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OLG Frankfurt: Sternchenhinweise bei Blickfangwerbung müssen deutlich sichtbar sein

OLG Frankfurt a.M.
Urteil vom 31.03.2009
11 U 2/09


Das Gericht hat in dieser Entscheidung noch einmal klargestellt, dass Sternchenhinweise zur Aufklärung von Missverständnissen in Blickfangwerbung deutlich sichtbar sein müssen. Zudem müssen die aufklärenden Hinweise derart gestaltet sein, dass sich diese den jeweiligen Aussagen eindeutig zuzuordnen sind.


Den Volltext der Entscheidung finden sie hier:




In dem Rechtsstreit

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
durch die Richter …
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2009
für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt
am Main – 12. Kammer für Handelssachen – vom 24.10.2008 (Az.: 3 – 12
0 128/08) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beschlussverfügung vom 01.09.2008 wird bestätigt, soweit der Beklagten
untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbeszwecken
den Abschluss eines Stromlieferungsvertrages zu bewerben
und/oder bewerben zu lassen, und dabei auf die Bedingungen einer Neukundenprämie
und/oder einer Preisgarantie durch Verwendung eines unleserlichen Fußnotentextes hinzuweisen
wie in der Anlage AS 1 zu der Antragsschrift erfolgt.
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren
Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen. Die weitergehende Berufung
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

GRÜNDE:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

1.
Soweit sich die Berufung gegen das Verbot richtet, auf die Bedingungen einer Neukundenprämie
und/oder einer Preisgarantie durch Verwendung eines unleserlichen
Fußnotentextes hinzuweisen, hat sie nur geringen Erfolg.

a) Die angegriffene Werbung war insoweit zu untersagen, weil sie gegen das Verbot
der irreführenden Werbung verstößt ( §§ 3, 5, 8 UWG).
Zutreffend hat das Landgericht insoweit darauf abgestellt, ob die irrtumsausschließende
Aufklärung durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgt, der
am Blickfang teilnimmt und eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt
bleibt (BGH, GRUR 2003, 249 – Preis ohne Monitor).
Nachdem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Grundsatz der isolierten
Beurteilung des Blickfangs relativiert wurde, gilt, dass, sofern der Blickfang für
sich genommen eine Fehlvorstellung auslöst, eine irrtumsausschließende Aufklärung
durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen muss. In Fällen, in
denen der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist, aber nur „die halbe Wahrheit“
enthält, muss ein Stern oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter
zu dem aufklärenden Hinweis führen. Insoweit trifft den Werbenden eine aus
dem Irreführungsverbot abzuleitende Pflicht, die anderen belastenden Preisbestandteile
klar zugeordnet und ähnlich deutlich herauszustellen. Wie deutlich Stern und
aufklärender Hinweis gestaltet sein müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls
ab (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009 § 5 Rn. 298 ff.).
So liegt der Fall auch hier. Die Neukundenprämie von 50,00 € erhält der Kunde nur
bei Abschluss des Tarifs „...“ und einer Mindestabnahmemenge von 1000 KwH Strom
im Jahr. Die Preisgarantie gilt ebenfalls nur für den entsprechenden Tarif,
eine Erstlaufzeit bis 31.12.2009 und bezieht sich nicht auf die Änderung
oder Neueinführung gesetzlich vorgeschriebener Abgaben.
Auf diese gegenüber den blickfangmäßig herausgestellten Vorteilen bestehenden
Einschränkungen des Tarifs wird in einer Fußnote in der Werbeanzeige zwar hingewiesen.
Angesichts der Ausgestaltung der Anzeige könnte indes schon zweifelhaft
erscheinen, ob vorliegend durch die Fußnoten 1 und 2 noch eine ausreichende Zuordnung
zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt, weil bereits die Fußnoten
gegenüber dem sonstigen Fließtext zurücktreten und keineswegs deutlich und in
gleicher Schärfe erkennbar sind. Das gilt erst recht von der Positionierung der Fußnoten
unter dem fett hervorgehobenen Satz „jetzt zu X Ökostrom wechseln“ und der
nachfolgenden Telefonnummer bzw. Internetadresse. Der darunter folgende „aufklärende
Text“ lässt die Fußnoten 1 und 2 kaum noch erkennen, so dass durchaus davon
ausgegangen werden kann, dass ein flüchtiger Verbraucher den aufklärendergänzenden
Teil der Blickfangwerbung übersehen wird. Selbst wenn er ihn im Rahmen
der Werbung ausfindig macht, erfordert – wie das Landgericht bereits zutreffend
festgestellt hat -, das Lesen die gesteigerte Aufmerksamkeit und wird „zur anstrengenden
Arbeit“, so dass nicht wenige Leser nicht in der Lage sein oder sich scheuen
werden, sich dieser Anstrengung zu unterziehen.
Auch gemäß § 1 Abs. 6 Preisangabenverordnung müssen die dort vorgesehenen
Pflichtangaben „leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar“
sein (BGH, GRUR 99, 264 – Handy für 0,00 DM). Davon kann bei dem streitbefangenen
Anzeigentext nicht die Rede sein.
Der die Aufklärung enthaltene Textteil ist wegen der geringen Schriftgröße und der
schwachen Konturen der weißen Schrift auf dem orangefarbenen Hintergrund praktisch
kaum lesbar. Der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verbrauchern
gehören, kann diese Frage selbst beurteilen. Er teilt insoweit die zutreffende
und überzeugende Würdigung des Landgerichts.

b) Allerdings geht der Antrag und der ihm entsprechende Tenor über die konkrete
Verletzungsform unzulässig hinaus. Der Tenor gibt die konkrete Verletzungsform bereits
durch Verwendung der Formulierung „und dabei auf … die Bedingungen einer
Neukundenprämie und/oder einer Preisgarantie …
durch Verwendung eines unleserlichen Fußnotentextes hinzuweisen“ wieder.
Der zusätzliche Hinweis auf „Konditionen“ allgemein geht über die konkrete Verletzungsform hinaus
und ist zu unbestimmt,
weil nicht ersichtlich ist, welche Angaben mit dem Begriff „Konditionen“ erfasst
sein sollen. Insoweit hat der Senat den Tenor gemäß § 938 ZPO konkret auf die
Verletzungsform beschränkt.
Unbedenklich erscheint dagegen die Verwendung der Formulierung „unleserlicher
Fußnotentext“, die durch die Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Anzeige im
Tenor ausreichend konkretisiert wird.

2.
Soweit das Landgericht der Beklagten untersagt hat, auf Pflichtangaben nach § 42
EnWG durch Verwendung eines unleserlichen Fußnotentextes hinzuweisen, hat die
Berufung Erfolg.

Zwar sind die Angaben zum Energieträgermix gem. § 42 Abs. 1 Nr.1 EnWG in der
gleichen Schriftgröße gehalten wie der Fußnotentext und damit kaum bzw. nicht
mehr lesbar. Die Beklagte trifft insoweit aber nicht der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen
Verhaltens, weil die streitbefangene Zeitungsanzeige nicht der Kennzeichnungspflicht
gem. § 42 EnWG unterliegt.

Gem. § 42 Abs. 1 EnWG sind Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, in
oder als Anlage zu ihren Rechnungen an Letztverbraucher und in an diese gerichtetem
Werbematerial Angaben gem. § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG zu machen. Mit der
Formulierung „in an diese gerichtetem Werbematerial“ ist eine Beschränkung der
Kennzeichnungspflicht auf bestimmte Formen der Werbung beabsichtigt. Das ergibt
sich zwar noch nicht zwingend aus dem deutschen Gesetzestext, wenngleich die
Formulierung „in ihrer Werbung“ ausreichend und naheliegend gewesen wäre, wenn
die Stromkennzeichnungspflicht für jegliche Art von Werbung hätte eingeführt werden
sollen.
§ 42 EnWG dient insbesondere der Transformation von Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie
2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. EG
L 176, S. 37 v. 15.07.2003). Die entsprechende Formulierung des Art. 3 Abs. 6 der
Richtlinie 2003/54/EG lautet in der englischsprachigen Fassung „…in promotional
materials made available to final customers“ und in der französischen Fassung : „
…envoyes aux clients finals“.
Aus beiden Fassungen ergibt sich deutlicher als aus der deutschsprachigen Fassung,
dass nur solches Werbematerial der Kennzeichnungspflicht unterliegt, das an
den Letztverbraucher übersandt wird bzw. greifbar ist (available = verfügbar, greifbar,
erhältlich). Dieses Verständnis folgt nicht zuletzt aus der Verlautbarung der Generaldirektion
Energie und Transport zu Art. 3 Abs. 6, in welcher der Begriff promotional
materials definiert wird wie folgt:
“Promotional materials are materials handed out or sent directly to consumers, but do
not include newspaper, magazine, bill-board and television advertisements”.
Auch wenn das Dokument die Kommission nicht bindet, handelt es sich um eine Verlautbarung,
mit der die Absichten des Richtliniengebers in Verbindung mit Art. 3 Abs.
6 der Richtlinie authentisch interpretiert werden.
Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Formulierung des § 42
EnWG „ in an diese gerichtetem Werbematerial“ eine weitergehende Kennzeichnungspflicht
einführen wollte, als ihm durch die Richtlinie vorgegeben war, finden
sich nicht. Die Gesetz gewordene Formulierung entspricht wörtlich Artikel 3 Abs. 6
der deutschen Fassung der Richtlinie. Auch die Gesetzesmaterialien zu § 42 EnWG
enthalten keine Hinweise darauf, dass im Zuge der Umsetzung eine über die Vorgaben
der Richtlinie hinausgehende Kennzeichnungspflicht eingeführt werden sollte.
Mangels anderweiter Anhaltspunkte hält es der Senat daher für geboten, bei der
Auslegung auf die Verlautbarung der Generaldirektion abzustellen.
Die vom Landgericht vertretene Differenzierung nach sog. Imagewerbung und informativer
Werbung mag zweckmäßig oder sinnvoll erscheinen, sie findet nach Auffassung
des Senats jedoch weder im Text der Richtlinie noch in den Gesetzesmaterialien
zu deren Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber eine ausreichende Stütze.

Legt man § 42 EnWG entsprechend aus, so besteht jedenfalls keine Kennzeichnungspflicht
zum Strommix in einfachen Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften
wie hier. Auf die Frage der Lesbarkeit der Angabe in der konkret beanstandeten
Werbeanzeige kommt es damit nicht an.
Andere rechtliche Gesichtspunkte, unter denen die Werbung insoweit angegriffen
werden könnte, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

3.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

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