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VG Köln: Ex-BSI-Präsident Schönbohm hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbings bzw. Verletzung der Fürsorgepflicht gegen Bundesrepublik Deutschland

VG Köln
Urteil vom 23.01.2025
15 K 4797/23


Das VG Köln hat entschieden, dass der Ex-BSI-Präsident Schönbohm keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbings bzw. Verletzung der Fürsorgepflicht gegen die Bundesrepublik Deutschland hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
VG Köln: Ex-BSI-Präsident Schönbohm unterliegt mit Klage gegen Bundesinnenministerium wegen Mobbings

Dem früheren Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbings oder einer sonstigen Verletzung der Fürsorgepflicht durch seinen Dienstherrn zu. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit einem heute verkündeten Urteil entschieden und damit eine Klage Schönbohms gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), abgewiesen.

Der Kläger war seit 2016 Präsident des BSI. In der Sendung ZDF Magazin Royale vom 07.10.2022 wurde der Eindruck erweckt, er habe Verbindungen zu russischen Geheimdienstkreisen. Die Sendung löste ein erhebliches mediales Echo im Hinblick auf die Stellung des Klägers als Leiter einer großen sicherheitsrelevanten Bundesbehörde aus. Mitte Oktober 2022 stellte der Kläger einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens, um die aus seiner Sicht haltlosen Vorwürfe gegen seine Person aufklären zu lassen. Kurz darauf untersagte das BMI dem Kläger vorläufig die Führung seiner Dienstgeschäfte. Gegen diese Maßnahme beantragte er beim Verwaltungsgericht Köln die Gewährung von Eilrechtsschutz. Noch während des Gerichtsverfahrens versetzte das BMI den Kläger zum BMI und übertrug ihm zum 01.01.2023 die Funktion des Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV). Damit erledigte sich das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen stellte das BMI Ende April 2023 ein. Ende August 2023 erhob der Kläger Klage, mit der er Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro forderte, wobei er sich die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens vorbehielt. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt, um zielgerichtet seine Absetzung als Präsident des BSI zu betreiben. Das Verhalten sei angesichts der gesamten Umstände sogar als Mobbing zu bezeichnen.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. In der mündlichen Urteilsbegründung hat es ausgeführt: Zwar spricht vieles dafür, dass die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen ist, indem sie sich nicht stärker schützend vor den Kläger gestellt hat. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass gerade daraus eine für den geltend gemachten Anspruch erforderliche schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers resultierte. Dieser stand aufgrund der ZDF-Sendung im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung mit den damit verbundenen negativen Folgen für seine Person. Dafür, dass das vom Kläger beanstandete Verhalten den Tatbestand des Mobbings erfüllt, gibt es ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte. Unter Mobbing ist nach gefestigter Rechtsprechung ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren zu verstehen. Dass derlei gegenüber dem Kläger stattgefunden hätte, lässt sich bei einer zusammenfassenden Würdigung der Ereignisse nicht feststellen. Ob das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtmäßig war, muss insoweit nicht entschieden werden. Es war jedenfalls nicht fernliegend, in der damaligen Situation mit dieser Personalmaßnahme auf die öffentliche Debatte zu reagieren. Dass das Verbot gezielt eingesetzt worden wäre, um den Kläger dauerhaft von seiner Position als Präsident des BSI zu entbinden, ist nicht erkennbar. Dagegen spricht auch, dass der Kläger als Beamter ohnehin jederzeit aus dienstlichen Gründen versetzbar war. Ein Beamter hat kein Recht auf Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs. Die Versetzung zur BAköV noch während des laufenden Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Köln spricht vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht für ein systematisches Anfeinden des Klägers, zumal das Amt des Präsidenten der BAköV der Besoldungsgruppe B 8 der Bundesbesoldungsordnung und damit derselben Besoldungsgruppe zugeordnet ist, wie auch das Amt des Präsidenten des BSI. In der Besoldung kommt zugleich zum Ausdruck, dass das Amt des Präsidenten des BSI mit einer exponierten Stellung und einer hohen Verantwortung verbunden ist. In einer solchen Position muss ein Beamter umso eher damit rechnen, in eine auch politisch aufgeladene Auseinandersetzung zu geraten. Dass die Stelle des Präsidenten der BAköV erst kurz vor der Versetzung des Klägers und, wie dieser geltend macht, unter Missbrauch von Steuergeldern von B 6 nach B 8 angehoben worden ist, mag angreifbar sein, lässt für eine Schädigungsabsicht aber ebenfalls nichts Hinreichendes erkennen. Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen gegen den Kläger erst Ende April 2023 eingestellt worden sind, obwohl die Fachebene des BMI bereits im Februar für eine Einstellung votiert hatte.

Soweit der Kläger neben dem Ausgleich immaterieller Nachteile den Ersatz materieller Schäden begehrt, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Die Kosten für seine anwaltliche Vertretung in dem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren sind nur in der Höhe der gesetzlich bestimmten Gebühren erstattungsfähig. In dieser Höhe sind die Anwaltskosten des Klägers aber bereits erstattet worden. Im Hinblick auf Kosten für eine vorgerichtliche Beratung fehlte es zum damaligen Zeitpunkt an einer Fürsorgepflichtverletzung, die einen solchen Anspruch begründen könnte.

Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.

Aktenzeichen: 15 K 4797/23


LG München: Unterlassungsanspruch aber keine Geldentschädigung für ehemaligen BSI-Präsidenten wegen falscher Tatsachenbehauptungen in Böhmermann-Sendung ZDF Magazin Royale

LG München
Urteil vom
26 O 12612/23


Das LG München hat entschieden, das der ehemalige BSI-Präsident Arne Schönbohm einen Unterlassungsanspruch aber keinen Anspruch auf Geldentschädigung wegen falscher Tatsachenbehauptungen in der Böhmermann-Sendung ZDF Magazin Royale hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
ZDF Magazin Royale
Die für Äußerungssachen zuständige 26. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute über eine Klage des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik gegen ZDF entschieden (Az.: 26 O 12612/23). Dabei hat sie der Beklagten die Verbreitung und Behauptung vier konkreter Äußerungen untersagt, die in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann und später auf www.zdf.de getätigt wurden. Einen Anspruch auf Geldentschädigung hat die Kammer dagegen abgewiesen.

Nach Überzeugung der Kammer könnten insbesondere zwei im Rahmen der Sendung getätigte Äußerungen vom Publikum so verstanden werden, dass der Kläger bewusste Kontakte zu russischen Nachrichtendiensten gehabt habe. Dies stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Die Beklagte müsse diese Äußerungen daher künftig unterlassen.

Der Kläger forderte von der Beklagten unter anderem die Unterlassung der Verbreitung und Behauptung von Äußerungen, welche im Rahmen des erstmals am 07.10.2022 ausgestrahlten Beitrags des Formats „ZDF Magazin Royale“ getätigt wurden. Außerdem forderte er die Unterlassung von zwei später auf www.zdf.de veröffentlichten Äußerungen.Weiter verlangte der Kläger von der Beklagte die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 100.000,00 €.

Der Kläger begründete seine Forderungen damit, die angegriffenen Äußerungen stellten unwahre Tatsachenbehauptungen dar. Es werde der unzutreffende Eindruck erweckt, der Kläger habe bewusst Kontakt zu russischen Nachrichtendiensten gehabt. Der Kläger sei durch die angegriffenen Äußerungen besonders schwerwiegend in seinen allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Insbesondere sei er in der Öffentlichkeit in erheblichem Umfang herabgewürdigt worden und habe sein Amt als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verloren. Aufgrund der besonders schwerwiegenden Natur der Persönlichkeitsverletzung sei diese durch eine Geldentschädigung auszugleichen.

Dem trat die Beklagte entgegen. Die Berichterstattung sei keineswegs so zu verstehen, dass man dem Kläger bewusste Kontakte nach Russland unterstellt habe. Vielmehr habe der Kläger selbst „unbewusste Kontakte“ zu russischen Geheimdiensten nicht ausschließen können. Die Sendung habe in zulässiger Weise satirisch zugespitzte Kritik am Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und am Kläger als dessen damaligem Präsidenten geübt. Es sei typisches Stilmittel der Satire, dass mit Uneindeutigkeiten gespielt werde und dadurch z.B. Lücken in einer Argumentation oder einer Stellungnahme offengelegt würden.

Die Kammer hat dem Kläger einen Anspruch auf Unterlassung von vier der angegriffenen fünf Äußerungen zugesprochen. Der Kläger sei insoweit in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Insbesondere zwei der angegriffenen Äußerungen stellten sich nach einer nicht fernliegenden Deutungsvariante als Tatsachenbehauptungen des Inhalts dar, der Kläger unterhalte bewusst Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland. Dabei ergebe sich der Bedeutungsgehalt der Aussage nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus den Begleitumständen.

Auch eine satirische Äußerung müsse sich an den Maßstäben der Meinungsfreiheit messen lassen, wenn es um den Tatsachenkern der Aussage gehe. Entsprechend sei in der Abwägung, ob die Äußerungen untersagt werden oder nicht, ein großzügiger Maßstab anzulegen, der seine Grenze jedoch dort finde, wo sich die Äußerung als eine unwahre, das Persönlichkeitsrecht verletzende Tatsachenbehauptung darstelle. Bei vier von insgesamt fünf angegriffenen Äußerungen sei diese Grenze überschritten und der Anspruch des Klägers daher begründet. Bei der fünften der angegriffenen Äußerungen handele es sich dagegen um eine satirisch zugespitzte Meinungsäußerung, nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die deshalb unter Abwägung der konkreten Umstände noch hinzunehmen sei.

Einen Anspruch auf Geldentschädigung hat die Kammer dem Kläger dagegen nicht zuerkannt. Auch bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung gebe es weitere Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Geldentschädigung: Zum einen könnten die in der Sendung getätigten Äußerungen auch anders gedeutet werden, als der Kläger dies tue, und zum andern habe der Kläger nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Rechtsverletzung anders und eher entgegenzuwirken, etwa durch einen wesentlich früher geltend gemachten Unterlassungsanspruch oder durch einen Anspruch auf Richtigstellung der angegriffenen Äußerungen in einer weiteren Ausgabe der Sendung „ZDF Magazin Royale“. Dann aber seien die Voraussetzungen für eine Geldentschädigung, die nur als „letzter Ausweg“ („ultima ratio“) bei Ansprüchen gegen die Presse in Betracht komme, nicht gegeben.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.



Volltext OLG Dresden liegt vor: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig

OLG Dresden
Urteil vom 18.07.2024
4 U 323/24


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Dresden: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Ansprüche wegen der Verwendung seines Bildnisses auf dem von der Beklagten erstellten Werbeaufstellen kann der Kläger nicht auf §§ 1004 Abs. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK stützen.

a. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass die Verfügungsbeklagte in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers in der Ausprägung seines Rechts am eigenen Bild eingegriffen hätte. Daran fehlt es vorliegend, weil die Verbreitung der Bildaufnahme des Verfügungsklägers in der Werbeanzeige als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne seine Einwilligung zulässig war, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, und durch die Verbreitung im Einzelfall auch kein berechtigtes Interesse des Verfügungsklägers verletzt worden ist, § 23 Abs. 2 KUG.

(aa) Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Die Veröffentlichung des Plakats mit dem Foto des Verfügungsklägers ohne dessen Einwilligung greift in sein Persönlichkeitsrecht ein, weil die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für – hier unstreitig auch - Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, einen wesentlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts darstellt (BGH, GRUR 2011, 647 Rn. 12 – Markt und Leute; BGH, GRUR 2007, 139 Rn. 19 – Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 26 – Wer wird Millionär? BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 14 – Der strauchelnde Liebling).

(bb) Ohne eine solche Einwilligung dürfen jedoch Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Die Prüfung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, erfordert bereits eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten des Unterlassungsschuldners aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, GRUR 2018, 964 Rn. 9 – Tochter von Prinzessin Madeleine; BGH, GRUR 2018, 549 Rn. 10 – Christian Wulff im Supermarkt; Wandtke/Bullinger/Fricke, 6. Aufl. 2022, KUG, § 23, Rn. 5). Der Begriff der Zeitgeschichte ist dabei nicht allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung zu beziehen, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BGH, GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling). Insoweit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse (OLG Köln, Urt. v. 29.8.2017 – 15 U 180/16, BeckRS 2017, 146456). Dazu können auch Vorgänge mit nur lokaler oder zielgruppenspezifischer Bedeutung gehören (GRUR 2014, 804, Rn. 10 – Mieterfest). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos. Begrenzt wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BGH, GRUR 2017, 302 Rn. 7 – Klaus Wowereit). Wie die Grenzen für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu konturieren sind, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (BGH, GRUR 2009, 150 – Karsten Speck).

Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Landgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses der Zeitgeschichte bejaht. Durch den auf dem Plakat abgebildeten "beewashing-Honey", auf den der Verfügungskläger mit einer pointierten Geste hinweist, wird dessen Bildnis mit dem Thema "beewashing" verbunden, das der Verfügungskläger durch die Sendung vom 3.11.2023 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Es handelt sich dabei um eine auf Bienen bezogene Form des sog. Greenwashings, also den Vorwurf an ein Wirtschaftsunternehmen oder eine andere Organisation, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein "grünes Image" zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben. Da es sich hierbei regelmäßig um eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 3 UWG handelt und in der Öffentlichkeit ein breites Bewusstsein und ein erhebliches Interesse daran besteht zu erfahren, ob gerade bei Unternehmen aus der Lebensmittelbranche das durch die Werbung vermittelte Selbstbild mit der Realität des wirtschaftlichen Handelns übereinstimmt, liegt in dem Aufgreifen dieses durch die Sendung vom 3.11.2023 maßgeblich bekannt gemachten Begriffs und dessen Bebilderung mit einem Foto des Verfügungsklägers (vgl. nur https://de.wikipedia.org/wiki/Beewashing [...]) auch nach Auffassung des Senats ein Ereignis der Zeitgeschichte. Dabei kann der Verfügungskläger nicht damit gehört werden, als Moderator zu diesem Thema keine inhaltliche Verbindung zu haben und daher lediglich als Blickfang abgebildet worden zu sein. Unabhängig davon, dass die Zulässigkeit einer Bildnutzung nicht zwingend voraussetzt, dass der Abgebildete einen berechtigten Anlass für die Verbreitung seines Bildnisses gegeben hat (BGH, Urteil vom 9.4.2019 – VI ZR 533/16, Rn. 7), entspricht es gerade dem Konzept der Sendung "ZDF Magazin Royale", Themen aufzugreifen, die gesellschaftlich oder medial relevant sind und dabei auch fachliche Nischenthemen einem breiten Publikum zu präsentieren. So liegt es auch hier. Das zuvor eher in Fachkreisen diskutierte "Beewashing" hat durch die Sendung vom 03.11.2023 breite Öffentlichkeitswirkung erlangt (Aufrufe bei Youtube: 1.024.711, seit dem 03.11.2023, festgestellt am 21.05.2024; Einschaltquoten der Sendung im ZDF regelmäßig um die 2 Millionen, vgl. https://www.quotenmeter.de/n/143539/quotencheck-zdf-magazin-royale[...]). Dieses Sendungskonzept, das der Verfügungskläger auch nicht in Abrede stellt, wird beispielhaft deutlich in der Begründung der Jury des Grimme-Preises 2023 für das ZDF Magazin Royale, in der maßgeblich darauf abgestellt wird, dass Anliegen der Sendung die Aufbereitung von aktuellen Themen von gesellschaftlicher Relevanz sei, die sonst nur einem Fachpublikum zugänglich wären (vgl. https://www.grimme-preis.de/archiv/2023/preistraeger/preistraeger-detail/d/zdf-magazin-royale).

Unabhängig hiervon geht die durch das Plakat aufgenommene Auseinandersetzung mit dem Verfügungskläger über dessen Rolle als Vermittler des Themas "Beewashing" hinaus. Sie greift vielmehr ein Ereignis der Zeitgeschichte auch dadurch auf, dass sie durch die Bezeichnung des Klägers als "führenden Bienen-und Käferexperten" dessen für sich in Anspruch genommene Rolle als journalistisch-satirischer Investigativjournalist und den in diesem Zusammenhang reklamierten Expertenstatus für eine Fülle von Themen kritisiert und damit das Sendungskonzept des "ZDF-Magazin Royale" generell infrage stellt. Dieses will mit den Mitteln der Satire auf der Grundlage einer eigenen oder von Dritten zugearbeiteten Recherchearbeit tatsächliche, oftmals aber auch nur vermeintliche Skandale anprangern. Die Präsentation in der Sendung ist darauf ausgerichtet, dass die satirische Zuspitzung und Bewertung oftmals nicht greifbar ist, die darin enthaltene Andeutung von Tatsachenbehauptungen aber unterhalb der Schwelle zu einer verdeckten Behauptung bleibt und damit von den Betroffenen nicht angegriffen werden kann. Dieser dem Verfügungskläger eigene Aufarbeitungsstil ist in der Vergangenheit wiederholt öffentlich kritisiert worden, was der Senat gem. § 297 ZPO berücksichtigen kann (vgl. nur https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/jan-boehmermann-und-bsi-praesident-arne-schoenbohm-der-herbeigeboehmermannte-skandal-a-825cf663-1405-42db-89de-551c22ce6dc1:"wiederkehrendes Instrument von B......s Enthüllungen, mit dem man nicht ganz ausrecherchierte Geschichten so fabelhaft inszenieren wie rechtssicher anreichern kann"; vgl. auch https://www.deutschlandfunkkultur.de/boehmermann-kliemann-zdf-magazin-royale-recherche-satire-100.html ).

Angesichts dessen kommt es auf die mit der Berufungserwiderung aufgeworfene Frage nicht an, ob ein zeitgeschichtliche Ereignis im Sinne des dort angesprochenen "Streisand-Effekts" auch allein durch eine breite Reaktion der Öffentlichkeit auf den Versuch des Betroffenen begründet wird, sich gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.
[...]

2. Bezüglich der Namensnutzung bestehen Unterlassungsansprüche ebenfalls nicht, insbesondere nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 12 BGB oder dem Persönlichkeitsrecht.

Durch die Nennung seines Namens zur Bewerbung des Honigs auf der Interseite ist zwar ebenfalls in das Recht des Verfügungsklägers eingegriffen worden, darüber zu bestimmen, ob der eigene Name zu Werbezwecken benutzt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1959 - IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 9 ff. - Caterina Valente; Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75, 78 - Carrera). Diese Befugnis stellt, soweit sie dem Schutz kommerzieller Interessen des Namensträgers dient, einen vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts dar (BGHZ 143, 214, 230 - Marlene Dietrich -; BGH, Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 119/08 –, Rn. 54, juris)).

Die hinsichtlich des Eingriffs in das Namensrecht des Verfügungsklägers aber ebenfalls gebotene umfassende Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass dem Interesse der Verfügungsbeklagten an der im Zusammenhang mit der Werbung verbreiteten Meinungsäußerung gegenüber dem Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seines Namensrechts der Vorrang einzuräumen ist. Zur Begründung kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Recht am eigenen Bild unter 1. verwiesen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Dresden: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig

OLG Dresden
Urteil vom 18.07.2024
4 U 323/24


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit einem Bild von Jan Böhmermann zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberlandesgericht entscheidet im »Böhmermann-Honig«-Fall: Zulässige Satire

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat heute die Berufung des Satirikers und Moderators Jan Böhmermann gegen eine sächsische Bioimkerei zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger hatte am 3.11.2023 in der Fernsehsendung »ZDF Magazin Royale«, über »Beewashing« berichtet und dort u.a. die Praxis kritisiert, Bienenvölker an Unternehmen zu vermieten, damit diese sich mit dem Anschein des Engagements für Nachhaltigkeit und Artenschutz schmücken könnten. Hierzu hatte er das Logo und Ausschnitte aus dem Werbevideo der Verfügungsbeklagten gezeigt, außerdem ein Foto ihres Geschäftsführers. Die Verfügungsbeklagte reagierte darauf, indem sie u.a. in ihrem Online-Shop sog. beewashing-Honey vertrieb, der dort als »Böhmermann-Honig« und »Böhmermann-Bundle«, (3 x »Böhmermann-Honig«) beworben wurde; auf den Gläsern selbst findet sich der Name des Verfügungsklägers nicht. Außerdem warb sie in einem Dresdner Supermarkt mit einem Aufsteller mit dem Bild des Verfügungsklägers, einem im Vordergrund befindlichen Glas "beewashing-Honey" und dem Zusatz "führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt«.

Ein Eilantrag des Verfügungsklägers mit dem Ziel, jegliche Werbung mit seinem Namen oder seinem Bild zu verbieten, blieb vor dem Landgericht erfolglos. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht heute bestätigt. Der Senat teilte die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach es sich bei der Abbildung auf dem Plakat um ein Bildnis der Zeitgeschichte handele, dessen sich die Verfügungsklägerin in satirischer Weise bedient habe. Durch die Bezeichnung des Verfügungsklägers als »führender Bienen- und Käferexperte« habe sich die Verfügungsbeklagte satirisch-spöttisch damit auseinandergesetzt, dass sich der Verfügungskläger als journalistisch-satirischer Investigationsjournalist sehe und zu einer Vielzahl von Themen einen Expertenstatus für sich reklamiere. Die Verfügungsbeklagte habe damit nicht allein den Werbewert des Verfügungsklägers für ihre Geschäftsinteressen ausgenutzt, sondern zugleich in satirischer Weise ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt. Dies müsse der Verfügungskläger hinnehmen.

Auch die Namensnennung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers nicht. Die Werbung mit seinem Namen greife zwar in seine Rechte ein. Angesichts der erkennbar satirischen Auseinandersetzung sowie des Umstandes, dass die Werbung nicht der alleinige Zweck der Aktion gewesen sei, sondern sich die Verfügungsbeklagte damit auch gegen die Vorwürfe in der Sendung zur Wehr habe setzen wollen, gehe das Recht auf Meinungsäußerung in der gebotenen Gesamtabwägung dem Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seiner Namensrechte vor.

Gegen das im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Urteil sind keine Rechtsmittel mehr gegeben.


LG Hamburg: Einstweilige Verfügung Stefan Aust gegen ZDF Magazin Royale - Beitrag Fahndungsplakat "Linksradikale Gewalttäter"

LG Hamburg
Beschluss vom 03.01.2023
324 O 513/22


Das LG Hamburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Beitrag mit dem Fahndungsplakat "Linksradikale Gewalttäter" Stefan Aust in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Die Verbreitung des Fotos im Zusammenhang mit der Angabe „A., S. R.,... S.“ bzw. „A., S. R.“ verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Wird die beanstandete Äußerung im Rahmen eines satirischen Beitrags getätigt, ist sie hierbei zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu befreien. Aussagekern und Einkleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wobei die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung anders und weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns. Enthält der satirische Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie also für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei tatsächlich wahr (BGH, Urt. v. 10.01.2017 – VI ZR 561/15 –, Rn. 11 f.).

Einer Satire sind die Stilmittel der Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung wesenseigen. Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit einen besonderen Schutz genießt, ist aber, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung erkennt, so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit auch dann kein schützenswertes Gut, wenn die Information in einem satirischen Kontext erfolgt (Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8.09.2015 – 7 U 121/14 –, Rn. 24).

Nach diesem Maßstab gelangt ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum des vorliegenden Fernsehbeitrags auch unter Berücksichtigung des satirischen Inhalts des Beitrags zu dem unwahren Verständnis, dass das Bildnis den Antragsteller darstelle. Tatsächlich und unstreitig handelt es sich bei der abgebildeten Person aber um den Schauspieler V. B., der in dem Film „D. B. M. K.“ die Rolle des Antragstellers spielte.

Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Fernsehsendung in satirischer Überspitzung vermeintliche Parallelen und Verbindungen zwischen der FDP, der „W.“ und der RAF zieht, um die Absurdität einer Gleichsetzung von Klimaaktivisten mit der RAF satirisch auf den Punkt zu bringen. Das Publikum gelangt vor diesem Hintergrund zwar zu dem Verständnis, dass das Fahndungsplakat, auf dem neben anderen Personen u.a. C. L., F. L. und M. D. abgebildet sind, nicht authentisch ist und die darauf abgebildeten Personen tatsächlich nicht zur Fahndung ausgeschrieben sind. Dies führt allerdings nicht dazu, dass das Publikum auch annimmt, dass es sich bei den auf dem satirischen Fahndungsplakat genannten Personen – darunter der Antragsteller – nicht auch um die abgebildeten Personen handele. Im Gegenteil: Die satirische Übertreibung liegt gerade darin, dass die auf dem Fahndungsplakat abgebildeten Personen aufgrund der bloßen im Beitrag angesprochenen Gemeinsamkeiten – im Hinblick auf den Antragsteller insbesondere als Herausgeber der „W.“ und als Pferdefreund – offenkundig nicht wie auf dem Fahndungsplakat geschehen als „linksradikale Gewalttäter“ bezeichnet werden können. Diese satirische Übertreibung würde in den Augen der Rezipienten ihre Schärfe gerade verlieren, wenn auf dem Fahndungsplakat nicht der „echte“ C. L. und kein wahres Bildnis des Antragstellers abgebildet wären.

Randnummer6
Eine „Verschränkung“ der satirischen Überspitzung ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass Szenen aus der Verfilmung des „B. M. K.“ in dem Fernsehbeitrag eingeblendet werden. Zum einen zeigt keine der eingeblendeten Filmszenen den Schauspieler V. B. in der Rolle des Antragstellers. Zum anderen sind alle Filmeinblendungen – anders als die Einblendungen des Fotos, das vermeintlich den Antragsteller zeigt – deutlich mit der Unterzeile „D. B. M. K.“ gekennzeichnet. Es liegt für ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum daher nicht nahe, dass auf dem Foto nicht der Antragsteller, sondern ein Darsteller aus einem Film abgebildet ist. Dass einzelne Zuschauer dennoch erkannt haben, dass es sich nicht um den Antragsteller, sondern um V. B. handelt, ändert hieran nichts.

Die unwahre Behauptung, bei der abgebildeten Person handele es sich um den Antragsteller, ist auch nicht wertneutral. Für das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ist es nicht von gänzlich unerheblicher Bedeutung, ob er fälschlicherweise mit einem Foto dargestellt wird, das nicht ihn, sondern eine andere Person zeigt. Hierfür kommt es auch nicht darauf an, ob der Antragsteller entstellt dargestellt wird oder ob der Schauspieler V. B. dem Antragsteller ähnlich sieht. Ebenso unerheblich ist, dass die ansehensrelevante Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Verwendung des „unrichtigen“ Fotos in ihrem Ausmaß hinter der Beeinträchtigung zurückbleibt, die der Antragsteller durch den Inhalt des satirischen Beitrags im Übrigen erleidet, der von ihm aber nicht angegriffen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: