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LG Karlsruhe: Juristische Personen aus dem Nicht-EU-Ausland können sich nicht auf eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutschem Recht berufen

LG Karlsruhe
Urteil vom 12.06.2025
22 O 10/24


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass sich juristische Personen aus dem Nicht-EU-Ausland nicht auf eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutschem Recht berufen können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abzuweisen.

I. Sowohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Europäischen Gerichtshofs ist die internationale Zuständigkeit stets von Amts wegen und vor jeder Sachprüfung zu prüfen (BGH NJW 1991, 3092, 3093; EuGH NJW 2024, 2823 Rn. 24 ff. – JX/FTI Touristik GmbH).

1. Eine internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ist hier nicht geltend gemacht und liegt auch nicht vor. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag Wohnsitze in Monaco und den VAE, also außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. Dieser Umstand ist vom Gericht trotz des Bestreitens mit Nichtwissen durch die Klägerin zugrunde zu legen, da es an der Klägerin gewesen wäre, einen anderen (deutschen oder EU-ausländischen) Wohnsitz der Beklagten zu behaupten und unter Beweis zu stellen.

2. Eine internationale Zuständigkeit auf der Grundlage von §§ 12 ff. ZPO, insbesondere nach § 32 ZPO, besteht nicht.

a) Die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) regeln mittelbar auch die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 7 m.w.N.). Sie greifen ein, wenn – wie hier – vorrangige unions- oder völkerrechtliche Regelungen nicht existieren.

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b) Begehungsort der deliktischen Handlung i.S.v. § 32 ZPO ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, sodass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 8).

aa) Die Grundsätze, die zu Rechtsverletzungen durch Presseveröffentlichungen entwickelt wurden („Verletzungen des Persönlichkeitsrechts mittels Presseerzeugnissen sind dort ‚begangen‘, wo das Presseerzeugnis erscheint oder wo es vertrieben wird, nicht jedoch unabhängig davon auch am Wohn- oder Aufenthaltsort des Betroffenen“; BGH NJW 1977, 1590), können auf Internetinhalte nicht ohne Weiteres übernommen werden. Bei Internetinhalten bedarf es einer „besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum“ (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 17) in Form eines „über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte hinausgehende[n] Inlandsbezug[s]“ (a.a.O. Rn. 18). Es kommt darauf an, ob die Inhalte einen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland stattfinden kann/stattgefunden hat: „Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstanden Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als dies bei der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde“ (a.a.O. Rn. 20).

bb) Danach liegt eine Kenntnisnahme der Postings der Beklagten im Inland nahe, da die Beklagte vor allem in Deutschland aufgrund ihrer Fernsehserie „…“ bekannt ist und dementsprechend auch der Großteil ihrer „Follower“ aus Deutschland kommt. Zudem sind die Posts in deutscher Sprache gehalten. Falls die Klägerin ausschließlich in den VAE geschäftsaktiv sein sollte, würde dies daran nichts ändern (dazu der Vortrag der Klägerin in der Replikschrift vom 10.01.2025, S. 11 ff.). Dieser Punkt kann aber letztlich dahinstehen.

c) Zur Begründung der Zuständigkeit ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt. Soweit zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammenfallen (Doppelrelevanz), ist die Klage bei deren Nichtvorliegen unbegründet, nicht nur unzulässig (BGH NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage, 10/2023, § 32 ZPO, Rn. 22). Anders liegt es hingegen, wenn die (unterstellten) Tatsachen – ihr Vorliegen unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung schon nicht alle Tatbestandsmerkmale der Deliktsnorm erfüllen. Dann fehlt es bereits an der internationalen Zuständigkeit (BGH a.a.O.). Die fehlende Schlüssigkeit des Vorbringens führt in diesem Falle nicht zur bloßen Unbegründetheit der Klage, sondern, weil schon keine schlüssigen zuständigkeitsbegründenden Umstände vorgetragen sind, zu ihrer Unzulässigkeit.

d) So liegt der Fall hier. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit unschlüssig, denn sie kann sich nicht auf ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutscher Rechtsordnung berufen, folglich in einem solchen auch nicht verletzt sein.

aa) Das sog. Unternehmenspersönlichkeitsrecht ist im deutschen Recht durch §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG geschützt. Es ist anerkannt, dass juristische Personen Persönlichkeitsschutz genießen, soweit sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn und soweit sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen sind (BGH NJW 2016, 1584 Rn. 11; BGH NJW 2020, 1587 Rn. 34).

bb) Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte nur für inländische juristische Personen. Hierbei ist der effektive Sitz der Gesellschaft entscheidend (BVerfGE 163, 363, Rn. 103; BVerfG NVwZ 2008, 670 (671)). Eine Anwendungserweiterung über das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV oder spezielle Gleichheitssätze findet nur für juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland statt (BVerfGE 129, 78 (95 ff.) = NJW 2011, 3428; BeckOK GG/Enders, 61. Ed. 15.3.2025, GG Art. 19 Rn. 37). Daher gilt auch das unmittelbar aus dem Grundgesetz entwickelte Unternehmenspersönlichkeitsrecht nur für inländische und EU-ausländische juristische Personen. Soweit ersichtlich, hat auch die Instanzrechtsprechung eine Erstreckung auf Unternehmen aus dem Nicht-EU-Ausland nicht vorgenommen (vgl. nur LG Hamburg, Urt. v. 14.12.2012 – 324 O 64/12, BeckRS 2012, 25340; OLG Dresden, Beschl. v. 22.04.2024 – 4 U 1921/23, BeckRS 2024, 19280).

cc) Die Klägerin hat ihren Sitz in den VAE. Auf den Schutz der deutschen Grundrechte kann sie sich nicht berufen, mithin auch nicht auf das aus der Verfassung abgeleitete Unternehmenspersönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Frankfurt: Streaming-Einnahmen durch Videos mit strafbaren Inhalten können nach § 73c StPO eingezogen werden

AG Frankfurt
Urteil vom 09.08.2024
916 Ds 6443 Js 211140/23


Das AG Frankfurt hat entschieden, dass Streaming-Einnahmen durch Videos mit strafbaren Inhalten nach § 73c StPO eingezogen werden können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die für die Aufrufe des verfahrensgegenständlichen Musikvideos bei diversen Internetplattformen und Streamingdiensten erlangten Einnahmen des Angeklagten unterliegen als Erträge aus einer rechtswidrigen Tat der Einziehung gem. §§ 73 Abs. 1, 73 c StGB. Das Musikvideo hatte zum Stand der Hauptverhandlung über Spotify 313.803, über Youtube 179.825, auf Facebook 4.733, und über Telegram 107.000 Aufrufe.

Durch das Hochladen und das Verbreiten des Videos hat der Angeklagte einen Beitrag in

Höhe von 1322,83 € erlangt.

Der Beitrag errechnet sich zum einen aus den vom Angeklagten selbst zur Verfügung gestellten Abrechnungsunterlagen. Hiernach ergibt sich, dass die Vermarktung des Musikvideos zentral über den Dienstleister TuneCore Inc. mit Sitz in Brooklyn, New York erfolgte. Im Zeitraum bis September 2023 erzielte der Angeklagte demnach einen Beitrag von 524, 85 US$ (bei einem Umrechnungskurs vom Tag der Hauptverhandlung von 1 US $ = 0,92€; 482,86 €) bei rund 400.000 Aufrufen. Angesichts der zwischenzeitlich rund 600.000 Aufrufe kann derweil von einer Steigerung der Einnahmen um 30 % ausgegangen werden, wonach sich ein Betrag von 627,71€ ergibt.

Zum anderen erhielt der Angeklagte über das auf den Namen seiner Tochter S eingerichtete PayPal Konto Spenden für das Musikvideo. In Höhe von 695,12 € stehen diese inhaltlich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des verfahrensgegenständlichen Videos. Ein diesen Betrag übersteigender Betrag wurde dann auf sein eigenes Konto überwiesen.

Folgende Zusätze würden bei den Überweisungen angegeben:
-Bitte dringen um Nachricht auf [...]@afd.de-es geht um das Wahlvideo
-Dafür deine Songs
-Danke für deinen geilen AFD-Song-gute Leute wie dich braucht das Land im Kampf gegen die woke Scheiß-Agenda
-Danke für den aktuellen Song
-Danke für den aktuellsten Song: D
-Für dieses schöne Weihnachtsgeschenk an uns. Den AFD Song meine ich.
-Gutes Musikvideo!
-Hallo Freund, Chapeau!
-Musik
-Schenkung zur freien Verfügung. Wir lieben Dich
-Schenkung. Der nächste Kaffee geht auf mich.
-Spende Mutiger Song. Da es vermutlich kein offizieller AFD Wahrswerbespot ist, ist er für mich ein großes Kunstwerk.
-Trink dir was! Und Prost
-Wertschätzung!!!!!!!

Bei den folgenden Zusätzen konnte das Gericht keinen sicheren Bezug zu dem veröffentlichten Video erkennen:

- Der Artikel ist gut verpackt angekommen und in Gutem Zustand. Der Sound ist super. 5 Sterne Bewertung.

-Für dein Angebot, deine Lieder kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Vom Gesamtbetrag von 720,12 € waren daher 25 € abzuziehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bestandsdatenauskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG muss nur bei Vorliegen einer der dort genannten Straftatbestände erfolgen

BGH
Beschluss vom 11.03.2025
VI ZB 79/23
TDDDG § 21 Abs. 2; StGB §§ 185, 186, 187


Der BGH hat entschieden, dass eine Bestandsdatenauskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG nur bei Vorliegen einer der dort genannten Straftatbestände erfolgen muss.

Leitsätze des BGH:
a) Gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG setzen die Gestattung der Auskunftserteilung und die korrespondierende Verpflichtung zur Auskunft über die Bestandsdaten eines Nutzers - sofern nicht audiovisuelle Inhalte betroffen sind - voraus, dass der beanstandete Inhalt den Tatbestand einer der in der Bestimmung genannten Strafvorschriften erfüllt.

b) Ist die beanstandete Äußerung als Werturteil zu qualifizieren, scheidet eine Verwirklichung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB aus. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.

c) Steht die Erfüllung eines Straftatbestands in Rede, müssen bei mehrdeutigen Äußerungen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird. Wenn eine straflose Bedeutung nicht ausschließbar ist, ist diese der Beurteilung zugrunde zu legen.

BGH, Beschluss vom 11. März 2025 - VI ZB 79/23 - OLG Köln - LG Köln

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OLG Hamburg: Bloße Erkennbarkeit als Vorbild einer fiktiven Figur in einem Roman begründet allein noch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung

OLG Hamburg
Beschluss vom 18.03.2025
7 W 23/25


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die bloße Erkennbarkeit als Vorbild einer fiktiven Figur in einem Roman allein noch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet. Vielmehr sind Kunstfreiheit und eine etwaige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuwägen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem angegriffenen Werk „Innerstädtischer Tod“ um einen Roman und damit um ein Werk der Literatur handelt, das grundsätzlich den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 III GG genießt; dies zweifeln auch die Antragsteller nicht an.

a. Deshalb ist hier zwischen den einschlägigen Grundrechten abzuwägen. Unterfallen inkriminierte Äußerungen, gegen die der Betroffene vorgehen möchte, nicht (lediglich) der Äußerungsfreiheit gemäß Art. 5 I GG, sondern (sogar) der Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit im Sinne des Art. 5 III GG, gelten für die Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen strengere Maßstäbe, da die Kunst- und die Wissenschaftsfreiheit nicht die Schranken des Art. 5 II GG, sondern lediglich verfassungsimmanente Schranken zu beachten haben (Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.1). Allerdings kann dabei keines der betroffenen Grundrechte einen generellen Vorrang beanspruchen, vielmehr zieht auch die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen, so dass die Gefahr besteht, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.79]). Daher ist auch in diesem Spannungsverhältnis stets eine Abwägung im Einzelfall unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen (vgl. Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.1 mit weiteren Nachweisen).

b. Auch die Antragsgegnerin als juristische Person kann sich auf die Kunstfreiheit berufen, obwohl sie nicht eigenschöpferisch an der Entstehung des Romans mitgewirkt hat. Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft neben dem Werkbereich auch den Wirkbereich künstlerischen Schaffens. Art. 5 III 1 GG garantiert die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend. Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.63, 65]).

2. Ebenfalls vorab ist zu beachten, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch ein Kunstwerk naturgemäß nur dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene in diesem Werk überhaupt erkennbar ist (Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.3). Der Senat hat indes – wie das Landgericht – keinen Zweifel daran, dass die Antragsteller als „Vorbilder“ für die Figuren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ im streitgegenständlichen Roman „Innerstädtischer Tod“ für eine Vielzahl von Lesern zu erkennen sind. Hierfür reichen schon die Tatsachen, dass – wie die Romanfiguren – auch die Antragsteller ihre international sehr erfolgreiche Galerie in einer ehemaligen Kirche in Berlin betreiben und dass wie im Roman gegen die Figur „Konrad Raspe“ auch in der Realität gegen den Antragsteller zu 1) im Jahr 2022 in einem Presseorgan Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe erhoben wurden, die sodann weite Kreise zogen. Hinzu kommt, dass die Romanfiguren dieselben, genau bezeichneten drei Kunstwerke besitzen wie die Antragsteller. Schon diese Merkmale dürften – vor allem in ihrer Kombination – in der Tat allein auf die Antragsteller zutreffen, so dass es auf die weiteren von den Antragstellern angeführten „Identifikationsmerkmale“ für die Frage der Erkennbarkeit nicht entscheidend ankommt. Die Antragsteller haben zudem durch Vorlage entsprechender Berichterstattungen glaubhaft gemacht, dass sie tatsächlich von mindestens zwei Rezensenten des Romans als die realen Vorbilder der genannten Romanfiguren „entschlüsselt“ worden sind (Anl ASt 42 und ASt 43).

3. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass deshalb im vorliegenden Fall die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Spannungsverhältnis zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechten anzuwenden sind, wie sie in Bezug auf Romanveröffentlichungen insbesondere im Beschluss vom 13.6.2007 (Az. 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra“) weiterentwickelt und konkretisiert worden sind. Danach stellt indes die bloße Erkennbarkeit eines Betroffenen als Vorbild einer fiktiven Figur in einem Roman per se keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, die einen Unterlassungsanspruch zur Folge hätte (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.74]). Vielmehr bedarf es der Klärung, ob eine Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hängt dabei sowohl davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, wie von der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser diesen Bezug herstellt. (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.80f]). Erhebt ein Kunstwerk einen umfassenden Faktizitätsanspruch – beispielsweise bei einem fälschlicherweise als Roman etikettierten bloßen Sachbericht – kommt es nicht zu einer „kunstspezifischen Betrachtung“. In solchen Fällen reicht auch ein „Disclaimer“, wonach Übereinstimmungen mit realen Personen rein zufällig und nicht gewollt seien, nicht für die Annahme eines fiktiven Werkes aus (vgl. Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.10). Bei Kunstwerken, die – ausgesprochen oder unausgesprochen – keinen derartigen umfassenden Faktizitätsanspruch erheben, ist hingegen eine kunstspezifische Betrachtung vorzunehmen. Bestimmte Kunstformen, wie gerade der Roman oder auch das Theaterstück, knüpfen indes typischerweise häufig – wenn nicht gar regelmäßig – an die Realität an, schaffen davon ausgehend aber eine neue ästhetische Wirklichkeit, indem sie z.B. gerade mit einer Verschränkung von Wahrheit und Fiktion spielen (vgl. Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.6; BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.82]).

4. Das hier angegriffene Werk „Innerstädtischer Tod“ erhebt auch nach Ansicht des Senates keinen derartigen, umfassenden Faktizitätsanspruch.

a. In diese gedankliche Richtung wird der Leser bereits durch die Bezeichnung des Werkes als „Roman“ gelenkt. Hinzu kommt, dass dem eigentlichen Romantext folgender „Disclaimer“ vorangestellt ist:

„Dieses Buch ist ein Roman. Als literarisches Werk knüpft es in vielen Passagen an reales Geschehen und an Personen der Zeitgeschichte an. Es verbindet Anklänge an tatsächliche Vorkommnisse mit künstlerisch gestalteten, fiktiven Schilderungen sowie fiktiven Personen. Dies betrifft auch und insbesondere vermeintlich genaue Schilderungen von privaten Begebenheiten oder persönlichen Motiven und Überlegungen. Sie sollen die Motive und Intention der objektivierten Charaktere erhellen und sind deshalb künstlerisch geboten und erforderlich.“

Auch hierdurch wird dem Leser vermittelt, dass der Autor nicht den Anspruch erhebt, ausschließlich Fakten zu schildern, vielmehr erwartet der Rezipient danach ein vor allem literarisches Werk, das lediglich an reale Personen und Begebenheiten anknüpft. Zwar können weder die Bezeichnung eines Werkes als „Roman“ noch derartige Aussagen in einem „Disclaimer“ allein den Ausschlag für eine Einordnung eines Werkes als rein fiktiv geben, maßgeblich ist vielmehr – wie ausgeführt – stets die tatsächliche Gesamtwirkung des in Rede stehenden Werkes auf den Rezipienten. Anhaltspunkte für den Leser, welchen Anspruch ein Werk erhebt, können sich hieraus allerdings sehr wohl ergeben.

b. Tatsächlich und vor allem aber lässt die Gesamtanmutung das Werk „Innerstädtischer Tod“ unmissverständlich als einen Roman, also als ein Werk der Fiktion erscheinen, das lediglich an reale Gegebenheiten und Personen anknüpft.

Zwar ist das Geschehen erkennbar in die reale Welt eingebettet, was sich dem Leser nicht nur durch die exakte zeitliche Einordnung (9. November 2022), sondern vor allem durch die Nennung tatsächlicher Ereignisse, wie den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und realer politischer Akteure erschließt. Vor diesem Hintergrund breitet der Autor aber ein Geflecht, einen „Reigen“, mehrerer Charaktere aus, die in verschiedener Weise aufeinander bezogen sind und im Laufe der Handlung in unterschiedlichen Konstellationen interagieren. In dieses Geflecht sind auch die Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ einbezogen; die gesamte Handlung bewegt sich kreisend auf die von ihnen organisierte Vernissage des Künstlers „Fabian Kolb“ hin, die der Höhe- und Schlusspunkt des Romans ist. Hierbei wechselt der Roman ständig die Perspektive und schildert nicht nur die Erlebnisse, sondern auch die Gedankenwelt zahlreicher Haupt- und Nebenfiguren, wie die des Künstlers „Fabian Kolb“, seiner in Bezug auf seine Kunstwerke etwas ratlosen Eltern, seines Onkels, des Abgeordneten „Hermann Carius“ von der fiktiven, aber erkennbaren Partei „Neue Rechte“, seines herablassenden Bruders, seiner hin- und hergerissenen Tante, seines Cousins, des zweifelnden Priesters „Martin Carius“, und sogar des Erzbischofs von Berlin. Hierbei wechselt der Autor nicht nur die Perspektive und Weltsicht, sondern auch den Tonfall, zum Teil bis in die Grammatik, um das Innenleben der jeweils im Fokus stehenden Figur für den Leser nachvollziehbar zu machen. Hierdurch werden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, verschiedene Themen von gesellschaftlicher Relevanz aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, wie die #MeToo-Debatte, die Zunahme nationalistischer Denkweisen in der politischen Debatte, die Rolle des Glaubens in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft, die Mechanismen des Kunstgeschäfts oder auch die eingespielten Rollen bei der öffentlichen Diskussion kontroverser Themen. Diese anspruchsvolle und auffällige Konstruktion des Gesamtwerkes ist für den Leser erkennbar, für den es damit fernliegt, dass es sich bei dem Roman um einen „verkappten“ Tatsachenbericht handeln könne, in dem der Autor eigene Erlebnisse oder wenigstens vor allem tatsächliche Ereignisse beschreibt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Lauf der Handlung die Ereignisse gerade nicht ausschließlich aus der Sicht eines Ich-Erzählers geschildert werden (wie es im Roman „Esra“ der Fall gewesen war), so dass es für den Leser auch deshalb nicht naheliegt, in den hier angegriffenen Schilderungen, die vor allem der Perspektive der Figur des Künstlers „Fabian Kolb“ entstammen (und als einzige in der Ich-Form verfasst sind), auf eigenen Erfahrungen des Autoren beruhen könnten.

5. Als Werk der Literatur genießt der Roman „Innerstädtischer Tod“ daher uneingeschränkt den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 III GG. Diese überwiegt hier die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Antragsteller.

a. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Grundrechte ist zu beachten, dass ein Kunstwerk eine gegenüber der „realen” Wirklichkeit verselbstständigte „wirklichere Wirklichkeit” anstrebt, in der die reale Wirklichkeit auf der ästhetischen Ebene in einem neuen Verhältnis zum Individuum bewusster erfahren wird. Die Zulässigkeit der künstlerischen Darstellung kann deshalb nicht am Maßstab der Welt der Realität, sondern nur an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab gemessen werden (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.83]). Die Gewährleistung der Kunstfreiheit verlangt, den Leser eines literarischen Werks für mündig zu halten, dieses von einer Meinungsäußerung zu unterscheiden und zwischen der Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten und einer fiktiven Erzählung zu differenzieren. Ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, ist daher zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Damit streitet eine Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Textes. Diese Vermutung gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als Urbilder erkennbar sind (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.84]; Korte, PresseR, 2. Aufl., § 3 Rz.7).

Diese Vermutung gilt auch hier und ist keineswegs entkräftet. Wie vorstehend ausgeführt versteht der Leser das Gesamtwerk vielmehr gerade als ein fiktives Werk der Literatur. Schon damit liegt eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Antragsteller eher fern, denn der Leser erkennt den fiktionalen Charakter der Handlung; dies gilt auch in Bezug auf solche Figuren, die – wie „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“, aber auch „Hermann Carius“ – reale Vorbilder haben.

b. Hinzu kommt Folgendes: Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbstständigt („verfremdet”), umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen. Dabei geht es bei solcher Fiktionalisierung nicht notwendig um die völlige Beseitigung der Erkennbarkeit, sondern darum, dass dem Leser deutlich gemacht wird, dass er nicht von der Faktizität des Erzählten ausgehen soll. (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.85]). Insgesamt besteht zwischen dem Maß, in dem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft, und der Intensität der Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Wechselbeziehung. Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützten Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen (vgl. BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.90]).

Auch dieser Aspekt streitet hier gegen ein Überwiegen der Belange der Antragsteller. Zwar sind die Antragsteller – wie ausgeführt – ohne jeden Zweifel für viele Leser als Vorbilder der Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ erkennbar. Andererseits weist das Landgericht aber zutreffend darauf hin, dass es auch eine ganze Reihe von „Merkmalen“ gibt, in denen die Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ gerade nicht mit den Antragstellern übereinstimmen. So ist der Altersunterschied dieser beiden Romanfiguren (neun Jahre) deutlich größer (und wird im Roman auch mehrfach herausgestellt) als der der Antragsteller (neun Monate). Auch die Tatsache, dass die Antragsteller Eltern zweier gemeinsamer Kinder sind, während die Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ kinderlos sind, bedeutet eine erhebliche Verfremdung. Die tatsächlich erheblich eingeschränkte Sehfähigkeit des Antragstellers zu 1), die für ihn unstreitig von Bedeutung ist, findet sich bei der Figur „Konrad Raspe“ nicht wieder. Das gewichtige „Identifikationsmerkmal Galerie in einer ehemaligen Kirche“ wird dadurch wiederum in nicht geringem Maße „verfremdet“, dass die von den Antragstellern angemietete Kirche im Stil des sog. Brutalismus errichtet wurde, während sich die Galerie der Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ in einem umgebauten Kirchenbau der Gründerzeit befindet (was im Roman ebenfalls mehrfach betont wird), mag sie nach dem Umbau auch zahlreiche Sichtbetonelemente aufweisen.

c. Auch das Gewicht der – möglichen – Eingriffe in persönlichkeitsrechtliche Belange der Antragsteller überwiegt im Rahmen der genannten Wechselbeziehung hier nicht die von der Kunstfreiheit geschützten Belange der Antragsgegnerin.

aa. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) gilt Folgendes:

Zwar kann das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen auch dadurch verletzt werden, dass in einem Werk Handlungen mit sexuellem Gehalt geschildert oder gezeigt werden. Die realistische und detaillierte Erzählung derartiger Handlungen lebender Personen in einem literarischen Text kann die absolut geschützte Intimsphäre des Betroffenen beeinträchtigen und deshalb unzulässig sein. Eine Beeinträchtigung der Intimsphäre setzt dabei jedenfalls voraus, dass sich durch den Text die naheliegende Frage stellt, ob sich die geschilderten Handlungen als Berichte über tatsächliche Ereignisse begreifen lassen. Dies kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn es sich um eine aus vom Autor unmittelbar Erlebtem stammende, realistische und detaillierte Erzählung entsprechender Geschehnisse und die genaue Schilderung intimster Details einer Frau handele, die deutlich als tatsächliche Intimpartnerin des Autors erkennbar ist (vgl. BVerfG, B. v. 19.12.2007 - 1 BvR 1533/07 - Theaterstück „Ehrensache” GRUR-RR 2008, 206 [Rz.15]; BVerfG, B. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 - Roman „Esra" = NJW 2008, 39 [Rz.102]). Ebenso kann auch die in einem Werk enthaltenen Darstellung sexueller Übergriffe auf einen Betroffenen, die eine erkennbar deutliche Übereinstimmung zu tatsächlich zu dessen Nachteil begangenen Missbrauchstaten aufweist, für sich genommen ohne Weiteres dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensumstände zuzuordnen sein, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist (vgl. BGH, U. v. 18.5.2021 - VI ZR 441/19 - GRUR 2021, 1222 [Rz.30] – Die Auserwählten [Odenwaldschule]).

Eine vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor: Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass für die Romanfigur „Fabian Kolb“ kein vergleichbar naheliegendes Vorbild in der Realität existiert. Die Antragsteller selbst verweisen dementsprechend darauf, dass die Romanfigur des Künstlers „Fabian Kolb“ (wohl) aus zwei realen Künstlerpersönlichkeiten zusammengestellt sein dürfte. Es erscheint aber durchaus fernliegend, dass eine nennenswerte Zahl von Lesern diese komplizierte Entschlüsselung vornehmen wird. Vielmehr teilt der Senat die Ansicht des Landgerichts, dass diese Figur dem Leser als fiktive Schöpfung des Autoren erscheinen wird. Damit indes liegt es für den Leser auch fern, dass die geschilderte Affäre dieser Figur mit der Romanfigur „Eva-Kristin Raspe“ eine Entsprechung in der Wirklichkeit haben könnte; geschweige denn, dass die Schilderung der intimen Einzelheiten dieser Begegnung zutreffend sein könnte. Auch die Antragsteller behaupten zudem nicht, dass der Autor … … derartige Kenntnisse aus eigenem Erleben oder auch nur aus einer Bekanntschaft mit Personen haben könnte, die den Antragstellern näherstehen; unstreitig beschränken sich seine Verbindungen zu den Antragstellern auf einen Besuch in ihrer Galerie. Der Senat teilt vielmehr die Ansicht des Landgerichts, dass die geschilderte Affäre der Figur „Fabian Kolb“ mit der Figur „Eva-Kristin Raspe“ für den Leser erkennbar den literarischen „Zweck“ hat, die Figur „Fabian Kolb“ in moralische Verwirrung zu stürzen, die auch Auswirkungen auf seine innere Verurteilung der Figur „Konrad Raspe“ als „Täter“ und auf seine eigene Bewertung dessen auswirkt, was als „Missbrauch“ anzusehen sei. Nach allem wird in dem Roman der Anspruch des Autoren deutlich, eine künstlerische Wirklichkeit zu gestalten, so dass für den Zuschauer kein Zweifel daran besteht, dass trotz etlicher Parallelen zum Leben der Antragstellerin zu 2) keine Schilderung einer tatsächlichen Affäre der Antragstellerin zu 2) intendiert war, sondern dass es sich insoweit um eine reine Fiktion handelt.

bb. Hinsichtlich des Antragstellers zu 1) ist Folgendes zu beachten:

Ein Vorrang der persönlichkeitsrechtlichen Belange des Antragstellers zu 1) hinsichtlich aller Themen, die seine berufliche Tätigkeit und/oder gesellschaftliche Stellung betreffen, kommt schon im Ausgangspunkt nicht in Betracht, selbst wenn der Leser – was nach der Ansicht des Senates nicht der Fall ist – annehmen sollte, dass ihm insoweit durchweg Tatsachen geschildert würden. Hierbei handelt es sich um Bereiche, die zu seiner deutlich weniger geschützten Sozialsphäre gehören.

Soweit der Antragsteller zu 1) sich gegen die Schilderung von gegen die Romanfigur „Konrad Raspe“ erhobenen Vorwürfe sexueller Übergriffe wendet, ist festzuhalten, dass diese Vorwürfe im Roman zwar benannt werden, es für den Leser aber letztlich offen bleibt, ob und wieweit sie tatsächlich begründet sind. So erwägen die Romanfiguren, dass es immer wieder auch Frauen gebe, die sich dem Antragsteller zu 1) aufdrängten. Auch wird seine Selbstvergessenheit in bestimmten Situationen reflektiert, die dazu führen könne, dass er Grenzen übersehe. Tatsächlich steht die Frage der Berechtigung dieser Vorwürfe auch nicht im Mittelpunkt des Romans, sondern es werden vor allem die Reaktionen der Umwelt hierauf beschrieben, wie etwa das ausgesprochen gedämpfte Interesse der meisten Pressevertreter im Kontrast zur Empörung der aufgebrachten Demonstranten, die in einem dramatischen Auftritt bei der Ausstellungseröffnung gipfelt. Letztlich bleibt daher für den Leser des Gesamtwerkes durchaus offen, ob der Charakter der Figur „Konrad Raspe“ tatsächlich so verdammenswert ist, wie es bei isolierter Betrachtung in einigen der angegriffenen Passagen anklingt. Auch insoweit wiegen die – unterstellten – Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu 1) also keineswegs so schwer, dass dies die für die Antragsgegnerin streitende Kunstfreiheit überwiegen könnte. Im Übrigen greift das Argument des Antragstellers, dass über die damaligen Vorwürfe nicht berichtet werden dürfe, angesichts seiner großen Bekanntheit und des erheblichen öffentlichen Interesses nicht durch.

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OLG München: Ansprüche wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens

OLG München
Urteil vom 18.03.2025
18 U 4493/22 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass Ansprüche eines Presseunternehmens wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens bestehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die in eine rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung umzudeutende Anschlussberufung der Beklagten zu 3) ist zulässig und in der Sache begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Übermittlung von presserechtlichen Informationsschreiben, wie geschehen mit Schreiben vom 21.10.2020, nicht zu. Denn sie hat vor der Übersendung des streitgegenständlichen presserechtlichen Informationsschreibens nicht wirksam gegenüber der Beklagten zu 3) erklärt, Schreiben dieser Art nicht mehr erhalten zu wollen (sog. Opt-Out).

1. Zwar hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Senat entschieden, dass das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken, weil es keine Informationen enthält, die der Klägerin die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden.

2. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.06.2024 – VI ZR 64/23 – Rn. 20 ff. jedoch darüber hinaus ausgeführt:

Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht.

Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (vgl. Senat NJW 2020, 1587 Rn. 35; NJW 2020, 770 Rn. 47; NJW 2019, 781 Rn. 16; BGHZ 138, 311 (317 f.) Rn. 17 = NJW 1998, 2141; BGH NJW-RR 2014, 1508 Rn. 12 – Aufruf zur Kontokündigung; BGH NJW 2013, 2760 Rn. 16 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung). Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen (Senat NJW 2019, 781 Rn. 16 mwN).

Die Übermittlung sogenannter presserechtlicher Informationsschreiben ist normalerweise betriebsbezogen, weil sie unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit des Presseunternehmens abzielt. Sie führt in der Regel auch nicht nur zu einer bloßen Belästigung, weil bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen kann und darüber hinaus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist und daher der Prüfung bedarf, was Inhalt und Gegenstand des Schriftstücks ist (vgl. Senat NJW 2019, 781 Rn. 17). Für die Annahme eines unmittelbaren Eingriffs in den gewerblichen Tätigkeitskreis eines Presseunternehmens reicht dies jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich zusätzlich, dass das Presseunternehmen zuvor erklärt hat, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen (sog. Opt-Out), so dass die Behinderung auch keine sozial übliche mehr ist.

Damit hat der Bundesgerichtshof gegenüber seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17) präzisiert, dass die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens als solches selbst dann noch nicht stets allein deshalb einen Unterlassungsanspruch begründet, wenn das Schreiben wie das streitgegenständliche inhaltlich nicht die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.01.2019 aufgestellten Anforderungen erfüllt.

3. Dies zugrunde gelegt lässt sich ein rechtswidriger Eingriff der Beklagten zu 3) in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht feststellen.

Die Klägerin hat mit dem Schreiben des Klägervertreters vom 27.09.2018 nicht wirksam gegenüber der Beklagten zu 3) erklärt, keine dem streitgegenständlichen presserechtlichen Informationsschreiben vergleichbaren Schreiben (mehr) erhalten zu wollen. Der Inhalt des als Anlage K5 vorgelegten Schreibens ist hierfür zu unbestimmt.

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung – wie hier das sog. Opt-Out – ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. bspw. Urteil vom 10.12.2014 – VIII ZR 25/14 m.w.N.).

a) Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Schreiben vom 27.09.2018 schon nicht entnehmen, für welchen Erklärenden es Wirksamkeit beansprucht. Damit bleibt auch unklar, ob das Schreiben für die Klägerin gelten soll. Die Klägerin selbst hat das Schreiben nicht gefertigt. Es enthält auch keinen Hinweis darauf, dass es im Namen der Klägerin an die Beklagte zu 1) übermittelt wurde. Legt man den Wortlaut des Schreibens zugrunde, wird untersagt, „namens und im Auftrag unserer Mandantschaft“ sogenannte presserechtliche Informationsschreiben „an unsere Mandantin“ zu versenden. Ein Hinweis darauf, wer die „Mandantschaft“ bzw. die „Mandantin“ ist, findet sich in dem Schreiben an keiner Stelle. Eine Klarstellung ergibt sich vorliegend auch nicht aus den als Anlagen beigefügten presserechtlichen Informationsschreiben zu Joachim Löw vom 01.10.2018, die an die M. GmbH bzw. an die S. Verlags GmbH & Co KG (die ehemalige Klägerin zu 2) adressiert waren. Denn diese Schreiben richteten sich an mindestens zwei Verlagsgesellschaften, die Formulierung „Mandantin“ im Schreiben vom 27.09.2018 deutet dagegen durch die Verwendung des Singulars auf die Vertretung nur einer bestimmten Gesellschaft hin. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann selbst aus der Zusammenschau des Schreibens vom 27.09.2018 und der beigefügten Anlagen nicht geschlossen werden, dass mit „Mandantschaft“ bzw. „Mandantin“ sämtliche Verlagsgesellschaften des Medienhauses X., die von presserechtlichen Informationsschreiben der Beklagtenseite betroffen waren, und damit auch die ehemaligen Klägerinnen zu 1) und 2) gemeint waren. Selbst wenn man unterstellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) Kenntnis davon hatten, dass das Medienhaus X. im Jahr 2018 exklusiv durch die Kanzlei Y. vertreten wurde, war für sie nicht hinreichend bestimmbar, welche der Verlagsgesellschaften von dem Begriff der „Mandantschaft“ bzw. „Mandantin“ erfasst sein sollten. Die Beklagte zu 3) weist in ihrem Schriftsatz vom 03.01.2025 (dort Seite 3) zu Recht darauf hin, dass im vorliegenden Gesamtkontext eine Vielzahl möglicher Deutungen in Betracht kommt, ohne dass einzelne Deutungen von vorneherein als fernliegend ausgeschieden werden könnten.

b) Dem Schreiben vom 27.09.2018 lässt sich darüber hinaus nicht mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen, dass es in Bezug auf die Beklagte zu 3) Wirkung entfalten sollte. Ausweislich des Adressfeldes ist es an die Beklagte zu 1) zu Händen Herrn RA S2. B. gerichtet, an den sich der Klägervertreter in der Folge mit der Formulierung „untersagen wir Ihnen hiermit“ auch direkt richtet. Auch im abschließenden Absatz richtet sich der Appell „Wir haben Sie also anzuhalten“ unmittelbar an die Beklagte zu 1) bzw. an Rechtsanwalt B.. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund verständlich, dass die Beklagte zu 1) im Vorfeld der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen hatte, in der von der Klägerin beanstandeten Weise vorgehen zu dürfen, sie hatte sogar ausdrücklich angeregt, nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 Rn. 25). Von daher war es aus Sicht der Beklagten zu 1) und 2) durchaus nicht fernliegend, das Schreiben nur auf sich selbst zu beziehen, zumal an keiner Stelle die Geltung gegenüber irgendeinem Mandanten der Beklagten zu 1) zum Ausdruck gebracht wird. Dass das Schreiben auch gegenüber der Beklagten zu 3) Wirkung haben soll, lässt sich auch den als Anlagen beigefügten presserechtlichen Informationsschreiben vom 01.10.2018 nicht entnehmen. Denn diese betrafen beide den Fall „Joachim Löw“, so dass beim Empfänger des Schreibens durchaus der Eindruck entstehen konnte, dass das sog. Opt-Out allenfalls zusätzlich gegenüber diesem Mandanten der Beklagten zu 1) erfolgen sollte. Eine allgemeine Geltung dahingehend, dass die Beklagten zu 1) und 2) die ausgesprochene Untersagung allen gegenwärtigen und künftigen Mandanten und damit auch der Beklagten zu 3) zur Kenntnis bringen sollten, kann dem Schreiben vom 27.09.2018 entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zugemessen werden.

4. Mangels Erstverstoßes gegen ein absolut geschütztes Recht der Klägerin fehlt es damit auch an der nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB notwendigen Wiederholungsgefahr.

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LG München: E-Mail-Anbieter muss nach § 21 Abs. 2 TDDDG Auskunft über Bestandsdaten eines Nutzers geben auch wenn rechtswidrige Inhalte nicht über diesen Dienst verbreitet wurden

LG München
Beschluss vom 19.02.2025
25 O 9210/24


Das LG München hat entschieden, dass ein E-Mail-Anbieter nach § 21 Abs. 2 TDDDG Auskunft über Bestandsdaten eines Nutzers geben muss, auch wenn die streitgegenständlichen rechtswidrigen Inhalte nicht über diesen Dienst verbreitet wurden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Gericht ist der Ansicht dass § 21 TDDDG auf die Beteiligte und den von ihr betriebenen E-Mail-Dienst „G...“ Anwendung findet. Bei der Beteiligten handelt es sich um einen Anbieter digitaler Dienste im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 TDDDG.

Der Begriff „digitaler Dienst“ ist in § 2 Abs. 2 TDDDG selbst nicht definiert. Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 1 TDDDG die Bestimmungen des Digitalen-Dienste-Gesetzes (DDG) auch für das TDDDG Anwendung. In § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG findet sich zwar auch keine selbstständige Definition des Begriffs „digitaler Dienst“, es erfolgt aber erneut eine Verweisung dahingehend, dass ein „digitaler Dienst“ ein Dienst im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1) sein soll. In der besagten Richtlinie wird „Dienst“ als eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft definiert, d.h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck „Dienst“ unter anderem auch eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“, d.h. eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird.

Nach dieser Definition ist auch der Dienst „G...“ zweifellos eine elektronisch erbrachte Dienstleistung. Denn ein E-Mail-Dienst dient naturgemäß dem Empfangen und Versenden von elektronischen Nachrichten, es werden Daten von einem Ausgangspunkt zu einem anderen vollständig elektronisch gesendet bzw. empfangen und dies erfolgt auch ausschließlich mittels Geräten für elektronische Verarbeitung, seien dies normale Computer, Tablets oder Smartphones. Dieser Dienst wird von der Beteiligten auch regelmäßig gegen Entgelt erbracht, was auch von der Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird. Es ist allgemein bekannt, dass sämtliche E-Maildienste ihre Leistungen entweder gegen monetäre Bezahlung erbringen (dann zumeist im Rahmen von sog. „Premium-Modellen“, die exklusive Zusatzfunktionen erhalten und zumeist werbefrei sind) oder aber die Nutzer den Dienst dadurch bezahlen, dass sie ihre Daten dem Betreiber zum Zwecke der Auswertung (insbesondere für Werbezwecke) zur Verfügung stellen. Bei dem Dienst der Beteiligten handelt es somit um einen digitalen Dienst im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG und in der Folge auch um einen solchen im Sinne von §§ 2 Abs. 1, 21 Abs. 2 TDDDG. Keiner weiteren Erläuterung bedarf es, dass die Beteiligte in Bezug auf den digitalen Dienst auch Anbieter gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDDDG ist, das sie selbst den E-Mail-Dienst betreibt und daher eigene digitale Dienste erbringt.

Das Gericht vermag auch nicht der Ansicht der Beteiligten zu folgen, wonach § 21 TDDDG auf die Beteiligte keine Anwendung finden soll, weil es sich bei ihr um einen „interpersoneller Telekommunikationsdienst“ i.S.d. § 3 Nr. 61 lit. b) TKG i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG sowie i.S.d. Art. 2 Nr. 5 Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (auch EKEK genannt, nachfolgend: „EECC-Richtlinie“) handelt. Es mag sein, dass die Beteiligte auch ein Telekommunikationsdienst in diesem Sinne ist, das Gericht kann aber nicht erkennen, warum ein Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG nicht auch gleichzeitig ein Anbieter digitaler Dienste im Sinne des TDDDG sein können solle. Das insoweit von der Beteiligten konstruierte Exklusivverhältnis dieser Begriffe ist weder dem TKG noch dem TDDDG zu entnehmen. Dies erschließt sich auch bereits deswegen unmittelbar, weil beide Gesetze völlig unterschiedliche Regelungsfunktionen haben. Ziel des TKG ist gemäß § 1 Abs. 1 TKG, durch technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Das TKG ist mithin ein Aufsichtsgesetz, es dient der Regulierung des Wettbewerbs durch den Hoheitsträger und schafft in diesem Rahmen Regulierungsvorgabe und Rahmenbedingungen zum Schutze der Kunden. Dies deckt sich auch mit dem Auskunftsrecht aus § 174 Abs. 1, 3, TKG, dass ein Auskunftsrecht für Behörden zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten schafft. Demgegenüber enthält das TDDDG nicht nur Aufsichts- und Regulierungsbestimmungen und regelt auch nicht nur Rechte von Kunden der betroffenen digitalen Dienste, sondern schafft durch § 21 TDDDG ein Auskunftsrecht für jede Person, die in einem absolut geschützten Recht verletzt wurde. Es geht dabei nicht um eine Regulierung von Telekommunikationsdiensten, sondern allgemein um die Erleichterung der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche jedes Verletzten, ein Aspekt, der gerade nicht Bestandteil der Regelungen des TKG ist. Ersichtlich handelt es sich bei dem Anspruch aus § 21 TDDDG um einen Hilfsanspruch zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, ein derartiger Anspruch war und ist niemals Gegenstand des TKG gewesen und fügt sich in dieses auch gar nicht ein. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit § 21 TDDDG einen weiteren Anspruch geschaffen, der nach Einschätzung des Gerichts selbstständig neben den Bestimmungen des TKG besteht. Es ist auch kein Widerspruch, dass die Beteiligte insofern potentiell zwei Ansprüchen ausgesetzt ist, einmal einem solchen der Strafverfolgungsbehörden aus § 174 TKG und dann einem solchen des Verletzten aus § 21 TDDDG. Vielmehr stehen beide selbstständig nebeneinander, was schon deswegen einleuchtet, weil straf- und zivilrechtliche Verfolgung nicht zwingend parallel erfolgen müssen. So kann es etwa vorkommen, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Verfahren wegen bestimmten Delikten aus Opportunitätsgesichtspunkten einstellen, die verletzte Privatperson aber dennoch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen kann und will. Insofern vermag sich das Gericht daher auch nicht der von der Beteiligten in Bezug genommenen Rechtsprechung anzuschließen. Dies umso weniger, als diese noch zu dem alten § 21 TTDSG erging, der Gesetzgeber aber nunmehr die Definitionen dahingehend geändert hat, dass nicht mehr jeder „Anbieter von Telemedien“, sondern jeder „Anbieter digitaler Dienste“ verpflichtet wird. Das Gericht geht nicht davon aus, dass hier nur eine „redaktionelle Änderung“ des TDDDG erfolgt ist, sondern vielmehr eine bewusste begriffliche Klarstellung dahingehend, dass die Verbindung zum TKG und zur Telekommunikation bewusst abgeschwächt wurde, um zu verdeutlichen, dass allgemein „digitale Dienste“ verpflichtet werden sollen. Dies ergibt sich gerade auch aus den von der Beteiligten zitierten Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung. Es mag sein, dass der Begriff „Telemedien“ in dem Begriff „digitaler Dienst“ aufgeht, dass bedeutet aber nicht, dass damit keine Klarstellung verbunden sein soll, anderenfalls man den alten Begriff auch nicht hätte ersetzen müssen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber gerade nicht aufgeführt, dass Telekommunikationsdienste nicht von § 21 TDDDG erfasst sein sollen, wovon aber auszugehen gewesen wäre.

B. Das Gericht folgt auch nicht der Ansicht der Beteiligten, eine Kettenauskunft sei nicht zulässig und ein Auskunftsanspruch gemäß § 21 TDDDG setzte zwingend voraus, dass die Äußerung, die Grundlage für das Auskunftsersuchen ist, über den Dienst der Beteiligten veröffentlicht wurde. Eine solche „Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts in dem digitalen Dienst“ lässt sich § 21 TDDDG weder dem Wortlaut nach, noch systematisch, noch historisch entnehmen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber ganz bewusst, gerade keine solche Verbindung aufgenommen hat. Denn Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, dem Anspruchsteller eine effektive Möglichkeit zur Verfolgung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu schaffen. Es ist aber allgemein bekannt, dass viele Plattformen, auf denen rechtsverletzende Äußerungen getätigt werden, nur rudimentäre Nutzungsdaten erheben, vorrangig mit dem Argument, den Nutzern müsse eine anonyme Äußerung ermöglicht werden. Wollte man, wie die Beteiligte, davon ausgehen, ein Anspruch bestehe nur bei einer Verbindung zwischen Äußerung und Dienst, wäre der Anspruch aus § 21 TDDDG aber regelmäßig wertlos, weil als Nutzerdaten häufig (ganz bewusst) nur Fantasie-Daten hinterlegt sind und einziges weiteres hinterlegte Detail eine zumeist zur Authentifizierung verwendete E-Mail-Adresse ist. Der Verletzte würde also in den meisten Fällen für ihn nutzlose Daten erhalten, die ihm eine Verfolgung seiner Ansprüche gerade nicht ermöglichen. Für eine effektive Verfolgung muss es dem Verletzen daher möglich sein, die Datenkette bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und die erforderlichen Daten auch von Anbietern zu verlagern, bei denen die maßgeblichen Inhalte nicht unmittelbar verbreitet wurden. Auch diesem Anbieter entstehen hierdurch im Übrigen keine Nachteile, da die Kosten des Auskunftsverfahrens gemäß § 21 Abs. 3 Satz 7 TDDDG in jedem Fall durch den Antragsteller zu tragen sind.

Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Beteiligten, die Antragstellerin sei auf eine Auskunft nicht angewiesen, da sie sich an die Strafverfolgungsbehörden wenden könne, die ihrerseits Auskünfte gemäß § 174 TKG einholen könnten. Es wurde oben bereits ausgeführt, dass straf- und zivilrechtliche Verfolgung nicht notwendigerweise parallel laufen und die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Umständen (ggf. auch ohne Durchführung weiterer Ermittlungen) von der Verfolgung absehen können, trotzdem aber zivilrechtliche Ansprüche bestehen können.

C. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 TDDDG sind im Hinblick auf die beiden verfahrensgegenständlichen Bewertungen erfüllt. Es handelt sich um rechtswidrige Inhalte, die den Tatbestand der §§ 185-187 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

AA. Die Sternebewertungen als solche stuft das Gericht mit der ganz herrschenden Meinung in der Rechtsprechung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung ein (vgl. hierzu OLG Köln Urt. v. 26.6.2019 – 15 U 91/19, GRUR-RS 2019, 51308 Rn. 25, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Bewertung mit Sternen ist ihrer Natur nach von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Daran ändert sich auch nicht deswegen etwas, wenn die Sternebewertungen, wie hier, in Bezug auf Unterkategorien wie „Karriere/Weiterbildung“, „Arbeitsatmosphäre“, „Work-Life-Balance“ usw. verteilt werden. Denn es bleibt dabei, dass auch hinsichtlich dieser Unterkategorien keine Tatsachen behauptet werden, sondern lediglich eine Meinung geäußert wird. Das wird schon daraus ersichtlich, dass die Einschätzung, wie eine Arbeitsatmosphäre, Arbeitsbedingungen oder der Umgang mit bestimmten Themen zu bewerten sind, der Sache nach höchst subjektiv sind; es gibt diesbezüglich keine allgemeingültigen Parameter, die eines Wahrheitsbeweises zugänglich wären. Entgegenzutreten ist insofern auch der Ansicht der Antragstellerin, die Bewertung mit nur einem Stern bei Unterkategorien wie „Karriere/Weiterbildung“, „Umwelt-/Sozialbewusstsein“, „Vorgesetztenverhalten“, „Kommunikation“ usw. bringe zum Ausdruck, für diese Themen gebe es bei der Antragstellerin generell kein Bewusstsein. Nach dem Verständnis des Gerichts wird damit vielmehr lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Verfasser der Bewertung diese Aspekte für sich (subjektiv) als unzureichend erlebt hat.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Sternebewertungen auch einen Tatsachenkern dahingehend enthalten, dass die Ersteller der Bewertungen angeben, sie seien (Ex-) Angestellte/Arbeitnehmer bei der Antragstellerin gewesen und somit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der Antragstellerin in Kontakt gekommen. Dies ändert nach Einschätzung des Gerichts aber nichts daran, dass bei den Bewertungen das Element der Meinungsäußerungen deutlich überwiegt. Das Tatsachenelement tritt hier hinsichtlich die der Meinungsäußerung unterfallende wertende Meinungsäußerung völlig zurück (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 186 Rn. 13).

BB. Inhaltlich enthalten die beiden Bewertungen Anmerkungen, die zumindest teilweise die Tatbestände der §§ 185, 186 StGB verwirklichen.


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OLG Frankfurt: Reichweite einer Selbstöffnung im Presserecht ist eher eng auszulegen - Berichterstattung über eine vergangene Beziehung eines Profifußballspielers

OLG Frankfurt
Urteil vom 06.02.2025
16 U 8/24


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Reichweite einer Selbstöffnung im Presserecht eher eng auszulegen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts::
Persönlichkeitsrecht - Berichterstattung über eine vergangene Beziehung eines Profifußballspielers

Berichterstattung über eine vergangene Beziehung ist nicht allein wegen eigener Angaben des Fußballers über seine gegenwärtige Beziehung rechtmäßig.

Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass der Umfang sog. Selbstöffnung gerade im Hinblick auf intime Beziehungen des Betroffenen eher eng zu ziehen ist. Nicht jede Angabe über eine bestimmte Beziehung führt dazu, dass nunmehr über sämtliche (weitere) Beziehungen des Betroffenen berichtet werden darf. Die Berufung des beklagten Verlagshauses und der Autoren der streitgegenständlichen Artikel gegen das überwiegend stattgebende landgerichtliche Urteil wurde zum großen Teil zurückgewiesen.

Der Kläger spielt als deutscher Profifußballspieler u.a. in der deutschen Nationalmannschaft. Er wendet sich gegen Textpassagen von Artikeln der Beklagten, in deren Fokus seine frühere Beziehung zu einer Frau, mit der eine Tochter hat, steht. Das Landgericht hatte die beantragte einstweilige Verfügung überwiegend erlassen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hatte vor dem für Presserecht zuständigen 16. Zivilsenat nur in einem geringen Umfang Erfolg.

Der Kläger könne insbesondere Unterlassung der nicht erwiesen wahren Äußerungen über sein Verhalten gegenüber der schwangeren Frau bei Kenntnis der Schwangerschaft verlangen. Die Beklagten hätten nicht die Wahrheit dieser Tatsachenbehauptungen, die geeignet seien den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, nachgewiesen.

Mit weiteren Äußerungen betreffend die Beziehung des Klägers zu dieser Frau griffen sie rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Der Schutz der Privatsphäre sei hier auch nicht durch eine sogenannte Selbstöffnung des Klägers entfallen. Dieser habe vielmehr seine Beziehung zu dieser Frau unstreitig stets privat gehalten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass er vereinzelt Fotos von sich und seiner Tochter gepostet habe. Damit habe er allein preisgegeben, dass er eine Tochter habe, nicht aber, aus welcher Beziehung dieses Kind resultiere. Soweit der Kläger mit seiner neuen Partnerin öffentlich auftrete, stelle auch dies keine Selbstöffnung in Bezug auf die davon völlig unabhängige, vergangene Beziehung zu der Kindesmutter dar. „Gerade im Hinblick auf intime Beziehungen des Betroffenen ist der Umfang der Selbstöffnung eher eng zu ziehen, sodass nicht jede Angabe über eine bestimmte Beziehung dazu führt, dass nunmehr über sämtliche (weitere) Beziehungen des Betroffenen berichtet werden darf“, konkretisierte der Senat.

Der Eingriff sei auch rechtswidrig gewesen, da im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das Interesse des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre hier das Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung überwiege. Zwar bestehe an der Person des Klägers als Fußballstar, Spitzenverdiener und Mitglied des Nationalkaders ein großes öffentliches Informationsinteresse; dies werde durch seine Stiftungstätigkeit und damit verbundene Leitbildfunktion noch gesteigert. Die hier streitigen Äußerungen über das Kennenlernen des damaligen Paares, deren Gefühle füreinander, das Zusammenziehen, deren Wohnsituationen, die Trennung und die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Tochter haben, hätten hierzu jedoch keinen Bezug. Die streitigen Äußerungen „befriedigten in erster Linie die Neugier der Leser nach den privaten Angelegenheiten des Klägers“.

Aus diesen Gründen könne der Kläger auch verlangen, dass die Beklagte nicht über seinen Wochen- und Jahresverdienst berichte. Soweit die Beklagte behaupte, dass es sich bei Gehältern von Spitzensportlern um öffentlich bekannte Umstände handele, habe sie nicht dargelegt, dass dies auch auf das Gehalt des Klägers zutreffe.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 06.02.2025, Az. 16 U 8/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Az. 2-03 O 230/23)


LG Frankfurt: Zustellungsmangel führt zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen rechtswidriger Presseberichterstattung

LG Frankfurt
Urteil vom 14.11.2024
2-03 O 275/24


Das LG Frankfurt hat im vorliegenden Rechtsstreit eine einstweilige Verfügung wegen rechtswidriger Presseberichterstattung aufgrund eines Zustellungsmangels aufgehoben.

Dieser Fall zeigt wieder einmal, dass bei der Zustellung einstweiliger Verfügungen stets mit größter Sorgfalt vorzugehen ist.

Die Pressmeitteilung des Gerichts:
Frist versäumt
Eilverfahren transidenter Person gegen Presseberichterstattung
Die Pressekammer hebt die einstweilige Verfügung auf.

Die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat mit einem heute verkündeten Urteil eine von einer transidenten Klägerin zuvor erwirkte einstweilige Verfügung gegen verschiedene Medienberichterstattungen aus formellen Gründen aufgehoben. Zwingende Vorschriften bei der Zustellung der einstweiligen Verfügung an das beklagte Medienunternehmen waren von der Anwältin der Klägerin nicht eingehalten worden.

Die Klägerin hatte ihren Personenstand gerichtlich in „weiblich“ ändern lassen. Eine geschlechtsangleichende Operation hat sie nicht durchführen lassen. Im Frühjahr 2024 beabsichtigte sie, ein Probetraining in einem Erlanger Damenfitnessstudio durchzuführen. Das wurde ihr mit dem Hinweis verwehrt, das Sportstudio verfüge nur über Damenumkleiden und Damenduschen.

Über diesen Sachverhalt berichtete die Beklagte auf ihrer Internetseite. In verschiedenen Artikeln wurde der Name der Klägerin genannt und es wurden „verpixelte“ Bilder von ihr veröffentlicht. Außerdem wurde sie als Mann bezeichnet und ein männliches Pronomen für sie verwendet.

Gegen diese Art der Berichterstattung wandte sich die Klägerin mit einem Eilantrag vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Pressekammer des Gerichts gab dem Antrag mit Beschluss vom 12.7.2024 überwiegend statt. Nachdem die Klägerin ihren Personenstand per Gerichtsbeschluss in „weiblich“ umgeändert habe, stelle die Bezeichnung als „Herr Transfrau“ oder „Herr in Damenkleidung“ und die Verwendung männlicher Fürwörter einen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde dar. Die Offenlegung ihres Vor- und Nachnamens verletze die Klägerin in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht, denn dieses beinhalte auch das Recht, anonym zu bleiben. Die Klägerin seit trotz der Verpixelung ohne weiteres erkennbar.

Allerdings stellte die Kammer in ihrem Beschluss klar, das beklagte Medienunternehmen dürfe die Meinung äußern, nur Frauen mit weiblichem Geburtseintrag sollten Mitglieder eines Frauenfitness-Studios sein. „Eine öffentlich geführte Diskussion zu diesem Thema ist von dem Recht auf Meinungsäußerung geschützt. Dabei darf die Beklagte sich auch auf Geschlechtsmerkmale beziehen, solange sie nicht – wie bei den untersagten Äußerungen – einer Person ihre Geschlechtsidentität abspricht. Entsprechend kann ihr das Wortspiel ,Mit-Glied-Schaft‘ nicht untersagt werden.“ Die Richterinnen und Richter führten weiter aus: „Dasselbe gilt für die angegriffene Mitteilung, dass die Antidiskriminierungsbeauftragte jemanden darin unterstützt, ,Zugang zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen und Frauenduschen‘ zu erhalten. Laut Antragsschrift hat die Klägerin selbst vorgeschlagen, "etwa nur mit Badehosen zu duschen". Insoweit handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine wahre Tatsachenbehauptung mit wertenden Inhalten im Rahmen eines öffentlichen Diskurses.“

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Nach mündlicher Verhandlung hat die Pressekammer die zuvor ergangene einstweilige Verfügung mit dem heutigen Urteil nun aus formellen Gründen aufgehoben.

Eine einstweilige Verfügung muss nämlich innerhalb der Frist von einem Monat im sog. „Parteibetrieb“ zugestellt werden. Das bedeutet, dass die Zustellung innerhalb eines Monats von Anwalt zu Anwalt erfolgen muss, wenn eine Partei bereits einen Anwalt hat. Diese Frist hatte die Rechtsanwältin der Klägerin nicht eingehalten. Sie hatte den Beschluss der Beklagten direkt zugestellt, obwohl sich zwischenzeitlich ein Rechtsanwalt der Beklagten zur Akte gemeldet hatte. Unabhängig von der materiellen Rechtslage und etwaigen Rechtsverletzungen in der angegriffenen Medienberichterstattung war die Pressekammer daher gehalten, die einstweilige Verfügung aufzuheben.

Das heutige Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen: 2-03 O 275/24). Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.


BGH: Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter im Rahmen der Presseberichterstattung kann ohne Zustimmung zulässig sein

BGH
Urteil vom 05.11.2024
VI ZR 110/23
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter im Rahmen der Presseberichterstattung ohne deren Zustimmung zulässig sein kann.

Leitsatz des BGH:
Zu den Voraussetzungen, unter denen Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter ohne deren Zustimmung veröffentlicht werden dürfen.

BGH, Urteil vom 5. November 2024 - VI ZR 110/23 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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OLG Hamm: Ansprüche aus Art. 82 DSGVO sind keine höchstpersönlichen Ansprüche und können abgetreten werden

OLG Hamm
Urteil vom 24.07.2024
11 U 69/23


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Ansprüche aus Art. 82 Abs. 1 und 2 DSGVO keine höchstpersönlichen Ansprüche sind und abgetreten werden können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Zedenten K. und W. konnten ihre Ansprüche aus Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO auch wirksam an die Klägerin abtreten. Ein Verstoß gegen einen Abtretungsausschluss nach § 399 Var. 1 BGB, wonach insbesondere höchstpersönliche Ansprüche nicht abgetreten werden können, liegt nicht vor.

Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es sich bei einem Anspruch aus Art. 82 Abs.1, 2 DSGVO um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, weil dort die Genugtuung sowie eine Kompensation mittels einer Entschädigung für die Persönlichkeitsrechtsverletzung im Vordergrund stehe, die nur gegenüber der betroffenen Person zur Linderung führen könne (AG Hannover, Urteil vom 9. März 2020 - 531 C 10952/19 -, BeckRS 2019, 43221, Rn. 15,; vgl. zum Meinungsstand Wybitul/Leibold, Risiken für Unternehmen durch neue Rechtsprechung zum DS-GVO-Schadensersatz, ZD 2022, 207, 208). Überwiegend wird dies jedoch abweichend beurteilt. So handele es sich bei Art 82 Abs. 1, 2 DSGVO um einen eigenständigen deliktischen Anspruch, der dem allgemeinen nationalen Haftungsregime des BGB unterliege, was auch für die Übertragbarkeit des Anspruchs gelte (LG Essen, Urteil vom 23. September 2021 - 6 O 190/21 -, ZD 2022, 50, Rn. 36 f.; Quaas in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed. 1. Mai 2024, DSGVO Art. 82 Rn. 10 f.). Eine Persönlichkeitsverletzung sei gerade keine Anspruchsvoraussetzung. Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO diene auch der Vermeidung von zukünftigen Verstößen, sodass ihm ein spezialpräventiver Charakter und damit auch eine objektive Aufgabe zukomme. Zudem verfolge die DSGVO das Ziel, einen "vollständigen und wirksamen Schadensersatz" zu gewährleisten, sodass auch die Notwendigkeit der tatsächlichen Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs im Vordergrund stehe. Die Rechtsprechung des BGH zu schweren Persönlichkeitsverletzungen sei auf Art. 82 DSGVO nicht übertragbar (Quaas in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed. 1. Mai 2024, DSGVO Art. 82 Rn. 11; vgl. zum Meinungsstand Wybitul/Leibold, a.a.O., ZD 2022, 207, 208). Die Wirksamkeit dieses Schadensersatzes im Sinne von Erwgr. 146 S. 6 DSGVO wäre wesentlich beeinträchtigt, wenn der Anspruch nicht zum Zwecke der Geltendmachung an Dritte übertragen werden könnte (Hellgardt, Die Schadensersatzhaftung für Datenschutzverstöße im System des unionalen Haftungsrechts, ZEuP 2022, 7, 33).

Der Senat schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung an. Nach § 399 Var. 1 BGB ist eine Forderung nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die er nur selbst erheben kann, oder wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des leistenden Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene. In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 -, Rn. 42, juris).

Ansprüche wegen immaterieller Schäden sind nach der Rechtsprechung des BGH seit dem 1. Juli 1990 uneingeschränkt übertragbar und pfändbar, nachdem durch das Gesetz zur Änderung des BGB und anderer Gesetze vom 14. März 1990 (BGBl. I S. 478) § 847 Abs. 1 S. 2 BGB aF gestrichen wurde (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 14, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 -, Rn. 33, juris zu Ansprüchen aus Staatshaftung). Ob dies auch für Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gilt, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl. BGH Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 15, juris), vom BGH in Bezug auf einen Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG jedoch bejaht worden (vgl. BGH Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 18 ff., juris).

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch. Anspruchsvoraussetzung ist ein Datenschutzverstoß, durch den der Anspruchsteller persönlich betroffen sein muss. Anders als bei einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht hier nicht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund, sondern es soll der aufgrund eines Verstoßes gegen die DSGVO entstandene Schaden vollständig und wirksam finanziell entschädigt werden, womit eine Ausgleichsfunktion verbunden ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Darüber hinaus erfüllt Art. 82 DSGVO einen weiteren Normzweck, mit dem ihm eine spezial- und auch generalpräventive Aufgabe zukommt, indem er dazu beitragen soll, dass innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleistet (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 48) und ein Anreiz für die Einhaltung der DSGVO geschaffen wird (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Schließlich enthält Art. 82 DSGVO eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch, sodass die Grundsätze, die für einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, nicht anzuwenden sind. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt; der EuGH hat eine Erheblichkeitsschwelle ausdrücklich verneint (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -,NZA 2023, 621, Rn. 43 ff.). Grundsätzlich ist daher jeder Datenschutzverstoß geeignet, einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO zu begründen.

Ferner ist ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Beibehaltung der Person des Gläubigers nicht erkennbar und die Leistung ist auch nicht dergestalt mit der Person des Gläubigers verknüpft, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene.


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BGH: Unterlassungsanspruch wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens

BGH
Urteil vom 25.06.2024
VI ZR 64/23
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens bestehen kann.

Leitsatz des BGH:
Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht (Weiterführung Senatsurteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, AfP 2019, 40).

BGH, Urteil vom 25. Juni 2024 - VI ZR 64/23 - OLG München - LG München I

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OLG Frankfurt: Bei Persönlicheitsrechtsverletzungen in Presse und Medien ist regelmäßig ein Streitwert zwischen 5.000 EUR und 15.000 EUR je selbständiger inhaltsverschiedener Äußerung angemessen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.06.2024
16 W 18/24


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei Persönlicheitsrechtsverletzungen in Presse und Medien regelmäßig ein Streitwert zwischen 5.000 EUR und 15.000 EUR je selbständiger inhaltsverschiedener Äußerung angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der für die Streitwertfestsetzung gewählte Ausgangspunkt des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Bei der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Äußerungen in der Presse oder anderen Medien ist der Streitwert gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen. Abhängig vorwiegend davon, in welcher Sphäre seines Persönlichkeitsrechts der Betroffene durch die Äußerung berührt wird, welche Schwere ein hiermit verbundener Eingriff hat und welcher Verbreitungsgrad dem gewählten Medium zukommt, geht der Senat dabei unter Orientierung am Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 2023 - VI ZB 114/21 -, Rn. 11; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO, Rn. 16.57) von einem Streitwert zwischen etwa 5.000,00 EUR und 15.000,00 EUR je selbständiger, inhaltsverschiedener Äußerung aus. Höhere Beträge kommen regelmäßig nur bei der Betroffenheit von Prominenten oder bei besonders spektakulären Fällen in Betracht (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 16 W 27/23 -, Rn. 21) bzw. dann, wenn statt einzelner Äußerungen die durch eine komplexere Schrift geschaffene Herabsetzung des Betroffenen insgesamt in Rede steht (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21. September 1999 - 16 W 39/98 -, Rn. 5).

b) Wird um entsprechenden Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung nachgesucht, wird der Streitwert gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Er bleibt dann im Allgemeinen unter dem Streitwert der Hauptsache, weil das in diesem Verfahren verfolgte Sicherungsinteresse des Betroffenen im Regelfall nicht sein Befriedigungsinteresse erreicht. Da das Presserecht grundsätzlich von dem Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. März 2024 - 1 BvR 605/24 -, Rn. 16) und dem Sicherungsinteresse daher in äußerungsrechtlichen Sachverhalten häufig höheres Gewicht zukommt, erachtet der Senat einen Abschlag von mehr als 1/3 gegenüber dem Hauptsachewert allerdings regelmäßig für nicht angezeigt (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 16 W 27/23 -, Rn. 22; vom 22. Dezember 2020 - 16 W 83/20 -, Rn. 31).

c) Mehrere Streitwerte werden gemäß § 39 GKG zusammengerechnet. Das gilt im Äußerungsrecht sowohl für die Beanstandung mehrerer selbständiger, inhaltsverschiedener Äußerungen, wie ebenso für die Inanspruchnahme mehrerer Unterlassungsschuldner. Denn diese schulden Unterlassung - hier aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG - nicht nur einmal, sondern jeder für sich (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 2020 - V ZR 121/19 -, Rn. 35; v. 15. April 1975 - VI ZR 93/73 -, Rn. 19).

2. Dies zugrunde gelegt, ist die Festsetzung des Streitwerts auch in der Sache zu Recht mit 20.000 Euro erfolgt.

Die angegriffene Berichterstattung berichtet über das angebliche Angebot des Antragstellers, an seine Lebensgefährtin herangetragene Geldforderungen durch eine Einmalzahlung abzugelten, und betrifft damit Umstände, die auf Seiten des Antragstellers allenfalls dem äußeren Rand seiner Privatsphäre zuzurechnen sind. Zudem ist der Antragsteller - anders als seine Lebensgefährtin, die eine gewisse Boulevardprominenz genießt - einer breiteren Öffentlichkeit wenig bekannt. Bei dieser Sachlage war das verfolgte Unterlassungsbegehren unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien wie geschehen mit einem Streitwert von 10.000 Euro zu bewerten, ein am Sicherungsinteresse des Antragstellers ausgerichteter Abschlag von 1/3 vorzunehmen und mit der Anzahl der Antragsgegner zu multiplizieren.


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OLG Nürnberg: Plattformbetreiber wie YouTube haften auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung

OLG Nürnberg
Urteil vom 23.07.2024
3 U 2469/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie YouTube auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung haften.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt.

aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando).

bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.).

Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 52).

Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 41). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 16 Rn. 51).

cc) Die Haftungsbeschränkung des § 10 S. 1 TMG galt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hotelbewertungsportal). Es kann dahinstehen, ob dies auch für Art. 6 DSA angenommen werden kann (vgl. BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 61 ff.; NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 27 f.). Denn jedenfalls lässt Art. 6 Abs. 4 DSA – ebenso wie zuvor schon Art. 14 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie – die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern (vgl. (BGH a.a.O. Rn. 20 – www.jameda.de). Betroffen hiervon sind vor allem zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Materiell fußen derartige Anordnungen im deutschen Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Grundsätzen der Haftung als mittelbare Störer analog § 1004 BGB (BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 64).

dd) Ob die vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht (so Müller-Terpitz/Köhler/Barudi, DSA, 1. Aufl. 2024, Art. 16 Rn. 33; auch kritisch zur Vermischung der Kenntniserlangung nach § 10 TMG und den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung MüKoStGB/Altenhain, 4. Aufl. 2023, TMG § 10 Rn. 17), kann im Streitfall offenbleiben. Allerdings sprechen nach Auffassung des Senats verschiedene Umstände gegen einen solchen Widerspruch, zumal Erwägungsgrund 50 S. 1 des DSA auf die besonders wichtige Rolle des Hostingdiensteanbieters beim Umgang mit rechtswidrigen Online-Inhalten verweist.

Zum einen steht die Kenntniserlangung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSA in Wechselwirkung mit dem nach Art. 16 DSA einzurichtenden Meldeverfahren. Diese Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sollen nach Art. 16 Abs. 3 DSA bewirken, dass für die Zwecke des Art. 6 DSA von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation ausgegangen wird, wenn sie es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Auch Art. 16 Abs. 6 DSA enthält eine Verpflichtung zu einer Beschwerdeentscheidung, die sorgfältig, frei von Willkür und objektiv ist (vgl. NK-DSA/Raue, a.a.O. Art. 16 Rn. 62). Und die Pflicht zur sorgfältigen Bearbeitung einer Meldung nach Art. 16 Abs. 3 DSA kann eine Beteiligung des Verfassers des Betrags implizieren.

Zum anderen kann diese Obliegenheit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider unter die Regelung des Art. 6 Abs. 4 DSA subsumiert werden. Nach dieser Vorschrift lässt die in Abs. 1 enthaltene Privilegierung die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. Dies kann auch eine auf der Störerhaftung beruhende und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls begründete Pflicht des Providers zur Klärung der Berechtigung der Beanstandung des Betroffenen unter Einbeziehung einer Stellungnahme des Nutzers umfassen.

c) Vor dem Hintergrund dieser materiellen Anforderungen an ein Tätigwerden des Hostproviders trifft den Portalbetreiber in prozessualer Hinsicht bezüglich der für die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange maßgeblichen Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Klagepartei insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und sie auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Dabei kann der Portalbetreiber auch eine Recherchepflicht haben. Diese ist ihm grundsätzlich zumutbar, da er auf Grund seiner materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten sein kann, vom User zusätzliche Angaben und Belege zu den Tatsachen zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht seine Obliegenheit, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vom Nutzer entsprechende Informationen zu fordern. Kommt der Portalbetreiber dieser Obliegenheit nicht nach, sind die Tatsachenbehauptungen der Klagepartei nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 47-49 – www.jameda.de).

Dieser Grundsatz aus dem „Jameda-Urteil“ zur Darlegungslast entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Sie führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Prozessgegners, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2014, 657, Rn. 17, 18 – BearShare; BGH GRUR 2009, 871, Rn. 27 – Ohrclips).

Daraus folgt, dass die sekundäre Darlegungslast des Hostproviders und die daran anknüpfende Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht greifen, wenn entweder die Tatsachen aus dem angegriffenen Beitrag aus der Sphäre des Betroffenen stammen oder dem Betroffenen eine weitere Sachverhaltsaufklärung – beispielsweise durch eine eigene Kontaktierung des Nutzers – möglich und zumutbar ist.

2. Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (nachfolgend unter Buchstabe a)) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (nachfolgend unter Buchstabe b)). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst (nachfolgend unter Buchstabe c)). Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast veranlasst (nachfolgend unter Buchstabe d)).

a) Folgender Rechtsrahmen ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Senat streitentscheidend:

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O. Rn. 30 – www.jameda.de). Dabei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der bewerteten Partei am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer (Berufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen.

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH GRUR 2013, 312 Rn. 12 – IM „Christoph“). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse.

Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder).

Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 38).

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 20).

Ein Anspruch steht grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch den Beitrag individuell und unmittelbar betroffen ist. Die Äußerung muss sich, so wie sie vom Verkehr verstanden wird, mit dem Anspruchstellenden befassen oder in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder gewerblichen Leistungen stehen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 262). Das ist primär derjenige, der in der Äußerung erwähnt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann in Konstellationen angenommen werden, die auf einem sehr engen Näheverhältnis beruhen (Ehefrau und Ehemann / Eltern und Kinder), wobei in diesen Fällen nicht jede (ehrverletzende) Äußerung ausreicht, sondern die Äußerung sich auch jeweils auf das Persönlichkeitsbild der mittelbar betroffenen Person auswirken muss. Darüber hinaus kann bei einem Verband auch ein Verbandsmitglied betroffen sein, wenn durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbands zugleich auch das eigene Persönlichkeitsbild des Mitglieds mit der Vorstellung eines Minderwertes belastet ist (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 94). Schließlich kann bei juristischen Personen auch der unmittelbar Verantwortliche wie etwa der Alleingesellschafter und Geschäftsführer anspruchsberechtigt sein (BeckOK InfoMedienR/Söder, 44. Ed. 1.5.2024, BGB § 823 Rn. 74).

b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs können die angegriffenen Äußerungen nicht als unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzungen qualifiziert werden. Entweder handelt es sich dabei um – eine Abwägung notwendig machende – Meinungsäußerungen, keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder nicht den Kläger unmittelbar betreffende Aussagen.

aa) Bei der explizit den Kläger namentlich nennenden Aussage
„Herr W., der überall als Manager von W. genannt wird – zusammen mit Herrn Prof. R. – sind nur Teilhaber der Gesellschaft“
handelt es sich um eine zulässige Tatsachenbehauptung. Denn der Kläger behauptet selbst, Gesellschafter der W. GmbH zu sein. Dies entspricht der umgangssprachlichen Formulierung „Teilhaber der Gesellschaft“.

Gleiches gilt für die Behauptung, dass Herr W. nach außen als Manager der W. GmbH auftrete. Auch diese Äußerung ist nach dem Klägervortrag zutreffend, da der Kläger in der Klageschrift ausführt, dass Herr W. in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig sei und die Tätigkeiten der Gesellschaft bei Veranstaltungen im Iran vorstelle.

bb) Bei der unmittelbar auf den Kläger bezogenen Äußerung
„Diese Personen (L., R., W.), die in die Taschen (der Menschen im Iran) greifen und ihnen das Geld herausziehen (rauben) […]“
handelt es sich um ein Werturteil, welches – da es nicht als Schmähkritik einzustufen ist – eine Abwägung der Grundrechtsbelange erfordert und deshalb nicht eine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.

(1) Es handelt sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, da die angegriffene Aussage Tatsachen und Meinungen derart vermengt, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde.

Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem sich in dem Video Äußernden maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden über das Geschäftsgebaren der W. GmbH insgesamt auszudrücken. Mit der Aussage wird nicht etwa ein konkreter Sachverhalt geschildert, in dem der Kläger anderen Personen „in die Taschen“ greife und so im Wege des Diebstahls oder Betrugs Geld aus diesen Taschen an sich nehme. Es wird vielmehr deutlich, dass hier eine wertende Äußerung, nämlich die subjektive Ansicht des sich Äußernden zum Ausdruck kommt. Er vermittelt sein eigenes Werturteil, indem er zeigt, dass nach seiner Auffassung das gerügte Verhalten der W. GmbH unredlich ist, weil die Betroffenen keine angemessene Gegenleistung für ihre Bezahlung erhalten. Das ist eine subjektive Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass selbst die Verwendung von Wörtern wie „Betrug“ oder auch „betrügerisch“ oder „Machenschaften“ nicht als Tatsachenbehauptung einer Strafbarkeit anzusehen ist, sondern als Werturteil im alltagssprachlichen Sinne (vgl. nur BGH GRUR 2015, 289, Rn. 10 – Hochleistungsmagneten; OLG Hamburg MMR 2011, 685 [688]; BGH NJW 2002, 1192 [1193]). In seiner Entscheidung Hochleistungsmagneten hielt der BGH etwa die Bezeichnungen als „groß angelegten Schwindel“ oder „Betrug“ für (zulässige) Meinungsäußerungen, da sie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der dortigen Klägerin zum Ausdruck brachten und damit eine subjektive Wertung. Selbst wenn man diese Begriffe als Entäußerung einer Rechtsauffassung verstehen wollte, änderte dies nichts an deren Zulässigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn. 10 – Hochleistungsmagneten).

(2) Die für die Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffene Äußerung als Schmähkritik zu qualifizieren wäre und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätte.

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH a.a.O. Rn. 18 – Hochleistungsmagneten).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihr ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Der Beitrag bezieht sich – für den verständigen Durchschnittsrezipienten erkennbar – insgesamt auf den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der W. GmbH. Diese Auseinandersetzung in der Sache tritt nicht, wie es bei der Schmähkritik der Fall wäre, vollständig in den Hintergrund, so dass die gesamte Kommentierung sich auch nicht in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Die Äußerung stellt ebenso wenig eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da sie noch nicht das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 – 204 StRR 292/23, Rn. 30). Gerade im Geschäftsverkehr muss man sich auch scharfe und überzogen formulierte Kritik gefallen lassen (vgl. BGH NJW 2015, 773 Rn. 19).

(3) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung wäre somit im Rahmen einer Gesamtabwägung der Schutzinteressen des lediglich in seiner Sozialsphäre betroffenen Klägers und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Klägers nicht unschwer bejaht werden.

cc) Die weitere unmittelbar auf den Kläger bezogene Äußerung
„Noch trauriger ist, dass weder Herr W. noch Prof. R. Fachkenntnisse in Arbeitsvermittlung haben.“
enthält ebenfalls keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Auch wenn die Äußerung insgesamt auf einem – eine Abwägung bedingenden – Werturteil beruht, enthält sie die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger über keine (besonderen) Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfüge, weil sie insoweit beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Auch wenn der Begriff der „Fachkenntnisse“ nicht eindeutig ist, enthält die Aussage für den angesprochenen Verkehr den nachprüfbaren Tatsachenkern, dass der Kläger keine langjährige Berufserfahrung und/oder Schulung durch umfassende Praxis und fundierte theoretische Kenntnisse im Bereich der Arbeitsvermittlung hat.

Dieser Tatsachenkern ist bereits nach den Darlegungen des Klägers nicht unzutreffend. Denn der Kläger trägt lediglich vor, dass er Professor an der Fakultät Betriebswirtschaft der T. Hochschule und lange Koordinator für die Iran-Aktivitäten der T. Hochschule gewesen sei. Seit 2008 habe er den Iran häufig besucht und sei mit den kulturellen und institutionellen Gegebenheiten im Iran und mit der Lage am deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Zudem betreue er in seiner Funktion als Hochschullehrer seit Jahren auch MBA-Studierende aus dem Iran. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht, dass er über spezifische – entweder durch Schulungen oder langjährige Praxiserfahrungen erworbene – Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfügen würde, mag er auch Kenntnisse und Erfahrungen auf verwandten Gebieten besitzen, die für derartige Tätigkeiten nützlich sind.

Soweit in der Aussage darüber hinaus die fachliche Eignung des Klägers in Frage gestellt wird, handelt es sich um ein Werturteil, bei dem eine umfassende Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen erforderlich ist (vgl. BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat), weshalb keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.

dd) Auch die – nicht den Kläger unmittelbar persönlich, sondern lediglich die W. GmbH betreffende – Äußerung
„Die Katastrophe scheint noch viel größer zu sein, wenn wir feststellen, dass die Firma gar nicht existiert, und die Adresse, die sie auf ihrer Website angibt, eigentlich zu einer Versicherungsfirma gehört“
kann nicht unschwer als Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden.

Zum einen ist – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung in Bezug auf dessen Aktivlegitimation veranlasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entsprechend enges Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der W. GmbH weder dargelegt noch erkennbar ist. Vielmehr ist der Kläger unstreitig lediglich Teil des „Teams“ des Unternehmens, hat aber bereits nach seinem eigenen Vortrag keine repräsentative Rolle inne, da nicht er, sondern Herr W. „in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig [ist] und […] die Tätigkeiten der Gesellschaft auch bei Veranstaltungen im Iran vor[stellt]“. Auch ist er nicht Geschäftsführer der Gesellschaft. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger in einem besonders engen Zusammenhang zu der W. GmbH stehe, sind nicht dargetan. Insbesondere bleibt seine Tätigkeit für die W. GmbH auf seinem eigenen Internetauftritt unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich die über die W. GmbH getroffenen Äußerungen abträglich auf das Persönlichkeitsbild des Klägers auswirken.

Zum anderen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Videos, dass dieses nicht die rechtliche Existenz der W. GmbH in Abrede stellt, da der Beitrag – indem an anderer Stelle ausdrücklich auf die Handelsregistereintragung Bezug genommen wird – selbst davon ausgeht, dass die W. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsempfänger versteht die angegriffene Äußerung daher dahingehend, dass darin als Tatsachenkern behauptet wird, dass der Geschäftsbetrieb der W. GmbH unter der auf der Webseite angegebenen Adresse physisch nicht auffindbar ist. Dieser Tatsachenkern ist nicht offenkundig unzutreffend, da die W. GmbH unstreitig in Bürogemeinschaft mit der Versicherungsfirma O. ansässig ist und sich deren Büroräume mit dieser teilt.

Die in dem Beitrag getroffene Schlussfolgerung in Bezug auf die (physische) Inexistenz der GmbH stellt eine die Abwägung erfordernde Meinungsäußerung dar.

ee) In Bezug auf die Äußerung
„Die W. GmbH verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung in Deutschland. Um dies in Deutschland tun zu dürfen, ist aber eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eine zwingende Voraussetzung, die die W. GmbH jedoch nicht hat“
stehen dem Kläger ebenfalls keine Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten zu.

Zum einen ist auch hinsichtlich dieser Aussage – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung zur Aktivlegitimation erforderlich. Auf die obigen Ausführungen unter B.III.2.b) dd) wird Bezug genommen.

Zum anderen ist unstreitig, dass die Aussage, wonach die W. GmbH über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung verfüge, an sich zutreffend ist. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob eine solche Erlaubnis für die von der W. GmbH betriebene Arbeitsvermittlung rechtlich erforderlich ist oder nicht. Da die Beurteilung dieser Frage eine nicht unkomplizierte Rechtsprüfung notwendig macht, ist auch aus diesem Grund keine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Darüber hinaus handelt es sich bei der Einschätzung der Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der W. GmbH um eine rechtliche Bewertung, somit eine Meinungsäußerung.

ff) Die Äußerung
„Um die Wahrheit zu erfahren, reicht es nur, dass wir die Eintragung im Handelsregister der W. GmbH in Deutschland prüfen. Da entdecken wir einen Haufen Betrügereien und Lügen.“
ist als Meinungsäußerung in Bezug auf die W. GmbH zu qualifizieren, weshalb auch diesbezüglich die Beklagte nicht als mittelbare Störerin haftet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

c) Vor diesem Hintergrund lag im Streitfall kein Hinweis auf unschwer zu bejahenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers vor, aufgrund dessen die Beklagte die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Inhalte ohne Weiteres hätte feststellen können. Daher war auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Störerhaftung keine Bewertung des gesamten Sachverhalts durch die Beklagte einschließlich der Einholung einer Stellungnahme des Journalisten Herrn J. veranlasst, weshalb – wie bereits ausgeführt – der Senat nicht entscheiden muss, ob diese vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit der Durchführung eines „Anhörungsverfahrens“ durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht.

d) Im vorliegenden Fall kann – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts – auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte in prozessualer Hinsicht ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam. Deshalb sind die tatsächlichen vom Kläger vorgetragenen Umstände in Bezug auf die Beanstandungen aus dem streitgegenständlichen Video auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.

Zum einen fehlt es – wie soeben ausgeführt – an einem die materielle Prüfpflicht auslösenden Hinweis auf eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Zum anderen ist der Journalist Herr J., der das streitgegenständliche Video auf dem You-Tube-Kanal A. hochlud, den Gesellschaftern der W. GmbH bekannt. Vor Klageerhebung hatten sie mehrere E-Mails an ihn übersandt. Außerdem war das Video bereits zuvor der Geschäftsführerin der W. GmbH zugespielt worden. Anders als bei einem Bewertungsportal – bei dem der Nutzer zulässigerweise anonym auftreten kann, weshalb der bewertete Arzt diesen nicht kennt und sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 38 f. – www.jamede.de) – stehen dem Kläger in Bezug auf die Äußerungen im Video durchaus Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Zwar sieht der Senat, dass der Journalist auf die ihm übersandten Mails nicht reagiert hatte. Es besteht jedoch beispielsweise die Möglichkeit, unmittelbar gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Dass ein solches Vorgehen gegen den in den USA wohnhaften Journalisten unzumutbar ist, trägt der Kläger nicht vor.

Schließlich handelt es sich bei den streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen – anders als beispielsweise der behauptete Behandlungskontakt eines anonymen Nutzers – um solche aus der Sphäre des Klägers. Der Kläger hat den besten Einblick in die W. GmbH, seinen Aufgaben darin oder seinen Fachkenntnissen in der Arbeitsvermittlung. Ihm ist Vortrag dazu möglich und zumutbar.

Deshalb trifft die Beklagte im vorliegenden Fall keine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die zu treffende Abwägungsentscheidung.

IV. Auch aus Art. 17 DSGVO ergibt sich kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.

1. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass sich aus Art. 17 DSGVO grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Person ergeben kann (vgl. dazu Vorlagefrage des BGH in GRUR 2023, 1724 – Bewerbungsprozess).

Auch sieht der Senat, dass die Anwendbarkeit der DSGVO vom Gesetz über digitale Dienste unberührt bleibt (Art. 2 Abs. 4 lit. g DSA). Der Schutz von Einzelpersonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll sogar einzig durch die Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich, insbesondere durch die DSGVO, geregelt werden (Erwägungsgrund 10 UA 3 S. 2 DSA).

Schließlich geht der Senat davon aus, dass das von dem Journalisten Herrn J. hochgeladene Video auch personenbezogene Daten des Klägers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthält.

2. Der Senat kann offenlassen, ob das Betreiben einer Videoplattform, auf der Dritte personenbezogene Daten hochladen können, eine Verarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt und der Hostprovider dafür als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Provider dadurch in Bezug auf die in dem von dem Nutzer hochgeladenen Video – anders als hinsichtlich der Daten der Nutzer und Besucher der Seiten (vgl. dazu EuGH NJW 2018, 2537 Rn. 30 – ULD/Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein) – lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellt. Auch wird der Content vom Provider nicht wie von einer Suchmaschine automatisch indexiert und den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung gestellt (vgl. dazu BGH GRUR 2020, 1331 Rn. 13 – Recht auf Vergessenwerden).

3. Die Frage des Vorliegens einer Verarbeitung kann dahinstehen, weil unabhängig davon der Kläger aufgrund der nachfolgend genannten Umstände keinen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten als Hostproviderin geltend machen kann.

a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, muss der Betroffene nachweisen, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist (BGH GRUR 2023, 1218 Rn. 33 – Recht auf Vergessenwerden II). Zwar hat der Bundesgerichtshof den für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer bestehenden Maßstab – wonach dieser aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt haben muss – für den Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zugunsten einer grundsätzlich gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aufgegeben (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II). Doch entspricht die Voraussetzung des bisher erforderlichen Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung letztlich der nunmehr maßgeblichen Voraussetzung eines relevanten und hinreichenden Nachweises, dass die in den gelisteten Inhalten enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II).

b) Die Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zum vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregime von Suchmaschinenbetreibern nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf die Haftung von Hostprovidern führt im Streitfall dazu, dass aufgrund der erforderliche Abwägung der Unionsgrundrechte eine Löschung von der Beklagten nicht verlangt werden kann.

Zum einen gilt auch beim Provider, dass dieser – anders als der Inhalteanbieter, der den von ihm selbst generierten Inhalt unmittelbar zu verantworten hat – wie der Suchmaschinenbetreiber nur einen erleichterten Zugang zu diesem Content verschafft und damit mittelbar dessen Verbreitung fördert. Dieser unterschiedliche Grad an Einflussmöglichkeit auf die Richtigkeit des Inhalts bedingt auch bei der Haftung des Providers nach der DSGVO eine abgestufte, durch unterschiedliche Verhaltenspflichten gekennzeichnete Haftung. Auch beim Plattformprovider ergibt sich eine Auslistungspflicht nur als Folge der Verletzung nachgelagerter, durch eine initiale Meldung von Betroffenen ausgelösten Prüfungs- und Reaktionspflichten.

Zum anderen kann im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO durchzuführenden Abwägung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information die Vorschrift des Art. 6 DSA – der die Frage der Haftung des Hostproviders explizit regelt – nicht außer Acht gelassen werden. Die darin geregelte Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers mit entsprechenden Haftungsprivilegierungen in Gestalt eines notice and take down-Verfahrens – das dem Modell des Bundesgerichtshofs zur Haftung des mittelbaren Störers entspricht – muss auch für das unionale Datenschutzrecht gelten, sollte das Verhalten von Plattformen diesem unterliegen. Andernfalls würden die bewusst differenzierenden Regelungen des DSA umgangen, da bei entsprechendem Verständnis jedes Verhalten eines Host-Providers zugleich eine Datenverarbeitung wäre und damit einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSA begründen würde.

c) Da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte nicht als sogenannte mittelbare Störerin für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht als Auslistungsverlangen in der Sache berechtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Stralsund: 4.000 EURO Geldentschädigung für Geschädigte wegen Zusendung von Dickpicks und Sexting

LG Stralsund
Urteil vom 06.06.2024
4 O 19/24


Das LG Stralsund hat einer Geschädigten eine Geldentschädigung in Höhe von 4.000 EURO wegen der Zusendung von Dickpicks und Sexting zugesprochen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil über die Folgen von Sexting und den Versand sog. Dickpix

Die 4. Kammer des Landgerichts Stralsund hat unter dem 06.06.2024 ein Urteil erlassen zu den zivilrechtlichen Folgen des ungefragten Versands von Textnachrichten mit pornografischem Inhalt, Fotos eines männlichen Gliedes sowie eines Masturbationsvideos.

Die Klägerin ist durch Auftritte in einer Fernsehserie sowie mehreren Social Media-Auftritten seit längerem einem breiten Publikum bekannt.

Im Frühling 2023 übersandte der zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alte Beklagte der ebenfalls volljährigen Klägerin als Antwort auf verschiedene Instagram-Stories drei Textnachrichten mit dem Wortlaut „Fick mich bby“, „Press dein arsch an mein Schwanz“ und „Zwischen deinen titten Spritzen“. Zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin fünf Fotos mit Bildern von einem entblößten Penis in verschiedenen Erektionsstadien.

Weitere zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin ein Video mit einer Dauer von etwas über einer Minute, bestehend aus einer Collage von Wiederholungen von Bildnissen der Klägerin, eigenen Penisfotos und einem eigenen Masturbationsvideo. Ein Kontakt zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand zu keinem Zeitpunkt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 €. Durch Urteil des Landgerichtes wurde ihr eine Summe von 4.000,00 € zugesprochen. Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

Weiter wurde gegen den Beklagten aufgrund der Vorfälle bereits im Oktober letzten Jahres durch das Amtsgericht Stralsund ein rechtskräftiger Strafbefehl in Höhe 2.400,00 € erlassen. In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht wurde dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft ein derartiges Verhalten untersagt.

In der Folge hat der Beklagte auch die Gerichtskosten und die Kosten des Anwalts der Klägerin für das jeweilige Verfahren zu zahlen. Das weit verbreitete Verhalten kostete den Beklagten so (nach derzeitigem Stand) mehr als 12.500,00 €.


LG Lüneburg: 500 Euro Schadensersatz aus Art . 82 DSGVO wegen Zusendung von Werbemails nach Widerruf der Einwilligung

LG Lüneburg
Urteil vom 07.12.2023
5 O 6/23


Das LG Lüneburg hat dem Betroffenen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Höhe von 500 EURO wegen der Zusendung von Werbemails nach mehrmaligen Widerruf der Einwilligung zu Zusendung von Werbung zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht gem. Art. 82 DS-GVO ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zu, den die Kammer wie tenoriert bemisst.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen, also diejenige natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO).

2. Die Beklagte hat gegen Bestimmungen der DS-GVO verstoßen, indem sie dem Kläger Werbeemails zugeschickt hat, ohne dass dies nach Art. 6 Abs.1 DS-GVO gerechtfertigt war. Der Kläger hatte seine zunächst erteilte Einwilligung zu dem Erhalt von Werbeemails zuvor unbestritten widerrufen. Die Beklagte konnte folglich keinen rechtfertigenden Tatbestand gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO mehr für den Versand der streitgegenständlichen Werbeemails darlegen.

3. Die Verstöße haben nach dem - insoweit auch unwidersprochen gebliebenen und damit zugestandenen (§ 138 Abs.3 ZPO) Vorbringen des Klägers - kausal zu einem immateriellen Schaden geführt. Der Begriff des immateriellen Schadens ist unionsrechtlich autonom und in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen (EuGH, Urt. 4.5.2023 - C-300/21).

Dabei muss der Schaden des Klägers nicht eine gewisse Erheblichkeit erreicht haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urt. 4.5.2023 - C-300/21).

Wenngleich der immaterielle Schaden nach Erwägungsgrund 146 zur DS-GVO tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet werden darf, ist nach Erwägungsgrund 146 S. 3 zur DS-GVO der Schadensbegriff weit auszulegen. Der EuGH verlangt unter Bezugnahme auf den Effektivitätsgrundsatz, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen (so bereits EuGH 10.4.1984 - 14/83, NJW 1984, 2021 (2022).

Als immaterieller Schaden kommen Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht (Bergt in Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art.82 Rn. 18b).

Hier hat der Kläger unbestritten viermal gegenüber der Beklagten erklärt, dass er keine weiteren Werbeemails wünscht. Zweimal ließ der Kläger dies sogar von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt erklären. Dennoch hat die Beklagte dem Kläger weiterhin Werbeemails geschickt. Der bei dem Kläger dadurch verursache Ärger, Zeitverlust und Eindruck des Kontrollverlusts stellt einen Schaden im Sinne der Norm dar. Die negativen Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO liegen darin, dass sich der Kläger mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung auseinandersetzen musste. Dies sogar mehrfach, da die Beklagte seinen Widerruf der Einwilligung mehrfach missachtete. Der Umstand, dass sogar der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zweimal erfolglos zum Unterlassen aufforderte, ist geeignet bei dem Kläger den belastenden Eindruck der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes in Bezug auf seine Datenverarbeitung zu führen.

4. Die Frage, ob Art. 82 DS-GVO eine vom Verschulden abhängige oder unabhängige Anspruchsgrundlage darstellt, kann dahinstehen. Denn vorliegend ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, was gegen ein Verschulden der Beklagten spricht.

5. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes, die der Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sind gem. § 287 Abs.1 S. 1 ZPO alle Umstände des Einzelfalls würdigen, insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsverletzung. Auch bei der Höhe des Schadens ist der Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen (AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 09.09.2021 - 2 C 133/21) entschied in einem ähnlichen Fall:

"Die Höhe des Anspruchs ist dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des Kontexts, der Umstände eines Verstoßes. Genugtuungs- und Vorbeugungsfunktion können bei der Bezifferung eine Rolle spielen. Einerseits darf die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reicht ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 12a)."

Dabei sprach das AG Pfaffenhofen dem Kläger 300,00 Euro für eine unerwünscht erhaltene Werbeemail zu, wobei in dem dortigen Fall die Beklagte die Emailadresse des Klägers gänzlich ohne dessen Einwilligung erhalten hatte.

Das AG Diez (Urteil vom 17.04.2018 - 7 O 6829/17) erachtete in dem Fall eines Versandes einer Werbeemail, mit welcher die Beklagte am 25.5.2018, als die DS-GVO Gültigkeit erlangte, eben aus diesem Grund und unter Bezugnahme hierauf nach einer Einwilligung zum Newsletter-Bezug anfragte, einen Schadensersatzanspruch als unbegründet.

In einem ähnlichen Fall lehnte das AG Goslar (Urteil vom 27.09.2019 - 28 C 7/19) einen Schadensersatzanspruch ab, da es sich auch in dem dortigen Fall um lediglich eine Werbeemail handelte: "Für das Gericht ist aufgrund des Vortrags des Klägers ein Schaden indes nicht ersichtlich. Es handelte sich lediglich um eine einzige Werbe-E-Mail, die nicht zur Unzeit versandt wurde und aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich zeigt, dass es sich um Werbung handelt, so dass ein längeres Befassen mit der E-Mail nicht notwendig war."

Im Interesse einer effektiven Abschreckung und einer Kompensierung des erlittenen Schadens ist das Verhalten der Beklagten in Form der mehrfachen Missachtung des ausdrücklich erklärten Willens des Klägers als schadensersatzerhöhend zu berücksichtigen. Schadensersatzerhöhend ist ebenfalls die Häufigkeit des Verstoßes zu berücksichtigen. In dem vorliegenden Fall hat der Kläger in einem Zeitraum von knapp vier Monaten insgesamt dreizehn Werbeemails von der Beklagten erhalten. Er erhielt dabei jeweils 4 bzw. 5 Werbeemails in kurzer Zeitabfolge, teilweise fast täglich.

Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO den Wirkungsbereich des Klägers nicht verlassen haben. Es wurde durch den Verstoß kein Bereich berührt, der etwa die Beziehung des Klägers zu Dritten berührt.

Das Gericht erachtet vorliegend im Ergebnis eine Entschädigung von 500,00 EUR für angemessen.


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