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LG München: Weitergabe von Positivdaten an SCHUFA durch Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 verstößt gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO und ist rechtswidrig

LG München
Urteil vom 25.04.2023
33 O 5976/22


Das LG München hat entschieden, dass die Weitergabe von Positivdaten an die SCHUFA durch den Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO verstößt und somit rechtswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die streitgegenständliche Datenübertragung personenbezogener Daten (vgl. Anlage K 3) stellt eine Zuwiderhandlung gegen Art. 5, 6 DSGVO dar. Gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 DSGVO normierten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Übermittlung der sog. Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien, wie im Streitfall an die SCHUFA (vgl. Anlage K3), erfolgt ohne Rechtsgrundlage.

a. Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden. Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien.

Soweit ein solcher Vertragsschluss unter Weitergabe von Positivdaten schlicht weniger risikobehaftet ist, begründet dies nicht die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung im Rechtssinne.

b. Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.

aa. Die Kammer legt bei ihrer gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO zu treffenden Abwägung zugrunde, dass verschiedene Interessen grundsätzlich auch für die Übermittlung von sog. Positivdaten sprechen.

Allen voran ist insoweit die auch aus Sicht der Beklagten als Verantwortliche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO hervorgehobene Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich zu nennen, welche u. a. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten bzw. die Verhinderung eines Identitätsdiebstahls durch den Abgleich mit Positivdaten erreicht werden soll.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten und einer frühzeitigen Kundenbindung sowie einer höheren Abschlussquote (wegen gesteigerter Annahmequoten) dient.

Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden.

Gleiches gilt für das wirtschaftliche Interesse von Dritten, hier der Auskunftei, deren Geschäftsmodell auf der Einmeldung von Daten im Gegenseitigkeitsprinzip basiert, an der Funktionsfähigkeit von Auskunfteien und der Genauigkeit von Scores.

Auch die von der Beklagten für die Betroffenen angeführten Interessen, etwa günstigere Vertragskonditionen durch eine Verbesserung des Scorewerts der Betroffenen, der Möglichkeit der besseren Gewichtung von Negativeinträgen, einem Schutz vor Überschuldung und einer (erweiterten) Möglichkeit zum Abschluss von Erstverträgen, können für die vorzunehmende Abwägung als gegeben unterstellt werden.

bb. Inwieweit die Meldung von Positivdaten als Mittel zur Wahrung der genannten Interessen tatsächlich geeignet ist, kann im Streitfall dahinstehen, denn zur Wahrung dieser Interessen wählt die Beklagte mit der Übermittlung der Positivdaten jedenfalls nicht das erforderliche und verhältnismäßige Mittel aus, sondern die aus ihrer Sicht effektivste Methode. Dies ist unzulässig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext liegt vor - LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit

LG München
Urteil vom 13.02.2013
4 HKO 14545/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit mangels objektiver Kriterien über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der zulässigen Klage war in vollem Umfang stattzugeben, da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 i.V.m. 5 Abs. 1 Satz 1 UWG zusteht.
Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als … Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet (vgl. etwa die Warbung gemäß Anlage K 9, Seite 1 der Anlage K 1 und die Rückseiten der Anlagen K 1 und K 2). Dies wird letztendlich auch von der Beklagten so gesehen, die auf die als Anlage B 9 vorgelegte Pressemitteilung der Stiftung Warentest verweist. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen (vgl. GRUR 2016, 1398 bis 1400 – LGA tested).

Tatsächlich ist es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lässt.

Vielmehr sind von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt werden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhen, wie z.B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Dass Anwaltsranglisten (und gleiches muss für Ärztelisten geltend) schwerpunktmäßig Werturteile und gerade keine Tatsachenbehauptungen enthalten, war sogar der maßgebliche Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht in der Juve-Handbuch-Entscheidung das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass die entsprechenden Anwaltslisten als wettbewerbswidrig eingestuft hatte, aufgehoben hat (vgl. den ersten Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts GRUR 2006, 1319)

Durch die gegen ein nicht unerhebliches Entgelt gewährte Lizenzierung von Gütesiegeln, die den Anschein eines objektiven Prüfzeichens erwecken, wird jedoch gerade der Bereich der von der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gedeckten redaktionellen, bewertenden Beurteilung verlassen und der irreführende Eindruck erweckt, es gebe tatsächliche, objektiv nachprüfbare Kriterien, die zur Verleihung des Gütesiegels geführt haben.

Die von der Beklagten vergebenen Siegel erwecken gerade nicht den Eindruck, dass diesem eine mathematisch nicht nachvollziehbare Wertungsentscheidung zugrunde liegt. Das vermeintlich durch das Siegel objektivierte Qualitätsurteil ist in Wahrheit ein rein subjektives, das von vielen durch Ärzte und ihre Leistungen nicht beeinflussbare Faktoren abhängt. Dies gilt sowohl für das Siegel mit der Bezeichnung „TOP-Mediziner“ als auch für das regionale Siegel, das mit … Empfehlung“ galabelt ist. Auch dieses etwas weicher formulierte Siegel hat die optische Aufmachung eines Prüfzeichens und wird daher jedenfalls bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Erwartung wecken, die Prüfung sei anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien durchgeführt worden.

2. Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall nicht daraus, dass irgendjemand in sittenwidriger Weise zum Erwerb dieses Prüfsiegels verleitet wurde, sondern daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt von der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.

3. Auch die von der Beklagten erhobene Einrede de: Verjährung greift nicht durch. Nach unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin enthält die Anlage K 10,nämlich die „Ärzteliste 2021“ weiterhin Werbeanzeigen von vermeintlichen „TOP-Medizinern“, die sowohl mit Siegeln betreffend das Jahr 2021 als auch das Jahr 2020 werben. Die von der Beklagten unter Wiedergabe des Siegels aus 2020 abgedruckten Anzeigen befinden sich auf Seiten 181, 218 und 219 des Hefts. Es liegt daher eine nicht abgeschlossene Dauerhandlung vor, bei der ein die Verjährung noch nicht begonnen hat.

4. Dass die im Klageantrag und Tenor abgebildeten Siegeln von der Beklagten jeweils mit dam entsprechenden Fachgebiet bzw. dem Landkreis zur Verfügung gestellt wurden und nicht in der verallgemeinernden Form des Klageantrags, ändert nichts an der hinreichenden Bestimmtheit und Begründetheit des Unterlassungsantrags. Die Verallgemeinerung umfasst sämtliche Fachrichtungen und sämtliche Landkreise. Die Hinzufügung dieser Kriterien in den Siegeln, die die Beklagte den Ärzten zur Verfügung stellt, ändert nichts an ihrem irreführenden Charakter.

5. Dem Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO konnte nicht stattgegeben werden, da nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass der Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils ein unersetzbarer Nachteil entstehen würde. Die Beklagte hat keinerlei konkrete Zahlen vorgelegt, aus denen die Kammer schließen könnte, dass es ihr als Verlag ohne die Lizenzeinnahmen aus den irreführenden Siegeln nicht möglich wäre, die Ärztelisten weiter herauszugeben. Dies erscheint schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Beklagte bis vor zehn Jahren genau dies getan hat, nämlich ihre Ärztelisten ohne die Einnahmen aus den Siegeln zu finanzieren. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Gläubigerin vor Irreführung der Allgemeinheit (vgl. BGH WM 18, 2048). Eine Existenzgefährdung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten als Verlag ist weder ersichtlich noch wurde sie vorgetragen.

Die Fälle, in denen Feststellungen nach § 712 Abs. 1 ZPO zu einem für den Schuldner unersetzlichen Nachteil getroffen werden können, sind seiten. Es genügt nicht die bloße Wahrscheinlichkeit eines Nachteils; vielmehr muss das Gericht von dessen Eintritt überzeugt sein (vgl. Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., Rdn. 1 zu § 712 ZPO m.w.N.)

Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 ZPO. Dabei wurde die Sicherheitsleistung mit dem Doppelten des von der Klägerin angegebenen und von der Beklagten auch nicht in Frage gestellten Streitwerts, der ebenfalls entsprechend erhöht wurde, angegeben. Da die Beklagte auch keine konkreten Zahlen angegeben hat, aus denen sich schließen lassen könnte, welche Einnahmen ihr in Zukunft durch die Vergabe der Siegel entgehen, konnte die Sicherheitsleistung auch nicht höher angesetzt werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Zum Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und zur Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie

LG München
Urteil vom 25.02.2021
7 O 8011/20


Das LG München hat sich in dieser Entscheidung mit dem Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und der Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie befasst und im Ergebnis in diesem Fall einen Vertragsschluss verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht München I ist zuständig.
a) Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO.

aa) Die Parteien streiten über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Lizenzvertrags. Die charakteristische Leistung des geltend gemachten Vertrags liegt in der Gewährung eines Nutzungsrechts durch die Klägerin. Dies ergibt sich zum einen vor dem Hintergrund des in Schweden geführten Verfahrens. Wenn die Parteien - wie von der Klägerin geltend gemacht - ein Nutzungsrecht der Beklagten vereinbart hätten, wäre die Klage in Schweden wegen des dann bestehenden Einwands unbegründet. Zum anderen begehrt die Klägerin allein die Feststellung, ob ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der Patentfamilie besteht. Auf die Gegenleistung (Zahlung) als nur mittelbare Folge eines geschlossenen Vertrags kommt es nach dem Antrag nicht maßgeblich an.

Bei einer Feststellungsklage, die den Vertrag insgesamt betrifft, ist auf den Erfüllungsort des Anspruchs abzustellen, auf den es dem Kläger hauptsächlich ankommt (Gottwald in: MüKo ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 7, Rn. 34). Die vertragscharakteristische Leistung ist bei Verträgen i. S. des Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO nicht maßgeblich (EuGH NJW 1977, 490).

bb) Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, findet hier deutsches Recht Anwendung.

Leistungsort für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, die in der Einräumung des Nutzungsrechts liegen würde, ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Sitz der Klägerin als Schuldnerin der maßgeblichen vertraglichen Leistung. Nach Art. 3 Nr. 1 b) EGBGB i.V. mit Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 1 Rom-I VO bestimmt sich der Erfüllungsort hier nach deutschem Recht. Da die Beklagte ihren Sitz in Schweden hat, ist Auslandsbezug gegeben. Die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes richtet sich nach dem lex causae. Die Rom-I VO bestimmt das anwendbare Recht, weil es um das Bestehen eines Vertrages geht. Nach Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 2 Rom-I VO ist das Recht des Staats anwendbar, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei juristischen Personen ist dies nach Art. 19 Abs. 1 Rom-I VO der Ort ihrer Hauptverwaltung.

b) Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich nicht aus Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, weil sich die Beklagte nicht rügelos auf den Gerichtsstand eingelassen hat.

Im Schriftsatz vom 19. August 2020 ist der Terminverlegungsantrag lediglich als Handlung zu werten, die eine Verteidigung gegen die Klage vorbereitet und ihr vorgelagert ist. Da er nicht auf Klageabweisung zielt, ist er keine Einlassung im Sinne von Art. 26 EuGVVO. Die Beklagte rügte zudem die internationale Zuständigkeit mit Schriftsatz vom 18. September 2020, bevor sie zur Sache ausführte, was ebenfalls keine rügelose Einlassung ist.

c) Das Landgericht München I ist überdies örtlich und sachlich zuständig, was zwischen den Parteien zu Recht nicht umstritten ist.

2. Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend bestimmt.

a) Ein Antrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., 2018, § 253 Rn. 193).

Bei Feststellungsanträgen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, muss zur Individualisierung des Anspruchs der Anspruchsgrund bereits im Antrag so konkret benannt werden, dass der Umfang der Rechtshängigkeit und der Umfang der Rechtskraft feststehen (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 253 Rn. 255).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Sachantrag der Klägerin hinreichend bestimmt, weil der Rahmen der hier begehrten gerichtlichen Entscheidung abgesteckt ist und der Umfang der begehrten Rechtskraft deutlich wird. Der Klägerin geht es in der Sache darum, feststellen zu lassen, ob der Beklagten aufgrund des behaupteten Vertrags der Parteien von 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des europäischen Patents 512 eingeräumt den ist bzw. noch einzuräumen ist.

3. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage sind erfüllt.

a) Es liegt ein gemäß § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor.

aa) Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete derzeitige (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2021, VI ZR 194/18) rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu Sachen (BGH NJW 2015, 873 Rn. 22; 2009, 751 Rn. 10).

bb) Nach diesem Maßstab betrifft das konkret begehrte zeitlich unbegrenzte Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der besagten Streitpatentfamilie ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis und nicht lediglich eine Klärung von Elementen oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Denn es geht um die Frage, ob der Beklagten aufgrund des geltend gemachten Vertrags mit der Klägerin vom 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des Streitpatents zusteht, was eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen den Parteien mit der Rechtsfolge betrifft, dass die Beklagte die geschützte Lehre der Patente nutzen darf.

b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse.

aa) Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung ist die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses. Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet oder, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Könnte der Kläger sofort auf Leistung klagen, fehlt ihm wegen des Vorrangs der Leistungsklage in der Regel das Feststellungsinteresse (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 256 Rn. 3).

bb) Es besteht Unsicherheit, ob die Klägerin mit der Beklagten den behaupteten Vertrag geschlossen hat. Jedenfalls ist das erstrebte Feststellungsurteil geeignet, diese zu beseitigen. Die begehrte Feststellung besitzt Relevanz für die Verletzungsklage in Schweden. Die Klärung, ob ein Nutzungsrecht besteht, kann einfacher im vorliegenden Verfahren erreicht werden, weil hierauf deutsches Recht Anwendung findet.

Da es der Klägerin um das Bestehen des Nutzungsrechts geht, ist eine auf Zahlung der Lizenzgebühr gerichtete Leistungsklage nicht vorrangig. Diese entspricht angesichts des schwedischen Verfahrens nicht dem Begehren der Klägerin und bildet nicht dasselbe Klagebegehren ab, weil es bei ihr neben dem Prüfungspunkt, ob der (vertragliche) Anspruch überhaupt entstanden ist, weiterhin darauf ankommen kann, ob der Zahlungsanspruch untergegangen bzw. erloschen ist und ob er durchsetzbar ist.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Auf die Frage des Zustandekommens des Vertrages ist gemäß Art.10 Abs. 1 Rom-I VO i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Rom-I VO deutsches Recht anwendbar.

2. Entgegen der Annahme der Klägerin haben die Parteien am 16. April 2020 den geltend gemachten Vertrag nicht geschlossen. Die E-Mail der Beklagten vom 9. April 2020 enthält - anders als die Klägerin meint - keinen Antrag.

a) Jeder Vertrag betrifft mindestens zwei Personen, die nach dem Grundsatz der Privatautonomie durch Willenserklärungen an seinem Abschluss teilnehmen. Das Zustandekommen eines Vertrags erfordert Konsens: zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen. Dabei wird die zeitlich erste Erklärung im Gesetz „Antrag“ (in der Praxis oft auch „Angebot“) genannt. Die sich hierauf beziehende spätere Erklärung des anderen Teils wird als „Annahme“ bezeichnet, §§ 145 ff. BGB. Die Annahme ist mit dem Antrag zu vergleichen, weil sie nach § 150 Abs. 2 BGB den Vertrag nur zustande bringt, wenn sie gegenüber dem Antrag keine Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält. Nur dann besteht Konsens.

Ein Antrag liegt erst dann vor, wenn allein schon durch seine Annahme der Vertrag zustande kommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Antrag zunächst von der bloßen Aufforderung zu unterscheiden, Anträge zu machen (sog. invitatio ad offerendum). Eine solche Aufforderung bindet denjenigen, der sie gemacht hat, noch nicht. Er kann den ihm daraufhin zugegangenen Antrag noch frei ablehnen. Aus diesem Unterschied ergibt sich zugleich das Kriterium, nach dem durch Auslegung zu entscheiden ist, ob eine Erklärung (bereits) ein Antrag ist oder lediglich einen vorbereitenden Charakter besitzt. Bloß vorbereitend ist eine Erklärung in aller Regel dann, wenn sie noch nicht sämtliche für den Vertrag notwendigen Angaben enthält (vgl. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Auflage, 2002, § 26). Aber auch vollständige Erklärungen bedeuten nicht notwendig einen Antrag. Das kann der Fall sein, wenn sich der Erklärende regelmäßig noch eine Ablehnung vorbehalten will, so dass seine Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich als Aufforderung zu Anträgen zu verstehen ist (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Ihr Inhalt ist nach der beim Zugang gegebenen Verständnismöglichkeit des Empfängers (dem Empfängerhorizont) zu bestimmen. Dabei muss der Empfänger zu erkennen versuchen, was der Erklärende gemeint hat (Auslegungssorgfalt). Die Person des Erklärenden ist mit zu berücksichtigen. Ermittelt werden muss, was der Empfänger von Rechts wegen als wirklichen Willen verstehen konnte und durfte (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Über welche Punkte sich die Parteien einigen müssen, ergibt sich aus der Art des Vertrags und dem Parteiwillen. Die Art hat insofern Bedeutung, als sich die gesetzliche Regelung für die einzelnen Vertragstypen unterscheidet. An der Stelle, an der das Gesetz detaillierte Vorgaben zu den jeweiligen Rechten und Pflichten macht, brauchen die Parteien keine Regelung zu treffen. Enthält das Gesetz indes keine allgemeine Regelung für einzelne Punkte, müssen die Parteien über diese eine individuelle Einigung erzielen. Das sind die sog. essentialia negotii. Dies betrifft insbesondere den Vertragsgegenstand, den Preis, die Art der jeweiligen Verfügung sowie stets eine individuelle Einigung darüber, welche Personen Vertragspartei werden und welche Rolle sie übernehmen sollen (vgl. Medicus, aaO, § 29).

Nach § 145 BGB ist der Antragende regelmäßig eine gewisse Zeit an seinen Antrag gebunden. Es ist aber auch möglich, die Gebundenheit an den Antrag auszuschließen. Die hierfür in Betracht kommenden Zusätze, die eine Unverbindlichkeit erzeugen sollen, können zum einen dazu führen, dass noch kein Antrag vorliegt, sondern nur eine Aufforderung zu Anträgen. Zum anderen können sie einen Widerrufsvorbehalt bedeuten, so dass der Antrag (entgegen § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (in der Regel unverzüglich nach Zugang der Annahmeerklärung) noch widerrufen werden kann. Entgegen der in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung führt eine Änderung der Umstände nicht dazu, dass sich der Antragsempfänger nicht auf die Vertragsannahme berufen kann, wenn ihm evident ist, dass sich die Umstände wesentlich zu Lasten des Antragenden geändert haben. In solchen Fällen greift die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB (vgl. Medicus, aaO, § 26).

b) Die Kammer kann das im Antrag wiedergegebene Rechtsverhältnis nicht feststellen, weil der behauptete Vertrag zwischen den Parteien entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen wurde. Es fehlt an den korrespondierenden Willenserklärungen: Antrag und Annahme.

aa) Die Erklärung der Beklagten in der E-Mail vom 9. April 2020 (Anlage K1) ist entgegen der Klägerin kein (verbindlicher) Antrag auf Abschluss eines Vertrags auf Einräumung eines einfachen, zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts zugunsten der Beklagten an sämtlichen Familienmitgliedern des Streitpatents zu einem Preis von 3 Mio. €. Diese Erklärung besitzt nach objektivem Empfängerhorizont lediglich vorbereitenden Charakter für einen in seinen Details konkret auszuhandelnden und später schriftlich abzuschließenden Lizenzvertrag. Sie ist insofern lediglich eine invitatio ad offerendum und hat den Inhalt, dass die Beklagte bereit wäre, im Rahmen eines noch auszuhandelnden Vertrags einen Betrag von 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen. Sie enthält insbesondere nicht sämtliche für einen Lizenzvertrag notwendige Angaben. Es fehlen die essentialia negotii.

(A) Aus der Erklärung ergibt sich nicht hinreichend, wer auf Seite der Beklagten Vertragspartner wird und/oder wer durch die Lizenz berechtigt wird. Dass dies auf die Beklagte zutrifft, erscheint aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zwar gegeben. Dies genügt aber nicht. Denn die Beklagte hatte stets einen umfassenden, weltweiten Vergleich angestrebt, was die Klägerin auch weiß, und im Hinblick auf die begünstigten Personen keine Insellösung für das erst Anfang 2020 begonnene schwedische Verfahren im Blick gehabt (vgl. Anlage B4). Nicht angesprochen und unklar bleibt bei dieser Erklärung, ob für die Zahlung von 3 Mio. € das Nutzungsrecht auch die Konzerngesellschaften der Beklagten erfasst. In diesem Sinn fehlt es gleichfalls an einer, ggf. ergänzenden Regelung, ob die Beklagte an diese Gesellschaften Unterlizenzen vergeben darf.

Dass das Thema der Vertragsparteien bzw. Begünstigten für die Beklagte von nicht zu überschätzender Bedeutung ist, ergibt sich aus der objektiven Auslegung der Erklärung der Beklagten. Für die Klägerin musste es evident sein, dass ohne Klarstellung der begünstigten Personen die von beiden Seiten bezweckte, endgültige Befriedung hinsichtlich der Auseinandersetzungen um das Streitpatent nicht eintreten und ein „sich vertragen“ (daher kommt das Wort „Vertrag“) nicht erreicht werden kann. Denn die Klägerin weiß aufgrund der langen Historie der Auseinandersetzungen um das Streitpatent und seiner Familienmitglieder, dass die Beklagte bis auf das Verfahren in Schweden in keinem Konflikt als Partei beteiligt ist, sondern insofern stets eine ihrer Konzerngesellschaften betroffen ist. Dieses Wissen musste die Klägerin bei der geltenden Auslegungssorgfalt mit in Betracht ziehen. Die nachfolgende Aufzählung zeigt die auf Beklagtenseite jeweils beteiligten (weiteren) Personen, wobei die Kammer durch Unterstreichen die jeweils betroffenen Gesellschaften hervorgehoben hat:
- So hat die E. R. GmbH Factory and Development Anfang 2010 Einspruch gegen die Erteilung des Streitpatents erhoben und das Verfahren bis zur Entscheidung vom 14. September 2018 geführt, in dem die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts das Stammpatent in geändertem Umfang aufrechterhält (Az. T0621/15-3.2.04).
- Wegen Verletzung des Streitpatents hat die Klägerin zwei Konzerngesellschaften der Beklagten, E. Hausgeräte GmbH und E. R. GmbH Factory and Development, am 16. Dezember 2009 im Wege der Klageerweiterung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 2 U 139/08) in Anspruch genommen.
- Auf die Nichtigkeitsklage der E. Appliances AB hat das ungarische Patentamt das zur Streitpatentfamilie gehörende ungarische Patent 228 972 am 7. März 2017 für nichtig (Az. P0401758) erklärt, was am 11. Dezember 2019 die Curia, das oberste ungarische Gericht, bestätigt hat (Az. Pvf.21.463/2018).
- Am 12. Oktober 2018 hat die E. R. GmbH Factory and Development Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht (Az. 5 Ni 25/18 (EP)) gegen das Streitpatent erhoben.
- Am 15. Oktober desselben Jahres hat die Klägerin gegen die E. Hausgeräte GmbH beim Landgericht Düsseldorf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der am 10. Januar 2018 mangels Verletzung zurückgewiesen worden ist (Az. 4 c O 71/18). Am 4. Juli 2019 hat dann das Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund der Berufung der Klägerin eine einstweilige Verfügung gegen die E. Hausgeräte GmbH in Nürnberg erlassen. Die Klägerin hat die einstweilige Verfügung nach Erbringung der tenorierten Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 € vollzogen. Die E. Hausgeräte GmbH hat wegen des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens bislang keine Abschlusserklärung abgegeben. Deswegen hat die Klägerin gegen diese Gesellschaft am 14. August 2019 Hauptsacheklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht (Az. 4c O 49/19).

Überdies zeigt der weitere Streit der Parteien um die persönliche Reichweite, dass in der E-Mail kein Antrag für einen Vertrag unterbreitet worden ist. So verlangte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2020 für das Einbeziehen von Konzerngesellschaften der Beklagten einen weiteren Betrag in Höhe von 1,5 Mio. €, was die Beklagte ablehnte.

(B) Aus der Erklärung vom 9. April 2020 ergibt sich auch nach Auslegung nicht, dass überhaupt - wie von der Klägerin behauptet - ein Nutzungsrecht eingeräumt werden sollte.

Selbst wenn man die vorherige Korrespondenz der Parteien in Betracht zieht, geht es (allein) um eine „business solution“ und ein „global settlement“. Grundsätzlich in Betracht können insofern alle möglichen Arten von Gestattungen kommen: von einer Vollrechtsübertragung, über die einzelnen Lizenzarten hin zur Nichtangriffsabrede oder ähnlichen Vereinbarungen. Sofern in der E-Mail der Beklagten vom 30. Januar 2020 (Anlage B5) an einer Stelle von einem „cross-licensing“ die Rede ist, betrifft dies einen anderen Gegenstand der Verhandlungen der Parteien und nicht das Streitpatent sowie seine Familie.

(C) Unabhängig davon fehlt es in der Erklärung vom 9. April 2020 an den essentialia negotii hinsichtlich des Vertragsinhalts. Zur Legitimierung einer unberechtigten Patentbenutzung und zur Lösung eines Patentkonflikts können vielfältige Regelungen getroffen werden, was den Parteien bekannt ist. Vorliegend ist aber insbesondere unklar, welchen Charakter das von der Klägerin behauptete Nutzungsrecht haben soll.

Anders als bei den im BGB geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietvertrag handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui generis (vgl. McGuire in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 167). Außerdem stehen die Rechtsnatur (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 139 ff.) und der Rechtscharakter des Lizenzvertrags (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.) nicht fest. Die Rechtsnatur ist vor allem bei einer Insolvenz der Parteien von Bedeutung (vgl. OLG München, Urteil vom 25. Juli 2013 - 6 U 541/12 = GRUR 2013, 1125). Vernünftige Vertragspartner werden daher in aller Regel bestrebt sein, hierfür eine angemessene und interessengerechte Lösung zu finden, die sich nicht zwingend aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergeben dürfte.

Mangels feststehenden Rechtscharakters ist nicht vorgegeben, was eine antragende Willenserklärung zwingend enthalten muss. Insofern ist die Bestimmung des Rechtscharakters erforderlich, um entscheiden zu können, welche allgemeinen Regelungen das Gesetz enthält und worüber die Parteien eine individuelle Einigung erzielen müssen. Da eine hinreichende gesetzliche Regelung fehlt, wird versucht, den Lizenzvertrag als Rechtspacht oder als Kombination von Befugnissen und Verpflichtungen verschiedener normierter Vertragsarten zu erfassen (Typenmischvertrag), bei dem für die einzelnen Rechte und Pflichten Rechtsnormen herangezogen werden, die für den jeweiligen Vertragsbestandteil passend erscheinen. Zudem besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Rechtspacht (§ 581 Abs. 1 BGB), so dass lückenfüllend auf die Vorschriften des Pachtrechts (§§ 581 ff BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB des Mietrechts (§§ 535 ff BGB) zurückgegriffen werden könnte, während auch eine Nähe der Lizenz zum Rechtskauf vertreten wird (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.).

Je nach gewollter Gestaltung über die Art der Gestattung kommt die Ausgestaltung als ausschließliche, einfache (positive) oder negative Lizenz sowie ggf. auch als bloßes pactum de non petendo sowie als „covenant not to sue“ in Betracht (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 119 ff.). Entgegen einer in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht (McGuire, aaO, § 15 Rn. 193) handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Frage nach der Art der „Lizenz“ nicht um accidentalia negotii, sondern um essentialia negotii. Denn vor allem die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt werden soll (was jedenfalls bei der negativen Lizenz umstritten ist und für pactum de non petendo und „covenant not to sue“ überwiegend abgelehnt wird), betrifft den essenziellen Kern der Willenserklärung und ist für den späteren Vertragsinhalt sowie für das damit entstehende Rechte- und Pflichtenprogramm der Parteien maßgeblich. Das in der Literatur angeführte Argument, insofern könne bei einem Vertrag die Lücke durch (ergänzende) Vertragsauslegung geschlossen werden, steht dem nicht entgegen. Das kann genauso gut auf einen Kaufvertrag zutreffen, bei dem der Kaufpreis (sicherlich unstreitig essentialia negotii) nicht geregelt ist, sich aber durch Auslegung ermitteln lässt, ohne dass er damit als accidentalia negotii einzuordnen wäre. Außerdem sind bei einer Lizenz der inhaltliche, räumliche und/oder zeitliche Umfang der Nutzungsbefugnis zu regeln, weil er insofern ganz unterschiedlich sein kann.

All diese Punkte enthält die Erklärung der Beklagten vom 9. April 2020 nicht. Erst mit dem Vertragsentwurf der Klägerin (Anlage K2a) wird hierfür eine Regelung vorgeschlagen.

(D) Der unverbindliche und bloß vorbereitende Charakter der Erklärung folgt nach dem objektiven Empfängerhorizont weiterhin aus dem Gesamtinhalt der E-Mail und den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Zwar werden in der E-Mail Begriffe wie „offer“, „accept“ und „settlement“ benutzt sowie eine Antwortfrist gesetzt. Gleichzeitig ergibt sich, dass die jeweiligen Verantwortlichen auf Seiten der Beklagten eingebunden worden sind und dass diese Erklärung (anders als die vorherigen) nicht unter einen ausdrücklichen Vorbehalt („without prejudice“) gestellt worden ist. Doch ist bei der Auslegung nicht am Wortlaut zu verhaften, sondern auf das Verständnis nach dem objektiven Empfängerhorizont abzustellen.

Die Erklärung ist objektiv so zu verstehen, dass sich die Beklagte mit ihr vertraglich nicht binden, sondern lediglich die Vertragsverhandlungen vorbereiten wollte. Die geäußerte Bereitschaft, 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen, ist insofern conditio sine qua non für die Vertragsanbahnung, aber noch kein (verbindlicher) Antrag. Denn die Verhandlungen der Parteien waren zuvor in eine Sackgasse geraten. Die Klägerin verlangte mit E-Mail vom 13. Januar 2020 einen Betrag von 7 Mio. €, während die Beklagte in der E-Mail vom 30. Januar 2020 den Betrag von 2,5 Mio. € angab und die Klägerin am 31. Januar 2020 sodann 5 Mio. € forderte. Um einen höheren Betrag in die Verhandlung zu bringen, musste die Beklagte ihre „Stakeholder“ vorab einbinden. Ohne deren grundsätzliches Einverständnis würde das Verhandeln mit der Klägerin keinen Sinn ergeben, falls sich später herausstellte, dass die „Stakeholder“ mit dem Betrag bereits nicht einverstanden wären.

(E) Darüber hinaus musste die Klägerin die E-Mail vom 9. April 2020 so verstehen, dass die Beklagte den Vertragsschluss regelmäßig noch ablehnen kann. Einen verbindlichen Willen, diesen Betrag zu zahlen, ergibt die Auslegung nicht. Sie ergibt auch keinen Sinn.

So gibt es zwischen den Parteien andere Einigungsbestrebungen (vgl. Anlage B5) und falls diese Versuche erfolgreich wären, könnten diese unter Umständen auch die Streitpatentfamilie miteinbeziehen. Da dies der Fall sein kann, durfte die Klägerin bereits nicht davon ausgehen, dass diese Erklärung ein bindender Antrag ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Parteien um langjährige Konkurrenten handelt, die eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ausgetragen haben und austragen. Es ist davon auszugehen, dass einerseits grundsätzliches Vertrauen bestehen dürfte, weil man sich kennt, dieses aber andererseits nicht sehr weitreichend ist, weil es zahlreiche Konflikte gibt. Würde die Klägerin bei anderen Klauseln auf Regelungen (z. B. in für die Parteien wichtigen und teilweise geradezu zentralen Punkten bei den Nebenabreden) bestehen, die für die Beklagte als nicht tragbar erscheinen, besteht gleichfalls ein Interesse der Beklagten, sich von dieser Erklärung wieder lösen zu können, so dass diese nicht als Antrag, sondern als inivitatio ad offerendum zu bewerten ist, was der Klägerin auch so hätte bewusst werden können.

(F) Entgegen der Annahme der Klägerin ist eine Einigung oder ein Rechtsbindungswillen dafür, im Rahmen eines - wie es die Klägerin nennt - „mehraktigen“, jeweils verbindlichen Vorgehens zu zwei Verträgen zu gelangen, dem Erklären und Verhalten der Beklagten nicht zu entnehmen.

Der von der Klägerin angeführte mehraktige Ansatz, wonach sich die Parteien in einem ersten Vertrag zunächst nur über Leistung und Gegenleistung einigen und anschließend dann in einem zweiten Vertrag die weiteren, „üblichen“ Punkte verhandeln wollen, zu denen sie dann eine umfassendere Einigung erzielen, wäre bereits dann nicht interessengerecht und davon musste die Klägerin auch ausgehen, wenn die Einigung allein das Synallagma von Einräumung des Nutzungsrechts und Vergütung beträfe. Denn es ist bereits unklar, was die Hauptleistung der Klägerin ist, weil mehrere Vertragsarten in Betracht kommen (s. o.). Insofern musste die Klägerin als Empfängerin den von der Beklagten an anderer Stelle immer wieder betonten Wunsch, eine globale Einigung zu erzielen, und die Formulierung am Ende der E-Mail
… If you confirm that B. accepts this offer, I can arrange for the draft settlement agreement to be prepared so that this matter may be finalised as soon as possible. …
so verstehen, dass die Vertragsverhandlungen erst dann abgeschlossen sein sollen, wenn über den Vertragstext Konsens besteht, so dass er unterzeichnet werden kann. Alles andere vorher dient der Vorbereitung des zu „finalisierenden“ Vertragstexts.

Dies wird einem objektiven Empfänger auch dadurch deutlich, dass die Beklagte lediglich in Aussicht stellt, einen Vertragsentwurf vorzubereiten. Es ergibt jedenfalls objektiv wenig Sinn, für die Parteien wichtige und zentrale Punkte in eine zweite Vereinbarung auszulagern, die erst noch ausgehandelt werden muss. Angesichts des konfliktträchtigen Verhältnisses der Parteien wären Streitigkeiten über Details vorprogrammiert und die von der Klägerin behauptete erste Einigung wäre aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit für die Beklagte wertlos. In diese Richtung weist auch die Höhe der vorgeschlagenen Geldsumme vom 3 Mio. €. Selbst bei Unternehmen von der Größe der Parteien werden Verträge über diese Summen in aller Regel erst mit Vorliegen des Vertragstexts geschlossen.

Zudem hat die Klägerin die Erklärung der Beklagten selbst nicht als Antrag verstanden. Denn sie schreibt in ihrer E-Mail vom 16. April 2020:
… In order to speed up the settlement, please find enclosed a draft settlement agreement. …

Außerdem fügt sie der Nachricht einen Vertragsentwurf bei, der von der Beklagten noch ergänzt und geändert werden könne.

Unabhängig davon hätte eine mehraktige Lösung mit mehreren bindenden Verträgen zwischen den Parteien vereinbart werden müssen. Das ist weder ausdrücklich der Fall, noch ergibt es sich aus den Umständen. Sofern die Klägerin behauptet, eine Zweistufigkeit stehe im Einklang mit etlichen zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen, so ist dieser Vortrag nach dem als Bestreiten zu bewertendem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend (z. B. durch Angabe der entsprechenden Vereinbarungen) dargetan. Sofern sich die Parteien in der Vergangenheit teils zunächst auf einen Preis für die Einräumung eines Nutzungsrechts geeinigt und Nebenabreden in einem nachgelagerten Verfahren getroffen haben, besagt dies nicht, dass zwei rechtlich separate Verträge geschlossen worden sind.

(G) Angesichts der vorangegangenen Gründe lässt die Kammer den Gesichtspunkt ausdrücklich offen, ob und inwiefern Frau S. für die Beklagte zum Abschluss eines bindenden Vertrags vertretungsbefugt gewesen ist.

bb) Mangels (verbindlichen) Antrags der Beklagten bedeutet die E-Mail der Klägerin vom 16. April 2020 (Anlage K2) keine rechtswirksame Annahme. Zugunsten der Klägerin kann die Kammer aber unterstellen, dass es sich bei dieser Erklärung um einen Antrag handelt.

cc) Mit der Erklärung der Beklagten vom 16. April 2020 (Anlage K3) hat sie das (zugunsten der Klägerin unterstellte) Angebot vom selben Tag nicht angenommen. Es fehlt am Rechtsbindungswillen.

Dies ergibt sich aus der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Hiernach durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte habe ihr Angebot verbindlich angenommen und mit ihr daher einen (Lizenz-) Vertrag geschlossen. Denn die Erklärung der Beklagten ist so zu verstehen, dass sie keine verbindliche Annahme ist. Zwar teilt die Beklagte mit, dass sie sich für die Annahme ihres Einigungsvorschlags bedanke. Sie führt aber gleichzeitig aus, dass sie den Inhalt sorgfältig prüfen („carefully consider“) und hierzu an ihre Anwälte („external counsel“) weiterreichen werde. Außerdem sei eine Abstimmung mit den „Stakeholders” erforderlich:
… We are of course keen to finalise this matter quickly, but we will need to carefully consider the contents of the settlement agreement, pass it by our external counsel and align it with our stakeholders. …

Darüber hinaus ergibt sich hier das von der Klägerin geltend gemachte mehraktige Vorgehen nicht.

dd) Die Regelungen über den Dissens finden keine Anwendung. § 154 Abs. 1 BGB greift nicht. Denn die Parteien sind sich nicht über die Lückenhaftigkeit ihrer Einigung im Klaren, weil diese umstritten ist. Gleichfalls findet § 155 BGB keine Anwendung. Denn die Parteien sehen den Vertrag gerade nicht übereinstimmend als geschlossen an.

c) Der Vertrag ist ebenfalls nicht durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in Form der „Vertragsbestätigung“ der Klägerin vom 19. Mai 2020 (Anlage K5) zustande gekommen.

Aufgrund der spätestens mit E-Mail der Beklagten vom 13. Mai 2020 offensichtlichen Einigungsmängel, durfte die Klägerin nicht auf eine Billigung vertrauen.

d) Der hilfsweise erklärten Anfechtung der Beklagten bedarf es nicht.

e) Ob ein Verschulden der Beklagten bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommt, kann offenbleiben, weil aus den sich allenfalls ergebenden Ausgleichsansprüchen das im Feststellungsantrag bezeichnete Rechtsverhältnis nicht folgen kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit mangels objektiver Kriterien

LG München
Urteil vom 13.02.2013
4 HKO 14545/21


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin "FOCUS Gesundheit" mangels objektiver Kriterien vorliegt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ärzte-Siegel
Die 4. Kammer für Handelssachen hat heute der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sog. „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (Az 4 HKO 14545/21).

Der Kläger beanstandete, dass die Beklagte gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ auszeichnen.

Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin „FOCUS Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 EUR netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun.

Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot.

Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als „FOCUS-Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet.

Hierzu führt die Kammer Folgendes aus: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auf-fassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse.

Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch, zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend:

Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.



LG München: Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe hat keinen Anspruch gegen BMW auf Unterlassung des Vertriebs von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31.10.2030

LG München
Urteil vom 07.02.2023
3 O 12581/21


Das LG München hat entschieden,dass der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe keinen Anspruch gegen BMW auf Unterlassung des Vertriebs von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31.10.2030 bzw. gegenwärtig auf Beschränkung des Vertriebs hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Deutsche Umwelthilfe"

Das Landgericht München I hat heute eine Klage gegen einen Münchner Automobilhersteller abgewiesen, wonach dieser verpflichtet werden sollte, den Vertrieb von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31. Oktober 2030 zu unterlassen, soweit nicht sichergestellt ist, dass durch Produktion und Nutzung dieser PKW keinerlei Anstieg von Treib-hausgasen in der Atmosphäre zu erwarten ist. Für den Zeitraum bis zum 31. Oktober 2030 sollte der Vertrieb von Personenkraftwagen beschränkt werden anhand eines zulässigen Höchstmaßes an Treibhausgasemissionen aller verkauften PKW (Az. 3 O 12581/21).

Die Kläger sind Geschäftsführer bzw. stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Umwelthilfe e.V.. Sie machen mit der Klage geltend, der PKW-Vertrieb des beklagten Automobilherstellers führe zu Treibhausgasemissionen, die zu zwingenden rechtswidrigen Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger führten. Produktion und Vertrieb der PKW seien daher, zeitlich gestaffelt, auf ein Höchstmaß an Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Ein darüber hinaus gehender weiterer Vertrieb von PKW durch das beklagte Automobilunternehmen sei zu untersagen.

Der beklagte Automobilhersteller ist der Auffassung, der von den Klägern aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Anspruch scheitere schon daran, dass die Begrenzung von Fahrzeugemissionen auf europarechtlicher Ebene harmonisiert sei. Die europäischen Regelungen, die der beklagte Automobilhersteller umfassend befolge, gingen dem hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch vor. Jedenfalls sei auch der Vortrag der Kläger zu den zukünftigen Auswirkungen der Treibhaus-gasemissionen auf das soziale Leben und den damit einhergehenden zu befürchtenden Ein-schränkungen zu abstrakt, um darauf Unterlassungsansprüche zu stützen. Schließlich ergebe sich im Rahmen einer Gesamtabwägung mit den grundrechtlich verbürgten Berufs- und Eigentumsfreiheiten des beklagten Automobilherstellers, dass die beantragte Vertriebsunterlassung nicht zu begründen sei.

Das Landgericht hat entschieden, dass der von den Klägern geltend gemachte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Derzeit drohe jedoch noch kein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nach jetziger Abwägung aller Umstände seien die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung deshalb unbegründet.

Zu berücksichtigen sei bei der gebotenen Interessenwägung, dass sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber eine Vielzahl von Regelungen erlassen habe, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Diesen Regelungen lägen umfassende Abwägungen der Interessen und Belange aller Beteiligten zu Grunde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 24. März 2021, Az. 1 BvR 2656/18, mit Gesetzeskraft entschieden, es könne aktuell nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seinen durch die Grundrechte vorgegebenen Spielraum insofern überschreite.

Ausgehend auch von dieser aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien keine Besonderheiten ersichtlich, die gegenwärtig zu einer abweichenden zivilrechtlichen Bewertung führten. Über die öffentlich-rechtlichen Pflichten hinausgehende zivilrechtliche Pflichten der Beklagten, etwa wegen Fehlens einer gesetzlichen Regelung, bestehen nach Auffassung der Kammer jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Regierung wie Gesetzgeber werden zudem stets die Effektivität ihrer Maßnahmen zur Sicherung der Klimaschutzziele zu überprüfen haben, wobei gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen sein werden.

Im Ergebnis sei daher der von den Klägern geltend gemachte, auf ihr intertemporales Allgemeines Persönlichkeitsrecht gestützter Abwehranspruch derzeit nicht begründet.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit Beschluss vom 24.3.2021, Az. 1 BvR 22656/18, die Regelungen in § 3 Abs. 1 S. 2 und § 4 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Anlage 2 KSG für mit dem Grundgesetz unvereinbar und gab dem Gesetz-geber auf, die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume nach 2030 bis zum 31.12.2022 unter Beachtung der Maßgaben dieses Beschlusses näher zu regeln.Das Bundesverfassungsgericht führte insoweit unter anderem Folgendes aus:

„Jeder konkrete Verbrauch verbleibender CO2-Mengen verringert das Restbudget und die Möglichkeiten weiteren CO2–relevanten Freiheitsgebrauchs und verkürzt zugleich die Zeit für die Initiierung und Realisie-rung soziotechnischer Transformation.“ „Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Bf. hier vor einer einseitigen Verlage-rung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft.“ „Die Grundrechte verpflichten den Gesetzgeber, die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich gebotenen notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend so zu gestalten, dass die damit verbundenen Freiheitseinbußen trotz steigender Klimaschutzanforderungen weiterhin zumutbar ausfallen und die Reduktionslasten über die Zeit und zwischen den Generationen nicht einseitig zulasten der Zukunft verteilt wird.“ (Az 192)„…Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden soll.“ „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz.“ „Wenn Regierung und Gesetzgeber danach davon ausgehen, dass bei einer Begrenzung des Anstiegs der Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C (§ 1 Satz 3 KSG) die Folgen des Kli-mawandels in Deutschland durch Anpassungsmaßnahmen so weit gelindert werden könnten, dass das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutzniveau gewahrt wird, überschreiten sie jedenfalls gegenwärtig nicht ihren durch die grundrechtliche Schutzpflicht belassenen Entscheidungsspielraum.“

In der geänderten Fassung vom 18.8.2021 sieht das Bundesklimaschutzgesetz (KSG) nunmehr in § 3 folgen-de Regelung vor:
„(1) Die Treibhausemissionen werden im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise wie folgt gemindert: 1. bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 %,2. bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 %. (2) Bis zum Jahr 2045 werden die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausemissionen erreicht werden.“



LG München: Audi obsiegt im Rechtsstreit gegen NIO - Verwechslungsgefahr zwischen Automobilbezeichnungen "S6" bzw. "S8" und "es 6" bzw. "es 8"

LG München
Urteil vom 19.01.2023
1 HK O 13543/21


Das LG München hat im markenrechtlichen Rechtsstreit zwischen Audi und NIO entschieden, dass Verwechslungsgefahr zwischen den Automobilbezeichnungen "S6" bzw. "S8" und "es 6" bzw. "es 8" besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Verwechslungsgefahr bei Werbung für Automarken“

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat heute in einem Markenstreit zwischen zwei Automobilherstellern zugunsten der Klageseite entschieden und der Beklagten die angegriffene Werbung untersagt (1 HK O 13543/21).

Der beklagte Autokonzern bewirbt auf seiner Internetseite zwei seiner Automobile mit seinem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6“ bzw. „es 8“ und plant die von ihm dergestalt beworbenen Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen.

Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken „S 6“ und „S 8“ Verwechslungsgefahr bestehe.

Das Gericht bejahte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen durch gedankliches Inverbindungbringen.

Das Gericht ging davon aus, dass der in der Werbung zu sehende Firmenname für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht zu bleiben habe, da es sich bei dem angegriffenen Zeichen erkennbar um einen Kfz-Typenbezeichnung handele und es im Automobilbereich die Gepflogenheit gebe, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.

Im Weiteren führte das Gericht zur Begründung aus:

Zwar weiche die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen der Beklagten schriftbildlich und klanglich merkbar von der klägerischen Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichere jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken würden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.

Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt sei nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche Lebensbereiche (z.B. als E-Akte das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau der sogenannten „E-Mobilität“ sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet.

Die Kammer führte aus, es sei deshalb zu erwarten, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend verstehe und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sehe. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechselung durch Inverbindungbringen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch blickfangmäßig beworbene Rabattaktion wenn Zeitraum und Voraussetzungen nur im Kleingedruckten klargestellt werden

LG München
Urteil vom 12.01.2023
17 HKO 17393/21


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine blickfangmäßig beworbene Rabattaktion vorliegt, wenn Zeitraum und Voraussetzungen nur im Kleingedruckten klargestellt werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Küchentage
Die 17. Handelskammer des Landgerichts München I hat heute der Klage eines Vereins zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb stattgegeben (Az. 17 HKO 17393/21). Der Verein hatte gegen eine Händlerin für Möbel wegen einer Werbeanzeige in einer Tageszeitung geklagt.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb.

Die Beklagte ist Händlerin für Möbel und Küchen. Sie betreibt ein Möbelhaus in München.

Das Möbelhaus hatte am 19. August 2021 zu den sogenannten „KüchenTagen“ des Möbelhauses eine Werbeanzeige in einer Tageszeitung abgedruckt. Der Verein nahm das Möbelhaus im Hinblick auf diese Werbeanzeige auf Unterlassung in Anspruch und verlangte die Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten.

Die 17. Handelskammer hat die konkrete Gestaltung der Werbeanzeige als irreführend für Verbraucher eingestuft und der Klage daher stattgegeben.

Für die Leser der Anzeige sei schon nicht klar ersichtlich, wie lange die beworbene Rabattaktion laufe. Auf der Werbeanzeige finde sich blickfangmäßig herausgestellt das Datum des 21.08., im Kleingedruckten sei jedoch ein Hinweis auf das Datum des 31.08.2021 enthalten.
Um den Vorwurf einer Irreführung über die Laufzeit der Rabattaktion auszuschließen, wäre es erforderlich gewesen, die Teilnahmebedingungen unmittelbar den blickfangmäßig herausgestellten Angaben zuzuordnen und so den Verbraucher aufzuklären. Eine solch eindeutige Aufklärung über die Teilnahmebedingungen fehle jedoch in der streitgegenständlichen Werbeanzeige. Selbst wenn man zu Gunsten des Möbelhauses unterstelle, dass der Verbraucher den Hinweis auf das Aktionsende zum 31.08.2021 zur Kenntnis nehme, bliebe er im Ungewissen darüber, was die Befristung bedeute.

Der Entscheidungsdruck, der durch die Befristung des Angebots im Blickfang auf den 21.08. aufgebaut werde, könne durch eine solch uneindeutige weitere Datumsangabe im Kleingedruckten jedenfalls nicht beseitigt werden. Es sei insofern auch zu berücksichtigen, dass die Ankündigung von Preissenkungen wegen der Behauptung einer nur aktuell bestehenden Preisgünstigkeit eine stark anlockende Wirkung auf den Leser ausübe.

Weiter sei aus der beanstandeten Werbeanzeige auch nicht eindeutig erkennbar, unter welchen Voraussetzungen und bezüglich welcher Produkte des Möbelhauses der beworbene Rabatt Anwendung finde.

Die Kammer sah die blickfangmäßig herausgestellten Rabattzahlen zumindest als uneindeutig an. Der Leser bliebe im Zweifel, ob die Anzeige 20% und 20%, also insgesamt 40% Rabatt anpreise, oder nur jeweils 20% auf verschiedene Produkte. Eine solch blickfangmäßig herausgestellte Aussage, die isoliert betrachtet zur Täuschung geeignet sei, könne jedoch nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis korrigiert werden, der selbst am Blickfang teilhat. An einem solchen Hinweis fehle es hier. Das von der Beklagten angeführte Kleingedruckte im unteren Teil der Werbeanzeige reiche insoweit nicht aus.




BGH: Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde im Rechtsstreit um Karikaturen "The Real Badman & Robben" - OLG München muss erneut entscheiden

BGH
Beschluss vom 28.07.2022
I ZR 11/22


Der BGH hat der Nichtzulassungsbeschwerde im Rechtsstreit um die Karikaturen "The Real Badman & Robben" zwischen dem Grafiker und dem FC Bayern München stattgegeben. Das OLG München muss erneut entscheiden

Aus den Entscheidungsgründen:
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken.

Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18] mwN).

2. Nach diesen Maßstäben verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat erheblichen Vortrag des Klägers zu den mit der Klage geltend gemachten urheberrechtlichen Schutzgegenständen bei seiner Entscheidung nicht erwogen.

a) Die Beschwerde weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger seine Klagebegründung maßgeblich darauf gestützt hat, dass "die streitgegenständliche Choreographie" ein Gesamtwerk darstelle, welches als solches urheberrechtlichen Schutz genieße. Den Schutz dieses von ihm geltend gemachten "Gesamtwerks" hat der Kläger bereits in der Klageschrift dahin erläutert, dass nicht nur die beiden Werkteile "Karikaturen" und "Slogan" isoliert betrachtet urheberrechtlich geschützte Werke seien. Maßgeblich sei vielmehr das Gesamtwerk des Klägers, "welches sich aus den beiden Elementen an persönlichen geistigen Schöpfungen im Sinne von Werken der bildenden Kunst als Einheit" ergebe. Beide Elemente müssten als Einheit betrachtet werden, sie stünden in Wechselwirkung zueinander; maßgeblich sei der Gesamteindruck. Entsprechend diesem Vorbringen hat auch das Landgericht den Werkcharakter dieser Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft und als schutzfähiges Werk im Sinne des § 2 UrhG angesehen. Auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger ausgeführt, die Illustration genieße bereits per se, zumindest jedoch in der maßgebenden Gesamtschau als Gesamtwerk mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" als persönlich geistige Schöpfung urheberrechtlichen Schutz. Damit ergibt sich aus dem Klägervorbringen zweifelsfrei, dass die Klage auch auf die Verletzung eines aus der Kombination
aus Zeichnung und Slogan bestehenden Werks gestützt ist.

b) Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft hat. Das Berufungsgericht hat auch nicht angenommen, dass es auf diese Frage nicht entscheidungserheblich ankomme und deshalb eine Prüfung unterbleiben könne. Es hat vielmehr geprüft, ob dem "isoliert betrachteten" Slogan als Sprachwerk eine eigene Werkqualität zukommt, und hat außerdem unterstellt, dass die Zeichnungen isoliert betrachtet Werkqualität im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG haben. Es hat aber nicht geprüft, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - dem Slogan und den Zeichnungen in einer Gesamtbetrachtung Werkqualität zukommt.

aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung hat das Berufungsgericht auf Seite 10 im dritten Absatz seines Urteils nicht die Werkqualität einer solchen Kombination geprüft. Dort hat es vielmehr - im Rahmen der Prüfung der Werkqualität des isoliert betrachteten Slogans - ausgeführt, eine Zusammenschau des Slogans mit den Zeichnungen führe nicht dazu, dass die Wortfolge als eigenständiges Sprachwerk urheberrechtlich geschützt sei.

bb) Den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnungen hat das Berufungsgericht auch nicht im Rahmen seiner Ausführungen zum Schutz einer "Choreographie/Komposition" geprüft.

(1) Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, die vom Kläger geltend gemachte "Choreographie/Komposition" sei ebenfalls kein schutzfähiges Werk. Es sei unverständlich, was der Kläger überhaupt mit "Choreographie" bzw. "Komposition" in Bezug auf die mit der Klage eingereichten Darstellungen meine, denn aus den einzelnen Zeichnungen lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger ein in sich zusammengehöriges, in einer bestimmten und vom Kläger erdachten Abfolge vorzutragendes Gesamtwerk geschaffen habe. Sofern der Kläger - wie es das Landgericht offensichtlich verstanden habe - mit den Begriffen "Choreographie" bzw. "Komposition" zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er mit einer Mehrzahl von Werken für die dort dargestellten Figuren "Badman & Robben" unabhängig von der konkreten Art einer etwaigen grafischen Darstellung Schutz beanspruchen könne, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach den Grundsätzen des Schutzes einer literarischen Figur oder einer gezeichneten Person seien die Zeichnungen des Klägers nicht geschützt, weil sich aus ihnen nicht auf ausgeprägte Charaktereigenschaften schließen lasse. Auf
die Eigenschaften der abgebildeten Fußballer, die diesen von den Medien zugeschrieben würden, könne sich der Kläger nicht berufen. Die Eigenschaften der vom Kläger zeichnerisch dargestellten Figuren seien nicht seine schöpferische Leistung, sondern beruhten auf einer gedanklichen Transferleistung des Betrachters, und dies auch nur, sofern er die dargestellten Personen wiedererkenne.

(2) Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Berufungsgericht offensichtlich den Kern des Klagevortrags nicht hinreichend in den Blick genommen hat. Es hat - möglicherweise durch Assoziationen mit dem Theater- und Musikbereich und die Bezugnahme des Landgerichts auf den urheberrechtlichen Figurenschutz - unter
"Choreographie" und "Komposition" nicht das verstanden, was der Kläger - von ihm in seinem Klagevorbringen ausdrücklich erläutert - gemeint hat, nämlich die Kombination von Zeichnung und Slogan.

3. Diese Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich.

a) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des vom Kläger gehaltenen Vortrags zu der Beurteilung gekommen wäre, dass in der Zeichnung des Klägers in Zusammenschau mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" ein gemäß § 2 UrhG schutzfähiges Werk gesehen werden kann.

aa) Für den Schutz als urheberrechtliches Werk ist der Begriff der persönlichen geistigen Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG beziehungsweise der eigenen geistigen Schöpfung im Sinne des unionsrechtlichen Werkbegriffs (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 222/20, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 29] = WRP 2022, 729 - Porsche 911, mwN) maßgeblich. Insoweit können auch neue Werkarten und Mischformen zwischen den im Beispielskatalog des § 2 Abs. 1 UrhG aufgeführten Werkarten geschützt sein (vgl. Loewenheim/Leistner in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 30; BeckOK.Urheberrecht/Ahlberg, 36. Edition [Stand: 15. Oktober 2022], § 2 UrhG Rn. 2; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 2 Rn. 3; A. Nordemann in
Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 2 UrhG Rn. 11; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 4), hier also die Kombination aus Zeichnung und Sprache.

bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags - wie bereits das Landgericht - in tatgerichtlicher Würdigung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass in der Kombination von karikaturhaft-überzeichnender grafischer Darstellung der Spieler und Slogan eine künstlerische Leistung im Sinne
von § 2 Abs. 2 UrhG liegt.

b) Die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsrechtsverletzung ist nicht deswegen zu verneinen, weil es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls an einer Verletzung fehlte. In seiner tatgerichtlichen Verletzungsprüfung hat das Berufungsgericht ausschließlich auf die Gegenüberstellung der in Rede stehenden Zeichnungen abgestellt und damit außer Betracht gelassen, dass sowohl die Schöpfung des Klägers als auch die von der Beklagten benutzte Darstellung den wortidentischen Slogan aufweisen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung greift nicht wenn Zeichen auch nur geringfügig verändert wird

LG München
Urteil vom 24.11.2022
33 O 4349/22


Das LG München hat entschieden, dass die Wirkung markenrechtlicher Erschöpfung nicht greift, wenn das Zeichen auch nur geringfügig verändert wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Bei der Wort-/Bildunionsmarke Nr. ... (Bild) und der Unionswortmarke Nr. ... („M“), handelt es sich um bekannte Marken im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV. Das Merkmal „bekannt“ setzte nach der Rechtsprechung des EuGH einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraus, der als erreicht anzusehen ist, wenn die Unionsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 17 - Iron & Smith/Unilever). In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Unionsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 19 - Iron & Smith/Unilever).

Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin nutzt diese die M-Marken seit Jahrzehnten intensiv in mehreren Baureihen, wobei die Produktionszahlen seit 1997 auf hohem Niveau steigen. Danach soll beispielsweise im Jahr 2019 jedes dritte BMW-Serienfahrzeug serienmäßig über eine „M“ Ausstattung verfügt haben. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (Anlage K 5) beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.

Danach rechtfertigen es die hohen Umsatzzahlen in Deutschland als bedeutendem Absatzmarkt für Fahrzeuge und als dem Sitz der Klägerin sowie die unbestritten hohe Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen von der Bekanntheit der M-Marken der Klägerin auszugehen.

b) Für den Bekanntheitsschutz nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt es weiter darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt und es zu den dort näher spezifizierten Beeinträchtigungen der bekannten Marke kommt. Daneben bedarf es nicht der gesonderten Feststellung, dass in eine der geschützten Markenfunktionen der bekannten Marke eingegriffen wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 135 mit Verweis auf BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 36 - ÖKO-TEST I). Erforderlich ist aber eine Benutzung des Zeichens für Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn, 32 ff. - ÖKO-TEST I).

Die Frage, ob die Unterscheidungskraft einer Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören. Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 49 - L’Oréal; BGH GRUR 2015, 1114 Rn. 38 - Springender Pudel).

In die vorzunehmende Abwägung ist auch der Freistellungstatbestand des Art. 14 UMV einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des Art. 14 UMV - insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke gegen die guten Sitten verstößt - kommen im Tatbestand des Art. 9 UMV bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (vgl. zu § 23 MarkenG BGH GRUR 2019, 165 Tz. 22 - keine-vorwerkvertretung).

c) Vorliegend verwendet der Beklagte mit dem Zeichen „M-Look“ ein zu den M-Marken klanglich und auch schriftbildlich ähnliches Zeichen. Auch der durch einen Bindestrich angefügte rein beschreibende englische Begriff „-look“ als Hinweis auf Aussehen/Design der Ware kann eine gedankliche Verknüpfung mit den M-Marken der Klägerin nicht verhindern und verstärkt sogar nochmals die Bedeutung des vorangestellten Zeichens „M“, indem auf die damit verbundene Verkehrserwartung anpreisend Bezug genommen wird. Daneben sind auch die weiteren, in der beanstandeten Produktbezeichnung genutzten Zusätze - mit Ausnahme des Zeichens „BMW“ - rein beschreibend. Die Verwendung des beanstandeten Zeichens erfolgt außerdem in der Produktbezeichnung und damit an einer Stelle, an der der Verkehr üblicherweise Hinweise auf die betriebliche Herkunft erwartet. Auch ist zu berücksichtigen, dass das angebotene Produkt identisch ist zu Waren, für welche die Klagemarken Schutz genießen. Schließlich wird die bereits entstandene gedankliche Verknüpfung zu den „M“-Marken der Klägerin noch weiter durch die Verbindung mit dem anschließend genutzten und eine Verwechslungsgefahr begründenden Zeichen „BMW“ verstärkt.

Damit nutzt der Beklagte die Unterscheidungskraft der Klagemarken dadurch aus, indem er die Aufmerksamkeit, die mit den bekannten Marken Nr. ... (Bild) und Nr. ... („M“) der Klägerin verbunden ist, dazu verwendet, auf die von ihm angebotene identische Ware hinzuweisen. Es besteht auch keine anzuerkennende Notwendigkeit, die M-Marken der Klägerin zur Beschreibung der angebotenen Ware in diesem Zusammenhang zu nutzen.

7. Die Nutzung der beanstandeten Zeichen, insbesondere des Zeichens „BMW“, erfolgte auch nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil, im Sinne des Art. 14 c) UMV. Das Zeichen wurde in der hier beanstandeten Bezeichnung bereits markenmäßig und nicht als bloßer Hinweis auf die Eignung der angebotenen Ware verwendet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 23 Rn. 132). Insbesondere erblickt der angesprochene Verkehr in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware (siehe oben unter II.3.). So fehlt in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“).

8. Soweit der Beklagte sich durch die Behauptung, bei dem angebotenen Produkt habe es sich Originalware gehandelt, auf Erschöpfung beruft, kann dem nicht gefolgt werden.

a) Nach Art. 15 Abs. 1 UMV hat der Inhaber einer Marke zwar nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Handelt es sich bei den in Rede stehenden Waren um Produktfälschungen, scheidet eine Erschöpfung jedoch von vornherein aus, da diese weder durch den Markeninhaber selbst noch mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind (BeckOK UMV/Müller, 26. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 15). Vorliegend hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2012, 626 S2. 26 - CONVERSE, m.w.N.) - wie bereits oben unter Ziffer 2 d) bereits festgestellt - jedoch nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um Originalware der Klägerin handelte. Insbesondere fehlt belastbarer Vortrag zur konkreten Herkunft der angebotenen Ware einschließlich einer lückenlosen Lieferkette bis zum Hersteller. Solcher Vortrag wäre aber insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der angebotenen Ware nach bestrittenem Vortrag des Beklagten um ein Einzelteil gehandelt haben soll, zu erwarten gewesen.

b) Im Übrigen schiede eine Erschöpfung vorliegend auch aus, weil die von dem Beklagten verwendete Bezeichnung derart abgewandelt worden wäre, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch die Klägerin - eine solche unterstellt - entspräche. Denn die Klägerin hat unbestritten vorgebracht, dass sie gar kein Produkt mit der Bezeichnung „M-Look“ vertreibe. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich jedoch auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, Rn. 72).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Bezeichnung eines Wissenschaftlers in einem Flyer als "Gollum" kann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen

LG München
Beschluss vom 14.11.2022
25 O 12738/22

Das LG München hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Wissenschaftlers in einem Flyer als "Gollum" eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen kann und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch begründet.


LG München: Wettbewerbsverstoß wenn mit Bockbierwürze versetzte weinhaltigen Getränke als "Glühwein" angeboten werden

LG München
Urteil vom 17.11.2022
17 HKO 8213/18


Das LG München hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn mit Bockbierwürze versetzte weinhaltige Getränke als "Glühwein" angeboten werden.

Die Pressemitteilung des Gericht:
„Wein oder nicht Wein, das ist hier die Frage“ - Wo „Glühwein“ draufsteht, muss auch Glühwein drin sein!

Die unter anderem für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 17. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat am 17.11.2022 der Klage einer Weinkellerei stattgegeben und einem Brauhaus verboten, seine beiden mit Bockbierwürze versetzten weinhaltigen Getränke als „Glühwein“ im geschäftlichen Verkehr zu bezeichnen.

Der Begriff „Wein“ werde hierdurch in unzulässiger Weise „verwässert“, führte die erkennende Kammer aus. Es liege eine Irreführung von Verbrauchern vor, da diese darüber hinweggetäuscht würden, dass mit den Beigaben der Beklagten ein zusätzlicher Wassergehalt von 2 % in die Getränke der Beklagten gelange. Dies sei für ein Produkt mit der Bezeichnung „Glühwein“ unzulässig.

Glühwein dürfe laut europäischer Verordnung nur Wein, Süßungsmittel und Gewürz enthalten.

Der Wassergehalt, der beim Zuführen von Bockbierwürze in beide weinhaltigen Getränke der Beklagten gelange, sei zu hoch, um das Produkt noch als „Glühwein“ bezeichnen zu können.

In der mündlichen Verhandlung hörte das Gericht zu der Frage, ob Bockbierwürze ein Gewürz ist und somit dem Glühwein beigegeben werden kann, einen Önologen an:

Der in dem Wort „Bockbierwürze“ enthaltene Begriff „Würze“ sei lediglich historisch bedingt und inhaltsstofflich nicht korrekt, so der Sachverständige. Die Bockbierwürze sei kein Gewürz, sondern eine Flüssigkeit, die ein Gewürz empfange. Bierwürze im Allgemeinen habe nichts mit einem Gewürz oder Süßungsmitteln zu tun. Die Bockbierwürze sei gegenüber anderen Gewürzen insbesondere kein hoch konzentrierter Stoff, deshalb sei der Wasserzusatz in den Getränken der Beklagten erheblich.

Dem schloss sich das Gericht an.

Der Wassergehalt in Glühwein unterliege strengen Vorgaben: Nur zum Süßen oder zur Beigabe von Gewürzen sei Wasser zulässig, in so geringer Menge wie möglich, so die erkennende Kammer. An diese Vorgaben habe sich die beklagte Brauerei mit der Beigabe von Bockbierwürze nicht gehalten. Hiermit suggeriere die Beklagte dem Verbraucher bei ihren Getränken vielmehr die Eigenschaften des Traditionsgetränks Glühwein, die diese tatsächlich wegen zu hohen Wassergehalts gar nicht hätten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Zulässige Bestandteile des Glühweins:
In der Verordnung (EG) 251/2014 Anl. II B, Ziff. 8 hat der Gesetzgeber die zulässigen Bestandteile des Glühweins geregelt. Es darf nur ein solches Produkt auf den Markt gebracht und als Glühwein bezeichnet werden, das den traditionell geprägten Zutatenvorgaben des europäischen Gesetzgebers entspricht.

Verordnung (EU) Nr. 251/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates (europa.eu)

Önologie:
Aufgabenbereich der Önologie ist das technologische Forschen, die Mitarbeit in der Entwicklung von Materialien für die Technik und die Ausrüstung von Kellereien. Bestandteil der Tätigkeit ist auch die Mitarbeit in der Anlage und der Pflege von Weinbergen, die Übernahme der vollen Verantwortung für die Produktion von Traubensaft, Wein und Folgeprodukten aus Wein und die Gewährleistung ihrer Haltbarkeit, die Durchführung von Analysen (physikalische, chemische, mikrobiologische und organoleptische) von weinhaltigen Produkten und die Auswertung und Erörterung der Analysedaten.


LG München: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 LMIV wenn "Caramel Pudding" kein Karamell sondern nur Karamell Aroma enthält

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 13261/21


Das LG München hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 LMIV vorliegt, wenn ein als "Caramel Pudding" bzw. "Karamellpudding" bezeichnetes Produkt kein Karamell sondern nur Karamell-Aroma enthält. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Volltext LG München liegt vor: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter ist auch das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen.

1. Die Feststellungsklage dient der Erlangung von Rechtsgewissheit dort, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1). Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht daher grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1).

2. Im Streitfall stellt die Beklagte die Berechtigung der Klägerin zur Nutzung des Zeichens „Spezi“, die diese aus der Vereinbarung 1974 ableitet, in Frage. Die Klägerin, die primär aus eigenem und nur hilfsweise („vorsorglich“) aus abgetretenem Recht der … GmbH & Co. KG vorgeht, hat daher ein greifbares eigenes Interesse an der Feststellung des Fortbestands dieser Vereinbarung. Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten zur Klärung dieser Frage stehen der Klägerin nicht zur Verfügung, insbesondere ist das Begehren der Klägerin nicht deckungsgleich mit den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen der Beklagten.

B. Die Feststellungsklage ist - so weit nicht bereits in den Klageanträgen Ziffern I. und II. übereinstimmend für erledigt erklärt - begründet. Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der … AG Partei der Vereinbarung 1974 geworden (dazu nachfolgend I.). Diese Vereinbarung, die als Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung und nicht als Lizenzvertrag einzuordnen ist (dazu nachfolgend II.), konnte von der Beklagten weder durch die mit dem als Anlage LSG 37 vorgelegten Schreiben vom 25.05.2021 noch durch die in der Duplik vom 27.04.2022 ausgesprochene Kündigung wirksam beendet werden (dazu nachfolgend III.).

I. Als Rechtsnachfolgerin der … AG ist die Klägerin an deren Stelle als Vertragspartnerin der Beklagten in die Vereinbarung 1974 eingetreten.

1. Ursprüngliche Vertragsparteien der am 05.03./15.03.1974 geschlossenen Vereinbarung sind die Beklagte und die … AG.

2. Mit zwischen der … AG und der … Brauerei AG geschlossenem Einbringungsvertrag vom 09.05.1994, vorgelegt als Anlage LSG 3, wurde der Getränke-Teil der … AG im Wege der Einzelrechtsnachfolge (vgl. dazu B.I.1 des Einbringungsvertrages) in die … Brauerei AG eingebracht. Ziel dieser Transaktion war ausweislich der Präambel des Einbringungsvertrages die Trennung des Betriebsteils „Getränkeherstellung und Vertrieb“ vom nicht notwendigen Grundbesitz und den Beteiligungen ohne überwiegend getränkespezifische Bedeutung, um damit einen höheren Grad der Spezialisierung der jeweiligen Aufgabenbereiche, mehr Ergebnisklarheit und auch Flexibilität vor dem Hintergrund der Konzentrationsbewegungen in der Branche, z.B. durch Knüpfung strategischer Allianzen, zu erreichen (vgl. dazu A. des Einbringungsvertrages). Gegenstand der Einbringung waren gemäß B.I.1 des Einbringungsvertrages alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die in der Einbringungsbilanz zum 01.01.1994 einzeln oder als Sachbegriff verzeichnet sind, abzüglich der Abgänge bzw. zuzüglich der Zugänge, die nach dem Stichtag gemäß Ziffer III. des Einbringungsvertrages erfolgt sind. Die Einbringungsbilanz wurde von der Klägerin im Verfahren nicht vorgelegt. Übertragen wurden ausweislich des Einbringungsvertrages insbesondere die in B.I.2 näher bezeichneten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, darunter gemäß B.I.2.h) „die für den Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ bestehenden Verträge und Vertragsangebote, insbesondere Lieferungs- und Leistungsverträge mit Lieferanten und Abnehmern, vor allem Bier- und Getränkelieferungsverträge, sowie auch Kauf-, Miet-, Pacht-, Leasing-, Beratungs-, Finanzierungs-, Lizenz- und Kooperationsverträge (insbesondere […]), Verträge mit Handelsvertretern, Kommissionären und Vertriebshändlern, Herstellervereinbarungen und alle sonstigen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten“ sowie gemäß B.I.2.j) „alle mit dem Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ zusammenhängenden immateriellen Vermögensgegenstände, insbesondere alle öffentlichen und privaten Rechte und Gestattungen, gewerbliche Schutzrechte (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen etc.) und ähnliche Rechte (einschließlich Know-How sowie ein eventuell vorhandener Geschäftswert), sowie Benutzungsrechte an vorgenannten Rechten Dritter. Die vorgenannten Warenzeichen sind in der Anlage 4 im einzelnen aufgeführt. Die Umschreibungen in den entsprechenden Registern werden bewilligt und beantragt.“ Von der … AG auf die … Brauerei AG übertragen wurden mithin auch die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung 1974 als „Gestattung“ i.S.v. B.I.2.j) bzw. „sonstiges zivilrechtliches Rechtsverhältnis“ i.S.v. B.I.2.h) des Einbringungsvertrages.

In dieser Übertragung nicht nur von Rechten, sondern auch entsprechender Verpflichtungen - nämlich etwa der Verpflichtung, die Verwendung der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Kennzeichnungen durch den Vertragspartner unbeschadet eigener Rechte zu dulden (vgl. dazu etwa BGH GRUR 1981, 591 - Gigi-Modelle) - aus der Vereinbarung 1974 auf die … Brauerei AG liegt eine Schuldübernahme i.S.v. § 415 BGB, deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers, mithin der hiesigen Beklagten, abhängt. Eine solche Genehmigung, die auch als vorherige Zustimmung (Einwilligung) vorab erteilt werden kann (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25 m.w.N.), kann nicht schon in der Rechtsnachfolgeklausel gemäß Ziffer 10 der Vereinbarung 1974 gesehen werden. Sie liegt aber - da die Genehmigung i.S.v. § 415 Abs. 1 BGB auch konkludent erteilt werden kann (vgl. etwa MüKo/Heinemeyer, BGB, 9. Auflage, § 415 Rdnr. 12) - jedenfalls im nachfolgenden jahrelangen schlüssigen Verhalten der Beklagten, mit dem diese unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht mehr die … AG als ihre Vertragspartnerin betreffend die Vereinbarung 1974 ansieht, sondern deren Rechtsnachfolger, etwa die … wie sich beispielsweise dem als Anlage LSG 44 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 16.03.2015 entnehmen lässt, in dem es im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Kündbarkeit der Vereinbarung 1974 ausdrücklich heißt: „[…,] ist die Vereinbarung zwischen unserem und Ihrem Haus über die Lizenzierung von … vom März 1974 außerordentlich kündbar. […].“ oder schließlich die hiesige Klägerin, dergegenüber die Beklagte die als Anlage LSG 37 vorgelegte Kündigung vom 25.05.2021 erklärt hat (vgl. zum Fall der Zustimmung zur Vertragsübernahme auch BGH NJW-RR 2002, 191). Dass der Beklagten dabei der Einbringungsvertrag aus dem Jahre 1994 als solcher nicht bekannt gewesen sein mag, steht einer wirksamen Genehmigung der Schuldübernahme nicht entgegen. Denn die Zustimmung des Gläubigers zur Schuldübernahme muss sich schon nicht auf eine bestimmte Person als Übernehmer beziehen (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25); erst recht aber müssen dem Gläubiger nicht die Einzelheiten der Übertragung auf der Schuldnerseite bekannt sein. Eine Berufung auf die fehlende Mitteilung der Schuldübernahme i.S.v. § 415 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Beklagten in Anbetracht der Gesamtumstände verwehrt, denn sie hat mit ihrem Verhalten über Jahre hinweg den Anschein erweckt, vom Wechsel ihres Vertragspartners bereits umfassend Kenntnis erlangt zu haben (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 40). Im Übrigen erfolgte eine entsprechende Mitteilung auch mit dem als Anlage PBP 02 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 04.07.2017, dem sich entnehmen lässt, dass die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, Rechtsnachfolgerin der … und mithin auch der seinerzeitigen Vertragspartei … AG zu sein. Ebenfalls nicht durchgreifend ist die Argumentation der Beklagtenseite, sie habe eine etwaige Schuldübernahme nicht genehmigen können, weil sie nicht gewusst habe, dass die Klägerin keinerlei Verpflichtungen übernommen habe; dass auf die … Brauerei AG und nachfolgend die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten aus der Vereinbarung 1974 übergegangen sind, wurde bereits oben festgestellt und ist in B.I.2.h) des Einbringungsvertrages ausdrücklich geregelt.

3. Die … Brauerei AG wurde ausweislich der als Anlagen LSG 4 und LSG 5 vorgelegten Handelsregisterauszüge Ende 1998/Anfang 1999 formwechselnd umgewandelt in die … Sodann wurde die persönlich haftende Gesellschafterin dieser … die … ausweislich des als Anlage LSG 6 vorgelegten Handelsregisterauszugs als übertragende Gesellschaft aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 30.05.2017 durch Aufnahme verschmolzen mit der … & Co. KGaA. Mit der Verschmelzung wurde die … & Co. KGaA einziger verbleibender persönlich haftender Gesellschafter der … Gleichzeitig wurde der einzige Kommanditist der … nämlich die … als übertragende Gesellschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 30.05.2017 ebenfalls durch Aufnahme mit der … & Co. KGaA verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzungen hat der einzige verbleibende Gesellschafter der … nämlich die … & Co. KGaA, das Geschäft der … mit allen Aktiven und Passiven im Wege der Anwachsung übernommen. Die … & Co. KGaA wiederum firmierte ausweislich des als Anlage LSG 8 vorgelegten Handelsregisterauszugs im Jahr 2017 um in … Brauerei Gruppe GmbH & Co. KGaA, die hiesige Klägerin. Die Klägerin ist mithin Rechtsnachfolgerin der … (vgl. auch notarielle Bescheinigung, Anlage LSG 7), welche aus der … Brauerei AG nach formwechselnder Umwandlung hervorgegangen ist. Soweit nicht ohnehin nur eine bloße Umfirmierung stattgefunden hat, ist für die weiteren Rechtsübergänge durch formwechselnde Umwandlung und Anwachsung und Verschmelzung eine Zustimmung der Beklagten nach § 415 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, weil es sich insoweit um Gesamtrechtsnachfolgen handelt, auf die die §§ 414 ff. BGB keine Anwendung finden (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 414 Rdnr. 135).

II. Die Vereinbarung 1974 zwischen der … AG und der Beklagten, in die die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG eingetreten ist, stellt weder nach heutiger Rechtslage noch unter Geltung des WZG einen Lizenzvertrag dar, sondern ist als klassische Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung - geschlossen im Vergleichswege - auszulegen.

1. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits besteht Uneinigkeit darüber, ob die Vertragsparteien der Vereinbarung 1974 einen Lizenzvertrag oder eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, was für die Frage einer Kündbarkeit dieser Vereinbarung von Belang ist. Der Wortlaut der Vereinbarung 1974 scheint diesbezüglich widersprüchlich, so dass es einer Auslegung bedarf (vgl. zum Kriterium der Auslegungsbedürftigkeit bzw. -fähigkeit etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 6 und 6a).

2. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 133 BGB gilt seinem Wortlaut nach zwar für die Auslegung der einzelnen Willenserklärung, er ist aber auch auf Verträge anzuwenden. Umgekehrt betrifft § 157 BGB seinem Wortlaut nach nur den bereits zustande gekommenen Vertrag. Auch die einzelnen Willenserklärungen und einseitigen Rechtsgeschäfte sind aber nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Rechtsprechung und Lehre haben aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitgehend allgemein anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt (allg. M., vgl. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 1). So hat die Auslegung trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation zunächst vom Wortlaut auszugehen, und sind nach der Ermittlung des Wortsinns in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie die Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien sowie die Interessenlage in die Auslegung einzubeziehen (vgl. etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 14 ff.). Die Auslegung ist rechtliche Würdigung. Das Gericht hat diese von Amts wegen durchzuführen und ist an Parteivorbringen nicht gebunden (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 29).

3. Nach Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt ist die Vereinbarung 1974 trotz ihres missverständlichen Wortlauts nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung einzustufen.

a) Wie sich aus der von den Parteien vorgelegten umfangreichen Korrespondenz im Vorfeld der Vereinbarung 1974 ergibt, bestand der Sinn und Zweck dieser Vereinbarung in der Beilegung und - endgültigen - Regelung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten über die Berechtigung zur Benutzung des Zeichens „Spezi“ für ein colahaltiges Mischgetränk. Insbesondere bestand schon im damaligen Zeitpunkt einige Unsicherheit darüber, ob die Bezeichnung „Spezi“ für das in Rede stehende alkoholfreie Mischgetränk aus Cola und Limonade überhaupt Schutz als Warenzeichen beanspruchen konnte, wie etwa der als Anlage LSG 20 vorgelegten Zurückweisungsbeschluss des DPA vom 03.06.1973 oder auch die als Anlage LSG 15 vorgelegte Stellungnahme der IHK München vom 07.09.1967 belegt. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten, die auch den im Warenzeichenrecht ausgesprochen versierten anwaltlichen Vertretern der damaligen Vertragsparteien - Rechtsanwalt K. auf Seiten der … AG und Rechtsanwalt Dr. P. auf Seiten der Beklagten - wohl bewusst waren (siehe insoweit - exemplarisch - etwa Schreiben vom 11.09.1972, im Anlagenkonvolut PBP 11 sowie Schreiben vom 23.11.1973, Anlage PBP 16), entschlossen sich die … AG und die Beklagte zum Abschluss der Vereinbarung 1974. Bei Abschluss dieser Vereinbarung waren zugunsten der Beklagten die in der Präambel dieser Vereinbarung aufgelisteten Warenzeichen Nr. 698 130 „Spezi“, Nr. 698 129 „Spezi, die Flasche mit dem Rechten Maß“, Nr. 705 093 „Ein Spezi muß dabei sein“ sowie Nr. 889 780 eingetragen, nicht aber ein reines Wortzeichen „Spezi“ für „alkoholfreie Getränke“.

b) Kernstück der Vereinbarung 1974 ist die in Ziffer 1 enthaltene Gestattung der Beklagten zur warenzeichenmäßigen und schlagwortartigen Benutzung des Wortes „Spezi“ für ein alkoholfreies, kolahaltiges Mixgetränk in einer bestimmten bildhaften Aufmachung durch die … AG. Bei dieser „Gestattung“ handelt es sich nicht um eine Lizenz, sondern um ein pactum de non petendo im Sinne einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung.

aa) Eine Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG beinhaltet die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen an der Marke Berechtigten an den Lizenznehmer. Der Lizenznehmer partizipiert insoweit an den dem Markeninhaber ausschließlich zugewiesenen Nutzungsrechten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7 m.w.N.). Gegenstand einer Lizenz nach § 30 Abs. 1 MarkenG ist das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke begründete Recht. Die Erteilung einer Markenlizenz ist im Falle der Eintragung einer Marke nach § 4 Nr. 1 MarkenG auf die eingetragene Marke beschränkt. Diese umfasst nicht das Recht, Lizenzen an verwechselbaren Zeichen i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu erteilen (vgl. BGH GRUR 2001, 54 - SUBWAY/Subwear, Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7).

bb) Von der Lizenz im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die Vereinbarung zwischen dem Markeninhaber und einem Dritten, dass der Markeninhaber gegen die (oder eine bestimmte) Benutzung der Marke durch den Dritten nicht vorgehen, insoweit also die Rechte aus der Marke nicht geltend machen werde (pactum de non petendo). Diese auch als „Negativlizenz“ bezeichnete Abrede hat mit der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG nichts zu tun. Dies zeigt sich schon daran, dass Gegenstand eines solchen pactum de non petendo - anders als bei der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG - ohne Weiteres auch ein (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliches Zeichen für (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen sein kann. Derartige Abreden kommen vor allem im Rahmen von Abgrenzungsvereinbarungen vor (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 8).

cc) Eine solche Abgrenzung von Lizenzen und Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen findet nicht erst seit Inkrafttreten des MarkenG, mit welchem die Markenlizenz im deutschen Recht erstmals eine - wenn auch lückenhafte - gesetzliche Regelung erfahren hatte (hierzu näher Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 1), statt. Vielmehr gelten diese Grundsätze seit jeher und insbesondere auch schon unter Geltung des WZG, wie beispielsweise eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 22.09.1899 (RGZ 44, 71 - Victoria) belegt, in der bereits das Reichsgericht eine entsprechende Abgrenzung zwischen einem Lizenzvertrag und einem Versprechen der dortigen Beklagten, die ihr aus der Eintragung des Warenzeichens „Victoria“ künftig erwachsenden Rechte gegen den dortigen Kläger nicht geltend machen zu wollen, vorgenommen hat. Auch unter Geltung des WZG war eine Abgrenzung von Lizenzverträgen zu Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mithin danach vorzunehmen, ob ein Nutzungsrecht an einem eigenen Warenzeichen des Lizenzgebers eingeräumt wird, oder ob (lediglich) die Benutzung einer tatsächlich oder vermeintlich verwechselbaren Bezeichnung gestattet wird (in diesem Sinne auch v. Gamm, WZG, § 8 Rdnr. 22, vorgelegt als Anlage LSG 43 sowie Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 10. Auflage, Anh zu § 8 Rdnr. 6, vorgelegt als Anlage PBP 3).

dd) Dies zugrunde legend ist die Vereinbarung 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung zu bewerten. Denn mit dieser Vereinbarung hat die Beklagte der … AG nicht etwa ein Nutzungsrecht an ihren vier eingetragenen Warenzeichen eingeräumt, sondern der … AG die Benutzung eines eigenen, von den Warenzeichen der Beklagten deutlich abweichenden Zeichens in der nachfolgenden Aufmachung
gestattet. Für diesen Befund spricht zudem, dass die Überschrift der Vereinbarung 1974 von „Lizenzvertrag“ (wie noch im als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf vorgesehen) von den auf das Warenzeichenrecht spezialisierten anwaltlichen Vertretern der Vertragsparteien abgeändert wurde in „Vereinbarung“, und dass die Vereinbarung keine Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten vorsieht (so auch Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357 m.w.N.) und darüber hinaus auch - anders als im Entwurf, in dem noch eine Zahlung „zur Abfindung der Lizenzgebühr“ vorgesehen war - von einer Lizenzgebühr abgesehen und stattdessen eine einmalige Abstandszahlung vereinbart wurde. Gegen die Einräumung einer Lizenz spricht zudem, dass die … AG nach der getroffenen Vereinbarung eine starke Stellung behält, die die Beklagte ihren Lizenznehmern - wie die als Anlagen PBP 35 bis PBP 41 vorgelegten Lizenz- und Abfüllverträge beispielsweise hinsichtlich der Vorgaben zum Bezug des bei der Herstellung zu verwendenden Grundstoffes (§ 3) oder zu den zu verwendenden Gebinden und deren Aufmachung (§ 6) sowie zur Unterwerfung unter ständige und regelmäßige Kontrollen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung des Zeichens und der einheitlichen Qualität und Zusammensetzung des Getränkes (§ 3) belegen - üblicherweise nicht zugesteht.

Dass in der Tat in der unterschriebenen Fassung an einigen Stellen der Begriff „Lizenz“ enthalten ist (etwa in Ziffern 2, 4 und 9), steht der Einordnung der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen und mag entweder redaktionellen Ungenauigkeiten oder dem Umstand geschuldet sein, dass Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mit Nichtangriffsabreden mitunter auch als „Negativlizenz“ bezeichnet werden. Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet, vgl. dazu etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 8 mit Verweis auf BGH NJW 1658 Tz. 12; grundlegend RG BeckRS 1920, 100367 - Haakjöringsköd). Und auch der Umstand, dass sich die … AG in Ziffer 2 der Vereinbarung 1974 zur Anbringung eines Lizenzvermerks „Lizenz Spezi Wz 705 093“ verpflichtet hat, vermag an der Rechtsnatur der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nichts zu ändern. Denn nach dem übereinstimmenden Parteivortrag sollte mit der Anbringung dieses Hinweises auf den Etiketten der … AG nach außen hin eine Schwächung der Warenzeichen der Beklagten verhindert werden, ohne dass dies einen tieferen Sinn im Verhältnis der beiden Vertragsparteien gehabt hätte - das nach diesem Vermerk vorgeblich lizenzierte Zeichen „Ein Spezi muS dabei sein sollte von der … AG zu keinem Zeitpunkt benutzt werden.

4. Dass Gegenstand der Vereinbarung 1974 Zeichennutzungen sind, die - je nach vertretener Rechtsauffassung - nach § 23 MarkenG freigestellt sein könnten, steht der Wirksamkeit dieser Vereinbarung darüber hinaus nicht entgegen, weil durch diese gerade etwaige rechtliche Zweifel beseitigt werden sollten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 43 mit Verweis auf BGH GRUR 2012, 910 - Delcantos Hits).

III. Die Vereinbarung 1974 konnte als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung von der Beklagten nicht wirksam gekündigt werden.

1. Vertragliche Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten enthält die Vereinbarung 1974 nicht.

2. Nach überwiegender und auch von der erkennenden Kammer vertretenen Auffassung sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar (arg. ex §§ 314, 544 BGB). Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte kann durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen besteht deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn - wie im Streitfall - mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt war, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt haben (vgl. zu Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen BGH GRUR 2011, 641 Rdnr. 47 - Jette Joop sowie BGH GRUR 2002, 703 - VOSSIUS & PARTNER; BeckOK/Mielke, MarkenG, 30. Edition, Stand: 01.07.2022, § 14 Rdnr. 29; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 55; Fezer, MarkenG, 4. Auflage, § 14 Rdnr. 1101; Harte-Bavendamm/v. Bomhard GRUR 1998, 530; Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357, 1360; offenlassend („jedenfalls aus wichtigem Grund“) Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rdnr. 302 mit Verweis auf § 15 Rdnr. 37; zur Geltungsdauer von Unterlassungsverpflichtungen allgemein BGH NJW 2012, 3162). Die Vereinbarung 1974 konnte daher durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.05.2021 bzw. 27.04.2022 nicht ordentlich gekündigt werden.

Diesem Ergebnis stehen die von der Beklagten zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen, lange vor Einführung des § 314 BGB durch das SchuldRModG ergangenen Entscheidungen BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender und BGH GRUR 1970, 528 - Migrol nicht entgegen:

In der Entscheidung BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender ging es um die Frage der Kündbarkeit eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet auf die Überlassung der drucktechnischen Herstellung eines Kalenders auf unbestimmte Zeit. Eine solche ständige Vertragsbeziehung ist aber schon ihrem Wesen nach nicht mit einer kennzeichenrechtlichen Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung vergleichbar, die gerade die Rechtsbeziehung zweier Parteien in Bezug auf die jeweiligen Zeichennutzungen endgültig regeln und die Schutzbereiche voneinander abgrenzen soll. Zudem knüpfte der BGH im Falle „Postkalender“ die ordentliche Kündbarkeit des dortigen Dauerschuldverhältnisses an die Berücksichtigung aller wesentlichen Begleitumstände unter Abwägung der Interessenlage der Vertragsparteien nach Treu und Glauben und den Verkehrssitten. Im Streitfall aber würde eine ordentliche Kündbarkeit schon an den an einer endgültigen Streitbeilegung ausgerichteten Interessen der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung 1974 scheitern.

Der Entscheidung BGH GRUR 1970, 528 - Migrol hingegen lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem es um die Kündigung einer Vereinbarung ging, durch die einem anderen die Benutzung einer Bezeichnung ohne zeitliche Begrenzung gestattet worden war. In diesem Fall hat der BGH eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit wegen der Besonderheiten des Falles in Erwägung gezogen, denn der dortigen Beklagten wurde die Benutzung einer eng an den bekannten und wertvollen Firmennamen „Migros“ angelehnten Bezeichnung unentgeltlich gestattet; zudem stellte die getroffene Vereinbarung ein noch ergänzungsbedürftiges Provisorium dar. Beides trifft auf die Vereinbarung 1974 indes nicht zu. Weder wurde diese unentgeltlich geschlossen, noch hat diese einen lediglich provisorischen Charakter; im Gegenteil beinhaltet die Vereinbarung 1974 vielmehr eine dauerhafte Konfliktlösung.

3. Auch die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der miet- und pachtrechtlichen Vorschriften der §§ 581 Abs. 2, 544 BGB greift im Streitfall nicht. Die genannten Vorschriften sind auf kennzeichenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht analog anzuwenden. §§ 581 Abs. 2, 544 BGB sollen sicherstellen, dass die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zeitlich begrenzt ist. „Ewige“, vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. „Erbmieten“ oder ähnliche Verhältnisse sollen hierdurch verhindert werden, weil die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums außerhalb des numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte nicht schuldrechtlich gefährdet werden soll. Verpflichtungen für darüberhinausgehende Zeiträume sollen jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Mehle, BGB, Stand: 01.04.2022, § 544 Rdnr. 2 sowie BGH NJW 2012, 3162 Rdnr. 16). Mit der Vereinbarung 1974 werden aber gerade keine Nutzungsrechte an einem etwaigen (Waren-) Zeichen der Beklagten eingeräumt, sondern es wurde - lediglich - ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) in Form einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung getroffen (siehe dazu B.II.3.). Die Interessenlage ist daher nicht im Ansatz vergleichbar, weshalb sich die von der Beklagten in Erwägung gezogene Analogie verbietet.

4. Aus den genannten Gründen scheidet eine außerordentliche Kündigung der Beklagten in analoger Anwendung der §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB ebenfalls aus; die Vereinbarung 1974 hat keine Gebrauchsüberlassung zum Inhalt.

5. Einer wirksamen außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung 1974 nach § 314 Abs. 1 BGB steht jedenfalls entgegen, dass kein wichtiger Grund für eine solche außerordentliche Kündigung der Beklagten gegeben ist. Bei der Definition des wichtigen Grundes i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst an § 626 Abs. 1 BGB angelehnt. Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt danach vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten ist (vgl. BeckOGK/Martens, BGB, Stand: 01.07.2022, § 314 Rdnr. 26). Der Kündigungsgrund muss außerdem aus dem Einflussbereich des Kündigungsgegners kommen und ihm zurechenbar sein (vgl. etwa BeckOK/Wiederhold, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 543 Rdnr. 7). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall: Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.

6. Und schließlich besteht auch keine ordentliche oder außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der Beklagten nach §§ 705, 723 Abs. 1 BGB. Denn die Parteien der Vereinbarung 1974 haben anders als die Parteien in den Entscheidungen RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I und BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis begründet, sondern haben sich im Gegenteil voneinander abgegrenzt. In der Entscheidung BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club haben die Parteien einen unentgeltlichen Lizenz- oder Gestattungsvertrag über die Nutzung der klägerischen Marke geschlossen, was eine Anwendung gesellschaftsvertraglicher Vorschriften rechtfertigt. In der Entscheidung RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I hingegen hat die Rechtsvorgängerin der dortigen Beklagten der dortigen Klägerin die Benutzung deren eigenen Warenzeichens gestattet. In dieser Gestattungsvereinbarung verpflichteten sich die Vertragsparteien gegenseitig, das in Rede stehende Motiv gegen Verletzungen von dritter Seite zu schützen und ggf. Widerspruch gegen Eintragungen Dritter einzulegen sowie sich wechselseitig über Zeichenverletzungen Dritter zu informieren und bei der Rechtsverfolgung zu unterstützen. Diese Verpflichtungen gehen weit über das hinaus, was die Parteien der Vereinbarung 1974 in der dortigen Ziffer 6 - die im Vergleich zum als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf (dort Ziffer 5) nochmals stark abgeschwächt worden war - vereinbart haben. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich daher deutlich von der hier zu entscheidenden Konstellation, in der die Parteien der Vereinbarung 1974 sich gerade dazu entschlossen haben, nach Leistung einer einmaligen Abstandszahlung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin endgültig getrennte Wege zu gehen.

C. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten stehen die gegen die Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin mit der von der Beklagten beanstandeten Zeichennutzung die Widerklagemarken nicht verletzt. Weil die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG (dazu oben B.I) Vertragspartei der Vereinbarung 1974 geworden ist, die durch die Beklagte nicht wirksam gekündigt werden konnte (dazu oben B.III), erfolgt die Zeichennutzung durch die Klägerin, die unbestritten die Vorgaben dieser Vereinbarung einhält, schon nicht „ohne Zustimmung des Markeninhabers“ i.S.v. § 14 Abs. 2 MarkenG, sondern vielmehr mit ausdrücklicher Zustimmung der Beklagten. Auf die weiteren zwischen den Parteien hochstreitigen, diffizilen kennzeichenrechtlichen Fragen einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerklagemarken, eines Verfalls der Widerklagemarken wegen Wandels zur gebräuchlichen Bezeichnung, einer markenmäßigen Benutzung des beanstandeten Zeichens auf den Etiketten der Klägerin und des Bestehens von Doppelidentität oder Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Zeichen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Wettbewerbswidrige Irrführung nach § 3 HWG durch Bewerbung eines Grippemittels mit Slogan "Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste"

LG München
Urteil vom 27.09.2022
1 HK O 3681/22


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irrführung nach § 3 HWG durch Bewerbung eines Grippemittels mit dem Slogan "Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste“ vorliegt. Ein Durchschnittsverbraucher versteht den Slogan so, dass durch die Einnahme der Arznei, die schlimmsten Symptome verhindert werden können. Tatsächlich tritt aber nur eine Linderung ein. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG München: Zur Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen und der Geltendmachung des Einwands nach § 145 PatG

LG München
Beschluss vom 12.10.2022
21 O 513/22 und 21 O 515/22


Das LG München hat mit der Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen und der Geltendmachung des Einwands nach § 145 PatG befasst.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Zur Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen

Die 21. Zivilkammer (Patentstreitkammer) hat heute in einem internationalen Rechtsstreit zwischen zwei Technologieunternehmen den Antrag der Beklagten auf abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über den Zulässigkeitseinwand nach § 145 PatG mit Beschluss zurückgewiesen.

Die Verfahren mit den Az. 21 O 513/22 und 21 O 515/22 sind Teil eines großen, international geführten Rechtsstreits zweier Unternehmen, die wechselseitig eine Vielzahl von Patentverletzungsklagen erhoben haben. In Deutschland sind vor mehreren Landgerichten Klagen rechtshängig. Vor dem Landgericht München I hat die Klägerin die Verletzung von sechs verschiedenen Klagepatenten durch diverse Konzerngesellschaften der Beklagtenseite geltend gemacht. Fünf dieser Klagepatente sollen nach Meinung der Klägerin standardessentiell für die Mobilfunkstandards 4G (LTE) und 5G sein.

Die 21. Zivilkammer hat am 14.09.2022 den ersten Verhandlungstermin in dem Streitkomplex durchgeführt.

In den oben genannten Verfahren haben die Beklagten den Einwand nach § 145 PatG erhoben. Sie meinen, die Klagen vor dem Landgericht München I seien bereits unzulässig. Denn sie hätten „gleichartige Handlungen“ wie die Klagen vor einem anderen Landgericht zum Gegenstand, diese seien aber (zumindest zum Teil) früher zugestellt (und damit erhoben) worden. Die Beklagten haben daher im frühen ersten Termin nach dem Münchner Verfahren in Patentstreitsachen beantragt, die Kammer solle über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 Abs. 1 ZPO abgesondert verhandeln und die Klagen wegen Unzulässigkeit nach § 145 PatG endgültig abweisen.

§ 280 Abs. 1 ZPO räumt der Kammer ein Ermessen ein. Dieses hat sie dahingehend ausgeübt, keine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage anzuordnen und derzeit kein Urteil über die Zulässigkeit der Klage zu erlassen.

Die Kammer führt aus, es sei jetzt noch nicht an der Zeit, über die Zulässigkeit der Klage und insbesondere über den Einwand der Beklagten nach § 145 PatG eine verbindliche Entscheidung zu treffen. Es bestehe derzeit (noch) keine Entscheidungsreife, weil der Gegenstand des Klagepatents bislang nicht hinreichend geklärt sei und daher keine hinreichende Vergleichsmöglichkeit zu dem Gegenstand der Verfahren vor dem anderen Landgericht bestehe.

Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus:

„Es widerspricht dem der Regelung des § 280 ZPO zugrundeliegenden Gedanken der Prozessökonomie, sich bereits zu diesem (frühen) Zeitpunkt (im Verfahren) – dann aber insoweit abschließend – mit zahlreichen technischen Aspekten auseinanderzusetzen und diese verbindlich zu entscheiden. Insbesondere müsste sich die Kammer bereits jetzt umfassend und abschließend mit der – sowohl für die Begründetheit und die Aussetzung maßgeblichen – Auslegung der Patentansprüche befassen, um eine insgesamt widerspruchsfreie Behandlung des Verfahrens sicherzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die durch die Klägerin aufgeworfene Frage des Verschuldens und dafür, ob die Klägerin der Einrede der Beklagten erfolgreich die Gegeneinrede des mangelnden Verschuldens entgegenhalten kann, weil auch insofern im Einzelfall zahlreiche technische Details eine Rolle spielen (können), die jedoch erst zu gegebener Zeit, später, von der Kammer hinreichend beurteilt werden können.“

Der in beiden Verfahren ergangene Beschluss ist unanfechtbar.

Trotz des Beschlusses heute bleibt der Einwand nach § 145 PatG bestehen. Über den Einwand wird nach dem Haupttermin zu entscheiden sein.

Die 21. Zivilkammer wird in o.g. Verfahren am 21.12.2022 über den von den Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) verhandeln. Haupttermin in der Sache ist auf den 15.03.2023 bestimmt.



Zum Hintergrund:

I. § 145 PatG regelt die sog. Konzentrationsmaxime. Die Norm besagt:

„Wer eine Klage nach § 139 erhoben hat, kann gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen.“

Wegen der Konzentrationsmaxime und aus Sorge, dass eine Klage unzulässig sein könnte, werden Klagen wegen derselben oder gleichartigen Handlungen, auch wenn sie mehrere Klagepatente betreffen, regelmäßig in einer Klageschrift zusammengefasst. Solche Klageschriften sind teils sehr umfangreich. So umfasst die Klageschrift in dem Verfahren 21 O 513/22 fünf Klagepatente. Allein die Klageschrift ist 535 Seiten lang, hinzu kommen zahlreiche Anlagen.

Auch wenn die Patente wegen § 145 PatG in einer Klageschrift geltend gemacht werden, handelt es sich um mehrere Verfahren. Die verschiedenen Patente bilden grundsätzlich unterschiedliche Streitgegenstände (andere Anträge, andere Lebenssachverhalte). Auch die technischen Fragen sind regelmäßig von Patent zu Patent andere. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit und der Verhandelbarkeit ist daher in aller Regel eine Abtrennung geboten, geordnet nach den verschiedenen Klagepatenten.

Gleiches gilt, wenn die Klägerseite eine bereits anhängige Klage – wiederum wegen § 145 PatG – um einen neuen Antrag betreffend ein weiteres Patent erweitert.

II. Das Münchner Verfahren in Patentstreitsachen wird seit 2009 von den Patentstreitkammern am Landgericht München I praktiziert. In den Jahren 2019 bis 2020 wurde es vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb evaluiert. Kernpunkte sind die Durchführung zweier Termine in der Sache („erster Termin“ und „zweiter Termin“) und ein strenges Fristenregime. Die Durchführung des (frühen) ersten Termins dient der Konzentration auf die wesentlichen Punkte des Verfahrens. In dem ersten Termin werden primär Auslegung des Klagepatents und dessen Verletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen diskutiert. Die regelmäßig erforderliche Diskussion über den Rechtsbestand des Klagepatents ist dem zweiten Termin vorbehalten. Sofern die Klägerin standardessentielle Patente geltend macht und die Beklagte sich mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand verteidigt, findet häufig ein weiterer „FRAND-Termin“ statt, in dem über die Bemühungen der Parteien um den Abschluss eines fair, reasonable and non discriminatory (FRAND) Lizenzvertrages gesprochen wird.

Diese mit zwei bis drei Terminen aufwändige Verhandlungsleitung hat zum Ziel, in einem für beide Seiten fairen und transparenten Verfahren schnellen und effektiven Rechtsschutz bereitzustellen.