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OLG Frankfurt: Kein Unterlassungsanspruch des Betroffenen aus §§ 1004, 823 BGB bei DSGVO-Verstoß - Regelungen der DSGVO abschließend

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.03.2023
16 U 22/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einem DSGVO-Verstoß kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB besteht. Die Regelungen der DSGVO sind nach Ansicht des Gerichts abschließend.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen zwar zulässig, jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Unterlassungsansprüche zusteht.

1. Zulässigkeit der Klage

a) Das Landgericht hat den erstinstanzlichen Klageantrag, wonach die Beklagte es unterlassen soll, die Dienste auf ihrem Online-Shop in der Weise „auszuliefern“ (gemeint sein dürfte: zur Inanspruchnahme bereitstellen), dass beim Seitenaufruf „personenbezogene oder -beziehbare Daten des Klägers“ an die benannten Dienste übermittelt werden, zu Recht als nicht hinreichend bestimmt i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen. Es fehlt an einem bestimmten Antrag. Bei der Bezeichnung „personenbezogene oder -beziehbare Daten des Klägers“ handelt es sich trotz der Definition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO um Rechtsbegriffe, deren Anwendung eine Subsumtion erfordert. Dies kann nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden. Dies gilt umso mehr, als die ihrerseits wortreiche Definition in der Verordnung schwer zu erfassen ist.

Die Unbestimmtheit wird nicht dadurch beseitigt, dass in dem Antrag die IP-Adresse als ein „Regelbeispiel“ benannt ist. Abgesehen davon, dass - wie der Rechtsstreit zeigt - schon streitig und begründungsbedürftig sein kann, ob es sich bei der IP-Adresse um ein personenbezogenes Datum handelt, wäre auch hier eine rechtliche Prüfung vonnöten, nämlich, ob das jeweilige Datum in relevanter Hinsicht mit der IP-Adresse vergleichbar ist.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er selbst nicht technisch in der Lage sei, festzustellen, welche Daten an die Drittdienste übertragen werden, und deshalb die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe. Die Figur der sekundären Darlegungslast erleichtert einem Kläger lediglich den Vortrag von anspruchsbegründenden Tatsachen im Rahmen der Begründetheit einer Klage, sie enthebt nicht von der Notwendigkeit, einen bestimmten Antrag zu stellen.

b) Die Klage ist jedoch mit dem vom Kläger nunmehr gestellten Hauptantrag zulässig.

Soweit der Kläger mit dem geänderten Antrag zu a) nämlich die Unterlassung verlangt, „dass beim Seitenaufruf jegliche Daten des Klägers“ an die Betreiber der Dienste übermittelt werden, ist dies hinreichend bestimmt. Denn der Beklagten würde damit untersagt, sämtliche mit dem Aufruf ihrer Webseite an sie gelangende Daten an die bezeichneten Dienste zu übermitteln. Der Begriff „Daten“ hat mit seiner Bedeutung „Information über eine Person oder eine Sache“, die ihm sowohl in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO als auch im Alltagssprachgebrauch zukommt, einen hinreichen klaren Bedeutungskern, so dass seine Anwendung dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden kann.

Die Angabe einer bestimmten IP-Adresse im Klageantrag ist für die Bestimmtheit des Klageantrages nicht erforderlich. Die Angabe der IP-Adresse, von der aus der Kläger die Webseite der Beklagten aufgerufen und dort (angeblich) Bestellungen vorgenommen hat, hat allein im Rahmen der Begründetheit Bedeutung, nämlich bei der Frage der Wiederholungsgefahr, ob es aufgrund rechtswidriger Weitergabe der IP-Adresse und weiterer Daten des Klägers zu einer Erstbegehung gekommen ist.

Die mit der Stellung des neuen Klageantrages verbundene Klageänderung ist nach § 533 ZPO zulässig. Es handelt sich nämlich nicht um eine echte Klageänderung, sondern um eine (quantitative) Klageerweiterung i.S. § 264 Nr. 2 ZPO. Auf Klageänderungen i.S. des § 264 ZPO findet die Beschränkung des § 533 ZPO nach der Rechtsprechung des BGH keine Anwendung. Bereits nach dem bisherigen Antrag sollte der Beklagten die Übermittlung der IP-Adresse und einer unbestimmten Zahl an weiteren personenbezogenen und -beziehbaren Daten untersagt werden. Der Kreis der zu untersagenden Übermittlungen wird - aus demselben Klagegrund - nunmehr nur erweitert. Ein aliud ist nicht deshalb gegeben, weil es nun statt „personenbezogener und -beziehbarer Daten“ Gegenstand „Daten des Klägers“ sind. Bei sachgerechter Auslegung sind in beiden Fällen personenbezogene Daten des Klägers gemeint.

c) Die gestellten Hilfsanträge sind aufgrund der Zulässigkeit des Hauptantrages nicht zu prüfen. Die Antragstellung des Klägers ist dahin auszulegen, dass diese Hilfsanträge nur für den Fall gestellt sind, dass das Gericht den Hauptantrag mangels Bestimmtheit als unzulässig ansieht. Ein Verständnis, der Hilfsantrag sei für den Fall der Unbegründetheit gestellt, erscheint auch nicht aus dem wohlverstandenen Interesse des Klägers geboten, weil auf den sehr weitreichend formulierten Hauptantrag umfassend die Rechtmäßigkeit etwaiger Datenübermittlungen zu prüfen ist und, wenn diese nur teilweise rechtswidrig sein sollten, der Klage teilweise stattgegeben werden kann.

2. Begründetheit der Klage

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf die von ihm begehrte Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Übermittlung seiner IP-Adresse und weiterer Daten von ihm an die bezeichneten Drittdienste bei Aufruf der Webseite des Online-Shops der Beklagten zusteht. Zwar können sich aus der DS-GVO unter Umständen auch Ansprüche auf Unterlassung von Handlungen oder automatisierten Vorgängen ergeben, nicht jedoch hinsichtlich der vom Kläger als zu unterlassend geltend gemachten Handlungen (dazu a) ). Auf Unterlassungsansprüche außerhalb der DS-GVO, insbesondere Anspruchsgrundlagen des deutschen nationalen Rechts, kann nicht zurückgegriffen werden (dazu b) ).

a) In der DS-GVO ist kein Individualanspruch auf Unterlassung der Übermittlung von Daten an Dritte normiert. Die DS-GVO kennt ihrem Wortlaut nach als möglicherweise einschlägige Ansprüche zugunsten der von Datenverarbeitung betroffenen Personen lediglich einen Anspruch auf Löschung von personenbezogenen Daten (Art. 17 DS-GVO), insbesondere, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden, und auf Schadensersatz aus Art. 82 für einen Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen die DS-GVO.

aa) Der Anspruch auf die begehrte Unterlassung ergibt sich nicht aus Art. 17 DS-GVO.

Danach hat die betroffene Person unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Verantwortlichen einer Datenverarbeitung einen Anspruch, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Eine Löschung von Daten verlangt der Kläger hier nicht.

Allerdings kann sich aus Art. 17 DS-GVO über den Wortlaut hinaus auch ein Anspruch auf Unterlassung ergeben. Zwar wird in Art. 17 DSGVO nur ein Löschungsrecht normiert; aus diesem in Verbindung mit Art. 79 DSGVO, der wirksame gerichtliche Rechtsbehelfe bei einer Verletzung der Datenschutzgrundverordnung garantiert, kann jedoch zugleich ein Unterlassungsanspruch hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 489/19 -, juris, Rz. 10; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 - B 1 KR 31/17 R -, BSGE 127, 181-188, Rz. 13). Denn aus der Verpflichtung zur Löschung von Daten ergibt sich implizit zugleich die Verpflichtung, diese künftig nicht (wieder) zu speichern. So sieht der Bundesgerichtshof in der erstgenannten Entscheidung vom 12.10.2021 im Löschungsanspruch des Art. 17 DS-GVO zugleich einen Unterlassungsanspruch (BGH a.a.O. Rz. 10 und 23).

Dieser aus der inneren Logik des Anspruchs auf Löschung hergeleitete Unterlassungsanspruch richtet sich jedoch nur auf die Unterlassung der Speicherung von Daten. Das Gegenstück der Löschung von Daten ist die Speicherung von Daten. Denn unter Löschen versteht man die Unkenntlichmachung gespeicherter Informationen, so dass es niemand mehr ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, die Information wahrzunehmen (vgl. etwa Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rz. 37). Der Kläger verlangt hier nicht die Unterlassung der Speicherung von Daten über ihn durch die Beklagte, sondern die Unterlassung der Übermittlung von Daten durch die Beklagte an Dritte. Wie insbesondere die Definition der Datenverarbeitung in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO und die Überschriften der Artt. 44 - 46 DS-GVO zeigen, unterscheidet die DS-GVO klar zwischen der Speicherung von Daten und der Übermittlung von Daten (an Dritte).

bb) Der vom Kläger geltend gemacht Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 82 DS-GVO.

Zwar kann sich unter Umständen - jedenfalls nach deutschem Verständnis der Schadensrestitution im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB - aus einem Schadensersatzanspruch auch ein Unterlassungsanspruch ergeben. Allerdings sind die Voraussetzungen dafür hier nicht gegeben. Der Kläger hat schon einen konkreten Schaden, der ihm durch die Weiterleitung der Daten als Folge der von ihm vorgetragenen dreimaligen Aufrufe der Webseite der Beklagten entstanden sein soll, nicht dargelegt. Ein Anspruch setzt aber die Entstehung eines - unter Umständen auch immateriellen - Schadens voraus. Der Generalanwalt führt in seinen Schlussanträgen vom 6.10.2022 zu dem beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren C-300/21 Tz. 117 dementsprechend aus: „Für die Anerkennung eines Anspruchs auf Ersatz des Schadens, den eine Person infolge eines Verstoßes gegen die genannte Verordnung erlitten hat, reicht die bloße Verletzung der Norm als solche nicht aus, wenn mit ihr keine entsprechenden materiellen oder immateriellen Schäden einhergehen. Der in der Verordnung 2016/679 geregelte Ersatz immaterieller Schäden erstreckt sich nicht auf bloßen Ärger, zu dem die Verletzung ihrer Vorschriften bei der betroffenen Person geführt haben mag.“

Zum anderen, und das ist entscheidend, kann sich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nur dann ein Unterlassungsanspruch ergeben, wenn die erfolgte Verletzungshandlung noch andauert oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand fortdauert (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 280 Rz. 31). Der Kläger verlangt hier jedoch nicht die Beseitigung von Datenweitergaben, welche anlässlich der drei behaupteten Nutzungen der Website erfolgt sind, oder die Beseitigung von deren Folgen, sondern die Unterlassung von Datenübermittlungen bei einer künftigen Nutzung der Online-Shop-Seite der Beklagten. Es handelt es insofern um einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch.

b) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung auch nicht aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit den nach Auffassung des Klägers durch die Datenübermittlung an die Drittdienste verletzten Art. 5, 6 DS-GVO oder Art. 44 DS-GVO oder Art. 32 DS-GVO zu.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts, soweit dies auf Verstöße gegen Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten und anderer Regelungen der DS-GVO gestützt sind, keine Anwendung finden, weil Vorschriften des DS-GVO eine abschließende, weil voll harmonisierende europäische Regelung bilden (BeckOK Datenschutzrecht/Wolf/Brink, Einleitung DS-GVO Rz. 19). Wegen dieses Anwendungsvorrangs des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts kann ein Anspruch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts gestützt werden (BVerfG NJW 2020, 314 Rz. 34 + 41; BGH NJW 2020, 3436 Rz. 64 m.w.N.). Auf nationales Recht kann nur zurückgegriffen werden, wenn sich aus der DS-GVO eine entsprechende Öffnungsklausel ergibt.

Eine solche Öffnung ergibt sich entgegen der Meinung des Klägers nach Wortlaut und Regelungszweck nicht aus Art. 79 Abs. 1 DS-GVO. Danach hat jede betroffene Person unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.

Zu Unrecht hat das Landgericht allerdings gemeint, dass bereits die Passage, wonach das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf „unbeschadet“ verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, außergerichtlichem Rechtsschutzes und des Rechts auf Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO gewährt werden müsse, einem Unterlassungsanspruch nach nationalem Recht entgegenstehe. Mit dem Wort „unbeschadet“ wird allein ausgedrückt, dass jene Rechtsbehelfe, die zuvor in der DS-GVO erwähnt sind, unberührt bleiben. Dies bedeutet noch nicht, dass andere Rechtsbehelfe als die unbeschadet bleibenden nicht in Betracht kommen.

Der Grund dafür, dass die Regelung des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO keine Öffnung für die Anwendbarkeit nationaler Anspruchsnormen bewirkt, hat seinen Grund vielmehr darin, dass der Begriff „gerichtlicher Rechtsbehelf“ in Art. 79 Abs. 1 DS-GVO nur verfahrensmäßige Rechtsbehelfe i.S. von Klagen und Anträgen und nicht materielle Ansprüche meint (vgl. BeckOK-Datenschutzrecht/Mundil, 42. Ed., Art. 79 DS-GVO Rz. 10, vgl. ferner VG Regensburg ZD 2020, 601). Hinzu kommt, dass der Rechtsbehelf der betroffenen Person die Durchsetzung der ihr „aufgrund dieser Verordnung“ zustehenden Rechte ermöglichen soll. Da die Regelung mithin nur die Durchsetzung und den Rechtsschutz für die „aufgrund dieser Verordnung“ der betreffenden Person „zustehenden Rechte“ sichert, kann die Bestimmung nicht Grundlage für die Einräumung materieller Ansprüche sein, die die DS-GVO selbst nicht einräumt bzw. kennt. Verfassungsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 GRC.

Insoweit ergibt sich entgegen der Meinung des Klägers auch nichts Abweichendes aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.1.2023 (C-132/21), weil mit diesem allein festgestellt wird, dass die in Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1 einerseits und in Art. 79 Abs. 1 andererseits vorgesehenen Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander ausgeübt werden können.

Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auf der Basis von Art. 79 DS-GVO könnten auch Unterlassungsansprüche gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter geltend gemacht werden, betrifft dies meist die (erweiternde) Auslegung von Ansprüchen nach der DS-GVO (so wohl: Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. Art. 79 Rz. 1 und 13;), die oben unter a) erörtert wurden. Soweit daraus abgeleitet wird, es könne auf Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts zurückgegriffen werden, vermag der Senat dem aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen (so auch: Leibold/Laoutounai, ZD Aktuell 2021, 05583). Entgegen der Meinung des Klägers wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht die Auffassung vertreten, wegen Verstößen gegen die DS-GVO könne aufgrund nationalen Rechts - aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 oder 2 BGB - auf Unterlassung geklagt werden (näher unten III.). Soweit der Kläger sich für seine Rechtsauffassung auf Urteile des Bundesgerichtshofs und von Oberlandesgerichten beruft, betreffen diese Veröffentlichungen in der Presse, bei denen nach Art. 85 Abs. 1 und 2 DS-GVO ergänzende und abweichende nationale Regelungen zur DS-GVO getroffen werden können (so insbesondere die angeführte Entscheidung BGH, Urteil vom 21.1.2021 - I ZR 207/19 Rz. 36 - 44: Bildnisveröffentlichung).

Durch die Beschränkung auf die von der DS-GVO in den Art. 15, 17 und 82 DS-GVO eingeräumten Individualansprüche stehen die von einem Verstoß gegen die Datenverarbeitungsregeln der DS-GVO Betroffenen nicht rechtlos da. Die Aufgabe der Durchsetzung und Überwachung der DS-GVO ist - neben den Individualansprüchen - nach Art. 51 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 a) DS-GVO grundsätzlich umfassend den Aufsichtsbehörden im Sinne eines „Public Enforcement“ zugewiesen. Die DS-GVO sieht dafür in den Art. 77 und 78 DS-GVO vor, dass der Betroffene sich wegen angenommener Verstöße gegen die DS-GVO mit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde wenden kann. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung steht ihm nach Art. 78 DS-GVO der Klageweg gegen die Aufsichtsbehörde offen (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, a.a.O. Art. 78 Rz. 9 ff.). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, auf welche sich der Kläger mit seiner Klage zentral beruft, nämlich das Urteil vom 16.7.2020 (C-311/18, NJW 2020, 559 „Schrems II“), welches die Voraussetzungen für eine Übermittlung von Daten in Drittländer nach den Artt. 45, 46 DS-GVO betrifft, beruht dementsprechend auf einem Ausgangsverfahren, bei dem der Kläger von der Aufsichtsbehörde bestimmte Maßnahmen gegen Facebook verlangt hat. Diese wurden abgelehnt und danach (zunächst) Klage gegen die Aufsichtsbehörde erhoben.

Ein sachlicher Grund für diese Rechtslage, dass Individualansprüche der Betroffenen gegen die Verantwortlichen gerade bezüglich der Einhaltung der Regelungen der Artt. 44 ff. DS-GVO nicht vorgesehen wurden, besteht darin, dass über die generelle Frage der Zulässigkeit der Übermittlung ins Ausland auf dem Beschwerdeweg über Datenschutzbehörden einheitlich entschieden werden kann (vgl. Art. 51 Abs. 2 DS-GVO: Mitarbeit der Datenschutzbehörden bei der einheitlichen Anwendung der DS-GVO). Insofern überzeugt der Hinweis, dass die Möglichkeit, sich an Aufsichtsbehörden zu wenden, sachgerechter ist, weil dies abgestimmtes Verhalten ermöglicht und deren Anordnungen - anders als zivilgerichtliche Urteile - nicht nur inter partes wirken (Nink ZD 2022, 238). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Betroffenen, dem durch eine rechtswidrige Übermittlung seiner Daten ins Ausland ein Schaden entsteht, ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO zusteht.

III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Insbesondere erscheint eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Rückgriff auf Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts bei der Geltendmachung von Verstößen gegen Vorschriften der DS-GVO bislang nicht anerkannt. Die vom Kläger für seine Meinung angeführten Entscheidungen betreffend andere Fallgestaltungen. Beispielhaft seien hier aufgeführt: Die Entscheidungen OLG Dresden (MMR 2020, 180) und des Senats (16 U 193/17) betreffen Auslistungsansprüche nach Art. 17 DS-GVO. Das OLG Dresden (ZD 2022, 235) hat über Löschungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche entschieden, nicht über einen Unterlassungsanspruch. Das Urteil des OLG Frankfurt vom 14.4.2022 (3 U 21/20) hatte die Sonderkonstellation der (versehentlichen) Versendung eines Kontoauszuges an eine andere Person als zu Kontoinhaber zum Gegenstand. Das angegebene Urteil des OLG Stuttgart (ZD 2022, 105) betrifft die Zulässigkeit einer Videoüberwachung nach dem BDSG. Nur einzelne Entscheidungen von Amts- und Landgerichten haben auf §§ 1004, 823 BGB zurückgegriffen. Diese betreffen - soweit ersichtlich - aber jedenfalls nicht Verstöße gegen die Art. 44 ff. DS-GVO. Einzige Ausnahme ist eine Entscheidung des Landgerichts München (K&R 2022, 865), die die Problematik des vollharmonisierten europäischen Rechts schon nicht erkennt, eindeutig auf unrichtiger Rechtsanwendung beruht und deshalb keine Zulassung der Revision rechtfertigt. Im Übrigen betreffen viele Urteile, auf die der Kläger sich für seine Rechtsauffassung beruft, Veröffentlichungen in der Presse, bei denen nach Art. 85 DS-GVO nationale Regelungen durch die DS-GVO nicht ausgeschlossenen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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