Skip to content

OLG Stuttgart: Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien ist unzulässige Schmähkritik

OLG Stuttgart
Urteil vom 29.11.2023
4 U 58/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien eine unzulässige Schmähkritik ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart: Bezeichnung als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ist eine Schmähkritik, die nicht hingenommen werden muss

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute den Autor eines Facebook-Beitrags, in dem eine deutsche Politikerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet wird, zur Unterlassung verurteilt und insoweit die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert. Hinsichtlich des über den Unterlassungsanspruch hinaus geltend gemachten Geldentschädigungsanspruchs blieb die Klage allerdings ohne Erfolg.

Die Klägerin, die unter anderem als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei und als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts tätig war, hat auf Twitter Dieter Nuhr als Reaktion auf einen Beitrag in dessen Sendung „Nuhr im Ersten“ kritisiert und dabei u.a. die Worte „ignorant, dumm und uninformiert“ verwendet. Hierzu hat der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg auf Facebook Stellung genommen. Unter diesem Beitrag hat der Beklagte kommentiert: „Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.“ Die Klägerin hat den Beklagten wegen dieses – mittlerweile gelöschten – Beitrags zunächst abmahnen lassen und sodann Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld erhoben. Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben. Das Landgericht Heilbronn hat die Klage in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen und ausgeführt, der Beitrag sei jedenfalls noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Entscheidung des Senats

Der Senat hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben.

Bei der Äußerung handele es sich um eine Schmähkritik, für die der Beklagte hafte, weil er seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen habe, die eine nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen ließen. Zudem sei der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, denn er habe sich mehrfach von den Äußerungen distanziert, gleichzeitig den Beitrag aber damit verteidigt, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres (vom Beklagten näher beschriebenen) eigenen Verhaltens „fertig zu machen“.

Bei der Annahme einer Schmähung sei zwar grundsätzlich Zurückhaltung geboten, im Fall des Beklagten sei aber davon auszugehen, weil bei seinem Beitrag nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe und seine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe, sondern es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher gehe:

Mit der Aussage auf dem Facebook-Nutzerkonto des Beklagten werde die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handele sich um eine Äußerung, die durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret: dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwertende und diffamierende Komponente enthalte, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG). Die Aussage stehe zwar im Kontext der Beiträge der Klägerin und des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Brandenburg und knüpfe damit äußerlich an eine – öffentlich geführte – Auseinandersetzung an, sei aber völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem die Klägerin nur persönlich beschimpft und angegangen werde. Auch wenn die Klägerin zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwandt habe – „ignorant, dumm und uninformiert“ –, könne der unsägliche Kommentar des Beklagten nicht mehr als adäquate Reaktion auf das Vorverhalten der Klägerin angesehen werden.

Bei der Aussage „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ handele es sich ebenfalls um ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Darin sei eine Herabsetzung von Immigranten zu sehen und der Klägerin angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Auch insoweit fehle jeglicher Bezug zu der Diskussion um das Verhalten des Kabarettisten Dieter Nuhr, weshalb auch diese Aussage allein dazu diene, die Klägerin verächtlich zu machen.

Den ebenfalls geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch hat der Senat mit der Begründung verneint, dass es trotz der eheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung an dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzten unabwendbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung fehle, zumal die Klägerin selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst habe und der streitgegenständliche Beitrag zeitnah gelöscht worden sei. Vor diesem Hintergrund sei der zugesprochene Unterlassungstitel ausreichend.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, nachdem es sich um einen Einzelfall handele; eine grundsätzliche Bedeutung sei nicht erkennbar. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

OLG Stuttgart - 4 U 58/23 - LG Heilbronn - 8 O 85/22



OLG Frankfurt: Twitter- / X-Kommentar mit "#DubistEinMann“ zum Post einer Transfrau zum Thema "Terf" keine Schmähkritik und von Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt

OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 26.09.2023
16 U 95/23


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Twitter- / X-Kommentar mit "#DubistEinMann“ zum Post einer Transfrau zum Thema "Terf" keine Schmähkritik darstellt und von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Keine Schmähkritik „#DubistEinMann“ ist eine zulässige Meinungsäußerung

Die Beklagte kommentierte einen Beitrag der Klägerin auf der Plattform „X“ u.a. mit „#DubistEinMann“. Diese Aussage ist unter Berücksichtigung des Kontextes und nach Abwägung der involvierten Interessen als zulässige Meinungsäußerung einzuordnen, beschloss das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung und folgte damit der Einschätzung des Landgerichts. Die Klägerin nahm daraufhin ihren Eilantrag zurück.

Die Klägerin ist als Journalistin tätig. Sie ist Transfrau und Aktivistin. Ebenso wie die Beklagte ist sie auf der Plattform „X“, vormals Twitter, aktiv. Die Klägerin veröffentlichte dort den Beitrag: „Beim @Frauenrat tummeln sich gerade jede Menge #TERF #TERFs in den Kommentaren. Gebt dem Frauenrat doch mal ein wenig Support (Herz-Emoji)“. Die Beklagte kommentierte dies mit „8 likes (Smiley-Emoji mit lachendem Gesicht und Schweißtropfen) times changed! #DubistEinMann“. Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Eilverfahren es zu unterlassen, hinsichtlich ihrer Person zu verbreiten, „sie sei ein Mann“. Das Landgericht hatte den Antrag zurückgewiesen.

Diese Einschätzung teilte auch das OLG. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die streitgegenständliche Äußerung unterlassen werde, bestätigte das OLG die landgerichtliche Entscheidung im Rahmen seines Hinweisbeschlusses. Der Aussagegehalt der angegriffenen Äußerung sei im Kontext mit dem sonstigen Inhalt des Tweets aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Lesers zu ermitteln. Demnach kommentiere die Beklagte die Äußerung und den Aufruf der Klägerin und bekunde ihre ablehnende Meinung zu dem in dem verlinkten Beitrag des Deutschen Frauenrates thematisierten Recht auf Selbstbestimmung und Transgeschlechtlichkeit. Der Post der Beklagten stelle sich als Antwort auf den Post der Klägerin und den dort verlinkten Beitrag des Deutschen Frauenrates dar. Vor dem angefügten Hashtag befinde sich der eigentliche Kommentar der Beklagten. Das Smiley-Emoji solle die Witzigkeit unterstreichen. Mit ihrem Kommentar bringe die Beklagte zum Ausdruck, dass das Thema an gesellschaftspolitischer Bedeutung verloren und die Einstellung hierzu sich geändert habe.

„Aufgrund der Schreibweise der nachfolgenden Äußerung ohne Leerzeichen und der atypischen Großschreibung des unbestimmten Artikels „ein“ sowie der Einkleidung als Hashtag versteht der Leser diese (#dubistEinMann) nicht als persönliche Ansprache der Klägerin im Sinne einer direkten Rede, sondern als verallgemeinernde, d.h. an jede Transfrau gerichtete Aussage“, vertiefte das OLG. Der Begriff „Mann“ korreliere für den Leser erkennbar mit dem von der Klägerin in ihrem Hashtag verwendeten Akronym „terf“ (Trans-Exclusionary Radical Feminist), „der für einen Feminismus steht, der transFrauen ausschließt und ausdrücken soll, dass die damit bezeichnete „transgeschlechtliche“ Personen, insbesondere Transfrauen, diskriminiert oder die Transidentität als solche infrage gestellt wird“. Prägend für die Lesart des Lesers sei auch, dass Hashtags insbesondere zur Verschlagwortung und Indexierung von Inhalten genutzt würden; durch die Verknüpfung mit anderen Beiträgen solle gerade Öffentlichkeit generiert werden.

Das Landgericht habe auch zu Recht verneint, dass hier Schmähkritik vorliege. Der Äußerung lasse sich nicht entnehmen, dass die Beklagte die Klägerin losgelöst vom Inhalt ihres Posts und des damit verlinkten Beitrags des Deutschen Frauenrats und damit abseits der Sachdebatte als Person herabwürdigen und diffamieren wolle.

Dem Recht der Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit gebühre hier gegenüber dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihrer geschlechtlichen Identität der Vorrang. Zu berücksichtigen sei u.a., dass sich die Klägerin wiederholt selbst aktiv in die Öffentlichkeit begeben und das Selbstbestimmungsrecht und ihr eigenes Geschlecht zum Gegenstand eines gesellschaftlichen Diskurses gemacht habe. Mit den von der Klägerin gesetzten Hashtags habe diese bewusst die dahinterstehende „Community“ angesprochen. Der hier thematisierte Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes und die damit verbundenen Wirkungen berührten die Öffentlichkeit wesentlich.

Die Klägerin hat nach Erhalt des Hinweisbeschlusses des OLG ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Damit ist die landgerichtliche Entscheidung wirkungslos.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 26.9.2023, Az. 16 U 95/23

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 6.7.2023, Az. 2-03 O 228/23)


LG Nürnberg: Richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk ist die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags

LG Nürnberg
Urteil vom 22.08.2023
11 O 6693/21


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist in ihrer zuletzt geänderten Fassung nur teilweise zulässig.

I. Es liegt eine zulässige Klageänderung vor.
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2022 (Bl. 94 ff. d. A.) den Klageantrag Ziffer 5 um einen Hilfsantrag erweiterte, liegt eine Änderung des Sachantrags, mithin eine Klageänderung vor.

2. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Die sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage liegen nur teilweise vor, da die Klageanträge Ziffer 2 und Ziffer 5 bereits unzulässig sind.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international, sachlich und örtlich zuständig.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig, Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist nach vorstehenden Ausführungen auch örtlich zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beruht auf § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit von der in dem Klageantrag Ziffer 2 genannten Sperre, Nutzungseinschränkung, Entfernung und Unterbindungshandlung begehrt. Der Klageantrag zielt insoweit nicht auf die Feststellung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ab (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2022 – 14 U 270/20, juris Rn. 58 ff. mwN).

Der Aspekt, ob eine Kontensperrung rechtswidrig war, stellt kein Rechtsverhältnis dar, da die Qualifizierung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet und daher kein Rechtsverhältnis zwischen Personen begründet. Von daher spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtswidrigkeit von erfolgten Sperren eine Vorfrage bei der Entscheidung über andere Klageanträge darstellt. Schließlich erweist sich der Feststellungsantrag auch unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig.

3. Ebenfalls unzulässig ist die Klage mit ihrem Klageantrag Ziffer 5 nebst Hilfsantrag.

a. Der Unterlassungsantrag ist – auch in der Fassung des Hilfsantrags – nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, sind in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Vorliegend gibt der Unterlassungsantrag zwar nicht einen Gesetzeswortlaut wieder, sondern knüpft an eine Handlung der Beklagten – die Vornahme einer Sperre des Klägers auf www.facebook.com – an. Dennoch entspricht das Klagebegehren in seiner Wirkung faktisch der bloßen Wiederholung einer Rechtslage, nämlich der Rechtslage in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 59).

b. Zudem darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Fall der Kontosperre als Verletzungshandlung bzw. als Handlung, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, gibt es nicht. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass von einer Anhörung vor Durchführung der Maßnahme in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Außerdem kann z. B. ein Wiederholungsfall vorliegen, der eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich macht. Von daher ist die Verletzungshandlung, an die der geltend gemachte Unterlassungsanspruch anknüpft, nicht hinreichend bestimmt. Ließe man den Antrag zu, hätte die Beklagte keine Möglichkeit, sich umfassend und adäquat zu verteidigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 60).

c. Schließlich handelt es sich bei dem Begehren des Klägers inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf zukünftiges positives Tun (Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre). Eine solche Klage ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden ist. Ein Anspruch auf Information kann aber nicht vor Vornahme der entsprechenden Handlung (hier: Einstellung eines Posts, der zu einer Sperre Anlass geben könnte) entstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 61).

B. Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, überwiegend unbegründet.

I. Der auf die Freischaltung des am 14.08.2021 gelöschten Beitrags (Klageantrag Ziffer 3) ist begründet, da der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch hat, den von ihr am 14.08.2021 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, der aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten dem deutschen Recht unterliegt (so auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 38). Gemäß Nr. 1 ihrer Nutzungsbedingungen hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 40).

2. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags verstoßen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich insoweit nicht auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 der (…)-Nutzungsbedingungen i.V.m. den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ berufen. Denn ausgehend von der in den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ geregelten Definition enthält der Beitrag des Klägers keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards.

a. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 mwN). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31). Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich von Sanktionen diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2003, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris 33 ff.). Anders bei Unterlassungsansprüchen: Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 34). Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 35).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten vor. Denn die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Beitrag beanstandeten Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt im vorliegenden Kontext keinen direkten Angriff auf Personen dar, auch wenn durch die Äußerung eine bestimmte Personengruppe aufgrund ihrer nationalen Herkunft identifizierbar ist.

aa. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt bereits ausgehend von dem objektiven Wortlaut und auch unter Berücksichtigung des Kontexts keine gewalttätige oder menschenverachtende Sprache und auch keinen Aufruf, Personen auszugrenzen oder zu isolieren, dar.

bb. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt überdies in der Zusammenschau der gegebenen tatsächlichen Umstände nicht eine als Hassrede definierte Aussage über Minderwertigkeit, schädliche Stereotypisierung oder einen Ausdruck der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung oder Beschimpfung dar. Denn die Äußerung des Klägers ist mehrdeutig und von der Beklagten ist – ausgehend von dem oben dargestellten Maßstab – bei der Prüfung der Löschung die für den Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen.

(1) Zwar kann die Äußerung des Klägers, wie von der Beklagten behauptet, von einem Durchschnittsleser im Gesamtkontext als eine Aussage über die Minderwertigkeit der deutschen Bevölkerung bzw. Ausdruck der Verachtung gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgelegt und verstanden werden.

Zum einen ist die Aussage „verblödet“ bereits nach dem Wortsinn ein Ausdruck der Verachtung und Minderwertigkeit. In den Gemeinschaftsstandards ist zudem definiert, dass es sich bei dem Wort „blöd“ um eine verbotene Verallgemeinerung handelt, die Minderwertigkeit aufgrund geistiger Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeit zum Ausdruck bringe.

Die Äußerung des Klägers könnte vor diesem Hintergrund somit dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt oder jedenfalls ein repräsentativer, „typischer“ Deutscher“ „verblödet“ sei. Damit würde allen Menschen deutscher Nationalität verallgemeinernd verminderte intellektuelle Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch der Gesamtkontext würde einem solchen Verständnis nicht entgegenstehen. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes kann die Äußerung dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft über geringere geistige Fähigkeiten verfüge und sich daher leicht täuschen und ausnutzen lasse.

(2) Zugleich kann die Äußerung von einem Durchschnittsleser allerdings auch als Selbstkritik bzw. Selbstironie im Rahmen einer aktuellen politischen Diskussion über den Klimawandel verstanden werden. In diesem Fall würde die Äußerung des Klägers nicht unter die Definition der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards fallen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung, wie von dem Kläger vorgetragen, im Gesamtkontext dahingehend versteht, dass die beanstandete Wertung lediglich an das Verhalten und die Einstellung der Deutschen in Bezug auf den Klimawandel und die Klima- bzw. CO₂-Politik („grüner Ökowahn“) im internationalen Vergleich anknüpfe. Die Äußerung kann in diesem Gesamtkontext aufgrund der weiteren Aussagen „Autofahrer schröpfen“, „Industrie knebeln“ sowie der Aussage zur Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland dahingehend verstanden werden, dass der Kläger die Deutschen kritisiere, dass diese einem „grünen Ökowahn“ unterlägen, der mit Nachteilen für die Deutschen und die deutsche Wirtschaft verbunden sei, während den Rest der Welt bzw. andere Länder der Klimawandel und Belastung der Umwelt nicht interessiere bzw. andere Länder auch noch von dem „Ökowahn“ der Deutschen profitieren würden, weil Produktionsstandorte von Deutschland ins Ausland verlagert werden.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die Äußerung als (überspitzt formulierte) Selbstkritik bzw. Selbstironie und nicht als Ausdruck der Minderwertigkeit versteht.
42
(3) Da es sich bei der Löschung des Beitrags um eine Sanktion der Beklagten dem Kläger gegenüber handelt, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Löschung aufgrund des oben dargestellten Maßstabes die für den Kläger günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Da die Äußerung, wie bereits dargestellt, auch dahingehend verstanden und ausgelegt werden kann, dass keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards vorliegt, war die Löschung rechtswidrig und der Beitrag ist wiederherzustellen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 71 d. A. Rückseite) geltend macht, andere Gerichte hätten bereits entschieden, dass eine Darstellung der Deutschen als dumm bzw. intellektuell minderbemittelt eine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstelle, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entsprechende Urteile sind weder veröffentlicht noch vorgelegt. Es kann daher nicht überprüft werden, ob die den Entscheidungen zugrunde liegenden Äußerungen mit der streitgegenständlichen Äußerung im konkreten Zusammenhang identisch sind.

c. Da der streitgegenständliche Beitrag mangels Erfüllung eines dort genannten Straftatbestands auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellt, kommt eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht.

3. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die in der Entfernung des Beitrags bestehende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte zur Wiederherstellung des Beitrags verpflichtet. Denn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden des Klägers besteht darin, dass sein Beitrag auf der Plattform der Beklagten nicht mehr gespeichert ist und von den anderen Nutzern nicht mehr gelesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 111).

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Fragen der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Drittwirkung von Grundrechten, sowie deren wirksame Einbeziehung und des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht entscheidungserheblich an.

II. Der auf die Unterlassung einer künftigen Löschung des in Klageantrags Ziffer 3 enthaltenen Beitrags gerichtete Klageantrag (Klageantrag Ziffer 4) ist unbegründet. Denn die künftige Löschung des streitgegenständlichen Beitrags kann der Beklagten – unabhängig von der Anspruchsgrundlage – nicht untersagt werden (vgl. zum Folgenden: OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, juris Rn. 54 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, juris Rn. 32). Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen Textes, dessen Löschung der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des künftigen Textbeitrags durch die Beklagte unzulässig wäre.

III. Ein Anspruch auf Datenberichtigung (Klageantrag Ziffer 1) besteht – unabhängig von der Zulässigkeit erfolgter Maßnahmen – nicht.

1. Zwar kann eine betroffene Person nach Art. 16 Satz 1 DS-GVO von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte vorgenommene Löschungen und Sperrungen in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich jedoch nicht um unrichtige Daten. Soweit die gespeicherten Daten Werturteile der Beklagten über das Vorliegen von Vertragsverstößen beinhalten sollten, könnte auch insoweit keine Datenberichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachen, sondern um rechtliche Bewertungen handelt, die schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen sind, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten. Der Beklagten ist es mithin nicht verwehrt, ihre Auffassung zu vermerken, etwaige Löschungen und Sperrungen seien rechtmäßig gewesen, ohne dass damit ein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden wäre. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, wonach von der Beklagten gespeicherte Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage seien (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, juris Rn. 95 ff.).

b. Soweit der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz begehrt, sieht Art. 16 Satz 1 DS-GVO eine solche Rechtsfolge nicht vor. Dem „Recht auf Berichtigung“ kann im Einzelfall auch dadurch – ggf. besser – Rechnung getragen werden, dass unrichtige Daten durch Hinzufügung von Vermerken in korrigierter Weise beibehalten werden.

c. Ein Anspruch auf Löschung gespeicherter Daten steht dem Kläger auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO zu. Denn danach sind personenbezogene Daten auf Verlangen erst dann zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Im Rahmen einer fortgesetzten Nutzung der Dienste der Beklagten ist diese jedoch zur Durchführung des Vertragsverhältnisses darauf angewiesen, Informationen zu etwaigen Löschungen und Sperrungen in den Konten ihrer Nutzer vorzuhalten.

d. Soweit eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Raume steht, Datensätze insoweit zu korrigieren, als ihnen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, ungerechtfertigte Sanktionen des Klägers zugrunde liegen, stehen solche zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19, juris Rn. 178) legt weder schlüssig noch substantiiert dar, welchen konkreten Inhalt die auf Seite 16 der Klageschrift (Bl. 16 d. A.) aufgelisteten und in der Vergangenheit gelöschten Beiträge hatten. Durch die Kammer kann somit nicht überprüft werden, ob vorliegend ein Löschung des jeweiligen Beitrags zulässig war.

IV. Der auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag Ziffer 6 ist unbegründet.

1. Nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 BGB kann der Kläger eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.

Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn mit dem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2021 (Anlage K 13) hat der Klägervertreter die Beklagte unter Ziffer IV.1. lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des gelöschten streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden (so auch OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, juris Rn. 209 ff.).

2. Auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB kann der Kläger die Freistellung von außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verlangen, da sich die Beklagte bei Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug befunden hat. Denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat weder schlüssig dargelegt, dass er die Beklagte vor Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB abgemahnt hat, noch war die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da für die Leistung der Beklagten (Zur Verfügung Stellung der Plattform) keine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auch liegt keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 vor, da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Eintritt des Verzugs nicht rechtfertigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BMDV: Entwurf Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA)

Das BMDV hat den Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.

Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.

B. Lösung

Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:


LG Frankenthal: Bewertender muss Richtigkeit negativer Tatsachen in Online-Bewertung im Streitfall beweisen

LG Frankenthal
Urteil vom 22.05.2023
6 O 18/23


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass ein Bewertender die Richtigkeit negativer Tatsachen in einer Online-Bewertung im Streitfall beweisen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schlechte Bewertung im Online-Portal: Verfasser muss Tatsachen beweisen können
Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss im Zweifel beweisen, dass diese Fakten auch zutreffend sind. Gelingt der Beweis nicht, so kann der Betroffene verlangen, dass die Bewertung unterlassen wird. Dies hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal in einem aktuellen Urteil klargestellt. Den Verfasser einer schlechten Bewertung in einem Online-Portal hat die Kammer dazu verurteilt, eine in seiner Kritik enthaltene negative Behauptung zu löschen.

Ein Mannheimer hatte ein Unternehmen aus Ludwigshafen damit beauftragt, seinen Umzug durchzuführen. Die Durchführung des Auftrags bewertete er einige Zeit später auf einer Online-Bewertungsplattform mit nur einem von fünf möglichen Sternen. Unter anderem behauptete er im Bewertungstext, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt worden sei und sich niemand darum gekümmert habe, den Schaden zu beheben. Der Inhaber des Umzugsunternehmens streitet dagegen ab, dass es zu einem Schaden gekommen sei und sieht die Behauptung des Kunden, man habe sich nicht gekümmert, als rufschädigend für sein Unternehmen an.

Die Kammer gab in ihrem Urteil dem Unternehmer recht: Die negative Äußerung des Kunden in dem Online-Bewertungsportal schade dem Inhaber des Umzugsunternehmens. Dem stehe zwar das Recht des Kunden gegenüber, seine Meinung über den durchgeführten Auftrag in der Bewertung frei äußern zu dürfen. Die im Streit stehende Behauptung, es sei ein Möbelstück beschädigt worden, sei jedoch keine so geschützte Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Denn sie beschreibe etwas, das wirklich geschehen sein soll. Das müsse vom bewerteten Unternehmen nur hingenommen werden, wenn deren Wahrheitsgehalt feststehe. Deshalb müsse derjenige, der in Internet-Bewertungen eine Tatsache behauptet, im Streitfall beweisen, dass diese auch zutreffend ist. Dies war dem Kunden des Umzugsunternehmens nach Ansicht der Kammer nicht gelungen, weswegen sie der Unterlassungsklage des Unternehmens insoweit stattgegeben hat.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 22.05.2023, Az. 6 O 18/23.


LG Flensburg: 10.000 EURO Schmerzensgeld für wahrheitswidrige Behauptung in der Öffentlichkeit dass Person der Stasi angehörte

LG Flensburg
Urteil vom 14.06.2023
7 O 140/20


Das LG Flensburg hat dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EURO für die wahrheitswidrige Behauptung in der Öffentlichkeit, dass die betroffene Person der Stasi angehörte, zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu 1 steht dem Grunde nach bereits rechtskräftig fest (siehe Grund- und Teilurteil).

2. Der Höhe nach hält das Gericht das vom Kläger als Mindestmaß angegebene Schmerzensgeld für sachlich gerechtfertigt und angemessen.

Bei der Bestimmung der Höhe war die Schwere des Eingriffs (siehe Ziffer b)), die persönlichen

Folgen / Beeinträchtigungen des Klägers (siehe Ziffer c)), wie auch der jeweilige Verschuldensgrad seitens des Störers (hier des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen (dazu Ziffer d)).

Nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts, den vorgelegten medizinischen Befunden und Berichten (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.), den Angaben des Klägers und den Zeugenaussagen hält das Gericht – auch mit Blick auf vergleichbare Fälle in der Rechtsprechung – im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 für angemessen.

a) Grundsätzlich hängt die Schmerzensgeldhöhe entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder mit ihnen zu diesem Zeitpunkt als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere der Belastungen wird dabei vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen zu (Leitsatz OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617).

Die Überzeugung des Richters erfordert in dem Zusammenhang keine – ohnehin nicht erreichbare – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ im Hinblick auf die Folgen, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617 m.w.N.). Nach der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität anwendbaren Vorschrift des § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung.

b) Die Qualität des Eingriffs dürfte vorliegend - wenn auch subjektiv auf Klägerseite anders empfunden - eher als mittelschwer zu qualifizieren sein.

Bei der Beurteilung der Qualität des Eingriffs ist einerseits die Art der Behauptung aber auch die Reichweite dieser zu berücksichtigen.

Zweifelsohne ist die vorliegende Art der Behauptung, der Kläger sei Mitglied (sogar „bis 1989 Offizier“) der Stasi gewesen und habe hierbei „viele Werftarbeiter persönlich über die Klinge springen [lassen] durch seine Spitzeltätigkeit“ schwerwiegend und in hohem Maße ehrverletzend. Derartige Behauptungen sind zudem geeignet, das soziale und ggf. politische Ansehen des Klägers zu mindern. Schließlich herrscht heute innerhalb der Bundesrepublik Deutschland allgemeiner Konsens darüber, dass die Stasi für zahlreiche Verbrechen an Menschen verantwortlich ist, die nach damaliger Beurteilung innerhalb der DDR nicht ins dortige System passten. Dass Menschen im Auftrag der Stasi verfolgt, verhaftet, gefoltert und gar getötet worden sind, dürfte heute nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden.

Indes geht das Gericht basierend auf den Angaben der Parteien von einer eher überschaubaren Reichweite der Äußerungen des Beklagten zu 1 aus. Zwar ist es unstreitig sehr wohl möglich gewesen, auf den Blog des Beklagten zu 1 sowie auf sein Buch aufmerksam zu werden, wenn man den Namen des Klägers zusammen mit anderen „Schlagwörtern“ bei der Suchmaschine „google“ eingegeben hat. Indes dürfte der Blog des Beklagten zu 1 mit der Domain „http://…“ ansonsten eher einen geringen „fraffic“ (Anzahl der Besucher auf der Homepage innerhalb eines bestimmten Zeitraums) gehabt haben. Zudem dürfte sich nur eine bestimmte Klientel mit dem Inhalt des Blogs auseinandergesetzt haben. Auch die Auflage des Buches beziehungsweise die bislang (geschätzte) Anzahl der Verkäufe (rund 25-30 mal) bei Amazon („www.amazon.de“) ist im Vergleich zu anderen Fällen verhältnismäßig gering. Hinzu kommt, dass der Kläger in dem Buch nur an vereinzelten Stellen genannt wird, sich das Buch also nicht ausschließlich um seine Person dreht.

c) Die persönlichen Folgen bzw. Beeinträchtigungen auf Seiten des Klägers stuft das Gericht indes als schwerwiegend ein.

Nach der Überzeugung des Gerichts haben die falschen ehrverletzenden Behauptungen des Beklagten zu 1 erhebliche negative psychische Auswirkungen auf den Kläger gehabt mit der Folge, dass dieser in eine schwere emotionale Krise gestürzt ist.

aa) Zum einen hat das Gericht die medizinischen Befunde und Berichte (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.) berücksichtigt. Auf deren Inhalt wird an dieser Stelle vollumfänglich Bezug genommen.

bb) Vor allem aber stützt das Gericht seine Beurteilung auf den eigenen persönlich vom Kläger gewonnenen Eindruck, dessen glaubhafte Darstellung seiner Situation sowie auf die glaubhaften Angaben des Zeugen … .

(1) In der mündlichen Verhandlung vom 22.7.2021, in welcher der Kläger das erste mal informatorisch zur Sache angehört wurde, hat das Gericht bereits den Eindruck gewonnen, dass der Kläger von dem Verfahren und der Situation schwer gezeichnet war. Mit hängenden Schultern und sorgenvoller Mine hat der Kläger damals berichtet, dass ihn die falschen Behauptungen sehr belasten würden. Er sehe seinen guten Ruf in Gefahr und wolle nicht, dass seine ehemaligen Kollegen und Schüler ein derartiges (falsches) Bild von ihm gezeichnet bekämen.

(2) Auch in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2022 wirkte der Kläger auf das Gericht sehr angeschlagen. Es fiel ihm merklich schwer, über die Auswirkungen der Vorwürfe zu sprechen. Dennoch gab er glaubhaft zu Protokoll, dass er sich vor ca. 10 Jahren in psychische Behandlung habe begeben müssen. Damals habe er mit den Folgen eines sog. „Burnout“ zu tun gehabt. Nachdem er diese Krise überwunden hatte, sei die Thematik - aufgrund der Behauptungen des Beklagten zu 1 und dieses Prozesses - jetzt allerdings wieder hochgekommen. Er habe sich im Zusammenhang mit den Anschuldigungen sogar in stationäre Behandlung begeben müssen.

(3) Diese Angaben hat der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung vom

25.5.2023 glaubhaft bestätigt.

Dieser hat ausgesagt, den Kläger schon seit dem Jahr 2011 zu kennen. Damals sei er bei ihm wegen Depressionen und Angststörungen sowie Schmerzen in Behandlung gewesen. Diese damalige Behandlung habe zu tun gehabt mit der beruflichen Belastung des Klägers.

Im Jahr 2020, als er auf die Behauptungen über sich im Internet aufmerksam wurde, sei er dann erneut in eine schwere Krise gekommen. Er sei seit damals wieder verstärkt angespannt gewesen und habe nicht schlafen können. Er habe die Situation als „sehr bedrohlich“ wahrgenommen. Besonders belastet habe ihn, dass er dieser Situation so hilflos gegenüber stand.

Er sei damals auch sehr impulsiv gewesen und habe versucht, sich mit Alkohol zu beruhigen. Zuvor habe er lange Zeit gar keinen Alkohol mehr zu sich genommen.

Ein weiteres Thema sei gewesen, dass die Ehefrau des Klägers ebenfalls sehr besorgt gewesen sei. Dies habe letztlich auch zu einer Ehekrise geführt, da der Kläger seine Ehe in Gefahr gesehen habe. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Ehefrau des Klägers bei dem Konsum von Alkohol katastrophale Wirkungen bzw. Gedanken hervorgebracht habe. Die Ehefrau des Klägers dahingehend wieder einzufangen und sie davon zu überzeugen, dass die Probleme des Klägers gelöst werden müssten, sei für den Kläger und den Zeugen … ein enormer Kraftakt gewesen.

Zusammengefasst habe der Kläger zwischen 2020 und 2022 in einer erheblichen psychischen Krise gesteckt hat, die kausal durch die Behauptungen des Beklagten zu 1 hervorgerufen worden sei (Protokoll vom 25.5.2023, S. 2-4). Ob er diese Krise je überwinden werde, sei ungewiss. Der Zeuge … sehe allerdings gute Chancen, wenn dieser Prozess beendet sei.

Die Angaben des Zeugen waren insgesamt glaubhaft. Hinweise auf eine einseitige Belastungs- oder Begünstigungstendenz haben sich nicht ergeben. Bei dem Zeugen … handelt es sich um einen seit Jahren praktizierenden Nervenarzt, der seine fachkundigen Wahrnehmungen wertungsfrei wiedergegeben hat. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen haben sich ebenfalls nicht ergeben.

d) Das Maß an Verschulden bzw. Vorwerfbarkeit des Beklagten zu 1 sieht das Gericht als hoch an (mit Einschränkung).

Das Gericht geht zwar - ohne Zweifel - davon aus, dass der Beklagte zu 1 die Behauptungen über den Kläger in der Absicht öffentlich aufgestellt hat, um diesem zu schaden. Auch geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte zu 1 seinen Fehler (Behauptungen sind tatsächlich unwahr) bei objektiver Betrachtung hätte erkennen müssen und können, wenn er sich mit der Aktenlage intensiver beschäftigt hätte. Der Fehler wäre also vermeidbar gewesen. Dies, wie auch die Qualität der Behauptung, muss sich der Beklagte zu 1 vorwerfen lassen.

Indes hat das Gericht im Laufe des Prozesses auch den Eindruck gewonnen, dass der Beklagte zu 1 aufgrund seiner eigenen Vergangenheit (als Opfer der Stasi) womöglich psychisch und emotional derart geprägt worden ist, dass ihm die Unterscheidung zwischen Realität (objektiv beweisbarem) und Vorstellung nicht mehr ohne Einschränkung gelingt. Mit Verweis auf die zahlreichen aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbaren - teils persönlichen - Einlassungen des Beklagten zu 1 (vgl. dazu auch Grund- und Teilurteil, S. 13 ff.) sowie seine mangelnde Einsicht (trotz zweier Instanzen) schließt das Gericht nicht aus, dass der Beklagten zu 1 womöglich die Tragweite seiner Handlungen gar nicht erkennt. Jedenfalls scheint er unter einem erheblichen psychischen Trauma zu leiden, welches er durch Benennung der „Täter“ aufzuarbeiten versucht. Dass er hierbei einen Falschen als „Täter“ benannt hat, ist für ihn emotional womöglich nicht nachvollziehbar. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass Verschleierung, Verdunkelung und Täuschung in der ehemaligen DDR, insbesondere bei der Stasi, an der Tagesordnung waren. Irgendwann mag bei jedem Menschen, der von einer solchen Welt geprägt worden ist, der Punkt erreicht sein, ab dem er nichts mehr glaubt, sondern sich seine eigene Wahrheit schafft.

e) Bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe hat das erkennende Gericht insbesondere die folgenden, in der Schmerzensgeldtabelle exemplarisch aufgeführten Entscheidungen anderer Gerichte berücksichtigt und sich hieran orientiert:

• Ehrverletzung durch unzutreffende Berichterstattung ohne Namensnennung. Dennoch erfuhren mindestens 217 Bekannte, Verwandte oder Kollegen von der Behauptung, der Kläger habe als „Stasi-Scherge" einen Mord begangen: OLG Hamm, Urteil vom 1.6.1992, Az. 3 U 25/92, BeckRS 9998, 11842.

• Ehrverletzung durch Ausstrahlung von Fernsehaufnahmen („Brandenburg aktuell"), in denen der Kläger als "Neonazi" mit einschlägiger Vergangenheit dargestellt wurde: LG Berlin, Urteil vom 9.10.1997, Az. 27 O 349/97, BeckRS 9998, 16109.

• Bezeichnung des im Kommunalwahlkampf stehenden Klägers als „kulturloser Bonze" und „Wendehals". Zudem wurde der Kläger einer tatsächlich nicht bestehenden SED Vergangenheit beschuldigt: LG Frankfurt, Urteil vom 29.7.2004, Az. 17 O 540/03, BeckRS 2004, 17904.

• Ehrverletzung wegen eines „herabwürdigenden Artikels" mit der Folge psychischer Beeinträchtigungen: LG München, Urteil vom 11.6.2008, Az. 9 O 15086/06, BeckOK zum Schmerzensgeld Nr. 3782.

• Unzutreffende Bezeichnung als „Perspektiv-Agent des KGB". Es stelle eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, in einer Buchveröffentlichung eine andere Person mit dem kommunistischen Geheimdienst KGB in Verbindung zu bringen, weil so zu Lasten des Betroffenen ein zwielichtiger Eindruck erweckt werde: OLG Bremen, Urteil vom 1.11.1995, Az. 1 U 51/95, BeckRS 9998, 2560.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18
DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken.

b) Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18 - OLG Köln - LG Köln

BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH (siehe dazu EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich) entschieden, dass ein Anspruch des Betroffenen auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 DGSVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit besteht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder ("thumbnails") anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos - unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann - Rechnung zu tragen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat daraufhin die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.

Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der Bundesgerichtshof die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.

Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17

Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)



Volltext OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung eines Unternehmers mit Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, geschah dies zu Recht.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, es zu unterlassen, bei einer Suche nach dem Vor- und Zunamen des Klägers in der Suchmaschine der Beklagten das aus der Anlage K3 ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen und dabei auf die Webseite mit der URL www.(...).de zu verlinken (Klageantrag zu 1.).

a) Der geltend gemachte Anspruch auf Auslistung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
aa) Der auf die dauerhafte Auslistung der von dem Kläger beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist vorliegend zeitlich (1), sachlich (2) und räumlich (3) anwendbar.
(1) Sie gilt seit dem 25.05.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.
(2) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen - wie hier - personenbezogene Daten enthalten, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO). Sie ist als automatisierte „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.
Ob die hiesige Beklagte datenschutzrechtlich für die streitbefangene Auslistung zumindest mitverantwortlich ist, da sie im Sinne des Art. 26 DSGVO mit der Y LLC jedenfalls eine gemeinsame Verantwortung für die Verarbeitung von Daten trägt, kann vorliegend im Ergebnis offenbleiben, da jedenfalls in der Sache kein Anspruch gegen die Beklagte besteht (s.u.).

Verantwortlicher im Sinne der DSGVO und damit passivlegitimiert für einen Anspruch nach Art. 17 DSGVO ist gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Nach der Rechtsprechung des BGH wurde die Y LLC mit Sitz in den USA als Betreiberin der Suchmaschine als Verantwortliche i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO angesehen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13). Für eine daneben bestehende Mitverantwortung der Beklagten gem. Art. 26 DSGVO könnte sprechen, dass sie in ihrer Datenschutzerklärung zum Y Suchdienst für Nutzerdaten als zumindest auch Verantwortliche genannt wird. Dies muss jedoch aufgrund des in der Sache nicht bestehenden Anspruchs (s.u.) vorliegend nicht entschieden werden.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 14).

(3) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf die in Irland ansässige Beklagte folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 DSGVO. Die Beklagte betreibt eine deutsche Niederlassung und bietet in deutscher Sprache Nutzern in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als "Bezahlung" ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13 m.w.N.).

bb) Das auf dauerhafte Auslistung des von ihm beanstandeten Suchergebnisses gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst. Der Begriff der Löschung i.S.d. Art. 17 DSGVO ist autonom auszulegen, so dass ihm unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 17 m.w.N.).

cc) Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, vorrangig die für die von der Beklagten verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieter in Anspruch zu nehmen. Die Haftung des Suchmaschinenbetreibers bzw. Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht subsidiär, da ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müsste. Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers ist ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen eigenständig zu beurteilen ist (so auch BGH, NJW 2020 3436, Rn. 18 m.w.N.).

Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist der hiesige Fall schon nicht mit der Konstellation vergleichbar, die den BGH in der Sache VI ZR 476/18 (MMR 2021, 239) zur Vorlage der dortigen ersten Frage an den EuGH veranlasst hat. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil der zugrundeliegende Sachverhalt im Kern unstreitig ist und die Frage der Wahrheitsgemäßheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen bzw. auf Tatsachenbehauptungen beruhenden Werturteile ohne weitere Ermittlungen/Aufklärungen beurteilt werden kann. Auch hat der EuGH in seinem Urteil vom 08.12.2022 entschieden, dass ein Anspruch auf Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dem Kläger gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist (vgl. EuGH, MMR 2023, 105).

dd) Auch hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise nicht verpflichtet ist, bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Auslistung aufgefordert (sog. Notice and Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird der konkret beanstandete Ergebnislink genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

ee) Anders als der Kläger meint, liegen die materiellen Voraussetzungen für sein Auslistungsbegehren nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO, weil die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Streitfalls zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 f, Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).

Einschlägige Grundlage des klägerischen Auslistungsbegehrens ist Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Danach steht - soweit im Streitfall relevant - der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d DSGVO).

(1) Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abzuwägen. Diesbezüglich hat der BGH in seinem Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3436, Rn. 23 ff.) ausgeführt, dass die Abwägung der allein maßgeblichen Unionsgrundrechte auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des betroffenen Klägers (Art. 7, 8 GRCh) einerseits, der Grundrechte der beklagten Suchmaschinenverantworlichen (Art. 16 GRCh), der Zugangsinteressen der Internetnutzer, des Interesses der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen als Ausdruck des Art 11 GRCh sowie der Grundrechte der Inhalteanbieter (Art. 11 CRCh) andererseits umfassend vorzunehmen ist. Insoweit hat er betont, dass eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalls aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt, durchzuführen ist und im Hinblick auf diese in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen muss, unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO), ob die Verarbeitung der (Gesundheits-)Daten aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO) oder ob die Beklagte zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers als der betroffenen Person überwiegen.

(2) Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze, die der Senat im vorliegenden Fall für anwendbar hält, haben die hier betroffenen Grundrechte des Klägers aus Art 7, 8 und 16 GRCh hinter dem Grundrecht der Beklagten aus Art. 16 GRCh und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, dem Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information und dem Grundrecht des für den verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieters auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) zurückzutreten:

(a) Ein wichtiger, in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die verlinkte, in der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) ersichtliche Berichterstattung entgegen der Ansicht des Klägers zulässig ist.
(aa) Anders als der Kläger meint, ist die Äußerung „X1 bankrott“ keine unzulässige Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung.
Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG, AfP 2013, 389, Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018., Kap. 4, Rn. 43, 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4, Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14, Rn. 14.16; jew. m.w.N.). Maßgeblich für die Ermittlung des Aussagegehalts ist grundsätzlich nicht der Sinn, den der Äußernde der Äußerung beilegen wollte, sondern der in der Aussage objektivierte Sinngehalt, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BVerfGE 82, 43, 51 ff.; BVerfG, NJW 2005, 1341 - vollzugsfeindlich; BGH, NJW 1982, 1805 - Schwarzer Filz; Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6, Rn. 90 m.w.N.), wobei auf das Verständnis des Empfängers abzustellen ist, an den sich die Äußerung unter Berücksichtigung der für ihn wahrnehmbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Umstände richtet (BVerfGE 93, 266, 295 - Soldaten sind Mörder II; BVerfG NJW 2003, 1303 - Benetton-Werbung; Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90). Maßgeblich hierfür ist der Durchschnittsleser (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Aussage als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Anders als der Kläger meint, wird der Durchschnittrezipient die Äußerung „X1 bankrott“ unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht auf den Kläger persönlich beziehen, sondern auf ein Unternehmen, für welches der Kläger Namensgeber war. Aus dem Gesamtkontext der Äußerung geht klar hervor, dass die Äußerung sich auf ein Unternehmen (bzw. umgangssprachlich eine „Firma“ bezieht), nämlich ein solches, das auf dem Gebiet des Innenausbaus von Luxushotels tätig ist und gegen welches das Inkassounternehmen ein Mandat wegen unbezahlter Handwerkerrechnungen hat und im Rahmen der Forderungseintreibung feststellen musste, dass dieses „bankrott“ ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Durchschnittrezipient der Äußerung kein juristisch vorgebildetes Fachpublikum ist, welches zwischen einem Einzelkaufmann, einer juristischen Person und einer Personengesellschaft differenziert. Der i.d.R. juristisch nicht vorgebildete Durchschnittsrezipient wird daher nicht davon ausgehen, dass die hinter einem möglichen Einzelkaufmann stehende natürliche Person gleichsam insolvent ist, wenn „die Firma bankrott“ ist. Er wird die Äußerung vielmehr nicht juristisch hinterfragen, sondern sie an dem Wortlaut orientiert dahingehend verstehen, dass das Unternehmen oder die „Firma“ „bankrott“, „pleite“ oder insolvent ist. Zudem wird auch auf der streitgegenständlichen Internetseite (vgl. Anlage K2, Bl. 17 d.A.) zwischen Schuldnern, die Privatpersonen sind, und solchen, die Unternehmen sind, differenziert, indem bei Privatpersonen nur die Namen genannt werden (z.B. B, D, C etc.) und bei Unternehmen die (weiteren) Firmenbestandteile (wenn auch nicht immer vollständig).

Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit einem Rechtsformzusatz (z.B. GmbH) genannt wird, steht dem nicht entgegen, denn das Weglassen dessen in der Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - ist üblich (zumal auch der Klägervertreter dies in seinen Schriftsätzen und der Kläger dies in seiner eidesstattlichen Versicherung (vgl. Anlage K1, Bl. 16 d.A.) tun).

Ferner wird der unbefangene Durchschnittsempfänger die Äußerung im Gesamtkontext entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf alle Unternehmen mit dem Firmenbestandteil „X1“ beziehen und dahingehend verstehen, dass diese alle „bankrott“ seien. Dass sich die Äußerung vielmehr nur auf ein Unternehmen bezieht, geht klar aus der Verwendung des Singulars in den Folgesätzen des Berichtes hervor („ist…tätig“; „die Firma“).

[...]

Die zulässige Meinungsäußerung ist von dem Kläger hinzunehmen.

Sie beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, denn unstreitig hat die X1 Hotel … GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und wurde später aus dem Handelsregister gelöscht. Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit sämtlichen Bestandteilen und dem Rechtsformzusatz GmbH genannt wird, ist unerheblich. Zum einen ist das Weglassen einzelner Firmenbestanteile in der täglichen Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - üblich. Zum anderen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass es ein weiteres zu der Unternehmensgruppe des Klägers zugehöriges Unternehmen gäbe, welches die Firmenbestandteile „X1 Hotel …“ enthalten würde und auf welches bezogen eine Wertung als „bankrott“ keine zutreffende Tatsachengrundlage hätte.

Auch wird die Grenze zur Schmähkritik trotz der Wortwahl „bankrott“, die nach der Ansicht des Klägers negativ besetzt sein soll, und der Einbettung der Aussage auf der Homepage (…).com, auf welcher nach Meinung des Klägers „finster dreinblickende, gewaltbereite Männer mit Glatze“ abgebildet seien, nicht überschritten. Denn dem Äußernden geht es - wie der Gesamtzusammenhang der Äußerung zeigt - um eine Auseinandersetzung in der Sache und nicht um eine reine Herabsetzung des Klägers bzw. seines Unternehmens (vgl. hierzu auch BVerfG, ZUM 2013, 36).

(bb) Soweit der Kläger sich in der Replik auf Seite 5 (Bl. 149 d.A.) darauf stützt, dass die Aussage in der streitgegenständlichen Mitteilung, dass Handwerkerrechnungen nicht bezahlt worden seien, unwahr sei, so ist dies unbeachtlich. Denn dieser Vortrag ist widersprüchlich zu dem diesbezüglichen Vortrag auf Seite 4 der Klageschrift, in dem der Kläger nur betont, dass die Forderung nicht endgültig verweigert oder abgelehnt worden und die A GmbH auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei.

Selbst wenn man den Vortrag nicht als widersprüchlich ansehen würde, so ließe sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers keine offensichtliche Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung herleiten, welche ein Auslistungsbegehren stützen könnte. Nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben (vgl. MMR 2023, 105, Rn. 72).

Vorliegend hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Forderung der A GmbH nicht beglichen und diese auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei, da der Kläger die Forderung nicht als begründet angesehen habe. Der Kläger hat demnach schon keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgeht, warum die Forderung seiner Ansicht nach offensichtlich unbegründet sei.

Darüber hinaus wird in der streitgegenständlichen Mitteilung gerade nicht behauptet, dass der Kläger die Zahlung der Forderung endgültig abgelehnt hätte.

(b) Soweit der Kläger sich auf die negativen Auswirkungen der verlinkten Berichterstattung für ihn bzw. seine Unternehmen beruft, so ist dies vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung unbeachtlich. Denn weder das Datenschutzrecht noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleihen einen Anspruch, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es einem genehm ist (st. Rspr. des BVerfG zum Äußerungsrecht, vgl. 1 BvR 3487/14, Rn. 14).

(c) Wenn sich Betroffene - wie hier - nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine ist in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 42; BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 122 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

Dass die X1 Hotel … GmbH nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Jahre 2020 gelöscht wurde, ist demnach ebenfalls in die Abwägung einzustellen. Dies wirkt sich - anders als der Kläger meint - jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auf Seiten der Nutzer der Beklagten weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verbreitung der wahren Aussage - nämlich der Insolvenz bzw. des Bankrotts der Firma des Klägers - besteht. Der Senat hat insoweit auch den Zeitfaktor in seine Abwägung eingestellt und abgewogen, ob die Weiterverbreitung des Beitrags auch unter Namensnennung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit noch gerechtfertigt ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Zeitablauf sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren (vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 131 - Recht auf Vergessen II). So kann durch Zeitablauf die identifizierende Verbreitung solcher Beiträge durch Suchmaschinen unzumutbar und damit unzulässig werden, denn die belastende Wirkung der Verbreitung kritischer Beiträge zum Verhalten einzelner Personen kann im Laufe der Zeit - insbesondere wenn die Beiträge auf namensbezogene Abfrage hin auch viele Jahre später noch prioritär kommuniziert werden - für die Betroffenen erheblich wachsen und immer weniger gerechtfertigt sein (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 132 f. - Recht auf Vergessen II).

Dies führt im vorliegenden Fall im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht dazu, dass es der Beklagten zu untersagen wäre, den Suchtreffer zu der Namenssuche des Klägers, der zu einer für sich genommen zulässigen Berichterstattung führt, heute nicht mehr anzuzeigen und auszulisten. In die Abwägung einzustellen ist, dass die Löschung der Gesellschaft erst im Jahre 2020 erfolgte und somit erst wenige Jahre zurückliegt. Die seit den berichteten Ereignissen vergangene Zeitspanne von rund drei Jahren ist noch nicht derart groß, als dass sie das Interesse an der niedrigschwelligen Erreichbarkeit der Informationen - auch über die namensbezogene Suche mittels einer Suchmaschine - in den Hintergrund treten ließe. Auch ist zu beachten, dass die Nutzer der Suchmaschine trotz der Löschung des Unternehmens weiterhin ein erhebliches Informationsinteresse haben. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen, die zudem dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ gewesen ist bzw. ob eine Handwerkerrechnung nicht beglichen wurde. Denn dies ist ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den anderen Unternehmen des Klägers, z.B. hinsichtlich der Frage, ob seitens der Kunden Vorkasse geleistet wird oder seitens der Geschäftspartner Vorkasse für Projekte von dem Kläger bzw. seinen Unternehmen gefordert wird. Die Insolvenz eines Unternehmens kann - auch wenn dies freilich nicht zwingend ist - nämlich auch etwas über die Solvenz der restlichen Unternehmensgruppe aussagen bzw. über den Umgang dieser mit Zahlungsschwierigkeiten einzelner Unternehmen innerhalb der Gruppe.

Das berechtigte Berichterstattungsinteresse erstreckt sich unter den Umständen des Streitfalls ohne Weiteres auch auf die namentliche Nennung des Klägers. Der Name des Klägers ist Teil der Firmierung des gelöschten Unternehmens und einer Vielzahl weiterer Unternehmen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass dies negativ für den Kläger und seine weiteren Unternehmen mit entsprechendem Namensbestandteil ist. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Kläger dadurch, dass er seinen Namen zum Firmenbestandteil einer Vielzahl von Unternehmen gemacht hat, das Risiko in Kauf genommen hat, dass er mit dem bzw. den Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Das muss er auch im Falle einer aus seiner Sicht negativen Berichterstattung gegen sich gelten lassen.

Ferner hat der Senat im Rahmen seiner Abwägung berücksichtigt, dass der streitgegenständliche Bericht nicht von privatem, bewusst nicht vor anderen gezeigtem Verhalten oder Fehlverhalten handelt, sondern die berufliche Tätigkeit und mithin die Sozialsphäre des Klägers betrifft, so dass der langfristigeren Zugänglichkeit des Berichtes höheres Gewicht zukommt.

Auch hat der Senat in die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten, des Inhalteanbieters, der Nutzer und der Öffentlichkeit eingestellt, dass die Berichterstattung nicht reißerisch oder skandalös, sondern eher kurz und sachlich ist; wobei nicht unbeachtet geblieben ist, dass der letzte Absatz des Berichtes auf die Kundenakquise des Inkassounternehmens zielt.

Die Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers erhält auch im Streitverhältnis zur Beklagten kein entscheidend anderes Gewicht. Denn die Beklagte weist den fraglichen Artikel auf eine entsprechende Suchanfrage unkommentiert in ihren Ergebnislisten nach (so auch BVerfG, NJW 2020, 300, Rn. 124 - Recht auf Vergessen I). Schließlich wird der angegriffene Ergebnislink durch den Nachweis zahlreicher weiterer, teilweise vorrangig platzierter, im Netz befindlicher Informationen relativiert (vgl. Anlage K3, Bl. 18 d.A.; so auch BVerfG NJW 2020, 314, Rn. 125 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Mangels eines Anspruchs auf Auslistung steht dem Kläger auch kein diesbezüglicher Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes aus § 890 ZPO zu (Klageantrag zu 3.).

C) Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 520, 517 ZPO).

D) Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

I. Soweit der Klage stattgegeben wurde, war diese zulässig.

1. Das angerufene Gericht ist international und örtlich zuständig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2. Unter Zugrundelegung der obenstehend dargestellten Grundsätze ist der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt. Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass sich der Klageantrag zu 2. ebenfalls auf die Suchmaschine der Beklagten unter www.(y).de bezieht (vgl. Anlage K5).

II. Die Klage ist im Umfang der von der Beklagten eingelegten Berufung unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei der namensbasierten Suche nach seinem Vor- und Zunamen in der Suchmaschine der Beklagten.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

aa) Der geltend gemachte Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.

(1) Die Datenschutz-Grundverordnung ist auch im Hinblick auf den mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Unterlassungsanspruch gegen die Suchwortergänzungsfunktion von Suchmaschinen nach den zuvor im Abschnitt B. dargestellten Grundsätzen zeitlich und räumlich anwendbar.

(2) Gleiches gilt in Bezug auf die sachliche Anwendbarkeit. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten (vgl. zum Auslistungsanspruch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13) . Dies gilt nach Ansicht des Senates auch, soweit aufgrund der Integration der „Autocomplete“-Funktion in der Suchmaschine dem Nutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge („predictions“) in Form von Wortkombinationen angezeigt werden, sofern diese - wie hier - personenbezogene Daten erhalten. Denn die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge mit personenbezogenen Daten werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der die suchwortgesteuerten Suchanfragen einbezieht und dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen präsentiert, die zum fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren (vgl. hierzu BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16, 22 - Autocomplete-Funktion). Die Autocomplete-Funktion ist damit als automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.

Ob die Beklagte nach den vorstehend in Bezug auf die Auslistung dargelegten Grundsätzen, welche auf die Autocomplete-Funktion übertragen werden können, datenschutzrechtlich für die streitbefangene Autocomplete-Funktion zumindest mitverantwortlich im Sinne des Art. 26 DSGVO ist, kann auch insoweit mangels eines Anspruchs in der Sache (s.u.) offenbleiben.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von Suchergebnissen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar.

bb) Auch wird der in Rede stehende Anspruch, der auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gerichtet ist, ist aus den obenstehenden Erwägungen (vgl. Abschnitt B II. 1. a) bb)) grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst.

cc) Ferner hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung der von ihrer Suchmaschine generierten Suchwortvervollständigungen nicht verpflichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn 30 - Autocomplete-Funktion), bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Unterlassung der konkret benannten Autocomplete-Funktion aufgefordert (sog. sog. Notice an Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird die konkret beanstandete Autocomplete-Funktion, nämlich „bankrott“ in Verbindung mit der namensbasierten Suche des Klägers, genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

dd) Anders als das Landgericht angenommen hat, liegen nach Ansicht des Senates jedoch die materiellen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gem. Art 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor.

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO steht - soweit hier relevant - der betroffenen Person ein Anspruch auf Löschung zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO).

(1) Auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen dieses Löschungsanspruches ist eine umfassende Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, und zwar unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Klägers als betroffene Person einerseits und der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit andererseits. Auch hier finden die von BGH in dem Urteil vom 27.07.2020, Az. VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3464, Rn. 23 ff.) dargestellten Abwägungsgrundsätze (s.o.) im Ausgangspunkt Anwendung, wobei allerdings zu beachten ist, dass - anders als bei einer begehrten Entfernung von Links aus Suchergebnissen - bei dem hier in Rede stehenden Anspruch auf Unterlassung der Anzeige der Suchwortvervollständigung keine Rechte der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) betroffen sind, da sich der Autocomplete-Vorgang im Vorfeld der Anzeige konkreter Suchergebnisse abspielt und sich der Kläger hier nicht gegen den Inhalt von Suchergebnissen wendet.

Im Rahmen der anzustellenden Abwägung sind auf Seiten des Klägers demnach die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh und das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen.

Auf Seiten der Beklagten sind ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh sowie ihr Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung gem. Art. 11 GRCh zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 22 - Autocomplete-Funktion zu der Rechtslage nach deutschem Recht; anders in Bezug auf die Anzeige von Ergebnislinks BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 31).

In die Abwägung sind ferner die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information.

(2) Nach diesen Grundsätzen haben die Interessen des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten:

Nach Ansicht des Senates ist der hier in Rede stehenden Suchoption „X bankrott“ nach dem maßgeblichen Verständnis des Durchschnittsrezipienten zwar eine inhaltliche Aussage zu entnehmen. Diese ist jedoch in einem Maße vieldeutig, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden werden kann, sondern sich für den Rezipienten als schlagwortartige Äußerung darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Gen-Milch-Entscheidung vom 08.09.2010 (Az. 1 BvR 1890/08; ZUR 2011, 252, Rn. 21 ff.) im Hinblick auf die Unterlassung schlagwortartiger Äußerungen folgendes ausgeführt:

„[21] Auch nach diesem Maßstab begegnet das angegriffene Urteil indes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte der Bundesgerichtshof den auf die Produkte der Beschwerdeführerin bezogenen Begriff »Gen-Milch« als substanzarme Äußerung ansehen und seine Verwendung hiervon ausgehend als zulässig beurteilen. Entgegen der Auffassung der Verfassungsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass einer auf die künftige Unterlassung einer Behauptung gerichteten Klage bereits dann stattzugeben ist, wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt aufweist und in einer der nicht fernliegenden Deutungsvarianten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt, weil dieses die Meinungsfreiheit des Äußernden im konkreten Fall überwiegt (vgl. BVerfGE 114, 339 <350> - Stolpe -). [22] Dies ändert aber nichts daran, dass es den Fachgerichten obliegt, zunächst zu ermitteln, ob ein derartiger Fall der Mehrdeutigkeit im zu entscheidenden Fall gegeben ist oder ob der Äußerung durch die gebotenen Auslegungsbemühungen ein eindeutiger Aussagegehalt beigemessen werden kann, weil theoretisch mögliche Deutungsalternativen sich am Maßstab des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten als fernliegend erweisen. Hinsichtlich der Deutung der Aussage lassen sich der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Maßgaben entnehmen. Von daher besteht insbesondere auch kein Anlass, in größerem Umfang als bisher zu der Annahme eines im Rechtssinne mehrdeutigen Aussagegehalts zu gelangen.

[23] Angesichts dessen ist die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Deutung des Begriffs »Gen-Milch« verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist - wie das angegriffene Urteil auch nicht verkennt - die Formulierung für sich genommen nicht eindeutig, sondern lässt eine Vielzahl von Verständnismöglichkeiten zu. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof hieraus aber nicht die von der Verfassungsbeschwerde geforderte Konsequenz gezogen, der weiteren rechtlichen Prüfung diejenige Deutungsvariante zugrunde zu legen, die die intensivste Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin darstellen würde. Dieses Vorgehen ist nämlich nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden (und insoweit dann aber mehrdeutig sind). Anders liegt es hingegen bei Äußerungen, die in einem Maße vieldeutig erscheinen, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden, wie dies häufig bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen der Fall sein wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <9 f.>), die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Rezeption weiterer Informationsquellen bieten sollen. In einem solchen Fall fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, zu auf falsche Sachaussagen gestützten Fehlvorstellungen der Rezipienten beizutragen. Die Meinungsfreiheit, die auch das Recht aufmerksamkeitserregender Zuspitzungen und polemisierender Pointierungen umfasst, steht hier einer Untersagung der Äußerung wegen ihrer Mehrdeutigkeit vielmehr entgegen.“

Die hier automatisch erstellte Suchwortvervollständigung der Beklagten kombiniert zwei Wörter, nämlich den Namen des Klägers und das Wort „bankrott“, die dem unvoreingenommenen, die Suchmaschine der Beklagten nutzenden Durchschnittsrezipienten verschiedene Möglichkeiten eröffnen, inhaltliche Zusammenhänge herzustellen oder ein Verständnis zu entwickeln.

Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält diesen jedenfalls für möglich. Denn aus dem „Ozean von Daten“ werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer“ liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - vielmehr auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16 - Autocomplete-Funktion). Dies führt im Streitfall dazu, dass dem bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers angezeigten Ergänzungssuchvorschlag „bankrott“ die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem namentlich Genannten und dem Begriff „bankrott“ bestehe ein sachlicher Zusammenhang bzw. eine Verbindung (so auch BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 13, 16 - Autocomplete-Funktion).

Es bleibt für den maßgeblichen Durchschnittsrezipienten aber erkennbar offen und unbestimmt, welcher Zusammenhang bestehen könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein verständiger Internetnutzer darüber bewusst ist, dass die vorgeschlagenen Suchoptionen das Ergebnis eines automatischen, technischen Vorgangs sind. Wesentlich bei der Beurteilung ist jedoch, dass ein Nutzer der Suchmaschine mit der angezeigten Kombination der Begriffe zunächst nichts anfangen kann. Er kann nicht beurteilen, ob der vorgeschlagene Begriff in Verbindung mit der Person steht, zu der er recherchiert hat, denn es ist denkbar, dass es mehrere Personen mit dem von dem Nutzer eingegebenen Namen gibt. Um sich hierüber Sicherheit zu verschaffen, muss er sich mit den zu der Kombination angezeigten Ergebnissen beschäftigen oder die Suchbegriffe ändern.

Dies zeigt bereits, dass der vorliegend angezeigten Suchoption keine eigenständige Behauptung zu entnehmen ist, sondern diese vielmehr Anlass für weitere Recherchen bietet. Selbst wenn der Nutzer davon ausgeht, dass die Person, zu der er die Suchanfrage gestattet hat, mit der ergänzenden Suchoptionen „bankrott“ grundsätzlich in Verbindung zu bringen ist, erhält er erkennbar keine Informationen, die über die Mitteilung der beiden Begriffe hinausgehen. Vielmehr stellt es sich für ihn als eine Art schlagwortartige Äußerung dar, die ihm wiederum Anlass geben kann, sich mit möglichen Suchergebnissen zu der Begriffskombination auseinanderzusetzen. Ob der Kläger direkt oder indirekt von einem „bankrott“ betroffen ist, ob er persönlich oder eines oder alle seiner Unternehmen „bankrott“ ist/sind, ob er zu diesem Themenkreis Informationen oder Leistungen anbietet oder publiziert, bleibt gänzlich offen, wobei die hier dargestellten Verständnismöglichkeiten der Begriffskombination nicht abschließend sind. Sie belegen jedoch, dass es sich um eine zwar vieldeutige, jedoch substanzarme Wortkombination handelt. Auf diese ist nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Gen-Milch-Entscheidung die Stolpe-Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 114, 339) nicht anzuwenden (so auch LG Hamburg, Urteil v. 18.01.2013 - 324 O 766/11 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 104 ff. d.A.); in diese Richtung weisend auch OLG Hamburg, Protokoll v. 29.03.2016 - 7 U 13/13 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 101 ff. d.A.); a.A. OLG Köln, Urteil vom 08.02.2014 - I-15 U 199/11 -, Rn. 43, juris).

Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Grundrechten des Klägers aus Art. 7, 8 und 16 GRCh und den Grundrechten der Beklagten aus Art. 11 und 16 GRCh sowie der Nutzer der Suchmaschine und der Öffentlichkeit (Art. 11 GRCh) ist zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass es für die Verbindung des Klägers mit einem „bankrott“ tatsächliche Anknüpfungstatsachen gibt und damit auch für die Kombination der beiden Begriffe.
[...]
Ferner ist im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers zu beachten, dass in dem in den Suchergebnissen der Beklagten angezeigten Beitrag gemäß der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) zulässig (s.o.) darüber berichtet wird, dass „X1 bankrott“ sei.

Auf Seiten der Nutzer der Beklagten und für die Öffentlichkeit besteht - wie obenstehend dargestellt - trotz der Löschung der Unternehmen weiterhin ein erhebliches diesbezügliches Informationsinteresse. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen und dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ bzw. insolvent gewesen ist. Denn dies ist - wie obenstehend dargestellt - ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den Unternehmen des Klägers.

Ebenfalls in die Abwägung ist einzustellen, dass der Name des Klägers ein Namensbestandteil vieler Unternehmen ist. Durch eine derartige Firmierungspraxis hat der Kläger das Risiko in Kauf genommen, dass er mit den Unternehmen in Verbindung gebracht wird und somit auch im Falle von möglichen Insolvenzen.

Auch bei der Beurteilung der Suchergänzungsfunktion der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zu deren Gunsten berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, Rn. 40) und insoweit auch die Suchergänzungsfunktion einen nützlichen Beitrag zur Recherche leistet.

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Instagram-Influencerin durfte Designerin als "Mörderin" bezeichnen - Von Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung

LG Hamburg
Beschluss vom 12.04.2023
324 O 96/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin eine Designerin als "Mörderin" bezeichnen durfte, da es sich vorliegend um eine von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung handelte.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Den Antragstellerinnen steht kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. mit ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu.

Bei den mit den Anträgen zu 1.a), c) und d) angegriffenen Äußerungen handelt es sich um zulässige Meinungsäußerungen. Im Kontext verstehen Rezipienten die Äußerungen, wonach die Antragstellerin zu 2) eine „Mörderin“ sei, die Antragstellerinnen „Mordschauen“, „Leichenschauen“ oder „Kadaverschauen“ organisierten und die Geschäfte der Antragstellerinnen „blutig“ seien, als Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung. Das Verständnis, die Antragstellerinnen seien für die Tötung von Menschen verantwortlich, entsteht nicht. Die Äußerungen beinhalten eine durchaus scharfe Kritik, die sich allerdings vor dem Hintergrund der öffentlich geführten Diskussion über die Verwendung von Leder als Kleidung und als Ergebnis der Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Antragstellerinnen und der Meinungsäußerungsfreiheit der Antragsgegnerin als zulässig darstellt. Insbesondere bestehen Anknüpfungspunkte für die Meinungsäußerungen, da die Antragstellerinnen als Modedesignerin bzw. Modeunternehmen unstreitig Kleidungsstücke mit Leder verarbeiten bzw. vertreiben.

Auch der Antrag zu 1.b) ist unbegründet. Nach dem Vortrag der Antragstellerinnen hat die Antragsgegnerin geäußert, „auf der Seite dieser Designerin (...) findest du Krokoleder, Kobraleder, Babysalamanderleder“ (S. 6 der Antragsschrift). Insoweit deckt sich die Äußerung der Antragsgegnerin schon nicht mit dem formulierten Antrag, wonach die Antragstellerin solche Ledersorten „verwende“. Unter Berücksichtigung der eigenen Äußerungen der Antragstellerinnen auf ihrer Webseite durfte sich die Antragsgegnerin in dieser Weise äußern. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Screenshots der Webseite ist ersichtlich, dass dort ein „Krokokleid“ mit „Krokopatches aus echtem Leder“ (Anlage AG 10a), eine „Jacke Cobraleder“ (Anlage AG 11a) und eine „Jacke, Baby-Salamander-Leder“ (Anlage AG 12a) angeboten wurden. Diese eigene Darstellung der Antragstellerinnen verstehen Betrachter der Webseite so, dass dort tatsächlich Kleidungsstücke aus den benannten Lederarten angeboten würden.

Auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1.e) angegriffenen Äußerung besteht kein Unterlassungsanspruch. Die Äußerung hat die Antragsgegnerin nach Erhalt der Abmahnung der Antragstellerinnen getätigt, worin die Antragstellerinnen darauf hingewiesen haben, dass sämtliche verarbeitete Lederpatches aus Kalbsleder bestünden. Die daraufhin erfolgte Äußerung der Antragsgegnerin, wonach die Angaben auf der Homepage „irreführend und falsch“ seien, stellt vor dem Hintergrund der bereits dargelegten Inhalte der Webseite eine zulässige Meinungsäußerung dar, für die auch Anknüpfungstatsachen bestehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Autocomplete-Funktion - Klage gegen Google zurückgewiesen

Es besteht kein Anspruch eines Unternehmers gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung seines Namens mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion.

Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzelfallumständen zulässig sein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung einen Unterlassungsanspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion sei erkennbar unbestimmt und enthalte keine eigenständige Behauptung. Der Nutzer wisse, dass es automatisch generiert werde. Konkrete Bedeutung erlange die Kombination erst nach weiteren Recherchen, begründete das OLG seine Entscheidung.

Der Kläger ist Inhaber einer Unternehmensgruppe, die auf dem Gebiet des Innendesigns von Hotels tätig ist. Die Beklagte betreibt u.a. die Internetsuchmaschine Google. Bei Eingabe von Vor- und Nachnamen des Klägers erscheint über die Autocomplete-Funktion als Suchergänzungsvorschlag „bankrott“. Hintergrund ist, dass zwei zur Unternehmensgruppe des Klägers gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Steuerbehörden insolvent und später wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurden. Ein konkret auf den Kläger bezugnehmender Webseiteneintrag stammt von einem Inkassounternehmen, welches ein Geschäftspartner der Unternehmensgruppe mit dem Einzug einer Forderung beauftragt hatte.

Der Kläger wendet sich sowohl gegen die Anzeige des Suchergänzungsvorschlags „bankrott“ als auch gegen die Anzeige und Verlinkung auf die Webseite mit der URL, die sich auf die Zahlungsfähigkeit bezieht. Das Landgericht hatte die Beklagte verpflichtet, den über die Autocomplete-Funktion generierten Sucherergänzungsvorschlag nicht mehr anzuzeigen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der Datenschutzgrundverordnung (i.F.: DS-GVO). Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten.

Ob ein Löschungsanspruch bestehe, sei grundsätzlich auf Basis einer umfassenden Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Abzuwägen seien auf Seiten des Klägers die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, des Schutzes personenbezogener Daten und der unternehmerischen Freiheit; auf Seiten der Beklagten das Recht auf unternehmerische Freiheit und freie Meinungsäußerung. Zu berücksichtigen seien auch die Zugangsinteressen der Internetnutzer und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen.

Gewicht erlange hier, dass die Bedeutung des nach Eingabe des Namens erscheinenden Suchvorschlags „bankrott“ erkennbar offenbleibe und unbestimmt sei. Einem verständigen Internetnutzer sei bewusst, dass der Suchvorschlag Ergebnis eines automatischen Vorgangs sei. Der Nutzer könne mit der angezeigten Kombination zunächst „nichts anfangen“. Der angezeigten Kombination selbst sei keine eigenständige Behauptung zu entnehmen. Sie sei allein Anlass für weitere Recherchen. Selbst wenn der Nutzer eine Verbindung zwischen dem Kläger und dem Begriff „bankrott“ herstellen würde, wäre offen, wie diese Verbindung inhaltlich auszugestalten wäre. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass es tatsächliche Anknüpfungstatsachen für die Verbindung des Namens mit dem Begriff „bankrott“ gebe.

Entgegen der Ansicht des Klägers beschränke sich der Begriff „bankrott“ auch nicht auf den strafbewehrten Vorwurf des § 283 StGB. Er finde vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz Verwendung.

Die Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin auch die Auslistung des Suchergebnisses in Form der konkreten URL begehrte, hatte dagegen keinen Erfolg. Die betroffenen Grundrechte des Klägers hätten hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Informationszugang zurückzutreten, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.4.2023, Az. 16 U 10/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt Main, Urteil vom 1.12.2021, Az. 2-34 O 37/21)



BGH: Bloße Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung ist keine Selbstöffnung des Betroffenen hinsichtlich des verschlossenen Bereichs der Privatsphäre

BGH
Urteil vom 14.03.2023
VI ZR 338/21
BGB § 823, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass die bloße Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung keine Selbstöffnung des Betroffenen hinsichtlich des verschlossenen Bereichs der Privatsphäre darstellt.

Leitsätze des BGH:
a) Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Berichterstattung über den Gesundheitszustand eines Menschen.

b) Die bloße Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung führt nicht dazu, dass dadurch ein konsistent verschlossener Bereich der Privatsphäre für eine öffentliche Berichterstattung eröffnet würde.

BGH, Urteil vom 14. März 2023 - VI ZR 338/21 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Berichterstattung in Bild Zeitung und Bild-Online über Kardinal Woelki teilweise unzulässig

OLG Köln
Urteil vom 16.03.2023 - 15 U 120/22
Urteil vom 16.03.2023 - 15 U 131/22


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Berichterstattung in der Bild Zeitung und bei Bild-Online über Kardinal Woelki teilweise unzulässig war.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteilsverkündung in den Berufungsverfahren 15 U 120/22 und 15 U 131/22

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat am heutigen Tag in den vorbezeichneten Verfahren entschieden und insoweit unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidungen den Beklagten das Verbreiten bzw. Verbreiten lassen einzelner Äußerungen untersagt.

Im Verfahren 15 U 120/22 verlangt der Kläger, Kardinal der römisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Köln, von der Beklagten zu 1 als Betreiberin eines Online-Portals und dem Beklagten zu 2, dem Chefreporter des Portals, die Unterlassung von fünf Äußerungen aus einem Artikel sowie der Äußerung aus einem Kommentar, die sich mit der vom Kläger ausgesprochenen Beförderung eines Priesters befassen.

Das Landgericht Köln hat der Klage mit Urteil vom 18. Mai 2022 antragsgemäß stattgegeben (Az. 28 O 276/21, abrufbar über die Datenbank NRWE). Auf die dagegen seitens der Beklagten eingelegte Berufung hin hat der Senat die Entscheidung des Landgerichts dahingehend abgeändert, dass es die Beklagten in Bezug auf vier von sechs angegriffenen Äußerungen zu unterlassen haben, diese zu verbreiten oder verbreiten zu lassen; im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, die sechs angegriffenen Äußerungen berührten den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. In Bezug auf vier der sechs Äußerungen liege auch ein rechtswidriger Eingriff vor; im Rahmen der gebotenen Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiege das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der anderen Seite. Dies sei hinsichtlich der zwei weiteren Äußerungen nicht der Fall. Im Einzelnen:

Als unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig seien die Äußerungen, der Priester habe "der Polizei 2001 sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden" beziehungsweise er habe "bei polizeilicher Vernehmung […] Sex mit dem obdachlosen und minderjährigen Prostituierten gestanden". Sie seien deshalb unwahr, weil ein unbefangener und verständiger Leser sie nur so verstehen könne, dass der Priester gegenüber der Polizei Angaben zur Minderjährigkeit seines Sexualpartners gemacht habe, was tatsächlich im Rahmen seiner (alleinigen) Vernehmung als Zeuge - nicht als Beschuldigter - nicht der Fall gewesen sei. Die Beklagte habe zudem die Leser zur Vermeidung einer fehlerhaften Vorstellung darüber aufklären müssen, dass das von dem Priester gegenüber der Polizei eingeräumte - zum damaligen Zeitpunkt nach staatlichem Recht unzweifelhaft nicht strafbare - Verhalten nicht Gegenstand eines staatlichen Ermittlungsverfahrens gewesen sei.

Unzulässig sei auch die Äußerung "obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat". Es handele sich um eine irreführende Meinungsäußerung mit einem unwahren Tatsachenkern. Namentlich sei im Rahmen der Zeugenvernehmung des Priesters, wie ausgeführt, die Minderjährigkeit von dessen Sexualpartner überhaupt nicht zur Sprache gekommen.

Auch die Äußerung "Ungeachtet dessen befördert […] diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später […]." enthalte mit der Bezeichnung des Priesters als "Sexualstraftäter" im Zusammenhang mit dessen im Artikel angegebenen angeblichen Äußerungen bei der Polizei, er habe Sex bzw. sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen bzw. Kindesmissbrauch gestanden, eine weitere irreführende und in Ermangelung einer Erläuterung ebenfalls unzulässige Meinungsäußerung. Sie verstärke die Gefahr eines fehlerhaften Verständnisses dahingehend, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden gegen diesen ermittelt hätten.

Um zulässige Meinungsäußerungen handele es sich dagegen bei der von dem Kläger angegriffenen Artikelüberschrift "Obwohl er von den Vorwürfen wusste - Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester" und bei der angegriffenen Äußerung aus dem Kommentar "Kardinal Woelki, der Erzbischof von Köln, hat einen Missbrauchspriester befördert". Zwar enthielten diese eine scharfe und zugespitzte Kritik an der Amtsführung des Kardinals. Diese Kritik müsse sich der Kläger als Träger eines hohen kirchlichen Amtes aber u.a. im Lichte der breiten öffentlichen Diskussion um sein Verhalten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche gefallen lassen.

Die Bezeichnung des Priesters als "Missbrauchs-Priester" sei - jedenfalls im Verhältnis der Beklagten zum Kläger - rechtmäßig. Die Frage, ob ein Verhalten als Missbrauch anzusehen sei, unterliege der rechtlichen oder moralischen Bewertung. Mangels Vorliegens eines unwahren tatsächlichen Bestandteils stehe den Beklagten die Bewertung als Missbrauch frei mit der Konsequenz, dass sie den Priester dementsprechend in einer zugespitzten Wertung als "Missbrauchs-Priester" bezeichnen könne. Bei der Äußerung, der Kläger habe "von den Vorwürfen" gewusst, handele es sich auf der Grundlage des diesbezüglichen Parteivortrags ebenfalls um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer inneren Tatsache.

Auch in dem Verfahren 15 U 131/22 streiten die Parteien um die Zulässigkeit verschiedener Äußerungen. Das Landgericht Köln hat der Klage antragsgemäß mit Urteil vom 8. Juni 2022 stattgegeben (Az. 28 O 295/21, abrufbar über die Datenbank NRWE). Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat auf die Berufung der Beklagten das angegriffene Urteil teilweise abgeändert. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch bestehe hinsichtlich einzelner der vom Kläger angegriffenen Äußerungen. Im Einzelnen:

Abgesehen von einem Äußerungsteil, der von dem titulierten Verbot auszunehmen sei, habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zustehe bezüglich der - in Artikeln mit der Überschrift "Die Vertuschungs-‚Mafia‘ im Erzbistum Köln" und "VERTUSCHUNGS-‚MAFIA‘ im Erzbistum Köln" veröffentlichten - Äußerungen "DIESER bislang geheim gehaltene Bericht aus dem Giftschrank des Erzbistums Köln" und "wo er bis heute liegt".

Diese Äußerungen beträfen den Kläger; aus den Überschriften und dem weiteren Text der beiden Artikel ergebe sich, dass das fragliche Dokument - der in dem Artikel genannte Bericht eines anonymen Insiders - dem Kläger seit dem Jahr 2015 bekannt gewesen sei. Die angegriffenen Äußerungen seien auch geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers als Träger eines hohen kirchlichen Amtes auszuwirken. Denn dem Leser werde die Schlussfolgerung nahe gelegt, er habe die Aufklärung der Vorwürfe, die in dem angeblich geheim gehaltenen Dokument erhoben beziehungsweise wiedergegeben werden, nicht beziehungsweise nicht ernsthaft betrieben. Die Äußerungen seien als unzulässige Meinungsäußerungen mit einem unwahren, jedenfalls aber nicht erweislich wahren Tatsachenkern einzuordnen.

Dazu hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, in den Äußerungen vermengten sich tatsächliche und wertende Elemente in der Weise, dass die Äußerungen insgesamt noch als Werturteil anzusehen seien. Bei derartigen Äußerungen falle bei der Abwägung der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht; ausgehend davon trete hier das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn nach dem bewiesenen Vortrag des Klägers sei davon auszugehen, dass das von den Beklagten in Bezug genommene Dokument, nachdem es zuvor auch anderen Anwälten zur Kenntnis gebracht worden sein soll, im Jahr 2020 an die mit der Erstellung eines Missbrauchsgutachtens beauftragte Kanzlei übergeben worden sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich aber auch dann nicht, wenn man von einem Tatsachenkern mit ungeklärtem Wahrheitsgehalt ausgehen wolle. Nach den im Verfahren maßgeblichen Tatsachenfeststellungen im landgerichtlichen Urteil sei im Übrigen davon auszugehen, dass die Kanzlei den Auftrag gehabt habe, die gesichteten Dokumente, sofern zur Verfolgung konkreter Strafverdachtsmomente als notwendig erachtet, an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Der mit der Weitergabe der Informationen an eine solche Stelle verbundene Kontrollverlust sei mit der Annahme, die Informationen seien weiterhin geheim gehalten worden, auch unter Berücksichtigung erheblicher Wertungsspielräume nicht mehr vereinbar. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang einen weiteren, den damaligen Generalvikar betreffenden Äußerungsteil untersagt habe, sei dieser dagegen auszunehmen. Dieser sei äußerungsrechtlich in Bezug auf den Kläger nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich weiterer verfahrensgegenständlicher Äußerungen sei bereits der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht berührt, da diese ihn entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht beträfen. Dies gelte u.a. für die Überschrift "Die Vertuschungs-Mafia im Erzbistum Köln". Dazu hat der Senat unter näherer Darlegung ausgeführt, die Überschrift dürfe nicht isoliert von dem dazugehörigen Zeitungsbericht betrachtet werden.

Der im Übrigen angegriffene Äußerungsteil "bringt Kardinal Woelki (64) in Erklärungsnot" betreffe zwar den Kläger, diesen müsse er indes hinnehmen. Es handele sich dabei um eine zulässige Bewertung der Umstände, dass der Kläger das Schreiben nicht zum Anlass genommen habe, von einer Beförderung abzusehen, und dass er auf Anfrage der Beklagten zu diesem Vorgang Stellung genommen habe.

In beiden Verfahren ist die Revision vom Senat nicht zugelassen worden.

BGH: Kein Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils aus Art. 17 DSGVO - vorrangige berechtigte Gründe des Portalbetreibers im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Halbsatz 1 DSGVO

BGH
Urteil vom 13.12.2022
VI ZR 54/21


Der BGH hat nochmals entschieden, dass kein Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils aus Art. 17 DSGVO besteht. Es liegen auf Seiten des Portalbetreibers vorrangige berechtigte Gründe im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Halbsatz 1 DSGVO vor.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Auch der Löschungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO ist nicht gegeben. Denn für die von der Klägerin angegriffene Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten liegen jedenfalls vorrangige berechtigte Gründe im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Halbsatz 1 DS-GVO vor. Die auch insoweit gebotene Gesamtabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis als die oben zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO vorgenommene Abwägung (vgl. Senatsurteile vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 24 mwN; vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 488/19, NJW 2022, 1098 Rn. 68 und VI ZR 489/19,
BGHZ 231, 263 Rn. 71, vom 15. Februar 2022 - VI ZR 692/20, NJW-RR 2022,693 Rn. 42).

2. Der ebenfalls aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO abzuleitende Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 489/19, BGHZ 231, 263 Rn. 10; vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 20, 23 zur Auslistung; BSGE 127, 181 Rn. 13) ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO im Ergebnis zu Recht verneint. Da die Klägerin im Zusammenhang mit dem Unterlassungsbegehren keine weiteren Gestaltungsvarianten oder Verhaltensweisen der Beklagten beanstandet hat, kann zur Begründung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Datenverarbeitung auf die obigen Ausführungen zum Löschungsanspruch verwiesen werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



VG Köln: Juristische Person mit Sitz außerhalb der EU kann sich nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen

VG Köln
Beschluss vom 14.11.2022
6 L 1523/22


Das VG Köln hat entschieden, dass sich eine juristische Person mit Sitz außerhalb der EUnicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann.

Leitsätze des Gerichts:
Wer auftragsbasiert den Interessen Dritter durch strategische Beratung und andere Dienstleistungen der Öffentlichkeitsarbeit zum Zwecke einer öffentlichen Meinungsbildung im Sinne der Auftragsgeber dient und dabei auch Mittel, Methoden und Ausdrucksformen mit journalistisch-redaktionellem Anschein verwendet, kann sich nicht auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) berufen.

Presseethische Grundsätze können auch als freiwillige Selbstverpflichtung in Form eines Pressekodex für die Bestimmung des Schutzbereichs der Pressefreiheit relevant sein.

Eine juristische Person, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union hat, kann sich nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist kein Anordnungsanspruch in Form einer Rechtsposition ersichtlich, die auf Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG gestützt werden kann.

Gegen einen presserechtlichen Informationsanspruch (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG),

vgl. dazu: VG Köln, Beschluss vom 22.08.2022 – 6 L 978/22 –, juris, Rn. 23 m. w. N.,

spricht bereits, dass die Antragstellerin keine Presse im Sinne des verfassungsunmittelbaren Informationsanspruchs ist. Publizistisch tätig, d. h. Vertreter der Presse, ist nur, wer deren Funktion wahrnimmt. Ob der erforderliche Funktionsbezug vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab; das schließt typisierende Bewertungen nicht aus. Der Schutz der Pressefreiheit knüpft nach Maßgabe des weiten und formalen Pressebegriffs an das Substrat einer Publikation in gedruckter oder digitalisierter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form an. Darüber hinaus wird in inhaltlicher Hinsicht vorausgesetzt, dass die Publikation am Kommunikationsprozess zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung teilnimmt. Dies ist ohne weiteres regelmäßig nur bei Presseunternehmen wie etwa Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen gerechtfertigt. Entsprechendes gilt für Journalisten und Redakteure, deren Berufsbild ebenfalls von der Wahrnehmung dieser Aufgabe geprägt wird. Bei anderen Unternehmen fehlt es an einer vergleichbar eindeutigen Verknüpfung zwischen Tätigkeit und publizistischem Zweck. In diesen Fällen bedarf daher näherer Prüfung, ob der erforderliche Funktionsbezug vorliegt. Insoweit ist darauf abzustellen, welche Tätigkeit das Unternehmen prägt und wofür die begehrten Informationen verwendet werden (sollen). Der Informationsanspruch knüpft an die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Presse an. Dieser verfassungsrechtlich begründete Funktionsbezug verhindert ein zweckwidriges Ausufern des Kreises der Anspruchsberechtigten. Es ist daher jedenfalls zu verlangen, dass das journalistisch-redaktionell aufbereitete Angebot nach Inhalt und Verbreitungsart dazu bestimmt und geeignet ist, zur öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung beizutragen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2019 – 7 C 26.17 –, juris, Rn. 24 ff. m. w. N.

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Die Antragstellerin dient auftragsbasiert privaten Interessen oder auch Interessen von öffentlichen Trägern durch strategische Beratung und andere Dienstleistungen der Öffentlichkeitsarbeit zum Zwecke einer öffentlichen Meinungsbildung im Sinne der Auftragsgeber. Dazu verwendet sie möglicherweise auch Mittel, Methoden und Ausdrucksformen mit journalistisch-redaktionellem Anschein, die jedoch bereits aufgrund der Auftragsmotivation presseethischen Grundsätzen zuwiderlaufen, welche auch als freiwillige Selbstverpflichtung in Form von Pressekodices für die Bestimmung des Schutzbereichs der Pressefreiheit relevant sind.

Vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 13.10.2020 – 2 C 41.18 –, juris, Rn. 42; OVG NRW, Beschluss vom 27. 06.2012 – 5 B 1463/11 –, juris, Rn. 47; VG Saarland, Urteil vom 12.10.2006 – 1 K 64/05 –, juris, Rn. 60 ff.

In Ziffer 6. der Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) des Deutschen Presserates in der Fassung vom 11.11.2019,

abrufbar auf www.presserat.de/pressekodex.html,

heißt es: „Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.“ Laut Ziffer 7. gebietet die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.

Im Übrigen nehmen auch nach der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ im Journalistenkodex des Schweizer Presserates in der Fassung vom 05.06.2008,

abrufbar unter www.presserat.ch/journalistenkodex/erklaerung,

Journalistinnen und Journalisten weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äußerung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken (Ziffer 9). Sie vermeiden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von kommerzieller Werbung und akzeptieren keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten (Ziffer 10). Sie nehmen journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen, und akzeptieren sie nur dann, wenn diese zur Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten nicht im Gegensatz stehen (Ziffer 10).

Die Antragstellerin trägt vor, „ein Redaktionsbüro für die Belieferung von deutschsprachigen Medien mit tagesaktuellen Inhalten“ zu betreiben. Ihr Geschäftsführer ist ausweislich des in Kopie vorgelegten Presseausweises ein in der Schweiz akkreditierter Journalist. Auf ihrer Internetseite „Internetadresse wurde entfernt“ bewirbt die Antragstellerin sich als „content creation company“ folgendermaßen:

„[…]“

Ausweislich der Eintragung im Handelsregister des Kantons B. B1. ,

abrufbar unter: „Internetadresse wurde entfernt“

ist der Gesellschaftszweck der Antragstellerin wie folgt bestimmt:

„[…]“

von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützter Funktionsbezug zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung durch ein journalistisch-redaktionell aufbereitetes Angebot ist angesichts der gewerblichen Förderung der Eigeninteressen Dritter zu verneinen. Das Fehlen eines solchen Funktionsbezugs zeigt sich auch daran, dass die Antragstellerin als juristische Person kein eigenes Medium im presserechtlichen Sinne, sondern „corporate publishing“ für ihre Kunden in anderen „Medienkanälen“ betreibt. Das materielle Grundrecht der Pressefreiheit schützt Marketing und Lobbyismus auch dann nicht, wenn diese in journalistischen Erscheinungsformen betrieben werden.

Darüber hinaus steht einem presserechtlichen Anspruch wie auch einem auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gestützten Informationsfreiheitsanspruch der Antragstellerin entgegen, dass sie als ausländische juristische Person nicht grundrechtsberechtigt ist. Träger von Grundrechten sind in erster Linie natürliche Personen. Darüber hinaus gelten die Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Ausländische juristische Personen können sich dagegen nicht auf materielle Grundrechte berufen. Wortlaut und Sinn von Art. 19 Abs. 3 GG verbieten eine ausdehnende Auslegung auf ausländische juristische Personen im Hinblick auf materielle Grundrechte; die Staatsangehörigkeit der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen ist dabei unerheblich. Eine Ausnahme bilden nur ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben. Auf diese juristischen Personen ist die Grundrechtsberechtigung zu erstrecken, wenn ein hinreichender Inlandsbezug besteht, der die Geltung der Grundrechte in gleicher Weise wie für inländische juristische Personen geboten erscheinen lässt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.06.2018 – 2 BvR 1287/17 –, juris, Rn. 26 ff. m. w. N.; BFH, Beschluss vom 24.01.2001 – I R 81/99 –, juris, Rn. 8 f.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Sinne der Art. 772 - 827 des schweizerischen Obligationenrechts mit Sitz in C. (Kanton B. B1. ) sowie weiteren Niederlassungen in C1. (Kanton A. ) und in A1. Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist nicht Mitglied der Europäischen Union. Eine Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf schweizerische juristische Personen ergibt sich auch nicht aufgrund eines bilateralen Vertrages zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union.

Vgl. dazu: BFH, Urteil vom 08.08.2013 – V R 3/11 –, juris, Rn. 38.

Unabhängig von der Frage eines Anordnungsanspruchs ist auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die wie hier auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, besteht nur dann, wenn dem Antragsteller ohne deren Erlass schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die nachträglich durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2018 – 13 C 59/17 –, juris, Rn. 2 m. w. N.

Derartige Nachteile hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Es ist ihr auch ohne die begehrte Anordnung möglich, als Abonnentin („Follower“) des Twitter-Accounts des Bundesministeriums für Gesundheit (im Folgenden: Bundesministerium) von denjenigen Nachrichten („Tweets“) des Twitter-Accounts „Account-Adresse01“, die das Bundesministerium auf seinem Account @BMG_Bund mit Followern teilt („Retweets“), in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Wenn die Antragsgegnerin auf ihrem eigenen Account Nachrichten des Twitter-Profils „Account-Adresse01“ mit Abonnenten teilt, wird die Antragstellerin davon unmittelbar in Kenntnis gesetzt. Zwar kann die Antragstellerin den Inhalt dieser Retweets nicht unmittelbar auf dem Account der Antragsgegnerin lesen, weil sie – die Antragstellerin – vom Nutzer des Accounts „Account-Adresse01“ blockiert worden ist. Allerdings ist es ihr ohne weiteres möglich, im Falle eines solchen Retweets den Inhalt der Twitter-Nachricht auf der Internetseite „Internetadresse wurde entfernt“ nachzulesen, auf der der Twitter-Feed des Accounts „Account-Adresse01“ eingebettet ist. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, warum ihr trotz dieser Möglichkeit schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die nicht mehr nachträglich durch eine Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden könnten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: