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LG Düsseldorf: Dringlichkeitsvermutung für einstweilige Verfügung wegen Kundenrezensionen gegen Gegenleistung - Testkaufdatum und nicht Erhalt der Gegenleistung entscheidend

LG Düsseldorf
Urteil vom 11.11.2020
12 O 207/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass es hinsichtlich der Dringlichkeitsvermutung für eine einstweilige Verfügung wegen unzulässiger positiver Kundenrezensionen gegen Gegenleistung auf das Testkaufdatum und nicht den tatsächlichen Erhalt der Gegenleistung ankommt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ergibt sich aus dem entscheidungserheblichen Sachverhalt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin, das der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche entgegenstehen würde.

Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.10).

Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Indizien legen es auch in der Gesamtschau nicht nahe, dass die Antragstellerin hier überwiegend sachfremde Motive verfolgt. Insbesondere sind die Inhalte der von der Antragstellerin vorformulierten Unterlassungserklärung zwar insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs von den Ansprüchen der Antragstellerin nicht umfasst. Dies begründet jedoch für sich allein keinen Hinweis auf ein nicht schutzwürdiges Gebührenerzielungsinteresse der Antragstellerin (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.12a). Die Höhe der geforderten Vertragsstrafe von 5.200,00 EUR lässt keinen Rückschluss auf eine systematische Übervorteilung der Antragsgegnerin zu.

Auch der Umstand, dass die Antragstellerin an der Verwirklichung eines etwaigen Wettbewerbsverstoßes mitgewirkt hat, legt keinen Rechtsmissbrauch nahe. Die Antragstellerin hat durch die veranlassten Testkäufe letztlich überprüft, ob die Nutzung der Webseite „U2.de“ in der dort beworbenen Art und Weise abläuft. Der Grundstein für das beanstandete Verhalten war indes bereits in der Bereitstellung des Angebots gesetzt, ohne dass die Antragstellerin an diesem Vorgang irgendwie beteiligt war.

II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist jedoch unbegründet, denn es fehlt an dem nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrund, der im Rahmen der Begründetheit des Antrages zu prüfen ist. Es kann dahinstehen, ob ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist.

Die Antragstellerin hat durch ihr Verhalten die grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 UWG bestehende Dringlichkeitsvermutung widerlegt.

Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass ihm die Sache nicht eilig ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020, UWG § 12 Rn. 3.15). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt (Köhler a.a.O.).

Für die Frage, ab welcher Zeitdauer der Antragsteller nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß durch zu langes Zuwarten die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt hat, gelten keine starren Fristen (OLG Frankfurt , Beschluss vom 27.09.2012 - 6 W 94/12, BeckRS 2012, 22063; OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2011 - 9 W 698/10, GRUR 2011, 451). Vielmehr ist auch bei Zugrundelegung von Regelfristen eine Beurteilung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019 – 3 U 105/18, GRUR-RS 2019, 9190; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 12 Rn. 3.15b). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vertritt die Kammer die Auffassung, dass regelmäßig auch noch ein Zeitraum von zwei Monaten zwischen Kenntnisnahme vom Wettbewerbsverstoß bis zur Antragstellung noch nicht dringlichkeitsschädlich ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019 - 15 U 48/19, BeckRS 2019, 24920; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014 - I-20 U 154/14, BeckRS 2015, 6633).

Für den Beginn der Dringlichkeitsfrist wird auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände abgestellt, wobei die notwendige Recherche zur sorgfältigen Klärung grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich ist (OLG Köln, Urteil vom 14.7.2017 – 6 U 197/16, GRUR-RR 2018, 207).

Vorliegend hat die Antragstellerin bereits Anfang Juni von dem Angebot auf „U2.net“ erfahren. Spätestens am 01.07.2020, als die Kundenrezensionen der Testkäufer, die in Erwartung auf Erhalt der teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgt sind, unter dem Angebot der Antragsgegnerin ohne den Hinweis auf die Gegenleistung veröffentlicht wurden, hatte die Antragstellerin Kenntnis von dem gerügten Wettbewerbsverstoß. Demnach hat sie länger als zwei Monate zugewartet, bis sie den Verfügungsantrag einreichte.

Soweit die Antragstellerin die Ansicht vertritt, dass für die Kenntniserlangung auf den Eingang der Rückerstattung des halben Kaufpreises auf den Konten der Testkäufer am 23.07.2020 abzustellen sei, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Die Antragstellerin rügt als Wettbewerbsverstoß die Irreführung von Verbrauchern durch das Bewerben von Matratzen im Internet mit Kundenrezensionen, für die die Rezensenten eine Gegenleistung erhalten haben, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen.

Dieses Bewerben kann allein durch die Veröffentlichung der entsprechenden Kundenrezensionen ohne den Hinweis auf die Gegenleistung und insoweit unabhängig von dem tatsächlichen Eingang der für Verbraucher und andere Marktteilnehmer nicht erkennbaren teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgen. Insofern kommt es für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme auch bei der Durchführung der Recherche in Form von Testkäufen auf den Veröffentlichungszeitpunkt und nicht auf den Rückzahlungseingang an. Zu diesem Zeitpunkt werden den Verbrauchern die gerügten Bewertungen zugänglich gemacht und können insofern eine etwaige wettbewerbswidrige Wirkung entfalten.

Dabei kann es sich nicht zu Gunsten der Antragstellerin auswirken, dass sie in ihrem Antrag auf den Erhalt der Gegenleistung abstellt, denn nach ihrem eigenen Vortrag hat die Antragstellerin die Testkäufe selbst veranlasst und war mit dem Prozedere bekannt. Dabei war sie insbesondere auch darüber informiert, dass Voraussetzung des Bewertungsauftrags die Abgabe einer 5-Sterne-Bewertung war, so dass der Kern der beanstandeten Handlung, nämlich die Abgabe der Rezension unter dem Eindruck einer versprochenen Gegenleistung, bereits mit der Veröffentlichung der Rezension erfüllt war.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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