Überwachungspflicht für Gästebücher und Foren ?
von Rechtsanwalt Marcus Beckmann

Gästebücher und Foren erfreuen sich großer Beliebtheit und sind eine geeignete Plattform zum Informations- und Meinungsaustausch. Die (vermeintliche) Anonymität verleitet einige Nutzer leider dazu, andere zu beleidigen, rechstwidrige Inhalte zu verbreiten oder das Forum schlicht zum Spamming zu nutzen. Erhält der Betreiber eines Gästebuchs oder Forums Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, so ist er verpflichtet diese zu löschen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann er von einem Geschädigten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, was zunächst regelmäßig in Form einer Abmahnung geschieht. Ferner drohen Schadensersatzansprüche. Eine Haftungsfreizeichnung in einem Disclaimer oder den Nutzungsbedingungen ist rechtlich nicht relevant. Fraglich ist, ob der Betreiber eines Gästebuchs oder Forums verpflichtet ist, die Einträge regelmäßig zu überwachen. Das LG Trier kommt in einem Urteil vom 16.05.2001 - 4 O 106/00 zu dem Ergebnis, dass eine entsprechende Pflicht zur Überwachung der Einträge besteht. Die Entscheidung hält einer kritischen Überprüfung jedoch nicht stand und ist als klares Fehlurteil einzustufen. Um so bedauerlicher ist es, dass die Entscheidung im Sommer 2002 aufgrund einer Pressemitteilung des Gerichts eine vergleichsweise große Beachtung fand.

Die Argumentation des LG Trier

Nach Ansicht des LG Trier ist der Betreiber eines Gästebuches für rechtswidrige Einträge Dritter verantwortlich, wenn er das Gästebuch nicht mindestens einmal pro Woche auf rechtswidrige Inhalte überprüft und diese entfernt. Bei gewerblichen Angeboten soll eine noch häufigere Überprüfung notwendig sein. Wer ein Gästbuch betreibt, müsse damit rechnen, dass dort auch rechtswidrige Einträge erscheinen. Lasse der Betreiber das Gästebuch über längere Zeit ungeprüft, mache er sich die Inhalte zu eigen.

Anmerkung: Ein klares Fehlurteil

Die Entscheidung bezieht sich noch auf die alte Fassung des TDG, ist aber schon nach altem Recht als klares Fehlurteil einzustufen. Wer ein Gästebuch oder ein Forum betreibt ist Diensteanbieter im Sinne des TDG. Nach § 5 Abs. 2 TDG (alte Fassung) haftete der Diensteanbieter für fremde Inhalte nur dann, wenn er positive Kenntnis von den jeweiligen rechtwidrigen Postings hatte. Diese gesetzliche Regelung durch den argumentativem Kunstgriff des "Sich-Zu-Eigen-Machens" zu umgehen widerspricht der Systematik des Gesetzes und auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. In § 8 Abs. 2 TDG (neue Fassung) hat der Gesetzgeber nun ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass der Diensteanbieter nicht verpflichtet ist, fremde Inhalte zu überwachen. Eine Überwachungspflicht für Gästebücher oder Foren gibt es also aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung richtigerweise nicht. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Entscheidung des LG Trier auch von anderen Gerichten aufgegriffen wird.

Urteil des LG Köln vom 04.12.2002, Az.: 28 O 627/02: Keine Überwachungspflicht

Um so erfreulicher ist daher das Urteil des LG Köln vom 04.12.2002, Az.: 28 O 627/02. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass der Betreiber eines Gästebuchs oder Forums in Einklang mit der Haftungsregelung in den §§ 9-11 TDG nicht verpflichtet ist, die Einträge zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Einträge hinweisen. Erst nach Kenntniserlangung muss der Anbieter tätig werden.

Keine generelle Entwarnung

Generelle Entwarnung kann aber nicht gegeben werden. Das Urteil des LG Köln darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keine einheitliche Rechtsprechung zu dieser Problematik gibt. Nach wie vor kann Betreibern von Foren oder Gästebüchern nur geraten werden, regelmäßig einen kritischen Blick auf die jeweiligen Einträge zu werfen und in den Nutzungsbedingungen daraufhinzuweisen, dass rechtswidrige Einträge umgehend gelöscht werden. Ohnehin ist für den Betreiber eines Gästebuchs oder eines Forums Vorsicht geboten, da sich eine positive Kenntnis und damit eine Verantwortlichkeit für die einzelnen Beiträge häufig auch aus Indizien ableiten lässt. So insbesondere dann, wenn das Gästebuch oder das Forum einen zeitlich späteren Eintrag des Betreibers enthält.

Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung

Wie das KG Berlin mit Beschluss vom 15.11 2004, AZ: 9 W 154/04 nochmals klargestellt hat, besteht bei Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen oder sonstigen rechtswidriger Einträgen nicht nur ein Anspruch auf Entfernung der unzulässigen Einträge, sondern auch ein Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dieser Anspruch kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.

Pflicht zur Löschung von rechtswidrigen Beiträgen binnen 24 Stunden ?

Nach einem mehr als fragwürdigen Urteil des AG Winsen / Luhe vom 06.06.2005 - 23 C 55/05 sind Forenbetreiber verpflichtet, rechtswidrige Beiträge binnen 24 Stunden zu löschen. Dort hatte ein Geschädigter einen Forenbetreiber eine Frist von 24 Stunden zur Beseitigung eines ehrverletzenden Beitrags gesetzt. Da der Forenbetreiber verreist war, konnte dieser nicht fristgemäß reagieren und muss nun nach Ansicht des Gerichts die Kosten für eine einstweilige Verfügung tragen. Eine derart kurze Reaktionsfrist ist gerade bei Foren, die von Privatpersonen betreut werden, nicht zuzumuten und unangemessen. Allerdings verdeutlicht diese Entscheidung, welchen Risiken ein Forenbetreiber ausgesetzt ist.

Das Teledienstegesetz finden Sie hier:


Teledienstegesetz

Entscheidungen zum Thema:

Urteil des LG Trier vom 16.05.2001 - 4 O 106/00

Urteil des LG Köln vom 04.12.2002 - 28 O 627/02

Urteil des KG Berlin vom 15.11.2004 - 9 W 154/04

Urteil des LG Köln vom 04.12.2002 - 28 O 627/02

Urteil des AG Winsen / Luhe vom 06.06.2005 - 23 C 55/05

Urteil des LG Bonn vom 16.11.1999 - 10 O 457/99

Beschluss des OLG Köln vom 25.08.2000 - 19 U 2/00

Urteil des BGH vom 23.9.2003 - VI ZR 335/02

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