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LG Mainz: Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigtem Schufa-Eintrag

LG Mainz
Urteil vom 12.11.2021
3 O 12/20


Das LG Mainz hat in diesem Fall Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen eines unberechtigten Schufa-Eintrags zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf den Klageantrag zu 4. sind dem Kläger 5.000,- € zuzusprechen.

Der Antrag ist dahin gehend zu verstehen, dass lediglich die Beklagte (im Singular), nicht die Beklagten (im Plural) zu verurteilen sind. Soweit der Antrag auf die Verurteilung mehrerer Beklagter gerichtet ist, handelt es sich angesichts des Umstandes, dass im Verfahren immer nur eine Beklagte in Anspruch genommen worden ist, um ein offenkundiges Schreibversehen.

Die Beklagte hat dem Kläger Schadenersatz zu leisten in Höhe von 5.000,- €. Soweit der Kläger darüber hinaus Schadenersatz in Höhe von insgesamt 10.000,- € geltend macht, ist die Klage unbegründet, weil weder ein erstattungsfähiger materieller Schaden hinreichend dargelegt und bewiesen ist, noch der festzustellende immaterielle Schaden einen Ersatzanspruch von mehr als 5.000,- € rechtfertigt.

a. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadenersatz ist in Höhe von 5.000,- € aus Art. 82 DSGVO begründet.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist.

Die Ersteinmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG vom 16.07.2019 war ein "Verstoß gegen diese Verordnung“ im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach Erwägungsgrund 146 genügt entgegen dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch ein Verstoß gegen die erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte sowie präzisierenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten (so ausdrücklich Erwägungsgrund 146 zur DSGVO; vgl. ferner Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rın. 15; Ehrmann/Selmayr DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 9), so dass es nicht darauf ankommt, ob sich vorliegend die Unzulässigkeit der Ersteinmeldung aus der DSGVO selbst oder aus den präzisierenden Rechtsvorschriften des nationalen Rechts ergibt. Dass die Einmeldung als solche rechtswidrig war, ist bereits festgestellt worden.

Es ist der Beklagten auch nicht gelungen, im Sinne des Art. 82 Abs. 3 DSGVO nachzuweisen, dass sie in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. „Verantwortung“ meint hier das Verschulden im Sinne der deutschen Rechtsterminologie, nicht die datenschutzrechtliche Verantwortung (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art 82 DSGVO Rn. 17). Ausreichend ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit (Ehrmann/Selmayer, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 14). Das Verschulden wird nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 82 Abs. 3 DSGVO vermutet (Beweislastumkehr, Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art 82 DSGVO Rn 17; Ehrmann/Selmayr DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn 4, 19). Die mithin zur Meidung einer Haftung erforderliche Exkulpation ist der Beklagten nicht gelungen. Sie hatte keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob der Mahnbescheid dem Kläger wirksam zugestellt oder dem Kläger sonst in der gebotenen Weise rechtliches Gehör gewährt worden war, ob ihm etwa die Mahnschreiben der Beklagten einschließlich insbesondere der Ankündigung, ggf. die Forderung an die SCH. Holding AG zu melden, tatsächlich zugegangen waren. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten nur erfüllt, wenn sie vorsorglich zusätzlich eine kurze Karenzfrist nach Erlass des Titels abgewartet hätte.

Der Kläger hat durch die Ersteinmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG vom 16.07.2019 zwar keinen von ihm bezifferten materiellen Schaden erlitten. Er behauptet, er habe aufgrund des Negativeintrages „massive wirtschaftliche Konsequenzen und Nachteile, die bis jetzt andauerten“, ohne konkret darzutun, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang es über eine bloße Vermögensgefährdung hinaus zu einer konkreten Vermögensbeeinträchtigung gekommen sein soll.

Der Kläger hat jedoch einen nach Art. 82 DSGVO gleichfalls ersatzfähigen immateriellen Schaden erlitten. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch für immaterielle Schäden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist eine benennbare und tatsächliche Persönlichkeitsverletzung. Die in der bisherigen deutschen Rechtsprechung für Schmerzensgeld geforderte Voraussetzung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung verträgt sich hingegen nicht mit Art. 82 Abs. 2 DSGVO; sie ist weder vorgesehen noch von dessen Ziel und Entstehungsgeschichte gedeckt, der Anspruch ist hiervon grundsätzlich unabhängig. Die schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung kann vor diesem Hintergrund auch nicht als untere Grenze einer Schmerzensgeldhöhe wieder eingelesen werden. Vielmehr ist der immaterielle Schaden umfassend zu ersetzen. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung wird regelmäßig zu einem hohen Schmerzensgeld führen (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rn. 32). Mit dieser Einschränkung gelten für den immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 2 DSGVO die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach 8 287 ZPO (Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 37. Ed. Stand 01.08.2021, Art. 82 DSGVO Rn. 31). Bei der Bemessung des „vollständigen und wirksamen Schadenersatzes für den erlittenen Schaden“ (Erwägungsgrund 146 zur DSGVO) ist auch die Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion des Anspruchs aus Art. 82 DSGVO zu berücksichtigen.

Der Kläger hat plausibel und im Kern unbestritten dargelegt, durch den SCH.-Eintrag eine massive Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens im Sinne der Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit durch Dritte erlitten zu haben. Die Beklagte hat lediglich die weitere Behauptung des Klägers in Abrede gestellt, die konkret in Rede stehende Einmeldung der Beklagten an die SCH. Holding AG sei auch ursächlich dafür gewesen, dass dem Kläger Kreditkarten gesperrt worden seien und dass seineImmobilienfinanzierung gefährdet gewesen sei. Für diese damitverbundene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erachtet die Kammereinen Schadenersatzanspruch von 5.000,- € als angemessen, aber auch ausreichend.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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