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OLG München: Bestreiten eines Behandlungskontaktes durch bewerteten Arzt löst immer Prüfpflichten des Bewertungsportalbetreibers aus

OLG München
Urteil vom 06.08.2024
18 U 2631/24


Das OLG München hat entschieden, dass das Bestreiten eines Behandlungskontaktes durch einen bewerteten Arzt immer Prüfpflichten des Bewertungsportalbetreibers auslöst.

Aus den Entscheidungsgründen:
B. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der angegriffenen (Text- und Sterne-) Bewertung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die Äußerungen verletzen den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1. Den vom Verfügungskläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch hat das Landgericht – was in der Berufungsinstanz ebenfalls von Amts wegen zu prüfen ist – ohne Rechtsfehler gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht beurteilt; denn der maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland. Der Verfügungskläger hat sein Bestimmungsrecht in der Antragsschrift (auf S. 16) sogar ausdrücklich ausgeübt. Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-Verordnung) ist vorliegend nicht anwendbar, da gemäß deren Art. 1 Abs. 2 lit. g außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Im Übrigen käme aber auch nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung deutsches Recht als das am Erfolgsort geltende Recht zur Anwendung.

2. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG die Sperrung der streitgegenständlichen Bewertung verlangen.

a) Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass die Verfügungsbeklagte insoweit nicht als unmittelbare Störerin bzw. Täterin (siehe dazu BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3074, Rn. 23) haftet (LGU, S. 7 f. unter Ziffer 1).

b) Der Verfügungskläger kann die Verfügungsbeklagte jedoch als mittelbare Störerin in Anspruch nehmen. Denn die Beanstandung der Bewertung durch den Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten hat bei dieser eine Prüfpflicht ausgelöst; sie war daher gehalten, eine Stellungnahme der bewertenden Person einzuholen.

aa) Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.).

Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass Bewertungsportale eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllen. Der vom Hostprovider zu erbringende Prüfungsaufwand darf den Betrieb seines Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Ein solches Gewicht haben rein reaktive Prüfungspflichten, um die es im Streitfall allein geht, in der Regel aber nicht. Auf der anderen Seite kann bei der Bestimmung des zumutbaren Prüfungsaufwands nicht außer Betracht bleiben, dass der Betrieb eines Portals mit Bewertungsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Portalen, insbesondere Nachrichtenportalen, schon von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt. Es birgt die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht wird. Der Portalbetreiber muss deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen – rechtlich zulässig (vgl. § 19 Abs. 2 TTDSG [bzw. seit 14.05.2024: § 19 TDDDG]) – anonym oder unter einem Pseudonym abgegeben werden können. Die Möglichkeit, Bewertungen verdeckt abgeben zu können, erschwert es dem Betroffenen zudem erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßgaben trifft die Verfügungsbeklagte hier eine Verantwortlichkeit als mittelbare Störerin.

(1) Die vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen. Es liegt auf der Hand, dass der Durchschnittsleser bei dieser Sachlage davon ausgeht, die Bewertende habe sich als Patientin beim Verfügungskläger in ärztlicher Behandlung befunden. Dies war auch für die Verfügungsbeklagte ersichtlich, zumal diese in ihren Richtlinien selbst ausdrücklich u.a. darauf hinweist, dass Beiträge „auf tatsächlichen Erfahrungen und Informationen basieren“ müssen (Anlage AS 2). Als „verbotene und eingeschränkt zulässige Inhalte“ benennt die Verfügungsbeklagte u.a. solche, „die nicht auf realen Erlebnissen basieren“ (Anlage AS 3).

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, anders als bei einem reinen Hotelbewertungsportal könne man bei ihrem Dienst z.B. auch Parks, Gebäude oder Naturschauspiele bewerten, bei denen es nicht Voraussetzung sei, dass der Bewertende eine – zumal vertragliche – Beziehung zum bewerteten Ort oder der bewerteten Unternehmung habe, sondern maßgeblich sei allein „eine tatsächliche, wie auch immer geartete Erfahrung des Bewerteten“ greift daher zu kurz. Lediglich der Vollständigkeit halber darf angemerkt werden, dass – sollte die Bewerterin sich nicht – wie in der Rezension explizit behauptet – zweimal vom Verfügungskläger operieren lassen haben, insoweit nicht nur keine vertragliche Beziehung oder zumindest ein Behandlungskontakt vorläge, sondern noch nicht einmal eine betreffende „Erfahrung“. Der Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass Besonderheiten wohl z.B. in einer Sachverhaltskonstellation gelten könnten, in der ein Rezensent in einer Bewertung moniert, ein Regenbogen, den er im Wartezimmer der Praxis des Verfügungsklägers sitzend aus dem Fenster blickend betrachtet habe, habe nur unschön blasse Farben gehabt. Da insoweit nach dem Verständnis des Durchschnittslesers ersichtlich kein Behandlungsverhältnis behauptet wird, sondern der Bewertende ebenso gut etwa auch eine im Wartezimmer des Verfügungsklägers tätige Reinigungskraft sein könnte, wäre ggf. näher zu prüfen, ob die Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten auch eine Stellungnahme des Rezensenten zum klägerseits bestrittenen Behandlungsverhältnis beinhalten müsste. Dies hat mit dem hier einschlägigen – ersichtlich anders liegenden – Fall indes nichts gemein.

Der Verfügungskläger hat bei der Verfügungsbeklagten beanstandet, er bestreite, „dass der Verfasser der Bewertung eine irgend geartete tatsächliche Erfahrung“ mit seiner Arztpraxis gemacht habe. Auf der Grundlage dieser Behauptung, der angegriffenen Bewertung liege kein Patientenkontakt zugrunde – die richtig oder falsch sein kann (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 28) –, war ein Rechtsverstoß für die Verfügungsbeklagte hinreichend unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – zu bejahen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.). Der (unter Bezugnahme auf OLG Köln, Urteil vom 01.09.2015 – 15 U 27/15, BeckRS 2015, 134477 [Anlage AG 4] erhobene) Einwand der Verfügungsbeklagten, die Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens habe von ihr nicht verlangt werden können, weil sie selbst bereits auf der Grundlage der klägerischen Beanstandung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung habe verneinen können, verfängt daher nicht. Vielmehr wusste und weiß die Verfügungsbeklagte im hier zu entscheidenden Fall nicht, ob die Bewerterin überhaupt den behaupteten Behandlungskontakt zum Verfügungskläger hatte; sie konnte und kann daher auch nicht ausschließen, dass dies nicht der Fall war und deshalb eine Verletzung des klägerischen Persönlichkeitsrechts vorliegt.

(2) Zu weitergehenden Angaben als der, dass die Bewertende nicht seine Patientin war, war der Verfügungskläger – anders als die Verfügungsbeklagte meint – auch angesichts der in der angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person der Bewerterin sowie den (angeblichen) Operationen des Verfügungsklägers, denen diese sich unterzogen habe und den betreffenden Folgen nicht verpflichtet. Auf die Frage, ob der Verfügungskläger aufgrund der in der angegriffenen Bewertung enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Patientinnen einzugrenzen, kommt es nicht an (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 39 m.w.N.).

In einer früheren Entscheidung betreffend die Bewertung eines dort klagenden (Zahn-) Arztes durch einen Dritten auf einem von der dortigen Beklagten als Hostproviderin betriebenen Ärztbewertungsportal hatte der Bundesgerichtshof zwar noch wie folgt formuliert: „Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte, die er nicht weiter unterlegt hat. Denn zu konkreteren Darlegungen der Beklagten gegenüber war der Kläger angesichts der Tatsache, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Behandlung beschreibende Angaben enthielt, nicht in der Lage“ (BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – „Ärztebewertungsportal III“, NJW 2016, 2106, 2108, Rn. 26). Inzwischen hat der Bundesgerichtshof aber ausdrücklich klargestellt, dass ein bewerteter Betreiber eines Ferienparks grundsätzlich schon mit der Rüge, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, Prüfpflichten des Bewertungsportals auslöse. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 37).

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass es in dem der letztgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt nicht um die Bewertung eines Arztes, sondern um diejenige eines Ferienparkbetreibers ging. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof nicht judiziert, nur bei Ferienparkbetreibern sei keine nähere Begründung der Behauptung eines fehlenden Gästekontakts geboten, wohingegen es bei bewerteten (Zahn-) Ärzten davon abweichend bei die konkrete Behandlung beschreibenden Bewertungen geboten sei, dass der Bewertete der Beklagten gegenüber konkretere Darlegungen zu seiner Behauptung tätige, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde. So hat der Bundesgerichtshof mit seiner „Hotelbewertungsportal“-Entscheidung seine einen (Zahn-) Arzt betreffenden Ausführungen in der „Ärztebewertungsportal-Entscheidung III“ ausdrücklich „klargestellt“ (siehe BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 37); schon hieraus ergibt sich, dass diese „Klarstellung“ eben nicht nur für Hotelbewertungen, sondern sogar explizit auch für Ärztebewertungen Geltung beansprucht. Der Senat versteht mithin nicht nur den Bundesgerichtshof so, dass insoweit kein Unterschied zwischen der Bewertung von Ärzten und Ferienparkbetreibern/Hoteliers besteht (so wohl auch OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, GRUR-RS 2024, 1814, Rn. 9 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 12.01.2018 – 324 O 63/17, BeckRS 2018, 726, Rn. 24; Frey in Gerecke: Handbuch Social-Media-Recht, 1. Aufl., Kap. 2, Rn. 83 m.w.N.; BeckOGK/T. Hermann, 01.03.2024, § 823 BGB, Rn. 1650; Bauermeister, NJW 2022, 3072, 3076), sondern hält es auch selbst nicht für geboten, insoweit unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Das Landgericht hat zwar zutreffend erläutert, dass es für einen Hotelbetreiber oftmals schwerer sein dürfte, anhand einer Bewertung zu erkennen, ob und ggf. um welchen Gast es sich bei dem Bewerter gehandelt hat, als es für einen plastischen Chirurgen wie den Kläger ist, anhand der Bewertung festzustellen, ob die Bewertende seine Patientin war oder nicht. Allgemeingültige und halbwegs konkrete und abgrenzbare Fallgruppen lassen sich nach diesen Kriterien aber nicht bilden. So gibt es etwa auch größere Arztpraxen oder Krankenhäuser, bei denen eine vergleichbare „Anonymität“ wie in einem Hotel besteht. Andererseits gibt es auch familiäre Pensionen mit nur zwei Gastzimmern, deren Betreiber ihre wenigen Stammgäste sogar besser kennen, als der durchschnittliche Arzt seine Patienten (gegen einen abweichenden Beurteilungsmaßstab in Bezug auf ein dort verfahrensgegenständliches Arbeitgeber-Bewertungsportal auch OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, GRUR-RS 2024, 1814, Rn. 13 f.). Im vorliegenden Verfahren sind jedenfalls keine Umstände dargetan oder ersichtlich, angesichts derer der Verfügungskläger nach den betreffenden Maßgaben des Bundesgerichtshofs – denen der Senat sich anschließt – noch detaillierter als geschehen der Verfügungsbeklagten gegenüber hätte untermauern müssen, worauf er seine Rüge eines fehlenden Behandlungskontakts stützt.

Hinzu kommt, dass die gemäß der Rechtsprechung für ein Bewertungsportal / einen Hostprovider einschlägigen Prüfpflichten auch hinreichend konkret, verständlich und handhabbar sein müssen. Eine allzu „verästelte“ Entwicklung von Ausnahmefallgruppen brächte – auf beiden Seiten – für die betroffenen Akteure auch keine sachgerechte Entlastung. In der Gesamtschau führt die Bejahung einer Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten – in deren Rahmen sie auch gehalten gewesen wäre, die Beanstandung an die Bewerterin zur Stellungnahme weiterzuleiten (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 31) – vorliegend auch bei Berücksichtigung der von der Rechtsordnung gebilligten und gesellschaftlich erwünschten Funktion von Bewertungsportalen nicht dazu, dass diese – rein reaktive – Pflicht und der damit verbundene von der Verfügungsbeklagten zu erbringende Prüfungsaufwand ihren Geschäftsbetrieb wirtschaftlich gefährden oder unverhältnismäßig erschweren würde (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 30). Denn die klaren Kriterien unterliegende und mit nur relativ geringem Durchführungsaufwand verbundene Prüfpflicht stellt sich angesichts des nicht unerheblichen Gewichts der klägerseits angezeigten Rechtsverletzung nicht als überzogen dar.

cc) Somit war die Rüge des Verfügungsklägers, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, hinreichend konkret, um eine Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten inklusive der Weiterleitung der Beanstandung des Verfügungsklägers an die Bewerterin zur Stellungnahme auszulösen.

dd) Es ist auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem es einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedurft hätte, weil sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 30). Diese Fallgruppe ist also nicht bereits dann einschlägig, wenn dem Verfügungskläger die Möglichkeit offenstünde, einen etwaigen Behandlungskontakt durch Prüfung einer Vielzahl von Patientenakten und/oder Abrechnungsunterlagen zu ermitteln. Vielmehr müsste die Patienteneigenschaft der Bewertenden sich dem Verfügungskläger „ohne Weiteres aus der Bewertung“ – also ohne längere Prüfung sowie ohne – über die Lektüre der Bewertung hinausgehende – zusätzliche Rechercheanstrengungen – erschließen. Dies ist vorliegend indes weder dargetan noch ersichtlich:

Der Verfügungskläger hat u.a. insbesondere auch „ausdrücklich und wörtlich bestritten, dass es sich bei dem Verfasser / der Verfasserin um einen Patienten des [Verfügungsklägers] oder um eine Person handelt, die eine eigene Erfahrung mit der Praxis gemacht hat“ (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 08.07.2024, S. 1 = Bl. 50 LG-Akte); hierzu hat er auch eidesstattliche Versicherungen (Anlagen AS 4 und AS 11) vorgelegt.

Der Senat hat den Verfügungskläger im Termin am 06.08.2024 ergänzend auch noch informatorisch angehört. Der Verfügungskläger hat schlüssig und im Einklang mit seinen eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen AS 4 und AS 11) im Einzelnen erläutert, dass und warum er anhand der Bewertung nicht erkennen könne, dass es sich bei der Bewertenden um eine seiner Patientinnen gehandelt hätte und gegebenenfalls um welche. Er führe seit über 20 Jahren nur Nasenoperationen durch; im Schnitt etwa fünf bis sechs pro Woche sowie ca. 300 im Jahr. Die Behandlung ziehe sich im Regelfall über Jahre. Das Risiko einer Revisionsoperation liege bei etwa 20%. Die Bewertung passe – auch wenn man sich insoweit auf die „hard facts“ beschränke – auf keine seiner Patientinnen. Dies betreffe nicht nur Unfallpatientinnen, sondern gelte für seinen gesamten Patientenstamm. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (auf Seiten 2/3) Bezug genommen.

Auf Grundlage der schlüssigen und trotz Detailreichtums widerspruchsfreien Angaben des Klägers, hinsichtlich dessen Glaubwürdigkeit der Senat keinen Anlass für Zweifel hat, ist der Senat in der Gesamtschau mit dessen eidesstattlichen Versicherungen davon überzeugt, dass es diesem auf Grundlage der Bewertung nicht möglich ist, ohne Weiteres auf die Identität des Bewertenden zu schließen.

ee) Die Grenze des Rechtsmissbrauchs (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 37) ist vorliegend ebenfalls nicht überschritten.

(1) Dies könnte etwa angenommen werden, wenn – anders als im hiesigen Verfahren – davon auszugehen wäre, dass der Verfügungskläger in Wahrheit weiß, dass die Bewerterin eine seiner Patienten war. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wäre es dem Verfügungskläger bei dieser Sachlage verwehrt, gegen die Verfügungsbeklagte den streitgegenständlichen Anspruch geltend zu machen (siehe dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.09.2022 – 5 U 117/21, GRUR 2023, 91, 93 f., Rn. 25).

Zwar muss der Verfügungskläger seine Behauptung, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, darlegen und beweisen (bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft machen). Dies andererseits aber grundsätzlich eben erst auf Grundlage der ihm von der Verfügungsbeklagten nach Aufforderung der Bewerterin zur Stellungnahme übermittelten Informationen. In Fällen, in denen indes schon vor Einholung der Stellungnahme der Bewerterin feststeht, dass der Verfügungskläger wahrheitswidrig behauptet, es hätte keinen Behandlungskontakt gegeben, kann dem Anspruch beklagtenseits schon auf dieser Ebene der Einwand der Treuwidrigkeit entgegengehalten werden. Zum Bestehen eines Behandlungskontaktes hat das Landgericht im angegriffenen Urteil keine Feststellungen getroffen.

Zuzugeben ist der Verfügungsbeklagten zwar, dass der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers sich ausweislich des Internetauftritts seiner Kanzlei darauf spezialisiert hat, bundesweit Google-Bewertungen löschen zu lassen. Hierbei wirbt er insbesondere auch damit, man könne sogar rechtmäßige Bewertungen löschen lassen, indem man den Portalbetreiber durch eine Beanstandung bzw. Beschwerde veranlasse, ein Prüfverfahren einzuleiten, wenn sich in dessen Rahmen herausstelle, „dass die Bewertung nicht rechtens war“. Der Senat verkennt nicht diesbezüglich denkbare Missbrauchsgefahren bezüglich der Rechtsprechung zum Prüfverfahren. Dies kann aber gleichwohl keinen Generalverdacht rechtfertigen und schon gar nicht erbringt dies den Nachweis, dass der Verfügungskläger nicht nur aus Prozesstaktik, sondern überdies auch noch wahrheitswidrig behaupten würde, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde.

Zur Frage eines etwaigen Behandlungskontakts hat der Senat den Verfügungskläger deshalb im Termin am 06.08.2024 ebenfalls informatorisch angehört. Der Verfügungskläger hat dargelegt, dass und warum er davon ausgehe, dass die Bewertung nicht von einer Patientin stamme. Der Ton in der „Branche“ sei „rauher“ geworden. Nicht nur Kollegen, sondern auch der Berufsverband warne bereits vor kursierenden Falschbewertungen. Er habe im betreffenden Zeitraum keine Patientin gehabt, auf welche die Bewertung passe. Dies gelte auch, wenn man etwaige „Übertreibungen“ in der Bewertung „ausklammere“. Es passe auch schlicht nicht zusammen, dass man eine Patientin, deren Nase gebrochen gewesen sei und die präoperativ über Atemschwierigkeiten geklagt habe, operiere und die Nase dann postoperativ größer sei. Größer werde die Nase vielmehr nur, wenn man dies absichtlich durch den Eingriff herbeiführe. Gegebenenfalls plane er dies mittels Computersimulation im Beisein der Patientin. Es gebe zwar einzelne Details aus der Bewertung, die bei Patientinnen tatsächlich vorkämen; in der in der Bewertung geschilderten Kombination sei ein solcher Fall, wie er in der Bewertung geschildert werde, aber bei keiner seiner Patientinnen passiert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auch diesbezüglich auf das Sitzungsprotokoll (auf Seiten 2/3) Bezug genommen.

Insoweit überzeugten die Angaben des Verfügungsklägers den Senat ebenfalls. Auch auf kritische Nachfragen zu Einzelheiten seines Sachvortrags und seiner beiden eidesstattlichen Versicherungen blieb der Verfügungskläger keine schlüssige Erklärung schuldig, sondern konnte durchweg überzeugend erläutern, dass und warum er davon ausgehe, dass es sich nicht um die Bewertung einer tatsächlich von ihm behandelten Patientin handeln könne.

Wenn man unterstellt, die Bewerterin wäre tatsächlich beim Verfügungskläger in Behandlung gewesen und hätte sich von diesem zweifach an der Nase operieren lassen, müsste der Verfügungskläger sie aus Sicht des Senats zwar wohl grundsätzlich identifizieren können. So äußert sich die Bewertung recht detailliert zu den seitens der Rezensentin prä- und postoperativ beklagten Beschwerden sowie zum Behandlungsablauf. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Verfügungskläger die Patientin in Wahrheit kennt. Denn in den Blick genommen werden muss die Tatsache, dass nach dem Sach- und Streitstand gar nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Bewerterin überhaupt beim Verfügungskläger in Behandlung war. Vielmehr kann die gesamte Bewertung z.B. von einem Konkurrenten stammen bzw. beauftragt worden sein und jeglicher Tatsachengrundlage entbehren. Es steht also gerade nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Bewertung tatsächlich von einer Patientin stammt, die beim Verfügungskläger in Behandlung war und die er anhand der detaillierten Angaben zu einem angeblichen Behandlungsverlauf tatsächlich erkennen könnte. In der Gesamtschau kann zur Überzeugung des Senats daher nicht davon ausgegangen werden, dem Verfügungskläger wäre bekannt, dass die Bewerterin tatsächlich Patientin bei ihm war und dass er wahrheitswidrig das Gegenteil behauptet, um in diesem Verfahren zu obsiegen.

(2) Von Rechtsmissbrauch wäre ferner auszugehen, wenn sich die Geltendmachung des verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruchs als treuwidrig (§ 242 BGB) bzw. als Verstoß gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) darstellen würde.

Die Argumentation der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Bewertung sei bereits derart detailreich, dass von der seitens des Verfügungsklägers begehrten, von der Verfügungsbeklagten bei der Bewerterin zu erholenden Stellungnahme ohnehin keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten wären, greift indes in zweierlei Hinsicht zu kurz.

Erstens könnte selbst dann nicht ohne Weiteres vom Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses des Verfügungsklägers an der Durchsetzung des verfahrensgegenständlichen Anspruchs ausgegangen werden, wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten unterstellen wollte, dass eine von dieser bei der Bewerterin angefragte Stellungnahme zur Beanstandung des Verfügungsklägers keine über die angegriffene Bewertung hinausgehenden Erkenntnisse bringen würde. Denn der Verfügungskläger macht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht etwa einen betreffenden Auskunftsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte geltend. Vielmehr nimmt er die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der Verbreitung der Bewertung in Anspruch. Die die Verfügungsbeklagte diesbezüglich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung treffenden Prüfpflichten und das Erfordernis, insoweit die Bewerterin zur Stellungnahme aufzufordern (siehe dazu BGH, 2110, Rn. 42 f.), ist lediglich ein prozeduraler „Zwischenschritt“ im Rahmen der die Verfügungsbeklagte treffenden sekundären Darlegungslast (siehe dazu BGH, 2110, Rn. 42 ff.). Auf Grundlage der ihm übermittelten – ggf. hinreichend anonymisierten – Stellungnahme hätte es dem Verfügungskläger dann im Weiteren ggf. oblegen, den fehlenden Behandlungskontakt zu beweisen. Hinsichtlich der Durchsetzung des verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruchs kann dem Verfügungskläger indes ein schutzwürdiges Eigeninteresse nicht abgesprochen werden.

Zweitens ist auch nicht etwa dargetan oder ersichtlich, dass eine etwaig eingeholte Stellungnahme der Bewerterin für den Verfügungskläger keinen über die Bewertung hinausgehenden Erkenntnisgewinn gebracht hätte. Vielmehr ist diese Frage gänzlich offen. Es steht noch nicht einmal fest, ob die anonym verfasste Bewertung tatsächlich von einer Patientin des Verfügungsklägers stammt oder etwa von einem Konkurrenten, der diesen lediglich schädigen will. Außerdem ist es möglich, dass die Erstellerin der Rezension trotz Aufforderung der Verfügungsbeklagten gar keine Stellungnahme abgegeben hätte, so dass die Verfügungsbeklagte die Bewertung schon deshalb hätte sperren müssen. Ferner hätte es passieren können, dass die Bewerterin Rechnungen (vgl. dazu Bauermeister, NJW 2022, 3072, 3076) oder Behandlungsunterlagen vorgelegt hätte, die – dem Verfügungskläger in anonymisierter Fassung zur Verfügung gestellt – diesem die Beweisführung eines fehlenden Behandlungskontakts ermöglicht hätten. In den Blick zu nehmen ist überdies, dass die Rezension zwar umfangreich ist, aber in vielen Punkten aus Wertungen / Meinungen besteht, die nicht „objektiv richtig oder falsch sind“; selbst, wenn es sich tatsächlich um Formulierungen einer Patientin des Verfügungsklägers handeln sollte, lassen weite Teile der Bewertung für den Verfügungskläger daher potentiell selbst dann keine belastbare Zuordnung zu konkreten Behandlungsvorgängen zu, falls diese tatsächlich stattgefunden haben sollten.

Umstände, die es rechtfertigen würden, dem Verfügungskläger wegen Treuwidrigkeit bereits in der „Vorstufe der Prüfungspflichten“ der Verfügungsbeklagten die Möglichkeit abzuschneiden, im Wege der Einholung einer Stellungnahme der Bewerterin die Frage des Vorliegens eines klägerseits bestrittenen Behandlungskontakts zu hinterfragen, sind hier mithin weder dargetan noch ersichtlich.

ff) Somit hat die Rüge des Verfügungsklägers bei der Verfügungsbeklagten einer Prüfpflicht ausgelöst. Dieser ist die Verfügungsbeklagte unstreitig nicht nachgekommen; vielmehr hat sie jede Nachfrage bei ihrer Nutzerin verweigert. Daher ist davon auszugehen, dass der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde liegt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 40). Bei diesem Sach- und Streitstand stellen sich etwaige in der Bewertung enthaltene Tatsachenbehauptungen als unwahr dar; soweit es Meinungsäußerungen / Werturteile betrifft, entbehren diese jeglicher Tatsachengrundlage. Die Bewertung verletzt daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.; siehe auch BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – Ärztebewertungsportal III, NJW 2016, 2106, 2108, Rn. 36 m.w.N.). Die Verfügungsbeklagte als mittelbare Störerin, die ihre Prüfungspflicht verletzt hat, ist verpflichtet, derartige Störungen künftig zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 27 m.w.N.), so dass der Verfügungskläger verlangen kann, dass sie die Bewertung sperrt.

3. Die für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der von der Verfügungsbeklagten mit der Veröffentlichung der Bewertung begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung vermutet. Die Verfügungsbeklagte hat diese Vermutung nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.

4. Ob der Verfügungskläger den Unterlassungsanspruch – wie von ihm geltend gemacht – überdies auch auf eine Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen kann, kann dahinstehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Facebook darf Posts mit Fehlinformationen zu Corona und zur Corona-Impfung löschen

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.11.2024
16 U 52/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Facebook Posts mit Fehlinformationen zu Corona und zur Corona-Impfung löschen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Facebook - Löschung von Posts mit Fehlinformationen
Facebook darf Posts mit Fehlinformationen zur Wirksamkeit und Gefährlichkeit der Corona-Impfung löschen.

Die Nutzungsbedingungen berechtigten Facebook, Beiträge mit „Falschmeldungen“ u.a. in Form von „Fehlinformation zu Impfstoffen“ zu löschen. Voraussetzung ist, dass die Informationen nach Einschätzung sachverständiger Gesundheitsbehörden oder führender Gesundheitsorganisationen falsch sind und wahrscheinlich zu einer Impfverweigerung beitragen. Sie dürfen zudem keine sachbezogene Kritik am derzeitigen Erkenntnisstand darstellen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Berufung des Klägers, mit der er die erneute Freischaltung des gelöschten Posts begehrte, gestern zurückgewiesen.

Der Kläger postete auf der von der Beklagten betriebenen Plattform Facebook einen Beitrag zur Wirksamkeit und Gefährlichkeit von Impfstoffen gegen Covid-19-Viren. Er hatte diesen Beitrag seinen eigenen Angaben nach einem „verschwörungsideologischen Kanal“ entnommen. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und informierte den Kläger entsprechend. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos.

Mit seiner Klage beantragte er vor dem Landgericht u.a. die erneute Freischaltung dieses Beitrags. Dieses Begehren hatte auch in der Berufung keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch, dass die Beklagte den Beitrag wieder freischalte, führte der zuständige Pressesenat aus. Zwar habe sich die Beklagte im Rahmen des Nutzungsvertrags verpflichtet, dem Kläger ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen. Sie dürfe deshalb Beiträge des Klägers nicht grundlos löschen. Der hier streitige Beitrag habe jedoch gegen die über die neuen Nutzungsbedingungen einbezogenen Regelungen in den Gemeinschaftsstandards zu „Falschmeldungen“, u.a. „Fehlinformationen zu Impfoffen“ verstoßen. Demnach sei die Beklagte zur Entfernung von Beiträgen berechtigt, wenn die Gesundheitsbehörden zu dem Schluss gekommen sind, dass die Informationen falsch sind und wahrscheinlich zu einer Impfverweigerung beitragen. Nicht erforderlich sei, dass wissenschaftlich mit „absoluter Sicherheit“ feststehe, dass es sich um unwahre Tatsachen handele. Hier habe die Beklagte für drei in dem Post enthaltene Äußerungen belegt, dass es sich um derartige Fehlinformationen handele:

Die im Beitrag enthaltene Behauptung, dass die Covid-19-Impfstoffe gemäß „von der britischen Regierung und der Universität Oxford veröffentlichter Studien“ nicht „wirkten“, habe die Beklagte durch zahlreiche gegenteilige Studien widerlegt. Die weitere Behauptung, dass nach einem „internen Dokument der Ärztekammer“ vor den „tödlichen Nebenwirkungen nach der Auffrischung gewarnt“ werde und es zu „schwersten Nebenwirkungen“ komme, habe die Beklagte u.a. durch Vorlage des Informationsblattes des Bundesministeriums für Gesundheit zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe ebenfalls widerlegt. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass - wie vom Kläger behauptet - der Bundesgesundheitsminister mittlerweile eine erhebliche Zahl an Impfschäden einräume. Insbesondere sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Covid-19-Impfungen und Long-/Post-Covid ähnlicher Symptomatik nicht durch Studien belegt. Schließlich habe die Beklagte die Behauptung, dass ein „internationales Team von Wissenschaftlern“ das Vorhandensein von „Toxinen und Graphenoxiden“ in Impfstoffen festgestellt habe, durch Verweis auf einen Recherchetext von correktiv.org zum Fehlen von „Graphenoxiden“ widerlegt. Dieser journalistische Text zitiere eine Auskunft der Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts und der Pressesprecherin der europäischen Arzneimittelbehörde. Dem habe der Kläger nichts entgegengesetzt.

Die Regelungen hielten auch einer Inhaltskontrolle bei Vornahme der gebotenen Abwägung der Meinungsfreiheit der Nutzer einerseits und der Berufsfreiheit der Beklagten andererseits stand. Für das hier maßgebliche Verbot von Fehlinformationen bestehe ein sachlicher Grund. Die Beklagte nehme ein legitimes öffentliches Interesse wahr. Dem Kläger werde mit der Regelung auch nicht die Äußerung einer bestimmten politischen Ansicht untersagt. Das Verbot beziehe sich allein auf Tatsachenäußerungen, nicht auf politische Meinungen. Eine sachbezogene Kritik an Corona-19-Virus-Impfungen wäre zudem nicht von dem Löschungstatbestand erfasst.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2024, Az. 16 U 52/23
(Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.1.2023, Az. 2-03 O 71/22)



OLG Nürnberg: Plattformbetreiber wie YouTube haften auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung

OLG Nürnberg
Urteil vom 23.07.2024
3 U 2469/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie YouTube auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung haften.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt.

aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando).

bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.).

Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 52).

Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 41). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 16 Rn. 51).

cc) Die Haftungsbeschränkung des § 10 S. 1 TMG galt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hotelbewertungsportal). Es kann dahinstehen, ob dies auch für Art. 6 DSA angenommen werden kann (vgl. BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 61 ff.; NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 27 f.). Denn jedenfalls lässt Art. 6 Abs. 4 DSA – ebenso wie zuvor schon Art. 14 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie – die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern (vgl. (BGH a.a.O. Rn. 20 – www.jameda.de). Betroffen hiervon sind vor allem zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Materiell fußen derartige Anordnungen im deutschen Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Grundsätzen der Haftung als mittelbare Störer analog § 1004 BGB (BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 64).

dd) Ob die vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht (so Müller-Terpitz/Köhler/Barudi, DSA, 1. Aufl. 2024, Art. 16 Rn. 33; auch kritisch zur Vermischung der Kenntniserlangung nach § 10 TMG und den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung MüKoStGB/Altenhain, 4. Aufl. 2023, TMG § 10 Rn. 17), kann im Streitfall offenbleiben. Allerdings sprechen nach Auffassung des Senats verschiedene Umstände gegen einen solchen Widerspruch, zumal Erwägungsgrund 50 S. 1 des DSA auf die besonders wichtige Rolle des Hostingdiensteanbieters beim Umgang mit rechtswidrigen Online-Inhalten verweist.

Zum einen steht die Kenntniserlangung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSA in Wechselwirkung mit dem nach Art. 16 DSA einzurichtenden Meldeverfahren. Diese Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sollen nach Art. 16 Abs. 3 DSA bewirken, dass für die Zwecke des Art. 6 DSA von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation ausgegangen wird, wenn sie es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Auch Art. 16 Abs. 6 DSA enthält eine Verpflichtung zu einer Beschwerdeentscheidung, die sorgfältig, frei von Willkür und objektiv ist (vgl. NK-DSA/Raue, a.a.O. Art. 16 Rn. 62). Und die Pflicht zur sorgfältigen Bearbeitung einer Meldung nach Art. 16 Abs. 3 DSA kann eine Beteiligung des Verfassers des Betrags implizieren.

Zum anderen kann diese Obliegenheit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider unter die Regelung des Art. 6 Abs. 4 DSA subsumiert werden. Nach dieser Vorschrift lässt die in Abs. 1 enthaltene Privilegierung die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. Dies kann auch eine auf der Störerhaftung beruhende und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls begründete Pflicht des Providers zur Klärung der Berechtigung der Beanstandung des Betroffenen unter Einbeziehung einer Stellungnahme des Nutzers umfassen.

c) Vor dem Hintergrund dieser materiellen Anforderungen an ein Tätigwerden des Hostproviders trifft den Portalbetreiber in prozessualer Hinsicht bezüglich der für die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange maßgeblichen Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Klagepartei insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und sie auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Dabei kann der Portalbetreiber auch eine Recherchepflicht haben. Diese ist ihm grundsätzlich zumutbar, da er auf Grund seiner materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten sein kann, vom User zusätzliche Angaben und Belege zu den Tatsachen zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht seine Obliegenheit, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vom Nutzer entsprechende Informationen zu fordern. Kommt der Portalbetreiber dieser Obliegenheit nicht nach, sind die Tatsachenbehauptungen der Klagepartei nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 47-49 – www.jameda.de).

Dieser Grundsatz aus dem „Jameda-Urteil“ zur Darlegungslast entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Sie führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Prozessgegners, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2014, 657, Rn. 17, 18 – BearShare; BGH GRUR 2009, 871, Rn. 27 – Ohrclips).

Daraus folgt, dass die sekundäre Darlegungslast des Hostproviders und die daran anknüpfende Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht greifen, wenn entweder die Tatsachen aus dem angegriffenen Beitrag aus der Sphäre des Betroffenen stammen oder dem Betroffenen eine weitere Sachverhaltsaufklärung – beispielsweise durch eine eigene Kontaktierung des Nutzers – möglich und zumutbar ist.

2. Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (nachfolgend unter Buchstabe a)) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (nachfolgend unter Buchstabe b)). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst (nachfolgend unter Buchstabe c)). Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast veranlasst (nachfolgend unter Buchstabe d)).

a) Folgender Rechtsrahmen ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Senat streitentscheidend:

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O. Rn. 30 – www.jameda.de). Dabei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der bewerteten Partei am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer (Berufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen.

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH GRUR 2013, 312 Rn. 12 – IM „Christoph“). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse.

Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder).

Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 38).

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 20).

Ein Anspruch steht grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch den Beitrag individuell und unmittelbar betroffen ist. Die Äußerung muss sich, so wie sie vom Verkehr verstanden wird, mit dem Anspruchstellenden befassen oder in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder gewerblichen Leistungen stehen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 262). Das ist primär derjenige, der in der Äußerung erwähnt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann in Konstellationen angenommen werden, die auf einem sehr engen Näheverhältnis beruhen (Ehefrau und Ehemann / Eltern und Kinder), wobei in diesen Fällen nicht jede (ehrverletzende) Äußerung ausreicht, sondern die Äußerung sich auch jeweils auf das Persönlichkeitsbild der mittelbar betroffenen Person auswirken muss. Darüber hinaus kann bei einem Verband auch ein Verbandsmitglied betroffen sein, wenn durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbands zugleich auch das eigene Persönlichkeitsbild des Mitglieds mit der Vorstellung eines Minderwertes belastet ist (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 94). Schließlich kann bei juristischen Personen auch der unmittelbar Verantwortliche wie etwa der Alleingesellschafter und Geschäftsführer anspruchsberechtigt sein (BeckOK InfoMedienR/Söder, 44. Ed. 1.5.2024, BGB § 823 Rn. 74).

b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs können die angegriffenen Äußerungen nicht als unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzungen qualifiziert werden. Entweder handelt es sich dabei um – eine Abwägung notwendig machende – Meinungsäußerungen, keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder nicht den Kläger unmittelbar betreffende Aussagen.

aa) Bei der explizit den Kläger namentlich nennenden Aussage
„Herr W., der überall als Manager von W. genannt wird – zusammen mit Herrn Prof. R. – sind nur Teilhaber der Gesellschaft“
handelt es sich um eine zulässige Tatsachenbehauptung. Denn der Kläger behauptet selbst, Gesellschafter der W. GmbH zu sein. Dies entspricht der umgangssprachlichen Formulierung „Teilhaber der Gesellschaft“.

Gleiches gilt für die Behauptung, dass Herr W. nach außen als Manager der W. GmbH auftrete. Auch diese Äußerung ist nach dem Klägervortrag zutreffend, da der Kläger in der Klageschrift ausführt, dass Herr W. in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig sei und die Tätigkeiten der Gesellschaft bei Veranstaltungen im Iran vorstelle.

bb) Bei der unmittelbar auf den Kläger bezogenen Äußerung
„Diese Personen (L., R., W.), die in die Taschen (der Menschen im Iran) greifen und ihnen das Geld herausziehen (rauben) […]“
handelt es sich um ein Werturteil, welches – da es nicht als Schmähkritik einzustufen ist – eine Abwägung der Grundrechtsbelange erfordert und deshalb nicht eine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.

(1) Es handelt sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, da die angegriffene Aussage Tatsachen und Meinungen derart vermengt, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde.

Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem sich in dem Video Äußernden maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden über das Geschäftsgebaren der W. GmbH insgesamt auszudrücken. Mit der Aussage wird nicht etwa ein konkreter Sachverhalt geschildert, in dem der Kläger anderen Personen „in die Taschen“ greife und so im Wege des Diebstahls oder Betrugs Geld aus diesen Taschen an sich nehme. Es wird vielmehr deutlich, dass hier eine wertende Äußerung, nämlich die subjektive Ansicht des sich Äußernden zum Ausdruck kommt. Er vermittelt sein eigenes Werturteil, indem er zeigt, dass nach seiner Auffassung das gerügte Verhalten der W. GmbH unredlich ist, weil die Betroffenen keine angemessene Gegenleistung für ihre Bezahlung erhalten. Das ist eine subjektive Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass selbst die Verwendung von Wörtern wie „Betrug“ oder auch „betrügerisch“ oder „Machenschaften“ nicht als Tatsachenbehauptung einer Strafbarkeit anzusehen ist, sondern als Werturteil im alltagssprachlichen Sinne (vgl. nur BGH GRUR 2015, 289, Rn. 10 – Hochleistungsmagneten; OLG Hamburg MMR 2011, 685 [688]; BGH NJW 2002, 1192 [1193]). In seiner Entscheidung Hochleistungsmagneten hielt der BGH etwa die Bezeichnungen als „groß angelegten Schwindel“ oder „Betrug“ für (zulässige) Meinungsäußerungen, da sie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der dortigen Klägerin zum Ausdruck brachten und damit eine subjektive Wertung. Selbst wenn man diese Begriffe als Entäußerung einer Rechtsauffassung verstehen wollte, änderte dies nichts an deren Zulässigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn. 10 – Hochleistungsmagneten).

(2) Die für die Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffene Äußerung als Schmähkritik zu qualifizieren wäre und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätte.

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH a.a.O. Rn. 18 – Hochleistungsmagneten).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihr ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Der Beitrag bezieht sich – für den verständigen Durchschnittsrezipienten erkennbar – insgesamt auf den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der W. GmbH. Diese Auseinandersetzung in der Sache tritt nicht, wie es bei der Schmähkritik der Fall wäre, vollständig in den Hintergrund, so dass die gesamte Kommentierung sich auch nicht in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Die Äußerung stellt ebenso wenig eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da sie noch nicht das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 – 204 StRR 292/23, Rn. 30). Gerade im Geschäftsverkehr muss man sich auch scharfe und überzogen formulierte Kritik gefallen lassen (vgl. BGH NJW 2015, 773 Rn. 19).

(3) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung wäre somit im Rahmen einer Gesamtabwägung der Schutzinteressen des lediglich in seiner Sozialsphäre betroffenen Klägers und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Klägers nicht unschwer bejaht werden.

cc) Die weitere unmittelbar auf den Kläger bezogene Äußerung
„Noch trauriger ist, dass weder Herr W. noch Prof. R. Fachkenntnisse in Arbeitsvermittlung haben.“
enthält ebenfalls keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Auch wenn die Äußerung insgesamt auf einem – eine Abwägung bedingenden – Werturteil beruht, enthält sie die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger über keine (besonderen) Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfüge, weil sie insoweit beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Auch wenn der Begriff der „Fachkenntnisse“ nicht eindeutig ist, enthält die Aussage für den angesprochenen Verkehr den nachprüfbaren Tatsachenkern, dass der Kläger keine langjährige Berufserfahrung und/oder Schulung durch umfassende Praxis und fundierte theoretische Kenntnisse im Bereich der Arbeitsvermittlung hat.

Dieser Tatsachenkern ist bereits nach den Darlegungen des Klägers nicht unzutreffend. Denn der Kläger trägt lediglich vor, dass er Professor an der Fakultät Betriebswirtschaft der T. Hochschule und lange Koordinator für die Iran-Aktivitäten der T. Hochschule gewesen sei. Seit 2008 habe er den Iran häufig besucht und sei mit den kulturellen und institutionellen Gegebenheiten im Iran und mit der Lage am deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Zudem betreue er in seiner Funktion als Hochschullehrer seit Jahren auch MBA-Studierende aus dem Iran. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht, dass er über spezifische – entweder durch Schulungen oder langjährige Praxiserfahrungen erworbene – Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfügen würde, mag er auch Kenntnisse und Erfahrungen auf verwandten Gebieten besitzen, die für derartige Tätigkeiten nützlich sind.

Soweit in der Aussage darüber hinaus die fachliche Eignung des Klägers in Frage gestellt wird, handelt es sich um ein Werturteil, bei dem eine umfassende Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen erforderlich ist (vgl. BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat), weshalb keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.

dd) Auch die – nicht den Kläger unmittelbar persönlich, sondern lediglich die W. GmbH betreffende – Äußerung
„Die Katastrophe scheint noch viel größer zu sein, wenn wir feststellen, dass die Firma gar nicht existiert, und die Adresse, die sie auf ihrer Website angibt, eigentlich zu einer Versicherungsfirma gehört“
kann nicht unschwer als Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden.

Zum einen ist – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung in Bezug auf dessen Aktivlegitimation veranlasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entsprechend enges Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der W. GmbH weder dargelegt noch erkennbar ist. Vielmehr ist der Kläger unstreitig lediglich Teil des „Teams“ des Unternehmens, hat aber bereits nach seinem eigenen Vortrag keine repräsentative Rolle inne, da nicht er, sondern Herr W. „in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig [ist] und […] die Tätigkeiten der Gesellschaft auch bei Veranstaltungen im Iran vor[stellt]“. Auch ist er nicht Geschäftsführer der Gesellschaft. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger in einem besonders engen Zusammenhang zu der W. GmbH stehe, sind nicht dargetan. Insbesondere bleibt seine Tätigkeit für die W. GmbH auf seinem eigenen Internetauftritt unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich die über die W. GmbH getroffenen Äußerungen abträglich auf das Persönlichkeitsbild des Klägers auswirken.

Zum anderen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Videos, dass dieses nicht die rechtliche Existenz der W. GmbH in Abrede stellt, da der Beitrag – indem an anderer Stelle ausdrücklich auf die Handelsregistereintragung Bezug genommen wird – selbst davon ausgeht, dass die W. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsempfänger versteht die angegriffene Äußerung daher dahingehend, dass darin als Tatsachenkern behauptet wird, dass der Geschäftsbetrieb der W. GmbH unter der auf der Webseite angegebenen Adresse physisch nicht auffindbar ist. Dieser Tatsachenkern ist nicht offenkundig unzutreffend, da die W. GmbH unstreitig in Bürogemeinschaft mit der Versicherungsfirma O. ansässig ist und sich deren Büroräume mit dieser teilt.

Die in dem Beitrag getroffene Schlussfolgerung in Bezug auf die (physische) Inexistenz der GmbH stellt eine die Abwägung erfordernde Meinungsäußerung dar.

ee) In Bezug auf die Äußerung
„Die W. GmbH verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung in Deutschland. Um dies in Deutschland tun zu dürfen, ist aber eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eine zwingende Voraussetzung, die die W. GmbH jedoch nicht hat“
stehen dem Kläger ebenfalls keine Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten zu.

Zum einen ist auch hinsichtlich dieser Aussage – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung zur Aktivlegitimation erforderlich. Auf die obigen Ausführungen unter B.III.2.b) dd) wird Bezug genommen.

Zum anderen ist unstreitig, dass die Aussage, wonach die W. GmbH über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung verfüge, an sich zutreffend ist. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob eine solche Erlaubnis für die von der W. GmbH betriebene Arbeitsvermittlung rechtlich erforderlich ist oder nicht. Da die Beurteilung dieser Frage eine nicht unkomplizierte Rechtsprüfung notwendig macht, ist auch aus diesem Grund keine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Darüber hinaus handelt es sich bei der Einschätzung der Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der W. GmbH um eine rechtliche Bewertung, somit eine Meinungsäußerung.

ff) Die Äußerung
„Um die Wahrheit zu erfahren, reicht es nur, dass wir die Eintragung im Handelsregister der W. GmbH in Deutschland prüfen. Da entdecken wir einen Haufen Betrügereien und Lügen.“
ist als Meinungsäußerung in Bezug auf die W. GmbH zu qualifizieren, weshalb auch diesbezüglich die Beklagte nicht als mittelbare Störerin haftet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

c) Vor diesem Hintergrund lag im Streitfall kein Hinweis auf unschwer zu bejahenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers vor, aufgrund dessen die Beklagte die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Inhalte ohne Weiteres hätte feststellen können. Daher war auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Störerhaftung keine Bewertung des gesamten Sachverhalts durch die Beklagte einschließlich der Einholung einer Stellungnahme des Journalisten Herrn J. veranlasst, weshalb – wie bereits ausgeführt – der Senat nicht entscheiden muss, ob diese vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit der Durchführung eines „Anhörungsverfahrens“ durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht.

d) Im vorliegenden Fall kann – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts – auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte in prozessualer Hinsicht ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam. Deshalb sind die tatsächlichen vom Kläger vorgetragenen Umstände in Bezug auf die Beanstandungen aus dem streitgegenständlichen Video auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.

Zum einen fehlt es – wie soeben ausgeführt – an einem die materielle Prüfpflicht auslösenden Hinweis auf eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Zum anderen ist der Journalist Herr J., der das streitgegenständliche Video auf dem You-Tube-Kanal A. hochlud, den Gesellschaftern der W. GmbH bekannt. Vor Klageerhebung hatten sie mehrere E-Mails an ihn übersandt. Außerdem war das Video bereits zuvor der Geschäftsführerin der W. GmbH zugespielt worden. Anders als bei einem Bewertungsportal – bei dem der Nutzer zulässigerweise anonym auftreten kann, weshalb der bewertete Arzt diesen nicht kennt und sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 38 f. – www.jamede.de) – stehen dem Kläger in Bezug auf die Äußerungen im Video durchaus Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Zwar sieht der Senat, dass der Journalist auf die ihm übersandten Mails nicht reagiert hatte. Es besteht jedoch beispielsweise die Möglichkeit, unmittelbar gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Dass ein solches Vorgehen gegen den in den USA wohnhaften Journalisten unzumutbar ist, trägt der Kläger nicht vor.

Schließlich handelt es sich bei den streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen – anders als beispielsweise der behauptete Behandlungskontakt eines anonymen Nutzers – um solche aus der Sphäre des Klägers. Der Kläger hat den besten Einblick in die W. GmbH, seinen Aufgaben darin oder seinen Fachkenntnissen in der Arbeitsvermittlung. Ihm ist Vortrag dazu möglich und zumutbar.

Deshalb trifft die Beklagte im vorliegenden Fall keine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die zu treffende Abwägungsentscheidung.

IV. Auch aus Art. 17 DSGVO ergibt sich kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.

1. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass sich aus Art. 17 DSGVO grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Person ergeben kann (vgl. dazu Vorlagefrage des BGH in GRUR 2023, 1724 – Bewerbungsprozess).

Auch sieht der Senat, dass die Anwendbarkeit der DSGVO vom Gesetz über digitale Dienste unberührt bleibt (Art. 2 Abs. 4 lit. g DSA). Der Schutz von Einzelpersonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll sogar einzig durch die Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich, insbesondere durch die DSGVO, geregelt werden (Erwägungsgrund 10 UA 3 S. 2 DSA).

Schließlich geht der Senat davon aus, dass das von dem Journalisten Herrn J. hochgeladene Video auch personenbezogene Daten des Klägers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthält.

2. Der Senat kann offenlassen, ob das Betreiben einer Videoplattform, auf der Dritte personenbezogene Daten hochladen können, eine Verarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt und der Hostprovider dafür als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Provider dadurch in Bezug auf die in dem von dem Nutzer hochgeladenen Video – anders als hinsichtlich der Daten der Nutzer und Besucher der Seiten (vgl. dazu EuGH NJW 2018, 2537 Rn. 30 – ULD/Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein) – lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellt. Auch wird der Content vom Provider nicht wie von einer Suchmaschine automatisch indexiert und den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung gestellt (vgl. dazu BGH GRUR 2020, 1331 Rn. 13 – Recht auf Vergessenwerden).

3. Die Frage des Vorliegens einer Verarbeitung kann dahinstehen, weil unabhängig davon der Kläger aufgrund der nachfolgend genannten Umstände keinen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten als Hostproviderin geltend machen kann.

a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, muss der Betroffene nachweisen, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist (BGH GRUR 2023, 1218 Rn. 33 – Recht auf Vergessenwerden II). Zwar hat der Bundesgerichtshof den für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer bestehenden Maßstab – wonach dieser aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt haben muss – für den Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zugunsten einer grundsätzlich gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aufgegeben (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II). Doch entspricht die Voraussetzung des bisher erforderlichen Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung letztlich der nunmehr maßgeblichen Voraussetzung eines relevanten und hinreichenden Nachweises, dass die in den gelisteten Inhalten enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II).

b) Die Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zum vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregime von Suchmaschinenbetreibern nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf die Haftung von Hostprovidern führt im Streitfall dazu, dass aufgrund der erforderliche Abwägung der Unionsgrundrechte eine Löschung von der Beklagten nicht verlangt werden kann.

Zum einen gilt auch beim Provider, dass dieser – anders als der Inhalteanbieter, der den von ihm selbst generierten Inhalt unmittelbar zu verantworten hat – wie der Suchmaschinenbetreiber nur einen erleichterten Zugang zu diesem Content verschafft und damit mittelbar dessen Verbreitung fördert. Dieser unterschiedliche Grad an Einflussmöglichkeit auf die Richtigkeit des Inhalts bedingt auch bei der Haftung des Providers nach der DSGVO eine abgestufte, durch unterschiedliche Verhaltenspflichten gekennzeichnete Haftung. Auch beim Plattformprovider ergibt sich eine Auslistungspflicht nur als Folge der Verletzung nachgelagerter, durch eine initiale Meldung von Betroffenen ausgelösten Prüfungs- und Reaktionspflichten.

Zum anderen kann im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO durchzuführenden Abwägung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information die Vorschrift des Art. 6 DSA – der die Frage der Haftung des Hostproviders explizit regelt – nicht außer Acht gelassen werden. Die darin geregelte Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers mit entsprechenden Haftungsprivilegierungen in Gestalt eines notice and take down-Verfahrens – das dem Modell des Bundesgerichtshofs zur Haftung des mittelbaren Störers entspricht – muss auch für das unionale Datenschutzrecht gelten, sollte das Verhalten von Plattformen diesem unterliegen. Andernfalls würden die bewusst differenzierenden Regelungen des DSA umgangen, da bei entsprechendem Verständnis jedes Verhalten eines Host-Providers zugleich eine Datenverarbeitung wäre und damit einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSA begründen würde.

c) Da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte nicht als sogenannte mittelbare Störerin für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht als Auslistungsverlangen in der Sache berechtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Anspruch auf Entfernung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO kann auch gegenüber Google Ireland und nicht nur Google USA geltend gemacht werden

OLG Köln
Urteil vom 04.07.2024
15 U 60/23

Das OLG Köln hat entschieden, dass der Anspruch auf Entfernung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO auch gegenüber Google Ireland und nicht nur gegenüber Google USA geltend gemacht werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Berufung hat Erfolg. Der Klageantrag zu 1 ist entgegen der Auffassung des Landgerichts zulässig und begründet. Über den in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Antrag zu 3 ist deshalb nicht zu entscheiden.

a) Der mit dem Antrag zu 1 b geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

aa) In Fällen, in denen ein Betroffener - wie vorliegend der Kläger - vom Betreiber einer Internetsuchmaschine die Auslistung bestimmter Ergebnislinks verlangt, ist das in Art. 17 Abs. 1 DSGVO niedergelegte Recht auf Löschung schon aufgrund der für den Betroffenen letztlich unwägbaren und zudem stetem Entwicklungsfortschritt unterworfenen technischen Voraussetzungen der beanstandeten Datenverarbeitung nicht auf das schlichte Löschen von Daten zu verengen, sondern es umfasst unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Begehren, eine erneute Listung zu unterlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22, GRUR 2023, 2472 Rn. 20 mwN).

bb) Die Haftung der Beklagten ist nicht subsidiär gegenüber der Haftung derjenigen Personen, die für die Veröffentlichung des Artikels vom 00.00. 2019 unmittelbar verantwortlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 - VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 12; vgl. auch EuGH, Urteil vom 8.12.2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184).

cc) Der für das Auslistungsbegehren erforderliche Antrag ist jedenfalls in der Klageschrift zu sehen, in der der Kläger die Beklagte in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18, BGHZ 237, 137 Rn. 29 mwN). Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass der Antrag keine Rückwirkung entfaltet, trifft dies zwar zu. Für den Unterlassungsanspruch kommt es jedoch nur darauf an, dass der Antrag geeignet ist, für die Zukunft eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten zu begründen.

dd) Der auf den Internetseiten, auf die in den Suchergebnissen verwiesen wird, veröffentlichte Artikel vom 00.00. 2019 enthält unstreitig den Kläger betreffende personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO).

ee) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte Verantwortlicher. Verantwortlicher ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, von der auch das Landgericht ausgegangen ist, soll durch die weite Definition des Ausdrucks „Verantwortlicher“ ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person gewährleistet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - C-231/22, NJW 2024, 641 Rn. 28). Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, ist, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nummern 1 und 2 DSGVO einzustufen. Ferner ist der Betreiber einer solchen Suchmaschine als für diese Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 49 mwN). Vorliegend ist unstreitig, dass die Beklagte in Deutschland und anderen europäischen Ländern Betreiberin der MN.-Suchmaschine ist (vgl. auch LG München, Urteil vom 22. März 2023 - 26 O 1037/21, MMR 2023, 602 Rn. 29).

Unerheblich ist es, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag lediglich den Zugang zu der Suchmaschine anbietet, während die Entscheidungen darüber, wie auf eine Suchanfrage reagiert wird und wie die relevanten Suchergebnisse angezeigt werden, nicht von ihr, sondern der MN. LLC getroffen werden. Bei seiner abweichenden Würdigung hat das Landgericht ebenso wie die Landgerichte Rostock und Mosbach in ihren von der Beklagten als Anlage BB 1 vorgelegten Entscheidungen (LG Rostock, Urteil vom 24. Mai 2023 - 3 O 95/22; LG Mosbach Urteil im Verfahren 2 O 86/24) nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits die Anzeige personenbezogener Daten auf einer Seite mit Suchergebnissen eine Verarbeitung dieser Daten darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 57; zu einer Veröffentlichung auch EuGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - C-231/22, NJW 2024, 641 Rn. 28). Indem die Beklagte - wie von ihr selbst vorgetragen - den deutschen Internetnutzern den Zugang zur MN.-Suchmaschine anbietet, stellt sie den Nutzern die von ihrer Muttergesellschaft aufbereiteten Suchergebnisse bereit und führt damit, soweit personenbezogene Daten in Rede stehen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO aus (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 28; LG Heidelberg, Urteil vom 31. März 2023 - 6 S 1/22, juris Rn. 32). Dass die Beklagte sich die Inhalte der verlinkten Internetseiten zu eigen macht, ist dafür nicht erforderlich, weshalb die entsprechenden Erwägungen des Landgerichts dahinstehen können.

Ebenfalls unerheblich ist es, dass in der auf der Seite MN..com veröffentlichten Datenschutzerklärung die MN. LLC als zuständige Datenverantwortliche benannt ist. Denn nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts kann die Beklagte sich nicht durch eine Datenschutzerklärung von ihrer aus den tatsächlichen Umständen folgenden Verantwortlichkeit befreien.

Soweit das Kammergericht in einem von der Beklagten vorgelegten Hinweisbeschluss (Beschluss vom 4. Februar 2022 - 10 W 1024/20, Anlage B 5) eine Verantwortlichkeit der Beklagten letztlich allein mit der Erwägung verneint hat, der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 13) habe ausgeführt, dass im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Suchmaschine MN. die MN. LLC Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO sei, überzeugt dies nicht. Denn eine Verantwortlichkeit der MN. LLC schließt es, wie auch die Vorschrift des § 26 DSGVO zeigt, nicht aus, dass daneben auch die Beklagte Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist (vgl. LG München, Urteil vom 22. März 2023 - 26 O 1037/21, MMR 2023, 602 Rn. 29; LG Heidelberg, Urteil vom 31. März 2023 - 6 S 1/22, juris Rn. 32).

ff) Die personenbezogenen Daten des Klägers werden unrechtmäßig verarbeitet (Art. 17 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO) und die Verarbeitung ist nicht erforderlich zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe a DSGVO). Die insoweit gebotene Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, nämlich der Grundrechte des Klägers auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) sowie des Rechts der Beklagten auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh), des Rechts der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) und der Informationsinteressen der Nutzer (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 20 ff.; vom 3. Mai 2022 - VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 14 ff.) geht zu Gunsten des Klägers aus. Denn der Artikel vom 00.00. 2019 enthält zumindest eine für das Gesamtverständnis des Artikels bedeutsame Information, die tatsächlich unwahr ist und die der Kläger nicht hinnehmen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 65; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2020 - VI ZR 476/18, GRUR 2020, 1338 Rn. 24; Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18, BGHZ 237, 137 Rn. 32).

(1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obliegt der Person, die wegen der Unrichtigkeit eines aufgelisteten Inhalts die Auslistung begehrt, der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 68; BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18, BGHZ 237, 137 Rn. 33 f.).

Der Betreiber der Suchmaschine ist im Rahmen der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 17 Abs. 3 Buchstabe a DSGVO nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist. Daher ist der Betreiber der Suchmaschine bei der Bearbeitung eines solchen Antrags nicht verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und hierfür mit dem Inhalteanbieter einen kontradiktorischen Schriftwechsel zu führen, der darauf gerichtet ist, fehlende Angaben zur Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts zu erlangen. Denn da eine solche Verpflichtung den Betreiber der Suchmaschine dazu zwingen würde, selbst einen Beitrag zum Nachweis der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des aufgelisteten Inhalts zu erbringen, würde sie zu einer Belastung dieses Betreibers führen, die über das hinausginge, was von ihm im Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich, seine Befugnisse und seine Möglichkeiten vernünftigerweise erwartet werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 70 f.).

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 72).

Wenn die fraglichen Informationen zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen können, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Information besondere Bedeutung beizumessen. Zudem wäre eine Auslistung von Artikeln mit der Folge, dass es schwierig würde, im Internet Zugang zu der Gesamtheit dieser Artikel zu haben, auch dann unverhältnismäßig, wenn sich nur bestimmte Informationen, die im Hinblick auf den gesamten Inhalt dieser Artikel von untergeordneter Bedeutung sind, als unrichtig erweisen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 73 f.).

(2) Gemessen daran hat im Streitfall der Kläger den ihm obliegenden Nachweis durch sein Vorbringen in der Klageschrift geführt.

Er hat aufgezeigt, dass die in dem Artikel vom 00.00. 2019 aufgestellte Behauptung, auf einem von ihm auf seinem Blog geposteten und neben dem Artikel gezeigten Bild habe er an der Uniform einen Patch des T. getragen, offensichtlich nicht der Wahrheit entspricht. Der Kläger hat durch Vorlage zweier Lichtbilder des von ihm getragenen Abzeichens (Anlage K 3) und durch Vorlage zweier Internetausdrucke (Anlagen K 4 und 5) belegt, dass das von ihm getragene Abzeichen einem von der Logistikschule der Bundeswehr verwandten Logo (Anlage K 4) entspricht und sich - was bei Betrachtung der Anlagen K 3 bis 5 bereits auf den ersten Blick klar erkennbar ist - stark unterscheidet von dem Vereinszeichen des Y. TR. (Anlage K 5). Dass das als Anlage K 3 vorgelegte Lichtbild dasselbe Abzeichen zeigt, das der Kläger auch auf dem im Artikel vom 00.00. 2019 eingeblendeten Foto getragen hat, ist jedenfalls bei einer Vergrößerung des eingeblendeten Fotos, die der Beklagten ebenso wie dem Senat unschwer möglich ist und die Beklagte nicht unzumutbar belastet, ebenfalls hinreichend erkennbar. Soweit der Senat das Foto in der mündlichen Verhandlung als nicht eindeutig bezeichnet hat, bezog sich dies, wie der Senat von Anfang ausgeführt und auf den Einwand des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits in der Verhandlung auch nochmals klargestellt hat, nicht auf den angeblichen Patch des T., sondern nur auf den angeblichen DR.-Orden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Falschbehauptung nicht wertneutral. Denn zwar bestreitet der Kläger nicht, Mitglied im T. zu sein, der in dem Artikel vom 00.00. 2019 als ein „„Zitat wurde entfernt““ vorgestellt wird. Die angegriffene Falschbehauptung enthält aber eine Kritik am Kläger, die über den Vorwurf der Mitgliedschaft in einem militaristischen Verein hinausgeht. Mit der angegriffenen Falschbehauptung wird dem Kläger nämlich vorgehalten, sich auch bei der Ausübung seines Dienstes als N. und beim Tragen einer Uniform öffentlich als Mitglied des Verbandes zu erkennen gegeben zu haben, weshalb er „„Zitat wurde entfernt““ müsse. Ein derartiger Vorwurf ist deutlich schwerwiegender.

Die Falschbehauptung, der Kläger habe auf dem Foto einen Patch des T. getragen, ist auch kein ganz unbedeutender Teil des Artikels vom 00.00. 2019. Denn zwar enthält der Artikel eine Vielzahl weiterer Informationen und ist der Kläger nicht der einzige Politiker, der in dem Artikel vorgestellt wird. Die Vorstellung seiner Person ist aber für den Gesamtinhalt des Artikels zumindest ebenso bedeutend wie die Vorstellung der anderen Personen, zumal die den Kläger betreffenden Ausführungen an zweiter Stelle stehen und außer ihm nur noch zwei weitere Politiker auch im Bild gezeigt werden. Es kommt noch hinzu, dass der Kläger eine Auslistung nur insoweit begehrt, als die Nutzer der Suchmaschine Suchbegriffe eingeben, die zumindest seinen Nachnamen enthalten. Für diese Nutzer wird die Vorstellung des Klägers typischer Weise von größerer Bedeutung sein als die Vorstellung der anderen Politiker. Schließlich ist die Falschbehauptung betreffend das angebliche Tragen eines Patches des T. auch im Verhältnis zu den anderen den Kläger betreffenden Aussagen nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Das folgt schon daraus, dass die fragliche Falschbehauptung durch das den Kläger zeigende Foto belegt werden soll. Zudem ist - wie ausgeführt - der gegen den Kläger gerichtete Vorwurf, er habe sich bei der Ausübung seines Dienstes als OM. als Mitglied eines militaristischen Verbandes zu erkennen gegeben, von erheblicher Tragweite.

Des Weiteren fällt entgegen der Auffassung der Beklagten die Abwägung nicht deshalb zu ihren Gunsten aus, weil dem Kläger die erfolgreiche Inanspruchnahme derjenigen Personen, die für die Veröffentlichung des Artikels vom 00.00. 2019 unmittelbar verantwortlich sind, möglich und - ohne erhebliche Maßnahmen und Zeitaufwand - zumutbar wäre. Die für diesen - möglichen - Einwand darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 - VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 56) hat hierzu jedenfalls nicht ausreichend vorgetragen. Nach dem unwiderlegten Vortrag des Klägers war ihm eine Inanspruchnahme anderer Verantwortlicher nicht zuzumuten, weil die hinter den beiden fraglichen Internetseiten stehende Antifaschistische Aktion und die für sie handelnden Personen nicht greifbar und die Registrare der beiden Domains im Ausland ansässig sind.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht es dem Auslistungsbegehren des Klägers schließlich auch nicht entgegen, dass die Beklagte den Artikel vom 00.00. 2019 dem Antrag des Klägers zufolge nicht schon bei bloßer Eingabe des Namens des Klägers (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 80), sondern nur bei zusätzlicher Eingabe weiterer - im Antrag wiedergegebener - Suchbegriffe nicht anzeigen soll. Der Kläger hat insoweit zu Recht geltend gemacht, dass allein auf Grund der Eingabe der weiteren Suchbegriffe nicht davon ausgegangen werden kann, dass der jeweilige Nutzer den rechtswidrigen Drittinhalt bereits kennt und gezielt nach ihm sucht.

Da das Auslistungsbegehren nach alledem alleine auf Grund der Falschbehauptung, der Kläger habe auf dem Foto einen Patch des T. getragen, gerechtfertigt ist, kommt es auf die Angriffe des Klägers gegen weitere Inhalte des Artikels vom 00.00. 2019 nicht an.

b) Der mit dem Antrag zu 1 a geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG.

Das neben dem Artikel vom 00.00. 2019 gezeigte Lichtbild wird urheberrechtlich jedenfalls nach § 72 Abs. 1 UrhG geschützt. Das Recht stand nach § 72 Abs. 2 UrhG zunächst der Ehefrau des Klägers als Lichtbildnerin zu, da die Ehefrau das Bild nach den nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, die Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefern (§ 314 Satz 1 ZPO), aufgenommen hat. Der Umstand, dass das Foto nach Angaben des Klägers im Bereich seiner Arbeitsstelle aufgenommen worden ist, schließt es im Übrigen keineswegs aus, dass die Ehefrau das Bild aufgenommen hat. Mit Vertrag vom 15. März 2021 hat die Ehefrau als Rechteinhaberin dem Kläger das ausschließliche, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht eingeräumt, das Lichtbild umfassend zu nutzen, weshalb nunmehr der Kläger aktiv legitimiert ist. Dafür, dass die Ehefrau vor Abschluss des Vertrags Rechte an dem Bild an Dritte übertragen hatte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Dadurch, dass die Beklagte ihren Nutzern Hyperlinks auf die beiden im Klageantrag wiedergegebenen Internetseiten anzeigt, auf denen das Lichtbild veröffentlicht ist, verletzt sie ein unbenanntes ausschließliches Recht des Klägers zur öffentlichen Wiedergabe des Lichtbildes (§ 15 Abs. 2 UrhG). Zwar ist die Bereitstellung eines Hyperlinks nur dann als öffentliche Wiedergabe anzusehen, wenn der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Link Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk schafft, etwa weil er vom Urheberrechtsinhaber zuvor darauf hingewiesen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 11/16, GRUR 2018, 178 Rn. 55, 67).

Ein solcher Hinweis ist aber im Streitfall mit den vorgerichtlichen Abmahnungen und dem Vortrag in der Klageschrift erfolgt. Der Kläger hat insbesondere durch Vorlage des schriftlichen Vertrags vom 15. März 2021 hinreichend nachgewiesen, dass seine Ehefrau das Bild aufgenommen und sie dem Kläger umfassende Nutzungsrechte eingeräumt hat. Dass der Vereinbarung nicht das Ursprungsbild, sondern offenbar nur ein Screenshot des Verletzungsmusters beigefügt war, ändert daran nichts.

Die öffentliche Wiedergabe des Fotos ist - wovon sich die Beklagte ohne eingehende rechtliche Prüfung überzeugen konnte und kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 u.a., GRUR 2021, 1054 Rn. 116) - auch nicht nach § 51 Satz 1 UrhG zulässig. Nach dieser Vorschrift ist die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Eine solche Rechtfertigung scheidet im Streitfall offensichtlich aus. Der Zweck der Nutzung des Fotos lag vorliegend darin, dass es dem Verfasser des Artikels vom 00.00. 2019 als Beleg für seine Behauptungen diente, der Kläger habe an seiner Uniform einen Patch des T. - eines Militaristenverbandes - und ein Abzeichen des DR.-Ordens - eines seltsamen Templerordens - getragen. Bei der ersten Behauptung handelt es sich - wie ausgeführt - um eine Falschbehauptung, deren Unwahrheit der Kläger der Beklagten gegenüber nachgewiesen hat. Zum Beleg der zweiten Behauptung ist das Foto nicht geeignet, weil das fragliche Abzeichen auf dem Foto schon nicht hinreichend deutlich zu erkennen ist; hiervon geht die Beklagte selbst aus. Unter diesen Umständen ist nicht zweifelhaft, dass das Recht des Verfassers des Artikels auf Meinungsfreiheit hinter dem Recht des Klägers am geistigen Eigentum zurücktreten muss.

Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte sich erstmals in der mündlichen Verhandlung auf § 50 UrhG berufen hat. Die insoweit gebotene Abwägung der betroffenen Grundrechte (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 228/15, GRUR 2020, 859 Rn. 48) geht aus den oben zu § 51 UrhG genannten Gründen zu Lasten der Beklagten aus. Aus den als Anlage BB2 vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Hamburg (Beschluss vom 21. Februar 2023 - 308 O 2/23) und des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 4. August 2023 - 5 W 3/23) folgt nichts anderes, weil in dem von diesen Gerichten entschiedenen Fall eine Falschbehauptung nicht in Rede stand.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BPatG: Farbmarke NJW-Orange wird nicht gelöscht da der Beck Verlag den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung durch Gutachten erbracht hat

BPatG
Beschluss vom 19.06.2024
29 W (pat) 24/17


Das BPatG hat entschieden, dass die Farbmarke NJW-Orange wird nicht gelöscht wird, da der Beck Verlag den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung durch Gutachten erbracht hat.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Kommanditist hat keinen Anspruch auf Löschung von Wohnort und Geburtsdatum aus dem Handelsregister nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO

BGH
Beschluss vom 23.01.2024
II ZB 8/23
DSGVO Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1; HGB § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, § 162 Abs. 1; HRV § 40 Nr. 5 Buchst. c

Der BGH hat entschieden, dass ein Kommanditist keinen Anspruch auf Löschung von Wohnort und Geburtsdatum aus dem Handelsregister nach Art . 17 Abs. 1 DSGVO hat.

Leitsätze des BGH:
a) Der Kommanditist hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister.

b) Der Kommanditist hat keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch das Registergericht aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1 DS-GVO.

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 - II ZB 8/23 - OLG Celle - AG Walsrode

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: GmbH-Geschäftsführer hat keinen Anspruch auf Löschung von Wohnort und Geburtsdatum aus dem Handelsregister nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO

BGH
Beschluss vom 23.01.2024
II ZB 7/23
DSGVO Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1; GmbHG § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1; HGB § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1; HRV § 24 Abs. 1, § 43 Nr. 4 Satz Buchst. b


Der BGH hat entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer keinen Anspruch auf Löschung von Wohnort und Geburtsdatum aus dem Handelsregister nach Art . 17 Abs. 1 DSGVO hat.

Leitsätze des BGH:
a) Der Geschäftsführer einer GmbH hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister.

b) Der Wohnort des Geschäftsführers einer GmbH ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

c) Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre. Auch ein Anspruch aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO auf Einschränkung der Verarbeitung besteht in diesem Fall nicht.

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 - II ZB 7/23 - OLG Celle - AG Walsrode

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EuGH: Datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde darf auch ohne Antrag des Betroffenen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen

EuGH
Urteil vom 14.03.2024
C‑46/23


Der EuGH hat entschieden, dass eine datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde auch ohne Antrag des Betroffenen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen darf.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 58 Abs. 2 Buchst. d und g der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter in Ausübung ihrer in diesen Bestimmungen vorgesehenen Abhilfebefugnisse selbst dann zur Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen darf, wenn die betroffene Person keinen entsprechenden Antrag auf Ausübung ihrer Rechte nach Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung gestellt hat.

2. Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass sich die Befugnis der Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anzuordnen, sowohl auf bei der betroffenen Person erhobene als auch auf aus einer anderen Quelle stammende Daten beziehen kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Schutz personenbezogener Daten: Die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats kann selbst dann die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten anordnen, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt hat

Eine solche Löschung kann sich sowohl auf bei der betroffenen Person erhobene als auch auf aus einer anderen Quelle stammende Daten beziehen.

2020 beschloss die Kommunalverwaltung Újpest (Ungarn), Personen, die zu einer von der Covid-19-Pandemie gefährdeten Gruppe gehörten, finanziell zu unterstützen. Sie ersuchte deshalb die ungarische Staatskasse und die Regierungsbehörde des IV. Bezirks der Hauptstadt Budapest, ihr die zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

Aufgrund eines Hinweises stellte die zuständige ungarische Datenschutzbehörde (im Folgenden: Aufsichtsbehörde) fest, dass sowohl die Verwaltung Újpest als auch die ungarische Staatskasse und die Regierungsbehörde gegen Regelungen der DSGVO1 verstoßen hatten. Entsprechende Geldbußen wurden verhängt.

Die Aufsichtsbehörde stellte fest, dass die Verwaltung Újpest die betroffenen Personen innerhalb der dafür geltenden Frist von einem Monat weder über die Verwendung ihrer Daten und den Zweck dieser Verarbeitung noch über ihre Datenschutzrechte informiert hatte. Zudem wies sie die Verwaltung Újpest an, die Daten anspruchsberechtigter Personen, die keine Unterstützung beantragt hatten, zu löschen.

Die Verwaltung Újpest hat diese Entscheidung beim Hauptstädtischen Stuhlgericht (Ungarn) angefochten und macht geltend, die Aufsichtsbehörde sei nicht befugt, die Löschung personenbezogener Daten anzuordnen, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt habe.

Das ungarische Gericht ersucht den Gerichtshof um Auslegung der DSGVO.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats von Amts wegen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten anordnen darf, also selbst dann, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, falls eine solche Maßnahme zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist, die darin besteht, über die umfassende Einhaltung der DSGVO zu wachen. Erkennt die Aufsichtsbehörde, dass eine Datenverarbeitung nicht der DSGVO entspricht, so muss sie dem festgestellten Verstoß abhelfen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person zuvor keinen Antrag gestellt hat. Denn das Erfordernis einer solchen Antragstellung würde bedeuten, dass der Verantwortliche bei fehlendem Antrag die betreffenden personenbezogenen Daten weiterhin speichern und unrechtmäßig verarbeiten dürfte.

Außerdem kann die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten unabhängig davon anordnen, ob sie unmittelbar bei der betroffenen Person erhoben wurden oder aus einer anderen Quelle stammen.


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EuGH: Nachweis der früheren Offenbarung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters u.a. durch Rihanna-Fotos auf ihrem Instagram-Account - Puma-Geschmacksmuster für Schuhmodell nichtig

EuGH
Urteil vom 06.03.2024
T-647/22
Puma ./. EUIPO - Handelsmaatschappij J. Van Hilst


Der EuGH hat entschieden, dass ein Puma-Gemeinschaftsgeschmacksmuster für ein Schuhmodell nichtig ist. Grund ist der Nachweis der früheren Offenbarung eines älteren Gemeinschaftsgeschmacksmusters u.a. durch Fotos der Künstlerin Rihanna auf ihrem Instagram-Account.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die frühere Offenbarung eines Schuhmodells von Puma durch die Künstlerin Rihanna hat die Nichtigerklärung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zur Folge

Das Gericht bestätigt die Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

Mit Entscheidung des EUIPO vom 11. August 2022 erwirkte die Handelsmaatschappij J. Van Hilst (HJVH) die Nichtigerklärung eines im August 2016 zugunsten von Puma eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Turnschuhe. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das EUIPO aus, dass Robyn Rihanna Fenty (bekannt als Rihanna) Schuhe getragen habe, die ein älteres Geschmacksmuster mit den gleichen Merkmalen wie das eingetragene Geschmacksmuster aufgewiesen hätten, und zwar zwölf Monate vor Einreichung der Anmeldung. Unter diesen Umständen war das EUIPO der Auffassung, dass das ältere Geschmacksmuster offenbart worden sei, was die Nichtigerklärung des eingetragenen Geschmacksmusters rechtfertige.

Das Gericht weist die von Puma gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab.

HJVH hatte zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung u. a. Fotos des Instagram-Kontos „badgalriri“ vorgelegt, die auf Mitte Dezember 2014 datiert waren und sich auf die Ernennung von Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma bezogen. Auf diesen Fotos war zu sehen, dass Rihanna ein Paar weiße Turnschuhe mit einer dicken schwarzen Sohle trug. Die Fotos wurden in mehreren Artikeln in Online-Zeitschriften abgebildet

HJVH hatte zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung u. a. Fotos des Instagram-Kontos „badgalriri“ vorgelegt, die auf Mitte Dezember 2014 datiert waren und sich auf die Ernennung von Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma bezogen. Auf diesen Fotos war zu sehen, dass Rihanna ein Paar weiße Turnschuhe mit einer dicken schwarzen Sohle trug. Die Fotos wurden in mehreren Artikeln in Online-Zeitschriften abgebildet.

Das Gericht bestätigt die Beurteilung des EUIPO, wonach diese Fotos für den Nachweis einer Offenbarung des älteren Geschmacksmusters ausreichen, und dass die Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs Kenntnis von dieser Offenbarung haben konnten. Hierzu stellt es fest, dass auf den dem Instagram-Account mit dem Namen „badgalriri“ entnommenen, im Dezember 2014 verbreiteten Fotos alle wesentlichen Merkmale des älteren Geschmacksmusters mit bloßem Auge oder mithilfe einer Vergrößerung dieser Fotos erkennbar sind.

In diesem Zusammenhang weist das Gericht das Vorbringen von Puma zurück, wonach sich im Dezember 2014 niemand für die Schuhe von Rihanna interessiert und daher niemand das ältere Geschmacksmuster wahrgenommen habe. Im Dezember 2014 war Rihanna nämlich ein weltweit bekannter Popstar. Dies impliziert, dass ihre Fans und die Fachkreise im Modebereich zu diesem Zeitpunkt ein besonderes Interesse an den Schuhen entwickelt hatten, die sie am Tag der Unterzeichnung des Vertrags trug, durch den der Star Kreativdirektorin von Puma wurde.

Nach alledem hat das EUIPO nach Ansicht des Gerichts zu Recht angenommen, dass das ältere Geschmacksmuster im Dezember 2014 offenbart worden war, so dass das angemeldete Geschmacksmuster für nichtig erklärt werden konnte.


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EuGH: Lebenslange Speicherung biometrischer und genetischer Daten von Straftätern ohne regelmäßige Notwendigkeitsprüfung verstößt gegen DSGVO

EuGH
Urteil vom 30.01.2024
C-118/22

Der EuGH hat entschieden, dass die lebenslange Speicherung biometrischer und genetischer Daten von Straftätern ohne regelmäßige Notwendigkeitsprüfung gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

Tenor der Entscheidung:
Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und e der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates in Verbindung mit ihren Art. 5 und 10, ihrem Art. 13 Abs. 2 Buchst. b und ihrem Art. 16 Abs. 2 und 3 sowie im Licht der Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass

er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die vorsehen, dass die Polizeibehörden zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung personenbezogene und insbesondere biometrische und genetische Daten, die wegen einer vorsätzlichen Offizialstraftat rechtskräftig verurteilte Personen betreffen, speichern, und zwar bis zum Tod der betroffenen Person und auch im Fall ihrer Rehabilitierung, ohne den Verantwortlichen zu verpflichten, regelmäßig zu überprüfen, ob diese Speicherung noch notwendig ist, und ohne dieser Person das Recht auf Löschung dieser Daten, sobald deren Speicherung für die Zwecke, für die sie verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich ist, oder gegebenenfalls das Recht auf Beschränkung der Verarbeitung dieser Daten zuzuerkennen.

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EuG: Unionsmarke NOAH für Polohemden und Sweater nicht wegen Verfalls zu löschen - Nutzung des Logos in leicht abgewandelter Form ausreichend

EuG
Urteil vom 24.01.2024
T-562/22
Noah Clothing / EUIPO – Noah (NOAH)


Das EuG hat entschieden, dass die Unionsmarke NOAH für Polohemden und Sweater nicht wegen Verfalls zu löschen ist. Die Nutzung des Logos in leicht abgewandelter Form war insoweit ausreichend.

Die Pressemitteilung des EuG:
Das Gericht bestätigt, dass das Bildzeichen NOAH als Unionsmarke für „Polohemden“ und „Sweater“ weiter eingetragen bleiben kann

Im Jahr 2008 ließ Herr Yannick Noah, ehemaliger französischer Tennisspieler, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) folgendes Bildzeichen als Unionsmarke eintragen:

[Abbildung der Marke]

Diese Eintragung betraf u. a. Waren aus Leder und Lederimitationen, Bekleidungsstücke einschließlich Polohemden und Sweatern sowie Spiele und Spielzeug.

Im Jahr 2019 stellte die Noah Clothing LLC, eine Gesellschaft mit Sitz in New York (Vereinigte Staaten), die Bekleidung vermarktet, beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung des Verfalls dieser Marke mit der Begründung, dass sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union für sämtliche betroffenen Waren nicht ernsthaft benutzt worden sei.

Im Juli 2022 erklärte das EUIPO die angegriffene Marke für alle in Rede stehenden Waren mit Ausnahme von „Polohemden“ und „Sweater“ für verfallen.

Die Noah Clothing LLC beantragt, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben, soweit dieses die angegriffene Marke nicht auch für „Polohemden“ und „Sweater“ für verfallen erklärt hat.

Das Gericht weist diese Klage ab.

Es stellt fest, dass der Umstand, dass die angegriffene Marke von ihrem Inhaber in einer Form benutzt wurde, die sich leicht von ihrer eingetragenen Form unterscheidet, da sie zusätzlich den ersten Buchstaben des Vornamens von Herrn Yannick Noah, nämlich den Großbuchstaben „Y“, gefolgt von einem Punkt, enthielt, ihre ursprüngliche Unterscheidungskraft nicht beeinflusst hat.
Somit entspricht die Form dieser Marke, wie sie im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde,insgesamt ihrer eingetragenen Version.

Das Gericht stellt auch fest, dass die angegriffene Marke im Hinblick auf den Vertrieb von „Pullundern“ benutzt wurde, d. h. von Waren, die von ihrer Eintragung nicht ausdrücklich erfasst sind, was die Relevanz dieser Benutzung für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung aber nicht in Frage stellt. Diese Bekleidungsstücke sind nämlich wie Sweater dazu bestimmt, den Oberkörper zu bedecken, so dass sie auch als „Sweater“ eingestuft werden können, die von dieser Eintragung erfasst sind.

Schließlich bestätigt das Gericht, insbesondere unter Berücksichtigung einer relativ konstanten Vermarktung im maßgeblichen Zeitraum und der Marketingstrategie in Form einer limitierten Auflage der Bekleidung, dass der Inhaber der angegriffenen Marke diese für „Polohemden“ und „Sweater“ tatsächlich ernsthaft benutzt hat.


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LAG Thüringen: Kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Art. 17 DSGVO wenn die Abmahnung Gegenstand einer Schadensersatzklage ist

LAG Thüringen
Urteil vom 24.10.2023
5 Sa 424/22, 1 Ca 212/22


Das LAG Thüringen hat entschieden, dass kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Art. 17 DSGVO besteht, wenn die Abmahnung Gegenstand einer Schadensersatzklage ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung aus der Personalakte, selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 51). Der Kläger hat vorliegend keine entsprechenden Gründe dargelegt.

Vielmehr verfolgt der Kläger mit demselben Verfahren Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Dabei spielt die streitgegenständliche Abmahnung die zentrale Rolle. Hieraus ergibt sich ein Dokumentationserfordernis der Beklagten, hier die Aufbewahrung der Abmahnung, zumindest bis zur endgültigen Klärung der Schadensersatzklage (vgl. auch Sächsisches LAG 31.03.2023 - 4 Sa 117/21 - Rn. 45).

Auch der Hinweis des Klägers auf die Vorschrift des § 17 DSGVO führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach Art. 17 Abs. 1 a DSGVO besteht ein Anspruch auf Löschung der betreffenden personenbezogenen Daten, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Da die vorliegende streitige Abmahnung Gegenstand der Schadensersatzklage ist, besteht zumindest bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nach Art. 17 Abs. 3 a DSGVO kein Löschungsanspruch, da dieser zur Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.

2. Mit dem Berufungsvorbringen vermochte der Kläger auch das Bestehen eines Anspruchs auf Widerruf mittels öffentlichen Aushangs nicht begründen. Ein Widerrufsanspruch als quasinegatorischer Beseitigungsanspruch mittels öffentlichen Aushangs setzt voraus, dass der zu widerrufende Vorwurf auf gleiche Weise bekannt gegeben wurde. Nur in einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer den Widerruf etwa durch öffentlichen Aushang verlangen (vgl. BAG 21. Februar 1979 - 5 AZR 568/77 - Leitsatz 1 und Rn. 16 – 20). Eine Bekanntgabe oder Veröffentlichung der gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe ist nicht vorgetragen worden. Vielmehr ist unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger die Abmahnung im verschlossenen Umschlag übergeben hat. Die erste Instanz hat insoweit zu Recht sogar darauf hingewiesen, dass die Abmahnung weder betriebsintern bekannt geworden noch der Arbeitgeber ein etwaiges betriebsinternes Bekanntwerden zu verantworten habe.

3. Auch das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs konnte der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen nicht dartun. Zwar verweist er auf die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach bei schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht kommt. Der Vorwurf des Verbreitens von Unwahrheiten stellt jedoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Straftat dar. Wie bereits unter Ziffer 1 erläutert, ist der eigentliche Vorwurf in der Abmahnung, der Kläger habe nicht vor Dienstbeginn am 18.10.2021 seine Arbeitsverhinderung unverzüglich mitgeteilt, unbestritten. Mit dem Erstgericht ist die Kammer auch der Auffassung, dass eine fortwirkende Herabsetzung des Rufs des Klägers ohne die Beeinträchtigung in seinem beruflichen Fortkommen nicht erkennbar ist.


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EuGH: Längere Speicherung der Restschuldbefreiung als das öffentliche Insolvenzregister durch SCHUFA verstößt gegen DSGVO

EuGH
Urteil vom 07.12.2023
den verbundenen Rechtssachen
C-26/22 und C-64/22
SCHUFA Holding u. a. (Restschuldbefreiung)


Der EuGH hat entschieden, dass längere Speicherung der Restschuldbefreiung als das öffentliche Insolvenzregister (6 Monate) durch SCHUFA gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 78 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung durch ein Gericht unterliegt.

2. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2016/679 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass er einer Praxis privater Wirtschaftsauskunfteien entgegensteht, die darin besteht, in ihren eigenen Datenbanken aus einem öffentlichen Register stammende Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zugunsten natürlicher Personen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit dieser Personen für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht.

3. Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die betroffene Person das Recht hat, vom Verantwortlichen die unverzügliche Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn sie gemäß Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine zwingenden schutzwürdigen Gründe vorliegen, die ausnahmsweise die betreffende Verarbeitung rechtfertigen.

4. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, personenbezogene Daten, die unrechtmäßig verarbeitet wurden, unverzüglich zu löschen.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen

Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

[...]

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach. Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.


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EuGH: SCHUFA-Scoring ist eine "automatisierte Entscheidung im Einzelfall" und damit Profiling im Sinne der DSGVO soweit Score maßgeblich für Kreditgewährung oder Vertragsschluss ist

EuGH
Urteil vom 07.12.2023
C-634/21
SCHUFA Holding (Scoring)


Der EuGH hat entschieden, dass das SCHUFA-Scoring eine "automatisierte Entscheidung im Einzelfall" und damit Profiling im Sinne der DSGVO ist, soweit der Score maßgeblich für Kreditgewährung oder Vertragsschluss ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn ein auf personenbezogene Daten zu einer Person gestützter Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf deren Fähigkeit zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen durch eine Wirtschaftsauskunftei automatisiert erstellt wird, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Dritter, dem dieser Wahrscheinlichkeitswert übermittelt wird, ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet, durchführt oder beendet.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen

Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind. [...]


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OLG München: Unterlassungsverfügung verpflichtet Websitebetreiber auch zur Löschung der wettbewerbswidrigen Inhalte aus dem Google-Cache

OLG München
Beschluss vom 26.04.2023
29 W 1697/21


Das OLG München hat entschieden, dass eine Unterlassungsverfügung den Websitebetreiber auch zur Löschung der wettbewerbswidrigen Inhalte aus dem Google-Cache verpflichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Einwand der fehlenden Vollziehung greift nicht. Zwar wurde das Verfügungsurteil nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb zugestellt, obwohl auch ein Verfügungsurteil zu seiner Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO der Zustellung im Parteibetrieb bedarf und die amtswegige Zustellung nicht genügt (vgl. BGH NJW 1993, 1076, 1077 ff; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 929 Rn. 18; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl., 2020, § 938 Rn. 47 u 49). Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO gilt gleichwohl nicht als versäumt, weil der Ordnungsmittelantrag vom 17.09.2020 noch innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt (vgl. Empfangsbekenntnis des Schuldnervertreters vom 25.09.2020, nach Bl. 82 d.A.) und der Vollstreckungswille damit deutlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. BGH WRP 1989, 514, 517; Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., § 55 Rn. 42 m.w.N.).

2. Einwendungen gegen den Titel dem Grunde nach wie die Argumente, die Antragstellerin sei nicht am Wettbewerb mit einem Umsatz beteiligt, der sie zu Abmahnungen berechtigen würde, sie mache wenig bis keinen Umsatz, sie sei weder technisch noch rechtlich in der Lage, die angeblich vertriebenen Waren selbst herzustellen, sind im Vollstreckungsverfahren unbeachtlich. Die materiell-rechtliche Berechtigung ist dort nicht mehr zu prüfen (vgl. BGH GRUR 2015, 1248 Rn. 21-23 – Tonerkartuschen). Der Schlussfolgerung, die Gläubigerin sei nicht berechtigt, Ordnungsmittel zu beantragen, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Unklar ist auch, welche Schutzrechte der Gläubigerin vermeintlich nicht zustehen sollen und welche Relevanz dies für einen Titel wegen unlauterer irreführender Werbung haben soll.

3. Das Landgericht hat zu Recht eine natürliche Handlungseinheit durch Unterlassen der vollständigen Löschung der Verstöße auf der Webseite der Schuldnerin (einschließlich des Caches) und auf dem Facebookauftritt der Schuldnerin angenommen. Es ist von einem einheitlichen Nichthandeln bzw. einem einheitlichen unzureichenden Beseitigen auszugehen (vgl. zur natürlichen Handlungseinheit beim Unterlassen BGH GRUR 2022, 1379 Rn. 33 – Außerstrafrechtliches Doppelahndungsverbot). Doch können, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, zu einer natürlichen Handlungseinheit nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen, nicht hingegen Verstöße gegen unterschiedliche Verbotsaussprüche (vgl. BGH GRUR 2021, 767 Rn. 34 – Vermittler von Studienplätzen), so dass drei Zuwiderhandlungen vorliegen.

4. Die Ahndung der drei Zuwiderhandlungen – also jeweils das Unterlassen einer vollständigen Löschung (auch im Cache) auf der Webseite und dem Internetauftritt und dies jeweils in Bezug auf die drei Verstöße (nämlich Ziff. 1, Ziff. 3 und Ziff. 4 der Beschlussverfügung) – mit jeweils 5.000 € ist mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls, wie vom Landgericht ausgeführt, angemessen.

5. Die Einwendungen gegen die Verantwortlichkeit und die Höhe des Ordnungsgeldes verfangen nicht.

a) Insofern wird eingewandt, das Ordnungsgeld sei zu hoch und die eigene Verantwortung allenfalls gering. Die Schuldnerin habe sich umgehend darum bemüht, die Beseitigung von Presseveröffentlichungen zu bewerkstelligen. Dies sei innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen gelungen. Es habe sich „serverseitig“ um ein sog. Caching gehandelt. Der betroffene und geschützte Marktteilnehmerkreis werde durch die Aufbewahrung von Daten im Caching überhaupt nicht betroffen. Frau P. habe den Cache nicht willentlich angelegt, sie habe davon nichts gewusst. Es sei Sache des Serverbetreibers, der auch die Zustimmung zur Löschung des „Coaching-Inhaltes“ erteilen müsse. Gleichwohl hätte die Schuldnerin unverzüglich Frau P. angewiesen, auch den Zugang zum Pufferspeicher zu löschen, nachdem dieser jetzt erstmals entdeckt worden sei. Es seien deshalb nicht so drastische Ordnungsmittel veranlasst. Denn die Schuldnerin sei von Anfang an bereit und willens gewesen, den Gerichtsauflagen zu entsprechen.

b) Ein Unterlassungstitel verpflichtet den Schuldner indes auch, etwaige gegen den Titel verstoßende Cache-Inhalte zu löschen bzw. auf Dritte entsprechend einzuwirken, um sicherzustellen, dass die zu unterlassenden Aussagen auch durch die gängigen Internetsuchmaschinen nicht weiter – auch nicht über eine Cache-Speicherung – erreichbar bzw. abrufbar sind (BGH GRUR 2018, 1183 Rn. 13 – Wirbel um Bauschutt). Diese im Bereich der Unterlassungstitel in Bezug auf bestimmte Internetinhalte bestehende Pflicht, auch Cache-Inhalte zu prüfen und ggfs zu löschen bzw. dies durch Dritte zu veranlassen, entspricht ständiger Rechtsprechung. Ein Titelschuldner muss sich insofern auch darüber informieren, wie er seinen Pflichten aus einem Titel vollständig nachkommt. Er hat für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum kann sich der Schuldner nicht berufen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 5.7).


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