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LG Berlin - 63. Kammer: Widerrufsrecht des Mieters bei Zustimmung zur Mieterhöhung - Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte grundsätzlich anwenbar

LG Berlin
Urteil vom 10.03.2017
63 S 248/16


Die 63. Kammer des LG Berlin hat entschieden, dass der Mieter ein Widerrufsrecht hinsichtlich der Zustimmungserklärung zu einer Mieterhöhung hat, sofern die übrigen Voraussatzungen für ein Fernabsatzgeschäft vorliegen. Die Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte sind nach Ansicht der 63. Kammer grundsätzlich auch auf mietrechtliche, den Bestand des Mietverhältnisses berührende Verträge anzuwenden. Die 18. Kammer des LG Berlin vertritt im Urteil vom 14.09.2016 - 18 S 357/15 die gegenteilige Ansicht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Allerdings steht die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auf mietrechtliche, den Bestand des Mietverhältnisses berührende Verträge für die Kammer außer Frage.

Aus § 312 Abs. 4 BGB folgt, dass der Abschluss des Mietvertrags selbst und/oder nachfolgende ihn berührende Veränderungen bei Vorliegen der nachfolgend dargestellten Voraussetzungen so genannte Haustürgeschäfte oder Fernabsatzverträge sein können, bei denen zugunsten des Verbrauchers (= Mieter) ein Widerrufsrecht besteht (a.A. AG Spandau v. 27.10.2015 - 5 C 267/15, GE 2015, 1463).
Die Ausnahmebestimmung in § 312 Abs. S. 2 BGB gilt ausschließlich für die Begründung des Wohnraum-Mietverhältnisses, und auch nur dann, wenn eine Besichtigung der Wohnung vorausgeht. Für spätere Vertragsänderungen der so zustande gekommenen Verträge, z. B. von Abreden über Mieterhöhungen oder den Abschluss von Aufhebungsverträgen, gilt Satz 1 (BeckOK BGB/Schmidt-Räntsch BGB § 312 Rn. 1). Dass davon nur “wesentliche Änderungen” betroffen sein sollen, findet nach Ansicht der Kammer keinen Niederschlag im Gesetz (a.A.: Wendehorst in MüKo, 7. Aufl. 2016, § 312c Rn 11). Für eine analoge Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 312 Abs. 4 S. 2 BGB ist angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts bereits kein Raum; aber auch das formalisierte Erhöhungsverfahren der §§ 558 ff. BGB mit der Zustimmungsfrist für den Mieter und der Klagefrist für den Vermieter gebietet seinem Sinn nach nichts anderes: die §§ 558 ff. BGB stellen eben kein vorrangiges lex specialis dar, sodass die § 312 ff. grundsätzlich anwendbar sind (vgl. hierzu BeckOK BGB/Schüller BGB § 557 Rn. 10).
In Ansehung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auch auf bestehende Mietverträge abändernde Verträge können in diesem Zusammenhang sowohl Haustürgeschäfte i.S.v. §312b BGB als auch Fernabsatzgeschäfte i.S.v. § 312c BGB geschlossen werden.

Gemäߧ 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht (auch) im Falle des Vorliegens eines Fernabsatzgeschäfts zu, dessen Voraussetzungen der Vorschrift des § 312c BGB zu entnehmen sind: Ein Verbrauchervertrag i.S.v. §§ 310 Abs. 3, 312c BGB, bei dem für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden, stellt ein solches Fernabsatzgeschäft dar. Dass die Beklagte Unternehmer i.S.v. § 14 BGB und der Kläger Verbraucher ist, ist unstreitig, weil die Beklagte gewerblich Wohnungen vermietet.

Auch handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Rechtsgeschäft i.S.v. §§ 558 ff. BGB um einen Vertrag.

Das schriftliche, mit einer Begründung versehene Erhöhungsverlangen eines Vermieters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Antrag i. S. des § 145 BGB), die den Abschluss eines Änderungsvertrags (§ 305 BGB) zum Ziel hat (BayObLG, Rechtsentscheid vom 27.10.1992 - RE Miet 3/92, NJW -RR 1993, 2012), so dass im Falle der zustimmenden Erklärung des Mieters ein solcher - den Mietvertrag in Bezug auf dessen Miethöhe ändernder - Vertrag geschlossen wird. Wurde der Mieter bei Abschluss des Geschäfts über seine Rechte ordnungsgemäß i.S.v. § 312d BGB informiert, so beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage ab Vertragsschluss (§ 355 Abs. 2 BGB). Ist die Information nicht entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 EGBGB erfolgt, dann besteht das Widerrufsrecht für 1 Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB)"


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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