungen und Rücklastschriften in Ansatz gebracht und insoweit eine nach § 3 UWG i.V.m. § 4 Nr. 11 a.F. / § 3a n.F. UWG § 309 Nr. 5a BGB unzulässige weil unlautere geschäftliche Handlung vorgenommen hat. Dass sie hierdurch zu Lasten einer Vielzahl ihrer Kunden einen Gewinn erzielt hat, stellt die Beklagte ebenfalls nicht in Abrede. Sie wendet sich mit ihrer Berufung nur gegen den Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens und die vom Landgericht vorgenommene Berechnung des Gewinns.

b. Die Beklagte handelte vorsätzlich. Sie muss sich als juristische Person das Verschulden ihrer Organe nach § 31 BGB und ein etwaiges Organisationsverschulden zurechnen lassen. Dafür, dass wirtschaftlich so wesentliche Entscheidungen wie die Festsetzung von Kosten-Pauschalen in AGB auf der Geschäftsführungsebene getroffen werden, spricht eine tatsächliche Vermutung.

Eine vorsätzliche Begehung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt (KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 10 Rn. 6, m.w.N.). Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte an ihren rechtswidrigen AGB nicht nur nach der Abmahnung vom 23.11.2015, sondern auch noch nach Zustellung der Unterlassungsklage im März 2015 und selbst nach dem Anerkennen des Unterlassungsanspruchs im Mai festgehalten und erst ab Juli 2016 die Pauschalen herabgesetzt hat, bestehen angesichts der Offenkundigkeit des Wettbewerbsverstoßes keine Zweifel daran, dass die Beklagte auch schon vor Erhalt der Abmahnung die überhöhten Beträge billigend in Kauf genommen hat.

Dass die Beklagte bzw. ihre Geschäftsführung bereits ab Februar 2013 bedingt vorsätzlich gehandelt hat, folgt aus den vom Senat bereits im Verfahren 6 U 26/18 mit Urteil vom 20.067.2018 angeführten Umständen. Auf die angefochtenen Entscheidung, in der aus diesem Urteil zitiert wird, wird Bezug genommen. Die Beklagte wusste, dass in ihren Pauschalen Kosten eingerechnet gewesen waren, die nach der gefestigten und in den gängigen Kommentaren angeführten Rechtsprechung des BGH nicht berücksichtigt werden durften. Die Rechtswidrigkeit der Pauschalen der Beklagten von 5 € bzw. 9 €, die das der Beklagten bekannte Preisniveau der Wettbewerber deutlich überstiegen, lag insoweit auf der Hand. Die Beklagte verfügt über eine Rechtsabteilung. Dafür, dass dieser die eindeutige Rechtslage bekannt gewesen war, spricht eine tatsächliche Vermutung. Sollte die Geschäftsführung die Pauschalen ohne Einschaltung der Rechtsabteilung festgesetzt habe, wäre von einem Organisationsverschulden auszugehen.

Soweit die Beklagte Beweis für die Tatsache ihrer Unkenntnis von der Wettbewerbswidrigkeit der Pauschalbeträge durch Vernehmung des Zeugen N.N. angeboten hat, ist diesem ungeeigneten Beweisantritt nicht nachzugehen. Darauf, ein Zeuge namentlich zu benennen ist, muss eine anwaltlich vertretene Partei nicht hingewiesen werden. Im Übrigen hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren weder Tatsachen dargetan, aus denen gefolgert werden könnte, dass ihr - trotz der evidenten Wettbewerbswidrigkeit der Pauschalen - das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlte, noch den Zeugen N.N. namhaft gemacht.

Die Darstellung der Beklagten, es habe "offenbar" zunächst die Rechtsüberzeugung bestanden, dass die Pauschalen zulässig seien, und das spätere Anerkenntnis zeige, dass es eine Änderung in der Bewertung gegeben habe, ist nicht nachvollziehbar. Den in Ansatz gebrachten Pauschalen stand - entgegen der Darstellung der Beklagten - die Rechtswidrigkeit gleichsam "auf der Stirn geschrieben". Die Ansicht, die Klauseln seien rechtmäßig, weil sie im Wesentlichen zur Kostendeckung eingesetzt würde und auch nötig seien, war und ist nicht vertretbar. Die Rechtswidrigkeit der alten Schadenspauschalen konnte der Beklagten unmöglich erst sieben Monate nach der Abmahnung und vier Monate nach der Klageerhebung aufgefallen sein.

4. Den nach § 10 UWG abzuschöpfenden Gewinn hat das Landgericht nicht zu hoch, sondern zu niedrig bemessen.

Ein Gewinn liegt vor, wenn sich die Vermögenslage des Unternehmens durch die Zuwiderhandlung verbessert hat. Der Gewinn errechnet sich im Grundsatz aus den Umsatzerlösen abzüglich der Kosten. Zu den abzugsfähigen Kosten gehören die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der Waren oder Dienstleistungen und die darauf entfallenden Betriebskosten. Gemeinkosten und sonstige betriebliche Aufwendungen, die auch ohne das wettbewerbswidrige Verhalten angefallen wären, sind nicht abzugsfähig. Ist die Höhe des Gewinns streitig, ist er nach § 287 ZPO zu schätzen (KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 10 Rn. 7).

a. Hier hat sich die Vermögenslage der Beklagten durch die Berechnung der überhöhten Kostenpauschalen in Höhe von insgesamt 3.740.579 € verbessert. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten erteilten Auskunft, die dem Kläger gerade ermöglichen soll, den Anspruch aus § 10 UWG zu beziffern. Dass das Landgericht die Berechnung des Gewinns an diese Auskunft anknüpft, ist nicht zu beanstanden. Es ist nunmehr Sache der Beklagten, zumindest im Rahmen einer sekundären Darlegungslast substantiiert vorzutragen, dass sie tatsächlich geringere Einnahmen erzielt hat, als sich aus den Buchungspositionen ergibt. Ihre allgemeinen Ausführungen dazu, dass aus gebuchten Einnahmen nicht geschlossen werden könne, dass diese auch vereinnahmt wurden, genügt insoweit nicht.

In welcher Höhe die geltend gemachten Forderungen nicht realisiert werden konnten, hat die Beklagte - auch nach einem entsprechenden Hinweis der Kammer - nicht schlüssig dargetan. Sie trägt selbst vor, dass sie die Höhe der tatsächlichen Einnahmen derzeit nicht ermitteln könne. Ihr vager Vortrag zu Forderungsausfällen zwischen 860.000 € und 1.000.000 € ist weder für den Kläger einlassungsfähig, noch als Tatsachenvortrag für eine Beweisaufnahme ausreichend noch als Grundlage für die Schätzung eines tatsächlichen Forderungsausfalles geeignet. Die Beklagte müsste, will sie nach Auskunftserteilung für die Gewinnermittlung von den gebuchten Beträgen abweichen, schon nachvollziehbar darlegen, welche konkreten Erlöse sie sonst erzielt haben will. Dies hat sie nicht getan. Sie hat in zweiter Instanz nicht einmal die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfene Frage zum Nichterfolg des Inkassos beantwortet.

b. Abzugsfähige Kosten hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht schlüssig dargetan. Sie beruft sich in zweiter Instanz weiterhin auf Kosten für die Einforderung der Pauschalen, u.a. Druck, Versand und Porto, sowie Personal- und IT-Kosten.

aa. Da allgemeine Vorhaltekosten wie Personalkosten und IT-Kosten nicht als Verzugskosten geltend gemacht werden können und deshalb auch nicht in AGB-Schadenspauschalen eingepreist werden dürfen, kann die Beklagte solche Positionen bei der Berechnung des abzuschöpfenden Betrages ebenfalls nicht in Ansatz bringen. Andernfalls stünde sie nach der Gewinnabschöpfung wirtschaftlich noch immer besser dar, als sie stehen würde, wenn sie sich rechtmäßig verhalten und die Gemeinkosten nicht in ihre Pauschale eingerechnet hätte.

Außerdem ist der Vortrag der Beklagten zu den Personal- und IT-Kosten inhaltlich nicht nachvollziehbar. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, kann die Einsparung von Personalkosten - und damit verbunden auch von IT-Lizenzen - auf zahlreichen Ursachen beruhen. Die Beklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die ihre pauschale Behauptung stützen könnten, dass sie den kostenintensiven Betrieb nur und allein wegen der hohen Pauschalen überhaupt vorgehalten habe. Eine ausforschende Beweisaufnahme kommt nicht in Betracht.

bb. Die Behauptung der Beklagten, dass die Kosten für Mahnungen wie Druck, Versand und Porto auf den überhöhten Pauschalen beruhten und durch die überhöhten Pauschalen auch Kosten für zusätzliche Rechnungen (Druck, Versand und Porto) angefallen seien, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Tatsachen, die diese Behauptung stützen könnten, sind nicht dargetan, eine ausforschende Beweisaufnahme ist unzulässig. Für die Geltendmachung von überhöhten Pauschalen fallen im Regelfall keine zusätzlichen Kosten an. Mahnkosten werden regelmäßig bereits durch den Ausfall der Hauptforderung verursacht, ohne die es der Mahnung nicht bedurft hätte. Bestreit der Kunde den Erhalt der Rechnung, muss eine zusätzliche Rechnung erstellt werden, die unabhängig von den Pauschalen Kosten auslöst.

cc. Warum die Ausführungen des Landgerichts zu den Rücklastschriftgebühren, die auch ohne die unwirksamen Pauschalen angefallen wären, unrichtig sein sollen, trägt die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht vor.

dd. Die vom Landgericht geschätzten Steuern sind nicht von dem Gewinn in Abzug zu bringen. Insoweit hat die Berufung des Klägers Erfolg.

Die Beklagte hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass sie auf den - nach ihrer Berechnung bilanziell nicht vorhandenen - Gewinn durch die Pauschalen überhaupt Steuern gezahlt hat.

Außerdem kommt eine Berücksichtigung etwa gezahlter Steuern auf den Abschöpfungsbetrag nicht in Betracht, weil dies im Ergebnis zu einer steuerlichen Begünstigung des Abschöpfungsschuldners führen würde, der tatsächlich keinen Steuernachteil erleidet (ebenso Hoof, Anmerkung zu OLG Schleswig, 2 U 5/17, in: jurisPR-WettbR 10/2018, Anm. 5, unter C.). Dass der Schuldner den Abschöpfungsbetrag im Jahr der Abführung als Betriebsausgaben verbuchen kann, stellt die Beklagte nicht in Abrede. Der Schuldner erhält daher etwa gezahlte Steuern vom Finanzamt zurück. Könnten die gezahlten Steuern bei der Gewinnabschöpfung gewinnmindernd berücksichtigt werden, bliebe dem Schuldner aus der vorsätzlichen Rechtsverletzung ein ungerechtfertigter wirtschaftlicher Vorteil in Höhe ersparter Steuern (s. die Beispielsrechnung Bl. 310 f. eA), was in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung stünde.

Die vom Landgericht angeführte Literaturansicht, nach der es sich bei gezahlten Steuern um eine abzugsfähige Position handelt (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewich/Goldmann, UWG, § 10 Rn. 150) überzeugt nicht. Die Kommentierung verweist ohne nähere Begründung auf die Entscheidung des OLG Schleswig (Urteil vom 07.06.2018, 2 U 5/17, GRUR 2018, 1071), das jedoch über die Frage der Abzugsfähigkeit von Steuern bei einem Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG nicht entschieden hatte, weil der dortige Kläger den Steuerabzug bereits selbst vorgenommen und nicht mit eingeklagt hatte.

5. Zinsen kann der Kläger bereits ab Rechtshängigkeit der Stufenklage (08.03.2017) verlangen, nicht erst ab Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens. Durch die Erhebung der Stufenklage ist auch der noch nicht bezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig geworden und insoweit Verzug eingetreten. Gemäß § 286 Abs. 1 BGB steht die Erhebung der Klage auf Leistung der Mahnung gleich. Eine Stufenklage genügt, vorausgesetzt, der Auskunftsanspruch besteht und ist fällig (Grüneberg/Grüeberg, BGB, 81. Aufl., § 286 Rn. 21; MüKo/Ernst, BGB, 9. Aufl., § 286 Rn. 71). Dass die Rechtshängigkeit der Zahlungsklage durch die Teilklagerücknahme rückwirkend entfallen ist, § 269 Abs. 3 ZPO, ist ohne Belang. Der Kläger hat damit nicht zu erkennen gegeben, den Zahlungsanspruch nicht mehr weiter geltend machen zu wollen. Die von der Beklagten herangezogene Parallele zur Beendigung des Verzuges durch Rücknahme der Mahnung unter Verweis auf MüKo/Ernst, BGB, 9. Aufl., § 268 Rn. 120, überzeugt insoweit nicht. Aus der angeführten Fundstelle ergibt sich zur Beendigung des Verzuges durch teilweise Rücknahme einer Stufenklage nichts.


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