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LG Köln: Marginales Wettbewerbsverhältnis als Indiz für rechtsmissbräuchliche Abmahnung - Onlineanbieter gegen lokalen Einzelhändler

LG Köln
Urteil vom 28.11.2013
31 O 130/13


Bei vielen Serienabmahnungen werden nach einer Internetrecherche häufig wahllos Webseitenbetreiber abgemahnt, ohne dass tatsächlich ein näheres Wettbewerbsverhältnis besteht. Nun hat das LG Köln klargestellt, dass ein nur marginales Wettbewerbsverhältnis auch ein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung nach § 8 Abs. 4 UWG sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Hierzu gehört zunächst, dass eine Vielzahl der abgemahnten Vertragspartner der Firma D allenfalls in einem marginalen konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin steht. Ein direktes konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht sicher zu der Firma D, die neben den Fotoservices auch Online-Druckangebote bereithält. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch offenbar um ein Fotofachgeschäft, das lediglich als zusätzlichen Service auch Fotobücher anbietet. Diese wiederum gehören nicht zum Produktangebot der Klägerin. Mag deshalb – was die Kammer offen lassen kann – zwischen den Parteien auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen, so zeigt dies doch, dass die geschäftlichen Interessen der Klägerin durch den geltend gemachten Wettbewerbsverstoß der Beklagten allenfalls marginal berührt werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zusätzlich, dass das Angebot der Klägerin in erster Linie an größere Abnehmer auch aus dem gewerblichen Bereich gerichtet zu sein scheint, weil eine Mindestabnahmemenge von 25 Stück bei allen Drucksachen vorgeschrieben ist. Es mag zwar zutreffen, wie die Klägerin vorbringt, dass es auch im privaten Bereich Fälle gibt, wo eine solche Abnahmemenge vorkommt, den Normalfall oder gar den Regelfall dürfte dies aber nicht darstellen.

Zutreffend ist im Ergebnis auch die Ansicht der Beklagten, dass die Art und Weise des Vorgehens der Klägerin Rückschlüsse darauf zulässt, dass es der Klägerin in Wahrheit vornehmlich um andere Ziele als das Abstellen von Wettbewerbsverstößen geht. Die Beklagte hat im Einzelnen das Vorgehen so charakterisiert, dass zu verschiedenen Bereichen, wo die Klägerin Wettbewerbsverstöße entdeckt hat, jeweils zunächst ein „Pilotverfahren“ gestartet werde, an das sich sodann, sollte es erfolgreich sein, eine Vielzahl weiterer Verfahren anschließe, in denen die Klägerin verschweige, dass es bereits eine Entscheidung zu ihren Gunsten gebe. Dem hat die Klägerin in der Sache nicht widersprochen, sondern lediglich gemeint, dies sei nicht zu beanstanden und zu entsprechenden Hinweisen sei sie nicht verpflichtet. Darum geht es jedoch in der Gesamtschau nicht. Zu prüfen ist vielmehr, ob das Gesamtverhalten Rückschlüsse auf überwiegend andere Motive als diejenigen der Abstellung des Wettbewerbsverstoßes zulässt.

Vor diesem Hintergrund ist auch das zu bejahen. Derjenige Mitbewerber, dem es nur oder in erster Linie auf die Abstellung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes ankommt, wird bestrebt sein, dies schnell und unter Vermeidung überflüssiger Kosten zu erreichen. Deshalb mag es zwar angehen, bei einer angeblich unklaren Rechtslage (die die Kammer im Übrigen nicht sieht), zunächst ein „Pilotverfahren“ zu führen. Unüblich ist es aber, dies bei einer großen Zahl nachfolgender Abmahnungen schlicht und einfach zu verschweigen und dadurch aktiv dazu beizutragen, dass es gerade nicht, wie es das Gesetz mit der in § 12 UWG niedergelegten Obliegenheit zur Abmahnung bezweckt, zu einer gütlichen außergerichtlichen Beilegung kommen kann. Das klägerische Argument, „grundsätzlich“ würden keine Rechtsprechungsnachweise geschuldet, ist in diesem Zusammenhang deshalb unergiebig.

Gleiches gilt für den Vorwurf der Beklagten, die Klägerin füge ihren Abmahnungen niemals eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei. Sicher ist es vom Ansatz zutreffend, wenn die Klägerin meint, es sei Sache des Abgemahnten, eine die Wiederholungsgefahr ausräumende Unterlassungserklärung zu formulieren. Hat dagegen in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle dieses Vorgehen „Methode“ und handelt es sich bei den Abmahnungen um eine vielleicht neue und nicht typische Fallkonstellation und sind schließlich die Abgemahnten – wie hier – nur mittelbar betroffen, weil der Wettbewerbsverstoß seine Ursache in einer voreingestellten Software, die ein Dritter zur Verfügung gestellt hat, hatte, kann durchaus eine andere Beurteilung angebracht sein. Die Kammer leitet daraus ein deutliches Indiz dafür ab, dass es der Klägerin gar nicht in erster Linie um die Abgabe geeigneter Unterlassungserklärungen ging sondern darum, Kosten zu generieren.

Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es bei dem Wettbewerbsverstoß, um den es vorliegend geht (falsche oder irreführende Preiswerbung in der von der Firma D zur Verfügung gestellten Software) in Betracht kommen könnte, dass den jeweils Abgemahnten ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Firma D zustehen könnte, so dass entstehende Kosten letztendlich den eigentlichen Konkurrenten D treffen würden. Jedenfalls im vorliegenden konkreten Fall, wo es sich bei der Beklagten um ein Fotofachgeschäft ohne Filialbetrieb handelt und dementsprechend die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin mehr als überschaubar sind (bei unterstelltem Wettbewerbsverhältnis), erscheint auch der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert von 25.000 € deutlich übersetzt zu sein.

Schließlich musste maßgeblich in die Gesamtabwägung einfließen, dass sich die Abmahntätigkeit der klägerischen Prozessbevollmächtigten offenbar verselbständigt zu haben scheint. Obwohl von der Beklagten in den vorbereitenden Schriftsätzen von Anfang an und mehrfach gerügt, vermochte die Klägerin auch im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts nicht dazu dezidiert Stellung zu nehmen, ob im Einzelfall ein Mandat erteilt worden ist und ob und ggfls. welche Honorarvereinbarung getroffen wurde. In Anbetracht der Umstände hätte es der Klägerin ein Leichtes sein müssen, entsprechenden konkreten Gegenvortrag zu liefern und/oder Vereinbarungen vorzulegen, die sich auf den Zeitpunkt der Mandatserteilung beziehen. Stattdessen hat sich die Klägerin darauf beschränkt, den Beklagtenvortrag als pauschal und ins Blaue hinein erfolgt zurückzuweisen. Die im Schriftsatz vom 17.10.2013 angekündigte Vorlage einer Kostenabrechnung vom 14.10.2013 ist nicht erfolgt und wäre für die Frage der Beauftragung und Honorarvereinbarung auch rechtlich unerheblich gewesen. Bezeichnend ist insoweit auch der Vortrag in der Klageschrift, wonach der Verstoß offenbar vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin entdeckt, jedenfalls dokumentiert worden ist.

Zusammenfassend ist die Kammer deshalb unter Würdigung aller vorerwähnten Gesichtspunkte der Überzeugung, dass es der Klägerin jedenfalls im vorliegenden Fall nicht in erster Linie um die Abstellung eines Wettbewerbsverstoßes, sondern überwiegend um andere Zwecke ging, nämlich die Generierung von Kosten (auch) zum Nachteil des eigentlichen „Gegners“ D. Die vorliegende Unterlassungsklage ist damit unzulässig, weil rechtsmissbräuchlich erhoben. Ob auch die Abmahnung bereits rechtsmissbräuchlich erfolgt ist, bedarf nach der Teilrücknahme der Klage keiner Entscheidung mehr."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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