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OLG Frankfurt: Reichweite einer Selbstöffnung im Presserecht ist eher eng auszulegen - Berichterstattung über eine vergangene Beziehung eines Profifußballspielers

OLG Frankfurt
Urteil vom 06.02.2025
16 U 8/24


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Reichweite einer Selbstöffnung im Presserecht eher eng auszulegen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts::
Persönlichkeitsrecht - Berichterstattung über eine vergangene Beziehung eines Profifußballspielers

Berichterstattung über eine vergangene Beziehung ist nicht allein wegen eigener Angaben des Fußballers über seine gegenwärtige Beziehung rechtmäßig.

Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass der Umfang sog. Selbstöffnung gerade im Hinblick auf intime Beziehungen des Betroffenen eher eng zu ziehen ist. Nicht jede Angabe über eine bestimmte Beziehung führt dazu, dass nunmehr über sämtliche (weitere) Beziehungen des Betroffenen berichtet werden darf. Die Berufung des beklagten Verlagshauses und der Autoren der streitgegenständlichen Artikel gegen das überwiegend stattgebende landgerichtliche Urteil wurde zum großen Teil zurückgewiesen.

Der Kläger spielt als deutscher Profifußballspieler u.a. in der deutschen Nationalmannschaft. Er wendet sich gegen Textpassagen von Artikeln der Beklagten, in deren Fokus seine frühere Beziehung zu einer Frau, mit der eine Tochter hat, steht. Das Landgericht hatte die beantragte einstweilige Verfügung überwiegend erlassen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hatte vor dem für Presserecht zuständigen 16. Zivilsenat nur in einem geringen Umfang Erfolg.

Der Kläger könne insbesondere Unterlassung der nicht erwiesen wahren Äußerungen über sein Verhalten gegenüber der schwangeren Frau bei Kenntnis der Schwangerschaft verlangen. Die Beklagten hätten nicht die Wahrheit dieser Tatsachenbehauptungen, die geeignet seien den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, nachgewiesen.

Mit weiteren Äußerungen betreffend die Beziehung des Klägers zu dieser Frau griffen sie rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Der Schutz der Privatsphäre sei hier auch nicht durch eine sogenannte Selbstöffnung des Klägers entfallen. Dieser habe vielmehr seine Beziehung zu dieser Frau unstreitig stets privat gehalten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass er vereinzelt Fotos von sich und seiner Tochter gepostet habe. Damit habe er allein preisgegeben, dass er eine Tochter habe, nicht aber, aus welcher Beziehung dieses Kind resultiere. Soweit der Kläger mit seiner neuen Partnerin öffentlich auftrete, stelle auch dies keine Selbstöffnung in Bezug auf die davon völlig unabhängige, vergangene Beziehung zu der Kindesmutter dar. „Gerade im Hinblick auf intime Beziehungen des Betroffenen ist der Umfang der Selbstöffnung eher eng zu ziehen, sodass nicht jede Angabe über eine bestimmte Beziehung dazu führt, dass nunmehr über sämtliche (weitere) Beziehungen des Betroffenen berichtet werden darf“, konkretisierte der Senat.

Der Eingriff sei auch rechtswidrig gewesen, da im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das Interesse des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre hier das Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung überwiege. Zwar bestehe an der Person des Klägers als Fußballstar, Spitzenverdiener und Mitglied des Nationalkaders ein großes öffentliches Informationsinteresse; dies werde durch seine Stiftungstätigkeit und damit verbundene Leitbildfunktion noch gesteigert. Die hier streitigen Äußerungen über das Kennenlernen des damaligen Paares, deren Gefühle füreinander, das Zusammenziehen, deren Wohnsituationen, die Trennung und die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Tochter haben, hätten hierzu jedoch keinen Bezug. Die streitigen Äußerungen „befriedigten in erster Linie die Neugier der Leser nach den privaten Angelegenheiten des Klägers“.

Aus diesen Gründen könne der Kläger auch verlangen, dass die Beklagte nicht über seinen Wochen- und Jahresverdienst berichte. Soweit die Beklagte behaupte, dass es sich bei Gehältern von Spitzensportlern um öffentlich bekannte Umstände handele, habe sie nicht dargelegt, dass dies auch auf das Gehalt des Klägers zutreffe.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 06.02.2025, Az. 16 U 8/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Az. 2-03 O 230/23)


LG Frankfurt: Zustellungsmangel führt zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen rechtswidriger Presseberichterstattung

LG Frankfurt
Urteil vom 14.11.2024
2-03 O 275/24


Das LG Frankfurt hat im vorliegenden Rechtsstreit eine einstweilige Verfügung wegen rechtswidriger Presseberichterstattung aufgrund eines Zustellungsmangels aufgehoben.

Dieser Fall zeigt wieder einmal, dass bei der Zustellung einstweiliger Verfügungen stets mit größter Sorgfalt vorzugehen ist.

Die Pressmeitteilung des Gerichts:
Frist versäumt
Eilverfahren transidenter Person gegen Presseberichterstattung
Die Pressekammer hebt die einstweilige Verfügung auf.

Die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat mit einem heute verkündeten Urteil eine von einer transidenten Klägerin zuvor erwirkte einstweilige Verfügung gegen verschiedene Medienberichterstattungen aus formellen Gründen aufgehoben. Zwingende Vorschriften bei der Zustellung der einstweiligen Verfügung an das beklagte Medienunternehmen waren von der Anwältin der Klägerin nicht eingehalten worden.

Die Klägerin hatte ihren Personenstand gerichtlich in „weiblich“ ändern lassen. Eine geschlechtsangleichende Operation hat sie nicht durchführen lassen. Im Frühjahr 2024 beabsichtigte sie, ein Probetraining in einem Erlanger Damenfitnessstudio durchzuführen. Das wurde ihr mit dem Hinweis verwehrt, das Sportstudio verfüge nur über Damenumkleiden und Damenduschen.

Über diesen Sachverhalt berichtete die Beklagte auf ihrer Internetseite. In verschiedenen Artikeln wurde der Name der Klägerin genannt und es wurden „verpixelte“ Bilder von ihr veröffentlicht. Außerdem wurde sie als Mann bezeichnet und ein männliches Pronomen für sie verwendet.

Gegen diese Art der Berichterstattung wandte sich die Klägerin mit einem Eilantrag vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Pressekammer des Gerichts gab dem Antrag mit Beschluss vom 12.7.2024 überwiegend statt. Nachdem die Klägerin ihren Personenstand per Gerichtsbeschluss in „weiblich“ umgeändert habe, stelle die Bezeichnung als „Herr Transfrau“ oder „Herr in Damenkleidung“ und die Verwendung männlicher Fürwörter einen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde dar. Die Offenlegung ihres Vor- und Nachnamens verletze die Klägerin in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht, denn dieses beinhalte auch das Recht, anonym zu bleiben. Die Klägerin seit trotz der Verpixelung ohne weiteres erkennbar.

Allerdings stellte die Kammer in ihrem Beschluss klar, das beklagte Medienunternehmen dürfe die Meinung äußern, nur Frauen mit weiblichem Geburtseintrag sollten Mitglieder eines Frauenfitness-Studios sein. „Eine öffentlich geführte Diskussion zu diesem Thema ist von dem Recht auf Meinungsäußerung geschützt. Dabei darf die Beklagte sich auch auf Geschlechtsmerkmale beziehen, solange sie nicht – wie bei den untersagten Äußerungen – einer Person ihre Geschlechtsidentität abspricht. Entsprechend kann ihr das Wortspiel ,Mit-Glied-Schaft‘ nicht untersagt werden.“ Die Richterinnen und Richter führten weiter aus: „Dasselbe gilt für die angegriffene Mitteilung, dass die Antidiskriminierungsbeauftragte jemanden darin unterstützt, ,Zugang zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen und Frauenduschen‘ zu erhalten. Laut Antragsschrift hat die Klägerin selbst vorgeschlagen, "etwa nur mit Badehosen zu duschen". Insoweit handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine wahre Tatsachenbehauptung mit wertenden Inhalten im Rahmen eines öffentlichen Diskurses.“

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Nach mündlicher Verhandlung hat die Pressekammer die zuvor ergangene einstweilige Verfügung mit dem heutigen Urteil nun aus formellen Gründen aufgehoben.

Eine einstweilige Verfügung muss nämlich innerhalb der Frist von einem Monat im sog. „Parteibetrieb“ zugestellt werden. Das bedeutet, dass die Zustellung innerhalb eines Monats von Anwalt zu Anwalt erfolgen muss, wenn eine Partei bereits einen Anwalt hat. Diese Frist hatte die Rechtsanwältin der Klägerin nicht eingehalten. Sie hatte den Beschluss der Beklagten direkt zugestellt, obwohl sich zwischenzeitlich ein Rechtsanwalt der Beklagten zur Akte gemeldet hatte. Unabhängig von der materiellen Rechtslage und etwaigen Rechtsverletzungen in der angegriffenen Medienberichterstattung war die Pressekammer daher gehalten, die einstweilige Verfügung aufzuheben.

Das heutige Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen: 2-03 O 275/24). Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.


BGH: Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter im Rahmen der Presseberichterstattung kann ohne Zustimmung zulässig sein

BGH
Urteil vom 05.11.2024
VI ZR 110/23
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter im Rahmen der Presseberichterstattung ohne deren Zustimmung zulässig sein kann.

Leitsatz des BGH:
Zu den Voraussetzungen, unter denen Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter ohne deren Zustimmung veröffentlicht werden dürfen.

BGH, Urteil vom 5. November 2024 - VI ZR 110/23 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Ansprüche aus Art. 82 DSGVO sind keine höchstpersönlichen Ansprüche und können abgetreten werden

OLG Hamm
Urteil vom 24.07.2024
11 U 69/23


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Ansprüche aus Art. 82 Abs. 1 und 2 DSGVO keine höchstpersönlichen Ansprüche sind und abgetreten werden können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Zedenten K. und W. konnten ihre Ansprüche aus Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO auch wirksam an die Klägerin abtreten. Ein Verstoß gegen einen Abtretungsausschluss nach § 399 Var. 1 BGB, wonach insbesondere höchstpersönliche Ansprüche nicht abgetreten werden können, liegt nicht vor.

Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es sich bei einem Anspruch aus Art. 82 Abs.1, 2 DSGVO um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, weil dort die Genugtuung sowie eine Kompensation mittels einer Entschädigung für die Persönlichkeitsrechtsverletzung im Vordergrund stehe, die nur gegenüber der betroffenen Person zur Linderung führen könne (AG Hannover, Urteil vom 9. März 2020 - 531 C 10952/19 -, BeckRS 2019, 43221, Rn. 15,; vgl. zum Meinungsstand Wybitul/Leibold, Risiken für Unternehmen durch neue Rechtsprechung zum DS-GVO-Schadensersatz, ZD 2022, 207, 208). Überwiegend wird dies jedoch abweichend beurteilt. So handele es sich bei Art 82 Abs. 1, 2 DSGVO um einen eigenständigen deliktischen Anspruch, der dem allgemeinen nationalen Haftungsregime des BGB unterliege, was auch für die Übertragbarkeit des Anspruchs gelte (LG Essen, Urteil vom 23. September 2021 - 6 O 190/21 -, ZD 2022, 50, Rn. 36 f.; Quaas in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed. 1. Mai 2024, DSGVO Art. 82 Rn. 10 f.). Eine Persönlichkeitsverletzung sei gerade keine Anspruchsvoraussetzung. Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO diene auch der Vermeidung von zukünftigen Verstößen, sodass ihm ein spezialpräventiver Charakter und damit auch eine objektive Aufgabe zukomme. Zudem verfolge die DSGVO das Ziel, einen "vollständigen und wirksamen Schadensersatz" zu gewährleisten, sodass auch die Notwendigkeit der tatsächlichen Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs im Vordergrund stehe. Die Rechtsprechung des BGH zu schweren Persönlichkeitsverletzungen sei auf Art. 82 DSGVO nicht übertragbar (Quaas in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed. 1. Mai 2024, DSGVO Art. 82 Rn. 11; vgl. zum Meinungsstand Wybitul/Leibold, a.a.O., ZD 2022, 207, 208). Die Wirksamkeit dieses Schadensersatzes im Sinne von Erwgr. 146 S. 6 DSGVO wäre wesentlich beeinträchtigt, wenn der Anspruch nicht zum Zwecke der Geltendmachung an Dritte übertragen werden könnte (Hellgardt, Die Schadensersatzhaftung für Datenschutzverstöße im System des unionalen Haftungsrechts, ZEuP 2022, 7, 33).

Der Senat schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung an. Nach § 399 Var. 1 BGB ist eine Forderung nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die er nur selbst erheben kann, oder wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des leistenden Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene. In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 -, Rn. 42, juris).

Ansprüche wegen immaterieller Schäden sind nach der Rechtsprechung des BGH seit dem 1. Juli 1990 uneingeschränkt übertragbar und pfändbar, nachdem durch das Gesetz zur Änderung des BGB und anderer Gesetze vom 14. März 1990 (BGBl. I S. 478) § 847 Abs. 1 S. 2 BGB aF gestrichen wurde (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 14, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 -, Rn. 33, juris zu Ansprüchen aus Staatshaftung). Ob dies auch für Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gilt, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl. BGH Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 15, juris), vom BGH in Bezug auf einen Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG jedoch bejaht worden (vgl. BGH Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 11/19 -, Rn. 18 ff., juris).

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch. Anspruchsvoraussetzung ist ein Datenschutzverstoß, durch den der Anspruchsteller persönlich betroffen sein muss. Anders als bei einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht hier nicht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund, sondern es soll der aufgrund eines Verstoßes gegen die DSGVO entstandene Schaden vollständig und wirksam finanziell entschädigt werden, womit eine Ausgleichsfunktion verbunden ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Darüber hinaus erfüllt Art. 82 DSGVO einen weiteren Normzweck, mit dem ihm eine spezial- und auch generalpräventive Aufgabe zukommt, indem er dazu beitragen soll, dass innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleistet (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 48) und ein Anreiz für die Einhaltung der DSGVO geschaffen wird (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Schließlich enthält Art. 82 DSGVO eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch, sodass die Grundsätze, die für einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, nicht anzuwenden sind. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt; der EuGH hat eine Erheblichkeitsschwelle ausdrücklich verneint (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -,NZA 2023, 621, Rn. 43 ff.). Grundsätzlich ist daher jeder Datenschutzverstoß geeignet, einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO zu begründen.

Ferner ist ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Beibehaltung der Person des Gläubigers nicht erkennbar und die Leistung ist auch nicht dergestalt mit der Person des Gläubigers verknüpft, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Unterlassungsanspruch wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens

BGH
Urteil vom 25.06.2024
VI ZR 64/23
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch wegen Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens nur bei vorherigem Opt-Out des Presseunternehmens bestehen kann.

Leitsatz des BGH:
Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht (Weiterführung Senatsurteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, AfP 2019, 40).

BGH, Urteil vom 25. Juni 2024 - VI ZR 64/23 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidungf finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Bei Persönlicheitsrechtsverletzungen in Presse und Medien ist regelmäßig ein Streitwert zwischen 5.000 EUR und 15.000 EUR je selbständiger inhaltsverschiedener Äußerung angemessen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.06.2024
16 W 18/24


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei Persönlicheitsrechtsverletzungen in Presse und Medien regelmäßig ein Streitwert zwischen 5.000 EUR und 15.000 EUR je selbständiger inhaltsverschiedener Äußerung angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der für die Streitwertfestsetzung gewählte Ausgangspunkt des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Bei der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Äußerungen in der Presse oder anderen Medien ist der Streitwert gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen. Abhängig vorwiegend davon, in welcher Sphäre seines Persönlichkeitsrechts der Betroffene durch die Äußerung berührt wird, welche Schwere ein hiermit verbundener Eingriff hat und welcher Verbreitungsgrad dem gewählten Medium zukommt, geht der Senat dabei unter Orientierung am Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 2023 - VI ZB 114/21 -, Rn. 11; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO, Rn. 16.57) von einem Streitwert zwischen etwa 5.000,00 EUR und 15.000,00 EUR je selbständiger, inhaltsverschiedener Äußerung aus. Höhere Beträge kommen regelmäßig nur bei der Betroffenheit von Prominenten oder bei besonders spektakulären Fällen in Betracht (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 16 W 27/23 -, Rn. 21) bzw. dann, wenn statt einzelner Äußerungen die durch eine komplexere Schrift geschaffene Herabsetzung des Betroffenen insgesamt in Rede steht (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21. September 1999 - 16 W 39/98 -, Rn. 5).

b) Wird um entsprechenden Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung nachgesucht, wird der Streitwert gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Er bleibt dann im Allgemeinen unter dem Streitwert der Hauptsache, weil das in diesem Verfahren verfolgte Sicherungsinteresse des Betroffenen im Regelfall nicht sein Befriedigungsinteresse erreicht. Da das Presserecht grundsätzlich von dem Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. März 2024 - 1 BvR 605/24 -, Rn. 16) und dem Sicherungsinteresse daher in äußerungsrechtlichen Sachverhalten häufig höheres Gewicht zukommt, erachtet der Senat einen Abschlag von mehr als 1/3 gegenüber dem Hauptsachewert allerdings regelmäßig für nicht angezeigt (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 16 W 27/23 -, Rn. 22; vom 22. Dezember 2020 - 16 W 83/20 -, Rn. 31).

c) Mehrere Streitwerte werden gemäß § 39 GKG zusammengerechnet. Das gilt im Äußerungsrecht sowohl für die Beanstandung mehrerer selbständiger, inhaltsverschiedener Äußerungen, wie ebenso für die Inanspruchnahme mehrerer Unterlassungsschuldner. Denn diese schulden Unterlassung - hier aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG - nicht nur einmal, sondern jeder für sich (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 2020 - V ZR 121/19 -, Rn. 35; v. 15. April 1975 - VI ZR 93/73 -, Rn. 19).

2. Dies zugrunde gelegt, ist die Festsetzung des Streitwerts auch in der Sache zu Recht mit 20.000 Euro erfolgt.

Die angegriffene Berichterstattung berichtet über das angebliche Angebot des Antragstellers, an seine Lebensgefährtin herangetragene Geldforderungen durch eine Einmalzahlung abzugelten, und betrifft damit Umstände, die auf Seiten des Antragstellers allenfalls dem äußeren Rand seiner Privatsphäre zuzurechnen sind. Zudem ist der Antragsteller - anders als seine Lebensgefährtin, die eine gewisse Boulevardprominenz genießt - einer breiteren Öffentlichkeit wenig bekannt. Bei dieser Sachlage war das verfolgte Unterlassungsbegehren unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien wie geschehen mit einem Streitwert von 10.000 Euro zu bewerten, ein am Sicherungsinteresse des Antragstellers ausgerichteter Abschlag von 1/3 vorzunehmen und mit der Anzahl der Antragsgegner zu multiplizieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Plattformbetreiber wie YouTube haften auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung

OLG Nürnberg
Urteil vom 23.07.2024
3 U 2469/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie YouTube auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung haften.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt.

aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando).

bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.).

Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 52).

Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 41). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 16 Rn. 51).

cc) Die Haftungsbeschränkung des § 10 S. 1 TMG galt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hotelbewertungsportal). Es kann dahinstehen, ob dies auch für Art. 6 DSA angenommen werden kann (vgl. BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 61 ff.; NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 27 f.). Denn jedenfalls lässt Art. 6 Abs. 4 DSA – ebenso wie zuvor schon Art. 14 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie – die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern (vgl. (BGH a.a.O. Rn. 20 – www.jameda.de). Betroffen hiervon sind vor allem zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Materiell fußen derartige Anordnungen im deutschen Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Grundsätzen der Haftung als mittelbare Störer analog § 1004 BGB (BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 64).

dd) Ob die vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht (so Müller-Terpitz/Köhler/Barudi, DSA, 1. Aufl. 2024, Art. 16 Rn. 33; auch kritisch zur Vermischung der Kenntniserlangung nach § 10 TMG und den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung MüKoStGB/Altenhain, 4. Aufl. 2023, TMG § 10 Rn. 17), kann im Streitfall offenbleiben. Allerdings sprechen nach Auffassung des Senats verschiedene Umstände gegen einen solchen Widerspruch, zumal Erwägungsgrund 50 S. 1 des DSA auf die besonders wichtige Rolle des Hostingdiensteanbieters beim Umgang mit rechtswidrigen Online-Inhalten verweist.

Zum einen steht die Kenntniserlangung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSA in Wechselwirkung mit dem nach Art. 16 DSA einzurichtenden Meldeverfahren. Diese Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sollen nach Art. 16 Abs. 3 DSA bewirken, dass für die Zwecke des Art. 6 DSA von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation ausgegangen wird, wenn sie es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Auch Art. 16 Abs. 6 DSA enthält eine Verpflichtung zu einer Beschwerdeentscheidung, die sorgfältig, frei von Willkür und objektiv ist (vgl. NK-DSA/Raue, a.a.O. Art. 16 Rn. 62). Und die Pflicht zur sorgfältigen Bearbeitung einer Meldung nach Art. 16 Abs. 3 DSA kann eine Beteiligung des Verfassers des Betrags implizieren.

Zum anderen kann diese Obliegenheit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider unter die Regelung des Art. 6 Abs. 4 DSA subsumiert werden. Nach dieser Vorschrift lässt die in Abs. 1 enthaltene Privilegierung die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. Dies kann auch eine auf der Störerhaftung beruhende und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls begründete Pflicht des Providers zur Klärung der Berechtigung der Beanstandung des Betroffenen unter Einbeziehung einer Stellungnahme des Nutzers umfassen.

c) Vor dem Hintergrund dieser materiellen Anforderungen an ein Tätigwerden des Hostproviders trifft den Portalbetreiber in prozessualer Hinsicht bezüglich der für die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange maßgeblichen Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Klagepartei insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und sie auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Dabei kann der Portalbetreiber auch eine Recherchepflicht haben. Diese ist ihm grundsätzlich zumutbar, da er auf Grund seiner materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten sein kann, vom User zusätzliche Angaben und Belege zu den Tatsachen zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht seine Obliegenheit, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vom Nutzer entsprechende Informationen zu fordern. Kommt der Portalbetreiber dieser Obliegenheit nicht nach, sind die Tatsachenbehauptungen der Klagepartei nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 47-49 – www.jameda.de).

Dieser Grundsatz aus dem „Jameda-Urteil“ zur Darlegungslast entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Sie führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Prozessgegners, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2014, 657, Rn. 17, 18 – BearShare; BGH GRUR 2009, 871, Rn. 27 – Ohrclips).

Daraus folgt, dass die sekundäre Darlegungslast des Hostproviders und die daran anknüpfende Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht greifen, wenn entweder die Tatsachen aus dem angegriffenen Beitrag aus der Sphäre des Betroffenen stammen oder dem Betroffenen eine weitere Sachverhaltsaufklärung – beispielsweise durch eine eigene Kontaktierung des Nutzers – möglich und zumutbar ist.

2. Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (nachfolgend unter Buchstabe a)) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (nachfolgend unter Buchstabe b)). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst (nachfolgend unter Buchstabe c)). Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast veranlasst (nachfolgend unter Buchstabe d)).

a) Folgender Rechtsrahmen ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Senat streitentscheidend:

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O. Rn. 30 – www.jameda.de). Dabei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der bewerteten Partei am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer (Berufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen.

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH GRUR 2013, 312 Rn. 12 – IM „Christoph“). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse.

Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder).

Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 38).

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 20).

Ein Anspruch steht grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch den Beitrag individuell und unmittelbar betroffen ist. Die Äußerung muss sich, so wie sie vom Verkehr verstanden wird, mit dem Anspruchstellenden befassen oder in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder gewerblichen Leistungen stehen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 262). Das ist primär derjenige, der in der Äußerung erwähnt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann in Konstellationen angenommen werden, die auf einem sehr engen Näheverhältnis beruhen (Ehefrau und Ehemann / Eltern und Kinder), wobei in diesen Fällen nicht jede (ehrverletzende) Äußerung ausreicht, sondern die Äußerung sich auch jeweils auf das Persönlichkeitsbild der mittelbar betroffenen Person auswirken muss. Darüber hinaus kann bei einem Verband auch ein Verbandsmitglied betroffen sein, wenn durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbands zugleich auch das eigene Persönlichkeitsbild des Mitglieds mit der Vorstellung eines Minderwertes belastet ist (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 94). Schließlich kann bei juristischen Personen auch der unmittelbar Verantwortliche wie etwa der Alleingesellschafter und Geschäftsführer anspruchsberechtigt sein (BeckOK InfoMedienR/Söder, 44. Ed. 1.5.2024, BGB § 823 Rn. 74).

b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs können die angegriffenen Äußerungen nicht als unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzungen qualifiziert werden. Entweder handelt es sich dabei um – eine Abwägung notwendig machende – Meinungsäußerungen, keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder nicht den Kläger unmittelbar betreffende Aussagen.

aa) Bei der explizit den Kläger namentlich nennenden Aussage
„Herr W., der überall als Manager von W. genannt wird – zusammen mit Herrn Prof. R. – sind nur Teilhaber der Gesellschaft“
handelt es sich um eine zulässige Tatsachenbehauptung. Denn der Kläger behauptet selbst, Gesellschafter der W. GmbH zu sein. Dies entspricht der umgangssprachlichen Formulierung „Teilhaber der Gesellschaft“.

Gleiches gilt für die Behauptung, dass Herr W. nach außen als Manager der W. GmbH auftrete. Auch diese Äußerung ist nach dem Klägervortrag zutreffend, da der Kläger in der Klageschrift ausführt, dass Herr W. in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig sei und die Tätigkeiten der Gesellschaft bei Veranstaltungen im Iran vorstelle.

bb) Bei der unmittelbar auf den Kläger bezogenen Äußerung
„Diese Personen (L., R., W.), die in die Taschen (der Menschen im Iran) greifen und ihnen das Geld herausziehen (rauben) […]“
handelt es sich um ein Werturteil, welches – da es nicht als Schmähkritik einzustufen ist – eine Abwägung der Grundrechtsbelange erfordert und deshalb nicht eine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.

(1) Es handelt sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, da die angegriffene Aussage Tatsachen und Meinungen derart vermengt, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde.

Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem sich in dem Video Äußernden maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden über das Geschäftsgebaren der W. GmbH insgesamt auszudrücken. Mit der Aussage wird nicht etwa ein konkreter Sachverhalt geschildert, in dem der Kläger anderen Personen „in die Taschen“ greife und so im Wege des Diebstahls oder Betrugs Geld aus diesen Taschen an sich nehme. Es wird vielmehr deutlich, dass hier eine wertende Äußerung, nämlich die subjektive Ansicht des sich Äußernden zum Ausdruck kommt. Er vermittelt sein eigenes Werturteil, indem er zeigt, dass nach seiner Auffassung das gerügte Verhalten der W. GmbH unredlich ist, weil die Betroffenen keine angemessene Gegenleistung für ihre Bezahlung erhalten. Das ist eine subjektive Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass selbst die Verwendung von Wörtern wie „Betrug“ oder auch „betrügerisch“ oder „Machenschaften“ nicht als Tatsachenbehauptung einer Strafbarkeit anzusehen ist, sondern als Werturteil im alltagssprachlichen Sinne (vgl. nur BGH GRUR 2015, 289, Rn. 10 – Hochleistungsmagneten; OLG Hamburg MMR 2011, 685 [688]; BGH NJW 2002, 1192 [1193]). In seiner Entscheidung Hochleistungsmagneten hielt der BGH etwa die Bezeichnungen als „groß angelegten Schwindel“ oder „Betrug“ für (zulässige) Meinungsäußerungen, da sie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der dortigen Klägerin zum Ausdruck brachten und damit eine subjektive Wertung. Selbst wenn man diese Begriffe als Entäußerung einer Rechtsauffassung verstehen wollte, änderte dies nichts an deren Zulässigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn. 10 – Hochleistungsmagneten).

(2) Die für die Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffene Äußerung als Schmähkritik zu qualifizieren wäre und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätte.

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH a.a.O. Rn. 18 – Hochleistungsmagneten).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihr ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Der Beitrag bezieht sich – für den verständigen Durchschnittsrezipienten erkennbar – insgesamt auf den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der W. GmbH. Diese Auseinandersetzung in der Sache tritt nicht, wie es bei der Schmähkritik der Fall wäre, vollständig in den Hintergrund, so dass die gesamte Kommentierung sich auch nicht in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Die Äußerung stellt ebenso wenig eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da sie noch nicht das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 – 204 StRR 292/23, Rn. 30). Gerade im Geschäftsverkehr muss man sich auch scharfe und überzogen formulierte Kritik gefallen lassen (vgl. BGH NJW 2015, 773 Rn. 19).

(3) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung wäre somit im Rahmen einer Gesamtabwägung der Schutzinteressen des lediglich in seiner Sozialsphäre betroffenen Klägers und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Klägers nicht unschwer bejaht werden.

cc) Die weitere unmittelbar auf den Kläger bezogene Äußerung
„Noch trauriger ist, dass weder Herr W. noch Prof. R. Fachkenntnisse in Arbeitsvermittlung haben.“
enthält ebenfalls keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Auch wenn die Äußerung insgesamt auf einem – eine Abwägung bedingenden – Werturteil beruht, enthält sie die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger über keine (besonderen) Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfüge, weil sie insoweit beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Auch wenn der Begriff der „Fachkenntnisse“ nicht eindeutig ist, enthält die Aussage für den angesprochenen Verkehr den nachprüfbaren Tatsachenkern, dass der Kläger keine langjährige Berufserfahrung und/oder Schulung durch umfassende Praxis und fundierte theoretische Kenntnisse im Bereich der Arbeitsvermittlung hat.

Dieser Tatsachenkern ist bereits nach den Darlegungen des Klägers nicht unzutreffend. Denn der Kläger trägt lediglich vor, dass er Professor an der Fakultät Betriebswirtschaft der T. Hochschule und lange Koordinator für die Iran-Aktivitäten der T. Hochschule gewesen sei. Seit 2008 habe er den Iran häufig besucht und sei mit den kulturellen und institutionellen Gegebenheiten im Iran und mit der Lage am deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Zudem betreue er in seiner Funktion als Hochschullehrer seit Jahren auch MBA-Studierende aus dem Iran. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht, dass er über spezifische – entweder durch Schulungen oder langjährige Praxiserfahrungen erworbene – Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfügen würde, mag er auch Kenntnisse und Erfahrungen auf verwandten Gebieten besitzen, die für derartige Tätigkeiten nützlich sind.

Soweit in der Aussage darüber hinaus die fachliche Eignung des Klägers in Frage gestellt wird, handelt es sich um ein Werturteil, bei dem eine umfassende Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen erforderlich ist (vgl. BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat), weshalb keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.

dd) Auch die – nicht den Kläger unmittelbar persönlich, sondern lediglich die W. GmbH betreffende – Äußerung
„Die Katastrophe scheint noch viel größer zu sein, wenn wir feststellen, dass die Firma gar nicht existiert, und die Adresse, die sie auf ihrer Website angibt, eigentlich zu einer Versicherungsfirma gehört“
kann nicht unschwer als Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden.

Zum einen ist – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung in Bezug auf dessen Aktivlegitimation veranlasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entsprechend enges Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der W. GmbH weder dargelegt noch erkennbar ist. Vielmehr ist der Kläger unstreitig lediglich Teil des „Teams“ des Unternehmens, hat aber bereits nach seinem eigenen Vortrag keine repräsentative Rolle inne, da nicht er, sondern Herr W. „in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig [ist] und […] die Tätigkeiten der Gesellschaft auch bei Veranstaltungen im Iran vor[stellt]“. Auch ist er nicht Geschäftsführer der Gesellschaft. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger in einem besonders engen Zusammenhang zu der W. GmbH stehe, sind nicht dargetan. Insbesondere bleibt seine Tätigkeit für die W. GmbH auf seinem eigenen Internetauftritt unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich die über die W. GmbH getroffenen Äußerungen abträglich auf das Persönlichkeitsbild des Klägers auswirken.

Zum anderen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Videos, dass dieses nicht die rechtliche Existenz der W. GmbH in Abrede stellt, da der Beitrag – indem an anderer Stelle ausdrücklich auf die Handelsregistereintragung Bezug genommen wird – selbst davon ausgeht, dass die W. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsempfänger versteht die angegriffene Äußerung daher dahingehend, dass darin als Tatsachenkern behauptet wird, dass der Geschäftsbetrieb der W. GmbH unter der auf der Webseite angegebenen Adresse physisch nicht auffindbar ist. Dieser Tatsachenkern ist nicht offenkundig unzutreffend, da die W. GmbH unstreitig in Bürogemeinschaft mit der Versicherungsfirma O. ansässig ist und sich deren Büroräume mit dieser teilt.

Die in dem Beitrag getroffene Schlussfolgerung in Bezug auf die (physische) Inexistenz der GmbH stellt eine die Abwägung erfordernde Meinungsäußerung dar.

ee) In Bezug auf die Äußerung
„Die W. GmbH verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung in Deutschland. Um dies in Deutschland tun zu dürfen, ist aber eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eine zwingende Voraussetzung, die die W. GmbH jedoch nicht hat“
stehen dem Kläger ebenfalls keine Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten zu.

Zum einen ist auch hinsichtlich dieser Aussage – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung zur Aktivlegitimation erforderlich. Auf die obigen Ausführungen unter B.III.2.b) dd) wird Bezug genommen.

Zum anderen ist unstreitig, dass die Aussage, wonach die W. GmbH über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung verfüge, an sich zutreffend ist. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob eine solche Erlaubnis für die von der W. GmbH betriebene Arbeitsvermittlung rechtlich erforderlich ist oder nicht. Da die Beurteilung dieser Frage eine nicht unkomplizierte Rechtsprüfung notwendig macht, ist auch aus diesem Grund keine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Darüber hinaus handelt es sich bei der Einschätzung der Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der W. GmbH um eine rechtliche Bewertung, somit eine Meinungsäußerung.

ff) Die Äußerung
„Um die Wahrheit zu erfahren, reicht es nur, dass wir die Eintragung im Handelsregister der W. GmbH in Deutschland prüfen. Da entdecken wir einen Haufen Betrügereien und Lügen.“
ist als Meinungsäußerung in Bezug auf die W. GmbH zu qualifizieren, weshalb auch diesbezüglich die Beklagte nicht als mittelbare Störerin haftet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

c) Vor diesem Hintergrund lag im Streitfall kein Hinweis auf unschwer zu bejahenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers vor, aufgrund dessen die Beklagte die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Inhalte ohne Weiteres hätte feststellen können. Daher war auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Störerhaftung keine Bewertung des gesamten Sachverhalts durch die Beklagte einschließlich der Einholung einer Stellungnahme des Journalisten Herrn J. veranlasst, weshalb – wie bereits ausgeführt – der Senat nicht entscheiden muss, ob diese vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit der Durchführung eines „Anhörungsverfahrens“ durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht.

d) Im vorliegenden Fall kann – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts – auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte in prozessualer Hinsicht ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam. Deshalb sind die tatsächlichen vom Kläger vorgetragenen Umstände in Bezug auf die Beanstandungen aus dem streitgegenständlichen Video auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.

Zum einen fehlt es – wie soeben ausgeführt – an einem die materielle Prüfpflicht auslösenden Hinweis auf eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Zum anderen ist der Journalist Herr J., der das streitgegenständliche Video auf dem You-Tube-Kanal A. hochlud, den Gesellschaftern der W. GmbH bekannt. Vor Klageerhebung hatten sie mehrere E-Mails an ihn übersandt. Außerdem war das Video bereits zuvor der Geschäftsführerin der W. GmbH zugespielt worden. Anders als bei einem Bewertungsportal – bei dem der Nutzer zulässigerweise anonym auftreten kann, weshalb der bewertete Arzt diesen nicht kennt und sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 38 f. – www.jamede.de) – stehen dem Kläger in Bezug auf die Äußerungen im Video durchaus Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Zwar sieht der Senat, dass der Journalist auf die ihm übersandten Mails nicht reagiert hatte. Es besteht jedoch beispielsweise die Möglichkeit, unmittelbar gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Dass ein solches Vorgehen gegen den in den USA wohnhaften Journalisten unzumutbar ist, trägt der Kläger nicht vor.

Schließlich handelt es sich bei den streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen – anders als beispielsweise der behauptete Behandlungskontakt eines anonymen Nutzers – um solche aus der Sphäre des Klägers. Der Kläger hat den besten Einblick in die W. GmbH, seinen Aufgaben darin oder seinen Fachkenntnissen in der Arbeitsvermittlung. Ihm ist Vortrag dazu möglich und zumutbar.

Deshalb trifft die Beklagte im vorliegenden Fall keine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die zu treffende Abwägungsentscheidung.

IV. Auch aus Art. 17 DSGVO ergibt sich kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.

1. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass sich aus Art. 17 DSGVO grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Person ergeben kann (vgl. dazu Vorlagefrage des BGH in GRUR 2023, 1724 – Bewerbungsprozess).

Auch sieht der Senat, dass die Anwendbarkeit der DSGVO vom Gesetz über digitale Dienste unberührt bleibt (Art. 2 Abs. 4 lit. g DSA). Der Schutz von Einzelpersonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll sogar einzig durch die Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich, insbesondere durch die DSGVO, geregelt werden (Erwägungsgrund 10 UA 3 S. 2 DSA).

Schließlich geht der Senat davon aus, dass das von dem Journalisten Herrn J. hochgeladene Video auch personenbezogene Daten des Klägers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthält.

2. Der Senat kann offenlassen, ob das Betreiben einer Videoplattform, auf der Dritte personenbezogene Daten hochladen können, eine Verarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt und der Hostprovider dafür als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Provider dadurch in Bezug auf die in dem von dem Nutzer hochgeladenen Video – anders als hinsichtlich der Daten der Nutzer und Besucher der Seiten (vgl. dazu EuGH NJW 2018, 2537 Rn. 30 – ULD/Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein) – lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellt. Auch wird der Content vom Provider nicht wie von einer Suchmaschine automatisch indexiert und den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung gestellt (vgl. dazu BGH GRUR 2020, 1331 Rn. 13 – Recht auf Vergessenwerden).

3. Die Frage des Vorliegens einer Verarbeitung kann dahinstehen, weil unabhängig davon der Kläger aufgrund der nachfolgend genannten Umstände keinen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten als Hostproviderin geltend machen kann.

a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, muss der Betroffene nachweisen, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist (BGH GRUR 2023, 1218 Rn. 33 – Recht auf Vergessenwerden II). Zwar hat der Bundesgerichtshof den für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer bestehenden Maßstab – wonach dieser aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt haben muss – für den Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zugunsten einer grundsätzlich gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aufgegeben (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II). Doch entspricht die Voraussetzung des bisher erforderlichen Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung letztlich der nunmehr maßgeblichen Voraussetzung eines relevanten und hinreichenden Nachweises, dass die in den gelisteten Inhalten enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II).

b) Die Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zum vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregime von Suchmaschinenbetreibern nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf die Haftung von Hostprovidern führt im Streitfall dazu, dass aufgrund der erforderliche Abwägung der Unionsgrundrechte eine Löschung von der Beklagten nicht verlangt werden kann.

Zum einen gilt auch beim Provider, dass dieser – anders als der Inhalteanbieter, der den von ihm selbst generierten Inhalt unmittelbar zu verantworten hat – wie der Suchmaschinenbetreiber nur einen erleichterten Zugang zu diesem Content verschafft und damit mittelbar dessen Verbreitung fördert. Dieser unterschiedliche Grad an Einflussmöglichkeit auf die Richtigkeit des Inhalts bedingt auch bei der Haftung des Providers nach der DSGVO eine abgestufte, durch unterschiedliche Verhaltenspflichten gekennzeichnete Haftung. Auch beim Plattformprovider ergibt sich eine Auslistungspflicht nur als Folge der Verletzung nachgelagerter, durch eine initiale Meldung von Betroffenen ausgelösten Prüfungs- und Reaktionspflichten.

Zum anderen kann im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO durchzuführenden Abwägung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information die Vorschrift des Art. 6 DSA – der die Frage der Haftung des Hostproviders explizit regelt – nicht außer Acht gelassen werden. Die darin geregelte Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers mit entsprechenden Haftungsprivilegierungen in Gestalt eines notice and take down-Verfahrens – das dem Modell des Bundesgerichtshofs zur Haftung des mittelbaren Störers entspricht – muss auch für das unionale Datenschutzrecht gelten, sollte das Verhalten von Plattformen diesem unterliegen. Andernfalls würden die bewusst differenzierenden Regelungen des DSA umgangen, da bei entsprechendem Verständnis jedes Verhalten eines Host-Providers zugleich eine Datenverarbeitung wäre und damit einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSA begründen würde.

c) Da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte nicht als sogenannte mittelbare Störerin für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht als Auslistungsverlangen in der Sache berechtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Stralsund: 4.000 EURO Geldentschädigung für Geschädigte wegen Zusendung von Dickpicks und Sexting

LG Stralsund
Urteil vom 06.06.2024
4 O 19/24


Das LG Stralsund hat einer Geschädigten eine Geldentschädigung in Höhe von 4.000 EURO wegen der Zusendung von Dickpicks und Sexting zugesprochen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil über die Folgen von Sexting und den Versand sog. Dickpix

Die 4. Kammer des Landgerichts Stralsund hat unter dem 06.06.2024 ein Urteil erlassen zu den zivilrechtlichen Folgen des ungefragten Versands von Textnachrichten mit pornografischem Inhalt, Fotos eines männlichen Gliedes sowie eines Masturbationsvideos.

Die Klägerin ist durch Auftritte in einer Fernsehserie sowie mehreren Social Media-Auftritten seit längerem einem breiten Publikum bekannt.

Im Frühling 2023 übersandte der zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alte Beklagte der ebenfalls volljährigen Klägerin als Antwort auf verschiedene Instagram-Stories drei Textnachrichten mit dem Wortlaut „Fick mich bby“, „Press dein arsch an mein Schwanz“ und „Zwischen deinen titten Spritzen“. Zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin fünf Fotos mit Bildern von einem entblößten Penis in verschiedenen Erektionsstadien.

Weitere zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin ein Video mit einer Dauer von etwas über einer Minute, bestehend aus einer Collage von Wiederholungen von Bildnissen der Klägerin, eigenen Penisfotos und einem eigenen Masturbationsvideo. Ein Kontakt zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand zu keinem Zeitpunkt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 €. Durch Urteil des Landgerichtes wurde ihr eine Summe von 4.000,00 € zugesprochen. Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

Weiter wurde gegen den Beklagten aufgrund der Vorfälle bereits im Oktober letzten Jahres durch das Amtsgericht Stralsund ein rechtskräftiger Strafbefehl in Höhe 2.400,00 € erlassen. In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht wurde dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft ein derartiges Verhalten untersagt.

In der Folge hat der Beklagte auch die Gerichtskosten und die Kosten des Anwalts der Klägerin für das jeweilige Verfahren zu zahlen. Das weit verbreitete Verhalten kostete den Beklagten so (nach derzeitigem Stand) mehr als 12.500,00 €.


LG Lüneburg: 500 Euro Schadensersatz aus Art . 82 DSGVO wegen Zusendung von Werbemails nach Widerruf der Einwilligung

LG Lüneburg
Urteil vom 07.12.2023
5 O 6/23


Das LG Lüneburg hat dem Betroffenen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Höhe von 500 EURO wegen der Zusendung von Werbemails nach mehrmaligen Widerruf der Einwilligung zu Zusendung von Werbung zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht gem. Art. 82 DS-GVO ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zu, den die Kammer wie tenoriert bemisst.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen, also diejenige natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO).

2. Die Beklagte hat gegen Bestimmungen der DS-GVO verstoßen, indem sie dem Kläger Werbeemails zugeschickt hat, ohne dass dies nach Art. 6 Abs.1 DS-GVO gerechtfertigt war. Der Kläger hatte seine zunächst erteilte Einwilligung zu dem Erhalt von Werbeemails zuvor unbestritten widerrufen. Die Beklagte konnte folglich keinen rechtfertigenden Tatbestand gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO mehr für den Versand der streitgegenständlichen Werbeemails darlegen.

3. Die Verstöße haben nach dem - insoweit auch unwidersprochen gebliebenen und damit zugestandenen (§ 138 Abs.3 ZPO) Vorbringen des Klägers - kausal zu einem immateriellen Schaden geführt. Der Begriff des immateriellen Schadens ist unionsrechtlich autonom und in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen (EuGH, Urt. 4.5.2023 - C-300/21).

Dabei muss der Schaden des Klägers nicht eine gewisse Erheblichkeit erreicht haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urt. 4.5.2023 - C-300/21).

Wenngleich der immaterielle Schaden nach Erwägungsgrund 146 zur DS-GVO tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet werden darf, ist nach Erwägungsgrund 146 S. 3 zur DS-GVO der Schadensbegriff weit auszulegen. Der EuGH verlangt unter Bezugnahme auf den Effektivitätsgrundsatz, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen (so bereits EuGH 10.4.1984 - 14/83, NJW 1984, 2021 (2022).

Als immaterieller Schaden kommen Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht (Bergt in Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art.82 Rn. 18b).

Hier hat der Kläger unbestritten viermal gegenüber der Beklagten erklärt, dass er keine weiteren Werbeemails wünscht. Zweimal ließ der Kläger dies sogar von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt erklären. Dennoch hat die Beklagte dem Kläger weiterhin Werbeemails geschickt. Der bei dem Kläger dadurch verursache Ärger, Zeitverlust und Eindruck des Kontrollverlusts stellt einen Schaden im Sinne der Norm dar. Die negativen Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO liegen darin, dass sich der Kläger mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung auseinandersetzen musste. Dies sogar mehrfach, da die Beklagte seinen Widerruf der Einwilligung mehrfach missachtete. Der Umstand, dass sogar der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zweimal erfolglos zum Unterlassen aufforderte, ist geeignet bei dem Kläger den belastenden Eindruck der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes in Bezug auf seine Datenverarbeitung zu führen.

4. Die Frage, ob Art. 82 DS-GVO eine vom Verschulden abhängige oder unabhängige Anspruchsgrundlage darstellt, kann dahinstehen. Denn vorliegend ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, was gegen ein Verschulden der Beklagten spricht.

5. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes, die der Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sind gem. § 287 Abs.1 S. 1 ZPO alle Umstände des Einzelfalls würdigen, insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsverletzung. Auch bei der Höhe des Schadens ist der Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen (AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 09.09.2021 - 2 C 133/21) entschied in einem ähnlichen Fall:

"Die Höhe des Anspruchs ist dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des Kontexts, der Umstände eines Verstoßes. Genugtuungs- und Vorbeugungsfunktion können bei der Bezifferung eine Rolle spielen. Einerseits darf die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reicht ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 12a)."

Dabei sprach das AG Pfaffenhofen dem Kläger 300,00 Euro für eine unerwünscht erhaltene Werbeemail zu, wobei in dem dortigen Fall die Beklagte die Emailadresse des Klägers gänzlich ohne dessen Einwilligung erhalten hatte.

Das AG Diez (Urteil vom 17.04.2018 - 7 O 6829/17) erachtete in dem Fall eines Versandes einer Werbeemail, mit welcher die Beklagte am 25.5.2018, als die DS-GVO Gültigkeit erlangte, eben aus diesem Grund und unter Bezugnahme hierauf nach einer Einwilligung zum Newsletter-Bezug anfragte, einen Schadensersatzanspruch als unbegründet.

In einem ähnlichen Fall lehnte das AG Goslar (Urteil vom 27.09.2019 - 28 C 7/19) einen Schadensersatzanspruch ab, da es sich auch in dem dortigen Fall um lediglich eine Werbeemail handelte: "Für das Gericht ist aufgrund des Vortrags des Klägers ein Schaden indes nicht ersichtlich. Es handelte sich lediglich um eine einzige Werbe-E-Mail, die nicht zur Unzeit versandt wurde und aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich zeigt, dass es sich um Werbung handelt, so dass ein längeres Befassen mit der E-Mail nicht notwendig war."

Im Interesse einer effektiven Abschreckung und einer Kompensierung des erlittenen Schadens ist das Verhalten der Beklagten in Form der mehrfachen Missachtung des ausdrücklich erklärten Willens des Klägers als schadensersatzerhöhend zu berücksichtigen. Schadensersatzerhöhend ist ebenfalls die Häufigkeit des Verstoßes zu berücksichtigen. In dem vorliegenden Fall hat der Kläger in einem Zeitraum von knapp vier Monaten insgesamt dreizehn Werbeemails von der Beklagten erhalten. Er erhielt dabei jeweils 4 bzw. 5 Werbeemails in kurzer Zeitabfolge, teilweise fast täglich.

Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO den Wirkungsbereich des Klägers nicht verlassen haben. Es wurde durch den Verstoß kein Bereich berührt, der etwa die Beziehung des Klägers zu Dritten berührt.

Das Gericht erachtet vorliegend im Ergebnis eine Entschädigung von 500,00 EUR für angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Weitere Passagen aus dem Buch und dem Hörbuch "Vermächtnis Die Kohl-Protokolle" müssen gestrichen werden

OLG Köln
Urteil vom 06.02.2024
15 U 314/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass weitere Passagen aus dem Buch und dem Hörbuch "Vermächtnis Die Kohl-Protokolle" gestrichen werden müssen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberlandesgericht Köln: Berufungsverfahren Dr. Kohl-Richter gegen Dr. Schwan u.a. - Urteilsverkündung im Verfahren 15 U 314/19

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat am heutigen Tag in dem vorbezeichneten Verfahren entschieden und die angefochtene landgerichtliche Entscheidung teilweise abgeändert.

In dem Verfahren (vgl. dazu bereits die Pressemitteilung vom 07.10.2022 - PM 10/22) nimmt die Klägerin im Nachgang zu einem früheren Unterlassungsverfahren (OLG Köln, Urteil vom 29.05.2018, Az.: 15 U 65/17, teilweise aufgehoben durch BGH, Urteil vom 29.11.2021, Az. VI ZR 248/18, sodann entschieden durch Teilurteil des Senats vom 22.06.2023, Az. 15 U 65/17, n.v.) die Beklagten zu 1) bis 3) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung weiterer Passagen aus dem von den Beklagten zu 1) und 2) verfassten und im Verlag der Beklagten zu 3) erschienenen Buch mit dem Namen „Vermächtnis Die Kohl-Protokolle“ (bzw. einem gleichnamigen Hörbuch) in Anspruch. Ferner begehrt sie Auskunft mit dem - jedenfalls primären - Ziel einer Verfolgung von Ansprüchen auf Auskehrung des sogenannten Verletzergewinns wegen eines angeblichen Eingriffs (auch) in „vermögenswerte Bestandteile“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers. Infolge zwischenzeitlichen Versterbens des Beklagten zu 2) ist das Verfahren insoweit unterbrochen. Soweit zwei weitere Beklagte - ehemals Beklagte zu 4) und 5) - wegen eigener Presseberichterstattungen über das Buch von der Klägerin auf Unterlassung und Löschung mehrerer Äußerungen in Anspruch genommen werden, ist das Verfahren abgetrennt und zwischenzeitlich entschieden worden (Urteil des Senats vom 22.06.2023 - 15 U 135/22, n.v.; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: BGH, Az. VI ZR 226/23).

Das Landgericht hat der gegen den Beklagten zu 1) auf Unterlassung gerichteten Klage im Wesentlichen und der gegen diesen im Rahmen einer Stufenklage gerichteten Auskunftsklage vollumfänglich stattgegeben. Die gegen die Beklagte zu 3) auf Unterlassung und im Rahmen einer Stufenklage auf Auskunft und Schadensersatz gerichtete Klage hat das Landgericht vollumfänglich abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte zu 1) im Rahmen einer gegen die Klägerin gerichteten sog. Zwischenfeststellungswiderklage die Feststellung begehrt, dass in Bezug auf die geführten Memoirengespräche keine vertraglichen Geheimhaltungspflichten zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser begründet worden sind.

Der 15. Zivilsenat hat - nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) - die angefochtene Entscheidung mit Urteil vom heutigen Tage teilweise abgeändert. Danach haben sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Berufung des Beklagten zu 1) teilweise Erfolg. In Bezug auf den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Unterlassungsantrag hat der Senat dem Grunde nach das Bestehen eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs bejaht, aber einige geringfügige Abänderungen mit Blick auf den Umfang der Verurteilung zur Unterlassung der Veröffentlichung/Verbreitung bestimmter Passagen des Buches ausgesprochen. Den auf die Feststellung fehlender vertraglicher Geheimhaltungspflichten gerichteten Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zu 1) hat der Senat abgewiesen. In Bezug auf die Beklagte zu 3) hat der Senat der auf Unterlassung zahlreicher Passagen des Buches gerichteten Klage nur in geringem Umfang stattgegeben. Die weitergehende gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden.

Zur näheren Begründung der Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1) stehe der Klägerin dem Grunde nach ein vertraglicher Unterlassungsanspruch zu. Zwar sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der übrigen feststehenden Umstände nicht sicher davon auszugehen, dass der Erblasser und der Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit den Arbeiten am "Memoirenprojekt" - unter dem Dach der von ihnen jeweils nur mit dem Verlag abgeschlossenen, insoweit keine eindeutige Verschwiegenheitsverpflichtung regelnden schriftlichen Verträge - unmittelbar eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über eine (umfassende) Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) trafen. Den Beklagten zu 1) treffe aber aufgrund einer zwischen ihm und dem Erblasser stillschweigend begründeten auftragsähnlichen Rechtsbeziehung als vertragliche Nebenpflicht eine umfassende Verschwiegenheitspflicht. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Gesamtumstände sei von einem Rechtspflichten begründenden Rechtsverhältnis auszugehen. Die insoweit bestehende (Neben-)Pflicht sei auch nicht durch spätere Ereignisse in Wegfall geraten.

Folge der vertraglichen Bindung sei u.a., dass der Beklagte zu 1) sich im Verhältnis zu dem Erblasser nicht mehr auf sein Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne. Die vertragliche Verschwiegenheitspflicht beziehe sich inhaltlich nicht nur auf die Wiedergabe etwaiger Äußerungen des Erblassers in Form einer wörtlichen oder sinngemäßen Wiedergabe von Zitaten. Vielmehr umfasse sie auch alle anderen Informationen und Umstände aus der gesamten Memoirenarbeit sowie alle hieran anknüpfenden Wertungen des Beklagten zu 1), welche einen Rückschluss auf Äußerungen des Erblassers und /oder sonstige Vorkommnisse während der Memoirenarbeiten zuließen. Eine Ausnahme gelte nur für die Wiedergabe öffentlich vorbekannter Tatsachen und für Umstände, mit denen der Beklagte zu 1) nur "detailarm" den äußeren Rahmen der Memoirengespräche sowie die Rechtsstreitigkeiten der Parteien zutreffend beschreibe. Nach umfassender Prüfung der im Buch enthaltenen Passagen sei das Verbot der Veröffentlichung und Verbreitung in Bezug auf die vom Senat als unzulässig erkannten einzelnen Passagen auszusprechen. Weitere, im Einzelnen als zulässig erachtete Passagen seien - insoweit unter Klageabweisung - vom Verbot auszunehmen. Die Voraussetzungen für ein "Gesamtverbot" des Buches und einen daraus ableitbaren Anspruch auf Unterlassung seien zu verneinen.

Der auf die Feststellung fehlender vertraglicher Geheimhaltungspflichten gerichtete Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zu 1) sei entsprechend unbegründet.

Der von der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) geltend gemachte Auskunftsanspruch sei zu bejahen. Er sei zur Vorbereitung eines der Klägerin zustehenden (unstreitig vererblichen) deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen eines Eingriffs (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers gegeben. Dem Grunde nach bestehe auch bei - hier allein feststellbarer - Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1), der seine ungeschriebene vertragliche Bindung verkannt habe, ein Anspruch auf den sogenannten Verletzergewinn als Teil der im Immaterialgüterbereich anerkannten sogenannten dreifachen Schadensberechnung.

Gegen die Beklagte zu 3) bestehe ein Unterlassungsanspruch nur in geringem Umfang in Bezug auf einzelne Passagen. Mangels Bestehens einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beklagten zu 3) stünden der Klägerin nach dem Tod des Erblassers gegen diese Unterlassungsansprüche nur bei Annahme einer postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung zu. Unter Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sei dies hier nur in besonderen Fällen anzunehmen, u.a. soweit dem Erblasser als unwahre Tatsachenbehauptungen angebliche Eigenaussagen zugeschrieben worden seien, die er nicht, in abweichendem Kontext oder jedenfalls in anderer Stimmungslage, Lautstärke, Tonfall etc. getätigt habe, und wenn hierdurch jeweils auch das Lebensbild des Erblassers verfälscht, seine Menschenwürde berührt werde. Diese Voraussetzungen seien jedoch nur für wenige Buchpassagen von der im Grundsatz darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin prozessual ausreichend substantiiert dargetan worden, dies insbesondere im Kontext einiger im Vorverfahren bereits beanstandeter Fehlzitate sowie unwahrer bzw. bewusst unvollständiger Tatsachenbehauptungen, so etwa bezogen auf den Abschiedsbrief der ersten Ehefrau des Erblassers. Mit Blick auf die - dem Senat nicht vollständig vorliegenden - Tonbandaufnahmen aus den Memoirengesprächen bzw. digitalen Audiokopien seien im Übrigen verfahrensrechtlich keine weitergehenden gerichtlichen Vorlageanordnungen zu treffen gewesen. Dies sei auch nicht gegenüber dem materiell-rechtlich möglicherweise herausgabepflichtigen Beklagten zu 1) geboten. Es bestehe kein Anlass, das Verfahren bis zum Abschluss des - ebenfalls im Wege der Stufenklage geführten und derzeit wieder beim Landgericht Köln anhängigen - Herausgabeverfahrens u.a. wegen der vom Beklagten zu 1) im Besitz gehaltenen Audiokopien der Tonbänder (dazu BGH, Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18, abrufbar über die Datenbank www.bundesgerichtshof.de externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab) auszusetzen.

Die Stufenklage habe das Landgericht insgesamt zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 3) mangels rechtlicher Grundlage kein Auskunftsanspruch und kein Anspruch auf Auskehr des mit dem Buchverkauf erzielten Gewinns zu. Da sich die Beklagte zu 3) - anders als der Beklagte zu 1) - im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen und ihr kein erheblicher Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, kämen etwa deliktische Schadensersatzansprüche oder Ansprüche wegen angemaßter Eigengeschäftsführung hier nicht in Betracht.

Der Senat hat die Revision (nur) mit Blick auf die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Auskunftserteilung bzw. die Abweisung der Stufenklage im Verhältnis zur Beklagten zu 3) zur höchstrichterlichen Klärung diesbezüglicher Rechtsfragen zugelassen.




OLG Frankfurt: Kein Unterlassungsanspruch eines ehemaligen DFB-Schiedsrichters gegen Äußerungen in einem Gutachten aufgrund des Sachverständigenprivilegs

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.11.2023
16 U 206/21


Das OLG Frankfurt hat vorliegend entschieden, dass ein ehemaliger DFB-Schiedsrichter keinen Unterlassungsanspruch gegen Äußerungen in einem Gutachten hat, da insoweit das Sachverständigenprivileg gilt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Sachverständigenprivileg: Ehemaliger DFB-Schiedsrichter kann nicht Unterlassen gutachterlicher Äußerungen über ihn verlangen

Schlussfolgerungen und Ergebnisse in einem privaten Gutachten unterfallen grundsätzlich dem sog. Sachverständigenprivileg und sind damit als Werturteil einzuordnen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil die Klage eines ehemaligen Schiedsrichters des DFB zurückgewiesen. Der Kläger wendete sich gegen Aussagen des Beklagten über ihn in einem im Auftrag des DFB erstellten Gutachten.

Der Kläger war Schiedsrichter beim DFB und leitete dort vor allem Spiele der ersten Bundesliga. Er nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Unterlassung und Widerruf von in einem Gutachten enthaltenen Äußerungen in Anspruch und begehrt eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 €. Der Kläger hatte 2005 den sog. Fußball-Wettskandal aufgedeckt. Danach hatten einzelne Schiedsrichter von Profifußballspielen gegen Geld das Ergebnis von Bundesligaspielen regelwidrig beeinflusst, um Fußballwettergebnisse zu beeinflussen. Hierüber hatte sich der Kläger im Rahmen eines Interviews 2017 öffentlich geäußert und aus seiner Sicht Verantwortliche namentlich benannt. Er behauptete u.a., dass es nicht nach den Leistungen der Schiedsrichter gegangen sei, sondern danach, ob diese auf „Wellenlänge“ mit der DFB-Führung gelegen hätten.

Daraufhin beauftragte der DFB den Beklagten mit einer internen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Untersuchung der vom Kläger erhobenen Vorwürfe. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe nicht zutreffen. Der Kläger behauptet, dass der Beklagte Zeugenaussagen in seinem Bericht unvollständig, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben habe und deshalb unhaltbare Anschuldigungen gegen ihn erhoben habe.

Das Landgericht hatte seine Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne unter Berücksichtigung des sog. Sachverständigenprivilegs nicht Unterlassung der hier streitgegenständlichen Äußerungen verlangen. Äußerungen in Sachverständigengutachten, die Ergebnis der sachverständigen Entscheidungsfindung sind, seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich als Werturteil anzusehen. Dies gelte auch, wenn sie „äußerlich in die Form einer Tatsachenbehauptung gekleidet sind“, vertiefte das OLG. Dies beziehe sich auch auf die sog. Befundtatsachen. Es sei gerade die Aufgabe eines Gutachters, kraft seiner Sachkunde zu bestimmten Tatsachen Stellung zu nehmen, sie zu untersuchen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies rechtfertige die Einordnung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen als Werturteil.

Der Beklagte könne sich auch auf das Sachverständigenprivileg berufen. Private Gutachter würden öffentlich bestellten Sachverständigen gleichgestellt.

Die hier streitgegenständlichen Aussagen unterfielen alle dem Sachverständigenprivileg. Bei der erforderlichen kontextbezogenen Auslegung lägen durchgehend Schlussfolgerungen vor.

Soweit die Äußerungen die Berufsehre des Klägers verletzten, fehle es aber an einer schwerwiegenden Verletzung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Gutachten des Beklagten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei und der Kläger selbst durch seine Aussagen die Auseinandersetzung über die Arbeitsweise der Schiedsrichter eröffnet habe.

Bei Abwägung der betroffenen Interessen überwiege das Recht der Meinungsäußerung und der Berufsfreiheit seitens des Beklagten das Schutzinteresse des Klägers. Das Schutzinteresse des Klägers würde überwiegen, wenn der Beklagte etwa grob sorgfaltswidrig methodisch vorgegangen wäre und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Klägers in Kauf genommen hätte. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.11.2023, Az. 16 U 206/21

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.09.2021, Az. 2-17 O 95/19)



BGH: Identifizierende Tatschilderung des Opfers in sozialen Medien kann bei gewichtigen Gründen auch bei schwerwiegende Folgen für den Täter zulässig sein

BGH
Urteil vom 17.10.2023
VI ZR 192/22
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1,§ 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass eine identifizierende Tatschilderung des Opfers in sozialen Medien bei gewichtigen Gründen auch bei schwerwiegende Folgen für den Täter durch Prangerwirkung und Stigmatisierung zulässig sein kann.

Leitsatz des BGH:
Sprechen gewichtige Gründe für eine identifizierende Tatschilderung seitens des Opfers, muss diese auch dann hingenommen werden, wenn sie (aufgrund einer Prangerwirkung oder Stigmatisierung) schwerwiegende Folgen für die Persönlichkeitsentfaltung des Täters hat. In der Abwägung der Interessen des Opfers an der Verbreitung der Wahrheit über eine Tat und die Identität des Täters einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Täters andererseits wird das Gewicht der Meinungsfreiheit des Opfers verstärkt, wenn die von ihm geschilderte Tat eine die Öffentlichkeit bzw. den Adressatenkreis des Opferberichts wesentlich berührende Frage ist und ein Interesse der Gesellschaft daran besteht, aus der Opferperspektive über die Tat informiert zu werden (vgl. BVerfGE 97, 391, 406 f., juris Rn. 53, 57).

BGH, Urteil vom 17. Oktober 2023 - VI ZR 192/22 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO kann auch eine fiktive Lizenzgebühr umfassen - Verwendung des Namens des Betroffenen in einem Werbeprospekt

OLG Köln
Urteil vom 04.05.2023
15 U 3/23

Das OLG Köln hat entschieden, dass der Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO auch eine fiktive Lizenzgebühr umfassen kann. Vorliegend ging es um die Verwendung des Namens des Betroffenen in einem Werbeprospekt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr.

a. Ein solcher Anspruch folgt jedoch entgegen den Ausführungen des Landgerichts wohl nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte den Namen und das Zitat des Klägers ohne seine Zustimmung und damit rechtsgrundlos genutzt hat. Der Kläger hat zwar behauptet, dass er einer Verwendung seines Namens und des Zitats speziell im Versandkatalog der Beklagten so gerade nicht zugestimmt habe. Er hat aber den Beweis für einen fehlenden Rechtsgrund, der ihm im Rahmen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall BGB obliegt, nicht führen können. Denn die Beklagte hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast als Rechtsgrund die vom Kläger in einem Telefonat erteilte konkrete Zustimmung vorgetragen und nach Anhörung beider Parteien durch das Landgericht ist – was der Kläger auch nicht substantiell angreift – insoweit von einem non liquet auszugehen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Abweichend von den Ausführungen des Landgerichts geht dies allerdings zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.

b. Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch dem Grunde nach aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der im Zeitpunkt der ersten unstreitigen Verwendung des Namens im Jahre 2019 bereits in Kraft war (Art. 99 DSGVO) und auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch mangels eines für die Beklagte eingreifenden Medienprivilegs – der Versandkatalog ist keine journalistische Tätigkeit gemäß Art. 85 DSGVO im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.2019 – C-345/17, juris; BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 489/19, BGHZ 231, 263) – auch sachlich Anwendung findet.

aa. Die Verwendung des Namens des Klägers – und damit eines personenbezogenen Datums – in einem Werbeprospekt ist eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO durch die Beklagte. Diese bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO der Einwilligung des Klägers, weil offensichtlich kein Fall des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorliegt. Unabhängig von der streitigen Frage, ob der Kläger nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegungs- und beweispflichtig für einen Verstoß gegen die Verordnung ist (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 46), ist aber zumindest die Beklagte ihrerseits nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO beweispflichtig für das Vorliegen einer unbefristeten und nicht nur auf eine bestimmte Nutzung beschränkten Einwilligung des Klägers, wenn sie – wie vorliegend – die Rechtmäßigkeit ihrer Datenverarbeitung auf eine solche stützt. Insofern liegt, anders als beim Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB, die Beweislast bei der Beklagten, womit das nach Anhörung der Parteien bestehende non liquet zu deren Lasten ausgeht.

bb. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, also bei einem Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch Verwendung derselben in einem kommerziellen Kontext, der Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch die fiktive Lizenzgebühr umfassen kann (Lizenzanalogie). In Erwägungsgrund 146 Satz 6 ist die Zielsetzung enthalten, der betroffenen Person einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden zukommen zu lassen (vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2015 – C-407/14, EuZW 2016, 183; dazu auch HK-DS-GVO (Kreße), Art. 82 Rn. 6; NK-DatenschutzR (Boehm), Art. 82 Rn. 27; Strittmatter/Treiterer/Harnos CR 2019, 789; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 20), wozu u.a. auch der entgangene Gewinn zählen kann. Insofern erscheint es vorzugswürdig, dass der autonom auszulegende Schadensbegriff des Art. 82 Abs. 1 DSGVO insoweit für eine Ausgestaltung offen ist und mangels konkreter Regeln im Unionsrecht auch mitgliedstaatliche Rechtsgrundsätze – und damit hier die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung – zur Berechnung des ersatzfähigen materiellen Schadens herangezogen werden können, wobei allerdings die Vorgaben des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes hinsichtlich Haftungshöchstbetrag und etwaigem Strafschadensersatz zu beachten sind (vgl. Hellgardt, ZEuP 2022, 7; Herberger, NZFam 2021, 1088; Paal, MMR 2020, 14; Thüsing (Thüsing/Pötters), Beschäftigtendatenschutz und Compliance, 3. Aufl. 2021, § 21 Rn. 18 und 40; Ehmann/Selmayr (Nemitz), DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn. 17; Paal, MMR 2020, 14, 16; dazu auch Senat, Beschl. v. 26.4.2023 – 15 U 24/23, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Der damit grundsätzlich gegebene Anspruch des Klägers besteht jedoch nicht in der von ihm geltend gemachten Höhe.

a. Im Fall einer nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO als Schadensersatz zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr ist deren Höhe vom Tatgericht gemäß der prozessrechtlichen nationalen Regelung des § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Zu fragen ist, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2021 – I ZR 120/19, NJW 2021, 1303 m.w.N.). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der in Anspruch genommenen Benutzungsberechtigung müssen dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden. Wesentliche Faktoren der Bemessung sind dabei die Bekanntheit und der Sympathie-/Imagewert des Betroffenen, der Aufmerksamkeitswert, die Wirkung, der Verbreitungsgrad der Werbung und die Rolle, die dem Betroffenen in der Werbung zugeschrieben wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2021 - I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548; BGH, Urt. v. 21.1.2021 – I ZR 120/19, GRUR 2021, 636; BVerfG, Beschl. v. 5.3.2009 - 1 BvR 127/09, GRUR-RR 2009, 375; Wanckel, in: Paschke u.a., Hamburger Kommentar Gesamtes MedienR, 4. Aufl. 2021, 42. Abschn. Rn. 51; Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.181 ff. m.w.N.).

b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger von der Beklagten lediglich einen Betrag von 1.500 Euro verlangen.

aa. Dabei will der Senat – entgegen der Rüge des Klägers im Schriftsatz vom 1.3.2023 (Bl. 96 SH) – nicht in Abrede stellen, dass der konkreten Darstellung von Name und Zitat im Versandkatalog der Beklagten durchaus ein Werbewert zukommt. Die Qualifizierung dieser konkreten Darstellung als Werbung hängt insbesondere nicht, wie es die Beklagte einwendet, davon ab, ob sich das dort verwendete Zitat des Klägers bzw. die Nennung seines Namens auf ein konkretes (einzelnes) Produkt beziehen, sondern ist auch dann zu bejahen, wenn lediglich Aussagen zur allgemeinen und von der Beklagten vertriebenen Produktgruppe (Kaviar) vorgenommen werden (vgl. in Abgrenzung dazu OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.2008 – 7 U 61/07, AfP 2008, 210 zum dort fehlenden Akt der werblichen Vereinnahmung). Zwar ist vorliegend eine sog. Testimonialwerbung zu verneinen, weil aus Sicht der Empfänger der Versandkataloge nicht davon ausgegangen werden kann, der Kläger stehe mit seinem „guten Namen“ für ein Produkt der Beklagten ein. Vielmehr wird der Durchschnittsleser aus der Nennung von Namen und Zitat des Klägers allein eine allgemeine Anpreisung der betreffenden Produktgruppe (Kaviar) entnehmen. Insofern ist aber mit der streitgegenständlichen Gestaltung der Katalogseite dennoch jedenfalls ein gewisser Imagetransfer des Klägers – als ehemaligem 3-Sterne-Koch und Fachmann auf dem Gebiet hochpreisiger Lebensmittel – nicht nur allgemein auf Kaviar, sondern auch auf die von der Beklagten vermarktete Produktgruppe verbunden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 28.7.2022 – I ZR 171/21, NJW 2022, 3783). Allein das Vorliegen eines solchen Werbewerts der Namensverwendung trifft jedoch noch keine Aussage über die Höhe der konkret geschuldeten fiktiven Lizenzgebühr. Diese ist vielmehr davon abhängig, inwelcher Art und welchem Umfang der Kläger sonst seinen Namen und seine berufliche Position werblich ausnutzt und welche Vergütung er in vergleichbaren Fällen erhält.

bb. Der Vertrag des Klägers mit der P., der eine deutlich höhere Vergütung als die tenorierte ausweist, ist vorliegend als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht geeignet. In diesem Vertrag hat sich der Kläger verpflichtet, seinem Vertragspartner an zehn Tagen im Jahr für Fotoshootings bzw. PR-Maßnahmen zur Verfügung zu stehen. Dagegen hat die Beklagte weder ein Bild des Klägers im Katalog verwendet noch ist irgendein sonstiger (persönlicher) Einsatz des Klägers zur Unterstützung der Produkte der Beklagten mit entsprechenden Aufwendungen seinerseits erfolgt. Gleiches gilt für die sonstigen vom Kläger im Verfahren angeführten Tätigkeiten mit höherer Vergütung, die stets darauf basieren, dass er einen persönlichen Einsatz als Koch, Berater oder Produktvermarkter erbringen muss, was sich dann auch in der Höhe der jeweiligen Vergütung widerspiegelt. Insofern ist zu beachten, dass bei Heranziehung von (Vergleichs-) Verträgen zur Bemessung der Lizenzanalogie stets primär auch die Vergleichbarkeit der vereinbarten Leistungen mit der Verletzungshandlung zu prüfen ist (Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.185 m.w.N.; siehe auch BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990).

cc. Als Kriterien für eine Schätzung der fiktiven Vergütung können hier daher zunächst die Bekanntheit des Klägers sowie sein Renommee als (ehemaliger) 3-Sterne-Koch herangezogen werden, die in den Augen der angesprochenen Rezipienten – Leser einen Prospektes für hochpreisige Feinkost – durchaus einen nicht unerheblichen Stellenwert einnehmen werden. Zu berücksichtigen ist auf der anderen Seite aber auch, dass es sich beim Versandkatalog der Beklagten nicht um einen ubiquitär abrufbaren Internetauftritt, sondern lediglich um ein Printprodukt handelt, das in einer verhältnismäßig geringen Auflage von 10.000 Stück aufgelegt wird, von denen auch nicht alle Exemplare verteilt wurden. Weiter enthält das mit seinem Namen in Verbindung stehende Zitat des Klägers keine werbende Aussage unmittelbar zu einem bestimmten Produkt, sondern nur eine allgemeine Aussage zu den Mengen an Kaviar, die ein entsprechend finanzstarker Feinschmecker seiner Meinung nach zu sich nehmen sollte. Ist damit zwar nicht – wie oben ausgeführt – der Werbewert als solcher in Abrede zu stellen, da jedenfalls der Name des Klägers und sein berufliches Renommee das Publikum zum Kauf größerer Mengen Kaviars animieren sollen, muss aber bei der Höhe der zu schätzenden Vergütung berücksichtigt werden, dass die Stellung des Klägers als Spitzenkoch nicht auf ein bestimmtes Produkt bezogen wird und konkret auf dieses abfärben soll (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 5.3.2009 – 1 BvR 127/09, AfP 2009, 249 – Werbung für eine Dosensuppe mit dem Bild der Beschwerdeführerin). Für eine Aussage, die eher nur allgemein den Umsatz der Beklagten verbessern soll, ist bei der Vergütung ein geringerer Betrag anzusetzen als beispielsweise für die mit Bild des Klägers versehene Anpreisung eines konkreten Produktes. Wenn man insofern berücksichtigt, dass der Kläger für ein Video mit seiner Person und werbenden Aussagen zu einem konkreten Produkt (dem Mineralwasser von H.) einen Betrag von 4.000 Euro netto für drei Jahre – also rund 1.333 Euro pro Jahr – erhalten hat, dann muss der von der Beklagten geschuldete Betrag im vorliegenden Fall, in dem in einem rund 130 Seiten starken Printkatalog lediglich auf einer einzigen Doppelseite der Name des Klägers mit einem allgemein zum Kauf von Kaviar motivierenden Zitat verwendet wird, ohne dass damit konkrete Produktanpreisungen verbunden werden oder ein bildlicher/persönlicher Einsatz des Klägers gegeben ist, deutlich geringer angesetzt werden. Der Senat hält insofern eine Jahresvergütung von 500 Euro für ausreichend und angemessen, woraus sich bei einer hier vom Landgericht unangegriffen festgestellten dreijährigen Veröffentlichung des Versandkatalogs der tenorierte Betrag von 1.500 Euro ergibt.

An diesen Erwägungen im Rahmen der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ändert auch das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 17.3.2023 nichts. Die Teilnahme des Klägers an einer bundesweit ausgestrahlten und entsprechend bekannten Kochshow dürfte zwar durchaus zu einer weiterhin hohen Bekanntheit seiner Person in der Öffentlichkeit führen. Der Kläger macht jedoch selbst nicht geltend, dass und in welcher Höhe er für seine Teilnahme an der Sendung „E.“ eine Vergütung erhalten hat, so dass auch insofern nicht festgestellt werden kann, welcher vermeintlich höhere Werbewert insoweit seiner Person zugemessen wurde. Soweit die betreffende Fernsehsendung – dies wird zugunsten des Klägers als wahr unterstellt – seine Bekanntheit in der Öffentlichkeit gesteigert hat, kann dies bei der Bemessung der von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühr zudem schon deshalb keine Rolle spielen, weil die Fernsehsendung erst lange nach der Verteilung der streitgegenständlichen Werbekataloge stattgefunden hat.

Schließlich ist eine Erhöhung der dem Kläger vorliegend zugebilligten fiktiven Lizenzgebühr auch im hier eröffneten Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht etwa im Hinblick auf den Gedanken eines sog. Straf- bzw. Verletzerzuschlags gerechtfertigt (vgl. dazu Hellgard, ZEuP 2022, 7, 30 für Fall nicht kommerzieller Nutzung; siehe auch Dietrich, CR 2020, 497 für den Bereich des Urheberrechts). Der Senat hat dies für den Bereich der Schadensersatzhaftung im Bereich der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verneint (Senat, Beschl. v. 8.11.2022 – 15 U 141/22 und 15 U 142/22, zur Veröffentlichung bestimmt; siehe auch OLG München, Urt. v. 17.1.2003 – 21 U 2664/01, juris; siehe ferner BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 26 und vertiefend Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.187 ff m.w.N.); hier gilt nichts anderes: Denn zum einen hat der Kläger selbst im vorliegenden Verfahren lediglich die aus seiner Sicht angemessene Vergütung in Form der einfachen (fiktiven) Lizenz geltend gemacht und dazu vorgetragen, den Klagebetrag – und nicht etwa einen geringeren Betrag, der dann im Hinblick auf einen Verletzter-/Strafzuschlag zu erhöhen gewesen wäre – bei einer fiktiven Lizenzierung hätte verlangen zu können. Zum anderen liegt der Sinn und Zweck des Anspruchs auf Ersatz jedenfalls des materiellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO – um den es hier allein geht - ausweislich des Erwägungsgrunds 146 in einem schlichten Ausgleich der an den vermögenswerten Rechtspositionen des Betroffenen eingetretenen Beeinträchtigungen und nicht etwa in einer über diese reine Kompensation noch hinausgehenden „Bestrafung“ des Verletzers, wozu auf Seiten der Beklagten, die sich im Hinblick auf die verworrene tatsächliche Situation rund um die Einwilligung zur Veröffentlichung von Name und Zitat letztlich subjektiv als berechtigt angesehen hat, den Versandkatalog mit den personenbezogenen Daten des Klägers zu versehen, im Übrigen auch kein Anlass besteht. Dass der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.1.2017 (C-367/15, NJW 2017, 1373) eine Regelung im nationalen (polnischen) Recht, die wahlweise eine Verdopplung bzw. Verdreifachung der angemessenen Vergütung bei Urheberrechtsverletzungen vorsah, europarechtlich nicht beanstandet hat, hat auf die hier vorzunehmende Schätzung des Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der eine entsprechende Bestimmung selbst gerade nicht vorsieht und bei dem insofern hier auch nicht auf entsprechendes nationales Recht zurückgegriffen werden kann, keine Auswirkungen. Es sind auch keine einheitlichen europäischen Rechtstraditionen ersichtlich, die etwa durchweg das Zusprechen von pauschalen Verletzerzuschlägen eröffnen würden. Selbst wenn man Art. 82 Abs. 1 DSGVO selbst eine gewisse Strafschadensfunktion zusprechen wollte (dazu kritisch aber der Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag v. 6.10.2022 – C-300/21, BeckRS 2022, 26562 Rn. 35 ff.), rechtfertigt dies allein keine mehr oder weniger pauschalen „Verletzerzuschläge“ ohne eine klare gesetzliche Grundlage. Das zeigt u.a. auch der Vergleich mit den noch deutlich klareren Immaterialgütern im Bereich der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG (Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. Nr. L 157 vom 30.4.2004, S. 45), die den Bereich der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zwar nicht harmonisiert (dazu Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 371 f., 508), aber wertungsmäßig zum Vergleich hier durchaus auch herangezogen werden kann. Auch dort wird man Verletzerzuschläge – wie schon vor der Harmonisierung (BGH, Urt. v. 6.3.1980 - X ZR 49/78, GRUR 1980, 841 - Tolbutamid) – ohne klare gesetzliche Regelung im nationalen Recht, die Art. 13 Abs. 2 lit b) der Richtlinie („mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums eingeholt hätte“) zwar theoretisch zulassen würde, der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie jedoch ganz ausdrücklich nicht hat regeln wollen (BT-Drs. 16/5048, 62 zu Vorschlägen des Bundesrats), jedenfalls im Regelfall daher nicht zusprechen (st. Rspr., vgl. etwa nur BGH, Urt. v. 22.9.2021 – I ZR 20/21, GRUR 2022, 82 Rn. 14 – Layher; BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 26 – Nachlizenzierung; siehe auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 323 f. m.w.N.). Nichts anderes gilt aber hier, zumal gerade die kontroverse Gesetzgebungsgeschichte dieser Richtlinie zeigt, dass es selbst im klassischen „grünen Bereich“ klar abgrenzbarer Immaterialrechtsgüter keine einheitlichen Rechtstraditionen dazu in Europa gibt. Etwaige denkbare Ausnahmefälle, in denen etwa ein Verletzer sonst gegenüber einem redlichen vertraglichen Lizenznehmer ungerechtfertigte Vorteile hätte, weil etwa Schutzfähigkeitsrisiken im Raum stehen (dazu etwa Mes, PatG, 5. Aufl. 2020, § 139 Rn. 143, 147) und/oder Verwässerungsschäden lizenzerhöhend zu berücksichtigen wären (dazu BeckOK MarkenR/Goldmann, Ed. 32, § 14 Rn. 806), sind im konkreten Fall weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass aber Art. 82 Abs. 1 DSGVO jedenfalls beim materiellen Schadensersatz – um den es hier allein geht – nicht der sog. „Überkompensation“ dienen kann, steht außer Frage und wird – weswegen hier auch von einem sog. acte-clair (dazu EuGH, Urt. v. 06.10.1982 - 283/81, NJW 1983, 1257 - C. I. L. F. I. T., Slg. 1982, 3415 Rdnr. 16 = NJW 1983, 1257) auszugehen ist – auch in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten.

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LAG Baden-Württemberg: 10.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unautorisierter Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen durch ehemaligen Arbeitgeber

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 27.7.2023
3 Sa 33/22

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von 10.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen der unautorisierten Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen hat..

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung des Klägers waren diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000,00 EUR, sondern 10.000,00 EUR als Schadensersatz zuzusprechen.

1. Wegen der Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, kann zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. lit. b der Entscheidungsgründe seines Urteils (Bl. 214 bis 217 d. ArbG-Akte) verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung liegen neben der Sache.

Wenn die Beklagte ausführt, dass „zwischen den Parteien abgestimmt gewesen“ sei, dass die Beklagte das Schulungsvideo auch nach Ausscheiden des Klägers vollumfänglich mit dem Bild des Klägers weiter nutzen könne, so ist nicht ansatzweise ersichtlich, wer - bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person - mit wem wann welche konkrete Regelung vereinbart haben soll. Der Kläger hat eine entsprechende Abrede bestritten.

Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt des Anfertigens des Bildmaterials hiermit und mit der Verwertung des Bildmaterials zu Werbezwecken für die Beklagte einverstanden war, so bedeutet dies nicht, dass dieses Einverständnis über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus fortbestand, zumal der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Anschluss in vergleichbarer Position bei einem Wettbewerber tätig wurde. Vielmehr hätte die Beklagte sämtliche Bildnisse des Klägers von sich aus spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus ihren Werbemedien entfernen müssen (vgl. ArbG Neuruppin 14. Dezember 2021 - 2 Ca 554/21 - ZD 2022, 396). Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan, sondern in der Folgezeit ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblichem Maße beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt.

a) Im Ansatz zu Recht gibt die Beklagte an, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Urheber auslöst (BGH 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 984). Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237). Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.

Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.

b) Nicht ausreichend berücksichtigt hat das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte den Kläger über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen ist. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden (BGH 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

Die Beklagte hat die Angaben des Klägers nicht substanziiert bestritten, wonach sie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 viertägige Lehrgänge zum Erlernen von Foliertechniken angeboten habe, die zum Preis von 1.999,00 EUR von ca. 6 Personen je Lehrgang besucht worden seien. Dabei habe die Beklagte etwa 7.000,00 EUR Gewinn je Lehrgang vereinnahmt. Wie die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer ergeben haben, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer des Lehrgangs aufgrund des den Kläger zeigenden Werbematerials speziell wegen der Person des Klägers bei der Beklagten gebucht haben. Die Beklagte hat nicht mit dem Namen des Klägers geworben, der auch selbst nicht behauptet hat, in der Branche bekannt gewesen zu sein, weshalb Teilnehmer gezielt Schulungen mit ihm besucht haben könnten. Andererseits hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Kläger seine jetzige Position bei Mitbewerbern auch deshalb bekleide, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei. Somit hat die Beklagte einen gewissen Werbeeffekt ausgenutzt, was bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist ebenso wie der Umstand, dass sie vermeiden wollte, das mit viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo nicht mehr unverändert verwerten zu können.

c) Unter Abwägung dieser Umstände hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 10.000,00 EUR für angemessen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht anspruchserhöhend wirkt sich die anwaltliche Vertretung der Beklagten spätestens seit Anfang Februar 2020 aus (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 263/21 - NZA 2022, 1191).


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Volltext LG Düsseldorf liegt vor: 120.000 EURO Schmerzensgeld für Upload von Sexvideos durch Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen

LG Düsseldorf
Urteil vom 14.06.2023
12 O 55/22


Das LG Düsseldorf hat der Klägerin 120.000 EURO Schmerzensgeld für den Upload von Sexvideos durch eine Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen zugesprochen. Der Beklagte wurde zudem zur Unterlassung verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf gemäß § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 ZPO sachlich und gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO örtlich und damit auch international zuständig. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in die absolut geschützte Intimsphäre (bzw. in das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KustUrhG) handelt es sich um Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Der soziale Geltungsanspruch der klagenden Partei ist bereits dann erheblich tangiert, wenn auch nur eine Person aus ihrem Lebenskreis die inkriminierten Bilder und Videos zur Kenntnis genommen hat (vgl. BGH Urt. v. 02.03.2010, VI ZR 23/09 – New York Times). Die streitgegenständlichen Videos waren im hiesigen Gerichtsbezirk abrufbar und wurden u.a. von Freunden und Bekannten der Klägerin abgerufen und gesehen. Im Übrigen hat sich der in Z. ansässige Beklagte rügelos zur Sache eingelassen (Art. 26 EuGVVO).

Schließlich hat die Klägerin gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz EGBGB bestimmt, dass deutsches Recht Anwendung finden soll. Nach dieser Vorschrift kann der Verletzte verlangen, dass anstelle des Rechts des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (Abs. 1 Satz 1), das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist.

II.
1.
Der Klägerin steht nach deutschem Recht gemäß §§ 1004, Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen (schwerer) Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.

Die ohne Erlaubnis der Klägerin durch den Beklagten veranlasste Veröffentlichung der im Tenor unter 1.a) und b) bis o) aufgelisteten 15 Videos im Internet stellt jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Darstellungen des nackten Körpers zählen ebenso wie der Bereich der Sexualität als Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung zur absolut geschützten Intimsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1985, Az. VI ZR 28/93; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 1783/05, Rn. 88, zitiert nach juris).

Die 15 Videos zeigen die Klägerin in Bild und Ton nackt bei verschiedenen sexuellen Handlungen. Die Klägerin ist somit durch die Veröffentlichung intimster, sie im Bild und durch Namen identifizierender Videoaufzeichnungen sowohl in ihrem Recht am eigenen Bild als auch in ihrem Anspruch auf Achtung ihrer absolut geschützten Intimsphäre verletzt, indem der Beklagte ohne Einwilligung der Klägerin und gegen ihren Willen, private Nacktvideos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, weltweit im Internet unter Angabe ihres Namens verbreitet hat.

Die Veröffentlichung der Videos auf den Pornovideoportalen www.de.F..com und www.I..com erfolgte unstreitig durch den Beklagten. Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass er auch für das Hochladen des Videos auf www.F..com verantwortlich ist, wenngleich dies – was wenig glaubhaft ist – laut dem Beklagten bei der Erstellung von GIFs versehentlich geschehen sein soll. Da es im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht auf ein Verschulden ankommt, besteht der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch unabhängig davon, ob – wie der Beklagte behauptet – die Veröffentlichung lediglich versehentlich erfolgt ist.

Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht, da der Beklagte trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat. Dabei begründen bereits die hier vorliegenden Verletzungshandlungen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt. Die bloße Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens oder die einfache schriftliche Ankündigung, dies zu tun, reichen dafür nicht aus (vgl. BGH Urt. v. 02.10.2012, Az. I ZR 82/11, Rn. 58).

Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.

2. Die Klägerin hat ferner gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 120.000,00 €.

Die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen im Streitfall rechtfertigt die Zahlung einer Geldentschädigung, die sich nach der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, nach Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie nach dem Grad seines Verschuldens richtet (BGH, Urt. v. 24.11.2009, Az. VI ZR 219/08, Rn. 11, zitiert nach juris; BGH, NJW 1995, 861 864). Der bloß in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch kann die bereits eingetretene massive Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht kompensieren, da eine unüberschaubare Anzahl von Personen – nicht nur aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin (Bekannte und Freunde), sondern auch diejenigen, denen die Klägerin aufgrund ihrer sportlichen Erfolge bekannt ist – unwiderrufliche Einblicke in ihr intimes Sexualleben erhalten hat, was allgemein als beschämend und kompromittierend empfunden wird und eines Ausgleichs bedarf.

Das erforderliche Verschulden liegt vor. Der Beklagte handelte – wie eine Gesamtwürdigung ergibt – zumindest bei der Veröffentlichung der Videos im Internet vorsätzlich. Alles spricht dafür, dass er die Videos bewusst und somit auch vorsätzlich veröffentlicht hat. Soweit er in der Klageerwiderung vorträgt, er habe die Videos lediglich versehentlich auf der Internetseite www.I..com veröffentlicht, als er diese in „seinem“ privaten Account („Only-me-Account“) habe speichern wollen, steht dies zu dem von der Klägerin geschilderten zeitlichen Ablauf erkennbar im Widerspruch. Denn das erste oben unter I.1.a) genannte Video wurde am 10.02.2021 auf dem Pornovideoportal www.F..com (u.a. unter https://de.F..com/N01/T./) veröffentlicht, während die Veröffentlichungen der 14 weiteren Videos auf dem Pornovideoportal www.I..com erst zwei Tage später, ab dem 12.02.2021, erfolgten, nämlich an dem Tag, an dem der Account eingerichtet worden war. Dies belegen neben dem auf www.F..com genannten Upload-Datum (10.02.2021) auch das dokumentierte Erstelldatum des I.-Account sowie die Screenshots der Suchergebnisse bei „N.“ aus dieser Zeit. Insofern kann der Ursprung der Veröffentlichung des ersten Videos im Internet nicht – wie der Beklagte schildert – in der angeblich versehentlich erfolgten Veröffentlichung auf www.I..com liegen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für ein vorsätzliches Veröffentlichen liegt in der Art und Weise, wie der Beklagte die Videos bei den beiden Pornovideoportalen benannt hat und welche Angaben er bei der Erstellung des I.-Account gemacht hat. Die Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache mit entsprechend anzüglichen Titeln zielt erkennbar auf ein breiteres Publikum. Auch ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte bei der von ihm angeblichen beabsichtigten Geheimhaltung der „Affäre“ den vollständigen Klarnamen der Klägerin für die Benennung des Accounts verwendet, deren Alter und deren Herkunft („Deutschland“) angibt. Denn für den Geheimnisschutz ist es nicht erforderlich, sondern gerade abträglich, dass der Beklagte die von ihm eingegebenen personalisierte Angaben „P., 39 Jahre, weiblich, Deutschland“ macht und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar hoch lädt. In der Tat hätte es dann – wie die Klägerin vorträgt – nähergelegen, dass der Beklagte die Videodateien auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen hätte. Soweit die Klägerin die Existenz der Only-Me-Funktion bestritten hat, hat der Beklagte die technische Möglichkeit und die genaue Arbeitsweise dieser Funktion auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach alldem handelt es sich bei der Behauptung, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.I..com aktiveren wollen bzw. aktiviert, um eine Schutzbehauptung. Die Angaben des Beklagten hierzu sind insgesamt nicht glaubhaft. Dies gilt auch für das angeblich versehentliche Hochladen des einen Videos auf dem Pornovideoportal www.F..com. Wie bei der Erstellung einer kurzen Videoanimation, eines GIFs, (mit welcher Software?) das in Rede stehende Video konkret verwendet wurde, legt der Beklagte bereits nicht dar. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, dass das (behauptete) bloße Verwenden einer Videodatei dazu führt, dass diese im Internet veröffentlicht wird. Insofern passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin vorgetragen hat, dass sie das zuletzt mit dem Beklagten geführte Telefonat irritiert habe, als dieser zu ihr gesagt habe, dass „der Pornokanal jetzt voll sei, bis auf ein gemeinsames Sextape“.

Erfolgt der Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre – wie hier – durch die Veröffentlichung von Nacktvideos und/oder Sexvideos, sprechen die Gerichte den Geschädigten üblicherweise eine Geldentschädigung von mehreren Tausenden von Euro je Veröffentlichungshandlung zu. Die Höhe der Entschädigung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen ist insoweit insbesondere darauf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Bilder bzw. Videos gefertigt wurden, wie der Schädiger an die Bilder bzw. Videos gelangt ist, was auf diesen genau zu erkennen ist, ob die betreffende Person darauf zu erkennen ist bzw. ob Hinweise auf deren Identität gegeben sind, wer von den Bildern bzw. Videos Kenntnis erlangt hat, welche Folgen privater, beruflicher und/oder finanzieller Art die Bekanntgabe der Fotos hatten und aus welchen Motiven heraus (z.B. aus Rache nach einer beendeten Liebesbeziehung) die Veröffentlichung im Internet erfolgte (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2011, 12 O 438/11: 5.000,00 EUR für ein Nacktfoto eines Nacktmodells bei einer Malaktion; LG Kiel, Urt. v. 27.04.2006, Az. 4 O 251/05, NJW 2007, 1002: 25.000,00 EUR für drei Nacktfotos im Internet, die die Geschädigte zum Teil vollständig nackt zeigten, wobei zudem deren vollständiger Name und ihre Anschrift genannt wurde; LG Berlin, Urt. v. 07.10.2014, Az. 27 O 166/14: 15.000,00 EUR für die Veröffentlichung eines Privatpornos im Internet; AG Neukölln, Urt. v. 25.03.2021, Az. 8 C 212/20: 3.000,00 EUR für die Versendung eines Fotos und eines kürzeren Sexvideos über einen Messenger-Dienst an eine Verwandte der betroffenen Person nach dem Ende der Liebesbeziehung; OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15, NJW-RR 2017, 1124: 7.000,00 EUR für ein Foto einer 16-Jährigen, das diese beim Oralverkehr zeigt und OLG Hamm, Urt. v. 03.03.1997, Az. 3 U 132/96, NJW-RR 1997, 1044: 20.000 DM für ungenehmigte Veröffentlichung von Aktfotos auf dem Titelblatt einer Zeitschrift; vgl. hierzu auch die Übersicht bei Krumm, FamRB 2019, 124, 127).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erachtet die Kammer angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Persönlichkeitsverletzungen eine Entschädigung von insgesamt 120.000,00 € für angemessen. Von den 15 Videos enthalten 12 Videos nicht nur Nacktaufnahmen (überwiegend des gesamten Körpers), sondern mehrere Videos auch explizit sexuelle Inhalte und Darstellungen (wie z.B. Masturbationsszenen und (Nah-)Aufnahmen des Intimbereichs und von der Penetration mit einem Sexspielzeug und anderen Gegenständen). Die drei weiteren Videos weisen aufgrund der Handlung und der Bezeichnung („blowjob“) ebenfalls einen erkennbaren sexuellen Bezug auf. Die in Rede stehenden Videos waren bis zur erfolgten Löschung auf insgesamt drei einschlägigen, frei zugänglichen Pornoseiten im Internet weltweit abrufbar, und zwar auf www.I..com für mindestens vier Monate und auf www.Y..com knapp ein Jahr. Insgesamt hat der Beklagte 15 Videos selbst hochgeladen. Zudem waren 14 der Videos im Juni 2021 auch unter wwwB..cc abrufbar. In sämtlichen vorgenannten Videos ist die Klägerin zu erkennen, da ihr Gesicht meist für längere Zeit zu sehen ist. Darüber hinaus ist in mehreren Videos ihre Stimme zu hören, in einzelnen Videos spricht sie direkt in die Kamera und den Beklagten persönlich an. Die Videos sind überwiegend länger als eine Minute, teils aber auch deutlich länger, nämlich bis zu 6 ½ Minuten lang. Die Videos wurden in Einzelfällen bis zu 9.387 Mal angesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte die Videodateien unter Verwendung des Vor- und Nachnamens der Klägerin entsprechend bezeichnet und die Videos auf www.I..com unter einem eigens von ihm unter ihrem Namen eingerichteten Account veröffentlicht hat. Nicht zuletzt dadurch waren die Videos – wie die Klägerin durch die Ausdrucke von Suchanfragen belegt hat – auch mit Hilfe von Suchmaschinen (wie z.B. N.) ohne Kenntnis der Domains der genannten Internetadressen ohne weiteres auffindbar. Da der Beklagte die von ihm veröffentlichten Videos jeweils mit einem neuen Titel unter dem Namen der Klägerin veröffentlicht hat, handelte er bei jeder Veröffentlichung aufgrund eines neu und selbständig gefassten Tatentschlusses.

Bei der Höhe der Bemessung der Geldentschädigung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der in Z. lebende Beklagte als Immobilienmakler für exklusive und hochpreisige Immobilien tätig und Inhaber der Fa. A. ist. Denn bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB können nach höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16.09.2016, Az. VGS 1/16,Rn. 29). Insoweit ist der Hinweis des Beklagten auf den Anfragebeschluss des BGH vom 08.10.2014 überholt.

Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Klägerin die Videos selbst aufgenommen und dem Beklagten per Messenger Dienst-App (O.) übersandt hatte. Die Kammer verkennt somit nicht, dass es sich hier nicht um heimliche Videoaufnahmen von der Klägerin handelt, die ohne Einwilligung veröffentlicht wurden. Aber auch dann, wenn die Veröffentlichung des Videos trotz eindeutiger Bestimmung für den „privaten Gebrauch“ einer einzigen Person, hier dem Beklagten als Empfänger der elektronisch (per O.) versandten Nachricht bestimmt ist, und das Video dann gleichwohl von diesem im Internet für eine unbestimmte Anzahl an Personen auf einem Pornovideoportal öffentlich zugänglich gemacht wird, liegt ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.

3. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 6.009,14 € gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Bei den ihr entstanden Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten. Die Ausgaben waren aus Sicht der Klägerin erforderlich, um eine weitere Rechtsverletzung möglichst schnell zu unterbinden. Angesichts des einheitlichen Auftrags, gegen die widerrechtliche Veröffentlichung der Videos im Internet vorzugehen, ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur gegenüber dem Beklagten tätig geworden (mit der Abmahnung vom 17.01.2022 und dem Aufforderungsschreiben vom 11.02.2022), sondern auch gegenüber den Betreibern der Pornovideoportale www.I..com und www.F..com sowie gegenüber „N.“. Da es sich um eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt, ist insofern nach der Rechtsprechung des BGH ein Gesamtgegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten insgesamt zu bilden, (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2019, Az. VI ZR 403/17). Dieser Gesamtgegenstandswert beläuft sich auf 570.000,00 €.

Im Einzelnen:

Gegenstandswert Abmahnung 150.000,00 €
Geldentschädigung 120.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.I..com 140.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 140.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.F..com 10.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 10.000,00 €
Summe 570,000,00 €

Dabei betrifft das Vorgehen gegen Veröffentlichung unter www.F..com entgegen der Annahme der Klägerin nicht zehn verschiedene Videos, sondern nur ein Video, das lediglich unter zehn unterschiedlichen URLs mit abweichenden Länderkennungen („de“, „es“, „fr“ etc.) auf der Internetseite www.F..com abrufbar war, weswegen der Gegenstandswert insoweit bezüglich der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters gegenüber dem Betreiber des Pornovideoportals „Y.“ und „N.“ lediglich jeweils mit 10.000,00 € zu berücksichtigen war.

Unter Berücksichtigung der geltend gemachten 1,3 Gebühr ergibt sich ein Betrag von 6.009,14 €.

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG 5.029,70 €
Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG 20,00 €
MwSt. 19% 959,44 €
Summe 6.009,14 €

4. Aus den vorstehenden Gründen ist schließlich auch der mit dem Klageantrag zu 4. geltend gemachte Feststellungsantrag begründet. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln des Beklagten, wie im Tenor zu 1. beschrieben, künftig weitere Schäden entstehen. Denkbar ist insbesondere, dass es künftig zu weiteren Veröffentlichungen der hier streitgegenständlichen Videos kommt, die auf die ursprüngliche Veröffentlichung der Videos durch den Beklagten zurückzuführen sind. Für solche künftigen Schäden hat der Beklagte ebenfalls einzustehen.


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