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EU-Kommission: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft sind Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA)

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) sind.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Die Europäische Kommission hat heute im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte erstmals sechs Torwächter (Gatekeeper) benannt: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Insgesamt wurden 22 zentrale Plattformdienste, die von Torwächtern bereitgestellt werden, benannt. Die sechs Torwächter haben nun sechs Monate Zeit, um die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Märkte für jeden ihrer benannten zentralen Plattformdienste sicherzustellen.

Im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte kann die Europäische Kommission digitale Plattformen als „Torwächter“ benennen, wenn diese für Unternehmen über zentrale Plattformdienste ein wichtiges Zugangstor zu Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellen. Die heutigen Benennungsbeschlüsse sind das Ergebnis einer Überprüfung durch die Kommission über 45 Tage, nachdem Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft und Samsung ihren potenziellen Torwächter-Status mitgeteilt hatten. Insbesondere hat die Kommission den Torwächter-Status für die folgenden zentralen Plattformdienste festgestellt:

Parallel dazu hat die Kommission vier Marktuntersuchungen eingeleitet, um die eingereichten Mitteilungen von Microsoft und Apple weiter zu prüfen, denen zufolge einige ihrer zentralen Plattformdienste nicht als Zugangstore anzusehen sind, obwohl sie die Schwellenwerte erreichen:

Microsoft: Bing, Edge und Microsoft Advertising
Apple: iMessage
Nach dem Gesetz über digitale Märkte soll im Rahmen dieser Untersuchungen festgestellt werden, ob durch eine hinreichend stichhaltige Widerlegung durch die Unternehmen nachgewiesen wird, dass die betreffenden Dienste nicht benannt werden sollten. Die Untersuchung sollte innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, um weiter zu prüfen, ob Apples iPadOS zu den Torwächtern gezählt werden sollte, obwohl es die Schwellenwerte nicht erreicht. Diese Untersuchung im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte sollte innerhalb von höchstens 12 Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus kam die Kommission zu dem Schluss, dass Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser zwar die Schwellenwerte des Gesetzes über digitale Märkte für die Einstufung ihrer Betreiber als Torwächter erreichen, Alphabet, Microsoft und Samsung jedoch hinreichend begründete Argumente dafür vorgelegt haben, dass diese Dienste nicht als Zugangstor für die jeweiligen zentralen Plattformdienste anzusehen sind. Daher beschloss die Kommission, Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser nicht als zentrale Plattformdienste zu benennen. Dementsprechend wurde Samsung nicht als Torwächter in Bezug auf einen zentralen Plattformdienst eingestuft.

Nächste Schritte für benannte Torwächter
Nach ihrer Benennung haben die Torwächter nun sechs Monate Zeit, um sich an die vollständige Liste der Gebote und Verbote zu halten, die im Gesetz für digitale Märkte vorgesehen sind, sodass Endnutzern und gewerblichen Nutzern der Dienste des Torwächters eine größere Auswahl geboten und mehr Freiheit eingeräumt wird. Einige der Verpflichtungen gelten jedoch direkt ab dem Zeitpunkt der Benennung, z. B. die Verpflichtung, die Kommission über jeden geplanten Zusammenschluss zu unterrichten. Es liegt bei den benannten Unternehmen, die wirksame Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und nachzuweisen. Zu diesem Zweck müssen sie innerhalb von sechs Monaten einen ausführlichen Compliance-Bericht vorlegen, in dem sie darlegen, wie sie die einzelnen Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Märkte erfüllen.

Die Kommission wird die wirksame Umsetzung und Einhaltung dieser Verpflichtungen überwachen. Kommt ein Torwächter den im Gesetz über digitale Märkte festgelegten Verpflichtungen nicht nach, kann die Kommission Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des weltweit erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens verhängen, der bei wiederholter Zuwiderhandlung auf bis zu 20 % hochgesetzt werden kann. Im Falle systematischer Zuwiderhandlungen ist die Kommission auch befugt, zusätzliche Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Beispielsweise kann sie einen Torwächter dazu verpflichten, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen, oder sie kann dem Torwächter verbieten, zusätzliche Dienste zu erwerben, die mit der systematischen Nichteinhaltung in Verbindung stehen.

In Zukunft könnten weitere Unternehmen der Kommission auf der Grundlage ihrer Selbstbeurteilung Mitteilungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte in Bezug auf die einschlägigen Schwellenwerte übermitteln. In diesem Zusammenhang führt die Kommission konstruktive Gespräche mit allen relevanten Unternehmen.



Hintergrund
Das Gesetz über digitale Märkte soll verhindern, dass Torwächter den Unternehmen und Endnutzern unfaire Bedingungen aufzwingen, und so die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten.

Zusammen mit dem Gesetz über digitale Märkte schlug die Kommission im Dezember 2020 das Gesetz über digitale Dienste vor, um die negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen von Online-Plattformen, die als digitale Torwächter fungieren, für den EU-Binnenmarkt anzugehen.

Das Gesetz über digitale Märkte, das seit November 2022 in Kraft ist und seit Mai 2023 angewendet wird, zielt darauf ab, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten. Es reguliert die sogenannten Torwächter: große Online-Plattformen, die gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Verbrauchern dienen und die aufgrund dieser Stellung die Macht haben, den Marktzugang in der digitalen Wirtschaft zu kanalisieren.

Unternehmen, die mindestens einen der zehn im Gesetz über digitale Märkte aufgeführten zentralen Plattformdienste betreiben, werden als Torwächter angesehen, wenn sie die nachstehenden Kriterien erfüllen. Zu diesen zentralen Plattformdiensten gehören Online-Vermittlungsdienste wie Dienste zum Herunterladen von Computer- oder Handy-Apps, Online-Suchmaschinen, soziale Netzwerke, bestimmte Kommunikationsdienste, Video-Sharing-Plattform-Dienste, virtuelle Assistenten, Webbrowser, Cloud-Computing-Dienste, Betriebssysteme, Online-Marktplätze und Online-Werbedienste. Ein Unternehmen kann dabei auch für mehrere zentrale Plattformdienste als Torwächter benannt werden.

Es gibt drei quantitative Hauptkriterien, die die Annahme begründen, dass ein Unternehmen ein Torwächter im Sinne des Gesetzes über digitale Märkte ist: i) Das Unternehmen erzielt einen bestimmten Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum und erbringt in mindestens drei EU-Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst, ii) das Unternehmen betreibt einen zentralen Plattformdienst mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Endnutzern, die in der EU niedergelassen sind oder sich dort aufhalten, und mit jährlich mehr als 10 000 aktiven gewerblichen Nutzern mit Niederlassung in der EU und iii) das Unternehmen hat das zweite Kriterium in den drei vorhergehenden Geschäftsjahren erfüllt.

Im Gesetz über digitale Märkte ist eine Reihe spezifischer Verpflichtungen festgelegt, die Torwächter einhalten müssen, und bestimmte Verhaltensweisen werden ihnen untersagt mithilfe einer Liste von Geboten und Verboten.

Mit dem Gesetz über digitale Märkte wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, Marktuntersuchungen durchzuführen, um i) Unternehmen aus qualitativen Gründen als Torwächter zu benennen, ii) die Verpflichtungen für Torwächter erforderlichenfalls zu aktualisieren, iii) Abhilfemaßnahmen zu konzipieren, mit denen gegen systematische Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Gesetzes über digitale Märkte vorgegangen wird.


Weitere Informationen finden Sie hier:

VG Minden: Betreiber von Blogs und YouTube-Kanälen können sich auf Pressefreiheit berufen sofern die Informationsweitergabe eine gewisse Struktur aufweist

VG Minden
Beschluss vom 16.08.2023
1 L 729/23


Das VG Minden hat entschieden, dass sich auch Betreiber von Blogs und YouTube-Kanälen auf die Pressefreiheit berufen können, sofern die Informationsweitergabe eine gewisse Struktur aufweist.

Aus den Entscheidungsgründen:
IV. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ist der Antrag des Antragstellers begründet. Insoweit hat er sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dass die einstweilige Anordnung die Hauptsache vorwegnimmt, steht ihrem Erlass nicht entgegen.

1. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestimmt, dass das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen kann, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrundeliegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist hier der Fall.

2. Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Dieser Anspruch ergibt sich mangels einer einschlägigen gesetzlichen Regelung unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG (Pressefreiheit). Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, Pressevertreter zu sein, der Antragsgegner hat diese Glaubhaftmachung nicht erschüttert (a.). Pressevertretern ist die Mitnahme der für ihre Berichterstattung erforderlichen Geräte in ein Gerichtsgebäude zu gestatten (b.). Die Absicht eines Pressevertreters, über ein ihn selbst betreffendes Gerichtsverfahren zu berichten, schließt eine Berufung auf die Pressefreiheit nicht aus (c.). Die weiteren vom Antragsgegner vorgebrachten Argumente stehen dem Erlass der einstweiligen Anordnung ebenfalls nicht entgegen (d).

a. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, Angehöriger der Presse zu sein, der Antragsgegner hat diese Glaubhaftmachung nicht erschüttert.

aa. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG war von Anfang an auf eine umfassende Erfassung jeglicher Medien angelegt. Seine Beschränkung auf Presse, Rundfunk und Film ist allein historisch bedingt, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst alle zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Grundgesetzes bekannten Medien.

Vgl. Grabenwarter, in: Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 5 Rn. 262 ff. (Stand: Januar 2018); Kühling, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG Rn. 88 (Stand: Februar 2023).

Dementsprechend müssen alle seitdem hinzugekommenen, insbesondere digitale Massenkommunikationsmittel in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einbezogen werden. Da die Rundfunkfreiheit angesichts der vom Bundesverfassungsgericht identifizierten Besonderheiten einen Sonderstatus innehat

- vgl. Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 200; Kühling, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG Rn. 88 (Stand: Februar 2023) -

und diese wie die Filmfreiheit spezifisch auf die Verbreitung einer Kombination von Ton und bewegten Bildern ausgerichtet ist, ist allen neuen Medien - die sich wie die Tätigkeit des Antragstellers - nicht als Rundfunk oder Film darstellen, zumindest auf der Rechtsfolgenseite ein Schutz wie der Presse zu gewähren. Dies gilt nicht nur für die digitale Transformation klassischer Zeitungsangebote im Internet ("Online-Zeitung"), sondern auch für sonstige Informationsangebote im Internet, wie z.B. Blogs oder Videoplattformen wie z.B. YouTube.

Vgl. mit im Einzelnen unterschiedlichen Konturierungen Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 188 ff.; Grabenwarter, in: Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 5 Rn. 245 und 250 ff. (Stand: Januar 2018); Kühling, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG Rn. 88 (Stand: Februar 2023).

Der entwicklungsoffene Wortlaut des Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG

- vgl. Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, 9. Auflage 2021, Art. 5 Rn. 68; Kühling, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG Rn. 88 (Stand: Februar 2023) -

steht dem nicht entgegen.

Vgl. Grabenwarter, in: Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 5 Rn. 262 (Stand: Januar 2018).

bb. Der persönliche Schutzbereich der so verstandenen Pressefreiheit erfasst alle Personen, die Informationen beschaffen, sie aufbereiten und sodann unter Nutzung medialer Verbreitungswege einem unbestimmten Personenkreis zugänglich machen.

Vgl. Grabenwarter, in: Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 5 Rn. 220 (Stand: Januar 2018).

Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Personen hauptberuflich, nebenberuflich oder ehrenamtlich tätig sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR1183/90 -, BVerfGE 95, 28 (juris Rn. 25); Grabenwarter, in: Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 5 Rn. 220 (Stand: Januar 2018).

Eine besondere Qualifikation ist ebenso wenig zu fordern

- vgl. Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, 9. Auflage 2021, Art. 5 Rn. 75a -

wie ein journalistisches Mindestniveau.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1602/07 u.a. -, BVerfGE 120, 180, Rn. 42; Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 205, 210, und 212.

Erforderlich ist allerdings eine gewisse Strukturierung der Informationsweitergabe, so dass z.B. bloße Äußerungen in einem Chat-Room nicht unter die Presse-, sondern unter die Meinungsfreiheit fallen.

Vgl. Kühling, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG Rn. 88 (Stand: Februar 2023).

cc. Danach hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, als Pressevertreter tätig zu sein. Er betreibt seinen Angaben zufolge, die sich durch Recherchen im Internet bestätigt haben, einen YouTube-Kanal (…) und zumindest einen Blog (…). Für diese Plattformen beschafft der Antragsteller Informationen, bereitet sie auf und macht sie auf diesen Plattformen als medialem Verbreitungsweg einem unbestimmten Personenkreis zugänglich. Soweit dies in der Kürze der für die Entscheidung des Gerichts zur Verfügung stehenden Zeit geprüft werden konnte, leistet der Antragsteller auch ein gewisses Mindestmaß an Strukturierung der Informationsweitergabe. Dass der Antragsteller neben einigen eigenen Beiträgen vielfach "nur" Beiträge Dritter verlinkt

- hierzu Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 205 -

und zumindest mit seinem YouTube-Kanal angesichts der Anzahl der dort dokumentierten Abonnenten und Aufrufe wohl nur über eine beschränkte Reichweite verfügt, steht seiner Glaubhaftmachung, er sei Pressevertreter, nicht entgegen. Insoweit kommt es nur auf die potentielle Reichweite seiner Angebote an

- vgl. Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 209 -,

die bei internetbasierten Angeboten unbegrenzt ist. Ob Vertreter der Presse über einen Presseausweis verfügen, ist für ihre Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unbeachtlich.

b. Angehörigen der Presse ist die Mitnahme der für ihre Berichterstattung erforderlichen Geräte in ein Gerichtsgebäude zu gestatten. Der sachliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst alle im Zusammenhang mit der Presse stehenden Tätigkeiten von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und Meinung. Geschützt sind die ungehinderte Recherche und sonstige Informationsbeschaffung unter Nutzung pressespezifischer Methoden.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95 u.a. -, BVerfGE 103, 44 (juris Rn. 54); Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 1 LPG Rn. 211.

Zu diesen Methoden gehört auch die Anfertigung von Fotos und Filmaufnahmen.

c. Die Absicht eines Vertreters der Presse, über ein ihn selbst betreffendes Gerichtsverfahren zu berichten, schließt eine Berufung auf die Pressefreiheit nicht aus. Die Presse entscheidet selbst, worüber sie berichtet. Im Zentrum des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährten Schutzes steht die Freiheit der Gründung von Presseunternehmen und die Gestaltung von Presseerzeugnissen. Die Gestaltungsfreiheit wird sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht gewährleistet. Zur inhaltlichen Gestaltungsfreiheit gehört die Bestimmung, welche Themen behandelt und welche Beiträge veröffentlicht werden sollen. Zur formalen Gestaltungsfreiheit gehört die Entscheidung über die äußere Darbietung der Beiträge sowie ihre Platzierung innerhalb einer Veröffentlichung.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1998 - 1 BvR 1861/93 u.a. -, BVerfGE 97, 125 (juris Rn. 107).

Für das Gericht ist auch nicht erkennbar, dass ein Bericht über eine die Presse selbst betreffende Angelegenheit - wie der Antragsgegner meint - gegen den Pressekodex verstößt. Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten), auf die sich der Antragsgegner bezieht, lautet:

"Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten."

Richtlinie 6.1 (Doppelfunktion), die Ziffer 6 des Pressekodex erläutert, lautet:

"Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall."

Ein "Verbot" der Berichterstattung in eigener Sache lässt sich dem ebenso wie den übrigen "Bestimmungen" des Pressekodex nicht entnehmen. Im Übrigen führen jedenfalls vereinzelte Verstöße gegen den Pressekodex, der eine freiwillige Selbstverpflichtung darstellt, nicht zu einem Verlust des Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

d. Die weiteren vom Antragsgegner vorgebrachten Argumente stehen dem Erlass der einstweiligen Anordnung ebenfalls nicht entgegen. Ob für den vom Antragsteller geplanten Beitrag ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, ist rechtlich unerheblich.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 2010 - 1 BvR 1891/05 -, NJW-RR 2010, 1195, Rn. 29.

Die diesbezügliche Forderung des Antragsgegners verstößt gegen die inhaltliche Gestaltungsfreiheit der Presse. Danach bestimmt die Presse - wie bereits vorstehend unter c. dargelegt - selbst, worüber sie wie berichtet. Die weiteren Hinweise des Antragsgegners, der Antragsteller könne außerhalb des Justizgebäudes filmen und schriftlich über den Prozessverlauf berichten, steht mit der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit der Presse ebenfalls nicht in Einklang.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Augsburg: Keine unzulässige Werbung per E-Mail durch Angabe von URLs der Social-Media-Accounts und Unternehmenswebsite des Absenders in E-Mail-Signatur

AG Augsburg
Urteil vom 09.06.2023
12 C 11/23

Das AG Augsburg hat entschieden, dass die Angabe der URLs der Social-Media-Accounts und Unternehmenswebsite des Absenders in der E-Mail-Signatur keine unzulässige Werbung per E-Mail darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK oder wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S.2 BGB zu.

Die Verwendung von unaufgeforderter elektronischer Post für die Zwecke der Werbung kann zwar grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellen.

Es handelt sich jedoch bei dem vorliegend seitens des Klägers monierten Verweis auf Internetpräsenzen der Beklagten durch die bloße Angabe der URL mit E-Mail vom 12.12.2022 bereits nicht um Werbung. Ein unterstellter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Werbung wäre zudem auch nicht rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten des Klägers aus.

1) Keine Werbung

Die streitgegenständliche E-Mail der Beklagten hatte keinen werblichen Inhalt. Der Verweis auf die Internetpräsenzen der Beklagten durch die Angabe der URL stellt schon keine Werbung dar.

a) Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – z.B. in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 fit. a RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABI. EU L 376, S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15).

b) Nach diesen Grundsätzen stellt der bloße Verweis auf die Internetpräsenzen eines Unternehmens im Anschluss an Kontaktdaten des Mitarbeiters, ohne dass diese mit einem Produkt oder anderen werbenden Angaben verknüpft sind, keine Werbung dar. Denn dieser Verweis ist gerade nicht unmittelbar darauf gerichtet, die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen. Er dient vielmehr Informationszwecken, ebenso wie die Angabe der weiteren Kontaktdaten, in deren Zusammenhang die Nennung der Internetpräsenzen als Teil der Signatur des Mitarbeiters zu sehen ist. Auch eine mittelbare Absatzförderung durch Imagewerbung kann das Gericht hierin gerade nicht erkennen.

2) Keine Rechtswidrigkeit

Der Kläger müsste eine unterstellte Beeinträchtigung überdies dulden, da sie nach § 1004 Abs. 2 BGB analog rechtmäßig wäre.

Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers wäre nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre bzw. der Schutz der geschäftlichen Sphäre, insb. die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten, mit ihren Kunden zum Zwecke der Produktberatung zu kommunizieren, überwiegen würde Dies ist nicht der Fall. Die Interessenabwägung geht zu Gunsten der Beklagten aus.

Der Kläger erhielt die Abwesenheitsnachricht im Rahmen einer laufenden Produktberatung, zu welcher er selbst mehrfach mit dem Mitarbeiter der Beklagten Kontakt aufgenommen und bereits kommuniziert hat. Die in diesem Zusammenhang zugesandte Abwesenheits-E-Mail hatte für den Kläger als Kunden, welcher konkrete Produkte bei der Beklagten angefragt hatte, einen wesentlichen informatorischen Charakter, nämlich den Zweck zu verhindern, dass dieser wegen der Abwesenheit des Mitarbeiters keine Antwort auf seine Produktanfrage erhält. Unterstellt, der Verweis auf die Internetauftritte der Beklagten würde eine Werbung darstellen, wäre in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung durch Nennung der Mailadressen die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt, zumal er diese einfach ignorieren konnte. Ein gedankliches Beschäftigen mit der Werbemail ist gerade nicht notwendig. Denn es handelte sich bei dem Hinweis der Beklagten offensichtlich nur um Internetauftritte derselben, Eine Trennung von anderen Informationen durch den Kläger ist nicht erforderlich. Vielmehr kann der Kläger es ohne jeden zeitlichen Aufwand unterlassen, die weiteren Internetpräsenzen der Beklagten anzuklicken. Ein Aussortieren eines werbenden Teils der E-Mail ist hierfür gerade nicht erforderlich. Die schutzwürdigen Belange des Klägers überwiegen vorliegend somit gerade nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Schleswig-Holstein: YouTube darf hochgeladene Videos auch gegen den Willen des Erstellers nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen mit einer Altersbeschränkung versehen

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 14.12.2022
9 U 123/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass YouTube hochgeladene Videos auch gegen den Willen des Erstellers nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen mit einer Altersbeschränkung versehen darf.

Aus den Gründen:
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, Art. 18 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Die Klage eines Verbrauchers kann gegenüber der anderen Vertragspartei, die ihre Tätigkeit auf den Mitgliedsstaat der Europäischen Union, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausrichtet, nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vor dem Gericht seines Wohnsitzes erhoben werden. So liegt es hier.

2. Die Klage ist - soweit sie mit der Berufung weiterverfolgt wird - unbegründet.

Die am 23. Juni 2020 durch die Beklagte verhängte Altersbeschränkung ist nicht rechts- oder vertragswidrig.

a) Auf den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über die Nutzung der Videoplattform der Beklagten findet gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) aufgrund der in den Nutzungsbedingungen getroffenen Rechtswahl deutsches Recht Anwendung (vgl. Seite 10 der Anlage K1, Stichwort „Anwendbares Recht“). Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich im Übrigen auch ohne Rechtswahl der Parteien aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO, weil es sich um einen Verbrauchervertrag handelt.

b) Mit der Einrichtung einer Altersbeschränkung für das streitgegenständliche Video hat die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger nicht verletzt. Die in den Nutzungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der Auferlegung einer Altersbeschränkung ist auch wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden und verstößt insbesondere weder inhaltlich noch im Hinblick auf das für die Auferlegung vorgesehene Verfahren gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (aa). Die Beklagte hat die Altersbeschränkung auf die Richtlinie zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten und die Richtlinie zu Hassrede stützen können, weil der klägerische Beitrag Gewaltszenen und Straßenkämpfe zeigt, die auf minderjährige Zuschauer, insbesondere im Zusammenhang mit dem kommentierenden Inhalt, eine jugendgefährdende Wirkung haben können. Damit ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung sachlich begründet und nachvollziehbar (bb).

aa) Der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber verpflichtet gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Insoweit kann ein Betreiber eines sozialen Netzwerks grundsätzlich die von den Nutzern geschuldeten Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln konkretisieren und deren Verletzung auch etwa durch eine Sperrung des Nutzerkontos durchsetzen (OLG Schleswig, Urteil vom 26. Februar 2020 - 9 U 125/19, juris Rn. 41; OLG München, Beschluss vom 17. September 2018 - 18 W 1383/18, juris Rn. 20).

Bei den Nutzungsbedingungen und Richtlinien der Beklagten handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 44), die dem Vertragsverhältnis zugrunde liegen. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Geltung zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart worden wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. dazu BGH, aaO, Rn. 43 mwN). Danach ist die Beklagte berechtigt, bei Vorliegen der von ihr aufgestellten Bedingungen von Nutzern eingestellte Inhalte zu entfernen, Nutzerkonten zu sperren oder - wie vorliegend - einzelne Videobeiträge mit einer Altersbeschränkung zu belegen.

Die vereinbarten Richtlinien sind auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es verfahrensrechtlich erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 97). Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch für die gegenüber einer Entfernung von Inhalten oder einer Sperrung des Kontos deutlich weniger belastende Maßnahme einer Altersbeschränkung gewahrt, da auch insoweit eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt ist, von der der Kläger ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen unstreitig - wenn auch erfolglos - Gebrauch gemacht hat. Entgegen der Auffassung des Klägers muss die Anhörungsmöglichkeit nicht zwingend vor Erlass der beschränkenden Maßnahme eröffnet sein; vielmehr genügt auch ein nachträgliches Beschwerderecht den Anforderungen an das vom Bundesgerichtshof geforderte Gegenäußerungsverfahren (BGH aaO, Rn. 99). Ausreichend ist danach, wenn Netzwerkbetreiber im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags in ihren Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumen. Dieser für die Löschung eines Beitrags aufgestellte Maßstab gilt damit erst recht für die weniger einschränkende Auferlegung einer Altersbeschränkung. Im vorliegenden Fall zeigt der Umstand, dass die Beklagte die zunächst von ihr erteilte Verwarnung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Hassrede auf die Beschwerde des Klägers wieder aufgehoben hat und lediglich die mildere Maßnahme einer Altersbeschränkung bestehen ließ, dass die von ihr vorgesehene Beschwerdemöglichkeit auch tatsächlich zu der vom Bundesgerichtshof geforderten erneuten Sachprüfung des konkreten Falls geführt hat.

(2) Auch inhaltlich sind die von der Beklagten für die Beschränkung der Rechte ihrer Nutzer aufgestellten Maßstäbe nicht als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden. Die Entscheidung der Beklagten, den Nutzern ihrer Videoplattform in Geschäftsbedingungen Verhaltensregeln zur Einhaltung eines bestimmten Standards vorzugeben und sich das Recht vorzubehalten, gegenüber Nutzern, die gegen diese Verhaltensregeln verstoßen, Maßnahmen von der Entfernung einzelner Beiträge oder Altersbeschränkungen bis zur (vorübergehenden) Sperrung des Netzwerkzugangs zu ergreifen, fällt in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit (BGH aaO, Rn. 83). Darüber hinaus bringt die Beklagte durch das Aufstellen von Kommunikationsregeln in ihren Nutzungsbedingungen zum Ausdruck, welche Formen der Meinungsäußerung sie in ihrem Netzwerk nicht duldet. Auf diese Weise macht sie von ihrem eigenen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch (BGH aaO Rn. 86). Ferner schützt sie damit berechtigterweise auch das Interesse anderer Nutzer an einem von gegenseitigem Respekt geprägten Umgang sowie an einem damit verbundenen Schutz vor der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH aaO, Rn. 87 mwN).

Dabei sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz die Grundrechtspositionen der Beklagten mit denjenigen der Nutzer auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG so in Ausgleich zu bringen, dass auch die Grundrechtspositionen der Nutzer für diese möglichst weitgehend wirksam werden. Daraus leitet sich nach dem Bundesgerichtshof neben dem bereits erörterten formalen Anhörungserfordernis die Anforderung ab, dass für die Entfernung von Inhalten ein sachlicher Grund bestehen muss. Die Beklagte darf die aus ihrer strukturellen Überlegenheit folgende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, willkürlich einzelne Meinungsäußerungen zu untersagen (BGH aaO, Rn. 93 mwN). Die Entfernungsvorbehalte in den Nutzungsbedingungen der Beklagten müssen zudem gewährleisten, dass ihre darauf gestützten Entscheidungen nachvollziehbar sind. Dazu dürfen sie nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen der Beklagten, sondern müssen an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, juris Rn. 17).

Die von der Beklagten aufgestellten Nutzungsbedingungen und Richtlinien genügen diesen Anforderungen. So nennt die „Community Richtlinie“ unter der Überschrift „Richtlinien und Sicherheit“ (Anlage K2 im Anlagenband Kläger) zunächst abstrakt die von der Beklagten nicht gestatteten Inhalte, wie beispielsweise Nacktheit oder sexuelle Inhalte, schädliche oder gefährliche, hasserfüllte, gewalttätige oder grausame Inhalte. Diese Unterpunkte enthalten jeweils Links zu genaueren Erläuterungen in den spezifischen Richtlinien, die konkrete Beispiele unzulässiger Inhalte enthalten und untereinander verlinkt sind. Damit erhält der Nutzer klare Informationen dazu, welche Inhalte von der Beklagten nicht geduldet werden. Es wird zudem deutlich, dass die Beklagte ihre Verbote nicht auf strafrechtlich relevante Inhalte beschränkt, sondern sich vorbehält, auch andere, von der Meinungsfreiheit der Nutzer gedeckte Inhalte, die gegen ihre Nutzungsbedingungen verstoßen, zu unterbinden. Dies ist nach nunmehr obergerichtlich geklärter Rechtsprechung zulässig (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 90; vgl. dazu auch Friehe, NJW 2020, 1697, 1699f.).

bb) Die in der Auferlegung der Altersbeschränkung liegende Beeinträchtigung der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers ist von diesem hinzunehmen, da die Beklagte mit dieser Maßnahme zulässigerweise von ihren vertraglich vereinbarten Rechten Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte hat vorliegend bei der Auferlegung einer Altersbeschränkung für das streitgegenständliche Video die dargestellten Anforderungen an eine zulässige Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers eingehalten. Weder ist die Maßnahme willkürlich noch fehlt es an einem sachlichen Grund für die Altersbeschränkung. Vielmehr ergibt sich eine jugendgefährdende Wirkung des Videos aus der Gesamtschau von dessen Inhalt, namentlich den gezeigten Bildern und dem gesprochenen Kommentar, wobei die erstinstanzlich eingehend behandelte Gewaltszene nur einer von mehreren Aspekten ist, die die Auferlegung einer Altersbeschränkung rechtfertigen. So ist der Titel des Videos „Partyszene - Schande von Stuttgart“ geeignet, gerade das Interesse minderjähriger Nutzer zu erwecken. Diese werden durch die harmlose, vor idyllischen Landschaftsbildern abgehandelte Eingangssequenz einer Charakterisierung verschiedener „Partygängertypen“ mit der Einleitung „wie sich die Zeiten ändern...“, heute würden Partygänger als drogendealende Vandalen dargestellt, die Polizisten attackierten und die ganze Stadt verwüsteten, weiter geködert. Sodann leitet der Sprecher auf reißerische Art (Einblendung einer Fratze mit Trompetenfanfare und der Ankündigung „Die Wahrheit“) zu den Schilderungen der Ausschreitungen in Stuttgart im Juni 2020 über. Die dann folgenden Einblendungen von Bildern anderer Nachrichtensender, auf denen Polizeigruppen in der Innenstadt, Zerstörungen und die Aufnahme der in einen Polizisten seitlich hineinspringenden, maskierten Person zu sehen sind, münden in eine Kommentierung des Geschehens, die für die Vorkommnisse im Ergebnis Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich macht, die aufgrund von „purem Hass auf unser Land“ als „bildungsschwache, kulturfremde, marodierende Horden (...) in Großstädten randalieren“. Dies sei erst der Anfang, wenn sie merken würden, was alles möglich sei, werde es erst richtig losgehen. Grund hierfür sei die Massenmigration; die Deutschen müssten aufwachen und Widerstand gegen den drohenden Untergang leisten. Es sei ein „hartes Durchgreifen“ erforderlich. So hätten in den 1920er Jahren die Polizisten in ähnlichen Situationen noch kein Problem damit gehabt, scharf zu schießen, was heute undenkbar sei.

Insgesamt ist der Videoinhalt damit geeignet, bei minderjährigen Zuschauern eine schädliche und damit jugendgefährdende Wirkung hervorzurufen, indem er ein Feindbild schafft und rassistische Vorurteile weckt. Die Gewaltszene, die unmittelbar mit angeblichen Aggressionen von Männern mit Migrationshintergrund und der „Massenmigration“ in Verbindung gebracht wird, ist in diesem Zusammenhang auch geeignet, gerade suggestible minderjährige Betrachter zu schockieren und Ängste über die nachfolgend dargestellte Gefährdung der Gesellschaft durch „marodierende Horden“ hervorzurufen. Darüber hinaus entsprechen die Äußerungen in dem Video auch den in der Richtlinie zu Hassrede genannten Beispielen für unzulässige Inhalte. Diese verbieten Äußerungen des Inhalts, dass alle Personen aus näher bezeichneten Gruppen, wie etwa Personen mit Einwanderungsstatus, Verbrecher und Kriminelle seien und unsere Existenz bedrohten, weshalb jede Gelegenheit genutzt werden sollte, sie aus dem Land zu vertreiben. Auch wenn der Videobeitrag nicht aktiv zur Vertreibung von Menschen mit Einwanderungsstatus aufruft, schürt er Abneigung gegen diese Bevölkerungsgruppen, die pauschal als drogendealende Gewalttäter dargestellt werden, legt zudem nahe, dass der Einsatz von Schusswaffen zur Verteidigung gegen die „marodierenden Horden“ geboten sei und ruft zum Widerstand auf. Damit entsprechen die Äußerungen den von der Beklagten genannten Beispielen für Hassrede im Sinne der Richtlinien. Die Beklagte behält sich in der Richtlinie zu Hassrede vor, für den Fall, dass Inhalte der Hassrede nahe kommen, die verfügbaren YouTube-Funktionen einzuschränken. Die Verhängung der Altersbeschränkung lag damit als gegenüber der Entfernung des Videos milderem Mittel jedenfalls im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung zu unzulässigen Inhalten.

(dd) Dabei ist es unschädlich, dass die von der Beklagten gegebene Begründung für die Verhängung der Altersbeschränkung als solche nicht ausreicht, um diese zu rechtfertigen. Denn die dargestellten Gründe für deren Rechtmäßigkeit ergeben sich jedenfalls aus der Zusammenschau der Richtlinien der Beklagten zu Hassrede und zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten und dem Jugendschutz, dem sich die Beklagte ausweislich ihrer Community-Richtlinie (Anlage K2, Stichwort „Schutz von Kindern“) verpflichtet sieht, so dass die Maßnahme von den vertraglichen Vorgaben der Beklagten gedeckt ist.

3. Da die Altersbeschränkung somit rechtmäßig war und nicht gegen die wirksam vereinbarten Nutzungsbedingungen verstößt, unterliegt der Kläger auch mit seinen weiteren Berufungsanträgen.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 7.050 € und für das Berufungsverfahren auf 4.250 € festzusetzen. Dies geschieht unter Anwendung der Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für Klagen gegen die vorübergehende Sperrung eines Nutzerkontos auf der Plattform „Facebook“ nebst in die Zukunft gerichtetem Unterlassungsbegehren und Auskunftsanspruch in Bezug auf die meldende Person entwickelt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZR 60/20, juris Rn. 10ff.; Beschluss vom 26. November 2020 - III ZR 124/20, juris Rn. 9ff.).

Für Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vorübergehenden (30tägigen) Sperre setzt der Bundesgerichtshof regelmäßig 2.500 € (abzüglich 20 % für den Feststellungsantrag) an. Diesen Betrag erachtet der Senat für die hier streitige Auferlegung einer Altersbeschränkung, die zwar eine im Vergleich zu einer Sperre weniger einschneidende Wirkung hat, jedoch nach wie vor andauert, ebenfalls als angemessen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich vorliegend um ein Video auf der Plattform Youtube handelt und nicht, wie in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, um ein Nutzerkonto bei Facebook. Dennoch dürfte der Streitwert vergleichbar sein, da beide Plattformen der Kommunikation mit einer großen Anzahl zumeist unbekannter weiterer Nutzer dienen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht der Aufwand, der für die Erstellung des gesperrten Kontos oder der gelöschten bzw. altersbeschränkten Videos betrieben wurde, der streitwertrelevante Eingriff, sondern die Beschränkung der Möglichkeiten zur Meinungsäußerung, sei es in Form von Kommentaren oder Videos. Zudem hat der Senat bei der Wertbemessung berücksichtigt, dass die Auferlegung einer Altersbeschränkung für ein einzelnes Video einen deutlich geringeren Eingriff darstellt als die 30tägige Sperrung eines Nutzerkontos.

Den weiteren Antrag, eine Altersbeschränkung auch für die Zukunft zu unterlassen, bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof mit der Hälfte des für die bereits durchgeführte Beschränkung angesetzten Werts, mithin 1.250 €. Hinzu kommt ein Betrag von 500 € für den geltend gemachten Auskunftsanspruch, der sich nach dem - nicht weiter dargelegten - wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Auskunft bemisst.

Erstinstanzlich sind der mit 350 € bezifferte Schadensersatzanspruch und ein Betrag von 2.500 € hinzuzuaddieren. Letzterer betrifft die auf Beseitigung der vermeintlich bereits verhängten Sanktionen (Verwarnung und Vermerk eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen) gerichteten ursprünglichen Klageanträge zu 1 und 2. Erstinstanzlich ergibt sich hieraus ein Wert von 7.050 €, so dass die durch das Landgericht mit lediglich pauschaler Begründung vorgenommene Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern sein dürfte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Karlsruhe: 90.000 EURO Ordnungsgeld gegen YouTube wenn trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich gemacht wird

LG Karlsruhe
Beschluss vom 19.12.2022
22 O 11/22


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 90.000 EURO gegen YouTube angemessen ist, wenn der Betreiber der Videoplattform trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich macht.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der unstreitige Sachverhalt rechtfertigt Grund und Höhe des von der Kammer verhängten Ordnungsgelds von 90.000,00 € entsprechend drei Tagessätzen.

a) Der Beschluss der Kammer vom 23.03.2022 verpflichtete die Schuldnerin, es zu unterlassen, das von dem Antragsteller (jetzt: Gläubiger) auf der Plattform YouTube eingestellte und unter https://www.youtube.com/watch… abrufbare Video zu löschen und/oder den Antragsteller wegen der Einstellung dieses Inhalts mit einer Verwarnung zu versehen und/oder das Video zu löschen oder für dieses eine Verwarnung auszusprechen, soweit dem Antragsteller nicht, z.B. mit Timecode, mitgeteilt wird, welche Passagen oder sonstigen Inhalte gegen welche Regelung verstoßen haben sollen.

Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 05.05.2022 zugestellt. Die Schuldnerin schaltete das streitgegenständliche Video am 12.05.2022 wieder frei, um es sodann am 16.05.2022 wieder zu löschen. Am selben Tag verwarnte die Schuldnerin den Gläubiger zum zweiten Mal. Eine dreimalige Verwarnung binnen 90 Tagen geht bei der Schuldnerin mit einer Kanal-Löschung einher. Ferner bedeutet die zweimalige Verwarnung für den Nutzer, dass er zwei Wochen lang keine Videos hochladen, Beiträge posten oder Inhalte live streamen kann. Eine Mitteilung an den Gläubiger, welche Passagen oder sonstigen Inhalte seines Videos gegen welche Regelung der Schuldnerin verstoßen haben sollen, insb. unter Angabe eines Timecodes, erfolgte bei der erneuten Löschung und zweiten Verwarnung (wieder) nicht. Die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung wies die Schuldnerin am 17.05.2022 zurück. Zugunsten der Schuldnerin ist ihr Vortrag (zu dem der Gläubiger noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte) zu unterstellen, dass sie das Video am 19.05.2022 wieder eingestellt hat. Die Schuldnerin ist nach unstreitigem Vortrag des Gläubigers ohne weiteres in der Lage, Videos innerhalb von 48 Stunden wiederherzustellen.

b) Danach hat die Schuldnerin in mehrfacher Weise gegen den Unterlassungstitel verstoßen, als sie das Video um mehrere Tage verspätet wieder einstellte, es sodann erneut löschte und den Gläubiger wieder ohne Angabe, inwiefern sein Video regelwidrig sei, verwarnte. Insbesondere ist es nicht hinnehmbar, dass die Schuldnerin für die Befolgung des Unterlassungstitels eine volle Woche benötigte, obwohl ihr ein weitaus schnelleres Tätigwerden möglich wäre. Das gesamte Vorgehen der Schuldnerin im vorliegenden Fall offenbart einen laxen Umgang mit dem gerichtlichen Titel. Unterstellt man zu ihren Gunsten, dass die erneute Löschung und Verwarnung nicht vorsätzlich erfolgten, so liegt ein erheblicher Grad von Fahrlässigkeit jedenfalls darin, dass die Schuldnerin ihr Unternehmen offensichtlich nicht so organisiert hat, dass ihr eine zügige Befolgung gerichtlicher Entscheidungen verlässlich gelingt. Das Zusammentreffen dieser Säumigkeit mit den weiteren genannten Fehlleistungen der Schuldnerin rechtfertigt bereits ein nennenswertes Ordnungsgeld.

Für den Gläubiger bedeutete die zweite Verwarnung ein erhebliches Risiko einer Kanal-Löschung und unmittelbare negative Folgen in der Nutzbarkeit seines Kanals. Nachdem die Schuldnerin sogar die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung zurückgewiesen hatte, musste der Gläubiger befürchten, für beachtliche Zeit nicht mehr auf YouTube hochladen und posten zu können, also – unter Verstoß gegen einen von ihm erwirkten Titel – vorübergehend insoweit mundtot gemacht zu werden.

c) Zu Unrecht versucht die Schuldnerin, die Bemessung des Ordnungsgelds unter dem Gesichtspunkt einer nicht ausreichenden Darlegung ihrer Finanzstärke anzugreifen. Dahinstehen kann, ob – wie die Schuldnerin meint – nicht auf ihre Konzernzugehörigkeit, sondern nur auf sie als (Tochter-)Unternehmen abzustellen ist, was nach Auffassung der Kammer schon deswegen nicht zutrifft, weil etwa im Fall von Gewinnverlagerungen bzw. Gewinnabführungsverträgen Titelverstöße in einem Tochterunternehmen vorkommen können, welches nur aus konzerninternen/steuerlichen Gründen finanzschwach ist. Allgemeinbekannt generiert die Schuldnerin jedenfalls immense Werbeeinnahmen, was etwa die französische Datenschutzbehörde dazu veranlasste, wegen erheblicher Datenschutzverstöße Bußgelder von 60 Mio. Euro im Januar 2022 und von 40 Mio. Euro im Dezember 2020 zu verhängen. Die Gelegenheit, zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen ihrer Beschwerdeschrift vorzutragen, hat die Schuldnerin nicht genutzt.

d) Nachdem es sich auf der anderen Seite um einen Erstverstoß handelt, war das Ordnungsgeld nicht auf den oder in der Nähe des Höchstbetrags festzusetzen, sondern bei Gesamtabwägung wie mit dem angegriffenen Beschluss geschehen.



Bundeskartellamt: Verfahren gegen Google bzw. Alphabet im Zusammenhang mit Google News Showcase nach Anpassungen durch Google eingestellt.

Das Bundeskartellamt hat das Verfahren gegen Google bzw. Alphabet im Zusammenhang mit Google News Showcase nach Anpassungen durch Google eingestellt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Verbesserungen für Verlage bei Nutzung von Google News Showcase

Das Bundeskartellamt hat sein Verfahren gegen Google/Alphabet im Zusammenhang mit dem Online-Nachrichten-Angebot „Google News Showcase“ abgeschlossen, nachdem Google eine Reihe wichtiger Anpassungen zum Vorteil der Verlage vorgenommen hat.

Bei Google News Showcase handelt es sich um ein Nachrichtenangebot von Google, das den Verlegern im von Google gesetzten Rahmen Möglichkeiten zur Darstellung von Verlagsinhalten gibt. Die dort zur Verfügung gestellten Inhalte werden nicht aufgrund der Mechanismen von Google, sondern von den Verlegern selbst ausgewählt und in der Darstellung beeinflusst.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir hatten die Sorge, dass vergleichbare Angebote anderer Anbieter durch Google News Showcase verdrängt und teilnehmende Verlage von Google unangemessen benachteiligt werden könnten. Google hat auf unsere Bedenken reagiert und wesentliche Anpassungen zum Vorteil der Verlage vorgenommen. Insbesondere hat Google während unseres Verfahrens von Plänen zur Integration von Showcase in die allgemeine Google Suche Abstand genommen. Die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme eines Verlags an Showcase ist auch künftig nicht für das Ranking der Suchergebnisse relevant. Google hat seine Vertragspraxis so geändert, dass den Verlagen eine Geltendmachung ihres allgemeinen Presse-Leistungsschutzrechts nicht erschwert wird. Außerdem ist sichergestellt, dass künftig weitere Verlage an Google News Showcase teilnehmen können.“

Das im Juni 2021 eingeleitete Verfahren stützte sich maßgeblich auf die neuen Befugnisse des Bundeskartellamtes nach den Anfang 2021 eingeführten Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a GWB). Das Bundeskartellamt hatte im Dezember 2021 bereits entschieden, dass die Alphabet Inc., Mountain View, USA und damit auch das Tochterunternehmen Google der erweiterten Missbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde unterfällt (siehe Pressemitteilung vom 5. Januar 2022).

Auf Intervention des Bundeskartellamtes hat Google klargestellt, dass es auch den Showcase-Partnern möglich bleibt, ihr Leistungsschutzrecht im Übrigen kollektiv durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen. Deutsche Verleger können ihr Leistungsschutzrecht in Bezug auf gecrawlte Presse-Inhalte mittlerweile getrennt von einem Showcase-Vertrag lizenzieren, wie es auch schon in Frankreich kartellbehördlich durchgesetzt worden war.

Google wird in den kommenden Wochen weitere Maßnahmen umsetzen. Insbesondere soll über wesentliche Rahmenbedingungen von Showcase noch deutlicher informiert werden. Dazu zählt etwa die Erläuterung der Funktionsweise und der tatsächlichen Anforderungen für die Teilnahme von Verlagen an Showcase. Damit wird auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu dieser Plattform hingewirkt, dessen Details dann der Medienaufsicht nach dem Medienstaatsvertrag unterliegen. Das Bundeskartellamt wird diese Entwicklung auch künftig aufmerksam verfolgen und etwaigen Beschwerden abgewiesener Verleger nachgehen.

Streit über eine angemessene Vergütung der Verlage

Im Zusammenhang mit dem kartellrechtlichen Verfahren zu Google News Showcase haben die Verwertungsgesellschaft Corint Media und drei Verlegerverbände weitere Vorwürfe gegen Google vorgetragen. Diese Vorwürfe bezogen sich hauptsächlich auf die Frage einer angemessenen Vergütung für die von Google verwendeten Verlagserzeugnisse (Presse-Leistungsschutzrecht). Bis auf Weiteres hat das Bundeskartellamt diesbezüglich aus Ermessensgründen von einer eingehenden Prüfung und einem Einschreiten abgesehen. Google wurde vom Bundeskartellamt bereits unter Hinweis auf das Diskriminierungsverbot dazu bewegt, Corint Media eine Vergütung für das Presse-Leistungsschutzrecht anzubieten, die zumindest auf dem Niveau der zwischen Google und einzelnen Verlegern individuell abgeschlossenen Lizenzverträge lag. Dies umfasste das Angebot einer Interimsvereinbarung, die den von Corint Media vertretenen Verlagen die Möglichkeit einer streitigen Klärung der Vergütungshöhe offenhält.

Für die Frage nach der angemessenen Höhe der Vergütung für das Presse-Leistungsschutzrecht sieht der Gesetzgeber nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) ein spezielles Schiedsverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt vor. Ein solches Verfahren wurde von den Parteien zwischenzeitlich auch angestrengt. Das Bundeskartellamt hat die Möglichkeit sich an dem Verfahren als „amicus curiae“ zu beteiligen.



Volltext BGH: Täterschaftliche Haftung von Sharehoster für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte bei Untätigkeit trotz Inkenntnissetzung - uploaded III

BGH
Urteil vom 02.06.2022
I ZR 135/18
uploaded III
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 2 Buchst. b; Richtlinie 2004/48/EG Art. 3 Abs. 2; UrhG §§ 19a, 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3, § 97 Abs. 1, § 97a Abs. 2 und 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Videoplattformen wie YouTube und Sharehoster wie uploaded können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Ergreift der Betreiber einer Sharehosting-Plattform, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen, um den Zugang zu diesem Inhalt durch Löschung oder Sperrung zu verhindern, nimmt er selbst eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vor. Für den durch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG vollharmonisierten Bereich tritt mithin die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 Rn. 85 und 102 = WRP 2021, 1019 - YouTube und Cyando).

b) Die schon bisher für die Störerhaftung geltenden, an den Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung zu stellenden Anforderungen sind auf die Prüfung der öffentlichen Wiedergabe übertragbar.

c) Die zur täterschaftlichen Haftung des Betreibers einer Sharehosting-Plattform wegen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG führende Verletzung der durch einen Hinweis des Rechtsinhabers ausgelösten Prüfungspflicht umfasst neben der Pflicht zur unverzüglichen Verhinderung des Zugangs zur konkret beanstandeten Datei und zu weiteren, im Zeitpunkt der Beanstandung bereits hochgeladenen gleichartigen rechtsverletzenden Inhalten auch die Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.

BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 135/18 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Sharehoster wie uploaded können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften

BGH
Urteil vom 02.06.2022
I ZR 53/17
uploaded II
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1; UrhG §§ 19a, 97

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Videoplattformen wie YouTube und Sharehoster wie uploaded können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Der Betreiber einer Sharehosting-Plattform, der allgemeine Kenntnis von der Verfügbarkeit von Nutzern hochgeladener rechtsverletzender Inhalte hat oder haben müsste, nimmt selbst eine öffentliche Wiedergabe dieser Inhalte im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn er ein solches Verhalten seiner Nutzer dadurch wissentlich fördert, dass er ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen (im
Anschluss an EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021,1054 [juris Rn. 84] = WRP 2021, 1019 - YouTube und Cyando).

BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 53/17 - OLG München - LG München I


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Videoplattformen wie YouTube können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften

BGH
Urteil vom 02.06.2022
I ZR 140/15
YouTube II
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 2000/31/EG Art. 14 Abs. 1; Richtlinie 2004/48/EG Art. 8 Abs. 2 Buchst. a; UrhG § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, §§ 19a, 31 Abs. 5, §§ 73, 78 Abs. 1 Nr. 1, § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3, §§ 97, 101 Abs. 2 und 3; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Videoplattformen wie YouTube und Sharehoster wie uploaded können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Ergreift der Betreiber einer Video-Sharing-Plattform, der weiß oder wissen müsste, dass Nutzer über seine Plattform im Allgemeinen geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, so nimmt er selbst eine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalte im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, §§ 19a, 78 Abs. 1 Nr. 1, § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG vor. Lediglich reaktive technische Maßnahmen, die Rechtsinhabern das Auffinden von bereits hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalten oder die Erteilung von darauf bezogenen Hinweisen an den Plattformbetreiber erleichtern, genügen für die Einstufung als Maßnahmen zur glaubwürdigen und wirksamen Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen nicht (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 Rn. 84 = WRP 2021, 1019 - YouTube und Cyando).

b) Die Synchronisation im Sinne der Verbindung eines Tonträgers mit Bildern stellt eine eigenständige Nutzungsart dar, die Gegenstand einer gesonderten Rechtseinräumung sein kann.

c) Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB wegen Eingriffs in ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht setzt die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen Urheberrechtsinhaber und Anspruchsgegner voraus. Daran fehlt es, wenn bei einer Muttergesellschaft Vorteile abgeschöpft werden sollen, die im Geschäftsbetrieb ihrer Tochtergesellschaft entstanden sind.

d) Der Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs. 3 UrhG schließt die Auskunft über die Bankdaten der Nutzer der Dienstleistungen nicht ein (Fortführung von BGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 - I ZR 153/17, GRUR 2021, 470 = WRP 2021, 201 - YouTube-Drittauskunft II).

BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 140/15 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Videoplattformen wie YouTube und Sharehoster wie uploaded können für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften

BGH
Urteile vom 02.06.2022
I ZR 140/15 - YouTube II
I ZR 53/17 - uploaded II
I ZR 54/17
I ZR 55/17
I ZR 56/17
I ZR 57/17
I ZR 135/18


Der BGH hat heute in mehreren Verfahren entschieden, dass Videoplattformen wie YouTube und Sharehoster wie uploaded für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haften können.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Haftung von "YouTube" und "uploaded" für Urheberrechtsverletzungen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Verfahren über die Haftung des Betreibers der Internetvideoplattform "YouTube" und in sechs weiteren Verfahren über die Haftung des Betreibers des Internetsharehosting-Dienstes "uploaded" für von Dritten auf der Plattform bzw. unter Nutzung des Dienstes begangene Urheberrechtsverletzungen entschieden.

Zum Verfahren I ZR 140/15:

Sachverhalt:

Der Kläger ist Musikproduzent. Er hat mit der Sängerin Sarah Brightman im Jahr 1996 einen Künstlerexklusivvertrag geschlossen, der ihn zur Auswertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtigt. Im November 2008 erschien das Studioalbum "A Winter Symphony" mit von der Sängerin interpretierten Musikwerken. Zugleich begann die Künstlerin die Konzerttournee "Symphony Tour", auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot.

Die Beklagte zu 3 betreibt die Internetplattform "YouTube", auf die Nutzer kostenlos audiovisuelle Beiträge einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1 ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3.

Anfang November 2008 waren bei "YouTube" Videos mit Musikwerken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt, darunter private Konzertmitschnitte und Musikwerke aus ihren Alben. Nach einem anwaltlichen Schreiben des Klägers sperrte die Beklagte zu 3 jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19. November 2008 waren bei "YouTube" erneut Tonaufnahmen von Darbietungen der Künstlerin abrufbar, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren.

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat es die Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Nutzer der Plattform verurteilt, die diese Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal hochgeladen haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit den vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter und erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 13. September 2018
(YouTube I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt und der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt (dazu Pressemitteilungen Nr. 150/2018 vom 13. September 2018).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18 (YouTube und Cyando) entschieden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Klägers stattgegeben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Musiktitel auf dem Studioalbum "A Winter Symphony" und einiger auf der "Symphony Tour" dargebotener Musiktitel die gegenüber beiden Beklagten geltend gemachten Unterlassungsansprüche und die gegen die Beklagte zu 3 geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatzfeststellung und Auskunftserteilung abgewiesen hat. Der Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof stattgegeben, soweit das Berufungsgericht sie zur Unterlassung und zur Auskunft über die E-Mail-Adressen von Nutzern verurteilt hat. Hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatzfeststellung hat der Bundesgerichtshof die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind nur begründet, wenn die Bereitstellung von Nutzern hochgeladener rechtsverletzender Inhalte auf der von der Beklagten zu 3 betriebenen Plattform sowohl im Handlungszeitpunkt als auch nach der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Rechtslage eine die Rechte des Klägers verletzende öffentliche Wiedergabe darstellt.

Das nach der Rechtslage im Handlungszeitpunkt maßgebliche Recht der öffentlichen Wiedergabe ist nach Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiert, so dass die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtlinienkonform auszulegen sind.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Senats entschieden, dass der Betreiber einer Video-Sharing-Plattform, der weiß oder wissen müsste, dass Nutzer über seine Plattform im Allgemeinen geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen, selbst eine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt, wenn er nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen. Lediglich reaktive technische Maßnahmen, die Rechtsinhabern das Auffinden von bereits hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalten oder die Erteilung von darauf bezogenen Hinweisen an den Plattformbetreiber erleichtern, genügen für die Einstufung als Maßnahmen zur glaubwürdigen und wirksamen Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen nicht.

Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, dass die allgemeine Kenntnis des Betreibers von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform für die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe des Betreibers nicht genügt, dass es sich aber anders verhalte, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern. Der Bundesgerichtshof hält vor diesem Hintergrund für den durch Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG vollharmonisierten Bereich nicht an seiner Rechtsprechung fest, nach der in dieser Konstellation keine Haftung als Täter einer rechtswidrigen öffentlichen Wiedergabe, sondern allenfalls eine Haftung als Störer in Betracht kam. Hier tritt nun die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung. Dabei sind die schon bisher für die Störerhaftung geltenden, an den Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung zu stellenden Anforderungen auf die Prüfung der öffentlichen Wiedergabe übertragbar.

Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass der Betreiber einer Sharehosting-Plattform, der allgemeine Kenntnis von der Verfügbarkeit von Nutzern hochgeladener rechtsverletzender Inhalte hat oder haben müsste, selbst eine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalte vornimmt, wenn er ein solches Verhalten seiner Nutzer dadurch wissentlich fördert, dass er ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.

Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Beklagte zu 3 die geeigneten technischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen auf ihrer Plattform ergriffen hat, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer erwartet werden können. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Beklagte habe ihre durch einen Hinweis auf die klare Verletzung der Rechte des Klägers ausgelöste Pflicht verletzt, unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu diesen Inhalten zu verhindern.

Sofern das Berufungsgericht aufgrund der im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffenden Feststellungen zur Annahme einer öffentlichen Wiedergabe durch die Beklagte zu 3 gelangt, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe auch nach dem seit dem 1. August 2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (BGBl. I 2021 S. 1204) vorliegen.

Zu den Verfahren I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18:

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt den Sharehosting-Dienst "uploaded" im Internet. Dieser Dienst bietet jedermann kostenlos Speicherplatz für das Hochladen von Dateien beliebigen Inhalts. Für jede hochgeladene Datei erstellt die Beklagte automatisch einen elektronischen Verweis (Download-Link) auf den Dateispeicherplatz und teilt diesen dem Nutzer automatisch mit. Die Beklagte bietet für die bei ihr abgespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis noch eine entsprechende Suchfunktion. Allerdings können Nutzer die Download-Links in sogenannte Linksammlungen im Internet einstellen. Diese werden von Dritten angeboten und enthalten Informationen zum Inhalt der auf dem Dienst der Beklagten gespeicherten Dateien. Auf diese Weise können andere Nutzer auf die auf den Servern der Beklagten abgespeicherten Dateien zugreifen.

Der Download von Dateien von der Plattform der Beklagten ist kostenlos möglich. Allerdings sind Menge und Geschwindigkeit für nicht registrierte Nutzer und solche mit einer kostenfreien Mitgliedschaft beschränkt. Zahlende Nutzer haben, bei Preisen zwischen 4,99 € für zwei Tage bis 99,99 € für zwei Jahre, ein tägliches Downloadkontingent von 30 GB bei unbeschränkter Downloadgeschwindigkeit. Zudem zahlt die Beklagte den Nutzern, die Dateien hochladen, Downloadvergütungen, und zwar bis zu 40 € für 1.000 Downloads.

Der Dienst der Beklagten wird sowohl für legale Anwendungen genutzt als auch für solche, die Urheberrechte Dritter verletzen. Die Beklagte erhielt bereits in der Vergangenheit in großem Umfang Mitteilungen über die Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte von im Auftrag der Rechtsinhaber handelnden Dienstleistungsunternehmen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist es den Nutzern untersagt, über die Plattform der Beklagten Urheberrechtsverstöße zu begehen.

Die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 53/17 und I ZR 54/17 sind Verlage, die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 55/17 und I ZR 135/18 sind Musikunternehmen, die Klägerin im Verfahren I ZR 56/17 ist die GEMA und die Klägerin im Verfahren I ZR 57/17 ist ein Filmunternehmen. Die Klägerinnen sehen jeweils Rechtsverletzungen darin, dass über die externen Linksammlungen Dateien auf den Servern der Beklagten erreichbar seien, die Werke enthielten, an denen ihnen beziehungsweise im Verfahren I ZR 56/17 den Rechtsinhabern, deren Rechte die GEMA wahrnehme, Nutzungsrechte zustünden. Außer in den Verfahren I ZR 57/17 und I ZR 135/18 haben die Klägerinnen die Beklagte in erster Linie als Täterin, hilfsweise als Teilnehmerin und weiter hilfsweise als Störerin auf Unterlassung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt. Im Verfahren I ZR 57/17 wird die Beklagte nur auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht und im Verfahren I ZR 135/18 auf Unterlassung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

In den Verfahren I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 56/17 und I ZR 57/17 haben die Landgerichte die Beklagte wegen Teilnahme an den Rechtsverletzungen zur Unterlassung verurteilt, sofern dies beantragt war, und den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht stattgegeben. In den Verfahren I ZR 55/17 und I ZR 135/18 haben die Landgerichte die Beklagte als Störerin zur Unterlassung und im Verfahren I ZR 135/18 darüber hinaus zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verurteilt. Im Übrigen haben die Landgerichte die Klagen abgewiesen.

Die Oberlandesgerichte haben angenommen, die Beklagte sei nur als Störerin zur Unterlassung und im Verfahren I ZR 135/18 zudem zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verpflichtet; im Übrigen haben sie die Klagen abgewiesen. In den Verfahren I ZR 53/17 und I ZR 135/18 haben die Oberlandesgerichte darüber hinaus angenommen, dass sich hinsichtlich einzelner Werke nicht feststellen lasse, dass die Beklagte diesbezüglich Prüfpflichten verletzt habe; insoweit haben sie die Klagen vollständig abgewiesen.

Mit den im Verfahren I ZR 135/18 vom Oberlandesgericht und im Übrigen vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren I ZR 53/17 mit Beschluss vom 20. September 2018 (uploaded I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt (dazu Pressemitteilungen Nr. 156/2018 vom 20. September 2018). Die Verfahren I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren I ZR 53/17 ausgesetzt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auch über diese Fragen durch Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18 (YouTube und Cyando) entschieden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat in sämtlichen Verfahren den Revisionen der Klägerinnen stattgegeben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Für den Betreiber einer Sharehosting-Plattform gelten nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union dieselben Grundsätze wie für den Betreiber einer Video-Sharing-Plattform.

In den Verfahren I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, und I ZR 57/17 bestehen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte keine hinreichenden technischen Maßnahmen ergriffen hat, weil die von ihr eingesetzten proaktiven Maßnahmen (Stichwortfilter beim Download, Hashfilter, einige manuelle Kontrollen und Recherchen in Linkressourcen) Urheberrechtsverletzungen nicht hinreichend effektiv entgegenwirken und die weiteren von der Beklagten angeführten Maßnahmen (Bereitstellung eines "Abuse-Formulars" und eines "Advanced-Take-Down-Tools") lediglich reaktiv und daher ebenfalls unzureichend sind. Es bestehen zudem gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Geschäftsmodell der Beklagten auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte beruht und die Nutzer dazu verleiten soll, rechtsverletzende Inhalte über die Plattform der Beklagten zu teilen. Für eine abschließende Beurteilung sind allerdings noch tatsächliche Feststellungen zu treffen. Sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach dem im Handlungszeitpunkt geltenden Recht begründet, ist zudem zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe auch nach dem seit dem 1. August 2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten vorliegen.

Im Verfahren I ZR 135/18 sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe der Beklagten nach der Rechtslage im Handlungszeitpunkt erfüllt, weil die Beklagte ihre durch den Hinweis auf die klare Verletzung der Rechte der Klägerin am genannten Musikalbum ausgelöste Pflicht verletzt hat, unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu diesen Inhalten zu verhindern. Die durch den Hinweis der Klägerin ausgelöste Prüfungspflicht umfasste sowohl die Pflicht zur unverzüglichen Verhinderung des Zugangs zur konkret beanstandeten Datei und zu weiteren, im Zeitpunkt der Beanstandung bereits hochgeladenen gleichartigen rechtsverletzenden Inhalten als auch die Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Auch hier ist allerdings noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe nach dem seit dem 1. August 2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten vorliegen.

Vorinstanzen:

I ZR 140/15 - YouTube II

LG Hamburg - Urteil vom 3. September 2010 - 308 O 27/09

OLG Hamburg - Urteil vom 1. Juli 2015 - 5 U 175/10

und

I ZR 53/17 - uploaded II

LG München I - Urteil vom 18. März 2016 - 37 O 6199/14

OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1797/16

Und

I ZR 54/17

LG München I - Urteil vom 31. März 2016 - 7 O 6201/14

OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1818/16

und

I ZR 55/17

LG München I - Urteil vom 31. Mai 2016 - 33 O 6198/14

OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 2874/16

und

I ZR 56/17

LG München I - Urteil vom 10. August 2016 - 21 O 6197/14

OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 3735/16

und

I ZR 57/17

LG München I - Urteil vom 31. März 2016 - 7 O 6202/14

OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1819/16

und

I ZR 135/18 - uploaded III

LG Hamburg - Urteil vom 7. Juli 2016 - 310 O 208/15

OLG Hamburg - Urteil vom 28. Juni 2018 - 5 U 150/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

§ 19a UrhG: Recht der öffentlichen Zugänglichmachung

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 97 UrhG: Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (…)

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (…)



LG Köln: Anspruchsteller muss bei Anspruch auf Unterlassung der Löschung eines Videos durch YouTube glaubhaft machen Vertragspartner des Videoplattform zu sein

LG Köln
Beschluss vom 25.10.2021
28 O 363/21


Das LG Köln hat entschieden, dass der Anspruchsteller bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung der Löschung eines Videos durch YouTube im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens glaubhaft machen muss, Vertragspartner des Videoplattform zu sein.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Die Betreiberin eines Videokanals kann von YouTube nicht die Unterlassung der Löschung eines weiteren Videos auf ihrer Plattform verlangen

Das Landgericht Köln hatte es der Video-Plattform im Wege einer einstweiligen Verfügung mit zwei Beschlüssen vom 11.10.2021 unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, zwei Videos zu löschen und die Antragstellerin wegen des Inhalts der Videos mit einer Verwarnung zu belegen (vgl. PM 08/2021).

Der neue Antrag der Betreiberin des Videokanals auf Unterlassung der Löschung eines weiteren Videos wurde von dem Landgericht Köln mit Beschluss vom 25.10.2021 zurückgewiesen. Die Richter stellten darauf ab, dass die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht habe, dass ihr selbst ein vertraglicher Anspruch gegen die Videoplattform zustehen würde.

Vertragspartner werde derjenige, der einen Kanal bei der Antragsgegnerin eröffnet. Die Videoplattform hatte allerdings bestritten, dass die Antragstellerin diejenige ist, die den Kanal im Juli 2021 eröffnet hat. Sie soll ihn nur betreiben, wäre damit nicht Vertragspartnerin und habe selbst keinen Anspruch. Diese Fallgestaltung weicht von den bisherigen Fallgestaltungen ab, so dass sich die Entscheidung nicht in Widerspruch zu den bisherigen Beschlüssen setzt. In dem Fall der erlassenen einstweiligen Verfügungen war kein entsprechender Vortrag von der Videoplattform erfolgt, weshalb die Kammer bei den früheren Entscheidungen keinen Anlass hatte, an der Stellung der Antragstellerin als Vertragspartnerin zu zweifeln.


LG Köln: YouTube muss Kanalbetreiber bei Löschung von Videos wegen Verstoßes gegen YouTube-Richtlinien konkret mitteilen gegen welche Vorschriften verstoßen wurde

LG Köln
Beschluss vom 11.10.2021 - 28 O 351/21
Beschluss vom 11.10.2021 - 28 O 350/21


Das LG Köln hat entschieden, dass YouTube den Kanalbetreiber bei Löschung von Videos wegen Verstoßes gegen die YouTube-Richtlinien konkret mitteilen muss, durch welche Passagen gegen welche Vorschriften verstoßen wurde.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

YouTube hat die Löschung zweier Videos auf ihre Plattform zu unterlassen

Die Antragstellerin betreibt einen Videokanal bei der Antragsgegnerin und veröffentlichte zwei Videos mit einer Länge von 26 Minuten, bzw. 29 Minuten mit Interviews und Berichten zum Thema Corona. Die Video-Plattform löschte diese Videos.
Das Landgericht Köln hat es der Video-Plattform im Wege einer einstweiligen Verfügung, Beschlüsse vom 11.10.2021, unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, diese Videos zu löschen und die Antragstellerin wegen des Inhalts der Videos mit einer Verwarnung zu versehen.

Der Betreiberin des Videokanals stünde ein vertraglicher Anspruch gegen die Video-Plattform zu, der diese zur Bereitstellung ihrer Dienste verpflichtet. YouTube sei zur Löschung nicht berechtigt gewesen. Die Videoplattform habe der Antragstellerin nicht konkret genug mitgeteilt, welche Passagen ihrer Meinung nach gegen welche Vorschrift der von ihr aufgestellten Richtlinien verstoßen würden. Nur bei kurzen Videos mit offensichtlich auf den ersten Blick erkennbaren medizinischen Fehlinformationen dürfte eine Löschung auch ohne Benennung der konkreten Passagen durch die Plattform zulässig sein. Dies gelte allerdings nicht für längere Videos, die auch zulässige Äußerungen enthielten.

Die Beschlüsse im einstweiligen Verfügungsverfahren wurden bisher noch nicht zugestellt. Die Antragsgegnerin hat die Möglichkeit, gegen die Beschlüsse beim Landgericht Köln Widerspruch einzulegen. Dann wird das Landgericht aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu prüfen haben, ob die einstweiligen Verfügungen durch Urteil zu bestätigen oder
aufzuheben sind. Gegen ein solches Urteil wäre das Rechtsmittel der Berufung beim Oberlandesgericht zulässig.


Aus den Entscheidungsgründen - 28 O 351/21:

Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin aus § 241 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag einen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, das im Tenor genannten Video zu löschen und seinen Kanal wegen dieses Videos mit einer Verwarnung zu belegen. Durch den zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrag verpflichtet sich die Antragsgegnerin zur Bereitstellung ihrer Dienste. Hierzu gehört die Möglichkeit, Videos hochzuladen. Diese vertraglich eingeräumte Möglichkeit hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin durch die Löschung der Videos genommen und damit gegen die Verpflichtung, dem Antragsgegner ihre Infrastruktur als Plattform zur Verfügung zu stellen, verstoßen.

Hierzu war sie nicht berechtigt. Der Antragstellerin wurde schon nicht mitgeteilt, welche Passage des Videos gegen die Richtlinien verstoßen soll, so dass auch der Kammer eine entsprechende Überprüfung nicht möglich war. Damit ist nicht ersichtlich, dass - worauf sich die Antragsgegnerin ausweislich einer entsprechenden Mitteilung an die Antragstellerin alleine beruft - die Antragstellerin gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin zu medizinischen Fehlinformationen verstoßen würde. Nur bei einem kurzen Video mit einer offensichtlichen auf den ersten Blick erkennbaren medizinischen Fehlinformation dürfte eine Löschung auch ohne Benennung der konkreten Passage durch die Antragsgegnerin zulässig sein. Dies gilt hingegen nicht für längere Videos (wie das vorliegende mit einer Länge von etwa 26 Minuten), die auch eine Vielzahl von eindeutig zulässigen Äußerungen enthalten.

Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Die einmalige Verletzung indiziert hier bereits die Wiederholungsgefahr. Diese wurde auch nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Trier: Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung wenn Unterlassungsschuldner Dritte ermuntert wettbewerbswidriges Video weiter auf YouTube und Instagram zu teilen und zu verbreiten

LG Trier
Beschluss vom 29.07.2021
7 HK O 9/21


Das LG Trier hat entschieden, dass ein Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung vorliegt, wenn der Unterlassungsschuldner Dritte ermuntert, ein wettbewerbswidriges Video weiter auf YouTube und Instagram zu teilen und zu verbreiten.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 und 2 ZPO liegen vor.

Die Antragsgegnerin wurde gemäß rechtskräftigem Endurteil verpflichtet, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu äußern,

a) die unter der Marke „E.“ vertriebenen Produkte seien früher nicht in Deutschland hergestellt worden, wenn dies geschieht wie am 02.03.2021 in der Story des Instagram-Accounts „.“ und/oder wie in dem am 05.03.2021 auf dem YouTube-Kanal „Z...+ N.“ unter dem Link .veröffentlichten Video mit dem Titel „E. Leak | J. W. Teil 1 #fake #in #germany #alle #lügen“ (ab Minute 4:15; ab Minute 1:27:45), als Videos überreicht mit Anlage AST 7;

und/oder

b) die unter der Marke „E.“ vertriebenen Produkte seien „Fake in Germany“ gewesen, wenn dies geschieht wie am 02.03.2021 in der Story des Instagram-Accounts „.“ und/oder wie in dem am 05.03.2021 auf dem YouTube-Kanal „Z...+ N.“ unter dem Link .veröffentlichten Video mit dem Titel „E. Leak | J. W. Teil 1 #fake #in #germany #alle #lügen“ (ab Minute 1:31:15), als Videos überreicht mit Anlage AST 7.

Die Antragsgegnerin hat dieser Unterlassungsverpflichtung zuwidergehandelt.

Die Antragsgegnerin hat die verbotenen Äußerungen selbst nicht nochmals getätigt, aber ihre Follower dazu aufgefordert, die Message des neu geschnittenen Videos im Vergleich zu dem alten Video unter seiner Instagram Story zu posten. Da die Antragstellerin nur beantragt hat, die Äußerungen zu unterlassen, ist es zwar zweifelhaft, ob das Anregen von Äußerungen allein der Unterlassungsverpflichtung nach der sog. Kerntheorie ebenfalls unterfällt.

Nach dieser dürfen zwar im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes und zur Vermeidung unnötiger Streitverlagerungen in die Vollstreckungsinstanz zwar gewisse Verallgemeinerungen über die enge Form der festgestellten Verletzungshandlung hinaus vorgenommen werden, sofern auch in der erweiterten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Handlung zum Ausdruck kommt. Eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung lasse nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten, sondern auch die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen (OLG München, Urteil vom 12. 11. 2003 - 7 U 3739/03, GRUR-RR 2004, 63, beck-online).

Vorliegend kommt aber hinzu, dass sich die Antragsgegnerin die oben genannten Äußerungen zu eigen gemacht hat, als sie sich die Kommentierung des Nutzers „...“, dass „E... fake“ sei und „im Ausland produziert“, mit dem Kommentar „Dank dir“ zusätzlich zu eigen gemacht hat. Macht sich die Antragsgegnerin eine Kommentierung unter ihrer Story, die sie angeregt hat und die sie unproblematisch hätte löschen können, durch einen befürwortenden Kommentar zu eigen, so steht dies auch nach der Kerntheorie einer eigenen Äußerung gleich.

Die Äußerungen sind auch in ihrem Kern wesensgleich, auch wenn sich der Unterlassungstenor nur auf die Vergangenheit bezog. In der Behauptung, dass dies auch in der Gegenwart noch so sei, ist aber die frühere Behauptung enthalten und wird sogar in ihrem Erheblichkeitsgrad gesteigert.

Das Gericht hat das beantragte Ordnungsgeld auf 1.000,00 € festgesetzt. Es hat hierbei sowohl die Schwere der fortgesetzten Zuwiderhandlung berücksichtigt als auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schuldnerin F... GmbH & Co. KG durch ein empfindliches Übel zur Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird. Die Ordnungshaft hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 I 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Bonn: Veröffentlichung von Gaffervideos im Internet rechtfertigt Hausdurchsuchung

LG Bonn
Beschluss vom 13.07.2021
50 Qs-410 Js 78/21-18/21


Das LG Bonn hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Gaffervideos im Internet eine
Hausdurchsuchung rechtfertigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht Bonn die Durchsuchung der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers angeordnet, §§ 102, 105 StPO.

Gemäß § 102 StPO kann bei dem als Täter oder Teilnehmer einer Straftat Verdächtigen eine Durchsuchung dann angeordnet werden, wenn das Auffinden von Beweismitteln zu vermuten ist. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt daher der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG NJW 2007, 1443; 2007, 2749, 2751 m. w. N.; BGH NJW 2000, 84, 85).

Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben liegt ein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gemäß § 201 a StGB vor. Gemäß § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Die Hilflosigkeit muss durch die Abbildung zur Schau gestellt werden. Erforderlich ist, dass die Hilflosigkeit der Aufnahme selbst zu entnehmen ist. Daran fehlt es, wenn die Gefahrensituation für das Opfer selbst auf der Aufnahme nicht zu erkennen ist (BGH NStZ 2017, 408, Cornelius NJW 2017, 1893). Zudem muss die Hilflosigkeit objektiv in den Fokus gerückt und nicht lediglich völlig „untergeordnetes Beiwerk“ der Aufnahme sein. Darüber hinaus ist die Bestimmungsbefugnis der Person über Informationen ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs als Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Die auf den Bildaufnahmen abgebildete Person muss für Dritte nicht identifizierbar sein. Dies vorweg geschickt, verbreitete der Beschwerdeführer durch das Hochladen des Unfallvideos auf seinem X-Kanal die Bildaufnahmen an eine unbestimmte Anzahl Dritter. Wenngleich der Beschwerdeführer das Gesicht des Geschädigten verpixelt hatte, steht dies nach vorstehenden Ausführungen der Tatbestandserfüllung nicht entgegen. Denn durch die Bildaufnahmen der schweren Verletzung sowie der Bergung des Geschädigten, die mit einer Dauer von zwei Minuten den zentralen Teil des Videos einnehmen, stand der Geschädigte als Person im Fokus der Bildaufnahmen. Trotz der Verpixelung ist eine Identifizierung des Geschädigten – bspw. durch Familienangehörige oder sich selbst – ohne weiteres möglich.

Soweit der Beschwerdeführer sich auf die Voraussetzungen des § 201 a Abs. 4 StGB beruft, dringt er mit seinem Vorbringen nicht durch. Gemäß § 201 a Abs. 4 StGB gilt u.a. § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. Zu Recht hat das Amtsgericht Bonn ausgeführt, dass das auf dem X-Kanal des Beschwerdeführer gezeigte Video des Geschädigten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Tätigkeit als Pressevertreter gerecht wird, da der Kanal keinen journalistisch-redaktionellen Inhalt aufweist, da es sich um eine reine unbearbeitete Übermittlung und Aneinanderreihung von Informationen ohne redaktionelle Aufbereitung oder journalistischer Herangehensweise handelt. Es fehle insoweit an einer pressemäßigen „Vermittlungsleistung“. Diesen Ausführungen schließt das Beschwerdegericht sich vollumfänglich an. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es sich um „Vorgänge des Zeitgeschehens“ – wie der Beschwerdeführer meint – handelt.

Die Durchsuchung war schließlich auch verhältnismäßig.

Durchsuchungen stellen regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar. Wohnungsdurchsuchungen sind stets ein tiefgreifender Grundrechtseingriff (vgl. BVerfG NJW 2006, 976). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist daher bei der Anordnung und Durchführung der Maßnahme besondere Beachtung zu schenken. Die Maßnahme muss in Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sowie gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein. Das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen, die den Ermittlungszweck nicht gefährden. Schließlich muss der jeweilige Eingriff im angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachtes stehen (BVerfG NJW 2011, 2275; Beschl. v. 26.10.2011, 2 BvR 1774/10, Abs. 22 = BeckRS 2011, 56244; NJW 2008, 1937).

Die Durchsuchung war zur Auffindung von Beweismitteln geeignet. Es war anzunehmen, dass sich auf den aufzufindenden Datenträgern die vom Beschwerdeführer gefertigten Aufnahmen - auch im unbearbeiteten Zustand - befinden und diese als Beweismittel zur Überführung in einer Hauptverhandlung in Betracht kommen können. Die Durchsuchungsanordnung stand schließlich auch im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachtes. Der Anordnung lag -wie gezeigt- ein begründeter Verdacht einer Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen nach § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zugrunde. Der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer war - und ist es noch - hinreichend begründet und übersteigt deutlich das Maß an Verdachtsgründen für einen Anfangsverdacht. Ausweislich des gesamten Inhalts der Akte ergeben sich zahlreiche Anhaltspunkte, dass die Tat durch den Beschwerdeführer begangen wurde, wobei dieser dies ohnehin nicht abstreitet. Wenngleich hier das geringere Strafmaß zu berücksichtigen ist, ändert dies nichts an der Angemessenheit der Durchsuchung. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Vorschrift des § 102 StPO gerade nicht zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen. Vielmehr gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die durchzuführende Durchsuchung im Einklang mit den schutzbedürftigen Interessen des Beschwerdeführers und des Strafverfolgungsinteresse gebracht werden. Die so bezeichneten Interessen des Beschwerdeführers stehen dahinter zurück. Denn in der Abwägung zu berücksichtigen ist - neben dem starken Verdachtsgrad - auch, dass der Beschwerdeführer das Video durch die Veröffentlichung in seinem X-Kanal und Verbreitung im Internet einer unbegrenzten Anzahl von Personen zur Verfügung gestellt hat, der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten sich vor diesem Hintergrund mithin als besonders schwerwiegend darstellt. Die dagegen abzuwägenden Grundrechte des Beschwerdeführers überwogen nicht derart, dass der Erlass des Beschlusses als unverhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Dresden: Ordnungsgeld über 100.000 EURO gegen YouTube bzw Google wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos

OLG Dresden
Beschluss vom 29.06.2021
4 W 396/21


Das OLG Dresden hat gegen YouTube bzw. Google ein Ordnungsgeld über 100.000 EURO wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos verhängt. Zuvor war gegen den Videoportalbetreiber eine entsprechende Unterlassungsverfügung ergangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat - was sie selbst auch nicht in Abrede stellt - gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom 20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen.

Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie - präventiv - der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie - repressiv - eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu Vorstehendem nur: BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 - juris; BGH, Urteil vom 30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 - juris); daneben soll die Bemessung bewirken, dass - wiederum aus Schuldnersicht - die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, a.a.O.).

Die dargestellten Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht
in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verfügungsbeklagte hatte die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits mit ihrer
Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb bereits am 23. April
2021 zugestellt worden. Dennoch war das streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen
Vorbringen erst am 14. Mai 2021 wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und
hat sie erst zu dem vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung
zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach ihrer
eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video - anders als in der Senatsentscheidung vom 20. April 2021 im Einzelnen dargelegt - einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie „das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass eine solche Abwägung vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung jedoch weder veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der Zuwiderhandlung ein vorsätzlicher und - aufgrund der Zeitdauer - auch schwerer Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu sehen, der - auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten - die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf den Höchstbetrag festzusetzen, sondern hält im Ergebnis der Gesamtabwägung die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € (noch) für ausreichend.