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BGH: Gegen unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde in Markenlöschungsverfahren kann nur Verfassungsbeschwerde eingelegt werden

BGH
Beschluss vom 01.06.2023
I ZB 65/22
Silver Horse / Power Horse
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 6


Der BGH hat entschieden, dass gegen die unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde in Markenlöschungsverfahren nur Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann.

Leitsätze des BGH:
a) Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt keinen Begründungsmangel dar und kann deshalb nicht mit Erfolg gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

b) Für das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden.

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2023 - I ZB 65/22 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuG: Emmentaler kann nicht als Unionsmarke für Käse eingetragen werden da für deutsche Verkehrskreise rein beschreibend für Käsesorte

EuG
Urteil vom 24.05.2023
T-2/21
Emmentaler Switzerland / EUIPO (EMMENTALER)


Das EuG hat entschieden, dass der Begriff "Emmentaler" nicht als Unionsmarke für Käse eingetragen werden kann, da dieser Begriff für deutsche Verkehrskreise rein beschreibend für eine Käsesorte ist.

Die Pressemitteilung des EuG:
Der Begriff „Emmentaler“ kann nicht als Unionsmarke für Käse geschützt werden

Für Emmentaler Switzerland wurde beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum die internationale Registrierung des Wortzeichens EMMENTALER für „Käse mit der geschützten Ursprungsbezeichnung ‚Emmentaler‘“ vorgenommen.

Diese internationale Registrierung wurde dem Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) angezeigt, jedoch wies die Prüferin die Anmeldung zurück. Emmentaler Switzerland legte daher eine Beschwerde ein, die sodann von der Zweiten Beschwerdekammer mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die angemeldete Marke beschreibend sei.

Mit seinem Urteil weist das Gericht die gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer gerichtete Klage ab. Es prüft in dieser Rechtssache, ob die Beschwerdekammer, indem sie die angemeldete Marke als beschreibend ansah, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat. Außerdem präzisiert das Gericht das Zusammenspiel zwischen Art. 74 Abs. 2 dieser Verordnung, der beschreibenden Zeichen oder Angaben gewidmet ist, die als Kollektivmarken bezeichnet werden können, und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung, der beschreibende Marken betrifft.

Würdigung durch das Gericht

Was zum einen den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke angeht, ist das Gericht angesichts der von der Beschwerdekammer berücksichtigten Indizien der Auffassung, dass die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise das Zeichen EMMENTALER unmittelbar als Bezeichnung für eine Käsesorte verstehen. Da es für die Ablehnung der Eintragung eines Zeichens genügt, dass dieses Zeichen in einem Teil der Union, der gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen kann, beschreibenden Charakter hat, ist die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke beschreibend ist, ohne dass es erforderlich wäre, Gesichtspunkte zu prüfen, die nicht die Wahrnehmung der maßgeblichen deutschen Verkehrskreise betreffen.

Was zum anderen den Schutz der angemeldeten Marke als Kollektivmarke betrifft, weist das Gericht darauf hin, dass Kollektivmarken nach Art. 74 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 abweichend von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung aus Zeichen oder Angaben bestehen können, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Ausnahme ist jedoch eng auszulegen. Von ihrer Reichweite sind somit keine Zeichen erfasst, die als Hinweis auf die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die Zeit der Herstellung oder eine andere Eigenschaft der betreffenden Waren anzusehen sind, sondern lediglich Zeichen, die als eine Angabe der geografischen Herkunft dieser Waren erachtet werden. Da die angemeldete Marke für die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise eine Käsesorte beschreibt und nicht als geografische Herkunftsangabe für den betreffenden Käse wahrgenommen wird, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass sie als Kollektivmarke keinen Schutz genießt.


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BGH: Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens im Markenlöschungsstreit im Regelfall 50.000 EURO

BGH
Beschluss vom 11.04.2023
I ZB 55/22


Der BGH hat abermals entschieden, dass der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens im Markenlöschungsstreit im Regelfall 50.000 EURO beträgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandswerts des Rechtsbeschwerdeverfahrens im Markenlöschungsstreit ist das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke.

Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf 50.000 € für das Rechtsbeschwerdeverfahren in einem Markenlöschungsstreit im Regelfall billigem Ermessen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2017 - I ZB 45/16, WRP 2018, 349 [juris Rn. 1]; Beschluss vom 1. September 2020 - I ZB 101/19, juris Rn. 2 mwN). Mangels abweichender Anhaltspunkte ist hiervon im Streitfall auszugehen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens zwar nicht der Bestand der angegriffenen Marke insgesamt war, das Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch den weit überwiegenden Teil der von ihr beanspruchten Waren betraf. Den hierauf entfallenden Wert bemisst der Senat im Hinblick darauf, dass die Marke Schutz für Waren der Klassen 10, 18 und 25 beansprucht hat und der Löschungsantrag vor dem Bundespatentgericht nur hinsichtlich eines Teils der Waren der Klasse 10 erfolglos geblieben ist, auf neun Zehntel von 50.000 €.


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OLG Hamburg: Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdruck THE REAL BOSS bzw. I AM THE BOSS auf Hoodies und Jogginghosen

OLG Hamburg
Urteil vom 22.02.2023
5 U 28/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdrucke "THE REAL BOSS" bzw. "I AM THE BOSS" auf Hoodies und Jogginghosen vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht im Streitfall den zulässigen Verfügungsantrag aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Unionsmarke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, als begründet angesehen und einen unionsweiten Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin bejaht. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist keine abweichende Entscheidung gerechtfertigt.

a. Streitgegenstand ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren

- das Verbot,

- in der Europäischen Union

- im geschäftlichen Verkehr

- Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten, zu verkaufen, zu vertreiben, zu bewerben oder auf andere Weise zu benutzen bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen, wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:

[Abildung]

b. Es liegt - soweit im Berufungsverfahren von Belang - ein zulässiger Verfügungsantrag vor.

aa. Der Tenor zu Ziffer 1. der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 08.10.2021 ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aaa. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen wird und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Verstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de).

bbb. Der Unterlassungsantrag/-tenor zu Ziffer 1. nimmt auf konkrete, eingeblendete Verletzungsformen Bezug und ist vor diesem Hintergrund hinreichend bestimmt.

Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, die Formulierung des begehrten Verbots, Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten etc., gehe über die tatsächliche Benutzungsform und den Kernbereich eines etwaigen Verbots hinaus, es gehe nicht um „BOSS“ in Alleinstellung, so ergibt sich hieraus kein unzulässiger Antrag. Denn wenn sich – wie hier – das Begehren gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2020, 755 Rn. 27 – WarnWetter-App). Streitgegenstand ist hier daher nicht eine Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ in Alleinstellung auf Bekleidungsstücken, sondern die Verwendung der konkret beanstandeten Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in den Verletzungsformen, wie durch die Bezugnahme im Tenor der Beschlussverfügung („wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:“) zum Ausdruck gebracht. Sollte mit dem „insbesondere“-Antrag im Verfügungsantrag ursprünglich ein weitergehendes Verbot erstrebt worden sein, so ist dem – rechtskräftig – nicht entsprochen worden. Es kommt daher hier auf den Tenor der Beschlussverfügung zu Ziffer 1. an, der hinreichend bestimmt ist.

ccc. Die weitere Frage, ob der Antrag zu weit gefasst ist, berührt seine Zulässigkeit nicht (vgl. BGH NJW 2023, 288 Rn. 16 – DNS-Sperre). Es handelt sich insoweit um eine Frage der Begründetheit. Die Fragen, ob ein Anspruch auf ein unionsweites Verbot besteht und ob Dritthandlungen verboten werden können oder ob insoweit eine gesonderte Begehungsgefahr erforderlich ist, sind im Rahmen der Begründetheit zu klären.

bb. Zu Recht hat das Landgericht im Streitfall den Verfügungsgrund bejaht und die Vermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG als nicht widerlegt angesehen. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg.

aaa. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn das Begehren des Antragstellers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T). Als besondere Form des Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist der Verfügungsgrund bzw. die objektive Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) der Sache für den Antragsteller von Amts wegen zu prüfen, maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Es gilt vorliegend die Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG, die auch bei einer Verletzung von Unionsmarken Anwendung findet. Zwar wird § 140 Abs. 3 MarkenG in § 125e Abs. 5 MarkenG nicht erwähnt. Die Anwendbarkeit ergibt sich aber aus Art. 129 Abs. 3 UMV (Gruber in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 32. Ed., § 140 Rn. 31.5; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T).

Der Verfügungsgrund kann entfallen, wenn der Verletzte nach konkreter und positiver Kenntnis der Verletzungshandlung und vor Antragstellung zu lange zugewartet und so gezeigt hat, dass ihm die Sache nicht dringlich ist (st. Rspr., BGH GRUR 2000, 151, 152 – Späte Urteilsbegründung). Hierbei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Gerichte nicht auf starre Fristen an, sondern es ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, eine Gesamtbetrachtung ihres vorprozessualen und prozessualen Verhaltens geboten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 69 – Telekom-T). Der Antragsgegnerin obliegt die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 70 – Telekom-T).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Dringlichkeitsvermutung im Streitfall nicht durch das Verhalten der Antragstellerin widerlegt. Weder durch die Einräumung der weiteren Frist noch durch den Nichtvollzug der Sequestrationsverfügung hat die Antragstellerin gezeigt, dass ihr die Verfolgung ihres Unterlassungsanspruchs nicht eilig ist.

Zutreffend hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass von einer erstmaligen Kenntnis der Antragstellerin von den gegenständlichen Verletzungshandlungen Mitte September 2021 auszugehen ist. Die Antragstellerin ließ mit Anwaltsschreiben vom 16.09.2021 (Anlage AS 19) unter Fristsetzung zum 20.09.2021 abmahnen. Mit E-Mail vom 23.09.2021 (Anlage AS 20) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin erneut zur Unterlassung auf und setzte eine Frist bis zum 30.09.2021. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2021 (Anlage AS 21) ließ die Antragsgegnerin das Unterlassungsbegehren zurückweisen. Die Antragstellerin hat – nicht widerlegt – geltend gemacht, von diesem Anwaltsschreiben erst am 24.09.2021 Kenntnis erlangt zu haben. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24.09.2021 (Anlage AS 22) stützte sich die Antragstellerin auf die weitere Unionsmarke „thisistherealboss“, UM Nr. 018010219, und setzte eine neue einheitliche Frist zur Erwiderung bis zum 29.09.2021. Am 04.10.2021 hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag eingereicht. Bei dieser Sachlage und der zügigen Einreichung des Verfügungsantrags am 04.10.2021 ist in der Fristsetzung bis zum 30.09.2021 bzw. der Fristverlängerung bis zum 29.09.2021 nach Einführung einer weiteren Marke entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kein Umstand zu sehen, durch den die Antragstellerin gezeigt hätte, dass es ihr nicht eilig sei. Selbst wenn die Antragstellerin am 21.09.2021 / 24.09.2021 bereits gewusst hätte, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall außergerichtlich keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben werde, so wäre die Antragseinreichung am 04.10.2021 nicht dringlichkeitsschädlich erfolgt. Eine Frist nur von einer Woche bei einem Antrag – wie hier – auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 937 Abs. 2 ZPO), der eine besondere Dringlichkeit voraussetzt (vgl. Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 937 Rn. 25), erscheint im Streitfall weder geboten noch angemessen.

Auch die fehlende Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung (Ziff. 2) steht der Dringlichkeit des Unterlassungsbegehrens (Ziff. 1) nicht entgegen. Eine unterbliebene Vollziehung kann zwar ein Anhaltspunkt für fehlende Eilbedürftigkeit sein. Maßgeblich sind aber immer die Umstände des Einzelfalls (OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2009, 4291, 4293). Insoweit ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um zwei getrennte Anträge handelt und die Unterlassungsverfügung rechtzeitig vollzogen worden ist. Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass der vorliegende Fall gleichbedeutend ist mit der Situation, dass die Antragstellerin von vornherein auf den Antrag zu Ziff. 2. verzichtet hätte. Zudem hat die Antragstellerin die teilweise fehlende Vollziehung unwidersprochen damit erklärt, dass sie sich nach Zustellung der einstweiligen Verfügung von deren Beachtung durch die Antragsgegnerin überzeugt habe. Aus der fehlenden Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung kann hier daher nicht geschlossen werden, dass es der Antragstellerin mit der Verfolgung ihres Unterlassungsbegehrens – nur darauf kommt es an – nicht eilig gewesen ist.

Schließlich führt auch das Unterlassen eines Vorgehens im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen die Bezeichnungen „LITTLE BOSS“, „THE BABY BOSS“ und „LIKE A BOSS“ auf weiteren Bekleidungsstücken der Antragsgegnerin nicht zu einer Selbstwiderlegung im Streitfall. Die diesbezügliche Abmahnung erfolgte zeitlich nach der gegenständlichen Abmahnung und die Antragstellerin hat unwidersprochen glaubhaft gemacht (Anlage AS 33), Ende Oktober 2021 bei Überprüfungen des Onlineshops der Antragsgegnerin keine Produkte unter Verwendung des Zeichens „BOSS“ mehr gefunden zu haben. Im Hinblick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, nicht auch ein gerichtliches Eilverfahren gegen andere, spätere Verletzungshandlungen eingeleitet zu haben. Der Dringlichkeit im Streitfall steht dies nicht entgegen.

cc. Ob bis zum Erlass der Beschlussverfügung eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit vorgelegen hat, weil – wie die Antragsgegnerin geltend macht – Abmahnung und Verfügungsantrag nicht kongruent gewesen seien, kann vorliegend offenbleiben. Denn selbst wenn eine Verletzung der Ansprüche auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit angenommen würde, so führt dies nicht zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung (vgl. OLG Köln GRUR 2021, 505 Rn. 50 ff. – Dairygold; Senat, Urteil vom 02.06.2022, 5 U 8/21, nicht veröffentlicht). Über diesen Punkt streiten die Parteien im Berufungsverfahren auch nicht mehr.

c. Der Verfügungsantrag ist auch begründet. Der Antragstellerin steht - wie das Landgericht im angegriffenen Urteil zu Recht angenommen hat - ein Verfügungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Marke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, zu. Diese landgerichtliche Bewertung ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zutreffend.

aa. Nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV hat der Inhaber einer eingetragenen Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

bb. Die vorliegend hauptweise geltend gemachte Unionswortmarke „BOSS“ (UM 000049221) ist zugunsten der Antragstellerin mit einer Priorität vom 01.04.1996 seit dem 29.01.2009 u.a. für Waren der Klasse 25: Herren-, Damen- und Kinderbekleidung eingetragen.

cc. Die Marke steht in Kraft. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung gem. Art. 127 Abs. 3, 18 UMV bleibt ohne Erfolg.

aaa. Die Einrede der Antragsgegnerin ist zulässig. Ein Beklagter bzw. hier Antragsgegner kann den Einwand des Art. 127 Abs. 3 UMV auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erheben (OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2020, 102 Rn. 30 - Batterie-Plagiat; Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 18).

bbb. Der Nichtbenutzungseinwand gem. Art. 127 Abs. 3 UMV kann nur noch auf den Verfall wegen mangelnder Benutzung (Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV) gestützt werden (Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 23). Dies macht die Antragsgegnerin vorliegend geltend.

ccc. Gem. Art. 18 UMV unterliegen eingetragene Unionsmarken dem sog. Benutzungszwang. Erforderlich ist eine ernsthafte Benutzung der Marke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und es muss sich um eine Benutzung handeln, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH GRUR 2013, 925 Rn. 36 - VOODOO; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 85 – Telekom-T).

(1) Vorliegend ist die Art und Weise der Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“, wie sie sich aus den Produktangeboten gem. Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt, unstreitig. Danach wurden über den Onlineshop auf der Internetseitewww.hugoboss.comBekleidungsstücke, etwa T-Shirts, unter anderem mit dem großflächigen Aufdruck „BOSS“ angeboten. Die Zeichenverwendung auf den Bekleidungsstücken ist dort als herkunftshinweisend und somit markenmäßig anzusehen. Hiergegen bringt die Berufung auch nichts vor.

(2) Soweit die Berufung rügt, es fehlten Feststellungen zum Umfang, zum Territorium und zur Dauer der Benutzung, so steht dieser Einwand einer rechtserhaltenden Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ im Streitfall nicht entgegen.

Unter ernsthafter Benutzung ist eine „tatsächliche“ Benutzung zu verstehen, eine bloß „symbolische“ Benutzung genügt nicht (vgl. EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 32 – Ferrari/DU [testarossa]; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 26 Rn. 219). Eine Marke muss für die Annahme der Ernsthaftigkeit ihrer Benutzung in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werden (BGH GRUR 2013, 725 Rn. 38 – Duff Beer). Wenn eine Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist, liegt eine ernsthafte Benutzung vor (Bogatz in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 26 MarkenG Rn. 75). Dem Senat, dessen Mitglieder zum von der Verfügungsmarke angesprochenen Verkehrskreis zählen, ist die Marke „BOSS“ auf Bekleidungsstücken in den zurückliegenden Jahren durchgängig auf dem Markt – so wie es sich u.a. aus den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt – gegenübergetreten. Dieser Umstand ist vorliegend als allgemeinbekannt und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO anzusehen. Offenkundig i.S.v. § 291 ZPO kann etwa die Tatsache sein, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 27 – OTTO CAP; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Dies ist im Hinblick auf die Verfügungsmarke „BOSS“ und die Nutzung für Bekleidungsstücke der Fall. Es handelt sich bei der Verfügungsmarke „BOSS“ um eine ernsthaft und markenmäßig vom HUGO BOSS-Konzern benutzte Marke.

Im Hinblick auf das Territorium der Benutzung gilt, dass von einer ernsthaften Benutzung einer Unionsmarke auch dann auszugehen ist, wenn ihre Benutzung auf das Hoheitsgebiet eines einzelnen Mitgliedstaates beschränkt ist (BGH GRUR 2013, 925 Rn. 38 – VOODOO). Die Benutzung der Unionsmarke ausschließlich in Deutschland würde eine ausreichende ernsthafte Benutzung darstellen (Fuhrmann in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 18 Rn. 59). Vorliegend hat die Antragstellerin dargetan und mit den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 (Auszügen aus dem Online-Shop) hinreichend glaubhaft gemacht, dass dieser Shop mit dem Produktangebot in einer Vielzahl von Ländern abrufbar und die Produkte bestellbar sind.

Gem. Art. 18 Abs. 2 UMV wird dem Markeninhaber die Benutzung durch Dritte zugerechnet, wenn er dieser Drittnutzung zugestimmt hat (Müller in BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 18 Rn. 157). Hier liegt eine Nutzung im Konzernverbund vor. Gegen eine Drittnutzung mit Zustimmung bringt die Antragsgegnerin vorliegend auch nichts vor.

Rechtzeitig vor Ablauf einer fünfjährigen Schonfrist, gerechnet ab dem Tag der Eintragung, bzw. bei länger eingetragenen Marken vor Ablauf einer fünfjährigen Periode der ununterbrochenen Nichtbenutzung, muss die Marke zur Aufrechterhaltung des Markenschutzes im geschäftlichen Verkehr ernsthaft benutzt werden (Art. 18 Abs. 1 UMV). Die Unionsmarke „BOSS“ ist seit dem 29.01.2009 eingetragen und musste gem. Art. 18 Abs. 1 UMV vor dem 29.01.2014 rechtserhaltend benutzt worden sein. Die Antragstellerin hat hier unwidersprochen vorgetragen, bis zum Jahr 1997 ausschließlich Herrenmode und seit 1998 auch eine Damenkollektion etabliert zu haben. In den Folgejahren seien zu den Marken „BOSS“, „BOSS Orange“ und „BOSS Green“ eine Damenkollektion angefertigt worden (Anlage AS 12). Seit 2013 habe der HUGO BOSS-Konzern die deutsche Fußball-Nationalmannschaft „für einen eleganten Auftritt abseits des Spielfeldes“ ausgestattet (Anlage AS 12). 2012 habe die erste HUGO BOSS Fashion Show stattgefunden. Soweit die Auszüge aus den Internetseiten gem. Anlagen AS 13 und AS 24 aktuell sein (etwa aus dem Jahr 2021 stammen) sollten, so ist die Marke auf Bekleidungsstücken allgemeinbekannt dem Verkehr auch schon vor Januar 2014 umfangreich gegenübergetreten. Dies kann der Senat als angesprochener Verkehrskreis aus eigener Anschauung feststellen.

Auch für die Folgezeit und den Zeitraum vor Antragseinreichung lässt sich eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ für Bekleidung feststellen, so dass die Einrede gem. Artt. 127 Abs. 3, Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV vorliegend erfolglos bleibt.

dd. Das Landgericht hat zu Recht eine Bekanntheit der Verfügungsmarke „BOSS“ bejaht bzw. als überwiegend wahrscheinlich angenommen.

aaa. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV sieht einen erweiterten Schutz solcher Unionsmarken vor, die in der Union bekannt sind, sofern der Nutzende die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Hintergrund für den erweiterten Schutz des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist der Umstand, dass vor allem bekannten Marken ein eigener wirtschaftlicher Wert zukommt, der unabhängig von den Waren und Dienstleistungen besteht, für die sie eingetragen sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T). Voraussetzung für den erweiterten Schutz einer Marke insbesondere gegen die Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung ist zunächst das Vorliegen einer bekannten Marke, wobei die Bekanntheit im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaates ausreichend sein kann (EuGH GRUR 2015, 1002 Rn. 19 - IRON & SMITH/UNILEVER; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T).

bbb. Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238 - Davidoff II; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Die Feststellung der Bekanntheit der Klagemarke obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. Auch die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 21 – ÖKO-TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T).

ccc. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Verfügungsmarke „BOSS“ als Marke für Bekleidung jedenfalls im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bekannt i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Die Mitglieder des Senats als angesprochener Verkehrskreis können feststellen, dass die Marke „BOSS“ jedenfalls in den letzten 20 Jahren in weitem Umfang auf dem Markt erschienen (stationärer und Online-Handel) und jedermann gegenübergetreten ist. Zudem hat die Antragstellerin umfangreiche Investitionen und Sponsoringaktivitäten des HUGO BOSS-Konzerns dargetan, denen die Antragsgegnerin nicht erheblich entgegengetreten ist. Die Präsenz der Marke „BOSS“ für Bekleidung über derartige Aktivitäten und die Verkaufsangebote im stationären und Online-Handel sind allgemeinbekannt und auch den Mitgliedern des Senats bekannt. Die Feststellungen, die die Berufung der Antragsgegnerin hier vermisst, sind das allgemeine Gegenübertreten und die Präsenz der Marke „BOSS“ im Bekleidungssektor, die der Senat aus eigener Anschauung jedenfalls für den Zeitraum der letzten 20 Jahre feststellen kann. Der erforderliche Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum ist vorliegend überwiegend wahrscheinlich gegeben, wobei es – wie ausgeführt – nicht auf einen bestimmten Prozentsatz ankommt, sondern es genügt, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets, das dem Gebiet eines Mitgliedsstaates entsprechen kann, das Zeichen kennt, ohne dass ihm dessen Eintragung als Marke bekannt sein muss (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 19 – ÖKO-TEST I). Dies ist hier der Fall.

ee. Ein gedankliches Inverbindungbringen der konkret angegriffenen Verletzungsformen mit der Verfügungsmarke „BOSS“ ist vorliegend entgegen dem Vorbringen der Berufung ebenfalls zu bejahen.

aaa. Der EuGH legt bei der Beurteilung des Bekanntheitsschutzes anstelle der Verwechslungsgefahr ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der gedanklichen Verknüpfung zu Grunde (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 36 - L’Oréal/Bellure). Es ist festzustellen, ob der Verkehr zwischen dem angegriffenen Zeichen und der bekannten Marke eine gedankliche Verknüpfung vornimmt bzw. ob jenes geeignet ist, die bekannte Marke in Erinnerung zu rufen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 388; BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 21 – dOCUMENTA). Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Kennzeichen stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Bei fehlender Zeichenähnlichkeit kommt ein Anspruch nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht in Betracht (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Die Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, obliegt dem Tatrichter (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Es genügt ein geringerer Grad an Zeichenähnlichkeit, als er für die Verwechslungsgefahr erforderlich wäre, und eine herkunftshinweisende Zeichennutzung ist nicht zwingend erforderlich, wohl aber eine Benutzung, die geeignet ist, eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der bekannten Marke hervorzurufen (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 133 – Telekom-T).

Die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen ist dabei nach den für Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV geltenden Grundsätzen zu beurteilen, d.h. sie kann sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)Bild oder in der Bedeutung ergeben, wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt. Im Rahmen des Bekanntheitsschutzes ist aber, anders als bei Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV, - wie ausgeführt - nicht erforderlich, dass eine Verwechslungsgefahr oder Herkunftstäuschung besteht (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA). Es ist vielmehr ausreichend, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem angegriffenen Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen bewirkt (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze werden im Streitfall erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung zwischen der Verfügungsmarke „BOSS“ und den angegriffenen Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in folgenden Verwendungen:

[Abbildung]

herstellen. Die Verfügungsmarke ist - wie ausgeführt - eine im Bekleidungssektor bekannte Marke, die genutzt wird und dem Verkehr gegenübertritt wie sich etwa aus dem Anlagenkonvolut AS 24 ergibt. Es besteht vorliegend Warenidentität. An dieser Stelle kommt es zudem nicht auf eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne, sondern nur auf die bloße tatsächliche Verwechselbarkeit der Zeichen als solcher an, die im Einzelfall durchaus vorliegen kann (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Eine gedankliche Verknüpfung scheidet aus, wenn der Verkehr ein mit der bekannten Marke übereinstimmendes Zeichenelement in der jüngeren Zeichenkombination nur als produktbeschreibende Angabe versteht (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Entsprechendes ist bei einem Verkehrsverständnis als nur dekorativer Gebrauch anzunehmen. Indes steht es der Einstufung als markenverletzendem Gebrauch nicht entgegen, dass die fremden Marken auf dem Produkt des Dritten auch, aber nicht nur als Verzierung aufgefasst werden (vgl. A. Nordemann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 205 m.w.N.). Eine markenmäßige Benutzung i.S. des Bekanntheitsschutzes (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ist gegeben, wenn der Verkehr eine gedankliche Verknüpfung mit der bekannten Marke vornehmen wird (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2011, 170, 171 – Blechschilder). Dies ist auf den Bekanntheitsschutz einer Unionsmarke gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV übertragbar.

Legt man dies zugrunde, so kommt es vorliegend im Rahmen des Bekanntheitsschutzes gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht entscheidend darauf an, ob der Verkehr in den angegriffenen Bezeichnungen auch eine Redewendung sieht, wenn sich eine gedankliche Verknüpfung dennoch – wie hier – feststellen lässt. Es sind die konkret angegriffenen Verletzungsformen zu beurteilen. Beim angegriffenen Gesamtzeichen: „THE REAL BOSS“ ist der Bestandteil „REAL BOSS“ etwas größer gehalten und wird vom Verkehr als „Das wahre BOSS“ oder „Der wahre Boss“ verstanden. Zu vergleichen sind „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ in der konkreten Aufmachung auf dem Hoodie und der Jogginghose. Auf dem Hoodie findet sich der Bestandteil „BOSS“ allein in einer Zeile. Die Aufdrucke auf den Verletzungsformen befinden sich an den Stellen der Bekleidungsstücke, an denen der Verkehr den Aufdruck einer Marke erwartet. Zwar besteht klanglich und schriftbildlich Übereinstimmung lediglich im Bestandteil „BOSS“. Jedoch kommt dem Bestandteil „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ eine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn der betreffende Bestandteil wie eine Marke in der Marke erscheint, was nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Verkehr ein Zeichen als einheitliche Kennzeichnung auffasst (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 491). Ein solches Verständnis als Marke in der Marke ist bei „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ jedenfalls bei einer Deutung gegeben („Das wahre BOSS“). Eine Zeichenähnlichkeit liegt daher zwischen „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ vor. Eine absolute Zeichenunähnlichkeit, die die Antragsgegnerin geltend macht, ist hingegen nicht gegeben. Auch die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ sind ähnlich und nicht absolut unähnlich. Im Bedeutungsgehalt treten beim angegriffenen Zeichen „I AM THE BOSS“ die Deutungen „Ich bin BOSS“ oder „Ich bin der Boss“ auf. Klanglich und schriftbildlich besteht Übereinstimmung im Bestandteil „BOSS“. Auch bei diesem Gesamtzeichen ist ein Verständnis von „BOSS“ als Marke in der Marke durchaus noch gegeben. Dies wiederum führt dazu, dass die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ als ähnlich anzusehen sind.

Zudem spielt im Streitfall bei den angegriffenen Verwendungsformen eine Rolle, dass der Bestandteil „BOSS“ in den angegriffenen Verwendungsformen in Großbuchstaben ähnlich der Verwendung der Marke „BOSS“ auf Kleidungsstücken gehalten ist. Zwar trifft es zu, wie die Antragsgegnerin geltend macht, dass es bei einer Wortmarke im Hinblick auf den Schutzbereich nicht auf die Groß- und Kleinschreibung ankommt. Indes geht es hier um die Frage einer gedanklichen Verknüpfung, für die die Gestaltung der angegriffenen Zeichen sehr wohl eine Rolle spielen kann.

Weiter handelt es sich um plakative und herausgestellte Schriftzüge. Die Gesamtgestaltung auf den angegriffenen Bekleidungsstücken ist nicht derart gewählt, dass der Blick vom Zeichenbestandteil „BOSS“ abgelenkt worden wäre.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist davon auszugehen, dass erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs die Aufmachung der angegriffenen Kennzeichen mit der Verfügungsmarke gedanklich verknüpfen. Das Landgericht hat die erforderliche gedankliche Verknüpfung daher im Streitfall zu Recht bejaht.

Dass die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin geltend macht, selbst keine Slogans verwende, ist nicht erheblich. Denn - wie ausgeführt - ergibt sich im Streitfall aus den konkret angegriffenen Gestaltungen eine Anspielung auf die im Bekleidungssektor bekannte „BOSS“-Marke.

ff. Das Landgericht ist auch zu Recht vom Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes ausgegangen. Im Streitfall ist eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung) der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Zeichenverwendungen zu bejahen.

aaa. Im Ausgangspunkt ist der Einwand der Berufung der Antragsgegnerin zwar zutreffend, dass es neben der gedanklichen Verknüpfung des Kollisionszeichens mit der bekannten Marke des Vorliegens eines Beeinträchtigungstatbestandes i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV bedarf. Es trifft weiter zu, dass die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes des Bekanntheitsschutzes – hier Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV – beim Markeninhaber liegt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390). Es muss vom Gericht konkret festgestellt werden, dass eine der genannten Beeinträchtigungen der Marke vorliegt. Es reicht nicht aus, dass der Verkehr überhaupt eine gedankliche Verknüpfung des angegriffenen Zeichens mit der bekannten Marke vornimmt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390).

bbb. Jedoch lässt sich im Streitfall das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes feststellen.

(1) Die Frage, ob durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens die Unterscheidungskraft einer Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 22 – keine-vorwerk-vertretung). Eine Ausnutzung oder Beeinträchtigung liegt umso eher vor, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind. Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (BGH GRUR 2020, 405 Rn. 57 – ÖKO-TEST II).

(2) Aus einer – wie hier – blickfangmäßigen Verwendung / Herausstellung des Zeichen(-bestandteil)s „BOSS“ in den konkreten Verwendungen kann auf eine bewusste Aufmerksamkeitserregung auch im Hinblick auf „BOSS“ geschlossen werden (vgl. hierzu OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Mit dieser bewussten Aufmerksamkeitserregung hat sich die Antragsgegnerin die Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ zu eigen gemacht und sich in deren Sogwirkung begeben, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Auch ohne gedankliche Partizipation an etwaigen mit der Marke verbundenen Gütevorstellungen kann eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft in der Weise erfolgen, dass sich der Verletzer den Aufmerksamkeitswert der Marke zunutze macht (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung vgl. BGH, NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte). Durch die Verwendung der bekannten Marke kann ein Kommunikationsvorsprung erreicht werden, der unabhängig von einer Ausnutzung (auch) der Wertschätzung die Unterscheidungskraft ausnutzt (Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1391 m.w.N.). So liegt der Fall bei den konkret angegriffenen Verwendungen auch hier.

Sodann ist dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft die Unlauterkeit immanent, wenn die Marke in identischer oder ähnlicher Form benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2005, 583 Rn. 22 – Lila-Postkarte; OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 143 – Telekom-T; Senat GRUR-RS 2023, 831 Rn. 136). So liegt der Fall auch hier. Die Antragsgegnerin nutzt der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ ähnliche (Gesamt-)Zeichen für ihre Bekleidung und begibt sich hierdurch – ohne Gegenleistung oder wirtschaftliche Anstrengungen zum Image der bekannten Marke erbracht zu haben – in den Sog der geschützten bekannten Bekleidungsmarke „BOSS“.

ccc. Offenbleiben kann im Streitfall, ob daneben eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und eine sog. Verwässerung der Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Verwendungen anzunehmen ist.

Der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen würde, setzt voraus, dass dargetan wird, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, in Folge der Benutzung der jüngeren Marke geändert hat oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens besteht (EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 77 - Intel Corporation/CPM United Kingdom; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Die Anforderungen an die (potentielle) Änderung des Verbraucherverhaltens sind nach jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hoch; die Gefahr, dass eine Marke einen Bedeutungsverlust erleidet und damit einhergehend für den Verkehr von abnehmender Relevanz ist, ist für eine solche Annahme bereits ausreichend (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Leidet das Ansehen der Marke, so folgt hieraus ohne Weiteres eine hinreichende Gefahr, dass Verbraucher sich bei ihrer Kaufentscheidung in abnehmendem Maße vom Logo der Klägerin beeinflussen lassen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I). Ob vorliegend durch die angegriffenen Zeichennutzungen ein Ansehensverlust der Verfügungsmarke zu befürchten ist, kann jedoch offenbleiben, da – wie ausgeführt – eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Verfügungsmarke durch die konkreten Verwendungen festgestellt werden kann.

gg. Rechtsfolge des Vorliegens des Verletzungstatbestandes des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ein unionsweites Verbot.

aaa. Grundsätzlich muss sich das von einem Unionsmarkengericht ausgesprochene Verbot territorial auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken, um einen einheitlichen Schutz der Unionsmarke zu garantieren (EuGH GRUR 2016, 1166 Rn. 30 – combit Software GmbH/Commit Business Solutions Ltd). Der Unterlassungsanspruch aus der Verletzung einer Unionsmarke besteht daher grundsätzlich unionsweit (Grüger in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 130 UMV Rn. 4). Dies folgt aus dem Prinzip der Einheitlichkeit der Unionsmarke nach Art. 1 Abs. 2 UMV, wonach sich die Wirkungen der Unionsmarke auf die gesamte Gemeinschaft erstrecken, und aus der einheitlichen Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte (vgl. BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE; vgl. zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster BGH GRUR 2012, 512 Rn. 49 – Kinderwagen). Die territoriale Reichweite dieses Verbot beschränkt sich nicht auf das Gebiet des Mitgliedstaates, für den das Unionsmarkengericht die Verletzungshandlung positiv festgestellt hat, oder auf das Gebiet derjenigen Mitgliedstaaten, die zu dieser Feststellung Anlass gegeben haben. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE).

bbb. Soweit die Berufung geltend macht, es sei für einen unionsweiten Unterlassungsanspruch erforderlich, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil des Verkehrs im Kollisionsgebiet die bekannte Marke kenne und das Kollisionszeichen mit ihr gedanklich verknüpfe, so ergibt sich hieraus keine Beschränkung der territorialen Reichweite des Unterlassungsanspruchs. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es für den Bekanntheitsschutz ausreichend, dass diese Marke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist davon auszugehen, dass die fragliche Unionsmarke in der gesamten Union bekannt ist (EuGH GRUR 2019, 621 Rn. 50 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe). Es kann daher nicht mehr gefordert werden, dass die bekannte Marke auch im Kollisionsgebiet im rechtsbegründenden Sinne bekannt ist, wie dies früher verlangt worden ist (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 377 zur früheren Rspr. des BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 67 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Folglich kann der Schutz aus einer bekannten Unionsmarke entweder in der gesamten Europäischen Union oder gar nicht beansprucht werden kann (EuGH GRUR 2017, 1132 Rn. 52 – Ornua/T&S (KERRYGOLD); Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1322). Da hier ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz der Unionsmarke „BOSS“ besteht, kann ein Verbot für das gesamte Gebiet der Europäischen Union beansprucht werden.

hh. Es besteht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch eine Begehungsgefahr hinsichtlich der im Tenor formulierten Dritthandlungen („bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen“).

aaa. Ist ein markenrechtlicher Verletzungsfall festgestellt, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch eines Klägers auf alle markenmäßigen Benutzungshandlungen des angegriffenen Zeichens (BGH GRUR 2018, 417 Rn. 56 – Resistograph). Das Charakteristische der Verletzungshandlung liegt markenrechtlich betrachtet in der Benutzung des verletzenden Zeichens (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Durch welche der – in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) ohnehin nur beispielhaft aufgeführten – Handlungsmodalitäten diese Benutzung erfolgt, hat auf den Kern der Verletzungshandlung keinen Einfluss (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Der Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf alle Handlungsmodalitäten, auch wenn bisher nicht alle verwirklicht worden sind (BGH GRUR 2016, 197 Rn. 47 – Bounty; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527).

bbb. Hier hat die Antragsgegnerin eine Begehungsgefahr hinsichtlich der konkret gegenständlichen Verwendungsformen begründet. Hinsichtlich dieser konkreten Verwendungsformen erstrecken sich die Begehungsgefahr und das Verbot auf alle beispielhaft in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) genannten Verwertungshandlungen, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalls durchgreifende rechtliche Erwägungen für die Herausnahme einzelner Verletzungshandlungen sprechen (BGH GRUR 2006, 421 Rn. 42 – Markenparfümverkäufe; Eckhartt in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 14 Rn. 634). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Wenn die Antragsgegnerin die entsprechenden Handlungen durch Dritte ausführen lassen würde, so läge auch dies in ihrer täterschaftlichen Verantwortlichkeit. Eine Begehungsgefahr kann insoweit im Streitfall nicht verneint werden.

ii. Auf einen Anspruch aus Verwechslungsgefahr (Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV) und auf Ansprüche aus den hilfsweise verfolgten Marken kommt es dann nicht mehr an.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV umfasst auch Folge- und Nebenansprüche

BGH
Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 56/19
HEITEC III
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2; Richtlinie 2008/95/EG Art. 9 Abs. 1 und 2; MarkenG § 21 Abs. 1 und 2, § 125b Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV auch die Folge- und Nebenansprüche umfasst.

Leitsätze des BGH:
a) Zur Abwendung der Verwirkung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2 GMV sind Handlungen des Inhabers des älteren Zeichens erforderlich, die ernsthaft und eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringen, sich der Benutzung des jüngeren Zeichens zu widersetzen und der behaupteten Verletzung seiner Rechte abzuhelfen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Mai 2022 - C-466/20, GRUR 2022, 985 = WRP 2022, 840 - HEITEC).

b) Eine vorgerichtliche Abmahnung, der der Inhaber des jüngeren Zeichens nicht Folge leistet, ist geeignet, die Duldungsfrist gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV zu unterbrechen, sofern der Inhaber des älteren Zeichens nach der Abmahnung seine Rechte innerhalb einer angemessenen Zeit im Wege der Klage geltend macht.

c) Die Einreichung der Klage durch den Inhaber des älteren Zeichens unterbricht den Lauf der Duldungsfrist nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV nicht, wenn die Klageschrift erst nach Ablauf eines fünfjährigen Duldungszeitraums mit den formalen Anforderungen in Einklang gebracht wird, die das deutsche Zivilprozessrecht für die Zustellung an den Anspruchsgegner vorsieht, und die verspätete Mängelbehebung hauptsächlich mangelnder Sorgfalt des klagenden Rechtsinhabers zuzuschreiben ist.

d) Ein von der abgemahnten Partei unterbreitetes Verhandlungsangebot kann die Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung nur unterbrechen, wenn der Inhaber des älteren Zeichens innerhalb eines Zeitraums, in dem die abgemahnte Partei den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, zumindest die Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen anzeigt.

e) Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV erstreckt sich auf Ansprüche wegen sämtlicher gleichartiger Benutzungsformen, die der Inhaber des jüngeren Zeichens fünf Jahre lang vorgenommen hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 [juris Rn. 22] = WRP 2012, 1104 - Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 188/11, BGHZ 198, 159 [juris Rn. 21] - Hard Rock Cafe; Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 [juris Rn. 50] = WRP 2016, 869 - ConText).

f) Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV schließt auch auf die Zeichenverletzung gestützte Folge- und Nebenansprüche ein (Anschluss an EuGH, GRUR 2022, 985 - HEITEC).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 56/19 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Marke "Terra Greca" wird nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland von einem Durchschnittsverbraucher nicht rein beschreibend verstanden

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2022
6 U 277/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Marke "Terra Greca" nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland von einem Durchschnittsverbraucher nicht rein beschreibend für ein Produkt aus Griechenland verstanden wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB oder einem anderen Rechtsgrund zu. Die Abmahnung gegenüber der A GmbH & Co. KG (Anlage K19) war wegen einer begangenen Markenverletzung berechtigt.

a) An der geschäftlichen Verwendung und der markenmäßigen Benutzung des auf der Nudel-Verpackung angebrachten Wort-/Bilds-Zeichens "Terra Greca“ bestehen keine Zweifel.

b) Zwischen der Unionsbildmarke „Terra Greca“ der Beklagten und dem von der A GmbH & Co. KG verwendeten Wort-/Bildzeichen „Terra Greca“ besteht Verwechslungsgefahr (Art. 9 Abs. 2 b UMV).

aa) Es ist eine zumindest geringe Warenähnlichkeit gegeben. Von absoluter Warenunähnlichkeit kann entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ausgegangen werden.

(1) Warenähnlichkeit ist anzunehmen, wenn die sich die gegenüberstehenden Waren unter Berücksichtigung insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn 65 - OBELIX/MOBILIX; BGH GRUR 2015, 176, 177Rn 16 - ZOOM). Mit anderen Worten geht es darum, ob die beteiligten Verkehrskreise davon ausgehen, beide Warenarten könnten von ein- und demselben Unternehmen hergestellt und angeboten werden (BeckOK UMV/Büscher/Kochendörfer, 26. Ed. 15.8.2022, UMV Art. 8 Rn 42). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a.a.O. Rn 17 - ZOOM).

(2) Vorliegend kommt es auf Beklagtenseite auf die im Warenverzeichnis der prioritätsälteren Marke eingetragenen Waren an. Die Marke ist für folgende Waren der Klasse 29 eingetragen:

„Fleisch; Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Natürliche oder künstliche Wursthäute; Nicht lebende Fische, Meeresfrüchte und Weichtiere; Speiseöle und -fette; Suppen und Brühen, Fleischextrakte; Verarbeitetes Obst und Gemüse [einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte] sowie verarbeitete Pilze; Vogeleier und Eierprodukte; Zubereitete Insekten und Larven.“

Auf Klägerseite ist maßgeblich, für welche Waren das angegriffene Zeichen tatsächlich verwendet wurde. Es kommt - anders als im amtlichen Widerspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren - nicht auf einen Registervergleich mit den im Warenverzeichnis für die jüngere Marke der Klägerin eingetragenen Waren an. Die Beklagte machte mit ihrer Abmahnung einen Unterlassungsanspruch gegenüber einer konkreten Benutzungshandlung des Zeichens durch eine Abnehmerin der Klägerin geltend (Anlage K19). Maßgeblich ist daher die konkrete Verletzungsform, die mit der Abmahnung angegriffen wurde und die Gegenstand des Unterlassungsantrags ist. Das angegriffene Zeichen ist auf der Vorder- und Rückseite einer in einem X-Markt erworbenen Packung Nudeln (Sorte: Penne) aufgebracht. Auf die weiteren Produkte, für die die jüngere Marke eingetragen ist, kommt es nicht an.

(3) Eine Ähnlichkeit wird vorliegend nicht schon dadurch begründet, dass sich die gegenüberstehenden Waren unter den weiten Warenoberbegriff der „Lebensmittel“ fassen lassen. Denn nach den Erfahrungen des Verkehrs werden ganz unterschiedliche Lebensmittel üblicherweise nicht von den gleichen Unternehmen, sondern von spezialisierten Unternehmen für bestimmte Lebensmittelbereiche produziert. So bestehen z.B. keine Ähnlichkeiten zwischen „alkoholischen Getränken“ und „Heilwässern“ (BPatG, Beschluss vom 28.6.2021 - 26 W (pat) 511/18, Rn 75, juris). Allerdings gibt es keine strikte Trennung zwischen jedem einzelnen Nahrungsmittel. Es bestehen vielfach Überschneidungen von Lebensmittelarten, die nach den Erfahrungen des Verkehrs aus demselben Unternehmen stammen können. Das betrifft z.B. „feine Backwaren“, zu denen neben Mehlen, Müsliprodukten und Brot auch Nudeln und Tortillas rechnen können (BPatG, Beschluss vom 19.1.2010 - 27 W (pat) 189/09, Rn 34 - Mami/MAMA). Nicht entscheidend ist auch, ob sich die gegenüberstehenden Waren unter den gemeinsamen Oberbegriff der „mediterranen Produkte“ fassen lassen. Die im Warenverzeichnis der älteren Marke eingetragenen Waren (z.B. Fleisch- und Molkereiprodukte) lassen ohne nähere Angaben nicht auf eine mediterrane Herkunft schließen. Es kommt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht darauf an, dass Nudeln und die von der älteren Marke beanspruchten Waren im Warenverzeichnis unter benachbarte Klassen (29 bzw. 30) fallen. Die Klasseneinteilung dient Verwaltungszwecken und ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit nicht zu berücksichtigen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl., § 9 Rn 94).

(4) Es entspricht den Erfahrungen des Verkehrs als Durchschnittsverbraucher, der regelmäßig in Supermärkten einkauft, dass Teigwaren wie Nudeln auch von Unternehmen vertrieben werden, die gleichzeitig Zutaten für Nudelgerichte wie Speiseöle oder Suppen, für die die ältere Marke eingetragen ist, im Angebot haben (z.B. Y, B, C etc.). Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde beurteilen. Es handelt sich um einander ergänzende Waren. Insbesondere im Konserven- und Fertiggerichtbereich sind Überschneidungen zwischen diesen Produkten gang und gäbe. Zudem haben einige namhafte Herstellungsbetriebe unter derselben Marke sowohl Teigwaren als auch Soßen dazu im Angebot (vgl. dazu auch BPatG, Beschluss vom 31.3.2004 - 32 W (pat) 43/03, Rn 21 - Maggi/MARTI). Warum dies heute anders sein soll, hat die Klägerin nicht plausibel dargelegt. Der Verkehr schließt daher nicht aus, dass auch Speiseöle und Suppen einerseits und Nudeln andererseits von demselben Unternehmen stammen können. Es ist damit zumindest von einer geringen Warenähnlichkeit auszugehen.

(5) Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, der Senat sei an einer eigenen Feststellung des Verkehrsverständnisses gehindert, weil das von der Klägerin vorgetragene Verkehrsverständnis unwidersprochen geblieben sei, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat das von der Klägerin behauptete Verkehrsverständnis bereits mit ihrer Klageerwiderung vom 23.8.20212 bestritten (Bl. 114 d.A.).

bb) Es ist mangels abweichender Anhaltspunkte eine durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Wort-/Bildmarke „Terra Greca“ von Haus aus anzunehmen. Die Marke weist einen Bildbestandteil auf, der die Produkte des Warenverzeichnisses nicht beschreibt, sowie den Wortbestandteil „Terra Greca“. Eine originäre Kennzeichenschwäche des Wortbestandteils kann nicht festgestellt werden. Das gilt auch dann, wenn man von beschreibenden Bezügen im Hinblick auf die mögliche Herkunft der gekennzeichneten Produkte ausgeht. Eine glatt beschreibende Bedeutung ist jedenfalls nicht ersichtlich (vgl. unten). Insgesamt bildet die Wortkombination ein prägnantes, schlagwortartiges Kennzeichen, das als „sprechende“ Marke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Schwächung der originären Kennzeichnungskraft durch Drittzeichen bestehen nicht. Der Umstand, dass es einige Lebensmittelmarken mit dem Bestandteil „terra“ gibt, reicht dafür - angesichts der unüberschaubaren Vielzahl von Lebensmittelmarken - nicht aus (vgl. Anlage K11).

cc) Die gegenüberstehenden Zeichen sind in klanglicher Hinsicht identisch. Der Gesamteindruck sowohl der älteren Marke als auch der Gesamteindruck des angegriffenen Kombinationszeichens werden durch ihren Wortbestandteil geprägt. Dies folgt aus dem Erfahrungssatz, wonach sich der Verkehr für die Aussprache eines Zeichens erfahrungsgemäß an der einfachsten Benennungsmöglichkeit orientiert (EuGH BeckRS 2013, 81259 Rn 20 - MILRAM/RAM; EuG GRUR Int. 2010, 722 Rn 43 - Golden Eagle; BGH GRUR 2008, 903Rn 25 - SIERRA ANTIGUO; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2021, 273Rn 35 - ALFALIQUID/ALPA TOBACCO). Eine Ausnahme gilt nur bei besonders markanten Bildbestandteilen, wenn gleichzeitig der Wortbestandteil kennzeichnungsschwach ist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor. Die grafischen Elemente erschöpfen sich zwar - in beiden Zeichen - nicht in völlig nichtssagenden Verzierungen, sondern sind markant. Der Wortbestandteil ist jedoch weder glatt beschreibend noch besonders kennzeichnungsschwach. Die Marken werden daher phonetisch vom Wortbestandteil dominiert. Für die Zeichenähnlichkeit genügt die Ähnlichkeit in einer Wahrnehmungsrichtung (BGH GRUR 2011, 824 Rn 26 - KAPPA). Unterschiede in den Bildbestandteilen spielen daher keine entscheidende Rolle.

(1) Zunächst kommt es nicht darauf an, ob „Terra Greca“ als Unionswortmarke schutzfähig wäre, insbesondere über die notwendige Unterscheidungskraft verfügen würde. Dies wäre schon dann zu verneinen, wenn dem Begriff nach Auffassung des Verkehrs in einem der über 20 verschiedenen Sprachgebiete der Europäischen Union ein glatt beschreibender Gehalt zugemessen werden würde. Das ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht maßgeblich, weil diese Beurteilung - anders als die Beurteilung der Schutzfähigkeit als Unionsmarke - je nach Sprachgebiet unterschiedlich ausfallen und ggf. zu territorial begrenzten Verboten führen kann (vgl. EuGH GRUR 2011, 518 Rn 48 - DHL/Chronopost; EuGH EuZW 2016, 906 - combit; Kochendörfer GRUR 2016, 778, 779). Im streitgegenständlichen, auf Deutschland bezogenen Kollisionsfall kommt es allein darauf an, welche Bestandteile den Gesamteindruck der Wort-/Bildmarke nach dem Verkehrsverständnis in Deutschland prägen. Denn die Abmahnung zielte auf ein Verbot in der Bundesrepublik Deutschland ab (vgl. Anlage K19).

(2) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „Terra Greca“ zutreffend mit „griechischer Erde“ oder „aus griechischer Erde“ übersetzt. Hierfür sind Fremdsprachkenntnisse erforderlich, die über den Horizont des Durchschnittsverbrauchers, der im Regelfall nur den englischen Grundwortschatz beherrscht (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn 30 - pjur/pure; BGH GRUR 2015, 173 Rn 18 - for you), hinausgehen. Auch sonst erschließt sich die Wortbedeutung nicht ohne weiteres. Selbst wenn der Verkehr aber die Wortkombination zutreffend übersetzen würde, kann jedenfalls ein glatt beschreibender Gehalt nicht festgestellt werden. Der Verkehr wird „griechische Erde“ zwar als Hinweis auf die örtliche Herkunft der gekennzeichneten Lebensmittel verstehen. Der Herkunftsort (Griechenland) wird dabei aber nicht unmittelbar bezeichnet, sondern subtil umschrieben. Dem Wortbestandteil kann daher die Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Zwischen den Zeichen besteht damit eine hohe klangliche Ähnlichkeit.

dd) Nach Abwägung aller Umstände ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen. Zwar liegt nur eine geringe Warenähnlichkeit, jedoch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit vor.

2. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung im Hinblick auf die in der Abmahnung erwähnten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zu. Auf UWG-Ansprüche war die Abmahnung ersichtlich nur hilfsweise gestützt. Dies ergibt sich auch aus der vorformulierten Unterlassungserklärung, die auf ein markenrechtliches Verbot abzielt und nicht kumulativ eine Unterlassung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen fordert. Da eine Markenverletzung tatsächlich gegeben war, kommt es auf die subsidiär geltend gemachten Ansprüche nicht an.

3. Da die Abmahnung berechtigt war, stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zu.


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LG München: Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung greift nicht wenn Zeichen auch nur geringfügig verändert wird

LG München
Urteil vom 24.11.2022
33 O 4349/22


Das LG München hat entschieden, dass die Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung nicht greift, wenn das Zeichen auch nur geringfügig verändert wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Bei der Wort-/Bildunionsmarke Nr. ... (Bild) und der Unionswortmarke Nr. ... („M“), handelt es sich um bekannte Marken im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV. Das Merkmal „bekannt“ setzte nach der Rechtsprechung des EuGH einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraus, der als erreicht anzusehen ist, wenn die Unionsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 17 - Iron & Smith/Unilever). In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Unionsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 19 - Iron & Smith/Unilever).

Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin nutzt diese die M-Marken seit Jahrzehnten intensiv in mehreren Baureihen, wobei die Produktionszahlen seit 1997 auf hohem Niveau steigen. Danach soll beispielsweise im Jahr 2019 jedes dritte BMW-Serienfahrzeug serienmäßig über eine „M“ Ausstattung verfügt haben. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (Anlage K 5) beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.

Danach rechtfertigen es die hohen Umsatzzahlen in Deutschland als bedeutendem Absatzmarkt für Fahrzeuge und als dem Sitz der Klägerin sowie die unbestritten hohe Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen von der Bekanntheit der M-Marken der Klägerin auszugehen.

b) Für den Bekanntheitsschutz nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt es weiter darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt und es zu den dort näher spezifizierten Beeinträchtigungen der bekannten Marke kommt. Daneben bedarf es nicht der gesonderten Feststellung, dass in eine der geschützten Markenfunktionen der bekannten Marke eingegriffen wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 135 mit Verweis auf BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 36 - ÖKO-TEST I). Erforderlich ist aber eine Benutzung des Zeichens für Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn, 32 ff. - ÖKO-TEST I).

Die Frage, ob die Unterscheidungskraft einer Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören. Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 49 - L’Oréal; BGH GRUR 2015, 1114 Rn. 38 - Springender Pudel).

In die vorzunehmende Abwägung ist auch der Freistellungstatbestand des Art. 14 UMV einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des Art. 14 UMV - insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke gegen die guten Sitten verstößt - kommen im Tatbestand des Art. 9 UMV bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (vgl. zu § 23 MarkenG BGH GRUR 2019, 165 Tz. 22 - keine-vorwerkvertretung).

c) Vorliegend verwendet der Beklagte mit dem Zeichen „M-Look“ ein zu den M-Marken klanglich und auch schriftbildlich ähnliches Zeichen. Auch der durch einen Bindestrich angefügte rein beschreibende englische Begriff „-look“ als Hinweis auf Aussehen/Design der Ware kann eine gedankliche Verknüpfung mit den M-Marken der Klägerin nicht verhindern und verstärkt sogar nochmals die Bedeutung des vorangestellten Zeichens „M“, indem auf die damit verbundene Verkehrserwartung anpreisend Bezug genommen wird. Daneben sind auch die weiteren, in der beanstandeten Produktbezeichnung genutzten Zusätze - mit Ausnahme des Zeichens „BMW“ - rein beschreibend. Die Verwendung des beanstandeten Zeichens erfolgt außerdem in der Produktbezeichnung und damit an einer Stelle, an der der Verkehr üblicherweise Hinweise auf die betriebliche Herkunft erwartet. Auch ist zu berücksichtigen, dass das angebotene Produkt identisch ist zu Waren, für welche die Klagemarken Schutz genießen. Schließlich wird die bereits entstandene gedankliche Verknüpfung zu den „M“-Marken der Klägerin noch weiter durch die Verbindung mit dem anschließend genutzten und eine Verwechslungsgefahr begründenden Zeichen „BMW“ verstärkt.

Damit nutzt der Beklagte die Unterscheidungskraft der Klagemarken dadurch aus, indem er die Aufmerksamkeit, die mit den bekannten Marken Nr. ... (Bild) und Nr. ... („M“) der Klägerin verbunden ist, dazu verwendet, auf die von ihm angebotene identische Ware hinzuweisen. Es besteht auch keine anzuerkennende Notwendigkeit, die M-Marken der Klägerin zur Beschreibung der angebotenen Ware in diesem Zusammenhang zu nutzen.

7. Die Nutzung der beanstandeten Zeichen, insbesondere des Zeichens „BMW“, erfolgte auch nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil, im Sinne des Art. 14 c) UMV. Das Zeichen wurde in der hier beanstandeten Bezeichnung bereits markenmäßig und nicht als bloßer Hinweis auf die Eignung der angebotenen Ware verwendet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 23 Rn. 132). Insbesondere erblickt der angesprochene Verkehr in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware (siehe oben unter II.3.). So fehlt in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“).

8. Soweit der Beklagte sich durch die Behauptung, bei dem angebotenen Produkt habe es sich Originalware gehandelt, auf Erschöpfung beruft, kann dem nicht gefolgt werden.

a) Nach Art. 15 Abs. 1 UMV hat der Inhaber einer Marke zwar nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Handelt es sich bei den in Rede stehenden Waren um Produktfälschungen, scheidet eine Erschöpfung jedoch von vornherein aus, da diese weder durch den Markeninhaber selbst noch mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind (BeckOK UMV/Müller, 26. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 15). Vorliegend hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2012, 626 S2. 26 - CONVERSE, m.w.N.) - wie bereits oben unter Ziffer 2 d) bereits festgestellt - jedoch nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um Originalware der Klägerin handelte. Insbesondere fehlt belastbarer Vortrag zur konkreten Herkunft der angebotenen Ware einschließlich einer lückenlosen Lieferkette bis zum Hersteller. Solcher Vortrag wäre aber insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der angebotenen Ware nach bestrittenem Vortrag des Beklagten um ein Einzelteil gehandelt haben soll, zu erwarten gewesen.

b) Im Übrigen schiede eine Erschöpfung vorliegend auch aus, weil die von dem Beklagten verwendete Bezeichnung derart abgewandelt worden wäre, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch die Klägerin - eine solche unterstellt - entspräche. Denn die Klägerin hat unbestritten vorgebracht, dass sie gar kein Produkt mit der Bezeichnung „M-Look“ vertreibe. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich jedoch auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, Rn. 72).


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EuG: Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen

EuG
Urteil vom 07.12.2022
T‑747/21


Der EuG hat entschieden, dass die Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen ist. Das EUIPO hatte die Unionsmarke teilweise für nichtig erklärt.

Tenor der Entscheidung:
1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 28. September 2021 (Sache R 2126/2020‑4) wird aufgehoben, soweit der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Unionswortmarke Fohlenelf für die Waren „Seifen“ der Klasse 3, „Selbstklebefolien aus Papier oder Kunststoff, Selbstklebeetiketten“ der Klasse 16, „Porzellan- und Steingutwaren“ der Klasse 21 sowie für „Trinkflaschen“, soweit es sich dabei um eine Warenuntergruppe der „Behälter für Haushalt und Küche“ derselben Klasse 21 handelt, „Textilbadetücher“ der Klasse 24 und „Spiele, Spielwaren“ der Klasse 28 nicht anerkannt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

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OLG Nürnberg: Keine markenrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüche des Fußballmagazins kicker wegen Verkaufs eines Fußballpokals unter der Bezeichnung "Torjägerkanone"

OLG Nürnberg
Urteil vom 25.10.2022
3 U 2576/22

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass keine markenrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüche des Fußballmagazins kicker wegen des Verkaufs eines Fußballpokals in der Form einer Kanone unter der Bezeichnung "Torjägerkanone" bestehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Markenrechtliche Ansprüche stehen der Verfügungsklägerin aufgrund ihrer Wortmarken „Torjägerkanone“ und „kicker Torjägerkanone“ gegenüber der Verfügungsbeklagten nicht zu.

1. Für die angesprochenen Verkehrskreise stellt sich die streitgegenständliche Verletzungshandlung durch die Verfügungsbeklagte nicht als Benutzung der Klagemarke in markenrechtlich relevanter Weise dar.

a) Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens ist gegeben, wenn es durch Dritte markenmäßig oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2019, 1053 Rn. 27 - ORTLIEB II). Zu den Funktionen der Marke gehören dabei neben der Hauptfunktion der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung auch deren anderen Funktionen wie etwa die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (BGH, GRUR 2020, 1311 Rn. 45 - Vorwerk). Allerdings sind die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (BGH, GRUR 2017, 730 Rn. 21 - Sierpinski-Dreieck).

b) Im vorliegenden Fall liegt mangels Warenidentität kein Fall der sogenannten Doppelidentität i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 MarkenG vor, weshalb es auf die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Klagemarke ankommt.

Eine Benutzung für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für welche die Marke Schutz genießt, liegt vor, wenn die Waren, für die das angegriffene Zeichen benutzt worden ist, unter die Warenbegriffe im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Klagemarke subsumieren lassen (Hacker, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 335). Ausreichend ist, dass die auf Seiten des Dritten maßgebliche Ware vollständig unter einen Oberbegriff der geschützten (älteren) Marke fällt (BGH, GRUR 2009, 1055 Rn. 64 - airdsl).

Im vorliegenden Fall sind die Klagemarken u.a. für „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“ eingetragen. Die von der Verfügungsbeklagten vertriebenen Fußballpokale sind hingegen Kunstharz/Polyresin gefertigt. Damit fehlt es an der Warenidentität, weshalb eine mögliche Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Klagemarken erforderlich ist.

c) Ein herkunftshinweisender Gebrauch kann im Streitfall unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden.

aa) Für die Annahme der möglichen Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist maßgeblich, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 25 - Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 16 - pjur/pure) und die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, a.a.O. Rn. 22, Rn. 25 - Damen Hose MO).

Es ist zwar ausreichend, dass die beanstandete Zeichenverwendung die wesentliche Funktion der Marke, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2019, 1053 Rn. 27 - ORTLIEB II). Dennoch muss die Tatsache, dass ein Zeichen von einem nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Verkehrs als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 41 - SAM).

Der Umstand, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, hängt unter anderem von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke ab (BGH, GRUR 2012, 618 Rn. 24 - Medusa). Andererseits kann das Vorliegen beschreibender Anklänge gegen die Annahme einer markenmäßigen Benutzung sprechen (OLG Nürnberg GRUR-RR 2022, 224, Rn. 18 ff. - Bewegte Medizin). Bei der Beurteilung sind auch solche Umstände in Betracht zu ziehen, die außerhalb des angegriffenen Zeichens selbst liegen (Hacker, in Stöbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 139). Dabei ist das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH, a.a.O. Rn. 33 - Damen Hose MO). Eine blickfangmäßige Herausstellung oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung spricht für eine markenmäßige Verwendung (BGH, GRUR 2017, 520 Rn. 26 - MICRO COTTON).

bb) Der Senat kann die Feststellungen zum Verkehrsverständnis selbst treffen, da seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 33 - SAM). Die angegriffenen Angebote der Verfügungsbeklagten richten sich ersichtlich an jedermann, weshalb auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

cc) Die Beurteilung der maßgeblichen Einzelumstände führt im vorliegenden Fall dazu, dass aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs keine herkunftsbeeinträchtigende Benutzung vorliegt.

(1) In die Gesamtwürdigung ist einzustellen, dass - auch wenn der Senat wegen der Bindung der Zivilgerichte im Verletzungsprozess an die Eintragung der Klagemarke dieser grundsätzlich einen gewissen Grad an Kennzeichnungskraft zuerkennen muss - die Bezeichnung „Torjägerkanone“ deutlich beschreibende Anklänge hat.

Bei diesem Begriff handelt es sich um eine Auszeichnung in Form einer Kanone, die einem Torjäger verliehen wird. Die Verfügungsklägerin trägt selbst vor, dass sie seit 1966 eine Trophäe in Form einer mittelalterlichen Bürgerkriegskanone namens „Torjägerkanone“ an sogenannte „Torschützenkönige“ - also Fußballspieler, die in der Saison die meisten Tore erzielten - verleihe. Dieser Sinngehalt kommt in dem zusammengesetzten Begriff „Torjägerkanone“ - der sich aus der Bezeichnung des eigentlichen Gegenstands (Kanone) und seines Empfängers („Torjäger“) zusammensetzt - unmittelbar zum Ausdruck. Bei einem „Torjäger“ handelt es sich gerichtsbekannt um die Bezeichnung eines vielfach erfolgreichen Torschützen (https://de.wikipedia.org/wiki/Torsch%C3%BCtze). Und die gedankliche Verknüpfung zwischen einem Schützen und einer Kanone ist nicht fernliegend.

Ein derartiges Verständnis ergibt sich beispielsweise auch aus dem von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Presseartikel (Anlage AG 1) - dem eine dpa-Meldung zugrunde liegt (Anlage ASt 42) - in denen die Angabe „Torjägerkanone“ als beschreibender Begriff für den besten Torschützen der Saison im Handball verwendet wird. Soweit die Verfügungsklägerin die Verspätungsrüge dieses erst in der Berufung vorgelegten Artikel erhebt, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass neuer, unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz immer zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, NJW 2005, 291), und zum anderen, dass die Vorschrift des § 531 ZPO in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anzuwenden ist (Rimmelspacher, in MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 531 ZPO Rn. 3).

Im Rahmen der Beurteilung kann nicht außer Acht gelassen werden, dass im Bereich des Fußballs die Verwendung von militärbezogenen Metaphern gerichtsbekannt üblich ist und die angesprochenen Verkehrskreise daran gewöhnt sind. So hat ein Spieler eine besondere „Schusstechnik“, muss sich „warmschießen“ und ist ein „Torschütze“, Gerd Müller wurde als „Bomber der Nation“ bezeichnet (https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_M%C3%BCller), und es gibt Angriff und Verteidigung. Gleichermaßen ist die Bezeichnung einer Person als „Kanone“ üblich, um deren guten Leistungen im Sport auszudrücken („Sportskanone“). Vor diesem Hintergrund ist auch die Bezeichnung „Torschützenkanone“ als Auszeichnung für einen erfolgreichen Torjäger im Fußball eine für den Verbraucher nicht völlig fernliegende Betitelung.

Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang, dass die Verfügungsklägerin für sich beansprucht, dass diese Verbindung - wonach die beteiligten Verkehrskreise bei dem Anblick der Trophäe in Kanonenform an das Wort „Torjägerkanone“ denken würden - allein ihr Verdienst aufgrund der Verleihung dieser Auszeichnung durch sie seit der Saison 1965/66 sei. Denn derartiger Ideenschutz ist dem Markenrecht fremd, zumal die Verfügungsklägerin erst seit dem Jahr 2006 Markeninhaberin ist.

(2) Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des Vortrags der Verfügungsklägerin zur angeblichen Bekanntheit der Bezeichnung „Torjägerkanone“ veranlasst.

Zwar ist der Vortrag der Verfügungsklägerin zur umfangreichen medialen Berichterstattung über die bereits seit vielen Jahren erfolgte Vergabe der Trophäe „Torjägerkanone“ an den treffsichersten Spieler der unterschiedlichen Fußballligen unstreitig. Darüber hinaus ist auch einem Teil der Mitglieder des Senats die Verleihung dieses Preises bekannt.

Dies ist jedoch nicht ausreichend, um von einer - im Rahmen der markenmäßigen Benutzung zu berücksichtigenden - Markenbekanntheit sprechen zu können. Davon kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn das Zeichen als Herkunftszeichen für die betreffenden Waren und Dienstleistungen Bekanntheit genießt, d.h. in einer Art und Weise verwendet wird, die dazu dient, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend identifizieren (vgl. BGH, GRUR 2007, 780 Rn. 36 - Pralinenform). Dabei ist bei „eventbezogenen“ Bezeichnungen zu unterscheiden zwischen der Eignung, das jeweilige Ereignis als solches zu bezeichnen, und der Eignung, als Unterscheidungsmittel Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (vgl. BGH, GRUR 2006, 850 - …06). Erforderlich ist eine Bekanntheit des Zeichens als Marke, d.h. das Zeichen muss als Herkunftshinweis für die betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen bekannt sein; nicht ausreichend ist die „abstrakte” Bekanntheit eines Zeichens, das weder mit bestimmten Waren und Dienstleistungen noch mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht wird (OLG München, GRUR-RR 2010, 429 - Meisterschale).

Von einer derartigen Bekanntheit als Herkunftszeichen kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Es ist von der Verfügungsklägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass einem großen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt ist, dass hinter der streitgegenständlichen Preisverleihung die Verfügungsklägerin oder ein anderes bestimmtes Unternehmen steht. So wussten bis zu diesem Verfahren auch die Mitglieder des Senats nicht, dass die „Torjägerkanone“ vom Sportmagazin „kicker“ und nicht vom „Deutschen Fußball-Bund“ oder einem anderen Fußballverband verliehen wird. Den von der Verfügungsklägerin vorgelegten Presseartikeln lässt sich ebenfalls teilweise kein Hinweis auf das Sportmagazin „kicker“ und/oder die Verfügungsklägerin entnehmen (vgl. Anlagen ASt 5 bis 8). In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Acht bleiben, dass weitgehend unbekannt ist, dass die Verfügungsklägerin als Markeninhaberin hinter der Sportzeitschrift „kicker“ steht. Vor diesem Hintergrund hat die Verfügungsklägerin jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass dem Durchschnittsverbraucher die „Torjägerkanone“ nicht nur als Auszeichnung, sondern auch als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen vertraut ist.

(3) Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall darüber hinaus die konkrete Benutzung des Zeichens durch die Verfügungsbeklagte, insbesondere das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit und die Produktgestaltung.

Dabei spricht eher für eine markenmäßige Benutzung, dass die Verfügungsbeklagte die beanstandete Bezeichnung „Torjägerkanone“ jeweils an prominenter Stelle in der Artikelüberschrift ihrer Verkaufsangebote „Fußballpokal Torjäger-Kanone XL“ und „Fußballpokal Torjägerkanone klein“ verwendete.

Andererseits steht das Zeichen „Torjägerkanone“ in der Überschrift eingerahmt von den beschreibenden Angaben „Fußballpokal“ und „XL“ bzw. „klein“, was einen insgesamt eher generischen Eindruck vermittelt. Darüber hinaus ist das Angebot jeweils mit der Abbildung eines Kanonenmodells versehen; diese Illustration einer Kanone schlüsselt die in der Verkaufsbezeichnung verwendete Angabe „Kanone“ in einem eher beschreibenden Sinne auf. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Begleittext - wonach es sich bei den Verkaufsprodukten um unterschiedlich große „Fußballpokale“ handele, die sich für die Ehrung von „Top-Torjägern“ und „Top-Torschützen“ eignen - die beschreibende Wirkung des Begriffs „Torjägerkanone“ verstärkt. Auch ist zu beachten, dass die Verfügungsbeklagte in ihren Verkaufsangeboten die angegriffene Bezeichnung - markenuntypisch - in unterschiedlichen Schreibweisen (“Torjägerkanone“ bzw. „Torjäger-Kanone“) verwendet und in der Produktbeschreibung die Zeichenbestandteile noch weiter variiert (“Topstürmer“, „Top-Torschützen“, „Echte Torkanonen“). Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die von der Verfügungsbeklagten angebotenen Pokale als solche nicht mit dem beanstandeten Kennzeichen „Torjägerkanone“ versehen sind; vielmehr kann darauf eine frei wählbare Gravur angebracht werden.

Das benutzte Zeichen wird daher bei einer Gesamtbetrachtung des Angebots der Verfügungsbeklagten auf der Homepage - insbesondere aufgrund des darin erkennbar assoziativen Zusammenhangs zwischen den Zeichen „Torjägerkanone“ bzw. „Torjäger-Kanone“ und dem angebotenen Produkt - auf einen eher beschreibenden Kern zurückgeführt, bei dem die angesprochenen Verkehrskreise mehr eine Artikel- oder Modellbezeichnung für das angebotene Produkt als einen eigenständigen Herkunftshinweis erkennen.

Gleiches gilt für die Verwendung der Bezeichnung „Fußballpokal Torjäger-Kanone XL“ im Lieferschein und in der Rechnung. Zum einen verstärken auch im Rahmen dieser Benutzung die Attribute „Fußballpokal“ und „XL“ den Eindruck der Verwendung im Sinne einer Artikelbeschreibung. Zum anderen erfolgte die Zusendung der Rechnung zusammen mit einer entsprechenden Kanone, weshalb auch insoweit die gedankliche Brücke naheliegt, dass sich die Angabe „Torjägerkanone“ auf die Gestaltung (Kanone) und den Einsatzzweck des Pokals (Auszeichnung des besten Torjägers) bezieht. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für die Verkehrsauffassung in erster Linie maßgeblich ist, wie dem Verkehr das Zeichen beim Erwerb der Ware entgegentritt (Hacker, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 140) und dem Versand des Lieferscheins und der Rechnung die Bestellung im Webshop vorausgegangen ist, für welche die o.g. Kriterien gelten.

(4) Bei der Frage, ob die angesprochenen Verkehrskreise der angegriffenen Zeichenverwendung eine herkunftshinweisende Funktion beimessen, kann schließlich die allgemein bekannte und sich grundlegend von dem Verkaufsangebot der Verfügungsbeklagten unterscheidende Art der Zeichenverwendung durch die Verfügungsklägerin nicht außer Acht gelassen werden, weil die dabei zu Tage tretenden Unterschiede den Eindruck verstärken, dass die auf der Website www.https://p[…].de angebotenen Pokale nicht von der Verfügungsklägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Die Hauptfunktion der Marke der Gewährleistung der Herkunft der Ware ist beeinträchtigt, wenn für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die angebotenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen (EuGH, GRUR 2010, 445 Rn. 84 - Google und Google France). Diese vom EuGH bei der Benutzung von Marken als Keywords entwickelte Rechtsprechung ist nicht auf diese Fallgruppe beschränkt (vgl. BGH, GRUR 2019, 79 Rn. 20 - Tork).

Im vorliegenden Fall besteht diese Unsicherheit, ob die auf der Website www.https://p[…].de zum Verkauf angebotenen Pokale von der Verfügungsklägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen, für den angesprochenen Verkehr nicht. Die Verfügungsklägerin bietet unstreitig selbst keine Trophäen zum Verkauf an, sondern gibt eine Sportzeitschrift heraus. Dem Teil des Verkehrs, der mit der Auszeichnung „Torjägerkanone“ vertraut ist, ist auch bekannt, dass die als „Torjägerkanone“ bezeichnete Originaltrophäe eine nicht käufliche, sondern verliehene Auszeichnung für den besten Torjäger der deutschen Fußball-Bundesliga, den so genannten Torschützenkönig, ist. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist daher unschwer erkennbar, dass die von der Verfügungsbeklagten unter ihrem Namen auf der Homepage www.https://p[…].de angebotenen Pokale nicht von der Verfügungsklägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Dieser Eindruck wird durch die Gestaltung der Website - bei der sich an keine Stelle ein Hinweis auf eine Auszeichnung an den besten Torschützen der Fußball-Bundesliga findet, sondern vielmehr klargestellt wird, dass es sich um eine von „Pokale Meier“ käufliche Auszeichnung mit einer frei wählbaren Gravur für den Bereich des Amateur-Fußballs handelt - verstärkt.

(5) Die Verfügungsklägerin hat schließlich keine sich aus dem Warensektor „Skulpturen und Trophäen“ ergebenden Umstände - insbesondere keine entsprechenden Kennzeichnungsgewohnheiten des Verkehrs - vorgetragen, aus denen sich ergibt, ob und warum der Verkehr das in Streit stehende Zeichen „Torjägerkanone“ in der konkret streitgegenständlichen Verwendung als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft interpretiert.

2. Darüber hinaus greift der Einwand der fehlenden rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarken nach § 25 Abs. 1, Abs. 2, § 26 Abs. 1 MarkenG für die maßgebliche Warenkategorie 06 „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“. Denn es fehlt an der Darlegung durch die darlegungsbelastete Verfügungsklägerin, dass die Klagemarken zur Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes für die Waren „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“ rechtserhaltend verwendet werden.

a) Die rechtserhaltende Benutzung setzt voraus, dass die Marke für die Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, für die sie geschützt ist, um für diese Produkte einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Die Benutzung muss also erfolgen, um im Inland Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen (BGH, GRUR 2012, 1261 Rn. 12 - Orion). Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann (BGH, GRUR 2013, 725 Rn. 38 - Duff Beer).

Für die Ernsthaftigkeit der Benutzung ist eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich. Insoweit kommt es in der Regel nicht darauf an, ob und inwieweit eine mit der Marke gekennzeichnete Ware gegen Entgelt vertrieben wird. Vielmehr kann auch eine unentgeltliche Abgabe von Waren oder Erbringung von Leistungen als rechtserhaltende Benutzung zu bewerten sein, soweit sie einen hinreichenden Bezug zu der eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit des Benutzers aufweist, die darin besteht, für seine Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen und anschließend zu sichern (EuGH, GRUR 2009, 156 Rn. 16 ff. - Radetzky-Orden/BKFR; OLG Köln, GRUR-RR 2017, 138 Rn. 16 f. - Open-LIMS).

Eine rechtserhaltende Benutzung liegt nicht vor, wenn Werbegegenstände als Belohnung für den Kauf anderer Waren und zur Förderung des Absatzes dieser Waren verteilt werden. Etwas anderes kann sich im Einzelfall nur dann ergeben, wenn der Markeninhaber damit einen Absatzmarkt erschließen möchte, beispielsweise um zu ermitteln, ob für die Waren ein Publikumsinteresse besteht oder um den Verkehr an neue mit der Marke gekennzeichnete Produkte zu gewöhnen und Marktanteile zu gewinnen (BGH, GRUR 2012, 180 Rn. 42 - Werbegeschenke). Allerdings kann bei Produkten, die branchenüblich nur zu Werbe- oder Anerkennungszwecken verteilt werden, insoweit nicht auf den erforderlichen Willen zur Erschließung eines eigenen Absatzmarktes geschlossen werden (Ströbele, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 16).

Die reine Imagewerbung eines Unternehmens reicht für eine rechtserhaltende Markenbenutzung nicht aus (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2017, 426 Rn. 78 ff. - provadis). Denn der Verkehr muss im Allgemeinen aus der Benutzungshandlung als solcher ersehen können, auf welche konkreten Dienstleistungen sich der Kennzeichengebrauch bezieht. Daher muss durch die angegriffene Handlung selbst ein Bezug zwischen dem Zeichen und konkreten Waren oder Dienstleistungen hergestellt werden (BGH, GRUR 2015, 1201 Rn. 73 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot).

b) Im vorliegenden Fall ist - wie bereits ausgeführt - unstreitig, dass die Verfügungsklägerin selbst keine Trophäen zum Verkauf anbietet. Vielmehr handelt es sich bei ihrer „Torjägerkanone“ um einen Ehrenpreis für eine besonders herausragende, sportliche Leistung. Die von der Verfügungsklägerin verliehene Auszeichnung an den besten Torschützen des Jahres dient daher nicht der Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes für die Waren „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“. Noch weniger ist dargetan oder ersichtlich, inwieweit eine Verwendung der Wortmarken „Torjägerkanone“ und/oder „kicker Torjägerkanone“ durch die Verfügungsklägerin erfolgt, um im Inland Marktanteile für derartige Waren zu behalten oder zu gewinnen.

Der Vortrag der Verfügungsklägerin, dass sie mit der medienwirksamen Übergabe der „Torjägerkanone“-Trophäe den Absatz der von ihr herausgegebenen Sportzeitschrift „kicker“ fördern wolle, kann - als wahr unterstellt - dahinstehen. Denn die Feststellung der rechtserhaltenden Benutzung ist für die konkreten Waren zu treffen. Eine unterstellte rechtserhaltende Benutzung für die Warenkategorie 16 „Druckereierzeugnisse“ enthält daher keine Aussage für die in der Warenkategorie 06 enthaltenen „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“. Und aufgrund der absoluten Warenunähnlichkeit zwischen Druckereierzeugnissen und dem Angebot eines aus Kunstharz/Polyresin gefertigten Fußballpokals könnte die Verfügungsklägerin - selbst wenn in Bezug auf Druckereierzeugnisse eine rechtserhaltende Benutzung gegeben wäre - mangels Verwechslungsgefahr die angegriffenen Angebote der Verfügungsbeklagten nicht untersagen (vgl. BGH, GRUR 2015, 176 Rn. 10 - ZOOM/ZOOM).

Soweit die Verfügungsklägerin vorträgt, dass sie sich als Verleiherin der „Torjägerkanone“-Trophäe behaupten möchte, genügt dies ebenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung einer rechtserhaltenden Benutzung der klägerischen Wortmarken. Denn dass die jährliche Verleihung dieses Preises der allgemeinen Imagewerbung für die Verfügungsklägerin dient, ist für die hier maßgebliche Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Wortmarken „Torjägerkanone“ und „kicker Torjägerkanone“ für die Waren „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“ nicht ausreichend. Denn es fehlt am Bezug zwischen der Preisverleihung, dem Wortzeichen „Torjägerkanone“ und derartigen Waren, mit denen die Verfügungsklägerin am Markt auftritt.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union zur vergleichbaren Wortmarke „BALLON D'OR“ einer französischen Fußballfachzeitschrift hinzuweisen. Das Gericht entschied, dass die Marke, die zugleich den Namen einer Auszeichnung darstelle, zwar ernsthaft für Unterhaltungsdienstleistungen benutzt werde, wenn umfangreich medial über die Verleihungszeremonie berichtet werde und im Rahmen der Zeremonie Wort- und Filmbeiträge gesendet würden, die das Thema ergänzen. Es fehle aber an der rechtserhaltenden Benutzung für weitere Dienstleistungen in der Klasse 38, wie beispielsweise die „Ausstrahlung von Fernsehprogrammen“, weil die dortige Markeninhaberin diese - auch mangels eines eigenen Telekommunikationsnetzwerkes - nicht selbst erbringe (EuG, Urteil vom 06.07.2022 - T-478/21, GRUR-RS 2022, 15535 - BALLON D‘OR). Auch im vorliegenden Fall bietet die Verfügungsklägerin selbst keine Waren der Kategorie 06 an, weshalb eine rechtserhaltende Benutzung insoweit nicht vorliegt.

c) Die pauschale Behauptung der Verfügungsklägerin in der Abmahnung vom 08.06.2022 (Anlage ASt 22) - wonach „der FC Bayern München […], da aus seinen Reihen regelmäßig die erfolgreichsten Torschützen kommen, ein berühmtes Beispiel für einen Lizenznehmer der Marke 'Torjägerkanone'“ sei - genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer rechtserhaltenden Benutzung i.S.v. § 26 Abs. 2 MarkenG, da daraus weder der Inhalt der Lizenzvereinbarung noch die Art der Benutzung durch den FC Bayern München als Lizenznehmer hervorgeht.
II.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann auch nicht aus lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten hergeleitet werden.

1. Es fehlt bereits an der Darlegung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG, weshalb die Verfügungsklägerin nicht aktivlegitimiert ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).

a) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (BGH, GRUR 2022, 729 Rn. 13 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen II).

b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

Die Parteien stehen nicht im Substitutionswettbewerb zueinander, da sie nicht versuchen, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um die Herausgeberin einer Sportzeitschrift, und die Verfügungsbeklagte bietet Pokale, Glastrophäen und Medaillen zum Verkauf an. Damit betätigen sich Parteien nicht auf demselben sachlich relevanten Markt.

Es fehlt auch an der Glaubhaftmachung eines Behinderungswettbewerbs. So ist bereits nicht glaubhaft gemacht, dass eine Wechselwirkung zwischen den Vorteilen, welche die Verfügungsbeklagte durch den Verkauf der streitgegenständlichen Pokale zu ersuchen sucht, und den Nachteilen, welche die Verfügungsklägerin beim Vertrieb ihrer Zeitschrift erleidet, besteht. Jedenfalls fehlt es an der Darlegung eines wettbewerblichen Bezugs der von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass zwischen den Parteien irgendeine Konkurrenz im Angebotswettbewerb bestehen würde. Die pauschal behauptete (und nicht glaubhaft gemachte) Beeinträchtigung der Wertschätzung der Auszeichnung „Torjägerkanone“ durch den Vertrieb der Pokale durch die Verfügungsbeklagte und die pauschale Behauptung einer Lizenzvereinbarung mit dem FC Bayern München sind dafür nicht ausreichend.

2. Darüber hinaus ist nicht hinreichend dargetan, dass das Verhalten der Verfügungsbeklagten als unlauter anzusehen ist.

a) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG.

Die Verfügungsklägerin begehrt das Verbot, Fußballpokale unter der Bezeichnung „Torjägerkanone“ […] anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen. Da sich somit das Unterlassungsbegehren auf die Benutzung konkreter Zeichen bezieht, ist maßgeblich, ob die Voraussetzungen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in Bezug auf das Zeichen „Torjägerkanone“ vorliegen.

Zwar kann grundsätzlich auch eine Kennzeichnung als solche ein Leistungsergebnis sein, das lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz genießt (OLG Nürnberg, GRUR 2022, 1228 Rn. 14 - Streifen „rot-orange-gelb“; BGH, GRUR 2003, 973 juris-Rn. 22 - Tupperwareparty). Es bestehen jedoch insoweit sehr hohe Anforderungen an einen lauterkeitsrechtlichen Schutz, um nicht die markenrechtlichen Schutzvoraussetzungen zu unterlaufen.

Im vorliegenden Fall hat die Verfügungsklägerin keine konkreten Tatsachen zur wettbewerblichen Eigenart des Wortzeichens „Torjägerkanone“ vorgetragen. Gleiches gilt für die konkrete Ausgestaltung des Erzeugnisses, also der Trophäe selbst. Es ist nicht dargelegt, inwieweit das Design der Kanone geeignet wäre, auf seine betriebliche Herkunft (oder seine Besonderheiten) hinzuweisen.

b) Es sind auch die Voraussetzungen einer Irreführung wegen Verwechslungsgefahr nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG (bis 27.05.2022: § 5 Abs. 2 UWG) nicht dargetan, wonach eine geschäftliche Handlung irreführend ist, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.

Die lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr ist im Sinne einer Irreführungsgefahr zu verstehen. Das bedeutet, dass sie nicht abstrakt zu beurteilen ist, sondern darauf abgestellt werden muss, ob es tatsächlich zu Verwechslungen kommt (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2018, 18 Rn. 28 - notebooksbilliger.de). Daher kann auch eine - an sich bestehende - Verwechslungsgefahr durch aufklärende Hinweise oder durch sonstige Umstände (etwa den verräterisch niedrigen Preis) beseitigt werden (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn. 9.6). Entsprechendes gilt, wenn der Verkehr aufgrund der Aufmachung des Produkts erkennt, dass der beanstandete Zeichenbestandteil beschreibend verwendet wird (vgl. BGH, GRUR 2013, 631 Rn. 72 - AMARULA/Marulablu).

Im vorliegenden Fall hat die Verfügungsklägerin nicht dargetan, dass es tatsächlich zu Verwechslungen zwischen der von der Verfügungsklägerin verliehenen Trophäe namens „Torjägerkanone“ und den von der Verfügungsbeklagten vertriebenen „Fußballpokal Torjägerkanone klein“ und „Fußballpokal Torjäger-Kanone XL“ gekommen ist. Dies erscheint dem Senat aufgrund der Gesamtumstände auch eher fernliegend. Dem Teil des Verkehrs, der mit der Auszeichnung „Torjägerkanone“ vertraut ist, ist auch bekannt, dass die „Originaltrophäe“ nicht käuflich erwerblich, sondern für besondere sportliche Leistungen - nämlich das Erzielen der meisten Tore in der Saison - verliehen wird. Eine tatsächliche Verwechslung mit dem aus Kunstharz/Polyresin gefertigten und zu einem Preis von 14,99 € mit einer Gravur seiner Wahl käuflichen Pokal der Verfügungsbeklagten ist nur schwer vorstellbar, zumal auf der Angebotsseite der Verfügungsbeklagten deutlich erkennbar der Hinweis auf „Pokale MEIER“ enthalten ist.

c) Soweit sich die Verfügungsklägerin in der Berufungserwiderung (erstmals) pauschal auf eine Irreführung über die Qualität der Trophäe beruft, fehlt es jedenfalls am Verfügungsgrund. In der ersten Instanz hatte die Verfügungsklägerin lediglich auf den wettbewerbsrechtlichen Verwechslungsschutz nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG abgestellt. Eine Täuschung über die Qualität ist hingegen nicht Gegenstand von § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Geltendmachung dieses neuen Streitgegenstandes ist nicht mehr eilbedürftig. Darüber hinaus ist eine derartige behauptete Irreführung über die Qualität der Trophäe nicht vom Verfügungsklageantrag - mit dem der Vertrieb von Fußballpokalen unter einer bestimmten Bezeichnung untersagt werden soll - umfasst. Schließlich ist eine qualitätsbezogene Irreführung nicht hinreichend dargetan.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext LG München liegt vor: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter ist auch das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen.

1. Die Feststellungsklage dient der Erlangung von Rechtsgewissheit dort, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1). Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht daher grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1).

2. Im Streitfall stellt die Beklagte die Berechtigung der Klägerin zur Nutzung des Zeichens „Spezi“, die diese aus der Vereinbarung 1974 ableitet, in Frage. Die Klägerin, die primär aus eigenem und nur hilfsweise („vorsorglich“) aus abgetretenem Recht der … GmbH & Co. KG vorgeht, hat daher ein greifbares eigenes Interesse an der Feststellung des Fortbestands dieser Vereinbarung. Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten zur Klärung dieser Frage stehen der Klägerin nicht zur Verfügung, insbesondere ist das Begehren der Klägerin nicht deckungsgleich mit den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen der Beklagten.

B. Die Feststellungsklage ist - so weit nicht bereits in den Klageanträgen Ziffern I. und II. übereinstimmend für erledigt erklärt - begründet. Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der … AG Partei der Vereinbarung 1974 geworden (dazu nachfolgend I.). Diese Vereinbarung, die als Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung und nicht als Lizenzvertrag einzuordnen ist (dazu nachfolgend II.), konnte von der Beklagten weder durch die mit dem als Anlage LSG 37 vorgelegten Schreiben vom 25.05.2021 noch durch die in der Duplik vom 27.04.2022 ausgesprochene Kündigung wirksam beendet werden (dazu nachfolgend III.).

I. Als Rechtsnachfolgerin der … AG ist die Klägerin an deren Stelle als Vertragspartnerin der Beklagten in die Vereinbarung 1974 eingetreten.

1. Ursprüngliche Vertragsparteien der am 05.03./15.03.1974 geschlossenen Vereinbarung sind die Beklagte und die … AG.

2. Mit zwischen der … AG und der … Brauerei AG geschlossenem Einbringungsvertrag vom 09.05.1994, vorgelegt als Anlage LSG 3, wurde der Getränke-Teil der … AG im Wege der Einzelrechtsnachfolge (vgl. dazu B.I.1 des Einbringungsvertrages) in die … Brauerei AG eingebracht. Ziel dieser Transaktion war ausweislich der Präambel des Einbringungsvertrages die Trennung des Betriebsteils „Getränkeherstellung und Vertrieb“ vom nicht notwendigen Grundbesitz und den Beteiligungen ohne überwiegend getränkespezifische Bedeutung, um damit einen höheren Grad der Spezialisierung der jeweiligen Aufgabenbereiche, mehr Ergebnisklarheit und auch Flexibilität vor dem Hintergrund der Konzentrationsbewegungen in der Branche, z.B. durch Knüpfung strategischer Allianzen, zu erreichen (vgl. dazu A. des Einbringungsvertrages). Gegenstand der Einbringung waren gemäß B.I.1 des Einbringungsvertrages alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die in der Einbringungsbilanz zum 01.01.1994 einzeln oder als Sachbegriff verzeichnet sind, abzüglich der Abgänge bzw. zuzüglich der Zugänge, die nach dem Stichtag gemäß Ziffer III. des Einbringungsvertrages erfolgt sind. Die Einbringungsbilanz wurde von der Klägerin im Verfahren nicht vorgelegt. Übertragen wurden ausweislich des Einbringungsvertrages insbesondere die in B.I.2 näher bezeichneten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, darunter gemäß B.I.2.h) „die für den Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ bestehenden Verträge und Vertragsangebote, insbesondere Lieferungs- und Leistungsverträge mit Lieferanten und Abnehmern, vor allem Bier- und Getränkelieferungsverträge, sowie auch Kauf-, Miet-, Pacht-, Leasing-, Beratungs-, Finanzierungs-, Lizenz- und Kooperationsverträge (insbesondere […]), Verträge mit Handelsvertretern, Kommissionären und Vertriebshändlern, Herstellervereinbarungen und alle sonstigen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten“ sowie gemäß B.I.2.j) „alle mit dem Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ zusammenhängenden immateriellen Vermögensgegenstände, insbesondere alle öffentlichen und privaten Rechte und Gestattungen, gewerbliche Schutzrechte (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen etc.) und ähnliche Rechte (einschließlich Know-How sowie ein eventuell vorhandener Geschäftswert), sowie Benutzungsrechte an vorgenannten Rechten Dritter. Die vorgenannten Warenzeichen sind in der Anlage 4 im einzelnen aufgeführt. Die Umschreibungen in den entsprechenden Registern werden bewilligt und beantragt.“ Von der … AG auf die … Brauerei AG übertragen wurden mithin auch die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung 1974 als „Gestattung“ i.S.v. B.I.2.j) bzw. „sonstiges zivilrechtliches Rechtsverhältnis“ i.S.v. B.I.2.h) des Einbringungsvertrages.

In dieser Übertragung nicht nur von Rechten, sondern auch entsprechender Verpflichtungen - nämlich etwa der Verpflichtung, die Verwendung der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Kennzeichnungen durch den Vertragspartner unbeschadet eigener Rechte zu dulden (vgl. dazu etwa BGH GRUR 1981, 591 - Gigi-Modelle) - aus der Vereinbarung 1974 auf die … Brauerei AG liegt eine Schuldübernahme i.S.v. § 415 BGB, deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers, mithin der hiesigen Beklagten, abhängt. Eine solche Genehmigung, die auch als vorherige Zustimmung (Einwilligung) vorab erteilt werden kann (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25 m.w.N.), kann nicht schon in der Rechtsnachfolgeklausel gemäß Ziffer 10 der Vereinbarung 1974 gesehen werden. Sie liegt aber - da die Genehmigung i.S.v. § 415 Abs. 1 BGB auch konkludent erteilt werden kann (vgl. etwa MüKo/Heinemeyer, BGB, 9. Auflage, § 415 Rdnr. 12) - jedenfalls im nachfolgenden jahrelangen schlüssigen Verhalten der Beklagten, mit dem diese unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht mehr die … AG als ihre Vertragspartnerin betreffend die Vereinbarung 1974 ansieht, sondern deren Rechtsnachfolger, etwa die … wie sich beispielsweise dem als Anlage LSG 44 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 16.03.2015 entnehmen lässt, in dem es im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Kündbarkeit der Vereinbarung 1974 ausdrücklich heißt: „[…,] ist die Vereinbarung zwischen unserem und Ihrem Haus über die Lizenzierung von … vom März 1974 außerordentlich kündbar. […].“ oder schließlich die hiesige Klägerin, dergegenüber die Beklagte die als Anlage LSG 37 vorgelegte Kündigung vom 25.05.2021 erklärt hat (vgl. zum Fall der Zustimmung zur Vertragsübernahme auch BGH NJW-RR 2002, 191). Dass der Beklagten dabei der Einbringungsvertrag aus dem Jahre 1994 als solcher nicht bekannt gewesen sein mag, steht einer wirksamen Genehmigung der Schuldübernahme nicht entgegen. Denn die Zustimmung des Gläubigers zur Schuldübernahme muss sich schon nicht auf eine bestimmte Person als Übernehmer beziehen (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25); erst recht aber müssen dem Gläubiger nicht die Einzelheiten der Übertragung auf der Schuldnerseite bekannt sein. Eine Berufung auf die fehlende Mitteilung der Schuldübernahme i.S.v. § 415 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Beklagten in Anbetracht der Gesamtumstände verwehrt, denn sie hat mit ihrem Verhalten über Jahre hinweg den Anschein erweckt, vom Wechsel ihres Vertragspartners bereits umfassend Kenntnis erlangt zu haben (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 40). Im Übrigen erfolgte eine entsprechende Mitteilung auch mit dem als Anlage PBP 02 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 04.07.2017, dem sich entnehmen lässt, dass die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, Rechtsnachfolgerin der … und mithin auch der seinerzeitigen Vertragspartei … AG zu sein. Ebenfalls nicht durchgreifend ist die Argumentation der Beklagtenseite, sie habe eine etwaige Schuldübernahme nicht genehmigen können, weil sie nicht gewusst habe, dass die Klägerin keinerlei Verpflichtungen übernommen habe; dass auf die … Brauerei AG und nachfolgend die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten aus der Vereinbarung 1974 übergegangen sind, wurde bereits oben festgestellt und ist in B.I.2.h) des Einbringungsvertrages ausdrücklich geregelt.

3. Die … Brauerei AG wurde ausweislich der als Anlagen LSG 4 und LSG 5 vorgelegten Handelsregisterauszüge Ende 1998/Anfang 1999 formwechselnd umgewandelt in die … Sodann wurde die persönlich haftende Gesellschafterin dieser … die … ausweislich des als Anlage LSG 6 vorgelegten Handelsregisterauszugs als übertragende Gesellschaft aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 30.05.2017 durch Aufnahme verschmolzen mit der … & Co. KGaA. Mit der Verschmelzung wurde die … & Co. KGaA einziger verbleibender persönlich haftender Gesellschafter der … Gleichzeitig wurde der einzige Kommanditist der … nämlich die … als übertragende Gesellschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 30.05.2017 ebenfalls durch Aufnahme mit der … & Co. KGaA verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzungen hat der einzige verbleibende Gesellschafter der … nämlich die … & Co. KGaA, das Geschäft der … mit allen Aktiven und Passiven im Wege der Anwachsung übernommen. Die … & Co. KGaA wiederum firmierte ausweislich des als Anlage LSG 8 vorgelegten Handelsregisterauszugs im Jahr 2017 um in … Brauerei Gruppe GmbH & Co. KGaA, die hiesige Klägerin. Die Klägerin ist mithin Rechtsnachfolgerin der … (vgl. auch notarielle Bescheinigung, Anlage LSG 7), welche aus der … Brauerei AG nach formwechselnder Umwandlung hervorgegangen ist. Soweit nicht ohnehin nur eine bloße Umfirmierung stattgefunden hat, ist für die weiteren Rechtsübergänge durch formwechselnde Umwandlung und Anwachsung und Verschmelzung eine Zustimmung der Beklagten nach § 415 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, weil es sich insoweit um Gesamtrechtsnachfolgen handelt, auf die die §§ 414 ff. BGB keine Anwendung finden (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 414 Rdnr. 135).

II. Die Vereinbarung 1974 zwischen der … AG und der Beklagten, in die die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG eingetreten ist, stellt weder nach heutiger Rechtslage noch unter Geltung des WZG einen Lizenzvertrag dar, sondern ist als klassische Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung - geschlossen im Vergleichswege - auszulegen.

1. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits besteht Uneinigkeit darüber, ob die Vertragsparteien der Vereinbarung 1974 einen Lizenzvertrag oder eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, was für die Frage einer Kündbarkeit dieser Vereinbarung von Belang ist. Der Wortlaut der Vereinbarung 1974 scheint diesbezüglich widersprüchlich, so dass es einer Auslegung bedarf (vgl. zum Kriterium der Auslegungsbedürftigkeit bzw. -fähigkeit etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 6 und 6a).

2. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 133 BGB gilt seinem Wortlaut nach zwar für die Auslegung der einzelnen Willenserklärung, er ist aber auch auf Verträge anzuwenden. Umgekehrt betrifft § 157 BGB seinem Wortlaut nach nur den bereits zustande gekommenen Vertrag. Auch die einzelnen Willenserklärungen und einseitigen Rechtsgeschäfte sind aber nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Rechtsprechung und Lehre haben aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitgehend allgemein anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt (allg. M., vgl. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 1). So hat die Auslegung trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation zunächst vom Wortlaut auszugehen, und sind nach der Ermittlung des Wortsinns in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie die Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien sowie die Interessenlage in die Auslegung einzubeziehen (vgl. etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 14 ff.). Die Auslegung ist rechtliche Würdigung. Das Gericht hat diese von Amts wegen durchzuführen und ist an Parteivorbringen nicht gebunden (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 29).

3. Nach Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt ist die Vereinbarung 1974 trotz ihres missverständlichen Wortlauts nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung einzustufen.

a) Wie sich aus der von den Parteien vorgelegten umfangreichen Korrespondenz im Vorfeld der Vereinbarung 1974 ergibt, bestand der Sinn und Zweck dieser Vereinbarung in der Beilegung und - endgültigen - Regelung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten über die Berechtigung zur Benutzung des Zeichens „Spezi“ für ein colahaltiges Mischgetränk. Insbesondere bestand schon im damaligen Zeitpunkt einige Unsicherheit darüber, ob die Bezeichnung „Spezi“ für das in Rede stehende alkoholfreie Mischgetränk aus Cola und Limonade überhaupt Schutz als Warenzeichen beanspruchen konnte, wie etwa der als Anlage LSG 20 vorgelegten Zurückweisungsbeschluss des DPA vom 03.06.1973 oder auch die als Anlage LSG 15 vorgelegte Stellungnahme der IHK München vom 07.09.1967 belegt. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten, die auch den im Warenzeichenrecht ausgesprochen versierten anwaltlichen Vertretern der damaligen Vertragsparteien - Rechtsanwalt K. auf Seiten der … AG und Rechtsanwalt Dr. P. auf Seiten der Beklagten - wohl bewusst waren (siehe insoweit - exemplarisch - etwa Schreiben vom 11.09.1972, im Anlagenkonvolut PBP 11 sowie Schreiben vom 23.11.1973, Anlage PBP 16), entschlossen sich die … AG und die Beklagte zum Abschluss der Vereinbarung 1974. Bei Abschluss dieser Vereinbarung waren zugunsten der Beklagten die in der Präambel dieser Vereinbarung aufgelisteten Warenzeichen Nr. 698 130 „Spezi“, Nr. 698 129 „Spezi, die Flasche mit dem Rechten Maß“, Nr. 705 093 „Ein Spezi muß dabei sein“ sowie Nr. 889 780 eingetragen, nicht aber ein reines Wortzeichen „Spezi“ für „alkoholfreie Getränke“.

b) Kernstück der Vereinbarung 1974 ist die in Ziffer 1 enthaltene Gestattung der Beklagten zur warenzeichenmäßigen und schlagwortartigen Benutzung des Wortes „Spezi“ für ein alkoholfreies, kolahaltiges Mixgetränk in einer bestimmten bildhaften Aufmachung durch die … AG. Bei dieser „Gestattung“ handelt es sich nicht um eine Lizenz, sondern um ein pactum de non petendo im Sinne einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung.

aa) Eine Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG beinhaltet die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen an der Marke Berechtigten an den Lizenznehmer. Der Lizenznehmer partizipiert insoweit an den dem Markeninhaber ausschließlich zugewiesenen Nutzungsrechten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7 m.w.N.). Gegenstand einer Lizenz nach § 30 Abs. 1 MarkenG ist das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke begründete Recht. Die Erteilung einer Markenlizenz ist im Falle der Eintragung einer Marke nach § 4 Nr. 1 MarkenG auf die eingetragene Marke beschränkt. Diese umfasst nicht das Recht, Lizenzen an verwechselbaren Zeichen i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu erteilen (vgl. BGH GRUR 2001, 54 - SUBWAY/Subwear, Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7).

bb) Von der Lizenz im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die Vereinbarung zwischen dem Markeninhaber und einem Dritten, dass der Markeninhaber gegen die (oder eine bestimmte) Benutzung der Marke durch den Dritten nicht vorgehen, insoweit also die Rechte aus der Marke nicht geltend machen werde (pactum de non petendo). Diese auch als „Negativlizenz“ bezeichnete Abrede hat mit der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG nichts zu tun. Dies zeigt sich schon daran, dass Gegenstand eines solchen pactum de non petendo - anders als bei der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG - ohne Weiteres auch ein (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliches Zeichen für (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen sein kann. Derartige Abreden kommen vor allem im Rahmen von Abgrenzungsvereinbarungen vor (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 8).

cc) Eine solche Abgrenzung von Lizenzen und Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen findet nicht erst seit Inkrafttreten des MarkenG, mit welchem die Markenlizenz im deutschen Recht erstmals eine - wenn auch lückenhafte - gesetzliche Regelung erfahren hatte (hierzu näher Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 1), statt. Vielmehr gelten diese Grundsätze seit jeher und insbesondere auch schon unter Geltung des WZG, wie beispielsweise eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 22.09.1899 (RGZ 44, 71 - Victoria) belegt, in der bereits das Reichsgericht eine entsprechende Abgrenzung zwischen einem Lizenzvertrag und einem Versprechen der dortigen Beklagten, die ihr aus der Eintragung des Warenzeichens „Victoria“ künftig erwachsenden Rechte gegen den dortigen Kläger nicht geltend machen zu wollen, vorgenommen hat. Auch unter Geltung des WZG war eine Abgrenzung von Lizenzverträgen zu Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mithin danach vorzunehmen, ob ein Nutzungsrecht an einem eigenen Warenzeichen des Lizenzgebers eingeräumt wird, oder ob (lediglich) die Benutzung einer tatsächlich oder vermeintlich verwechselbaren Bezeichnung gestattet wird (in diesem Sinne auch v. Gamm, WZG, § 8 Rdnr. 22, vorgelegt als Anlage LSG 43 sowie Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 10. Auflage, Anh zu § 8 Rdnr. 6, vorgelegt als Anlage PBP 3).

dd) Dies zugrunde legend ist die Vereinbarung 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung zu bewerten. Denn mit dieser Vereinbarung hat die Beklagte der … AG nicht etwa ein Nutzungsrecht an ihren vier eingetragenen Warenzeichen eingeräumt, sondern der … AG die Benutzung eines eigenen, von den Warenzeichen der Beklagten deutlich abweichenden Zeichens in der nachfolgenden Aufmachung
gestattet. Für diesen Befund spricht zudem, dass die Überschrift der Vereinbarung 1974 von „Lizenzvertrag“ (wie noch im als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf vorgesehen) von den auf das Warenzeichenrecht spezialisierten anwaltlichen Vertretern der Vertragsparteien abgeändert wurde in „Vereinbarung“, und dass die Vereinbarung keine Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten vorsieht (so auch Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357 m.w.N.) und darüber hinaus auch - anders als im Entwurf, in dem noch eine Zahlung „zur Abfindung der Lizenzgebühr“ vorgesehen war - von einer Lizenzgebühr abgesehen und stattdessen eine einmalige Abstandszahlung vereinbart wurde. Gegen die Einräumung einer Lizenz spricht zudem, dass die … AG nach der getroffenen Vereinbarung eine starke Stellung behält, die die Beklagte ihren Lizenznehmern - wie die als Anlagen PBP 35 bis PBP 41 vorgelegten Lizenz- und Abfüllverträge beispielsweise hinsichtlich der Vorgaben zum Bezug des bei der Herstellung zu verwendenden Grundstoffes (§ 3) oder zu den zu verwendenden Gebinden und deren Aufmachung (§ 6) sowie zur Unterwerfung unter ständige und regelmäßige Kontrollen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung des Zeichens und der einheitlichen Qualität und Zusammensetzung des Getränkes (§ 3) belegen - üblicherweise nicht zugesteht.

Dass in der Tat in der unterschriebenen Fassung an einigen Stellen der Begriff „Lizenz“ enthalten ist (etwa in Ziffern 2, 4 und 9), steht der Einordnung der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen und mag entweder redaktionellen Ungenauigkeiten oder dem Umstand geschuldet sein, dass Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mit Nichtangriffsabreden mitunter auch als „Negativlizenz“ bezeichnet werden. Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet, vgl. dazu etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 8 mit Verweis auf BGH NJW 1658 Tz. 12; grundlegend RG BeckRS 1920, 100367 - Haakjöringsköd). Und auch der Umstand, dass sich die … AG in Ziffer 2 der Vereinbarung 1974 zur Anbringung eines Lizenzvermerks „Lizenz Spezi Wz 705 093“ verpflichtet hat, vermag an der Rechtsnatur der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nichts zu ändern. Denn nach dem übereinstimmenden Parteivortrag sollte mit der Anbringung dieses Hinweises auf den Etiketten der … AG nach außen hin eine Schwächung der Warenzeichen der Beklagten verhindert werden, ohne dass dies einen tieferen Sinn im Verhältnis der beiden Vertragsparteien gehabt hätte - das nach diesem Vermerk vorgeblich lizenzierte Zeichen „Ein Spezi muS dabei sein sollte von der … AG zu keinem Zeitpunkt benutzt werden.

4. Dass Gegenstand der Vereinbarung 1974 Zeichennutzungen sind, die - je nach vertretener Rechtsauffassung - nach § 23 MarkenG freigestellt sein könnten, steht der Wirksamkeit dieser Vereinbarung darüber hinaus nicht entgegen, weil durch diese gerade etwaige rechtliche Zweifel beseitigt werden sollten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 43 mit Verweis auf BGH GRUR 2012, 910 - Delcantos Hits).

III. Die Vereinbarung 1974 konnte als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung von der Beklagten nicht wirksam gekündigt werden.

1. Vertragliche Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten enthält die Vereinbarung 1974 nicht.

2. Nach überwiegender und auch von der erkennenden Kammer vertretenen Auffassung sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar (arg. ex §§ 314, 544 BGB). Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte kann durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen besteht deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn - wie im Streitfall - mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt war, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt haben (vgl. zu Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen BGH GRUR 2011, 641 Rdnr. 47 - Jette Joop sowie BGH GRUR 2002, 703 - VOSSIUS & PARTNER; BeckOK/Mielke, MarkenG, 30. Edition, Stand: 01.07.2022, § 14 Rdnr. 29; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 55; Fezer, MarkenG, 4. Auflage, § 14 Rdnr. 1101; Harte-Bavendamm/v. Bomhard GRUR 1998, 530; Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357, 1360; offenlassend („jedenfalls aus wichtigem Grund“) Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rdnr. 302 mit Verweis auf § 15 Rdnr. 37; zur Geltungsdauer von Unterlassungsverpflichtungen allgemein BGH NJW 2012, 3162). Die Vereinbarung 1974 konnte daher durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.05.2021 bzw. 27.04.2022 nicht ordentlich gekündigt werden.

Diesem Ergebnis stehen die von der Beklagten zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen, lange vor Einführung des § 314 BGB durch das SchuldRModG ergangenen Entscheidungen BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender und BGH GRUR 1970, 528 - Migrol nicht entgegen:

In der Entscheidung BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender ging es um die Frage der Kündbarkeit eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet auf die Überlassung der drucktechnischen Herstellung eines Kalenders auf unbestimmte Zeit. Eine solche ständige Vertragsbeziehung ist aber schon ihrem Wesen nach nicht mit einer kennzeichenrechtlichen Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung vergleichbar, die gerade die Rechtsbeziehung zweier Parteien in Bezug auf die jeweiligen Zeichennutzungen endgültig regeln und die Schutzbereiche voneinander abgrenzen soll. Zudem knüpfte der BGH im Falle „Postkalender“ die ordentliche Kündbarkeit des dortigen Dauerschuldverhältnisses an die Berücksichtigung aller wesentlichen Begleitumstände unter Abwägung der Interessenlage der Vertragsparteien nach Treu und Glauben und den Verkehrssitten. Im Streitfall aber würde eine ordentliche Kündbarkeit schon an den an einer endgültigen Streitbeilegung ausgerichteten Interessen der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung 1974 scheitern.

Der Entscheidung BGH GRUR 1970, 528 - Migrol hingegen lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem es um die Kündigung einer Vereinbarung ging, durch die einem anderen die Benutzung einer Bezeichnung ohne zeitliche Begrenzung gestattet worden war. In diesem Fall hat der BGH eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit wegen der Besonderheiten des Falles in Erwägung gezogen, denn der dortigen Beklagten wurde die Benutzung einer eng an den bekannten und wertvollen Firmennamen „Migros“ angelehnten Bezeichnung unentgeltlich gestattet; zudem stellte die getroffene Vereinbarung ein noch ergänzungsbedürftiges Provisorium dar. Beides trifft auf die Vereinbarung 1974 indes nicht zu. Weder wurde diese unentgeltlich geschlossen, noch hat diese einen lediglich provisorischen Charakter; im Gegenteil beinhaltet die Vereinbarung 1974 vielmehr eine dauerhafte Konfliktlösung.

3. Auch die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der miet- und pachtrechtlichen Vorschriften der §§ 581 Abs. 2, 544 BGB greift im Streitfall nicht. Die genannten Vorschriften sind auf kennzeichenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht analog anzuwenden. §§ 581 Abs. 2, 544 BGB sollen sicherstellen, dass die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zeitlich begrenzt ist. „Ewige“, vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. „Erbmieten“ oder ähnliche Verhältnisse sollen hierdurch verhindert werden, weil die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums außerhalb des numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte nicht schuldrechtlich gefährdet werden soll. Verpflichtungen für darüberhinausgehende Zeiträume sollen jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Mehle, BGB, Stand: 01.04.2022, § 544 Rdnr. 2 sowie BGH NJW 2012, 3162 Rdnr. 16). Mit der Vereinbarung 1974 werden aber gerade keine Nutzungsrechte an einem etwaigen (Waren-) Zeichen der Beklagten eingeräumt, sondern es wurde - lediglich - ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) in Form einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung getroffen (siehe dazu B.II.3.). Die Interessenlage ist daher nicht im Ansatz vergleichbar, weshalb sich die von der Beklagten in Erwägung gezogene Analogie verbietet.

4. Aus den genannten Gründen scheidet eine außerordentliche Kündigung der Beklagten in analoger Anwendung der §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB ebenfalls aus; die Vereinbarung 1974 hat keine Gebrauchsüberlassung zum Inhalt.

5. Einer wirksamen außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung 1974 nach § 314 Abs. 1 BGB steht jedenfalls entgegen, dass kein wichtiger Grund für eine solche außerordentliche Kündigung der Beklagten gegeben ist. Bei der Definition des wichtigen Grundes i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst an § 626 Abs. 1 BGB angelehnt. Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt danach vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten ist (vgl. BeckOGK/Martens, BGB, Stand: 01.07.2022, § 314 Rdnr. 26). Der Kündigungsgrund muss außerdem aus dem Einflussbereich des Kündigungsgegners kommen und ihm zurechenbar sein (vgl. etwa BeckOK/Wiederhold, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 543 Rdnr. 7). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall: Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.

6. Und schließlich besteht auch keine ordentliche oder außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der Beklagten nach §§ 705, 723 Abs. 1 BGB. Denn die Parteien der Vereinbarung 1974 haben anders als die Parteien in den Entscheidungen RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I und BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis begründet, sondern haben sich im Gegenteil voneinander abgegrenzt. In der Entscheidung BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club haben die Parteien einen unentgeltlichen Lizenz- oder Gestattungsvertrag über die Nutzung der klägerischen Marke geschlossen, was eine Anwendung gesellschaftsvertraglicher Vorschriften rechtfertigt. In der Entscheidung RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I hingegen hat die Rechtsvorgängerin der dortigen Beklagten der dortigen Klägerin die Benutzung deren eigenen Warenzeichens gestattet. In dieser Gestattungsvereinbarung verpflichteten sich die Vertragsparteien gegenseitig, das in Rede stehende Motiv gegen Verletzungen von dritter Seite zu schützen und ggf. Widerspruch gegen Eintragungen Dritter einzulegen sowie sich wechselseitig über Zeichenverletzungen Dritter zu informieren und bei der Rechtsverfolgung zu unterstützen. Diese Verpflichtungen gehen weit über das hinaus, was die Parteien der Vereinbarung 1974 in der dortigen Ziffer 6 - die im Vergleich zum als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf (dort Ziffer 5) nochmals stark abgeschwächt worden war - vereinbart haben. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich daher deutlich von der hier zu entscheidenden Konstellation, in der die Parteien der Vereinbarung 1974 sich gerade dazu entschlossen haben, nach Leistung einer einmaligen Abstandszahlung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin endgültig getrennte Wege zu gehen.

C. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten stehen die gegen die Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin mit der von der Beklagten beanstandeten Zeichennutzung die Widerklagemarken nicht verletzt. Weil die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG (dazu oben B.I) Vertragspartei der Vereinbarung 1974 geworden ist, die durch die Beklagte nicht wirksam gekündigt werden konnte (dazu oben B.III), erfolgt die Zeichennutzung durch die Klägerin, die unbestritten die Vorgaben dieser Vereinbarung einhält, schon nicht „ohne Zustimmung des Markeninhabers“ i.S.v. § 14 Abs. 2 MarkenG, sondern vielmehr mit ausdrücklicher Zustimmung der Beklagten. Auf die weiteren zwischen den Parteien hochstreitigen, diffizilen kennzeichenrechtlichen Fragen einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerklagemarken, eines Verfalls der Widerklagemarken wegen Wandels zur gebräuchlichen Bezeichnung, einer markenmäßigen Benutzung des beanstandeten Zeichens auf den Etiketten der Klägerin und des Bestehens von Doppelidentität oder Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Zeichen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Das LG München hat entschieden, dass Paulaner die Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola verwenden darf. Die Brauereien Riegele und Paulaner hatten in der Vergangenheit eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung geschlossen, an dies sich Riegele nach einer Kündigungserklärung nicht mehr gebunden fühlte. Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen gelten - wie das Gericht ausführt - im Regelfall zeitlich unbegrenzt und können nicht ordentlich gekündigt werden. Für eine außerordentliche Kündigung bestand kein Grund.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Spezi“
Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 11.10.2022 festgestellt, dass die zwischen zwei Brauereien getroffene Vereinbarung zur Berechtigung der Nutzung der Bezeichnung „PAULANER Spezi“ für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola aus dem Jahr 1974 fortbesteht (Az. 33 O 10784/21).

Damit darf die Klägerin die Bezeichnung „PAULANER Spezi“ weiter nutzen.

Die beklagte Brauerei aus Augsburg hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der Klägerin hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und zudem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie begehrte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Feststellungsklage.

Dieser gab das Landgericht München I heute statt.

Die Kammer erkannte die klägerische Brauerei als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete sie die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.

Zur Überzeugung des Gerichts ist die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, so die Kammer, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von „Lizenzvertrag“ in „Vereinbarung“ abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. So sei mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.

Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden, so die Kammer.

Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.

Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, so die Kammer, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe.

Das Gericht führt hierzu in seinem Urteil aus: „Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“

Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


OLG Köln: Zeichenfolgen "INCA" bzw. "incca" - Keine Branchennähe bei bei Verwendung für Software einerseits und toolbasiertes Influencer Marketing andererseits

OLG Köln
Urteil vom 09.09.2022
6 U 18/22


Das OLG Köln hat hinsichtlich der Zeichenfolgen "INCA" bzw. "incca" entschieden, dass keine Branchennähe bei Verwendung für Software einerseits und toolbasiertes Influencer Marketing andererseits besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
c. Ein Unterlassungsanspruch scheitert aber auch hier an der für eine Verwechslungsgefahr erforderlichen Branchennähe. Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die Parteien sind. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein.

In die Beurteilung einzubeziehen sind naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche der Parteien. Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 20.01.2011 – I ZR 10/09 – juris Rn. 23 mwN - BCC). Für die Bestimmung des Tätigkeitsbereichs kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Inanspruchgenommene eine bestimmte Software benutzt, wenn die Dienstleistungen, die er für seine Kunden erbringt und nicht die Mittel (die eingesetzte Software) im Vordergrund stehen, deren sie sich bedient (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2011 – I ZR 10/09 – juris Rn. 26 - BCC).

aa. Im vorliegenden Fall wird von der Beklagten die Software als Mittel zur Durchführung ihrer Marketingleistungen eingesetzt, auch wenn das Tool eine neue und wichtige Komponente ihrer unter „INCA“ angepriesenen Leistung darstellt. Sie vertreibt aber keine Softwareprodukte, sondern bietet letztlich nur ihre Influencer-Marketing-Strategie darunter an (s.o.).

bb. Es mag unterstellt werden, dass die Klägerin auch eine solche Software auf Anfrage und Kundenvorgaben programmieren könnte, was aber nach wie vor in die Branche der Softwareentwicklung und des -vertriebs fiele. In der Vermarktungsbranche ist sie bisher nicht tätig. Sie unterstützt mit ihrer Softwareprogrammierung möglicherweise auch eigene Marketingstrategien ihrer Kunden, wie etwa durch Erstellen von Newslettern und Ansichten von Webseiten. Sie bietet aber keine Werbestrategien und –beratungen an. In der Klageschrift heißt es u.a.: „Die Klägerin ist ein 1998 gegründetes Softwareunternehmen, dessen Gegenstand die Entwicklung und der Vertrieb von Standard- und Individualsoftware ist.“

cc. Dagegen gab die Beklagte ausweislich einer Pressemitteilung vom 3. Dezember 2020 bekannt, eine neue Influencer Marketing-Lösung unter der Bezeichnung „INCA“ zu starten, die Werbekunden als Ergänzung zu maßgeschneiderten Influencer Content Produktionen erstmals tool-basiertes markensicheres Influencer Marketing ermögliche. Das von der Beklagten angebotene Performance-Tool steht gerade nicht für sich allein und steht auch nicht zum Verkauf. Kunden können das Tool nicht erwerben. Sie wenden sich vielmehr an die Beklagte, die dann – statt manuell – mit diesem Tool klassische Leistungen einer Influencer-Marketing-Kampagnen-Begleitung erbringt (s.o.)

dd. Das Angebot von Softwareprodukten für Online-Shops und Webauftritten und das Angebot der Steuerung
von Influencer-Marketing- Kampagnen weisen keine Berührungspunkte auf, die eine Branchennähe vermuten
ließen. Zwar mögen Unternehmen, die Softwareprodukte erwerben, sich auch für Influencer-Marketing interessieren. Diese Nähe besteht aber in einer Vielzahl von Bereichen, weil von Unternehmen unterschiedlichster
Branchen Software benötigt wird. Über diese Gemeinsamkeit hinaus weisen die beiden Branchen keine besondere Nähe oder Überlappung hinsichtlich Verwendbarkeit oder Vertriebsweg auf.

d. Allein die theoretische Gefahr, dass Kunden, die die Klägerin aus dem Bereich der Softwareprogrammierung und -implementierung kennen, möglicherweise bei der Begegnung mit dem Angebot der Beklagten im Bereich des Marketings annehmen könnten, die zur Erfüllung der Marketing-Leistung genutzte Software stamme von der Klägerin, genügt nicht, um einen Unterlassungsanspruch nach § 14 oder § 15 MarkenG zu begründen, weil als Tatbestandsvoraussetzung das Verbietungsrecht des Markeninhabers an die Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen bzw. der Branchennähe der Parteien anknüpft, die hier nicht gegeben ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung - kein Herkunftshinweis auf Markeninhaber

OLG Frankfurt
Urteil vom 02.06.2022
6 U 40/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung darstellt, da dieser nicht als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber verstanden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Blessed" Schriftzug auf Hoodie
Schriftzug „BLESSED“ auf Vorderseite eines Hoodies wird vom Verkehr als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis verstanden.

Lesedauer:3 Minuten
Wörter auf Vorder- oder Rückseite eines Kleidungsstückes werden vom Verkehr nicht grundsätzlich als Herkunftshinweis verstanden. Insbesondere Wörter der deutschen Sprache, einer geläufigen Fremdsprache oder sog. Fun-Sprüche können auch lediglich als dekorative Elemente aufgefasst werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde gegen die Versagung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Verwendung des Wortes „BLESSED“ auf der Vorderseite eines Hoodies zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch. Der Kläger ist Gastronom in Frankfurt am Main und Inhaber der Wort-Bildmarke #Blessed, die als weißer Schriftzug auf weißem Grund u.a. für Bekleidungsstücke eingetragen ist.

Die Beklagte ist eine weltweit tätige Sportartikelherstellerin. Sie arbeitet mit so genannten Markenbotschaftern zusammen. Dazu gehört ein brasilianischer Fußballer, der in seinem Nacken ein Tattoo mit dem Schriftzug „Blessed“ trägt. In diesem Zusammenhang brachte die Beklagte eine viel beachtete Lifestyle-Kollektion auf den Markt. Auf der Vorderseite des zu dieser Kollektion zählenden Hoodies steht in großer gelb-schwarzer Schrift „BLESSED“; das Kleidungsstück weist zudem auf Marken der Beklagten hin.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Eilverfahren aus Markenrecht auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hatte einen Unterlassungsanspruch abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Benutzung des Wortes „BLESSED“ beeinträchtige nicht die Markenrechte des Klägers. Der Schriftzug sei hier nicht markenmäßig, sondern dekorativ zu rein beschreibenden Zwecken benutzt worden. Der Hoody sei Teil einer Sportkollektion der Beklagten, die diese im Zusammenhang mit der Verpflichtung des brasilianischen Fußballers herausgebraucht habe. Das englische Wort bedeute „gesegnet“. Der eigene Markenname der Beklagten sei zudem an mehreren Stellen des Kleidungsstücks erkennbar. Schließlich wisse der Verbraucher, dass auf der Vorderseite von Kleidungsstücken Sprüche oder bekenntnishafte Aussagen aufgedruckt würden.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.06.2022, Az. 6 U 40/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2022, Az. 3/6 O 47/21)




EuGH: Unionsmarke "BALLON D'OR" für Unterhaltungsdienstleistungen nicht wegen fehlender Nutzung verfallen und damit nicht zu löschen

EuGH
Urteil vom 06.07.2022
T-478/21
Les Éditions P. Amaury / EUIPO - Golden Balls (BALLON D’OR)


Der EuGH hat entschieden, dass die Unionsmarke "BALLON D'OR" für Unterhaltungsdienstleistungen nicht wegen fehlender Nutzung verfallen und damit auch nicht zu löschen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Das Gericht hebt die Entscheidung des EUIPO auf, mit der die Unionsmarke BALLON D'OR für Unterhaltungsdienstleistungen für verfallen erklärt wurde

Es bestätigt hingegen den Verfall dieser Marke für Dienstleistungen, die in der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Magazinen, Zeitschriften oder Zeitungen bestehen
Die französische Gesellschaft Les Éditions P. Amaury, Inhaberin der Rechte am Ballon d'or (einer Auszeichnung für den besten Fußballspieler des Jahres), ließ beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen BALLON D'OR als Unionsmarke eintragen. Diese Eintragung bezog sich u. a. auf Druckereierzeugnisse, Bücher und Zeitschriften sowie auf Dienstleistungen, die in der Veranstaltung von Sportwettkämpfen und Trophäenübergaben, der Unterhaltung, der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften, Magazinen oder Zeitungen bestehen.

Im Jahr 2017 beantragte das britische Unternehmen Golden Balls beim EUIPO gemäß der Verordnung über die Unionsmarke die Erklärung des Verfalls der Marke BALLON D'OR wegen Nichtbenutzung.

Im Jahr 2021 erklärte das EUIPO die Marke für alle von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Druckereierzeugnissen, Büchern und Zeitschriften sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Sportwettkämpfen und Trophäenübergaben für verfallen.

Die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury klagte daraufhin vor dem Gericht der Europäischen Union gegen die Entscheidung des EUIPO, soweit sie die Erklärung des Verfalls der streitigen Marke für Dienstleistungen betraf, die insbesondere in der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Unterhaltung, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften, Magazinen oder Zeitungen bestehen.

Mit seinem heutigen Urteil erinnert das Gericht daran, dass die Rechte des Inhabers einer Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für verfallen zu erklären sind, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union nicht ernsthaft benutzt worden ist.

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht zum einen fest, dass die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen zu den Telekommunikationsdienstleistungen gehört, die alle es zumindest einer Person ermöglichen müssen, mit einer anderen durch ein sinnesmäßig wahrnehmbares Mittel zu kommunizieren. Die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury hat aber nicht nachgewiesen, dass sie ein Telekommunikationsnetz unterhält, das von Dritten genutzt werden kann.

Zum anderen stellt das Gericht fest, dass diese Gesellschaft keine Dienstleistungen im Bereich der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows und Filmen oder der Veröffentlichung von Büchern, Magazinen, Zeitschriften und Zeitungen unter der angegriffenen Marke für Dritte erbracht hat.

Sie hat somit keine ernsthafte Benutzung der fraglichen Marke für die oben genannten Dienstleistungen nachgewiesen, so dass das Gericht die Entscheidung des EUIPO, die Marke für diese Dienstleistungen für verfallen zu erklären, bestätigt.

Dagegen ist, wie das Gericht ausführt, die Veranstaltung der mit dem Ballon d'or verbundenen
Preisverleihungszeremonie unter der angegriffenen Marke als Erbringung einer Unterhaltungsdienstleistung einzustufen, so dass das EUIPO mit der Feststellung, dass die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury im Zusammenhang mit der Benutzung dieser Marke keine solche Dienstleistung erbracht habe, einen Rechtsfehler begangen hat. Daher hebt das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf, soweit darin die fragliche Marke für Unterhaltungsdienstleistungen für verfallen erklärt worden ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Verletzung der bekannten Marke "The North Face" durch Verwendung der Zeichenfolge "The Dog Face" für Tierbekleidung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 28.6.2022
6 W 32/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass durch Verwendung der Zeichenfolge "The Dog Face" für Tierbekleidung die bekannte Marke "The North Face" verletzt wird, da der Verkehr eine gedankliche Verknüpfung zwischen beiden Zeichenfolgen herstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Markenverletzung durch Angebot von „The-Dog-Face“-Tierkleidung

Zwischen den Zeichen „The North Face“ und „The Dog Face“ besteht keine Verwechslungsgefahr. Da die Marke „The North Face“ jedoch in erheblichem Maß bekannt ist, wird der Verkehr trotz der erkennbar unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung der Antragsgegnerin die Verwendung des Zeichens „The Dog Face“ im Zusammenhang mit Tierbekleidung untersagt.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Marke „The North Face“, die u.a. für Bekleidung eingetragen ist. Die Antragsgegnerin vertreibt online Bekleidung für Tiere und kennzeichnet diese mi". Im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin hatte das Landgericht abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG nun Erfolg. Die Antragstellerin könne von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie ihre Tierbekleidungsprodukte nicht mit „The Dog Face“ kennzeichnet, stellte das OLG fest. Die Marke „The North Face“ sei eine bekannte Marke. Sie sei einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt.

Die Antragsgegnerin benutze diese Marke in rechtsverletzender Weise, da die Verkehrskreise das Zeichen „The Dog Face“ gedanklich mit „The North Face“ verknüpften. Nicht erforderlich sei dabei, dass zwischen den Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe. An dieser würde es hier fehlen. Es liege aber Zeichenähnlichkeit vor. Die Wortfolge „The Dog Face“ lehne sich erkennbar an die Marke „The North Face“ an. Da die Marke der Antragstellerin in erheblichem Maß bekannt sei und durch intensive Benutzung ein hohes Maß an Unterscheidungskraft besitze, verknüpfe der Verkehr trotz der unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ das Zeichen der Antragsgegnerin mit der Marke der Antragstellerin. Dies gelte auch, da eine gewisse Warenähnlichkeit zwischen Outdoor-Bekleidung und Tierbekleidung bestehe. Insoweit genüge es, „dass das Publikum glauben könnte, die betreffenden Waren stammten aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen“. Es liege die Vermutung nahe, dass angesprochenen Verkehrskreise annehmen, die Antragstellerin habe ihr Bekleidungssortiment auf Hundebekleidung erweitert, etwa um es „dem sporttreibenden Hundebesitzer zu ermöglichen, seinen Outdoor-Sport im Partnerlook mit dem Tier zu betreiben“.

Die Zeichenverwendung beeinträchtige auch die Marke der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin lehne sich mit dem Zeichen an die bekannte Marke der Antragstellerin an, um deren Wertschätzung für ihren Absatz auszunutzen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.6.2022, Az. 6 W 32/22
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.3.2022, Az. 3/8 O 12/22)