Das Bundeskartellamt ha ein Verfahren gegen PayPal wegen Missbrauchs marktbeherrschender bzw. marktmächtiger Stellung (Behinderung von Wettbewerbern und Beschränkung des Preiswettbewerbs) eingeleitet.
Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes: Bundeskartellamt leitet Verfahren gegen PayPal ein
Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen die PayPal (Europe) S.à r.l. et Cie, S.C.A. wegen möglicher Behinderung von Wettbewerbern und Beschränkung des Preiswettbewerbs eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens sind die in den Nutzungsbedingungen von PayPal für Deutschland festgelegten „Regeln zu Aufschlägen“ und zur „Darstellung von PayPal“.
Nach diesen Vorgaben dürfen Händlerinnen und Händler ihre Waren und Dienstleistungen nicht zu niedrigeren Preisen anbieten, wenn die Kundinnen und Kunden für die Bezahlung eine günstigere Zahlungsmethode als PayPal wählen. Ferner dürfen die Verkäuferinnen und Verkäufer keine Präferenz für andere Zahlungsmethoden als PayPal zum Ausdruck bringen, oder z.B. deren Nutzung für die Kundinnen und Kunden komfortabler gestalten.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Diese Klauseln könnten den Wettbewerb beschränken und einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot darstellen. Wir werden jetzt prüfen, welche Marktmacht PayPal zukommt und in wie weit Online-Händler darauf angewiesen sind, PayPal als Zahlungsmethode anzubieten. Wenn die Händler gehindert werden, die unterschiedlich hohen Kosten der verschiedenen Zahlungsmethoden über entsprechende Aufschläge oder Rabatte zu berücksichtigen, können sich andere und neue Zahlungsmethoden im Preis- und Qualitätswettbewerb schlechter behaupten oder gar nicht erst auf den Markt kommen. Marktmächtige Zahlungsdienste könnten so weiteren Spielraum für die eigene Preissetzung erlangen. Leidtragende wären dann insbesondere auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, die diese höheren Kosten am Ende indirekt über die Produktpreise zahlen.“
Die von Verkäuferinnen und Verkäufern für die Nutzung eines Zahlungsdienstes zu entrichtenden Entgelte unterscheiden sich erheblich je nach Zahlungsmethode. Üblicherweise legen Händler diese Entgelte auf die Produktpreise um, sodass letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher die Kosten der Zahlungsdienste tragen, auch wenn diese – anders als z.B. Versandkosten – gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern zumeist nicht separat ausgewiesen werden.
Nach Marktstudien ist PayPal in Deutschland nicht nur der führende Anbieter für Online-Zahlungen, sondern auch einer der teuersten Online-Zahlungsdienste. PayPals Standardgebühr beträgt in Deutschland gemäß PayPals Preisliste derzeit 2,49 - 2,99 Prozent des Zahlungsbetrages zzgl. 34-39 Cent pro Zahlung.
Das Verfahren wird auf Grundlage der kartellrechtlichen Verbote des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV, § 19 GWB) bzw. einer marktmächtigen Stellung (§ 20 GWB) geführt. Daneben kommt ein Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Art. 101 AEUV, § 1 GWB) in Betracht. Damit reiht sich der vorliegende Fall auch ein in diverse Verfahren wegen sog. Meistbegünstigungsklauseln, die Wettbewerbsbehörden bereits gegen andere Online-Plattformen geführt haben.
Zur Verhinderung von überhöhten Zahlungsmittelaufschlägen von Händlern gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern untersagt Art. 62 Abs. 4 der Europäischen Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2366) separate Entgelte für bestimmte Zahlungsmethoden, von denen angenommen wurde, dass sie relativ kostengünstig sind. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2021 (Aktenzeichen: I ZR 203/19) fällt PayPal nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Im Rahmen der derzeit laufenden Überprüfung der Zahlungsdiensterichtlinie hat sich das Bundeskartellamt zudem für eine Abschaffung des Verbots von Zahlungsmittelentgelten für bestimmte kartengestützte Zahlungen ausgesprochen, da es sich hierbei nicht immer um kostengünstige Zahlungsmethoden handelt (siehe Stellungnahme vom 2. August 2022).
A. Problem und Ziel
Das Instrument der Sektoruntersuchung ermöglicht den Kartellbehörden die Gewinnung wichtiger Erkenntnisse über die Wettbewerbsverhältnisse auf den untersuchten Märkten. Aktuell haben viele Untersuchungen jedoch eine lange Verfahrensdauer. Dies erschwert es, auf die festgestellten Wettbewerbsprobleme zu reagieren und wirkt sich negativ auf die
Aktualität und Verwendbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse aus. Allerdings enden Sektoruntersuchungen bisher in der Regel mit einem Bericht der Kartellbehörde; die Ergreifung von Abhilfemaßnahmen ist nicht per se vorgesehen, sondern kann – genauso wie ohne vorangehende Sektoruntersuchung – nur verstoßabhängig erfolgen.
Die derzeit existierenden kartellrechtlichen Instrumente setzen im Wesentlichen am Verhalten der Unternehmen an. Voraussetzung für einen kartellbehördlichen Eingriff ist in der Regel ein Rechtsverstoß oder ein zur Fusionskontrolle anmeldepflichtiges Zusammenschlussvorhaben. Bestehende wettbewerbslose oder in ihrer Funktionsfähigkeit gestörte wettbewerbliche Strukturen sind bislang in Ermangelung eines Rechtsverstoßes oder anmeldepflichtigen Zusammenschlusses nicht Gegenstand kartellbehördlicher Maßnahmen. Stark konzentrierte bzw. oligopolistische Märkte, die etwa durch fusionskontrollfreie Unternehmenskäufe, Marktaustritte oder internes Wachstum entstanden sind, oder geringer (potentieller) Wettbewerb aufgrund erheblicher Marktzutrittsschranken können aktuell mit kartellrechtlichen Mitteln nicht angemessen adressiert werden.
Aufgrund der Dauer vieler Sektoruntersuchungen und der unzureichenden Befugnisse, die Ergebnisse auch unabhängig von etwaigen Kartellrechtsverstößen zur Anordnung von verbindlichen Maßnahmen zu nutzen, bleibt das Instrument der Sektoruntersuchung damit insgesamt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Um weitere Anreize gegen Kartellrechtsverstöße zu setzen, wurde 1999 mit § 34 das Instrument der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung geschaffen. Die derzeitigen rechtlichen
Hürden für die Vorteilsabschöpfung sind gemessen am gesamtwirtschaftlichen Schaden der Verstöße sehr hoch. In der Praxis kommt die Norm daher nicht zur Anwendung. Mit der Verordnung (EU) Nr. 2022/ (Digital Markets Act oder „DMA“) wurde ein Regelwerk geschaffen, das darauf abzielt, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor im Binnenmarkt zu sichern. Die Durchsetzung dieser Verordnung obliegt grundsätzlich der Europäischen Kommission als alleinige Durchsetzungsbehörde. Zugleich eröffnet der DMA gewisse Spielräume für den nationalen Gesetzgeber, um im Sinne des „effet utile“ einen ergänzenden Beitrag zur effektiven Durchsetzung der Verordnung zu leisten.
B. Lösung
Dem Instrument der Sektoruntersuchung soll zu einer höheren Wirksamkeit verholfen werden. Neben einer zeitlichen Straffung des Verfahrens soll dies insbesondere dadurch erreicht werden, dass dem Bundeskartellamt die Befugnis erhält, im Anschluss an eine Sektoruntersuchung verhaltensbezogene und strukturelle Abhilfemaßnahmen anzuordnen, wenn eine erhebliche, andauernde oder wiederholte Störung des Wettbewerbs vorliegt. Für den Fall, dass andere Abhilfemaßnahmen nicht ausreichen, sieht der Gesetzentwurf als ultima ratio die Möglichkeit einer Entflechtung vor.
Mit Blick auf die Vorteilsabschöpfung wird die Anwendbarkeit der Norm für die Kartellbehörden vereinfacht bzw. werden die Nachweisanforderungen im Hinblick auf den konkret erlangten Vorteil abgesenkt, damit wirtschaftliche Vorteile, die durch Kartellrechtsverstöße erlangt wurden, nicht bei den Unternehmen verbleiben, welche die Verstöße begangen haben.
Um die effektive Durchsetzung des DMA zu unterstützen, wird das Bundeskartellamt ermächtigt, Untersuchungen mit Blick auf Verstöße gegen die Artikel 5, 6 und 7 DMA vornehmen zu können. Darüber hinaus werden die Vorschriften zur Erleichterung der privaten Rechtsdurchsetzung in Kartellsachen, dort wo es geboten erscheint, hinsichtlich der Artikel 5, 6 und 7 DMA für anwendbar erklärt.
Das LG Hamburg hat die zuvor erlassen einstweilige Verfügung in dem Rechtsstreit EDEKA gegen Coca Cola wieder aufgehoben. Coca-Cola muss den Lebensmittelhändler EDEKA wegen des Streits um Preise doch nicht weiter beliefern.
EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.09.2022
Facebook Inc., Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH ./. Bundeskartellamt C-252/21
Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das Bundeskartellamt DSGVO-Verstöße durch Geschäftspraktiken im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verfolgen und ahnden darf (hier: Facebook / Meta). Dabei müssen allerdings Entscheidungen der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden beachtet werden.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Rantos ist der Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde in Ausübung ihrer Zuständigkeiten die Vereinbarkeit einer Geschäftspraxis mit der Datenschutzgrundverordnung prüfen kann
Sie muss jedoch jede Entscheidung oder Untersuchung der nach dieser Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.
Meta Platforms ist der Eigentümer des sozialen Online-Netzwerks „Facebook“. Die Nutzer dieses sozialen Netzwerks müssen die Nutzungsbedingungen von Facebook akzeptieren, die auf die Praxis der Nutzung dieser Daten und von Cookies durch Meta Platforms verweisen. Mit den Cookies erfasst Meta Platforms Daten, die aus anderen Diensten des Konzerns Meta Platforms wie Instagram oder WhatsApp stammen sowie aus Websites und Apps Dritter über in diese eingebundene Schnittstellen oder über auf dem Computer oder mobilen Endgerät des Nutzers gespeicherte Cookies. Diese Daten verknüpft Meta Platforms mit dem Facebook-Konto des betreffenden Nutzers und verwertet sie u. a. zu Werbezwecken.
Das deutsche Bundeskartellamt untersagte Meta Platforms die in den Nutzungsbedingungen von Facebook vorgesehene Datenverarbeitung sowie die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen und erlegte dem Unternehmen Maßnahmen zur Abstellung dieses Verhaltens auf. Das Bundeskartellamt war der Auffassung, dass die in Rede stehende Verarbeitung eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer in Deutschland darstelle. Meta Platforms legte gegen den Beschluss des Bundeskartellamts Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Dieses fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden befugt sind, die Vereinbarkeit einer Datenverarbeitung mit der DSGVO zu prüfen. Außerdem stellt das Oberlandesgericht dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung und Anwendung bestimmter Vorschriften der DSGVO.
In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag vertritt Generalanwalt Athanasios Rantos erstens die Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde zwar nicht befugt ist, einen Verstoß gegen die DSGVO festzustellen, sie jedoch in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten berücksichtigen kann, ob eine Geschäftspraxis mit der DSGVO vereinbar ist. Insoweit unterstreicht der Generalanwalt, dass die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer Praxis mit der DSGVO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein wichtiges Indiz für die Feststellung sein kann, ob diese Praxis einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften darstellt.
Der Generalanwalt stellt jedoch klar, dass eine Wettbewerbsbehörde die Einhaltung der DSGVO nur inzident prüfen kann und dies die Anwendung dieser Verordnung durch die nach der Verordnung zuständige Aufsichtsbehörde nicht präjudiziert. Folglich muss die Wettbewerbsbehörde alle Entscheidungen oder Untersuchungen der zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen, diese über jedes sachdienliche Detail informieren und sich gegebenenfalls mit ihr abstimmen.
Zweitens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen, das ein soziales Netzwerk betreibt, auf dem nationalen Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer eine beherrschende Stellung innehat, der Einwilligung des Nutzers dieses Netzwerks in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht ihre Wirksamkeit nehmen kann. Ein solcher Umstand spielt jedoch eine Rolle bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche nachzuweisen hat.
Drittens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass die streitige Praxis von Meta Platforms oder bestimmte Tätigkeiten, aus denen sie sich zusammensetzt, unter in der DSGVO vorgesehene Ausnahmen fallen können, sofern die betreffenden Tätigkeiten dieser Praxis für die Erbringung der Dienstleistungen in Bezug auf das Facebook-Konto objektiv erforderlich sind. Auch wenn die Personalisierung der Inhalte sowie die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Konzerns Meta Platforms, die Netzwerksicherheit und die Produktverbesserung im Interesse des Nutzers oder des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen erfolgen können, erscheinen diese Tätigkeiten allerdings nach Auffassung des Generalanwalts nicht für die Erbringung der genannten Dienstleistungen erforderlich.
Viertens stellt der Generalanwalt fest, dass das Verbot der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, die beispielsweise die rassische oder ethnische Herkunft, die Gesundheit oder die sexuelle Orientierung der betroffenen Person betreffen, auch die Verarbeitung der streitigen Daten umfassen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die verarbeiteten Informationen, einzeln oder aggregiert betrachtet, die Erstellung eines Profils des Nutzers im Hinblick auf die in der DSGVO genannten sensiblen Merkmale ermöglichen.
In diesem Zusammenhang weist der Generalanwalt darauf hin, dass der Nutzer sich voll bewusst sein muss, dass er durch eine ausdrückliche Handlung personenbezogene Daten öffentlich macht, damit die Ausnahme von diesem Verbot, die beinhaltet, dass die betroffene Person die Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, greifen kann. Nach Ansicht des Generalanwalts kann ein Verhalten, das im Aufruf von Websites und Apps, der Eingabe von Daten in diese Websites und Apps sowie in der Betätigung von in diese eingebundenen Schaltflächen besteht, grundsätzlich nicht einem Verhalten gleichgestellt werden, das die sensiblen personenbezogenen Daten des Nutzers offensichtlich öffentlich macht.
Tenor:
1. Die Antragsgegnerin hat es bis zum 30.09.2022 zu unterlassen, die Antragstellerin mit Artikeln aus dem Sortiment der Antragsgegnerin auf Grundlage der von der Antragstellerin erstellten Jahresgesprächsbestätigung 2022 datierend vom 12. Januar 2022, insbesondere unter Anwendung der dort vereinbarten Fabrikabgabenpreise abzüglich der im zugehörigen Konditionsblatt dokumentierten Konditionen als Höchsteinkaufspreise, gemäß den Bestellungen der Antragstellerin bis zum wirksamen Abschluss einer Anschlussvereinbarung nicht mehr zu beliefern.
2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen: Antragsschrift vom 06.09.2022
Gründe:
Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 06.09.2022 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Der Anspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 33 GWB in Verbindung mit Art. 102 AEUV und ist auf Unterlassung der kartellrechtswidrigen Handlung gerichtet (Immenga/Mestmäcker/Fuchs, 6. Aufl. 2020, GWB § 19 Rn. 402). Die Kammer geht aufgrund der vorliegenden Glaubhaftmachung der Antragstellerin von einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin und einer missbräuchlichen Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 Abs. 2 a) AEUV durch die Antragsgegnerin aus. Aufgrund der Glaubhaftmachung hält es die Kammer nach der gebotenen Prüfung für ausreichend wahrscheinlich, dass die von der Antragsgegnerin begehrte Preiserhöhung prima facie unangemessen ist. Aufgrund des Umstandes, dass es jedoch sachliche Gründe für die angekündigte Preiserhöhung geben mag, für die nach Auffassung der Kammer die Antragsgegnerin die Darlegungs- und Beweislast trägt (Immenga/Mestmäcker/Fuchs, 6. Aufl. 2020, GWB § 19 Rn. 237), war die Unterlassungsverfügung bis 30.09.2022 zu befristen. Insofern geht die Kammer davon aus, dass dies bis Ende September von der Antragsgegnerin gegeben falls nachgeholt wird und die Parteien dann eine entsprechende Anschlussvereinbarung schließen können, so dass die erlassene Verfügung inhaltlich dem entspricht, was die Antragstellerin begehrt.
Aufgrund des Umstandes, dass die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein erheblicher wirtschaftlicher und irreparabler Reputationsschaden in Folge der Nichtbelieferung entstehen wird, führt die erforderliche Abwägung hier auch dazu, dass es der Antragsgegnerin eher zuzumuten ist zu den bisherigen Preisen zu liefern (jedenfalls bis zum 30.09.2022). Aufgrund des glaubhaft gemachten möglichen Schadens war der sofortige Erlass der Verfügung durch den Vorsitzenden ohne vorherige (nochmalige) Anhörung der Antragsgegnerin gerechtfertigt. Der Inhalt der Schutzschrift vom 05.08.2022 wurde bei der Entscheidung berücksichtigt, rechtfertigt jedoch keine andere Entscheidung.
EuG
Urteil vom 14.09.2022 T-604/18
Google und Alphabet/Kommission (Google Android)
Das EuG hat die Geldbuße der EU-Kommission von mehr als 4 Milliarden EURO gegen Google / Alphabet wegen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung ganz überwiegend bestätigt.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Das Gericht bestätigt weitgehend den Beschluss der Kommission, wonach Google den Herstellern von Android-Mobilgeräten und den Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt hat, um die beherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu stärken.
Um Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung besser Rechnung zu tragen, hält das Gericht es jedoch im Anschluss an Erwägungen, die in einigen Punkten von denen der Kommission abweichen, für angebracht, gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 4,125 Mrd. Euro zu verhängen Google, ein auf Produkte und Dienstleistungen, die mit dem Internet in Zusammenhang stehen, spezialisiertes Unternehmen des Sektors der Informations- und Kommunikationstechnologien, erzielt seine Einkünfte im Wesentlichen mit seinem Schlüsselprodukt, der Suchmaschine Google Search. Sein Geschäftsmodell basiert auf dem Zusammenspiel einer Reihe von Produkten und Dienstleistungen, die den Nutzern meist kostenlos angeboten werden, und Online-Werbedienstleistungen, bei denen die bei diesen Nutzern gesammelten Daten verwendet werden. Google bietet ferner das Betriebssystem Android an, mit dem nach Angaben der Europäischen Kommission im Juli 2018 etwa 80 % der in Europa verwendeten intelligenten Mobilgeräte ausgestattet waren. Verschiedene Beschwerden, die wegen bestimmter Geschäftspraktiken von Google im Bereich des mobilen Internets an die Kommission gerichtet wurden, veranlassten sie, am 15. April 2015 gegen Google ein Verfahren betreffend Android zu eröffnen.
Mit Beschluss vom 18. Juli 20183 verhängte die Kommission gegen Google eine Sanktion wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung durch die Auferlegung wettbewerbswidriger vertraglicher Beschränkungen für die Hersteller von Mobilgeräten und die Betreiber von Mobilfunknetzen, bei einigen seit dem 1. Januar 2011. Die Beschränkungen hatten drei Formen:
1. Beschränkungen in den „Vertriebsvereinbarungen“, wonach die Hersteller von Mobilgeräten seine allgemeine Such-App (Google Search) und seinen Browser (Chrome) vorinstallieren mussten, um von Google eine Lizenz für die Nutzung seines App Store (Play Store) zu erhalten;
2. Beschränkungen in den „Anti-Fragmentierungsvereinbarungen“, wonach die für die Vorinstallation der Apps Google Search und Play Store durch die Hersteller von Mobilgeräten erforderlichen Lizenzen nur erteilt wurden, wenn die Hersteller sich verpflichteten, keine Geräte zu verkaufen, die mit nicht von Google zugelassenen Versionen des Betriebssystems Android ausgestattet sind;
3. Beschränkungen in den „Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen“, wonach Google nur dann einen Teil der Werbeeinnahmen an die betreffenden Hersteller von Mobilgeräten und Betreiber von Mobilfunknetzen weiterleitete, wenn diese sich verpflichteten, auf einem im Voraus festgelegten Sortiment von Geräten keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren.
Nach Ansicht der Kommission wurde mit all diesen Beschränkungen das Ziel verfolgt, die beherrschende Stellung von Google im Bereich der allgemeinen Suchdienste und damit seine Einnahmen aus Werbeanzeigen im Zusammenhang mit diesen Suchen zu schützen und zu stärken. Das gemeinsame Ziel der streitigen Beschränkungen und ihre Wechselwirkung veranlassten die Kommission daher, sie als einheitliche und fortdauernde Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einzustufen.
Infolgedessen verhängte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von fast 4,343 Mrd. Euro; dabei handelt es sich um die höchste jemals in Europa von einer Wettbewerbsbehörde verhängte Geldbuße. Die von Google erhobene Klage wird vom Gericht im Wesentlichen abgewiesen; es erklärt den Beschluss der Kommission nur insofern für nichtig, als darin festgestellt wird, dass die oben angesprochenen sortimentbezogenen Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen als solche einen Missbrauch darstellen. Angesichts der konkreten Umstände der Rechtssache hält das Gericht es ferner für angebracht, die gegen Google verhängte Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 4,125 Mrd. Euro festzusetzen.
Würdigung durch das Gericht
An erster Stelle prüft das Gericht den Klagegrund, dass bei der Definition der relevanten Märkte und der anschließenden Beurteilung der beherrschenden Stellung von Google auf einigen dieser Märkte Beurteilungsfehler begangen worden seien. In diesem Rahmen hebt das Gericht hervor, dass es im Wesentlichen unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien und der Argumentation im angefochtenen Beschluss zu prüfen hat, ob Google aufgrund seiner Macht auf den relevanten Märkten in der Lage war, sich gegenüber den verschiedenen Faktoren, die geeignet waren, ihm bei seinem Verhalten Zwänge aufzuerlegen, in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission in einem ersten Schritt vier relevante Märkte herausgearbeitet, und zwar erstens den weltweiten Markt (mit Ausnahme Chinas) für die Lizenzierung von Betriebssystemen für Mobilgeräte, zweitens den weltweiten Markt (mit Ausnahme Chinas) für Android-App-Stores, drittens die verschiedenen nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste im EWR und viertens den weltweiten Markt der nicht betriebssystemspezifischen Internetbrowser für Mobilgeräte. In einem zweiten Schritt ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass Google auf den drei erstgenannten Märkten eine beherrschende Stellung innehabe. Das Gericht weist darauf hin, dass die Kommission bei ihrer Darstellung der verschiedenen relevanten Märkte gebührend herausgearbeitet hat, dass sie einander ergänzen und miteinander in Verbindung stehen, insbesondere angesichts der weltweit umgesetzten Strategie von Google, seine Suchmaschine durch die Integration in ein „Ökosystem“ zu propagieren.
Speziell in Bezug auf die Definition des Umfangs des Marktes für die Lizenzierung von Betriebssystemen für intelligente Mobilgeräte und die anschließende Beurteilung der Stellung von Google auf diesem Markt stellt das Gericht fest, dass die Kommission – ohne dass die insoweit von Google vorgebrachten Rügen stichhaltig sind – zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die ausschließlich von vertikal integrierten Produktentwicklern genutzten „nichtlizenzierbaren“ Betriebssysteme wie iOS von Apple oder Blackberry nicht zum gleichen Markt gehörten, da andere Hersteller von Mobilgeräten keine Lizenz dafür erwerben können. Die Kommission hat auch mit der Feststellung, dass die beherrschende Stellung von Google auf diesem Markt durch den mittelbaren Wettbewerbsdruck, der dort durch das von Apple angebotene nicht-lizenzierbare Betriebssystem ausgeübt werde, nicht in Frage gestellt werde, keinen Fehler begangen. Sie ist überdies zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Open-Source-Charakter der Lizenz für die Nutzung des Android-Quellcodes keinen hinreichenden Wettbewerbsdruck erzeugte, um die fragliche beherrschende Stellung zu kompensieren.
An zweiter Stelle prüft das Gericht die verschiedenen Klagegründe, mit denen die fehlerhafte Beurteilung des missbräuchlichen Charakters der streitigen Beschränkungen gerügt wird. Erstens hat die Kommission die den Herstellern von Mobilgeräten auferlegten Bedingungen für die Vorinstallation4 als missbräuchlich eingestuft, indem sie zum einen das Bündel der Google -Search- und Play-StoreApps vom Bündel des Chrome-Browsers und von den vorgenannten Apps unterschieden und zum anderen die Ansicht vertreten hat, dass diese Bündel den Wettbewerb im Zeitraum der Zuwiderhandlung beschränkt hätten, ohne dass Google hierfür eine objektive Rechtfertigung habe anführen können.
Insoweit führt das Gericht aus, dass die Kommission das Vorliegen eines durch die streitigen Bedingungen für die Vorinstallation entstandenen Wettbewerbsvorteils damit begründet hat, dass eine solche Vorinstallation zu einer „Status-quo-Präferenz“ führen könne, resultierend aus der Neigung der Nutzer, sich der ihnen zur Verfügung stehenden Such- und Browser-Apps zu bedienen, die geeignet seien, die Nutzung des betreffenden Dienstes erheblich und nachhaltig zu verbessern, ohne dass dieser Vorteil von den Konkurrenten von Google wettgemacht werden könnte. Das Gericht stellt fest, dass die Analyse der Kommission zu diesem Punkt allen Einwänden von Google standhält.
Im Anschluss befasst sich das Gericht mit den Rügen, die sich gegen die Schlussfolgerung richten, dass die den Konkurrenten von Google zur Verfügung stehenden Mittel es ihnen nicht ermöglicht hätten, den von Google durch die fraglichen Bedingungen für die Vorinstallation erlangten erheblichen Wettbewerbsvorteil zu kompensieren, und führt dazu aus, dass diese Bedingungen zwar die Vorinstallation konkurrierender Apps nicht verbieten, doch ist ein solches Verbot für Geräte vorgesehen, die unter die Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen fallen – gleichgültig, ob diese sortimentbezogen sind oder für Ersatzgeräte gelten –, und damit für über 50 % der GoogleAndroid-Geräte, die von 2011 bis 2016 im EWR verkauft wurden; dies durfte die Kommission im Rahmen der kombinierten Wirkungen der fraglichen Beschränkungen berücksichtigen. Die Kommission war auch befugt, sich zur Stützung ihrer Schlussfolgerungen auf die Beobachtung der tatsächlichen Situation zu stützen, wobei sie feststellte, dass in der Praxis nur in begrenztem Umfang auf die Vorinstallation konkurrierender Apps, auf ihren Download oder über Browser auf konkurrierende Suchdienste zurückgegriffen wurde. Schließlich sieht das Gericht die Einwände von Google gegen die Erwägungen, aufgrund deren die Kommission jede objektive Rechtfertigung für die in die Prüfung einbezogenen Bündel verneinte, ebenfalls als nicht stichhaltig an und weist den Klagegrund der fehlerhaften Beurteilung des missbräuchlichen Charakters der Bedingungen für die Vorinstallation in vollem Umfang zurück.
Zweitens führt das Gericht in Bezug auf die Beurteilung der in den sortimentbezogenen Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen enthaltenen Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation aus, dass die Kommission berechtigt war, die streitigen Vereinbarungen als Ausschließlichkeitsvereinbarungen einzustufen, da die vorgesehenen Zahlungen davon abhingen, dass bei dem betreffenden Produktsortiment keine konkurrierenden allgemeinen Suchdienste vorinstalliert wurden.
In Anbetracht dessen, dass die Kommission den missbräuchlichen Charakter dieser Vereinbarungen darin sah, dass sie geeignet gewesen seien, die betreffenden Hersteller von Mobilgeräten und Betreiber von Mobilfunknetzen davon abzuhalten, solche konkurrierenden Suchdienste vorzuinstallieren, musste sie allerdings nach der Rechtsprechung zu derartigen Praktiken anhand aller relevanten Umstände, zu denen der Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis sowie die ihr innewohnende Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber gehören, eine Analyse ihrer Befähigung zur Beschränkung des Leistungswettbewerbs vornehmen.
Die insoweit von der Kommission vorgelegte Analyse beruhte im Wesentlichen auf zwei Elementen, und zwar zum einen auf der Prüfung des Umfangs der Markterfassung durch die beanstandete Praxis und zum anderen auf den Ergebnissen ihrer Heranziehung des Kriteriums des ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers. Soweit die Kommission im Rahmen des ersten Elements davon ausgegangen ist, dass die fraglichen Vereinbarungen, unabhängig von der Art des verwendeten Geräts, einen „erheblichen Teil“ der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste erfasst hätten, wird diese Feststellung nach den Erkenntnissen des Gerichts aber nicht durch die von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkte bestätigt. Gleiches gilt zudem für eine der Prämissen des AEC-Tests, und zwar den Teil der Suchanfragen, den ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber, dessen App neben Google Search vorinstalliert wurde, für sich hätte gewinnen können. Das Gericht konstatiert ferner mehrere Begründungsfehler bei der Beurteilung wesentlicher Variablen des von der Kommission durchgeführten AEC-Tests, und zwar der Schätzung der einem solchen Wettbewerber zurechenbaren Kosten, der Beurteilung seiner Befähigung, die Vorinstallation seiner App zu erreichen, sowie der Schätzung der Einnahmen, die nach Maßgabe des Alters der im Umlauf befindlichen Mobilgeräte erzielt werden können. Daraus folgt, dass der AEC-Test in der von der Kommission durchgeführten Form die Feststellung eines Missbrauchs, der sich aus den sortimentbezogenen Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen selbst ergibt, nicht zu bestätigen vermag, so dass das Gericht dem entsprechenden Klagegrund stattgibt.
Drittens weist das Gericht in Bezug auf die Beurteilung der Beschränkungen in den AntiFragmentierungsvereinbarungen darauf hin, dass die Kommission eine solche Praxis insofern als missbräuchlich ansieht, als sie darauf abzielt, die Entwicklung und die Marktpräsenz von Geräten mit einer inkompatiblen „AndroidFork“ zu verhindern, ohne Google das Recht abzusprechen, Kompatibilitätsanforderungen allein für die Geräte aufzustellen, auf denen seine Apps installiert sind. Im Anschluss an die Feststellung, dass es die fragliche Praxis tatsächlich gab, führt das Gericht weiter aus, dass die Kommission zu der Annahme berechtigt war, dass die inkompatiblen Android-Forks Wettbewerbsdruck auf Google ausüben konnten. Unter diesen Umständen durfte die Kommission angesichts der von ihr dargelegten, zum Nachweis des Hindernisses für die Entwicklung und Vermarktung von Konkurrenzprodukten auf dem Markt der lizenzierten Betriebssysteme geeigneten Gesichtspunkte davon ausgehen, dass die fragliche Praxis zur Stärkung der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für allgemeine Suchdienste geführt hatte und zugleich ein Innovationshemmnis darstellte, da sie die Vielfalt der den Nutzern zur Verfügung stehenden Angebote einschränkte.
An dritter Stelle prüft das Gericht den Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte, mit dem Google die Feststellung begehrt, dass sein Recht auf Akteneinsicht und sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden seien. Es befasst sich erstens mit der geltend gemachten Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht und führt dazu aus, dass die Rügen von Google den Inhalt einer Reihe von Aufzeichnungen über Treffen der Kommission mit Dritten während ihrer gesamten Untersuchung betreffen, die von der Kommission im Februar 2018 übermittelt wurden. Da alle diese Treffen der Einholung von Informationen, die sich auf den Gegenstand der Untersuchung bezogen, im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/20038 dienten, oblag es der Kommission, dafür zu sorgen, dass Aufzeichnungen erstellt wurden, die es dem betreffenden Unternehmen ermöglichten, sie zu gegebener Zeit zu konsultieren und seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass diesen Anforderungen nicht genügt wurde, zum einen wegen des zeitlichen Abstands zwischen den Treffen und der Übermittlung der sie betreffenden Aufzeichnungen und zum anderen wegen des summarischen Charakters der Aufzeichnungen. Zu den Folgen dieses Verfahrensfehlers führt das Gericht aus, dass ein solcher Fehler nach der Rechtsprechung nur dann zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte führt, wenn das betreffende Unternehmen belegt, dass es sich ohne ihn besser hätte verteidigen können. Im vorliegenden Fall kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass sich den ihm hierzu unterbreiteten Anhaltspunkten und Argumenten kein derartiger Beleg entnehmen lässt.
Zweitens stellt das Gericht zur geltend gemachten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör fest, dass das dahingehende Vorbringen von Google das verfahrensrechtliche Gegenstück zu den gegen die Begründetheit der Einstufung einiger Vereinbarungen zur Teilung von Einnahmen als missbräuchlich gerichteten Rügen darstellt, da es die Weigerung betrifft, Google zu dem in diesem Rahmen durchgeführten AEC-Test anzuhören. Da die Kommission dies ablehnte, obwohl sie Google zwei Sachverhaltsschreiben übersandt hatte, in denen Inhalt und Umfang der ursprünglich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Vorgehensweise erheblich ergänzt worden waren, ohne dass die Kommission – wie es geboten gewesen wäre – eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erließ und daran eine Anhörung anschloss, bejaht das Gericht eine Verletzung der Verteidigungsrechte von Google seitens der Kommission, mit der Google eine Chance genommen wurde, sich durch die Geltendmachung ihrer Argumente bei einer Anhörung besser zu verteidigen. Das Gericht fügt hinzu, dass
angesichts der zuvor konstatierten Unzulänglichkeiten bei der Durchführung des AEC-Tests durch die Kommission im vorliegenden Fall ein umso größeres Interesse an einer Anhörung bestand. Infolgedessen ist die Feststellung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen Vereinbarungen zur Teilung von Einnahmen auch auf dieser Grundlage für nichtig zu erklären.
Schließlich führt das Gericht zu der von ihm im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vorzunehmenden eigenständigen Beurteilung der Höhe der Geldbuße zunächst aus, dass der angefochtene Beschluss zwar teilweise für nichtig zu erklären ist, soweit darin festgestellt wird, dass die sortimentbezogenen Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen als solche einen Missbrauch darstellen, doch hat diese teilweise Nichtigerklärung in Anbetracht der Verdrängungswirkungen, die sich aus den übrigen von Google im Zeitraum der Zuwiderhandlung angewandten missbräuchlichen Praktiken ergeben, bei einer Gesamtbetrachtung keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellung einer Zuwiderhandlung.
Die eigene Beurteilung aller die Sanktion betreffenden Umstände durch das Gericht führt zu dem Ergebnis, dass die wegen der begangenen Zuwiderhandlung gegen Google zu verhängende Geldbuße in Abänderung des angefochtenen Beschlusses auf 4,125 Mrd. Euro festzusetzen ist. Dabei hält es das Gericht wie die Kommission für angebracht, zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen wurde und welchen Wert die einschlägigen, von Google im letzten Jahr seiner vollständigen Beteiligung an der Zuwiderhandlung getätigten Verkäufe hatten. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung hält es das Gericht hingegen aus den im Urteil dargelegten Gründen für angebracht, bei der Beurteilung der Auswirkungen der von der Kommission im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellten Verdrängungswirkungen der zeitlichen Entwicklung der verschiedenen Aspekte der Zuwiderhandlung und der Komplementarität der fraglichen Praktiken Rechnung zu tragen.
Das LG Hamburg hat im Wege einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass Coca-Cola den Lebensmittelhändler EDEKA vorerst weiter beliefern muss. Das LG Hamburg sah in dem Lieferstopp des Getränkeherstellers zur Durchsetzung höherer Preise den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die einstweilige Verfügung ist bis zum 30.09.2022 befristet.
Das EuG hat entschieden, dass Beschluss der EU-Kommission gegen Qualcomm wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für LTE-Chipsätze nichtig ist.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für LTE-Chipsätze: Das Gericht erklärt den Beschluss der Kommission, mit dem Qualcomm eine Geldbuße von rund einer Milliarde Euro auferlegt wurde, für nichtig
Es stellt fest, dass mehrere Verfahrensfehler die Verteidigungsrechte von Qualcomm beeinträchtigt haben und entkräftet die Analyse der Kommission bezüglich des diesem Unternehmen vorgeworfenen Verhaltens Qualcomm ist ein US- merikanisches Unternehmen, das Basisband-Chipsätze entwickelt und liefert, mit denen Smartphones und Tablets ausgestattet werden, damit diese eine Verbindung zu Mobilfunknetzen herstellen können, und die sowohl für Sprachdienste als auch für die Datenübertragung verwendet werden. So werden die Chipsätze an Originalgeräte-Hersteller, darunter Apple, verkauft, die sie in ihre Geräte einbauen.
Mit Beschluss vom 24. Januar 20182 verhängte die Kommission gegen Qualcomm eine Geldbuße in Höhe von fast einer Milliarde Euro wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt für Chipsätze, die mit dem Standard Long Term Evolution (LTE) kompatibel sind. Der Zeitraum der Zuwiderhandlung erstreckte sich von Februar 2011 bis September 2016.
Nach Ansicht der Kommission war dieser Missbrauch durch Anreizzahlungen gekennzeichnet, aufgrund deren Apple seinen Bedarf an LTE-Chipsätzen ausschließlich durch Lieferungen von Qualcomm habe decken müssen. Unter diesen Umständen war die Kommission der Auffassung, dass diese Zahlungen, die sie als Ausschließlichkeitszahlungen einstuft, geeignet gewesen seien, wettbewerbswidrige Wirkungen zu entfalten, da sie Apples Anreize verringert hätten, sich an konkurrierende Anbieter von LTE-Chipsätzen zu wenden.
Mit seinem Urteil von heute erklärt das Gericht den Beschluss der Kommission insgesamt für nichtig. Es stützt sich zum einen auf die Feststellung mehrerer Verfahrensfehler, die die Verteidigungsrechte von Qualcomm beeinträchtigt haben, und zum anderen auf eine Analyse der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Anreizzahlungen.
Was die Nichtbeachtung der Verteidigungsrechte von Qualcomm anbelangt, stellt das Gericht mehrere Fehler fest, die die Kommission bei der Erstellung der Fallakte begangen hat. Es weist darauf hin, dass die Kommission verpflichtet ist, den genauen Inhalt jeder Unterredung, die zur Sammlung von Informationen über den Gegenstand einer Untersuchung erfolgt ist, in der von ihr gewählten Form aufzuzeichnen. Im vorliegenden Fall ist die Kommission dieser Verpflichtung u. a. in Bezug auf die Abhaltung von Sitzungen und Telefonkonferenzen mit Dritten nicht in vollem Umfang nachgekommen.
Außerdem stellt das Gericht fest, dass sich der angefochtene Beschluss darauf beschränkt, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung allein auf dem Markt für LTE-Chipsätze festzustellen, während die Mitteilung der Beschwerdepunkte einen Missbrauch sowohl auf diesem Markt als auch auf dem Markt für UMTS-Chipsätze (UMTS = Universal Mobile Telecommunications System) betraf. Da sich eine solche Änderung der Beschwerdepunkte nach Ansicht des Gerichts auf die Relevanz der Daten auswirkte, auf die sich die wirtschaftliche Analyse von Qualcomm stützte, mit der die Eignung ihres Verhaltens, Verdrängungswirkungen zu entfalten, bestritten werden sollte, hätte die Kommission Qualcomm Gelegenheit geben müssen, dazu gehört zu werden und gegebenenfalls ihre Analyse anzupassen. Folglich hat die Kommission, da sie das Unternehmen zu diesem Punkt nicht angehört hat, dessen Verteidigungsrechte verletzt.
Was die Analyse anbelangt, ob die Zahlungen geeignet waren, wettbewerbswidrige Wirkungen zu entfalten, stellt das Gericht zum einen fest, dass die Kommission für ihre Feststellung, dass die betreffenden Zahlungen den Wettbewerb für den gesamten Bedarf von Apple an LTE-Chipsätzen sowohl für iPhones als auch für iPads beschränken konnten, nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt hat. Das Gericht stellt nämlich fest, dass die Kommission zwar zu dem Ergebnis gelangte, dass die Anreizzahlungen die Anreize für Apple, sich an konkurrierende Anbieter zu wenden, um sich mit LTE-Chipsätzen zu versorgen, verringert haben, jedoch aus dem Beschluss der Kommission hervorgeht, dass Apple für den überwiegenden Teil seines Bedarfs im relevanten Zeitraum, d. h. des Bedarfs, der im Wesentlichen iPhones entsprach, keine technische Alternative zu den LTE-Chipsätzen von Qualcomm hatte. Es gelangt zu dem Ergebnis, dass die Analyse der Kommission nicht unter Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände vorgenommen wurde und daher rechtswidrig ist.
Zum anderen stellt das Gericht fest, dass die Schlussfolgerung, dass die fraglichen Zahlungen die Anreize für Apple, sich an Wettbewerber von Qualcomm zu wenden, um sich für den Bedarf für bestimmte iPad-Modelle der Jahre 2014 und 2015 mit LTE-Chipsätzen zu versorgen, tatsächlich verringert hätten, nicht genügt, um die Wettbewerbswidrigkeit dieser Zahlungen für den gesamten Bedarf von Apple nachzuweisen. Eine solche begrenzte Analyse kann nämlich die fehlende Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände im Rahmen des allgemeinen Nachweises der Kommission, dass die fraglichen Zahlungen geeignet seien, im betreffenden Zeitraum wettbewerbswidrige Wirkungen im Hinblick auf den Gesamtbedarf von Apple an LTE-Chipsätzen für iPhones und iPads zu entfalten, nicht heilen. Außerdem stellt das Gericht fest, dass die Kommission jedenfalls keine Analyse entwickelt hat, die den Schluss zuließe, dass die betreffenden Zahlungen die Anreize für Apple, sich an Wettbewerber von Qualcomm zu wenden, um für bestimmte iPad-Modelle der Jahre 2014 und 2015 LTE-Chipsätze zu beziehen, tatsächlich verringert hätten.
EU-Kommission geht nach vorläufiger Auffassung vom einem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung seitens Apple durch Apple Pay auf iOS-Geräten aus (insbesondere NFC und "tap and go").
Die Pressemitteilung des EU-Kommission:
Kartellrecht: Kommission übermittelt Apple Mitteilung der Beschwerdepunkte zu Apple-Pay-Praktiken
Die Europäische Kommission hat Apple von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen seine beherrschende Stellung auf den Märkten für mobile Geldbörsen auf iOS-Geräten missbraucht hat. Durch Beschränkung des Zugangs zu einer Standardtechnologie für kontaktlose Zahlungen mit mobilen Geräten in Geschäften („NFC“ (Nahfeldkommunikation) oder „tap and go“) schränkt Apple den Wettbewerb im Bereich der mobilen Geldbörsen auf iOS-Geräten ein.
Die Kommission beanstandet, dass Apple die Entwickler von Apps für mobile Geldbörsen daran hindert, auf iOS-Geräten auf die erforderliche Hardware und Software (sogenannte „NFC-Inputs“) zuzugreifen, wovon die unternehmenseigene Lösung, Apple Pay, profitiert.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu: „Mobile Zahlungen gewinnen in der digitalen Wirtschaft immer mehr an Bedeutung. Für die Integration der europäischen Zahlungsverkehrsmärkte ist es wichtig, dass den Verbrauchern die Vorteile eines wettbewerbsbasierten und innovativen Marktumfelds zugutekommen. Uns liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Apple den Zugang Dritter zu Schlüsseltechnologien beschränkt hat, die für die Entwicklung konkurrierender mobiler Geldbörsen für Apple-Geräte benötigt werden. In unserer Mitteilung der Beschwerdepunkte stellen wir vorläufig fest, dass Apple den Wettbewerb zugunsten seiner eigenen Lösung Apple Pay beschränkt haben könnte. Ein solches Verhalten würde einen Verstoß gegen unsere Wettbewerbsvorschriften darstellen.“
Mitteilung der Beschwerdepunkte zu Zugangsbeschränkungen von Apple in Bezug auf mobile Zahlungstechnologien
Apple Pay ist die unternehmenseigene mobile Geldbörse auf iPhones und iPads, mit der mobile Zahlungen in Ladengeschäften und im Internet vorgenommen werden können. So bilden iPhones, iPads und die Apple-eigene Software ein „geschlossenes Ökosystem“. In diesem Ökosystem kontrolliert Apple alle Aspekte der Nutzererfahrung, einschließlich des Zugangs alternativer Entwickler mobiler Geldbörsen.
Die Kommission ist zu der vorläufigen Auffassung gelangt, dass Apple auf dem Markt für intelligente Mobilgeräte über beträchtliche Marktmacht verfügt und auf den relevanten Märkten für mobile Geldbörsen eine beherrschende Stellung innehat.
Denn Apple Pay ist die einzige mobile Geldbörse, die auf iOS-Geräten auf die erforderlichen NFC-Inputs zugreifen kann, weil Apple diese Inputs Drittentwicklern von Apps für mobile Geldbörsen nicht zur Verfügung stellt. Die NFC-Technologie „tap and go“ für Zahlungen in Geschäften ist in Apple-Mobilgeräten eingebunden. Mithilfe dieser Technologie kann ein Mobiltelefon mit Zahlungsterminals in Geschäften kommunizieren. Über die standardisierte NFC-Technologie, die an fast allen Zahlungsterminals in Geschäften nutzbar ist, können mobile Zahlungen am einfachsten und am sichersten vorgenommen werden. NFC ist nicht nur einfacher und sicherer, sondern kann in Europa auch in mehr Verkaufsstellen genutzt werden als andere Lösungen.
Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass die beherrschende Stellung von Apple auf dem Markt für mobile Geldbörsen in seinem Betriebssystem iOS den Wettbewerb beschränkt, weil allein Apple Pay Zugang zur NFC-Technologie hat. Damit werden andere Wettbewerber aus dem Markt für mobile Geldbörsen auf iPhones ausgeschlossen, was die Innovationstätigkeit hemmt und die Auswahl für die Verbraucher verringert. Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würde dies einen Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.
Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des Verfahrens nicht vor.
In der heutigen Mitteilung der Beschwerdepunkte äußert die Kommission lediglich Bedenken hinsichtlich des Umstands, dass Drittentwicklern mobiler Geldbörsen für Zahlungen in Geschäften der Zugang zu NFC-Inputs verwehrt wird. Zwei andere Aspekte – Online-Beschränkungen sowie die mutmaßliche Verwehrung des Zugangs zu Apple Pay für bestimmte Produkte von Wettbewerbern –, die die Kommission als potenziell bedenklich einstufte, als sie die Einleitung der eingehenden Untersuchung der Praktiken von Apple in Bezug auf Apple Pay am 16. Juni 2020 bekannt gab, wurden hingegen nicht in die Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgenommen.
Hintergrund
Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU‑Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden kann.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften, mit dem sie die Parteien schriftlich über die gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkte in Kenntnis setzt. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu dem Fall Stellung nehmen. Weder die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte noch die Einleitung eines förmlichen Kartellverfahrens greift dem Untersuchungsergebnis vor.
Es gibt keine verbindlichen Fristen für den Abschluss einer kartellrechtlichen Untersuchung. Die Dauer einer solchen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. von der Komplexität des Falls, dem Umfang, in dem die betreffenden Unternehmen mit der Kommission kooperieren, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
EuG
Urteil in der Rechtssache T-286/09 RENV
Intel Corporation / Kommission
Das EuG hat entschieden, dass die Entscheidung der EU-Kommission über ein Bußgeld in Höhe von 1,06 Mrd. Euro gegen Intel teilweise nichtig
Die Pressemitteilung des EuG:
Die Entscheidung, mit der die Kommission gegen Intel eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro verhängt hat, wird vom Gericht teilweise für nichtig erklärt
Die Prüfung, die die Kommission durchgeführt hat, ist unvollständig und beweist rechtlich nicht hinreichend, dass die streitigen Rabatte möglicherweise oder wahrscheinlich wettbewerbswidrige Wirkungen hatten
Mit Entscheidung vom 13. Mai 2009 verhängte die Europäische Kommission gegen den Chiphersteller Intel eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro, weil das Unternehmen von Oktober 2002 bis Dezember 2007 seine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt für x86 Prozessoren missbräuchlich ausgenutzt habe, indem es eine Strategie zur Verdrängung seiner Wettbewerber vom Markt umgesetzt habe.
Der Missbrauch habe in zwei Verhaltensweisen gegenüber den Handelspartnern bestanden, nämlich in reinen Beschränkungen und bedingten Rabatten. Was Letztere angehe, habe Intel vier strategisch wichtigen Computerherstellern (Dell, Lenovo, Hewkett-Packard [HP] und NEC) Rabatte unter der Bedingung gewährt, dass sie alle oder nahezu alle ihre x86-Prozessoren bei ihr bezögen.
Außerdem habe Intel an ein auf Mikroelektronikgeräte spezialisiertes europäisches Einzelhandelsunternehmen (Media-Saturn-Holding) Zahlungen unter der Bedingung geleistet, dass es ausschließlich mit x86-Prozessoren von ihr ausgerüstete Computer verkaufe. Diese Rabatte und Zahlungen (im Folgenden: streitige Rabatte) hätten eine Treuebindung der vier Computerhersteller und von Media-Saturn erzeugt und so die Fähigkeit der Wettbewerber von Intel, einen auf der Leistung ihrer x86-Prozessoren beruhenden Wettbewerb auszutragen, erheblich geschwächt. Das wettbewerbswidrige Verhalten von Intel habe somit dazu beigetragen, die Auswahl der Verbraucher und die Anreize für Innovation zu verringern.
Intel erhob gegen die Entscheidung der Kommission Klage. Die Klage wurde vom Gericht mit Urteil vom 12. Juni 2014 in vollem Umfang abgewiesen. Intel legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel ein. Mit Urteil vom 6. September 2017 hob der Gerichtshof das Urteil auf und wies die Sache an das Gericht zurück.
Intel hatte seinen Antrag auf Aufhebung des ersten Urteils insbesondere damit begründet, dass das Gericht bei der Untersuchung der streitigen Rabatte rechtsfehlerhaft nicht sämtliche Umstände des konkreten Falles berücksichtigt habe. Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Gericht wie die Kommission davon ausgegangen sei, dass die Treuerabatte, die von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt worden seien, bereits aufgrund ihres Wesens geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, so dass es nicht erforderlich sei, sämtliche Umstände des konkreten Falles zu untersuchen oder einen AEC-Test (as efficient competitor test) durchzuführen. In ihrer Entscheidung hat die Kommission die Umstände des konkreten Falles dennoch eingehend untersucht. Sie ist zu dem Schluss gelangt, dass ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Preise hätte anwenden müssen, die nicht rentabel gewesen wären, und dass die streitigen Rabatte daher geeignet gewesen seien, einen solchen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass dem AEC‑ Test eine tatsächliche Bedeutung für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage zugekommen ist, ob die in Rede stehenden Verhaltensweisen geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, und dass das Gericht deshalb verpflichtet war, das gesamte Vorbringen von Intel zum AEC-Test und dessen Durchführung durch die Kommission zu prüfen. Da das Gericht dies nicht getan hat, hat der Gerichtshof das erste Urteil aufgehoben und die Sache zur Prüfung der Frage, ob die streitigen Rabatte im Hinblick auf das Vorbringen von Intel geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, an das Gericht zurückverwiesen. Mit seinem Urteil vom 26. Januar 2022, das nach der Zurückverweisung ergeht, erklärt das Gericht die angefochtene Entscheidung insoweit teilweise für nichtig, als die streitigen Rabatte als Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV eingestuft werden und gegen Intel wegen sämtlicher als Missbrauch eingestufter Verhaltensweisen eine Geldbuße verhängt wird.
Würdigung durch das Gericht
Zunächst geht das Gericht auf die Frage ein, welchen Gegenstand der Rechtsstreit nach der Zurückverweisung hat. Hierzu stellt es fest, dass der einzige Fehler, der die Aufhebung des ersten Urteils gerechtfertigt hat, darin besteht, dass das Gericht im ersten Urteil das Vorbringen von Intel unberücksichtigt gelassen hat, mit dem der von der Kommission durchgeführte AEC-Test beanstandet wird. Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass es sich bei seiner Prüfung sämtliche Feststellungen, die nicht unter dem vom Gerichtshof festgestellten Fehler leiden, zu eigen machen kann. Es handelt sich dabei zum einen um die Feststellungen, die im ersten Urteil zu den reinen Beschränkungen und deren Rechtswidrigkeit gemäß Art. 102 AEUV getroffen worden sind. Nach Auffassung des Gerichts hat der Gerichtshof die Unterscheidung, die in der angefochtenen Entscheidung zwischen den Verhaltensweisen, die reine Beschränkungen darstellen, und den übrigen Verhaltensweisen von Intel, auf die allein sich der AEC-Test bezieht, im Grundsatz nämlich nicht beanstandet. Zum anderen macht sich das Gericht die Ausführungen im ersten Urteil zu eigen, mit denen festgestellt worden ist, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der streitigen Rabatte nachgewiesen hat.
Sodann prüft das Gericht den Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung. Es stellt als Erstes die Methode dar, die Gerichtshof für die Beurteilung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, vorgegeben hat. Es führt insoweit aus, dass ein Rabattsystem, das von einem Unternehmen eingerichtet wurde, das auf dem Markt eine beherrschende Stellung innehat, als Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, wenn aufgrund seiner Art vermutet werden kann, dass es wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hat. Dabei handelt es sich jedoch bloß um eine Vermutung. Die Kommission ist deshalb nicht von vornherein von ihrer Verpflichtung zur Prüfung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Rabattsystems befreit. Macht ein Unternehmen in beherrschender Stellung im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, hat die Kommission zu prüfen, ob das Rabattsystem geeignet ist, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Dabei hat die Kommission nicht nur das Ausmaß der beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem relevanten Markt und den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Verhaltensweise, die Bedingungen und Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Rabatte sowie deren Dauer und Höhe zu prüfen, sondern auch, ob eine eventuelle Strategie zur Verdrängung der mindestens ebenso effizienten Wettbewerber vorliegt. Hat die Kommission einen AEC-Test durchgeführt, gehört auch dieser zu den Gesichtspunkten, die sie bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, zu berücksichtigen hat.
Als Zweites prüft das Gericht zunächst, ob sich die Kommission bei ihren Ausführungen zur Eignung der streitigen Rabatte, den Wettbewerb zu beschränken, an die beschriebene Methode gehalten hat. Das Gericht stellt insoweit fest, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerhaft angenommen hat, dass der AEC-Test, auch wenn sie ihn durchgeführt habe, nicht erforderlich gewesen sei, um feststellen zu können, dass die streitigen Rabatte von Intel missbräuchlich gewesen seien. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass es sich nicht auf diese Feststellung beschränken kann. Da im Rechtsmittelurteil festgestellt wird, dass dem AEC-Test für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, eine tatsächliche Bedeutung zukommt, war das Gericht verpflichtet, das gesamte Vorbringen von Intel zum AEC-Test zu prüfen. Da die Prüfung der Frage, ob die streitigen Rabatte geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, im Rahmen des Nachweises des Vorliegens einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht, hier des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung, erfolgt, macht das Gericht als Drittes Ausführungen zu den Regeln, die für die Beweislast und das Beweismaß gelten.
Wegen des Grundsatzes der Unschuldsvermutung, der auch bei einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gilt, hat die Kommission das Vorliegen einer solchen Zuwiderhandlung nachzuweisen, wenn nötig, durch ein Bündel genauer und übereinstimmender Indizien, so dass hinsichtlich des Vorliegens der Zuwiderhandlung kein Zweifel verbleibt. Macht die Kommission geltend, dass der festgestellte Sachverhalt nur durch die Existenz eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erklärt werden könne, ist das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung nicht hinreichend bewiesen, wenn es den betroffenen Unternehmen gelingt, eine andere plausible Erklärung zu liefern. Stützt sich die Kommission hingegen auf Beweismittel, die grundsätzlich geeignet sind, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu beweisen, obliegt es den betroffenen Unternehmen, darzutun, dass deren Beweiswert nicht ausreichend ist.
Als Viertes untersucht das Gericht nach diesen Regeln das Vorbringen zu den Fehlern, die der Kommission beim AEC-Test unterlaufen sein sollen. Das Gericht stellt insoweit im Hinblick auf das Vorbringen von Intel zur Beurteilung der einschlägigen Kriterien durch die Kommission fest, dass diese bei den einzelnen Rabatten rechtlich nicht hinreichend dargetan hat, dass sie geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen.
Erstens stellt das Gericht zu dem in Bezug auf Dell durchgeführten AEC-Test fest, dass die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falles bei der Ermittlung des „bestreitbaren Teils“ zwar die bekannten Daten anderer Wirtschaftsteilnehmer als des Unternehmens in beherrschender Stellung heranziehen durfte. Im Hinblick auf das entsprechende Vorbringen von Intel gelangt das Gericht jedoch zu dem Schluss, dass dieses Vorbringen geeignet ist, bei ihm Zweifel hinsichtlich der Frage zu begründen, ob der bestreitbare Teil richtig angesetzt worden ist. Es stellt deshalb fest, dass die Beweise, aufgrund derer die Kommission festgestellt hat, dass die Dell gewährten Rabatte geeignet seien, während des gesamten relevanten Zeitraums Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, nicht ausreichen. Zweitens gilt dasselbe nach Auffassung des Gerichts auch für die Ausführungen zu den HP gewährten Rabatten, bei denen nicht für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung nachgewiesen worden ist, dass sie Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten. Drittens stellt das Gericht fest, dass die Ausführungen der Kommission zu den Rabatten, die Gesellschaften des NEC-Konzerns unter verschiedenen Bedingungen gewährt worden sind, unter zwei Fehlern leiden. Der eine betrifft den Wert der bedingten Rabatte, der andere die unzureichend begründete Extrapolation der für ein einziges Quartal geltenden Ergebnisse auf den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung. Viertens stellt das Gericht fest, dass auch nicht hinreichend nachgewiesen ist, dass die Lenovo gewährten Rabatte geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Denn der Kommission sind bei der Bezifferung der nicht in Geldleistung bestehenden Vorteile Fehler unterlaufen. Fünftens kommt das Gericht auch bei dem in Bezug auf Media-Saturn durchgeführten AEC-Test zu demselben Ergebnis. Das Gericht führt insoweit aus, dass die Kommission in keiner Weise dargelegt hat, warum es bei der Prüfung der Media-Saturn gewährten Zahlungen gerechtfertigt gewesen wäre, die für ein Quartal geltenden Ergebnisse, zu denen sie bei der Analyse der NEC gewährten Rabatte gelangt ist, auf den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung zu extrapolieren.
Als Fünftes prüft das Gericht, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung alle Kriterien hinreichend berücksichtigt hat, nach denen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beurteilen ist, ob eine Preispolitik geeignet ist, einen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Das Gericht stellt insoweit fest, dass die Kommission das Kriterium des Umfangs der Markterfassung der angefochtenen Verhaltensweise nicht hinreichend und die Dauer der Rabatte nicht richtig geprüft hat.
Die Prüfung, die die Kommission durchgeführt hat, ist mithin unvollständig. Jedenfalls hat die Kommission damit rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass die streitigen Rabatte möglicherweise oder wahrscheinlich wettbewerbswidrige Wirkungen gehabt hätten. Das Gericht erklärt die angefochtene Entscheidung daher insoweit für nichtig, als in ihr davon ausgegangen wird, dass diese Verhaltensweisen einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellten.
Was die Auswirkungen dieser teilweisen Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung auf die Höhe der Geldbuße angeht, die die Kommission gegen Intel verhängt hat, weist das Gericht darauf hin, dass es nicht in der Lage ist, zu bestimmen, welcher Betrag der Geldbuße allein auf die reinen Beschränkungen entfällt. Deshalb erklärt es den Artikel der angefochtenen Entscheidung, mit dem gegen Intel wegen der festgestellten Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro verhängt wird, in vollem Umfang für nichtig.
EuG
Urteil vom 19.01.2022
in der Rechtssache T-610/19
Deutsche Telekom / Kommission
Das EuG hat entschieden, dass die Deutsche Telekom von der EU-Kommission 1,8 EURO Mio. Entschädigung wegen der Nichtzahlung von Verzugszinsen auf eine zu erstattende Geldbuße erhält.
Die Pressemitteilung des EuG:
Das Gericht spricht der Deutschen Telekom eine Entschädigung in Höhe von ca. 1,8 Mio. Euro zu, um den Schaden auszugleichen, der ihr durch die Weigerung der Europäischen Kommission entstanden ist, ihr Verzugszinsen auf den Betrag der Geldbuße zu zahlen, den sie im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln rechtsgrundlos gezahlt hatte
Mit Beschluss vom 15. Oktober 20141 verhängte die Europäische Kommission gegen die Deutsche Telekom AG eine Geldbuße in Höhe von 31 070 000 Euro wegen eines gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens verstoßenden Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste.
Die Deutsche Telekom erhob eine Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss, zahlte aber am 16. Januar 2015 die Geldbuße. Mit Urteil vom 13. Dezember 2018 2 gab das Gericht der Klage der Deutschen Telekom teilweise statt und setzte die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung um 12 039 019 Euro herab. Am 19. Februar 2019 erstattete die Kommission der Deutschen Telekom diesen Betrag.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) lehnte es die Kommission hingegen ab, der Deutschen Telekom für den Zeitraum von der Zahlung der Geldbuße bis zur Rückzahlung des für rechtsgrundlos befundenen Teils der Geldbuße (im Folgenden: fraglicher Zeitraum) Verzugszinsen zu zahlen. Daher erhob die Deutsche Telekom beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sowie auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung einer Entschädigung für den entgangenen Gewinn infolge der Vorenthaltung der Nutzung des Hauptbetrags des rechtsgrundlos gezahlten Teils der Geldbuße im fraglichen Zeitraum oder, hilfsweise, auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Weigerung der Kommission, Verzugszinsen auf diesen Betrag zu zahlen,
entstanden sei.
Mit ihrem Urteil gibt die Siebte erweiterte Kammer des Gerichts der Nichtigkeits- und Schadensersatzklage der Deutschen Telekom teilweise statt. Hierbei äußert sie sich zu der Frage, inwieweit die Kommission verpflichtet ist, Verzugszinsen auf den Teil der Geldbuße zahlen, der dem betroffenen Unternehmen im Anschluss an ein unionsgerichtliches Urteil zu erstatten ist. Würdigung durch das Gericht Als Erstes weist das Gericht den Antrag der Deutschen Telekom zurück, sie im Rahmen der außervertraglichen Haftung der Union für den entgangenen Gewinn zu entschädigen, der ihr durch die Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos gezahlten Teils der Geldbuße im fraglichen Zeitraum entstanden sei und der jährlichen Rendite ihres eingesetzten Kapitals oder ihren gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten entspreche Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass die außervertragliche Haftung der Union davon abhängt, dass mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht (1), das tatsächliche Bestehen des Schadens (2) sowie ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden (3), wofür der Kläger beweispflichtig ist.
Im vorliegenden Fall hat die Deutsche Telekom aber keine schlüssigen Beweise dafür vorgelegt, dass der geltend gemachte Schaden tatsächlich und sicher eingetreten ist. Insbesondere hat sie weder nachgewiesen, dass sie den rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße zwangsläufig in ihre Tätigkeiten investiert hätte, noch, dass die Vorenthaltung der Nutzung dieses Betrags sie dazu veranlasst hat, auf bestimmte konkrete Projekte zu verzichten. In diesem Zusammenhang hat die Deutsche Telekom auch nicht dargetan, dass sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, um eine Investitionsmöglichkeit zu nutzen.
Als Zweites befasst sich das Gericht mit dem von der Deutschen Telekom hilfsweise gestellten Schadensersatzantrag wegen Verstoßes gegen Art. 266 AEUV, dessen Abs. 1 vorsieht, dass die Organe, deren Handeln durch ein unionsgerichtliches Urteil für nichtig erklärt wird, alle sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben.
Das Gericht stellt zum einen fest, dass Art. 266 Abs. 1 AEUV dadurch, dass er den Organen die Verpflichtung auferlegt, alle sich aus unionsgerichtlichen Urteilen ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, dem vor dem Unionsgericht erfolgreichen Einzelnen Rechte verleiht. Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass Verzugszinsen einen unerlässlichen Bestandteil der den Organen nach dieser Bestimmung obliegenden Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Standes darstellen. Im Fall der Nichtigerklärung und Herabsetzung einer gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße ergibt sich folglich aus dieser Bestimmung eine Verpflichtung der Kommission, den rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen zu erstatten.
Da zum einen das anwendbare Haushaltsrecht3 eine Erstattungsforderung zugunsten des Unternehmens vorsieht, das eine später aufgehobene und herabgesetzte Geldbuße vorläufig gezahlt hat, und zum anderen die Aufhebung und Herabsetzung der Geldbuße durch den Unionsrichter rückwirkend gilt, bestand die Forderung der Deutschen Telekom und war hinsichtlich ihres Höchstbetrags bestimmt, als die Geldbuße vorläufig gezahlt wurde. Die Kommission war daher nach Art. 266 Abs. 1 AEUV verpflichtet, Verzugszinsen auf den vom Gericht für rechtsgrundlos befundenen Teil der Geldbuße zu zahlen, und zwar für den gesamten fraglichen Zeitraum. Sinn dieser Verpflichtung ist, die mit einer objektiven Verspätung zusammenhängende Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrags pauschal auszugleichen und die Kommission dazu zu veranlassen, beim Erlass eines Beschlusses, der zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet, besondere Vorsicht walten zu lassen.
Entgegen dem Vorbringen der Kommission steht die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht im Widerspruch zur Abschreckungsfunktion von Geldbußen in Wettbewerbssachen, da der Unionsrichter diese Abschreckungsfunktion notwendigerweise berücksichtigt, wenn er von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch macht, um die Höhe einer Geldbuße rückwirkend herabzusetzen. Im Übrigen muss die Abschreckungsfunktion von Geldbußen mit dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in Einklang gebracht werden, dessen Beachtung durch die Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV gewährleistet wird, ergänzt um die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Höhe der Geldbuße.
Das Gericht weist auch die weiteren Argumente der Kommission zurück Zum einen war die Kommission, auch wenn der Betrag der von der Klägerin gezahlten Geldbuße keine Zinsen eingebracht hatte, während er im Besitz der Kommission war, im Anschluss an das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018 verpflichtet, der Klägerin den für rechtsgrundlos befundenen Teil der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen zurückzuzahlen, ohne dass Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, der die Einziehung von Geldbußen betrifft, dem entgegenstünde. Überdies ergibt sich die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen unmittelbar aus Art. 266 Abs. 1 AEUV, und die Kommission ist nicht befugt, mit einer Einzelfallentscheidung die Voraussetzungen festzulegen, unter denen sie im Fall der Nichtigerklärung des Beschlusses, mit dem eine Geldbuße verhängt wurde, und im Fall der Herabsetzung der Geldbuße Verzugszinsen zahlen wird.
Zum anderen handelt es sich bei den im vorliegenden Fall geschuldeten Zinsen um Verzugszinsen und nicht um Ausgleichszinsen. Die Hauptforderung der Deutschen Telekom war nämlich eine Rückzahlungsforderung, die damit zusammenhing, dass die Zahlung einer Geldbuße vorläufig vorgenommen worden war. Diese Forderung bestand und war hinsichtlich ihres Höchstbetrags bestimmt oder zumindest anhand feststehender objektiver Faktoren bestimmbar, als die fragliche Zahlung erfolgte.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Kommission der Deutschen Telekom den rechtsgrundlos gezahlten Teil der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen erstatten musste und insoweit über keinerlei Ermessen verfügte, gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Weigerung, diese Zinsen an die Deutsche Telekom zu zahlen, einen qualifizierten Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV darstellt, der die außervertragliche Haftung der Union auslöst. Angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem festgestellten Verstoß und dem Schaden, der im Verlust von Verzugszinsen auf den rechtsgrundlos gezahlten Teil der Geldbuße im fraglichen Zeitraum besteht, spricht das Gericht der Deutschen Telekom eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,38 Euro zu, berechnet durch entsprechende Anwendung des in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Zinssatzes, nämlich des von der Europäischen Zentralbank im Januar 2015 für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegten Zinssatzes von 0,05 % zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten.
Das LG München hat sich mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg befasst.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Das Landgericht München I ist für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zwar international, nicht aber örtlich zuständig. Für den vertraglichen Erfüllungsanspruch fehlt es bereits an einer internationalen Zuständigkeit.
1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche beurteilt sich vorliegend nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).
Die Verfügungsklägerin beruft sich unter anderem darauf, dass die Verfügungsbeklagte mit der Deaktivierung des Verkäuferkontos ihre marktbeherrschende Stellung i.S.d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1 GWB missbraucht hat bzw. als Mitbewerberin die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr behindert hat i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG. Damit macht sie auf eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO gestützte Ansprüche geltend.
a) Die Brüssel-Ia-VO ist auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da es sich um eine Zivilsache handelt und die Verfügungsbeklagte ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, nämlich in Luxemburg, hat (vgl. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO).
b) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Beurteilung des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO nicht aus. Entscheidend für die Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C- 59/19, Rn. 32f. - Wikingerhof; BGH, Urteil vom 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 11, juris).
c) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Für die Kartellrechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens kommt es allein darauf an, ob der Verfügungsbeklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese missbräuchlich ausgenutzt hat. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen ASE-Vertrags oder der sonstigen dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Bestimmungen kommt es dagegen nicht an. Es ist deshalb im Sinne der Abgrenzungsformel des EuGH (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) zur Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen.
Zwar erfordert die nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen. Für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch ist dies jedoch ohne Belang, zumal dabei Interessen nicht berücksichtigt werden dürfen, deren Durchsetzung insbesondere nach den kartellrechtlichen Wertungen rechtlich missbilligt werden (BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).
d) Soweit die Verfügungsbeklagte unter Berufung auf Urteile der Landgerichte Düsseldorf und Wiesbaden die Unanwendbarkeit von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO damit begründet, dass die geltend gemachten deliktsrechtlichen Ansprüche in untrennbarem Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien stehen (LG Wiesbaden, Urt. v. 11.02.2020 - 2 O 130/20 - Anlage HM 23, S.6), bzw. der Vertrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Anspruch entfiele (LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2020 - 12 O 285/19, Anlage HM 24 S. 9) kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar knüpft der hier geltend gemachte Anspruch insofern an das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien an, als die Verfügungsklägerin ohne den Abschluss des ASE-Vertrages nicht über die Plattform der Verfügungsbeklagten hätte verkaufen können und es somit auch nicht zu einer Deaktivierung ihres Verkäuferkontos hätte kommen können. Dies dürfte jedoch bereits mit der vom EuGH in seiner früheren Rechtsprechung noch angeführten Anknüpfung an ein Vertragsverhältnis (EuGH Urt. v. 13.03.2014 - C-548/12, Rn. 27 - Brogsitter zur Vorgängernorm Art. 5 Nr. 3 VO (EG) 44/2001 (Brüssel-I-VO)) nicht gemeint gewesen sein. Maßgeblich ist vielmehr, wie der EuGH nunmehr - den beiden angeführten Urteilen des LG Wiesbaden und LG Düsseldorf zeitlich nachgelagert - klargestellt hat (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) und wie oben bereits ausgeführt wurde, dass sich die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift auf einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht beruft, das den Missbrauch einer beherrschenden Stellung unabhängig von einem Vertrag oder einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung allgemein verbietet. Der kartellrechtliche Missbrauchsanspruch kann sich aus dem Gesetz unabhängig davon ergeben, ob die Verfügungsbeklagte sich mit der Deaktivierung im Rahmen ihrer vertraglichen Befugnisse gehalten hat. Eine Auslegung des Vertrages ist für die Beurteilung dieses Anspruchs daher nicht unerlässlich.
e) Auch bei den von der Verfügungsklägerin geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO, da es sich hierbei um quasi-deliktische Ansprüche im Sinne dieser Norm handelt (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) EuGVVO, Rn. 54). Für die Einordnung der beanstandeten Verhaltensweisen als unlauter, kommt es auf eine Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragswerks nicht an. Die Frage, ob die Parteien Mitbewerber sind und die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig behindert hat, bemisst sich allein nach den Vorschriften des anwendbaren Lauterkeitsrechts. Dabei ist es unschädlich, dass die aufgrund der Vertragsbeziehung gegebene Interessenlage gegebenenfalls bei der Beurteilung einer etwaigen Unbilligkeit in die Abwägung einzubeziehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).
f) Die durch Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründete Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht durch eine zwischen den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ausgeschlossen. Zwar haben die Parteien in Ziff. 17 des ASE-Vertrages eine Zuständigkeit der Gerichte von Luxemburg Stadt, Luxemburg, vereinbart. Diese steht der Annahme der Zuständigkeit deutscher Gerichte jedoch nicht entgegen, da sie bereits nach ihrem Wortlaut keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet.
2. Soweit die Verfügungsklägerin ihr Unterlassungsbegehren dagegen auf einen vertraglichen Anspruch aus dem ASE-Vertrag stützt, besteht hierfür keine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I. Für vertragliche Ansprüche ist gem. Art. 7 Nr. 1 a) Brüssel-Ia-VO das Gericht an dem Ort zuständig, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Bei Dienstleistungen ist dies der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel-IA-VO. Wo im Einzelfall der mit der Dienstleistung bezweckte Erfolg eintritt, ist grundsätzlich unbeachtlich (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 124). Da die Verfügungsbeklagte ihre Dienstleistungen nach dem Parteivorbringen von ihrem Sitz in Luxemburg aus erbringt, sind die dortigen Gerichte für vertragliche Ansprüche zuständig.
Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründet im Falle einer Anspruchskonkurrenz auch keine Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs auch für die vertraglichen Ansprüche (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.; BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - X ARZ 208/02, Rn. 19, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 24.04.2013 - 3 U 198/12, Rn. 64, juris; aA Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) Brüssel-Ia-VO, Rn. 106 m.w.N.).
Die besonderen Zuständigkeiten der Art. 7,8 Brüssel-Ia-VO sind als Ausnahmen zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates des Beklagten (Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO) einschränkend auszulegen. Die Gerichte des nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO international zuständigen Mitgliedstaates sind daher nicht auch dafür zuständig, über die Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten entscheiden. Zwar kann dies dazu führen, dass einzelne Aspekte eines Rechtsstreits von verschiedenen Gerichten entschieden werden, doch hat der Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.).
3. Dem Landgericht München I fehlt, soweit es vorliegend international zuständig ist, jedoch die örtliche Zuständigkeit.
a) Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO regelt neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Ein Deliktsgerichtsstand ist dabei sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort gegeben (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 38 - CDC Hydrogene Peroxide; BGH, Urt. v. 06.11.2007 - VI ZR 34/07, Rn. 17). Dabei ist der Handlungsort der Ort des ursächlichen Geschehens, der hier angesichts des Sitzes der handelnden Verfügungsbeklagten in Luxemburg liegt. Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der behauptete Schaden konkret zeigt.
b) Der Erfolgsort liegt hier - worauf die Kammer in der Verhandlung mündlich hingewiesen hat - jedenfalls in Mannheim als Sitz der Verfügungsklägerin, weil diese hier durch die Sperrung ihres Verkäuferkontos in ihrem Geschäftsbetrieb unmittelbar getroffen wird (vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 52 - CDC Hydrogene Peroxide). Ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO ist dagegen nicht in München gegeben.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO auch in München gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO als Ausnahmeregelung autonom und eng auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C- 352/13, Rn. 37 CDC Hydrogene Peroxide). Zudem beruht die Zuständigkeitsregel nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die nach dieser Rechtsprechung anerkannt sind, muss es somit erlauben, die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, so dass nur das Gericht zulässigerweise angerufen werden kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante Anknüpfungspunkt liegt (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 39-41 - CDC Hydrogene Peroxide).
c) Zwar können konkrete Auswirkungen des Verhaltens der Verfügungsbeklagten auch in München auftreten. Die Verkaufsplattform der Verfügungsbeklagten AHZOn.deMarketplace richtet sich in erster Linie an Kunden auf dem deutschen Markt. Daher kann der Ausschluss von einzelnen Verkäufern, gleich welchen Sitzlandes, den Wettbewerb auf dem gesamten deutschen Endkundenmarkt, mithin auch in München, beeinträchtigen (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris).
Der Zweck des Deliktsgerichtsstands ist es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH jedoch, eine möglichst enge Verbindung von Gericht und Streitgegenstand herzustellen. Die Maxime des EuGH, dass das „am besten“ zur Entscheidung geeignete Gericht zur Entscheidung berufen ist, sowie der Ausnahmecharakter des Art. 7 Brüssel-Ia-VO sprechen dafür, dass trotz der durch den Verstoß möglichen Auswirkungen auf den gesamten deutschen Markt nicht alle deutschen Gerichte für den Rechtsstreit zuständig sein sollen. Zwar ist es fraglich, welche tatsächlichen Vorteile eine Verhandlung am Sitz der Verfügungsklägerin gegenüber anderen deutschen Gerichten bietet, zumal es vorliegend nicht um die Ermittlung eines bei der Verfügungsklägerin eingetretenen Schadens, sondern um die Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch geht. Hiervon kann jedoch nicht in jedem Einzelfall die Zuständigkeit abhängen, da dies dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit zuwiderliefe, die der gesamten Zuständigkeitsordnung der Brüssel-Ia-VO inhärent ist (vgl. Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 138).
Eine Abweichung von der Zuständigkeit am Ort des Geschäftssitzes kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verfügungsklägerin außerhalb der EU ansässig ist und daher innerhalb des international zuständigen Mitgliedsstaates keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Gerichtsort besteht (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris). Vorliegend ist dagegen eine örtliche Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO lediglich in Mannheim begründet, da die Verfügungsklägerin ihren Sitz in Deutschland hat. Auch weist die Streitigkeit vorliegend nach dem Parteivorbringen keinen sonstigen Bezug zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I auf.
OLG Düsseldorf
Beschluss vom 24.03.2021
VI-Kart 2/19 (V)
Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung durch die rechtswidrige Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten missbraucht.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Facebook gegen Bundeskartellamt: Ergebnisse des Verhandlungstermins
Der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Kühnen über die Beschwerden von Facebook gegen die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts vom 6. Februar 2019 (B6 – 22/16) verhandelt (vgl. die ankündigende Pressemitteilung).
Das Amt hatte der irischen Facebook-Gesellschaft, welche die für kartellrechtswidrig erachtete Datenerhebung und Datenverwendung vornimmt, ferner deren deutschen Schwestergesellschaft, zudem der amerikanischen Muttergesellschaft des Facebook-Konzern sowie schließlich allen mit den drei genannten Gesellschaften "verbundenen Unternehmen" untersagt, nutzer- und gerätebezogene Daten der Facebook-Nutzer, die bei der gleichzeitigen Nutzung von WhatsApp, Instagram und Oculus erhoben und gespeichert werden, mit den Facebook-Daten zu verknüpfen und zu verwenden, ferner die geräte- und nutzerbezogenen Daten, die bei dem Besuch dritter Webseiten oder der Nutzung mobiler Apps dritter Anbieter generiert werden (Facebook Business Tools), zu verknüpfen und zu verwenden, sofern der Facebook-Nutzer in diese Datenerhebung und Datenverwendung nicht zuvor nach den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingewilligt hat.
Der Senat hat in der Verhandlung im Einzelnen zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen.
1.
Hinsichtlich der Erwägungen, mit denen das Amt seine Entscheidung in der angefochtenen Verfügung begründet hatte, ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass über die Facebook-Beschwerden erst nach Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entschieden werden kann. Die Frage, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem bundesdeutschen Markt für soziale Netzwerke deshalb missbräuchlich ausnutzt, weil es die Daten seiner Nutzer unter Verstoß gegen die DSGVO erhebt und verwendet, kann ohne Anrufung des EuGH nicht entschieden werden. Denn zur Auslegung europäischen Rechts ist der EuGH berufen. Der Senat folgt mit einer Vorlage der Anregung, die das Bundeskartellamt selbst im Eilverfahren gegen die angefochtene Amtsentscheidung geäußert hatte.
2.
Zu den Ausführungen, mit denen der Bundesgerichtshof im Eilverfahren das einstweilige Rechtsschutzbegehren von Facebook zurückgewiesen hatte und auf welche sich das Amt im Beschwerdeverfahren ergänzend stützt, hat der Senat auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen.
Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, dass sich die Amtsverfügung aus dem Gesichtspunkt der aufgedrängten Leistungserweiterung rechtfertige. Facebook sei vorzuwerfen, dass die Nutzer ihres sozialen Netzwerks keine Wahlmöglichkeit zwischen einer Nutzung des Netzwerks nur aufgrund ihrer dem Netzwerk Facebook.com selbst überlassenen Daten (kleine Datenmenge) und einer Nutzung des Netzwerks auch aufgrund ihrer außerhalb des Netzwerks, d.h. u.a. bei WhatsApp, Instagram und Oculus sowie auf dritten Webseiten und Apps hinterlassenen Daten (große Datenmenge) eingeräumt werde. Dadurch, so der Bundesgerichtshof, werde den Facebook-Nutzern eine Leistungserweiterung aufgezwungen.
Der Senat hat ausgeführt, dass ein Kartellgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht befugt ist, die Begründung der Amtsverfügung in einem Umfang auszuwechseln, dass sich das Wesen der kartellbehördlichen Entscheidung ändert, und dass unter Berücksichtigung der dazu bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts vieles dafür spricht, dass es sich bei dem Vorwurf der aufgedrängten Leistungserweiterung um einen gänzlich anderen, wesensverschiedenen Kartellverstoß handelt.
Der Senat hat ferner die Frage aufgeworfen, ob der Kartellverstoß einer fehlenden Wahlmöglichkeit des Facebook-Nutzers überhaupt vom Verbotsausspruch des Amtes umfasst wird. Er hat in diesem Zusammenhang ferner darauf verwiesen, dass sich eine "aufgedrängte" Leistungserweiterung möglicherweise auch dadurch verhindern lässt, dass der Facebook-Nutzer in die streitbefangene Datenerhebung und Datenverwendung "eingewilligt" haben muss. Daneben kommen weitere Möglichkeiten in Betracht, mit denen Facebook den in Rede stehenden Kartellverstoß abstellen kann. Facebook kann nicht nur sein soziales Netzwerk in Deutschland schließen, sondern – wie der Bundesgerichtshof meint – in seinen Nutzungsbedingungen auch eine Wahlmöglichkeit zwischen der Erhebung und Verwendung einer erlaubten kleinen Datenmenge und der unerlaubten großen Datenmenge einräumen. Die Auswahl unter diesen Abstellungsalternativen wird Facebook unter Verstoß gegen § 32 GWB womöglich genommen, wenn ihm aufgegeben wird, einen kartellrechtmäßigen Zustand dadurch herzustellen, dass der Facebook-Nutzer vor einer Datenerhebung und Datenverwendung eingewilligt haben muss.
Darüber hinaus hat der Senat näher dargelegt, dass sich jedenfalls für einen Teil der streitbefangenen Nutzerdaten, nämlich insbesondere für diejenigen von Instagram und Oculus, keine tragfähigen Feststellungen zu den vom Bundesgerichtshof für relevant erachteten Fragen treffen lassen, ob den Facebook-Nutzern eine Leistung aufgedrängt werde, die sie möglicherweise nicht wollen und die im Wettbewerb nicht zu erwarten gewesen wäre, und ob durch diese Leistungserweiterung die Facebook-Konkurrenten im Wettbewerb behindert werden.
3.
Abschließend hat der Senat begründet, dass der Verbotsausspruch des Amtes fehlerhaft ist, soweit die verbundenen Unternehmen der drei verfahrensbeteiligten Facebook-Gesellschaften in die Pflicht genommen werden, und ferner auch, soweit das Amt die deutsche Schwestergesellschaft der datenerhebenden irischen Facebook-Gesellschaft und die amerikanische Muttergesellschaft des Facebook-Konzerns in Anspruch genommen hat. Den verbundenen Unternehmen ist vor Erlass der angefochtenen Amtsentscheidung schon kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die Inanspruchnahme der deutschen Schwestergesellschaft ist fehlerhaft, weil diese keinen bestimmenden Einfluss auf ihr irisches Schwesterunternehmen besitzt und deshalb zur Abstellung des Kartellverstoßes nicht maßgeblich beitragen kann. Der Verfügungserlass gegen die Facebook-Muttergesellschaft ist rechtswidrig, weil sie im Ermessen des Amtes steht und das Amt keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat. Das Amt hat überdies keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass die irische Facebook-Gesellschaft dem kartellbehördlichen Gebot keine Folge leisten wird und aus diesem Grund auch das Mutterunternehmen in die Pflicht genommen werden muss.
Der Senat hat am Ende der mündlichen Verhandlung zur Auslegung von Bestimmungen der DSGVO einen Vorlagebeschluss an den EuGH seinem wesentlichen Inhalt nach verkündet. Der Beschluss wird in den nächsten Wochen schriftlich abgesetzt und den Verfahrensbeteiligten zugestellt werden.
Leitsatz des BGH:
Gegen eine Zwischenentscheidung des Kartellbeschwerdegerichts in einem anhängigen Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz, die bis zur endgültigen Entscheidung über den Eilantrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anordnet ("Hängebeschluss"), ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - KVZ 90/20 - OLG Düsseldorf
Der BGH hat einer Nichtzulassungsbeschwerde des Bundeskartellamtes in Sachen Facebook stattgegeben und wird nun prüfen unter welchen Voraussetzungen "Hängebeschlüsse" in Kartellverwaltungsverfahren erlassen werden können.
Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof überprüft "Hängebeschluss" des OLG Düsseldorf in Sachen Facebook
Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook mit Beschluss vom 6. Februar 2019 untersagt, solche Daten ohne Einwilligung der privaten Nutzer zu verarbeiten. Hiergegen hat Facebook Beschwerde eingelegt, über die das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf noch nicht entschieden hat.
Das Beschwerdegericht hatte jedoch auf Antrag von Facebook die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Diese Anordnung hat der Kartellsenat auf Antrag des Bundeskartellamts mit Beschluss vom 23. Juni 2020 (KVR 69/19, WuW 2020, 525 – Facebook) aufgehoben und den Antrag von Facebook auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt (vgl. Pressemitteilung Nr. 080/2020).
Am 30. November 2020 hat Facebook beim Beschwerdegericht erneut einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt. Das Beschwerdegericht hat mit einem sogenannten "Hängebeschluss" vom selben Tag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Missbrauchsverfügung des Bundeskartellamts vorläufig bis zu seiner Entscheidung über den zweiten Eilantrag angeordnet. Damit hat es die Verpflichtung von Facebook einstweilen ausgesetzt, die Anordnungen des Bundeskartellamtes umzusetzen. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht nicht zugelassen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Bundeskartellamtes hat der Kartellsenat die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts zugelassen. Der höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage, unter welchen Voraussetzungen "Hängebeschlüsse" im Kartellverwaltungsverfahren erlassen werden können, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf - Beschluss vom 30. November 2020 – VI-Kart 13/20 (V)
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Relevante Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):
§ 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung
…
(3) 1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn
1.die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen oder
2.ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder
3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.
...
§ 74 Zulassung, absolute Rechtsbeschwerdegründe
(1) 1Gegen Beschlüsse der Oberlandesgerichte findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
…
§ 75 Nichtzulassungsbeschwerde
(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann selbständig durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.