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EuGH: Längere Speicherung der Restschuldbefreiung als das öffentliche Insolvenzregister durch SCHUFA verstößt gegen DSGVO

EuGH
Urteil vom 07.12.2023
den verbundenen Rechtssachen
C-26/22 und C-64/22
SCHUFA Holding u. a. (Restschuldbefreiung)


Der EuGH hat entschieden, dass längere Speicherung der Restschuldbefreiung als das öffentliche Insolvenzregister (6 Monate) durch SCHUFA gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 78 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung durch ein Gericht unterliegt.

2. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2016/679 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass er einer Praxis privater Wirtschaftsauskunfteien entgegensteht, die darin besteht, in ihren eigenen Datenbanken aus einem öffentlichen Register stammende Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zugunsten natürlicher Personen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit dieser Personen für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht.

3. Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die betroffene Person das Recht hat, vom Verantwortlichen die unverzügliche Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn sie gemäß Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine zwingenden schutzwürdigen Gründe vorliegen, die ausnahmsweise die betreffende Verarbeitung rechtfertigen.

4. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, personenbezogene Daten, die unrechtmäßig verarbeitet wurden, unverzüglich zu löschen.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen

Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

[...]

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach. Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: SCHUFA-Scoring ist eine "automatisierte Entscheidung im Einzelfall" und damit Profiling im Sinne der DSGVO soweit Score maßgeblich für Kreditgewährung oder Vertragsschluss ist

EuGH
Urteil vom 07.12.2023
C-634/21
SCHUFA Holding (Scoring)


Der EuGH hat entschieden, dass das SCHUFA-Scoring eine "automatisierte Entscheidung im Einzelfall" und damit Profiling im Sinne der DSGVO ist, soweit der Score maßgeblich für Kreditgewährung oder Vertragsschluss ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn ein auf personenbezogene Daten zu einer Person gestützter Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf deren Fähigkeit zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen durch eine Wirtschaftsauskunftei automatisiert erstellt wird, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Dritter, dem dieser Wahrscheinlichkeitswert übermittelt wird, ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet, durchführt oder beendet.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen

Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind. [...]


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Aussetzung des Verfahrens hinsichtlich Löschung der Restschuldbefreiung aus Schufa-Datenbank bis EuGH Vorgaben der DSGVO geklärt hat

BGH
Beschluss vom 27.03.2023
VI ZR 225/21


Der BGH hat das Verfahren hinsichtlich der Frist zur Löschung der Restschuldbefreiung aus der Schufa-Datenbank ausgesetzt, bis der EuGH in einem anderen Verfahren die streitrelaventen Vorgaben der DSGVO geklärt hat.

Die Pressemitteilung des BGH:
Aussetzung des Verfahrens in Sachen VI ZR 225/21 (Löschung der Eintragung über die Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren in einer Datenbank der Schufa)

Der unter anderem für Ansprüche nach der EU-Datenschutzgrundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat darüber zu entscheiden, ob ein Schuldner, dem vom Insolvenzgericht Restschuldbefreiung erteilt worden ist, von der Schufa die Löschung dieser Information in ihrer Datenbank grundsätzlich oder jedenfalls dann verlangen kann, wenn die Frist für die Speicherung dieser Information im öffentlichen bundesweiten Insolvenzportal abgelaufen ist (vgl. im Einzelnen Pressemitteilung Nr. 26/2023 vom 9.2.2023).

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der VI. Zivilsenat das Verfahren bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den dort anhängigen (verbundenen) Verfahren C-26/22 und C-64/22 ausgesetzt.

Vorinstanzen:

LG Kiel - 2 O 10/21 – Urteil vom 12. Februar 2021

OLG Schleswig - 17 U 15/21 – Urteil vom 2. Juli 2021


EuGH-Generalanwalt: SCHUFA-Scoring ist Profiling im Sinne der DSGVO und zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 16.03.2023
C-634/21 SCHUFA Holding u. a. (Scoring)
und den verbundenen Rechtssachen
C-26/22 und C-64/22 SCHUFA Holding u. a. (Restschuldbefreiung)


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das SCHUFA-Scoring Profiling im Sinne der DSGVO ist. Zudem äußert sich der EuGH-Generalanwalt zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus durch Wirtschaftsauskunfteien.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pikamäe: Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ist ein Profiling im Sinne der DSGVO

Rechtsverbindliche Beschlüsse einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde müssten gerichtlich umfassend überprüfbar sein

Die Rechtssache C-634/21 betrifft einen Rechtsstreit zwischen einem Bürger und dem Land Hessen, vertreten durch den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (im Folgenden: HBDI), hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, die darin besteht, ihre Kunden mit Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter zu versorgen, lieferte die SCHUFA Holding AG einem Kreditinstitut einen Score-Wert in Bezug auf diesen Bürger. Dieser Score-Wert diente als Grundlage für die Verweigerung des von diesem Bürger beantragten Kredits. Der Bürger forderte daraufhin die SCHUFA auf, die darauf bezogene Eintragung zu löschen und ihm Zugang zu den entsprechenden Daten zu gewähren. Die SCHUFA teilte ihm jedoch nur den entsprechenden Score-Wert und in allgemeiner Form die der Methode zur Berechnung des Score-Wertes zugrunde liegenden Grundsätze mit. Sie erteilte ihm aber keine Auskunft darüber, welche konkreten Informationen in diese Berechnung eingeflossen waren und welche Bedeutung ihnen in diesem Zusammenhang beigemessen wurde und begründete dies damit, dass die Berechnungsmethode dem Geschäftsgeheimnis unterliege.

Soweit der betroffene Bürger geltend macht, dass die Ablehnung seines Ersuchens durch die SCHUFA gegen Datenschutzrecht verstoße, wird der Gerichtshof vom Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht, über die Beschränkungen zu entscheiden, die die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der wirtschaftlichen Tätigkeit von Auskunfteien im Finanzsektor, insbesondere bei der Datenverwaltung, auferlegt, sowie über die Bedeutung, die dem Geschäftsgeheimnis zuzuerkennen ist. Der Gerichtshof wird auch den Umfang der Regelungsbefugnisse zu präzisieren haben, die dem nationalen Gesetzgeber durch einige Bestimmungen der DSGVO abweichend von dem mit diesem Rechtsakt verfolgten allgemeinen Harmonisierungszweck übertragen werden.

In seinen Schlussanträgen führt Generalanwalt Priit Pikamäe zunächst aus, dass die DSGVO ein „Recht“ der betroffenen Person verankere, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden.

Der Generalanwalt stellt sodann fest, dass die Voraussetzungen, denen dieses Recht unterliege, erfüllt seien, da:

1. das fragliche Verfahren ein „Profiling“ darstelle,
2. die Entscheidung rechtliche Wirkungen gegenüber der betroffenen Person entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige und
3. davon auszugehen sei, dass die Entscheidung ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhe.

Die Bestimmung der DSGVO, in der dieses Recht vorgesehen sei, sei somit unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens anwendbar.

Der Generalanwalt unterstreicht, dass die betroffene Person nach einer anderen Bestimmung der DSGVO das Recht habe, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht nur die Bestätigung zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht, sondern auch andere Informationen wie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling, aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die Verpflichtung, „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ bereitzustellen, dahin zu verstehen sei, dass sie hinreichend detaillierte Erläuterungen zur Methode für die Berechnung des Score-Wertes und zu den Gründen umfasst, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Generell sollte der Verantwortliche der betroffenen Person allgemeine Informationen übermitteln, vor allem zu bei der Entscheidungsfindung berücksichtigten Faktoren und deren Gewichtung auf aggregierter Ebene, die der betroffenen Person auch für die Anfechtung von „Entscheidungen“ im Sinne der Bestimmung der DSGVO, in der das Recht verankert sei, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung, einschließlich Profiling, beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, nützlich seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass bereits die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer betroffenen Person, künftig einen Kredit zu bedienen, eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhende Entscheidung darstelle, die der betroffenen Person gegenüber rechtliche Wirkung entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige, wenn dieser mittels personenbezogener Daten der betroffenen Person ermittelte Wert von dem Verantwortlichen an einen dritten Verantwortlichen übermittelt werde und jener Dritte nach ständiger Praxis diesen Wert seiner Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit der betroffenen Person maßgeblich zugrunde lege.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat zwei weitere Vorabentscheidungsersuchen zur DSGVO vorgelegt (Rechtssachen C-26/22 und C-64/22). Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Bürgern und dem Land Hessen, vertreten durch den HBDI, über Anträge dieser Bürger beim HBDI auf Löschung einer Eintragung betreffend eine Restschuldbefreiung bei der SCHUFA. Im Rahmen der diese Bürger betreffenden Insolvenzverfahren wurde ihnen mit gerichtlichen Beschlüssen eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt. Dieser Umstand wurde im Internet amtlich veröffentlicht, und der Eintrag nach sechs Monaten gelöscht. Die SCHUFA speichert solche veröffentlichten Informationen über vorzeitige Restschuldbefreiungen in ihrem Datenbestand, löscht sie aber erst drei Jahre nach der Eintragung. Die vom nationalen Gericht gestellten Fragen betreffen unter anderem die Rechtsnatur der Entscheidung der mit einer Beschwerde befassten Aufsichtsbehörde sowie den Umfang der gerichtlichen Kontrolle, die das Gericht im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine solche Entscheidung ausüben kann. Die Rechtssachen betreffen auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Speicherung personenbezogener Daten aus öffentlichen Registern bei Wirtschaftsauskunfteien.

In seinen Schlussanträgen weist Generalanwalt Pikamäe als Erstes darauf hin, dass sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung aus einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen ergeben müsse, wobei die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten überwiegen müssten. Die Aufsichtsbehörde, die nach der DSGVO jede etwaige Beschwerde der betroffenen Person wegen Verletzung ihrer Grundrechte zu behandeln habe, habe zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verarbeitung erfüllt seien. Sollte diese Person schließlich gemäß der DSGVO einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss der Aufsichtsbehörde einlegen, obliege es den nationalen Gerichten, eine wirksame gerichtliche Kontrolle sicherzustellen. Nach Ansicht des Generalanwalts unterliegt ein rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle in der Sache, wodurch die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs gewährleistet werde.

Als Zweites führt der Generalanwalt aus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nach der DSGVO unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig sei:

- erstens müsse von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem oder den Dritten, denen die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden,
- zweitens müsse die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und
- drittens dürften die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen.

Herr Pikamäe merkt an, dass die erheblichen negativen Folgen, die die Speicherung der Daten für die betroffene Person nach Ablauf des fraglichen Zeitraums von sechs Monaten haben werde, gegenüber dem geschäftlichen Interesse des privaten Unternehmens und seiner Kunden an der Speicherung der Daten nach diesem Zeitraum zu überwiegen scheinen. In diesem Kontext sei hervorzuheben, dass die gewährte Restschuldbefreiung dem Begünstigten ermöglichen solle, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken zu speichern, nachdem diese Daten aus dem öffentlichen Register gelöscht worden seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass die Speicherung der Daten durch eine private Wirtschaftsauskunftei nicht auf der Grundlage der Bestimmung der DSGVO, in der die oben genannten Voraussetzungen aufgeführt sind, rechtmäßig sein könne, wenn die personenbezogenen Daten über eine Insolvenz aus den öffentlichen Registern gelöscht worden seien. Was den Zeitraum von sechs Monaten betrifft, in dem die personenbezogenen Daten auch in öffentlichen Registern verfügbar seien, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, die angeführten Interessen und Auswirkungen auf die betroffene Person gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, ob die parallele Speicherung dieser Daten durch private Wirtschaftsauskunfteien auf dieser Grundlage rechtmäßig sei.

Als Drittes unterstreicht der Generalanwalt, dass die DSGVO vorsehe, dass die betroffene Person das Recht habe, zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten gelöscht werden, wenn sie Widerspruch gegen die Verarbeitung einlege und wenn diese Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien. Nach Ansicht des Generalanwalts hat die betroffene Person in einem solchen Fall daher das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es ausnahmsweise vorrangige berechtigte Gründe für die Verarbeitung gebe.


Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:
C634/21
C26/22 und C64/22

VG Wiesbaden legt EuGH vor: Vereinbarkeit des SCHUFA-Scorings mit der DSGVO und § 31 BDSG

VG Wiesbaden
Beschluss vom 01.10.2021
6 K 788/20.WI


Das VG Wiesbaden hat dem EuGH zur Vereinbarkeit des SCHUFA-Scorings mit der DSGVO und § 31 BDSG zu Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Vorlage zum Europäischen Gerichtshof bezüglich des von der SCHUFA Holding AG erstellten „Score-Wertes“

Gegenstand des Verfahrens vor dem VG Wiesbaden ist das Begehren der Klägerin, ihrer Auffassung nach falsche Eintragungen bei der SCHUFA zu löschen und ihr Auskunft über die dort gespeicherten Daten zu erteilen.

Die SCHUFA, eine private Wirtschaftsauskunftei, versorgt ihre Vertragspartner mit Informationen zur Kreditwürdigkeit Dritter und erstellt zu diesem Zweck sog. Score-Werte. Für die Ermittlung dieses Wertes wird aus bestimmten Merkmalen einer Person auf der Grundlage mathematisch-statistischer Verfahren für diese die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie beispielsweise die Rückzahlung eines Kredits, prognostiziert. Die im Einzelnen zugrunde gelegten Merkmale als auch das mathematisch-statistische Verfahren werden von der SCHUFA nicht offengelegt. Diese beruft sich darauf, dass die Berechnungsmethoden unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis fielen. Die Klägerin wandte sich in Bezug auf die von ihr begehrte Auskunft und Löschung an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Aufsichtsbehörde. Dieser lehnte das Begehren der Klägerin jedoch ab, da die SCHUFA bei der Berechnung des Bonitätswertes den im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) detailliert geregelten Anforderungen in der Regel genüge und im hiesigen Fall keine Anhaltspunkte vorlägen, dass dem nicht so sei.

Die 6. Kammer des VG Wiesbaden hat mit Beschluss vom 01.10.2021 entschieden, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Klärung vorzulegen.

Zum einen sei zu klären, ob die Tätigkeit von Wirtschaftsauskunfteien, Score-Werte über betroffene Personen zu erstellen und diese ohne weitergehende Empfehlung oder Bemerkung an Dritte (beispielsweise Banken) zu übermitteln, die dann unter maßgeblicher Einbeziehung dieses Score-Wertes mit der betroffenen Person vertragliche Beziehungen eingehen oder davon absehen, dem Anwendungsbereich des Art. 22 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) unterfällt. Falls ja, sei diese für Wirtschaftsauskunfteien maßgebliche Tätigkeit vom Verbot der automatisierten Einzelfallentscheidung erfasst. Dies hätte zur Folge, dass diese Tätigkeit nur nach den Ausnahmetatbeständen des Art. 22 Abs. 2 DS-GVO zulässig sei. Als diesbezügliche mitgliedsstaatliche Rechtsgrundlage käme nur § 31 BDSG in Betracht. Im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit Art. 22 Abs. 1 DS-GVO bestünden aber durchgreifende Bedenken. Die SCHUFA würde dann rechtsgrundlos handeln, und die Klägerin habe zugleich einen Anspruch gegen den Datenschutzbeauftragten auf aufsichtsbehördliche (Weiter-)Befassung mit ihrem Fall.

Die Erstellung von Score-Werten sei nicht lediglich ein die Entscheidung des dritten Verantwortlichen (beispielsweise einer Bank) vorbereitendes Profiling (siehe Art. 4 DS-GVO), sondern gerade eine selbstständige „Entscheidung“ im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DS-GVO. Es bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die durch Wirtschaftsauskunfteien vorgenommene automatisierte Erstellung eines Score-Wertes eine eigenständige, auf einer automatisierten Verarbeitung beruhende Entscheidung sei. Zwar könnten jedenfalls rein hypothetisch die dritten Verantwortlichen eine eigene Entscheidung über das Ob und Wie eines Vertragsschlusses mit der betroffenen Person treffen, weil zu diesem Stadium des Entscheidungsprozesses eine menschlich gesteuerte Einzelfallentscheidung grundsätzlich noch möglich sei. Diese Entscheidung werde praktisch aber in erheblichem Maße durch den von Wirtschaftsauskunfteien übermittelten Score-Wert bestimmt. Der aufgrund automatisierter Verarbeitung erstellte Score-Wert sei eigentlich das entscheidende Kriterium über das Ob und Wie der Vertragseingehung des dritten Verantwortlichen mit der betroffenen Person. Der dritte Verantwortliche müsse seine Entscheidung zwar nicht allein vom Score-Wert abhängig machen, tue es in aller Regel jedoch maßgeblich. Eine Kreditvergabe möge zwar trotz eines grundsätzlich ausreichenden Score-Werts (aus anderen Gründen, wie etwa des Fehlens von Sicherheiten oder Zweifeln am Erfolg einer zu finanzierenden Investition) versagt werden. Ein nicht ausreichender Score-Wert hingegen werde jedenfalls im Bereich der Verbraucherdarlehen in fast jedem Fall und auch dann zur Versagung eines Kredits führen, wenn etwa eine Investition im Übrigen als lohnend erscheine. Score-Werten komme bei der Kreditvergabe und der Gestaltung ihrer Bedingungen die entscheidende Rolle zu. Vor den Gefahren dieser rein auf Automation gründenden Entscheidungsform solle Art. 22 Abs. 1 DS-GVO die betroffene Person aber gerade schützen.

Zudem legte die 6. Kammer eine Frage vor, die dann zu beantworten sei, wenn die 1. Vorlagefrage verneint werde. In § 31 BDSG treffe der deutsche Gesetzgeber im Kern detaillierte Regelungen über das Scoring als Unterfall des Profilings. Falls das Scoring nicht unter Art. 22 Abs. 1 DS-GVO falle, so sei die allgemeine Vorschrift des Art. 6 DS-GVO anzuwenden. Indem der deutsche Gesetzgeber weitergehende inhaltliche Zulässigkeitsvoraussetzungen an das Scoring knüpfe, spezifiziere er die Regelungsmaterie über die Vorgaben der DS-GVO hinaus. Dafür fehle ihm jedoch die Regelungsbefugnis. Dies ändere den Prüfungsspielraum der nationalen Aufsichtsbehörde. Diese habe dann die Vereinbarkeit der Tätigkeit von Wirtschaftsauskunfteien an Art. 6 DS-GVO zu messen. Es sei also durch den EuGH zu klären, ob die DS-GVO der Regelung des § 31 BDSG entgegenstehe.
Der Vorlagebeschluss (Az.: 6 K 788/20.WI) ist unanfechtbar.

Anhang
Artikel 4 DS-GVO - Begriffsbestimmungen
(Verordnung (EU) 2016/679 des Europäische Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung)

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
[…]

4. „Profiling“ jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen;

Art. 6 DS-GVO – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

Art. 22 DS-GVO – Automatisierte Entscheidung im Einzelfall einschließlich Profiling
(1) Die betroffene Person hat das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Entscheidung

a) für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist,

b) aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, zulässig ist und diese Rechtsvorschriften angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person enthalten oder

c) mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt.

(3) In den in Absatz 2 Buchstaben a und c genannten Fällen trifft der Verantwortliche angemessene Maßnahmen, um die Rechte und Freiheiten sowie die berechtigten Interessen der betroffenen Person zu wahren, wozu mindestens das Recht auf Erwirkung des Eingreifens einer Person seitens des Verantwortlichen, auf Darlegung des eigenen Standpunkts und auf Anfechtung der Entscheidung gehört.

(4) Entscheidungen nach Absatz 2 dürfen nicht auf besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Artikel 9 Absatz 1 beruhen, sofern nicht Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a oder g gilt und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person getroffen wurden.

§ 31 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) – Schutz des Wirtschaftsverkehrs bei Scoring und Bonitätsauskünften
(1) Die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einer natürlichen Person zum Zweck der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dieser Person (Scoring) ist nur zulässig, wenn

die Vorschriften des Datenschutzrechts eingehalten wurden,
die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind,
für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt wurden und
im Fall der Nutzung von Anschriftendaten die betroffene Person vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung dieser Daten unterrichtet worden ist; die Unterrichtung ist zu dokumentieren.
(2) Die Verwendung eines von Auskunfteien ermittelten Wahrscheinlichkeitswerts über die Zahlungsfähig- und Zahlungswilligkeit einer natürlichen Person ist im Fall der Einbeziehung von Informationen über Forderungen nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen und nur solche Forderungen über eine geschuldete Leistung, die trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, berücksichtigt werden,

die durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden sind oder für die ein Schuldtitel nach § 794 der Zivilprozessordnung vorliegt,
die nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind,
die der Schuldner ausdrücklich anerkannt hat,
bei denen
a) der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist,
b) die erste Mahnung mindestens vier Wochen zurückliegt,
c) der Schuldner zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist und
d) der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat oder
deren zugrunde liegendes Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann und bei denen der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist. Die Zulässigkeit der Verarbeitung, einschließlich der Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten, von anderen bonitätsrelevanten Daten nach allgemeinem Datenschutzrecht bleibt unberührt.



VG Wiesbaden legt EuGH vor: Verstößt Speicherung der Restschuldbefreiung durch Schufa länger als 6 Monate gegen DSGVO

VG Wiesbaden
Beschluss vom 31.08.2021
6 K 226/21.WI


Das VG Wiesbdaden hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob die Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Schufa länger als 6 Monate gegen die DSGVO verstößt.

Die Pressemitteilung des VG Wiesbaden:

Vorlage zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der Eintragung einer Restschuldbefreiung bei der SCHUFA Holding AG

Gegenstand des Verfahrens vor dem VG Wiesbaden ist das Begehren des Klägers, die Eintragung einer Restschuldbefreiung aus dem Verzeichnis der SCHUFA Holding AG, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, zu löschen. Die Information hinsichtlich der Restschuldbefreiung stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte, bei denen sie nach 6 Monaten gelöscht wird. Bei der SCHUFA erfolgt eine Löschung gemäß der „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“ vom 25.05.2018 des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erst 3 Jahre nach der Eintragung. In Bezug auf die Löschung wandte sich der Kläger mit einer Beschwerde an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Aufsichtsbehörde, der auf die Löschung der Eintragung bei der SCHUFA Holding AG hinwirken solle. Dieser lehnte das Begehren des Klägers jedoch ab.

Die 6. Kammer des VG Wiesbaden hat mit Beschluss vom 31.08.2021 entschieden, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Klärung vorzulegen.

Zum einen sei zu klären, ob es genüge, wenn sich der Datenschutzbeauftragte wie im Falle einer Petition mit der Beschwerde der betroffenen Person überhaupt befasse und sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde unterrichte. Es bestünden Zweifel, ob diese Auffassung mit der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) vereinbar sei, da hierdurch das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde eingeschränkt werde. Es bedürfe einer Klärung, ob die Entscheidung der Aufsichtsbehörde der vollen inhaltlichen Kontrolle der Gerichte unterliege.

Zudem legte die 6. Kammer die Frage vor, ob die Eintragungen aus den öffentlichen Verzeichnissen, beispielsweise aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte, eins zu eins in privat geführte Verzeichnisse übertragen werden könnten, ohne dass ein konkreter Anlass zur Datenspeicherung bei der privaten Wirtschaftsauskunftei bestehe. Zweck der Speicherung sei vielmehr, die Daten im Fall einer eventuellen Auskunftsanfrage durch ein Wirtschaftsunternehmen, z.B. eine Bank, verwenden zu können. Ob eine solche Auskunft jemals nachgefragt werde, sei dabei vollkommen offen.

Dies führe letztendlich zu einer Vorratsdatenspeicherung, vor allem dann, wenn in dem nationalen Register die Daten schon wegen Ablaufs der Speicherfrist gelöscht worden seien. Die streitgegenständliche Restschuldenbefreiung sei in dem öffentlichen Register der Insolvenzbekanntmachungen nach 6 Monaten zu löschen, während sie bei den privaten Wirtschaftsauskunfteien jedoch viel länger, ggf. noch weitere 3 Jahre gespeichert und bei Auskünften verarbeitet werden könne.

Es bestünden bereits Zweifel daran, ob eine „Parallelhaltung“ dieser Daten neben den staatlichen Registern bei einer Vielzahl privater Firmen überhaupt zulässig sei. Dabei sei zu beachten, dass die SCHUFA Holding AG nur eine von mehreren Auskunfteien sei und damit die Daten vielfach in Deutschland auf diesem Wege vorgehalten würden. Eine solche „Datenhaltung“ sei gesetzlich nicht geregelt und könne massiv in die wirtschaftliche Betätigung eines Betroffenen eingreifen.

Sollte diese Speicherung jedoch zulässig sein, so müssten jedenfalls dieselben Speicher- und Löschfristen gelten, wie in den öffentlichen Registern. Dies mit der Folge, dass Daten, die im öffentlichen Register zu löschen seien, auch bei allen privaten Wirtschaftsauskunfteien, die diese Daten zusätzlich gespeichert hätten, zeitgleich gelöscht werden müssten.

Der Vorlagebeschluss (Az.: 6 K 226/21.WI) ist unanfechtbar.

Anhang:
Artikel 6 DS-GVO
Verordnung (EU) 2016/679 des Europäische Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung)

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

Artikel 77 DS-GVO
Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde
(1) Jede betroffene Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt.

§ 9 InsO (Insolvenzordnung)
Öffentliche Bekanntmachung
(1) Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet; diese kann auszugsweise geschehen. Dabei ist der Schuldner genau zu bezeichnen, insbesondere sind seine Anschrift und sein Geschäftszweig anzugeben. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.

(2) Das Insolvenzgericht kann weitere Veröffentlichungen veranlassen, soweit dies landesrechtlich bestimmt ist. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen

1.unversehrt, vollständig und aktuell bleiben,

2.jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

(3) Die öffentliche Bekanntmachung genügt zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.

§ 3 Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12. Februar 2002
Löschungsfristen
(1) Die in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem erfolgte Veröffentlichung von Daten aus einem Insolvenzverfahren einschließlich des Eröffnungsverfahrens wird spätestens sechs Monate nach der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens gelöscht. Wird das Verfahren nicht eröffnet, beginnt die Frist mit der Aufhebung der veröffentlichten Sicherungsmaßnahmen.

(2) Für die Veröffentlichungen im Restschuldbefreiungsverfahren einschließlich des Beschlusses nach § 289 der Insolvenzordnung gilt Absatz 1 Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Frist mit Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung zu laufen beginnt.

(3) Sonstige Veröffentlichungen nach der Insolvenzordnung werden einen Monat nach dem ersten Tag der Veröffentlichung gelöscht