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OLG Frankfurt: Theater-Besucherring ist auch bei jahrelanger Vermittlung von Karten kein Handelsvertreter des Theaters - kein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 29.9.2015
5 U 43/15


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Theater-Besucherring ist auch bei jahrelanger Vermittlung von Karten kein Handelsvertreter des Theaters ( hier: Hessisches Staatstheater Wiesbaden ) ist, da dieser die Interessen der Theaterbesucher vertritt. Es besteht mithin kein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich aus § 89b Abs. 1 HGB

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Kläger steht kein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich nach § 89b Abs. 1 HGB zu, da zwischen dem Insolvenzschuldner und der Beklagten weder ein Handelsvertreterverhältnis bestand, noch eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB in Betracht kommt.

Dabei kann das zwischen den Parteien umstrittene Problem der Kündigung des Vertragsverhältnisses ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die streitgegenständliche Tätigkeit des beklagten Landes unter den Unternehmerbegriff im Sinne des §§ 89b Abs. 1, 84 Abs. 1 HGB fällt oder das Handeln im Rahmen der Aufgabenerfüllung mangels Gewinnerzielungsabsicht hiervon auszunehmen ist (zur grundsätzlichen Gleichstellung der öffentlichen Hand mit Privaten bei gleichartiger wirtschaftlicher Lage des Dienstverpflichteten BGH, Urteil vom 21.01.1965 - VII ZR 22/63 -, BGHZ 43, 108-115, zitiert nach Juris Tz. 17; vgl. auch Thume in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 84 HGB, Rdn. 14).

Unerheblich ist ferner, dass der Kartenverkauf grundsätzlich Gegenstand eines Handelsvertretervertrags sein kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20.02.1986 - I ZR 105/84, zitiert nach Juris).

Der streitgegenständlichen vertraglichen Beziehung fehlt nämlich das für ein Handelsvertreterverhältnis wesentliche Merkmal des Betrautseins. Der Insolvenzschuldner war nicht im Sinne des § 84 Abs.1 HBG damit betraut, für das beklagte Land Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.

Voraussetzung für ein Betrautsein in diesem Sinne ist mehr als das Bestehen einer dauerhaften Geschäftsverbindung. Handelsvertreter ist nur derjenige, den eine Tätigkeitspflicht trifft; erforderlich ist die Verpflichtung, sich ständig um Geschäfte zu bemühen (BGH, Urteil vom 01.04.1992 - IV ZR 154/91 - zitiert nach Juris Tz. 12). Dagegen ist der Vermittler ohne Tätigkeitspflicht nicht Handelsvertreter; auch die bloße Berechtigung zum Tätigwerden genügt nicht (OLG München, Urteil vom 21.01.2010 - 23 U 4124/09 -, zitiert nach Juris Tz. 13). Betrautsein meint weiter, dass der Unternehmer dem Handelsvertreter die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut. Die allgemeine Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters für den Unternehmer ist dem Handelsvertreterverhältnis immanent (vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.1990 - KVR 2/89 -, BGHZ 112, 218-229, zitiert nach Juris Tz. 16). Der Handelsvertreter steht im Lager des Unternehmers und wahrt dessen Belange, nicht diejenigen des Kunden, zu dem der Handelsvertreter selbst im Regelfall nicht in rechtliche Beziehungen tritt (Emde, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2008, § 84, Rdn. 65).

Ausgehend von diesem Maßstab lässt sich weder der Vereinbarung vom 21.02.1989 (Anlage K2, Bl. 11 ff. d.A.) noch dem übrigen Vorbringen der Parteien entnehmen, dass der Insolvenzschuldner im Sinne des § 84 HGB "ständig damit betraut" war, für das beklagte Land - Hessisches Staatstheater Wiesbaden - Geschäfte zu vermitteln oder in deren Namen abzuschließen.

Schon der Vereinszweck des Insolvenzschuldners spricht gegen seine Tätigkeitspflicht sowie dagegen, dass er bei der Kartenvermittlung und beim Kartenverkauf im Lager der Beklagten stand. Danach hatte der Verein "kulturelle Aufgaben", diente "der Volkserziehung und der Volksbildung". Sein Zweck war die "Förderung des Theaterbesuchs durch die Schaffung von Besucherringen". Dem entsprechend haben sich auch nach dem Vortrag des Klägers die vom Insolvenzschuldner vermittelten Besucher zu regelmäßigen Theaterbesuchen organisiert. Im Hinblick darauf nahm der Insolvenzschuldner als Zusammenschluss dieser Theaterbesucher deren Interessen wahr.

Ein Tätigwerden in erster Linie im eigenen satzungsmäßigen Interesse des Insolvenzschuldners bzw. im Interesse seiner Mitglieder ergibt sich auch aus der Gestaltung des streitgegenständlichen Vertrags. Die dort vorgesehene Übertragung der "Werbung und Kartenvermittlung zu entsprechend ermäßigten Preisen" liegt nicht im unternehmerischen Interesse des beklagten Landes, sondern betrifft allenfalls die öffentliche Aufgabe der Kulturförderung. In erster Linie ermöglichte die dort geregelte Kartenvermittlung jedoch dem Insolvenzschuldner die Verfolgung seines eigenen Satzungszwecks. Dem entsprechend war dem Insolvenzschuldner die Kartenvermittlung - wie es bei einer Vermittlung im Interesse des Theaters zur größtmöglichen Gewinnerzielung nahe gelegen hätte - auch nicht gegenüber jedermann überlassen. Vielmehr soll nach § 1 Ziff. 5 die Heranführung der Besuchergruppen durch den Besucherring nach Möglichkeit in geschlossenen Gruppen vorgenommen werden. Der Verkauf von Karten an Einzelpersonen war nur gestattet, soweit es sich um Mitglieder des Besucherrings handelte, der Insolvenzschuldner also - anders als üblicherweise beim Handelsvertreterverhältnis - zu diesen Personen in rechtlicher Beziehung stand.

Dafür, dass der Kläger zunächst selbst nicht von einem Handelsvertreterverhältnis ausging, streitet schließlich die Veräußerung der Kundendaten. Ein Handelsvertreter bzw. Vertragshändler ist nämlich ohnehin verpflichtet, dem Unternehmer seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (zu dieser Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB auf Vertragshändler BGH, Urteil vom 05.02.2015 - VII ZR 315/13 -, zitiert nach Juris Tz. 11).

Fehlt demnach mangels Betrautseins ein wesentliches Merkmal des Handelsvertreterverhältnisses kommt - mangels vergleichbarer Interessenlage - auch eine analoge Anwendung des § 89b HGB nicht in Betracht."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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