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OLG Dresden: Facebook / Meta trägt bei Deaktivierung eines Nutzerkontos die Darlegungs- und Beweislast für Verstoß gegen Nutzungsbedingungen

OLG Dresden
Urteil vom 12.12.2023
4 U 1049/23


Das OLG Dresden hat entschieden, dass Facebook / Meta bei Deaktivierung eines Nutzerkontos die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen trägt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die einer fristlosen Kündigung gleichstehende „Deaktivierung“ des Nutzerkontos durch die Beklagte am 15.12.2019 ist unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Nutzungsvertrag erfolgt. Die Beklagte kann sich insoweit weder auf ihre Nutzungsbedingungen unter Ziffer 4.2 noch auf entsprechende gesetzliche Regelungen §§ 314, 626 BGB stützen. An der Wirksamkeit von Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen (Anlage K 40) bestehen keine Bedenken, denn sie entsprechen nahezu wörtlich der gesetzlichen Regelung in § 314 BGB.

Die vorübergehende (in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen geregelte) Deaktivierung und die dauerhafte Aussetzung oder Kündigung von Konten in Ziff. 4.2 erfordern in gleicher Weise eine Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz, was nach der Rechtsprechung des BGH auch die Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Sicherungen beinhaltet (vgl. auch Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/22, Rn 22 - juris). Dass die Netzwerkbetreiber vor dem Ergreifen von Sanktionen die ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts ergreifen müssen, gilt nicht nur für vorübergehende Maßnahmen, sondern erst recht für die dauerhafte Kündigung eines Nutzerkontos, die die Grundrechte des Nutzers in weitaus stärkerem Maße beeinträchtigt als etwa die 30-tägige Versetzung in den "read-only"-Modus (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 22 - juris). Der Netzwerkbetreiber muss sich in seinen Geschäftsbedingungen dazu verpflichten, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrages und eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrages einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2022 - III ZR 12/21, Leitsatz 4 zu Ziffer 3.2. der Nutzungsbedingungen der Beklagten). Es ist allerdings nicht zwingend geboten, die notwendige Anhörung vor dieser Maßnahme durchzuführen. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Netzwerkbetreiber im Hinblick auf die Löschung eines Beitrages in seinen Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumt (BGH, a.a.O.). Eine solche Sachverhaltsaufklärung vor einer fristlosen Kündigung wird sowohl in den §§ 314, 626 BGB als auch in Ziff. 4.2. der Nutzungsbedingungen durch das Regelerfordernis der Abmahnung sichergestellt (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 22 - juris). Von dem Erfordernis der Abmahnung oder der Einräumung einer Abhilfefrist kann nur in bestimmten, eng begrenzten Ausfällen abgewichen werden, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflicht ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

Die Beklagte hat diese von ihr selbst aufgestellten Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung hier allerdings nicht eingehalten. Sie hat dem Kläger unstreitig weder eine Abhilfefrist eingeräumt noch ihn abgemahnt, bevor sie das Konto dauerhaft deaktivierte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich ernsthaft geweigert hätte, sich an die Gemeinschaftsstandards zu halten, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass unter Abwägung der Interessen beider Parteien wegen der besonderen Umstände eine sofortige Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung oder einer zu gewährenden Abhilfefrist zulässig gewesen sein soll. Vortrag hierzu ist nicht vorhanden.

Darüber hinaus hat die Beklagte zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte hat sich zur Begründung eines Verstoßes des Klägers gegen ihre Gemeinschaftsstandards darauf beschränkt, einen Verstoß gegen das Verbot von Nacktdarstellung und sexueller Ausbeutung von Kindern zu behaupten. Dies reicht nicht aus. Es besteht weder ein Screenshot des vom Kläger veröffentlichten Beitrages noch hat die Beklagte den Inhalt des Beitrages konkret dargestellt.

Es obliegt nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen der Beklagten, die sich auf einen Verstoß gegen ihre Gemeinschaftsstandards durch den Kläger beruft, vorzutragen und zu beweisen, dass ein wichtiger Grund für die dauerhafte Deaktivierung des Nutzerkontos vorgelegen hat. Insoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.08.2019 (18 U 1319/19, Anlage B35) stützen. Der maßgebliche Abschnitt verhält sich nicht zur dauerhaften Deaktivierung, sondern betrifft die Darlegungs- und Beweislast des Gesamtkontextes als Voraussetzung der korrekten rechtlichen Bewertung der konkreten Äußerung. Unabhängig davon ist nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen derjenige, der sich auf bestimmte Tatsachen stützt (Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards, Wirksamkeit der von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung) darlegungs- und beweisbelastet. Die Beweislast für den Kündigungsgrund liegt beim Kündigungsberechtigten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22.09.2020 - 21 U 92/19 - juris). Unabhängig hiervon wäre es dem Kläger angesichts der Pauschalität der Vorwürfe auch gar nicht möglich, die Vorwürfe der Beklagten zu widerlegen und die negative Tatsache, nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen zu haben, zu beweisen.

Soweit die Beklagte behauptet, ihr sei kein weiterer Vortrag möglich, weil der Beitrag unwiederbringlich und vollständig gelöscht worden sei, hat sie den Umstand, dass ihr weder ein schlüssiger Vortrag noch ein Beweisantritt möglich ist, selbst herbeigeführt.

1.3. Dem Kläger steht jedoch der im Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf die Wiederherstellung des Nutzerkontos mit allen Verknüpfungen seines Profils, wie es zum Löschungszeitpunkt bestand, nicht zu. Denn insoweit ist die Wiederherstellung nahezu vier Jahre nach der Deaktivierung nicht ohne weiteres möglich. Zum einen - und dies stellt der Kläger auch nicht in Abrede - ist offen, ob andere Nutzer, mit denen der Kläger zum Zeitpunkt der Deaktivierung seines Nutzerkontos noch verknüpft war, noch auf der sozialen Plattform aktiv sind. Zum anderen hat die Beklagte plausibel dargelegt, dass sie den in Rede stehenden Beitrag, der Auslöser für die Deaktivierung des Kontos war, endgültig und dauerhaft gelöscht habe. Auch dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt. Eine Herstellung ist insoweit unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB und kann von der Beklagten nicht verlangt werden.

1.4. Der mit dem Hilfsantrag begehrte Anspruch ist nicht gemäß § 242 BGB i.V.m. Ziffer 3.1. der Nutzungsbedingungen wegen Fehlens eines schutzwürdigen Eigeninteresses ausgeschlossen, weil der Kläger ein anderes Nutzerkonto auf der sozialen Plattform bei der Beklagten errichtet hat. Nach Ziffer 3.1. kann jeder Nutzer nur ein einziges Konto für persönliche Zwecke nutzen. Gleichwohl kann die von der Beklagten vertragswidrige Deaktivierung des Nutzerkontos nicht mit der Begründung verweigert werden, der Kläger verfüge über ein anderes Konto, zumal das deaktivierte Konto über Beiträge und Verknüpfungen verfügte, die das neue Konto allein schon wegen der Dauer seines Bestehens nicht aufweisen kann. Es ist nach Wiederherstellung des früheren Nutzerkontos Sache der Parteien, wie die in Ziffer 3.1. der Nutzungsbedingungen enthaltene Regelung umgesetzt wird. Dies kann auch durch eine Löschung eines der Nutzerkonten durch den Kläger geschehen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Berichtigung der Daten dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen, der der Deaktivierung zugrunde lag, aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird, §§ 280, 241, 249 BGB. Der Anspruch folgt aus dem Nutzungsvertrag, den die Beklagte durch die rechtswidrige Deaktivierung verletzt hat (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 26 - juris).

[…]

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch, dass es diese unterlässt, sein Konto zu deaktivieren, ohne ihn vorab über die beabsichtigte Sperre zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Ebenso wenig hat er Anspruch darauf, dass es die Beklagte unterlässt, etwaige Beiträge zu löschen, ohne ihn zugleich in speicherbarer Form den Anlass der Löschung oder Sperrung mitzuteilen.

Unabhängig davon, dass die Beklagte verpflichtet ist, vor einer fristlosen Kündigung und damit verbundener Kontosperrung dem Kläger eine Abhilfemöglichkeit einzuräumen oder ihn abzumahnen, ist es nicht stets unwirksam, ein Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung zu deaktivieren. Dies kann z. B. bei besonders schweren Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards und/oder bei strafbaren Handlungen der Fall sein. Nimmt ein Nutzer z. B. kinderpornographische Bilder oder andere strafbare Handlungen in seine timeline auf, so ist eine sofortige Sperrung oder Deaktivierung seines Nutzerkontos ohne Anhörung möglich(vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2022 - III ZR 12/21, Leitsatz 5). Um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, eine zivilrechtliche Haftung oder eine Inanspruchnahme nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auszuschließen, muss die Beklagte unverzüglich tätig werden, um Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten, die sie für ihre Nutzer gespeichert hat, zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, Rdnr. 77 - juris). Aus diesem Grund kann eine sofortige Sperrung oder Löschung eines Beitrags erforderlich und auch wirksam sein.

Ebenso kann aus vorgenannten Gründen eine Sperrung oder eine Löschung eines Beitrages auch dann wirksam sein, wenn dem Nutzer nicht zugleich der Anlass der Sperrung mitgeteilt wird. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine abstrakte Verbotsregelung kann nicht ausgesprochen werden.

Für die zugleich gegen die dauerhafte Aussetzung der Nutzungsfunktion und Kündigung gerichtete Klage besteht ein solches pauschales Anhörungserfordernis ohnehin nicht, vielmehr knüpfen Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen an den Ablauf einer „gewährten Abhilfefrist“ oder einer erfolglosen Abmahnung an (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 28 - juris).

[…]

7. Ein Schadensersatzanspruch steht dem Kläger ebenfalls nicht zu

7.1. Der Antrag ist zwar zulässig, denn es liegt keine unzulässige alternative Klagehäufung vor. Der Kläger stützt seinen Antrag auf die rechtswidrige Deaktivierung seines Kontos und damit einen bestimmten Lebenssachverhalt. Er stützt seinen Anspruch lediglich auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen.

7.2. Er hat aber schon einen bei ihm entstandenen materiellen Schaden nicht hinreichend dargelegt, sondern lediglich ausgeführt, dass ihm die Nutzung unmöglich geworden sei und er dadurch einen materiellen Schaden erlitten habe. Dies genügt nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 08.03.2022 (4 U 1050/21 unter Rdnr. 31 - juris) in vollem Umfang Bezug genommen.

Ebenso wenig steht ihm ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes in Form eines Schmerzensgeldes im Sinne von § 253 BGB zu. Ein solcher Anspruch wird regelmäßig erst dann zugesprochen, wenn ein schwerwiegender Eingriff von der Art ist, dass Rechtsbehelfe, die auf die Unterlassung bzw. Beseitigung der Störung zielen, die Verletzungsfolgen nicht hinreichend ausgleichen können. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Insoweit wird ebenfalls auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 08.03.2022 (- 4 U 1050/21 unter Rdnr. 32 - juris) in vollem Umfang Bezug genommen.

Ein Schadensersatzanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer fiktiven Lizenzgebühr begründet. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, dass vorliegend der Nutzungsmöglichkeit des Accounts ein wirtschaftlicher Wert beizumessen wäre, ist eine Bemessung von Leistung und Gegenleistung angesichts der Natur des für den Kläger unentgeltlichen Nutzungsvertrages und des unbestimmten Umfangs der im Einzelfall für die Beklagte nutzbaren Daten des Klägers nicht möglich (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 33 - juris).

Einen Schadensersatzanspruch kann der Kläger auch nicht mit Erfolg auf Art. 82 DSGVO stützen. Dieser hängt von einer Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO ab. Erforderlich ist daneben ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und einem konkreten Schaden (so EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C - 300/21, Rdnr. 36 - juris). Für einen immateriellen Schaden besteht ein Nachweiserfordernis durch die betroffene Person (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnrn. 49, 50 - juris). Der Schaden muss tatsächlich und sicher entstanden sein (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2017 - C-337/15, Rdnr. 91 - juris). Dazu ist - wie bereits ausgeführt - nichts vorgetragen worden. Der bloße Datenverlust stellt keinen Schaden dar (vgl. Senat, Urteil vom 20.08.2020 - 4 U 784/20 - juris; vgl. Urteil Senat vom 05.12.2023 - 4 U 709/23 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Kontrollverlust über die Daten stellt keinen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO dar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 - 7 U 19/23, Rn 151 - juris; vgl. Urteil Senat vom 05.12.2023 - 4 U 709/23 - zur Veröffentlichung vorgesehen).




OLG Stuttgart: Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien ist unzulässige Schmähkritik

OLG Stuttgart
Urteil vom 29.11.2023
4 U 58/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien eine unzulässige Schmähkritik ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart: Bezeichnung als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ist eine Schmähkritik, die nicht hingenommen werden muss

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute den Autor eines Facebook-Beitrags, in dem eine deutsche Politikerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet wird, zur Unterlassung verurteilt und insoweit die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert. Hinsichtlich des über den Unterlassungsanspruch hinaus geltend gemachten Geldentschädigungsanspruchs blieb die Klage allerdings ohne Erfolg.

Die Klägerin, die unter anderem als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei und als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts tätig war, hat auf Twitter Dieter Nuhr als Reaktion auf einen Beitrag in dessen Sendung „Nuhr im Ersten“ kritisiert und dabei u.a. die Worte „ignorant, dumm und uninformiert“ verwendet. Hierzu hat der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg auf Facebook Stellung genommen. Unter diesem Beitrag hat der Beklagte kommentiert: „Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.“ Die Klägerin hat den Beklagten wegen dieses – mittlerweile gelöschten – Beitrags zunächst abmahnen lassen und sodann Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld erhoben. Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben. Das Landgericht Heilbronn hat die Klage in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen und ausgeführt, der Beitrag sei jedenfalls noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Entscheidung des Senats

Der Senat hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben.

Bei der Äußerung handele es sich um eine Schmähkritik, für die der Beklagte hafte, weil er seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen habe, die eine nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen ließen. Zudem sei der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, denn er habe sich mehrfach von den Äußerungen distanziert, gleichzeitig den Beitrag aber damit verteidigt, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres (vom Beklagten näher beschriebenen) eigenen Verhaltens „fertig zu machen“.

Bei der Annahme einer Schmähung sei zwar grundsätzlich Zurückhaltung geboten, im Fall des Beklagten sei aber davon auszugehen, weil bei seinem Beitrag nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe und seine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe, sondern es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher gehe:

Mit der Aussage auf dem Facebook-Nutzerkonto des Beklagten werde die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handele sich um eine Äußerung, die durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret: dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwertende und diffamierende Komponente enthalte, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG). Die Aussage stehe zwar im Kontext der Beiträge der Klägerin und des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Brandenburg und knüpfe damit äußerlich an eine – öffentlich geführte – Auseinandersetzung an, sei aber völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem die Klägerin nur persönlich beschimpft und angegangen werde. Auch wenn die Klägerin zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwandt habe – „ignorant, dumm und uninformiert“ –, könne der unsägliche Kommentar des Beklagten nicht mehr als adäquate Reaktion auf das Vorverhalten der Klägerin angesehen werden.

Bei der Aussage „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ handele es sich ebenfalls um ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Darin sei eine Herabsetzung von Immigranten zu sehen und der Klägerin angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Auch insoweit fehle jeglicher Bezug zu der Diskussion um das Verhalten des Kabarettisten Dieter Nuhr, weshalb auch diese Aussage allein dazu diene, die Klägerin verächtlich zu machen.

Den ebenfalls geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch hat der Senat mit der Begründung verneint, dass es trotz der eheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung an dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzten unabwendbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung fehle, zumal die Klägerin selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst habe und der streitgegenständliche Beitrag zeitnah gelöscht worden sei. Vor diesem Hintergrund sei der zugesprochene Unterlassungstitel ausreichend.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, nachdem es sich um einen Einzelfall handele; eine grundsätzliche Bedeutung sei nicht erkennbar. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

OLG Stuttgart - 4 U 58/23 - LG Heilbronn - 8 O 85/22



LG Lübeck: Einstweilige Verfügung gegen Facebook auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens

LG Lübeck
Beschluss vom 02.06.2023
15 O 2/23


Das LG Lübeck hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass gegen Facebook
ein Anspruch auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag war auch begründet.

a. Der Antragstellerin stand der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Bis zur Erledigung des Antrages konnte sie von der Antragsgegnerin verlangen, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, das bereits deaktivierte Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.

Der Anspruch folgt dabei aus § 280 Abs. 1 BGB. Hiernach können die Nutzer vorbeugende vertragliche Unterlassungsansprüche gegen Plattformbetreibern wie der Antragsgegnerin geltend machen, wenn die konkrete Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung in der Zukunft besteht (Erstbegehungsgefahr) und dem Rechtsinhaber nicht zugemutet werden kann, die erste rechtswidrige Beeinträchtigung abzuwarten. Der Nachweis der Erstbegehungsgefahr obliegt dabei vollumfänglich dem Anspruchsteller.

Vorliegend bestand die konkrete Gefahr der vertragswidrigen Löschung des Nutzerkontos der Antragsgegnerin samt aller dazugehöriger Daten. Dass die Gefahr einer Datenlöschung bestand, folgt bereits aus den oben geschilderten Standardabläufen bei der Antragsgegnerin. Auch nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin werden die Daten eines – wie hier – deaktivierten Kontos „nach einer bestimmten Zeit“ (sog. „Schonfrist“) unwiderruflich gelöscht.

Diese Gefahr war vorliegend auch hinreichend unmittelbar und nicht erst in entfernter Zukunft zu besorgen. Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich ebenfalls, dass jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters mit jedem weiteren ablaufenden Tag das Risiko anstieg, dass es unmittelbar zu einem Datenverlust kommen würde. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich zwar an die Deaktivierung eine „Schonfrist“ anschloss, jedoch keinerlei nachvollziehbar kommunizierten Regelungen bestanden, wie lange diese Sicherheit vor Datenverlust bieten würde. Jedenfalls aus der Sicht eines objektiven Dritten musste jederzeit damit gerechnet werden, dass die – so auch in keiner Weise kommunizierte – „Schonfrist“ enden und der Prozess der endgültigen Löschung aktiviert würde. Dieser jederzeit mögliche Löschungsprozess bot sodann keinerlei zumutbare Sicherheit mehr vor Datenverlust, da dieser zwar während einer 90-tägigen Frist noch gestoppt werden kann, es allerdings unstreitig auch während dieser 90 Tage möglich ist, dass ein Versuch der Wiederherstellung fehlschlägt und zudem bereits 14 Tage nach Einleitung des Löschvorgangs es in jedem Fall schon nicht mehr möglich ist, sämtliche Kontoinformationen wiederherzustellen.

Dem kann die Antragsgegnerin auch nicht mit durchgreifendem Erfolg entgegensetzen, sie habe gar „nicht beabsichtigt“, das Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazugehörigen Daten vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu löschen. Denn jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung, mithin der Reaktivierung des Kontos am 16. Januar 2023 lag keine derartige Erklärung gegenüber der Antragstellerin vor, die geeignet gewesen wäre, die aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten bis zur Erledigung bestehende Erstbegehungsgefahr (vgl. oben) zu widerlegen. Vielmehr hatte die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere auch auf das anwaltliche Schreiben nur durch eine faktisch aussagefreie Standardemail reagiert. Die Erklärung, keine Löschung zu beabsichtigen erfolgte erst im innerprozessualen Schriftsatz vom 26. Januar 2023 nach Eintritt der erledigenden Ereignisses – und damit zu spät.

Soweit andere Gerichte der entsprechenden Aussage der Antragsgegnerin, sie habe nicht vorgehabt, die Daten zu löschen, streitentscheidende Relevanz zubilligten (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.10.2022 – 3 U 2178/22 -, MMR 2023, 375) überzeugt dies das Gericht nicht. Maßgeblich für die Prüfung der Frage, ob eine konkrete Gefahr des Datenverlustes vorlag, ist die sich aus Sicht eines objektiven Dritten darbietende Gesamtsituation. Diese sprach hier aus den dargelegten Gründen für eine erhebliche Gefahrensituation. Was hingegen die Antragsgegnerin aufgrund nicht vorgetragener, bis zur Erledigung des Verfahrens auch nicht nach außen getretener und rein interner Willensbildungsprozesse „wirklich“ wollte, kann an dieser Sachlage nichts ändern – und ist daher von der Antragstellerin auch nicht zu widerlegen.

Die damit unmittelbar drohende Löschung der Daten wäre auch rechtswidrig gewesen. In der Rechtsprechung ist insoweit mittlerweile anerkannt, dass Facebook ein Nutzerkonto grundsätzlich nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen und sodann die Daten löschen darf (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20 -, GRUR-RS 2022, 1154). Eine vorherige Abmahnung ist hier nicht erfolgt und ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Weder kann von einer ersichtlichen Zwecklosigkeit einer Abmahnung ausgegangen werden noch liegt in dem oben dargestellten Eintrag eine derart gravierende Vertragsverletzung vor, dass eine sofortige Kündigung zulässig gewesen wäre. Insbesondere liegt auch eine Strafbarkeit des Eintrages nach § 86a StGB nicht derart auf der Hand, dass eine Kündigung ohne Abmahnung angezeigt gewesen sein könnte. § 86a StGB ist nicht einschlägig, wenn ein Hakenkreuz in einem Kontext dargestellt wird, aus dem sich die Gegnerschaft zu der zugrundeliegenden Ideologie ergibt (BeckOK StGB/Ellbogen, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 86a Rn. 32-35). Dies ist vorliegend jedenfalls nicht fernliegend, da sich aus dem Text unter dem verwendeten Foto ergibt, dass die Antragsgegnerin die abgebildete Fahne als für die Abgebildeten gerade diskreditierend wahrnimmt – sich selbst mithin in Gegnerschaft zu diesen stellt.

b. Es lag auch bis zum Zeitpunkt der Erledigung der für den Erlass der Anordnung erforderliche Verfügungsgrund vor.

Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung der Antragstellerin mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies ist hier der Fall gewesen, da – wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt – jederzeit und mit im Zeitverlauf steigendem Risiko mit der unwiderruflichen Löschung der Daten gerechnet werden musste. Ein zeitaufwändiges Hauptsacheverfahren hätte keinesfalls mit der hinreichenden Aussicht auf Bewahrung der Daten vor Löschung betrieben werden können.

Einen Fall der Selbstwiderlegungen vermag das Gericht im Übrigen nicht zu erkennen. Ein solcher liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung vor, wenn die Antragstellerin nach Eintritt der Gefährdung mit dem Antrag zuwartet. Wie lange die Antragstellerin dabei ohne Rechtsverlust mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wird in der Regel ein Zuwarten von einem Monat noch akzeptiert, während zwei Monate dringlichkeitsschädlich sind. Ähnliche Zeiträume werden bei Ansprüchen nach dem UrhG in der Rechtsprechung angenommen und bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen (vgl. MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 19-21).

Bei der Bemessung des hier angemessenen Zeitraumes, der vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ohne Rechtsverlust verstreichen kann, kommt der Antragstellerseite vorliegend ein Einschätzungsspielraum zu. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerseite zwar einerseits vorgerichtliche Abhilfemöglichkeiten anbietet (vgl. oben), die Nutzerinnen und Nutzer dann jedoch sehr weitgehend im Unklaren lässt, wie, wann und ob überhaupt hierauf reagiert wird. Hinzukommt zudem, dass keine nachvollziehbaren Informationen vorgehalten werden, wie lange die persönlichen Daten nach einer Deaktivierung des Kontos noch vor einer Löschung „sicher“ sind und wann der Löschungsprozess eingeleitet wird. In der Zusammenschau befinden sich die Nutzerinnen und Nutzer daher in der paradoxen und individuell auch nicht auflösbaren Situation, einerseits nicht zu früh – nämlich vor Ausschöpfung der plattformeigenen Abhilfemöglichkeiten - gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu sollen, andererseits hierauf keine Reaktion zu erhalten und im Hinblick auf die unklare Dauer der Schonfrist und des Beginn des Löschungsprozesses auch nicht zu wissen, wann die gerichtliche Inanspruchnahme „zu spät“ sein könnte.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinerlei Bedenken hinsichtlich der hier von der Antragstellerin gewählten zeitlichen Ablaufs, der eine angemessene und vernünftige Reaktion auf die aufgezeigte Gemengelage darstellt und daher nicht zu einem Rechtsverlust führen kann. Zwar verstrichen hier zwischen der gefahrbegründenden Deaktivierung des Kontos bis zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ca. 7 Wochen. Dies geschah jedoch nicht durch reine Passivität der Antragstellerin, sondern ist die Folge der sinnvollen und angemessenen Nutzung der plattformeigenen Meldewege, die die Antragstellerin zu nutzen versuchte, wobei Verzögerungen vor allem dadurch eintraten, dass die Antragsgegnerin auf die Anschreiben nicht bzw. nicht angemessen einzelfallbezogen reagierte.

Die Deaktivierung erfolgte hier am 11. November 2021. Hierauf nutzte die Antragstellerin zunächst die plattformeigenen Wege der Beanstandung und wartete vernünftigerweise die Reaktion bis Ende November 2021 ab. Als keine Reaktion erfolgte, wandte sie sich Anfang Dezember an den Prozessbevollmächtigten, der sich – was ebenfalls nicht zu beanstanden ist – zunächst mit Schreiben vom 9. Dezember außergerichtlich an die Antragstellerin wandte und nun seinerseits ca. 3 angemessene Wochen auf substantielle Antwort abwartete – die nicht erfolgte. Im Anschluss stellte die Antragstellerin unverzüglich Antrag auf Erlass der begehrten Maßnahme bei Gericht.

Die Kosten waren im Rahmen des richterlichen Ermessens nach § 91 a ZPO auch nicht aus anderen Gründen den Klägern aufzuerlegen.

Das Gericht legt den Streitwert auf 10.000 EUR fest. Hierbei geht es davon aus, dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren wegen der Löschung eines Facebook-Kontos und damit einhergehend aller dort enthaltenen Freundschaftsverbindungen, Follower, Posts etc. ein Streitwert von vorliegend 10.000 EUR angemessen erscheint. Hiervon hat das Gericht vorliegend keinen weiteren Abschlag vorgenommen, da Gegenstand des hiesigen Verfahrens zwar nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung war, dessen Anlass jedoch die Befürchtung endgültigen Datenverlustes war, so dass insoweit kein erheblicher Unterschied zwischen Hauptsachestreitwert und Streitwert des einstweiligen Anordnungsverfahrens besteht (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. August 2022 - 4 W 40/22 -, Juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Nürnberg: Richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk ist die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags

LG Nürnberg
Urteil vom 22.08.2023
11 O 6693/21


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist in ihrer zuletzt geänderten Fassung nur teilweise zulässig.

I. Es liegt eine zulässige Klageänderung vor.
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2022 (Bl. 94 ff. d. A.) den Klageantrag Ziffer 5 um einen Hilfsantrag erweiterte, liegt eine Änderung des Sachantrags, mithin eine Klageänderung vor.

2. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Die sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage liegen nur teilweise vor, da die Klageanträge Ziffer 2 und Ziffer 5 bereits unzulässig sind.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international, sachlich und örtlich zuständig.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig, Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist nach vorstehenden Ausführungen auch örtlich zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beruht auf § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit von der in dem Klageantrag Ziffer 2 genannten Sperre, Nutzungseinschränkung, Entfernung und Unterbindungshandlung begehrt. Der Klageantrag zielt insoweit nicht auf die Feststellung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ab (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2022 – 14 U 270/20, juris Rn. 58 ff. mwN).

Der Aspekt, ob eine Kontensperrung rechtswidrig war, stellt kein Rechtsverhältnis dar, da die Qualifizierung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet und daher kein Rechtsverhältnis zwischen Personen begründet. Von daher spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtswidrigkeit von erfolgten Sperren eine Vorfrage bei der Entscheidung über andere Klageanträge darstellt. Schließlich erweist sich der Feststellungsantrag auch unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig.

3. Ebenfalls unzulässig ist die Klage mit ihrem Klageantrag Ziffer 5 nebst Hilfsantrag.

a. Der Unterlassungsantrag ist – auch in der Fassung des Hilfsantrags – nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, sind in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Vorliegend gibt der Unterlassungsantrag zwar nicht einen Gesetzeswortlaut wieder, sondern knüpft an eine Handlung der Beklagten – die Vornahme einer Sperre des Klägers auf www.facebook.com – an. Dennoch entspricht das Klagebegehren in seiner Wirkung faktisch der bloßen Wiederholung einer Rechtslage, nämlich der Rechtslage in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 59).

b. Zudem darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Fall der Kontosperre als Verletzungshandlung bzw. als Handlung, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, gibt es nicht. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass von einer Anhörung vor Durchführung der Maßnahme in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Außerdem kann z. B. ein Wiederholungsfall vorliegen, der eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich macht. Von daher ist die Verletzungshandlung, an die der geltend gemachte Unterlassungsanspruch anknüpft, nicht hinreichend bestimmt. Ließe man den Antrag zu, hätte die Beklagte keine Möglichkeit, sich umfassend und adäquat zu verteidigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 60).

c. Schließlich handelt es sich bei dem Begehren des Klägers inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf zukünftiges positives Tun (Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre). Eine solche Klage ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden ist. Ein Anspruch auf Information kann aber nicht vor Vornahme der entsprechenden Handlung (hier: Einstellung eines Posts, der zu einer Sperre Anlass geben könnte) entstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 61).

B. Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, überwiegend unbegründet.

I. Der auf die Freischaltung des am 14.08.2021 gelöschten Beitrags (Klageantrag Ziffer 3) ist begründet, da der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch hat, den von ihr am 14.08.2021 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, der aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten dem deutschen Recht unterliegt (so auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 38). Gemäß Nr. 1 ihrer Nutzungsbedingungen hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 40).

2. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags verstoßen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich insoweit nicht auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 der (…)-Nutzungsbedingungen i.V.m. den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ berufen. Denn ausgehend von der in den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ geregelten Definition enthält der Beitrag des Klägers keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards.

a. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 mwN). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31). Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich von Sanktionen diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2003, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris 33 ff.). Anders bei Unterlassungsansprüchen: Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 34). Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 35).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten vor. Denn die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Beitrag beanstandeten Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt im vorliegenden Kontext keinen direkten Angriff auf Personen dar, auch wenn durch die Äußerung eine bestimmte Personengruppe aufgrund ihrer nationalen Herkunft identifizierbar ist.

aa. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt bereits ausgehend von dem objektiven Wortlaut und auch unter Berücksichtigung des Kontexts keine gewalttätige oder menschenverachtende Sprache und auch keinen Aufruf, Personen auszugrenzen oder zu isolieren, dar.

bb. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt überdies in der Zusammenschau der gegebenen tatsächlichen Umstände nicht eine als Hassrede definierte Aussage über Minderwertigkeit, schädliche Stereotypisierung oder einen Ausdruck der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung oder Beschimpfung dar. Denn die Äußerung des Klägers ist mehrdeutig und von der Beklagten ist – ausgehend von dem oben dargestellten Maßstab – bei der Prüfung der Löschung die für den Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen.

(1) Zwar kann die Äußerung des Klägers, wie von der Beklagten behauptet, von einem Durchschnittsleser im Gesamtkontext als eine Aussage über die Minderwertigkeit der deutschen Bevölkerung bzw. Ausdruck der Verachtung gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgelegt und verstanden werden.

Zum einen ist die Aussage „verblödet“ bereits nach dem Wortsinn ein Ausdruck der Verachtung und Minderwertigkeit. In den Gemeinschaftsstandards ist zudem definiert, dass es sich bei dem Wort „blöd“ um eine verbotene Verallgemeinerung handelt, die Minderwertigkeit aufgrund geistiger Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeit zum Ausdruck bringe.

Die Äußerung des Klägers könnte vor diesem Hintergrund somit dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt oder jedenfalls ein repräsentativer, „typischer“ Deutscher“ „verblödet“ sei. Damit würde allen Menschen deutscher Nationalität verallgemeinernd verminderte intellektuelle Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch der Gesamtkontext würde einem solchen Verständnis nicht entgegenstehen. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes kann die Äußerung dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft über geringere geistige Fähigkeiten verfüge und sich daher leicht täuschen und ausnutzen lasse.

(2) Zugleich kann die Äußerung von einem Durchschnittsleser allerdings auch als Selbstkritik bzw. Selbstironie im Rahmen einer aktuellen politischen Diskussion über den Klimawandel verstanden werden. In diesem Fall würde die Äußerung des Klägers nicht unter die Definition der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards fallen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung, wie von dem Kläger vorgetragen, im Gesamtkontext dahingehend versteht, dass die beanstandete Wertung lediglich an das Verhalten und die Einstellung der Deutschen in Bezug auf den Klimawandel und die Klima- bzw. CO₂-Politik („grüner Ökowahn“) im internationalen Vergleich anknüpfe. Die Äußerung kann in diesem Gesamtkontext aufgrund der weiteren Aussagen „Autofahrer schröpfen“, „Industrie knebeln“ sowie der Aussage zur Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland dahingehend verstanden werden, dass der Kläger die Deutschen kritisiere, dass diese einem „grünen Ökowahn“ unterlägen, der mit Nachteilen für die Deutschen und die deutsche Wirtschaft verbunden sei, während den Rest der Welt bzw. andere Länder der Klimawandel und Belastung der Umwelt nicht interessiere bzw. andere Länder auch noch von dem „Ökowahn“ der Deutschen profitieren würden, weil Produktionsstandorte von Deutschland ins Ausland verlagert werden.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die Äußerung als (überspitzt formulierte) Selbstkritik bzw. Selbstironie und nicht als Ausdruck der Minderwertigkeit versteht.
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(3) Da es sich bei der Löschung des Beitrags um eine Sanktion der Beklagten dem Kläger gegenüber handelt, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Löschung aufgrund des oben dargestellten Maßstabes die für den Kläger günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Da die Äußerung, wie bereits dargestellt, auch dahingehend verstanden und ausgelegt werden kann, dass keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards vorliegt, war die Löschung rechtswidrig und der Beitrag ist wiederherzustellen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 71 d. A. Rückseite) geltend macht, andere Gerichte hätten bereits entschieden, dass eine Darstellung der Deutschen als dumm bzw. intellektuell minderbemittelt eine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstelle, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entsprechende Urteile sind weder veröffentlicht noch vorgelegt. Es kann daher nicht überprüft werden, ob die den Entscheidungen zugrunde liegenden Äußerungen mit der streitgegenständlichen Äußerung im konkreten Zusammenhang identisch sind.

c. Da der streitgegenständliche Beitrag mangels Erfüllung eines dort genannten Straftatbestands auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellt, kommt eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht.

3. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die in der Entfernung des Beitrags bestehende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte zur Wiederherstellung des Beitrags verpflichtet. Denn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden des Klägers besteht darin, dass sein Beitrag auf der Plattform der Beklagten nicht mehr gespeichert ist und von den anderen Nutzern nicht mehr gelesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 111).

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Fragen der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Drittwirkung von Grundrechten, sowie deren wirksame Einbeziehung und des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht entscheidungserheblich an.

II. Der auf die Unterlassung einer künftigen Löschung des in Klageantrags Ziffer 3 enthaltenen Beitrags gerichtete Klageantrag (Klageantrag Ziffer 4) ist unbegründet. Denn die künftige Löschung des streitgegenständlichen Beitrags kann der Beklagten – unabhängig von der Anspruchsgrundlage – nicht untersagt werden (vgl. zum Folgenden: OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, juris Rn. 54 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, juris Rn. 32). Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen Textes, dessen Löschung der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des künftigen Textbeitrags durch die Beklagte unzulässig wäre.

III. Ein Anspruch auf Datenberichtigung (Klageantrag Ziffer 1) besteht – unabhängig von der Zulässigkeit erfolgter Maßnahmen – nicht.

1. Zwar kann eine betroffene Person nach Art. 16 Satz 1 DS-GVO von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte vorgenommene Löschungen und Sperrungen in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich jedoch nicht um unrichtige Daten. Soweit die gespeicherten Daten Werturteile der Beklagten über das Vorliegen von Vertragsverstößen beinhalten sollten, könnte auch insoweit keine Datenberichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachen, sondern um rechtliche Bewertungen handelt, die schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen sind, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten. Der Beklagten ist es mithin nicht verwehrt, ihre Auffassung zu vermerken, etwaige Löschungen und Sperrungen seien rechtmäßig gewesen, ohne dass damit ein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden wäre. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, wonach von der Beklagten gespeicherte Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage seien (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, juris Rn. 95 ff.).

b. Soweit der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz begehrt, sieht Art. 16 Satz 1 DS-GVO eine solche Rechtsfolge nicht vor. Dem „Recht auf Berichtigung“ kann im Einzelfall auch dadurch – ggf. besser – Rechnung getragen werden, dass unrichtige Daten durch Hinzufügung von Vermerken in korrigierter Weise beibehalten werden.

c. Ein Anspruch auf Löschung gespeicherter Daten steht dem Kläger auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO zu. Denn danach sind personenbezogene Daten auf Verlangen erst dann zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Im Rahmen einer fortgesetzten Nutzung der Dienste der Beklagten ist diese jedoch zur Durchführung des Vertragsverhältnisses darauf angewiesen, Informationen zu etwaigen Löschungen und Sperrungen in den Konten ihrer Nutzer vorzuhalten.

d. Soweit eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Raume steht, Datensätze insoweit zu korrigieren, als ihnen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, ungerechtfertigte Sanktionen des Klägers zugrunde liegen, stehen solche zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19, juris Rn. 178) legt weder schlüssig noch substantiiert dar, welchen konkreten Inhalt die auf Seite 16 der Klageschrift (Bl. 16 d. A.) aufgelisteten und in der Vergangenheit gelöschten Beiträge hatten. Durch die Kammer kann somit nicht überprüft werden, ob vorliegend ein Löschung des jeweiligen Beitrags zulässig war.

IV. Der auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag Ziffer 6 ist unbegründet.

1. Nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 BGB kann der Kläger eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.

Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn mit dem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2021 (Anlage K 13) hat der Klägervertreter die Beklagte unter Ziffer IV.1. lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des gelöschten streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden (so auch OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, juris Rn. 209 ff.).

2. Auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB kann der Kläger die Freistellung von außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verlangen, da sich die Beklagte bei Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug befunden hat. Denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat weder schlüssig dargelegt, dass er die Beklagte vor Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB abgemahnt hat, noch war die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da für die Leistung der Beklagten (Zur Verfügung Stellung der Plattform) keine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auch liegt keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 vor, da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Eintritt des Verzugs nicht rechtfertigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Karlsruhe: Facebook ist unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt strafbare Inhalte zu löschen

OLG Karlsruhe
Urteil vom 26.05.2023
10 U 24/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass Facebook unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt ist, strafbare Inhalte zu löschen

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der Facebook-Beiträge zu, die am 7.8., 26.10. und 27.10.2020 gelöscht wurden und die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ sowie private bzw. intime Fotografien von Hunter Biden enthalten (Klageanträge 7 und – soweit zulässig – 8).

aa) Allerdings besteht zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Beklagte gemäß ihren Nutzungsbedingungen gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf.

bb) Zur Begründung von Beitragslöschungen kann sich die Beklagte nicht auf die Regelungen auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 i. V. m. Teil 1 Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards gleichen Datums berufen. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf die diesbezüglichen grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 29.7.2021, III ZR 179/20, ZUM 2021, 953, 957 ff., und III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612, 618 ff.), denen sich der erkennende Senat bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeschlossen hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20), wird zustimmend Bezug genommen.

cc) Ein Recht zur Löschung folgt auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzungsvertrags (vgl. BGH, a. a. O., OLG Karlsruhe, a. a. O.). Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach § 306 Abs. 2 BGB tritt an die Stelle der unwirksamen Klauseln das dispositive Gesetzesrecht. Bei strafbaren Inhalten war die Beklagte auch unter Geltung ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 zur Entfernung von Beiträgen und zur (vorübergehenden) Sperrung des Nutzerkontos berechtigt und verpflichtet (siehe sogleich). Auch im Übrigen stand die Beklagte etwaigen Vertragsverstößen der Nutzer nicht wehrlos gegenüber, da in diesem Fall die gesetzlich geregelten Möglichkeiten der Reaktion bei einer Pflichtverletzung des anderen Teils eingreifen (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20; OLG Karlsruhe Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20).

dd) Die Beklagte war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, BGH, NJW 2021, 3179, 3188). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die von dem Beklagten abgesetzten Posts, die die Beklagte am 7.8.2020, am 26.10.2020 und am 27.10.2020 gelöscht hat und die die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ bzw. private und intime Fotografien von Hunter Biden enthielten, waren strafbaren Inhalts.

(1) Der Post „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ enthält eine gemäß § 185 StGB strafbewerte Beleidigung. Diese Äußerung ist als Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung des Klägers gegenüber Andreas K. zu qualifizieren (vgl. zum strafrechtlichen Begriff der Beleidigung nur BGH, Urteil vom 29.5.1951, 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288, 289), ohne dass die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers vorgenommen wurde (vgl. § 193 StGB).

(a) Um zu dieser Beurteilung zu gelangen, war zunächst zu ermitteln, in welcher Hinsicht die Äußerung ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Andreas K. beeinträchtigt. Maßgeblich für die Deutung ist dabei weder die subjektive Absicht des Klägers noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums haben. Fernliegende Deutungen sind dabei ausgeschlossen (zum Vorstehenden BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005, 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207, 208; BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, 1 BvR 1476/91 u.a., NJW 1995, 3303, 3305). Diese Sinnermittlung fällt vorliegend eindeutig aus. Durch die Verwendung des Schimpfwortes „Idiot“ hat der Kläger seine Missachtung des Andreas K. als ein vernünftiges Wesen durch den Vorwurf elementarer menschlicher Unzulänglichkeiten klar zur Geltung gebracht (vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 185 Rn. 2). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Wort „Idiot“ nicht als solches verwendet, sondern im Rahmen eines Wortspiels mittels des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ benutzt wurde; der Stamm des Schimpfwortes blieb dadurch erhalten, es war auch weiterhin sofort als solches zu identifizieren. Umgekehrt wurde der abwertende Charakter der Bezeichnung durch die Vorsilbe „Voll-“, die aus der Bezeichnung als „Vollidiot“ bekannt ist, inhaltlich ausgeweitet und der Teil „Idiot“ des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ dadurch noch verstärkt. Eine abweichende Deutung des Begriffs als bloßes Wortspiel, das gerade wegen seines spielerischen Charakters den die Person des Andreas K. abwertenden Kern verlieren könnte, scheidet bei dieser Sachlage aus. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerung. Mit der Formulierung „Landet jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufzuregen?“ hat der Kläger die Abwertung der Person des Andreas K., der „Mist“ äußere und dadurch Grund zur Aufregung gebe, noch weiter verstärkt. Auch durch die Formulierung „Andreas WER?“ hat er zum Ausdruck gebracht, dass seine Äußerungen in der Gesamtschau gerade auf eine Zurücksetzung der Person des Andreas K. gerichtet gewesen sind.

(b) Allerdings ist der Begriff „Covidiot“ – auch im vorgenannten Äußerungskontext – nicht bereits deshalb als ohne weitere Abwägung strafbare Beleidigung anzusehen, weil es sich bei ihr um eine Schmähung oder Schmähkritik, eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde handeln würde. Dieser Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Konstellationen, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Die Bezeichnung als „Covidiot“ und auch der Verweis auf den „Mist“, den Andreas K. verbreitet habe, stellt einen Sachbezug zu dem vorangegangenen Beitrag des Andreas K. auf „Facebook“ her. Die Formulierung des Klägers beschränkte sich also nicht auf die Abwertung der Person des Andreas K., sondern bezog sich auch auf den Inhalt dessen eigener Äußerungen zum Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der Corona-Pandemie (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.2.2017, 1 BvR 2973/14, NJW 2017, 1460, 1461, zur Bezeichnung der Teilnehmer an einer Demonstration als „rechtsextreme Idioten“).

(c) Bei dieser Sachlage besteht bei der Beurteilung, ob eine strafrechtlich relevante Beleidigung vorliegt, weder ein genereller Vorrang für die Meinungsfreiheit des Klägers noch für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. Geboten ist vielmehr eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte im Wege einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen gehören insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 19.5.2020, 1 BvR 2397/19, NJW 2020, 2622, 2625).

Diese Abwägung ergibt vorliegend den Vorrang des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Andreas K. und führt daher zur Annahme einer strafbaren, insbesondere auch nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigten Beleidigung.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, spricht für den Kläger, dass er an eine inhaltliche Äußerung des Andreas K. angeknüpft und diese (als „Mist“ bezeichnet) ebenfalls zum Gegenstand seines Facebook-Beitrags gemacht hat. Er mag die Äußerung auch subjektiv nicht in erster Linie als persönlichen Angriff gegen Andreas K. verstanden, sondern nur gegen dessen inhaltliche Äußerung gerichtet haben wollen. Zudem erfolgte die Äußerung in dem Kontext einer durch Debatten über das Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der gesellschaftlichen Extremsituation einer Pandemie bereits aufgeheizten öffentlichen Stimmung, was – allgemeinkundig – derbe und pointierte Äußerungen von allen Seiten des Meinungsspektrums einschloss. Schließlich mag der Kläger auch durch das Wortspiel „Covidiot“ dazu verleitet worden sein, diesen Begriff zu verwenden.

Diese Gesichtspunkte tragen aber nicht darüber hinweg, dass es sich bei dem Wortstamm „Idiot“ um ein derbes Schimpfwort handelt, das die Ehre des Betroffenen in erheblicher Weise tangiert (zum objektiven Sinn siehe bereits oben). Der Begriff wurde – in für das Wortspiel keinesfalls erforderlicher Weise – noch gesteigert, indem die Vorsilbe „Voll-“ vorangestellt wurde, die aus dem Schimpfwort „Vollidiot“ bekannt ist und den ehrenrührigen Teil des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ in besonderer Weise betont. Die Äußerung erfolgte zudem in Bezug auf eine einzelne Person und nicht eine Personengruppe, was der individuellen Abwertung der Person des Andreas K. ein besonderes Gewicht verleiht. Sie geschah in einer Facebook-Gruppe, also gegenüber mehreren Adressaten, und erhielt auch dadurch eine größere Tragweite. Schließlich gab der Kläger dem – wie ausgeführt – im Ausgangspunkt (auch) vorhandenen Sachbezug seiner Äußerung keinen diskursiven Raum, indem er den vorangegangenen Beitrag des Andreas K. – ebenfalls derb und abwertend – als „Mist“ qualifizierte, es also an jedem von Argumenten getragenen sachlichen Diskurs von vornherein vermissen ließ. Umgekehrt hatte Andreas K. mit dem Inhalt seines Posts, der in nachdenklichem und zurückhaltenden Duktus gehalten und frei von Schärfe oder gar Schimpfworten ist, keinerlei Anlass zu einer derben Reaktion gegeben. Der Kläger hätte auch vor diesem Hintergrund seine Meinung bei „Facebook“ vertreten und auch pointiert äußern können, ohne dass irgendein Grund dafür bestand, hierfür – wie geschehen – auf ein auch noch gesteigertes Schimpfwort – und sei es auch im Rahmen eines Wortspiels – zurückzugreifen. In der Gesamtschau überwiegen die für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. sprechenden Gesichtspunkte daher in erheblicher Weise.

(d) Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Bezeichnung von Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen als „Covidioten“ durch die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Saskia Esken nicht als strafrechtlich relevante Beleidigung eingestuft hat. Dieser Umstand ändert aber nichts an der Einschätzung des Senats betreffend den vorliegenden Fall. Das Landgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Äußerung selbst, aber insbesondere auch ihr Kontext von der vorliegend zu entscheidenden Konstellation mehrfach und maßgeblich abweichen, ohnehin aber keine Bindungswirkung der in dem genannten Strafverfahren getroffenen Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit besteht.

(2) Auch die Beiträge des Klägers, die private und intime Fotografien des Hunter Biden enthalten bzw. verlinkt haben, sind strafbaren Inhalts. Sie verstoßen gegen die Strafvorschrift des § 33 KunstUrhG i. V. m. §§ 22, 23 KunstUrhG.

(a) Nach § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dagegen hat der Kläger verstoßen, als er Fotografien von Hunter Biden postete bzw. verlinkte, ohne dass dieser – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – damit einverstanden war.

(b) Soweit sich der Kläger auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berufen hat, wonach Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen, dringt er damit nicht durch.

Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung richtet sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG (grundlegend BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 51/06, NJW 2007, 1977, 1978 f.; BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 13/06, NJW 2007, 1981, 1982). Die danach im Rahmen der Prüfung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG erforderliche Beurteilung, ob es um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte geht, erfordert eine umfassende Abwägung zwischen den Rechten der abgebildeten Person aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der das Bild verbreitenden Person aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, Urteil vom 8.11.2022, VI ZR 57/21, GRUR 2023, 196, 198). Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist insoweit, wenn das Bildnis nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, der Informationswert der Veröffentlichung auch im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der abgebildeten Person sind ergänzend die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist oder in welcher Situation die betroffene Person erfasst bzw. dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt umso schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogener Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den gegebenen Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht in den Medien abgebildet zu werden (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 14).

Der Kläger führt insoweit – bereits wenig substantiiert – aus, die Vorgänge rund um das „Laptop from Hell“ von Hunter Biden „rund um die systematische Unterdrückung dieser Informationen vor den letzten Präsidentschaftswahlen“ hätten zu mehrjähriger internationaler Presseberichterstattung und mehreren Buchveröffentlichungen, die sich ausschließlich mit diesem Vorgang beschäftigt hätten, geführt; es handele sich „geradezu um ein Paradebeispiel des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG“. Offenbar nimmt der Kläger damit auf – aufgrund Medienberichterstattung allgemeinkundige – Vorgänge in den Vereinigten Staaten von Amerika Bezug. Danach seien vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2020 auf einem Hunter Biden, dem Sohn des amerikanischen Präsidenten Jon Biden, zugerechneten Laptop E-Mails und Bankunterlagen aufgefunden worden, die Hinweise auf umfangreiche geschäftliche Beziehungen des Hunter Biden mit ukrainischen und chinesischen Geschäftspartnern ergeben hätten, bei denen er möglicherweise von der politischen Stellung seines Vaters profitiert habe. Außerdem habe das Laptop kompromittierende Bilder und Videos des Hunter Biden enthalten (vgl. zum Ganzen nur Neue Zürcher Zeitung, https://www.nzz.ch/feuilleton/laptop-saga-hunter-biden-bringt-seinen-vater-in-bedraengnis-ld.1685440). Der Senat versteht den klägerischen Vortrag vor diesem Hintergrund dahingehend, er wolle die Veröffentlichung der privaten und intimen Fotografien des Hunter Biden mit einem berechtigten öffentlichen Interesse an dem Inhalt dessen Laptops rechtfertigen.

Dieser Sichtweise tritt der Senat jedoch nicht bei. Zwar ist dem Kläger zuzubilligen, dass an der Person des Hunter Biden im Zusammenhang mit der „Laptop-Affäre“ ein grundsätzliches Informationsinteresse bestand. Denn er ist im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Veröffentlichung eines Lichtbildes des Hunter Biden mit nacktem Oberkörper in einer Badewanne sowie anderer, intimer Lichtbilder, die keinerlei Bezug zu geschäftlichen Beziehungen in die Ukraine sowie nach China aufweisen, auf welche sich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Ausgangspunkt bezieht. Diese Lichtbilder sind in einem rein privaten Umfeld entstanden und zeigen Lebenssituationen, die üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogen sind und von denen die abgebildete Person daher ersichtlich davon ausgehen durfte, sie werde in dieser konkreten Situation nicht öffentlich abgebildet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hunter Biden ist daher erheblich höher zu bewerten als die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers, zumal es diesem unbenommen bleibt, sich über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle des Hunter Biden auch weiterhin zu äußern, und der ausschließlich darauf verzichten muss, solche Äußerungen mit Lichtbildern aus der Intim- oder Privatsphäre zu illustrieren.

(c) Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch § 23 Abs. 2 KunstUrhG einer Verbreitung der fraglichen Lichtbilder von Hunter Biden durch den Kläger entgegengestanden hätte. Danach dürfen solche zeitgeschichtlich relevanten Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte nicht verbreitet oder zur Schau gestellt werden, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Die Veröffentlichung von Fotografien aus der Intimsphäre des Betroffenen ist vor diesem Hintergrund stets unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.1985, VI ZR 28/83, NJW 1985, 1617; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.9.1999, 11 U 28/99, NJW 2000, 594, 595). Soweit lediglich Fotos aus der Privatsphäre betroffen wären, führte die auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 KunstUrhG erforderliche Abwägung im Übrigen zu demselben Ergebnis, das vorstehend zu § 23 Abs. 1 KunstUrhG gefunden wurde (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 29).

(3) Demnach war die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Klageantrags Ziffer 7 zurückzuweisen. Die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Wiederherstellung der Hunter Biden betreffenden Beiträge hatte dagegen Erfolg.

e) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Datenberichtigung zu (Klageantrag Ziffer 1).

(1) Dem Kläger steht der mit dem insoweit gestellten Hauptantrag geltend gemachte umfassende Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.

(a) Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Beitragslöschungen und Accountsperrungen haben tatsächlich – unstreitig – stattgefunden (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Ein Anspruch auf Datenberichtigung mit der Begründung, die gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht damit weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch gemäß Art. 16 DSGVO.

(b) Ein Anspruch auf umfassende Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke besteht auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Diese Vorschrift gibt ein „Recht auf Vergessenwerden“, also auf Löschung personenbezogener Daten insbesondere dann, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d) DSGVO), wofür nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte vorhanden sind, oder wenn sie für die Zwecke, für die sie verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind (Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO). Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass die Lösch- und Speichervermerke bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keine Relevanz mehr besäßen. Die Beklagte wendet ein, sie halte die entsprechenden Daten zur Abwehr von Rechtsansprüchen und damit gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO berechtigt vor. Dieser Einwand greift jedenfalls im vorliegenden Fall ersichtlich durch, nachdem der Kläger die Beklagte wegen angeblicher unberechtigter Sperrungen und Beitragslöschungen in Anspruch nimmt und es der Beklagten jedenfalls während des noch laufenden Verfahrens unbenommen sein muss, Informationen darüber vorzuhalten, die ihr eine sachgerechte Rechtsverteidigung erlauben. Dazu gehört es, dass es ihr möglich sein muss, den klägerischen Vortrag zu stattgefundenen Beitragslöschungen und Sperrungen anhand eigener Aufzeichnungen verifizieren oder falsifizieren zu können. Soweit die Beklagte bemerkt, der Kläger könne „nicht einfach eine Klage wegen Vertragsverletzung einreichen und gleichzeitig von der Beklagten verlangen, ihre Aufzeichnungen darüber zu löschen, ob solche Verstöße stattgefunden haben“, tritt der Senat dieser Einschätzung vollumfänglich bei.

(c) Soweit der Kläger außerdem eine Rückstellung des Zählers verlangt, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, hat die Beklagte vorgetragen, nach einem Jahr aus ihrer Sicht erfolgte Verstöße ohnehin nicht mehr zu zählen, und damit der Sache nach Erfüllung eingewandt. Der Kläger hat diese Einwendung nicht bestritten. Dass im – aktuell – zurückliegenden Jahr von der Beklagten als solche gezählte Verstöße vorgekommen wären, hat der Kläger nicht behauptet, so dass der von ihm insoweit geltend gemachte Anspruch – jedenfalls – nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen wäre (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20). Ob und in welchem Umfang der Anspruch zuvor bestanden hat (hierzu OLG Rostock, Urteil vom 29.9.2021, 2 U 4/20, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

(2) Soweit der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten beantragt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den

a. am 7.8.2020 gelöschten Beitrag,

b. am 26.10.2020 gelöschten Beiträge,

c. am 27.10.2020 gelöschten Beiträge,

d. Beitrag, der der am 15.2.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

e. Beitrag, der der am 6.5.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um alle an diesen Tagen erfassten Verstöße zurückgesetzt wird, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Kläger macht damit der Sache nach geltend, die Beklagte vermerke in ihrem System, dass er der Löschung unterliegende Beiträge gepostet habe, die tatsächlich aber gar nicht hätten gelöscht werden dürfen.

Ein solcher Anspruch besteht aber nicht, nachdem zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte – von ihr gesehene – unzulässige Inhalte nach Ablauf eines Jahres nicht mehr als Grundlage etwaiger Sanktionen bei ggf. neuerlichen Vertragsverstößen eines Nutzers heranzieht. Ein etwaiger Anspruch auf Rücksetzung des Zählers, der die Zahl der Verstöße erfasst, ist daher auch insoweit jedenfalls wegen Erfüllung erloschen (siehe oben (1)). Soweit in der Datenbank der Beklagten darüber hinaus noch Informationen über von ihr gesehene Verstöße als Teil des Chatverlaufs enthalten sind, besteht kein Berichtigungsanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Eine vertragliche Pflichtverletzung durch die Beklagte ist insoweit jedenfalls dann nicht ersichtlich, wenn die betreffenden Beiträge des Nutzers keine Grundlage mehr für weitere Sanktionen der Beklagten bei etwaigen zukünftigen Vertragsverstößen sein können, weil sie ohnehin von der Beklagten nicht mehr als zurückliegende Vertragsverstöße gezählt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19, GRUR-RS 2020, 41910; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, MMR 2021, 79). Es liegen insoweit auch keine unrichtigen Daten im Sinne von Art. 16 DSGVO vor, wenn und weil die Accountsperrungen und Beitragslöschungen – unabhängig von ihrer Berechtigung – tatsächlich stattgefunden haben und es sich bei der in ihrem System ebenfalls hinterlegten Auffassung der Beklagten, Löschung und Sperrung seien rechtmäßig gewesen, um ein nicht dem Anspruch aus Art. 16 DSGVO unterfallendes Werturteil handelt (OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einer vergleichbaren Konstellation einen Anspruch aus Art. 16 DSGVO angenommen hat, weil es irreführende, unklare oder missverständliche Daten gesehen hat, die nach der Zweckbestimmung ihrer Verarbeitung die betroffene Person „in ein falsches Licht“ rücken und somit ihre Rechtsstellung beeinträchtigen könnten (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810), tritt der Senat dem jedenfalls im vorliegend zu entscheidenden Fall nicht bei. Es liegen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte irreführende, unklare, oder missverständliche personenbezogene Daten des Klägers gespeichert hätte, noch rechtfertigen die getroffenen Feststellungen die Annahme, von der Beklagten gespeicherte Daten hätten die Zweckbestimmung, den Kläger „in ein falsches Licht zu rücken“.

Soweit sich der Kläger auf Art. 17 DSGVO beruft, wird auf die obigen Ausführungen unter (1) (b) verwiesen.

(3) Damit hatte die Berufung der Beklagten in diesem Punkt Erfolg, soweit sie erstinstanzlich zur Datenberichtigung verurteilt worden ist. Soweit der Kläger eine weitergehende Verurteilung der Beklagten zur Datenberichtigung erstrebt hat, war seine Berufung zurückzuweisen.

f) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zu, eine erneute Löschung des Beitrags „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ sowie eine Sperrung des Accounts des Klägers bei erneuter Einstellung des Beitrags zu unterlassen (Klageantrag Nr. 9).

Wie oben ausgeführt, ist der fragliche Beitrag strafrechtlich relevant. Die Beklagte wäre daher bei einer Wiederholung des Beitrags gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG erneut zur Löschung berechtigt (und verpflichtet).

Das Landgericht hat außerdem zu Recht darauf hingewiesen, dass der von dem Kläger geltend gemachte pauschale Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung wegen eines – wie ausgeführt – strafbaren und damit kraft Gesetzes unzulässigen Inhalts nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20, GRUR-RS 2022, 1154). Daher kann auch keine entsprechende pauschale Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ausgesprochen werden (vgl. KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Die Berufung des Klägers konnte vor diesem Hintergrund insoweit keinen Erfolg haben.

g) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Unterlassung einer erneuten Accountsperrung ohne vorherige Gelegenheit zur Gegenäußerung gerichtet ist (Klageantrag Nr. 11). Ein derartiger allgemeiner Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzervertrag – und auch sonst – nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist vor Durchführung einer Kontosperre lediglich im Regelfall geboten, dass der Nutzer von der Beklagten dazu angehört wird; in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen ist dies dagegen nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, 3181, 3189). Ein Unterlassungsanspruch in dem von dem Kläger begehrten umfassenden Umfang besteht vor diesem Hintergrund nicht, denn dies würde voraussetzen, dass ausnahmslos in jedem Fall vor jeder Sperre eine Anhörung unerlässlich wäre (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte in ihren aktuellen Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 unter Nummer 3.2 ohnehin vorsieht, dass Einschränkungen bestimmter Funktionen von Facebook-Konten grundsätzlich nur erfolgen, nachdem der betroffene Nutzer darüber informiert worden ist und eine Gelegenheit zur Gegenäußerung erhalten hat. Auch die Frage, ob die Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurden, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

Die Berufung des Klägers hatte mithin auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

h) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunft über die Beteiligung beauftragter Unternehmen bei den erfolgten Accountsperren und Beitragslöschungen zu (Klageantrag Ziffer 13).

(1) Soweit sich der Kläger zur Begründung dieses Anspruchs erstinstanzlich allein auf § 242 BGB als Anspruchsgrundlage berufen hat, schließt sich der Senat der hierzu bereits vorliegenden – soweit ersichtlich einheitlichen – Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 218 f.) an. Der Kläger hat auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm Ansprüche gegen etwaige von der Beklagten beauftragte Dritte zustehen könnten, zu deren Geltendmachung er der begehrten Auskunft bedarf.

(2) Soweit sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals auf Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO als Anspruchsgrundlage beruft, ist diese Vorschrift bereits nicht dazu geeignet, den von ihm formulierten Anspruch auf Auskunftserteilung, „ob die Sperren […] sowie die Beitragslöschungen […] durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches“, zu begründen. Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO gibt einen Anspruch, im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Diese Anspruchsgrundlage bezieht sich damit auf die Kenntnis von der Verbreitung der eigenen personenbezogenen Daten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger aber ausweislich der Formulierung seines Antrags gerade nicht geltend, sondern er möchte vielmehr über die logistische Beteiligung anderer Unternehmen an Accountsperrungen sowie Beitragslöschungen der Beklagten informiert sein. Er macht damit einen inhaltlich vom Gehalt des Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO abweichenden Anspruch geltend.

Aber auch unabhängig davon könnte der Kläger mit einem Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO im Ergebnis nicht durchdringen.

Zwar gibt ihm diese Vorschrift grundsätzlich einen Anspruch, von der Beklagten im Falle der Verarbeitung ihn betreffende personenbezogene Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegen über denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (trotz ihres missverständlichen Wortlauts) grundsätzlich ein Anspruch auf Mitteilung der Identität der konkreten Empfänger und nicht nur der Kategorien von Empfängern, es sei denn, dass die Informationserteilung über konkrete Empfänger nicht möglich oder der Auskunftsantrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist (EuGH, Urteil vom 12.1.2023, C-154/21, NVwZ 2023, 319, 321).

Einer solchen Auskunftserteilung steht vorliegend aber jedenfalls Art. 15 Abs.4 DSGVO entgegen, wonach das Recht auf Auskunft „die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen“ darf. Die Beklagte hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die Offenlegung der Identität ihrer Diensteanbieter die Sicherheit der jeweiligen Diensteanbieter und damit auch diejenige der Nutzer gefährde. Sie mache die betreffenden Diensteanbieter anfällig für Cyberangriffe und könne die Diensteanbieter dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch Nutzers aussetzen, die von etwaigen Maßnahmen betroffen und damit nicht einverstanden seien. Weiterhin könne ein möglicher Schädiger anhand der Informationen über die Identität der Diensteanbieter zusammen mit Einzelheiten zu den spezifischen Aufgaben oder der Art, der ihnen von der Beklagten zugewiesenen Aufgaben nachvollziehen, wie die Beklagte ihre Überprüfungsprozesse durchführt. Dies könne es solchen Personen ermöglichen, Durchsetzungsmaßnahmen der Beklagten zu umgehen. Schließlich würde eine Offenlegung der Identität und Aufgaben der Diensteanbieter die Beklagte zur von Geschäftsgeheimnissen zwingen und ihr so schaden. Auf der Grundlage der damit anhand dieser unstreitigen Tatsachen vorzunehmenden umfassenden Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten (vgl. Schmidt-Wudy, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 43. Edition 2023, Art. 15 DS-GVO Rn. 96) kann der Kläger keine Auskunftserteilung verlangen, weil die von der Beklagten angeführten (und unstreitigen) Belange das Informationsinteresse des Klägers an der konkreten Person des Empfängers seiner Daten überwiegen, zumal dieser – wie oben ausgeführt – diese Information zur Durchsetzung etwaiger sonstiger Rechte nicht benötigt.

Auf die Frage, ob der Kläger mit seinem Vorbringen zu Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO in der Berufungsinstanz nicht ohnehin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO auszuschließen wäre, kommt es daher nicht an.

(3) Die Berufung des Klägers hatte daher auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

i) Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger Auskunft über etwaige Einflussnahmen der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen begehrt hat (Klageantrag Ziffer 14). Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht auf der Grundlage von § 242 BGB. Die durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich dem Gesetzestext entnehmen; einer Information darüber seitens der Beklagten bedarf es für den Kläger daher nicht. Für eine weitergehende Einflussnahme von Bundesbehörden im konkreten Einzelfall trägt der Kläger keine belastbaren Tatsachen vor. Eine Auskunftspflicht über bloße, bei objektiver Betrachtung fernliegende Mutmaßungen kann eine Vertragspartei gegenüber der anderen jedoch auch und gerade unter Berücksichtigung der Maßstäbe von Treu und Glauben nicht geltend machen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 219). Die Berufung des Klägers war daher insoweit zurückzuweisen.

j) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz begehrt (Klageantrag Ziffer 15). Soweit der Kläger zur Begründung auf die Löschung seiner Beiträge Bezug nimmt, fehlt es nach obigen Ausführungen bereits an einer Pflichtverletzung. Soweit er sich auf die vorübergehenden Nutzungseinschränkungen seines Kontos bezieht, fehlt es jedenfalls am schlüssigen Vortrag eines ersatzfähigen Schadens.

Ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, eine schwerwiegende, nicht anders ausgleichbare Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus (vgl. nur BGH, Urteil vom 15.11.1994, VI ZR 56/94, NJW 1995, 861, 864; BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, 2033). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die vorübergehende Deaktivierung von Funktionen eines Facebook-Accounts stellt – wenn überhaupt – jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19; OLG Dresden, Beschluss vom 11.6.2019, 4 U 760/19, ZD 2019, 567, 568).

Einen ersatzfähigen materiellen Schaden, etwa wegen einer unberechtigten Nutzung der von dem Kläger generierten Daten durch die Beklagte, hat der Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19).

Für einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO fehlt es bereits – wie oben ausgeführt – an einer datenschutzrechtlichen Pflichtverletzung der Klägerin.

Auch in diesem Punkt hatte die Berufung des Klägers daher keinen Erfolg.

k) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB (Klageantrag Ziffer 16). Die mit den Anwaltsschreiben vom 29.10.2020 und 18.6.2021 geltend gemachten Ansprüche standen dem Kläger zur fraglichen Zeit nach den vorangegangenen Ausführungen sämtlich nicht zu. Dies gilt auch, soweit mit dem Schreiben vom 29.10.2020 die Aufhebung der Nutzungsbeschränkung vom 7.8.2020 begehrt worden ist, da diese bereits nach drei Tagen beendet worden war, zur Zeit des anwaltlichen Tätigwerdens also nicht fortdauerte.


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OLG Schleswig-Holstein: YouTube darf hochgeladene Videos auch gegen den Willen des Erstellers nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen mit einer Altersbeschränkung versehen

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 14.12.2022
9 U 123/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass YouTube hochgeladene Videos auch gegen den Willen des Erstellers nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen mit einer Altersbeschränkung versehen darf.

Aus den Gründen:
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, Art. 18 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Die Klage eines Verbrauchers kann gegenüber der anderen Vertragspartei, die ihre Tätigkeit auf den Mitgliedsstaat der Europäischen Union, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausrichtet, nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vor dem Gericht seines Wohnsitzes erhoben werden. So liegt es hier.

2. Die Klage ist - soweit sie mit der Berufung weiterverfolgt wird - unbegründet.

Die am 23. Juni 2020 durch die Beklagte verhängte Altersbeschränkung ist nicht rechts- oder vertragswidrig.

a) Auf den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über die Nutzung der Videoplattform der Beklagten findet gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) aufgrund der in den Nutzungsbedingungen getroffenen Rechtswahl deutsches Recht Anwendung (vgl. Seite 10 der Anlage K1, Stichwort „Anwendbares Recht“). Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich im Übrigen auch ohne Rechtswahl der Parteien aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO, weil es sich um einen Verbrauchervertrag handelt.

b) Mit der Einrichtung einer Altersbeschränkung für das streitgegenständliche Video hat die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger nicht verletzt. Die in den Nutzungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der Auferlegung einer Altersbeschränkung ist auch wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden und verstößt insbesondere weder inhaltlich noch im Hinblick auf das für die Auferlegung vorgesehene Verfahren gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (aa). Die Beklagte hat die Altersbeschränkung auf die Richtlinie zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten und die Richtlinie zu Hassrede stützen können, weil der klägerische Beitrag Gewaltszenen und Straßenkämpfe zeigt, die auf minderjährige Zuschauer, insbesondere im Zusammenhang mit dem kommentierenden Inhalt, eine jugendgefährdende Wirkung haben können. Damit ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung sachlich begründet und nachvollziehbar (bb).

aa) Der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber verpflichtet gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Insoweit kann ein Betreiber eines sozialen Netzwerks grundsätzlich die von den Nutzern geschuldeten Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln konkretisieren und deren Verletzung auch etwa durch eine Sperrung des Nutzerkontos durchsetzen (OLG Schleswig, Urteil vom 26. Februar 2020 - 9 U 125/19, juris Rn. 41; OLG München, Beschluss vom 17. September 2018 - 18 W 1383/18, juris Rn. 20).

Bei den Nutzungsbedingungen und Richtlinien der Beklagten handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 44), die dem Vertragsverhältnis zugrunde liegen. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Geltung zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart worden wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. dazu BGH, aaO, Rn. 43 mwN). Danach ist die Beklagte berechtigt, bei Vorliegen der von ihr aufgestellten Bedingungen von Nutzern eingestellte Inhalte zu entfernen, Nutzerkonten zu sperren oder - wie vorliegend - einzelne Videobeiträge mit einer Altersbeschränkung zu belegen.

Die vereinbarten Richtlinien sind auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es verfahrensrechtlich erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 97). Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch für die gegenüber einer Entfernung von Inhalten oder einer Sperrung des Kontos deutlich weniger belastende Maßnahme einer Altersbeschränkung gewahrt, da auch insoweit eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt ist, von der der Kläger ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen unstreitig - wenn auch erfolglos - Gebrauch gemacht hat. Entgegen der Auffassung des Klägers muss die Anhörungsmöglichkeit nicht zwingend vor Erlass der beschränkenden Maßnahme eröffnet sein; vielmehr genügt auch ein nachträgliches Beschwerderecht den Anforderungen an das vom Bundesgerichtshof geforderte Gegenäußerungsverfahren (BGH aaO, Rn. 99). Ausreichend ist danach, wenn Netzwerkbetreiber im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags in ihren Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumen. Dieser für die Löschung eines Beitrags aufgestellte Maßstab gilt damit erst recht für die weniger einschränkende Auferlegung einer Altersbeschränkung. Im vorliegenden Fall zeigt der Umstand, dass die Beklagte die zunächst von ihr erteilte Verwarnung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Hassrede auf die Beschwerde des Klägers wieder aufgehoben hat und lediglich die mildere Maßnahme einer Altersbeschränkung bestehen ließ, dass die von ihr vorgesehene Beschwerdemöglichkeit auch tatsächlich zu der vom Bundesgerichtshof geforderten erneuten Sachprüfung des konkreten Falls geführt hat.

(2) Auch inhaltlich sind die von der Beklagten für die Beschränkung der Rechte ihrer Nutzer aufgestellten Maßstäbe nicht als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden. Die Entscheidung der Beklagten, den Nutzern ihrer Videoplattform in Geschäftsbedingungen Verhaltensregeln zur Einhaltung eines bestimmten Standards vorzugeben und sich das Recht vorzubehalten, gegenüber Nutzern, die gegen diese Verhaltensregeln verstoßen, Maßnahmen von der Entfernung einzelner Beiträge oder Altersbeschränkungen bis zur (vorübergehenden) Sperrung des Netzwerkzugangs zu ergreifen, fällt in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit (BGH aaO, Rn. 83). Darüber hinaus bringt die Beklagte durch das Aufstellen von Kommunikationsregeln in ihren Nutzungsbedingungen zum Ausdruck, welche Formen der Meinungsäußerung sie in ihrem Netzwerk nicht duldet. Auf diese Weise macht sie von ihrem eigenen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch (BGH aaO Rn. 86). Ferner schützt sie damit berechtigterweise auch das Interesse anderer Nutzer an einem von gegenseitigem Respekt geprägten Umgang sowie an einem damit verbundenen Schutz vor der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH aaO, Rn. 87 mwN).

Dabei sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz die Grundrechtspositionen der Beklagten mit denjenigen der Nutzer auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG so in Ausgleich zu bringen, dass auch die Grundrechtspositionen der Nutzer für diese möglichst weitgehend wirksam werden. Daraus leitet sich nach dem Bundesgerichtshof neben dem bereits erörterten formalen Anhörungserfordernis die Anforderung ab, dass für die Entfernung von Inhalten ein sachlicher Grund bestehen muss. Die Beklagte darf die aus ihrer strukturellen Überlegenheit folgende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, willkürlich einzelne Meinungsäußerungen zu untersagen (BGH aaO, Rn. 93 mwN). Die Entfernungsvorbehalte in den Nutzungsbedingungen der Beklagten müssen zudem gewährleisten, dass ihre darauf gestützten Entscheidungen nachvollziehbar sind. Dazu dürfen sie nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen der Beklagten, sondern müssen an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, juris Rn. 17).

Die von der Beklagten aufgestellten Nutzungsbedingungen und Richtlinien genügen diesen Anforderungen. So nennt die „Community Richtlinie“ unter der Überschrift „Richtlinien und Sicherheit“ (Anlage K2 im Anlagenband Kläger) zunächst abstrakt die von der Beklagten nicht gestatteten Inhalte, wie beispielsweise Nacktheit oder sexuelle Inhalte, schädliche oder gefährliche, hasserfüllte, gewalttätige oder grausame Inhalte. Diese Unterpunkte enthalten jeweils Links zu genaueren Erläuterungen in den spezifischen Richtlinien, die konkrete Beispiele unzulässiger Inhalte enthalten und untereinander verlinkt sind. Damit erhält der Nutzer klare Informationen dazu, welche Inhalte von der Beklagten nicht geduldet werden. Es wird zudem deutlich, dass die Beklagte ihre Verbote nicht auf strafrechtlich relevante Inhalte beschränkt, sondern sich vorbehält, auch andere, von der Meinungsfreiheit der Nutzer gedeckte Inhalte, die gegen ihre Nutzungsbedingungen verstoßen, zu unterbinden. Dies ist nach nunmehr obergerichtlich geklärter Rechtsprechung zulässig (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 90; vgl. dazu auch Friehe, NJW 2020, 1697, 1699f.).

bb) Die in der Auferlegung der Altersbeschränkung liegende Beeinträchtigung der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers ist von diesem hinzunehmen, da die Beklagte mit dieser Maßnahme zulässigerweise von ihren vertraglich vereinbarten Rechten Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte hat vorliegend bei der Auferlegung einer Altersbeschränkung für das streitgegenständliche Video die dargestellten Anforderungen an eine zulässige Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers eingehalten. Weder ist die Maßnahme willkürlich noch fehlt es an einem sachlichen Grund für die Altersbeschränkung. Vielmehr ergibt sich eine jugendgefährdende Wirkung des Videos aus der Gesamtschau von dessen Inhalt, namentlich den gezeigten Bildern und dem gesprochenen Kommentar, wobei die erstinstanzlich eingehend behandelte Gewaltszene nur einer von mehreren Aspekten ist, die die Auferlegung einer Altersbeschränkung rechtfertigen. So ist der Titel des Videos „Partyszene - Schande von Stuttgart“ geeignet, gerade das Interesse minderjähriger Nutzer zu erwecken. Diese werden durch die harmlose, vor idyllischen Landschaftsbildern abgehandelte Eingangssequenz einer Charakterisierung verschiedener „Partygängertypen“ mit der Einleitung „wie sich die Zeiten ändern...“, heute würden Partygänger als drogendealende Vandalen dargestellt, die Polizisten attackierten und die ganze Stadt verwüsteten, weiter geködert. Sodann leitet der Sprecher auf reißerische Art (Einblendung einer Fratze mit Trompetenfanfare und der Ankündigung „Die Wahrheit“) zu den Schilderungen der Ausschreitungen in Stuttgart im Juni 2020 über. Die dann folgenden Einblendungen von Bildern anderer Nachrichtensender, auf denen Polizeigruppen in der Innenstadt, Zerstörungen und die Aufnahme der in einen Polizisten seitlich hineinspringenden, maskierten Person zu sehen sind, münden in eine Kommentierung des Geschehens, die für die Vorkommnisse im Ergebnis Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich macht, die aufgrund von „purem Hass auf unser Land“ als „bildungsschwache, kulturfremde, marodierende Horden (...) in Großstädten randalieren“. Dies sei erst der Anfang, wenn sie merken würden, was alles möglich sei, werde es erst richtig losgehen. Grund hierfür sei die Massenmigration; die Deutschen müssten aufwachen und Widerstand gegen den drohenden Untergang leisten. Es sei ein „hartes Durchgreifen“ erforderlich. So hätten in den 1920er Jahren die Polizisten in ähnlichen Situationen noch kein Problem damit gehabt, scharf zu schießen, was heute undenkbar sei.

Insgesamt ist der Videoinhalt damit geeignet, bei minderjährigen Zuschauern eine schädliche und damit jugendgefährdende Wirkung hervorzurufen, indem er ein Feindbild schafft und rassistische Vorurteile weckt. Die Gewaltszene, die unmittelbar mit angeblichen Aggressionen von Männern mit Migrationshintergrund und der „Massenmigration“ in Verbindung gebracht wird, ist in diesem Zusammenhang auch geeignet, gerade suggestible minderjährige Betrachter zu schockieren und Ängste über die nachfolgend dargestellte Gefährdung der Gesellschaft durch „marodierende Horden“ hervorzurufen. Darüber hinaus entsprechen die Äußerungen in dem Video auch den in der Richtlinie zu Hassrede genannten Beispielen für unzulässige Inhalte. Diese verbieten Äußerungen des Inhalts, dass alle Personen aus näher bezeichneten Gruppen, wie etwa Personen mit Einwanderungsstatus, Verbrecher und Kriminelle seien und unsere Existenz bedrohten, weshalb jede Gelegenheit genutzt werden sollte, sie aus dem Land zu vertreiben. Auch wenn der Videobeitrag nicht aktiv zur Vertreibung von Menschen mit Einwanderungsstatus aufruft, schürt er Abneigung gegen diese Bevölkerungsgruppen, die pauschal als drogendealende Gewalttäter dargestellt werden, legt zudem nahe, dass der Einsatz von Schusswaffen zur Verteidigung gegen die „marodierenden Horden“ geboten sei und ruft zum Widerstand auf. Damit entsprechen die Äußerungen den von der Beklagten genannten Beispielen für Hassrede im Sinne der Richtlinien. Die Beklagte behält sich in der Richtlinie zu Hassrede vor, für den Fall, dass Inhalte der Hassrede nahe kommen, die verfügbaren YouTube-Funktionen einzuschränken. Die Verhängung der Altersbeschränkung lag damit als gegenüber der Entfernung des Videos milderem Mittel jedenfalls im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung zu unzulässigen Inhalten.

(dd) Dabei ist es unschädlich, dass die von der Beklagten gegebene Begründung für die Verhängung der Altersbeschränkung als solche nicht ausreicht, um diese zu rechtfertigen. Denn die dargestellten Gründe für deren Rechtmäßigkeit ergeben sich jedenfalls aus der Zusammenschau der Richtlinien der Beklagten zu Hassrede und zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten und dem Jugendschutz, dem sich die Beklagte ausweislich ihrer Community-Richtlinie (Anlage K2, Stichwort „Schutz von Kindern“) verpflichtet sieht, so dass die Maßnahme von den vertraglichen Vorgaben der Beklagten gedeckt ist.

3. Da die Altersbeschränkung somit rechtmäßig war und nicht gegen die wirksam vereinbarten Nutzungsbedingungen verstößt, unterliegt der Kläger auch mit seinen weiteren Berufungsanträgen.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 7.050 € und für das Berufungsverfahren auf 4.250 € festzusetzen. Dies geschieht unter Anwendung der Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für Klagen gegen die vorübergehende Sperrung eines Nutzerkontos auf der Plattform „Facebook“ nebst in die Zukunft gerichtetem Unterlassungsbegehren und Auskunftsanspruch in Bezug auf die meldende Person entwickelt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZR 60/20, juris Rn. 10ff.; Beschluss vom 26. November 2020 - III ZR 124/20, juris Rn. 9ff.).

Für Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vorübergehenden (30tägigen) Sperre setzt der Bundesgerichtshof regelmäßig 2.500 € (abzüglich 20 % für den Feststellungsantrag) an. Diesen Betrag erachtet der Senat für die hier streitige Auferlegung einer Altersbeschränkung, die zwar eine im Vergleich zu einer Sperre weniger einschneidende Wirkung hat, jedoch nach wie vor andauert, ebenfalls als angemessen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich vorliegend um ein Video auf der Plattform Youtube handelt und nicht, wie in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, um ein Nutzerkonto bei Facebook. Dennoch dürfte der Streitwert vergleichbar sein, da beide Plattformen der Kommunikation mit einer großen Anzahl zumeist unbekannter weiterer Nutzer dienen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht der Aufwand, der für die Erstellung des gesperrten Kontos oder der gelöschten bzw. altersbeschränkten Videos betrieben wurde, der streitwertrelevante Eingriff, sondern die Beschränkung der Möglichkeiten zur Meinungsäußerung, sei es in Form von Kommentaren oder Videos. Zudem hat der Senat bei der Wertbemessung berücksichtigt, dass die Auferlegung einer Altersbeschränkung für ein einzelnes Video einen deutlich geringeren Eingriff darstellt als die 30tägige Sperrung eines Nutzerkontos.

Den weiteren Antrag, eine Altersbeschränkung auch für die Zukunft zu unterlassen, bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof mit der Hälfte des für die bereits durchgeführte Beschränkung angesetzten Werts, mithin 1.250 €. Hinzu kommt ein Betrag von 500 € für den geltend gemachten Auskunftsanspruch, der sich nach dem - nicht weiter dargelegten - wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Auskunft bemisst.

Erstinstanzlich sind der mit 350 € bezifferte Schadensersatzanspruch und ein Betrag von 2.500 € hinzuzuaddieren. Letzterer betrifft die auf Beseitigung der vermeintlich bereits verhängten Sanktionen (Verwarnung und Vermerk eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen) gerichteten ursprünglichen Klageanträge zu 1 und 2. Erstinstanzlich ergibt sich hieraus ein Wert von 7.050 €, so dass die durch das Landgericht mit lediglich pauschaler Begründung vorgenommene Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern sein dürfte.


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BMJ: Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt - Accountsperren, erweiterte Auskunftsansprüche und Erleichterung von Zustellungen

Das BMJ hat Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des BMJ:
Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt
Immer wieder werden Menschen im Netz massiv beleidigt und verleumdet oder im schlimmsten Fall wird dort ihr Leben bedroht. Für viele Betroffene ist es wichtig, dass solche Inhalte schnell gelöscht und die weitere Verbreitung verhindert werden. Derzeit haben Betroffene aber oft nur unzureichende Möglichkeiten, ihre Rechte selbst durchzusetzen. Häufig scheitert die Durchsetzung ihrer Rechte bereits daran, dass es nicht gelingt, zügig und mit vertretbarem Aufwand Auskunft über die Identität des Verfassers bzw. der Verfasserin rechtswidriger Inhalte zu erlangen. Auch fehlt es an einem effektiven Instrument, um gegen den ständigen Missbrauch eines Nutzerkontos für Angriffe gegen eine andere Person vorzugehen.

Um künftig die private Rechtsdurchsetzung zu stärken, plant das Bundesministerium der Justiz (BMJ) ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorzulegen. Zur Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs hat das BMJ ein Eckpunktepapier erstellt, das folgende drei wesentlichen Zielrichtungen enthält:

1. Stärkung privater Auskunftsverfahren
Durch das Gesetz soll das private Auskunftsverfahren so ausgestaltet werden, dass Betroffene von digitaler Gewalt bei einer offensichtlichen Rechtsverletzung, wie etwa Formalbeleidigungen - das heißt beispielsweise besonders herabwürdigende Ausdrücke - oder Morddrohungen, innerhalb weniger Tage herausfinden können, wer diese Inhalte verfasst hat. In allen anderen Fällen soll binnen weniger Tage nach Einleitung des Auskunftsverfahrens vom Gericht zumindest eine Datenspeicherung angeordnet werden können. Ziel der Speicherung ist es u.a., dass die gesicherten Daten in einem anschließenden Gerichtsverfahren als Beweismittel genutzt werden können.

2. Anspruch auf eine richterlich angeordnete Accountsperre
Mit einem Anspruch auf richterlich angeordnete Accountsperren soll der Rechtsschutz gegen hartnäckige Täterinnen und Täter im Netz verbessert werden. Betroffene sollen sich auf diese Weise wirksam dagegen zu Wehr setzen können, dass sie immer wieder von demselben Nutzer bzw. derselben Nutzerin eines sozialen Netzwerks verunglimpft, diffamiert oder bedroht werden.

3. Erleichterung der Zustellung
Soziale Netzwerke sind verpflichtet, einen Ansprechpartner in Deutschland (sogenannter inländischer Zustellungsbevollmächtigter) zu benennen, an den Schreiben förmlich zugestellt werden können. Diese Verpflichtung besteht für soziale Netzwerke bislang für behördliche und gerichtliche Verfahren, um Verfahren schnellstmöglich gegen das soziale Netzwerk einleiten zu können. Diese Regelung soll durch das Gesetz gegen digitale Gewalt auch auf vorgerichtliche Schreiben (also beispielsweise anwaltliche Schreiben) ausgeweitet werden. Die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten ermöglicht den Nachweis, dass das soziale Netzwerk über einen beleidigenden oder bedrohenden Inhalt in Kenntnis gesetzt wurde und deshalb haftet, wenn es einen rechtswidrigen Inhalt nicht löscht.


OLG Frankfurt: Kein Anspruch auf Freischaltung eines aus Sicherheitsgründen gesperrten privaten Facebook-Kontos im Eilverfahren

OLG Frankfurt:
Beschluss vom 27.03.2023
17 W 8/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch auf Freischaltung eines aus Sicherheitsgründen gesperrten privaten Facebook-Kontos im Eilverfahren besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Facebook - Kein Anspruch auf Kontofreischaltung

Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung.

Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung, wenn Facebook bereits die unwiederbringliche Kontolöschung untersagt wurde. Dass der Nutzer vorübergehend bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptverfahrens seine privaten Kontakte über Facebook nicht pflegen kann, ist hinzunehmen. Das Oberlandesgericht am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde einer Facebook-Nutzerin zurückgewiesen.

Die Antragstellerin verfügt über ein Facebook-Konto. Facebook sperrte und deaktivierte dieses Konto, da die Standards der Facebook-Gemeinschaft nicht eingehalten worden seien. Die Antragstellerin, die behauptete, ihr Konto sei „gehackt“ worden, beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung. Facebook sollte verpflichtet werden, das Konto wiederherzustellen und ihr die Nutzung wieder zu ermöglichen. Jedenfalls sollte Facebook verboten werden, das Konto unwiederbringlich zu löschen. Das Landgericht hatte Facebook untersagt, das Konto unwiederbringlich zu löschen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin weiterhin die Wiederherstellung des Kontos und die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Hiermit hatte sie auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Antragstellerin habe keine hinreichenden Gründe für die besondere Dringlichkeit ihres Anliegens dargetan. Durch das bereits vom Landgericht veranlasste Verbot der Kontolöschung sei die Antragstellerin hinreichend gegen den Verlust der von ihr benötigten und über ihr Konto abrufbaren Daten gesichert. „Dass die Antragstellerin bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, in dem die Aufhebung der Kontosperre unter Deaktivierung begehrt werden kann, auf die aktive (und wohl auch passive) Nutzung des Facebook-Kontos verzichten müsste, wäre von ihr hinzunehmen“, führte das OLG weiter aus. Anders als in einer von ihr herangezogenen Entscheidung eines anderen OLG ginge es hier auch nicht um den Verlust einer fünfstelligen Zahl von Followern. Die Antragstellerin berufe sich vielmehr ausschließlich auf ihre private Kontaktpflege und die damit einhergehende Kommunikation. Es sei fernliegend, dass die Antragstellerin diese Kontakte nicht über andere soziale Medien bedienen könne. Zudem stünde hier weiterhin im Raum, dass das Facebook-Konto von Dritten unberechtigt genutzt worden sei. Es sei nicht dargelegt, dass eine weitergehende derartige Nutzung im Fall der Aktivierung des Kontos im Eilverfahren verhindert werde.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.3.2023, Az. 17 W 8/23
(vorausgehend Landgericht Hanau, Beschluss vom 28.2.2023, Az. 9 O 213/23)




OLG München: Sperrung eines Social-Media-Accounts muss begründet werden - Kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO

OLG München
Urteil v. 20.09.2022
18 U 6314/20 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass die Sperrung eines Social-Media-Accounts begründet werden muss. Zudem hat das Gericht entschieden, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei rechtswidriger Sperrung besteht.

Leitsätze des Gerichts:
1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Antrag des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen, ist auf Unterlassung und nicht auf Erteilung einer - nicht selbständig einklagbaren - Information gerichtet (entgegen KG, Urteil vom 14.3.2022 - 10 U 1075/20).

3. Der Nutzer hat grundsätzlich Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, kann er nicht verlangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Verhängung der Sperre wurde zudem ausweislich der Screenshots auf S. 18 der Klage (Bl. 18 d.A.) ein Grund hierfür nicht angegeben.

d) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.). Ein solcher ist auch in der vorliegenden Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat, anzunehmen. Dies gilt ungeachtet der zwischenzeitlichen Löschung des Nutzerkontos (s. hierzu nachfolgend unter Ziff. III 1), nachdem der Kläger seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2020 zufolge die Einrichtung eines neuen Kontos anstrebt.

Dem stehen auch nicht die Erwägungen des Kammergerichts Berlin in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14.03.2022 (Az. 10 U 1075/20) entgegen. Das Kammergericht weist darin einen gleichlautenden Unterlassungsantrag des (dortigen) Klägers ab und führt zur Begründung aus, dass die vom Bundesgerichtshof angenommenen Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Nutzer nicht selbständig einklagbar seien. Da die Entfernungs- und Sperrvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten (unter anderem) den Anforderungen an die Informationspflicht nicht genügten, seien die genannten Vorbehalte gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam mit der Folge, dass eine vertragliche Grundlage für Löschungen und Sperrungen fehle. Gegen Löschungen von Beiträgen und Teilsperrungen seines Nutzerkontos könne der Nutzer im Klagewege vorgehen. Nur in diesem Zusammenhang komme den Informationspflichten eine Bedeutung zu. Da die Informationspflichten keinen eigenen Leistungszweck verfolgten, bestehe kein eigener, auf die Erfüllung der unselbständigen Unterlassungspflicht bezogener Unterlassungsanspruch (KG a.a.O.).

Anders als das Kammergericht meint, handelt es sich vorliegend jedoch nicht um einen auf Erteilung einer Information gerichteten Antrag, die nicht selbständig einklagbar wäre und die nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs gemacht werden könnte. Denn der Kläger begehrt die Unterlassung einer erneuten Sperre, schränkt dies allerdings zulässigerweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Vertragsverstoß dahin ein, dass er sich (nur) gegen eine erneute Sperre ohne Angabe eines Grundes wendet. Er begehrt mithin das Unterlassen der rechtswidrigen Sperre; ein isolierter Anspruch auf Erteilung einer Information wird damit nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, trotz gleichbleibenden Sachverhalts bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen derartige Sperrungen im Klagewege vorzugehen.

e) In inhaltlicher Hinsicht kann der Kläger von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, ihn (erneut) zu sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht jedoch nicht.

aa) Hinsichtlich des Umfangs der Mitteilungspflichten kann der Kläger allein die Mitteilung verlangen, welches Verhalten zum Anlass der Sperre genommen wurde, nicht jedoch eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem NetzDG: So soll nach dessen Gesetzesbegründung „die in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke übliche Multiple-Choice-Begründungsform“ im Rahmen der in § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG normierten Begründungspflicht ausreichen (BT-Drs. 18/12356, S. 23). Wenn die Sperre auf Gründe gestützt wird, die sich nicht auf rechtswidrige Inhalte nach dem NetzDG beziehen, kann insoweit kein strengerer Maßstab gelten.

Gleiches gilt für die vom Kläger geforderte Mitteilung „in speicherbarer Form“, die im NetzDG ebenfalls nicht vorgesehen ist. Es erscheint dem Kläger zumutbar, eine über die Plattform mitgeteilte Begründung ggf. durch einen Screenshot zu sichern.

bb) Die Mitteilung des Anlasses der Sperrung hat außerdem nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur „unverzüglich“ (anstatt wie beantragt „zugleich“) zu erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist die erforderliche Anhörung des Nutzers - die neben der einleitenden Information über eine beabsichtigte Kontosperrung und der Mitteilung des Grundes hierfür auch die Möglichkeit des Nutzers zur Gegenäußerung mit einer anschließenden Neubescheidung umfasst - grundsätzlich vor der Sperrung des Kontos durchzuführen und nur in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen kann von einer vorherigen Durchführung abgesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 85 und 87). Die vom Kläger im Streitfall begehrte Mitteilung des Grundes bzw. Anlasses der Sperrung ist danach Teil des vom Bundesgerichtshofs geforderten Anhörungsverfahrens, das zwar regelmäßig, aber nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist. Um auch die vom Bundesgerichtshof erwähnten Ausnahmefälle angemessen berücksichtigen zu können, erscheint es zu weitgehend, dem Kläger einen Anspruch auf Mitteilung „zugleich“ mit der Sperre - im Sinne von „gleichzeitig“ bzw. „zeitgleich“ - zuzubilligen. Vielmehr kann der Kläger als „Minus“ gegenüber seinem ursprünglichen Antrag nur eine unverzügliche Mitteilung des Anlasses der Sperrung verlangen. Damit wird zudem ein Gleichlauf mit der vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags geforderten unverzüglichen nachträglichen Anhörung (vgl. BGH a.a.O., Rn. 88) sowie mit § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG erreicht, der in den unter das NetzDG fallenden Konstellationen ebenfalls eine unverzügliche Information und Begründung verlangt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Erfordernis einer unverzüglichen Mitteilung allerdings faktisch ohnehin darauf hinauslaufen, dass die Begründung wiederum zugleich mit der Sperre zu erfolgen hat. Denn regelmäßig sollte die Prüfung im Zeitpunkt der Verhängung der Sperre auf Seiten der Beklagten bereits abgeschlossen und die Mitteilung des Grundes der Beklagten möglich und zumutbar sein.

[...]

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO aus.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DS-GVO; denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Im Übrigen gilt auch für diese Anspruchsgrundlage, dass ersatzfähig alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265, 3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des klägerischen Nutzerkontos begründet einen solchen Schaden nicht


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts kann im Prozess um erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.06.2022
16 U 229/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts im Prozess um die erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unterlassene Anhörung des Betroffenen vor Löschung eines Posts bei Facebook kann im Prozess um die Wiederfreischaltung nachgeholt werden

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 (III ZR 179/20) sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen, unwirksam, weil sie kein Verfahren vorsehen, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit dem heute verkündeten Urteil nunmehr entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten im Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn diese zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag.

Die Beklagte ist in Deutschland Vertragspartnerin der Nutzer von Facebook. Der Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmenschlichende Sprache, durch Aussagen über Minderwertigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“. Die Beklagte sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, „durch das auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen erfasst werden“. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommunikationsstandards vorgeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhaltensregeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten.

Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Kläger „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede.

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.

Die Beklagte sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfahrensanforderungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertragsauslegung sei die Beklagte verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH u.a. hinsichtlich des dargestellten Antrags auf Wiederherstellung des gelöschten Artikels zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.06.2022, Az. 16 U 229/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2020, Az. 2-03 O 282/19)



OLG München: Facebook muss Nutzer vor Sperrung des Accounts regelmäßig anhören aber kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren

OLG München
Urteil vom 12.04.2022
18 U 6473/20

Das OLG München hat bekräftigt, dass Facebook Nutzer vor Sperrung des Accounts regelmäßig anhören muss. Es besteht aber kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren ohne vorherige Anhörung.

Leitsätze des Gerichts:

1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neuentscheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Nutzer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich auf die Unwirksamkeit des Entfernungs- bzw. Sperrvorbehalts in den Nutzungsbedingungen des Anbieters beruft. Selbst wenn der Nutzer durch die Veröffentlichung der Beiträge gegen die Gemeinschaftsstandards und damit gegen vertragliche Verpflichtungen seinerseits verstoßen hat, steht es dem Anbieter nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu, diese Beiträge ohne wirksame vertragliche Grundlage zu löschen und das Profil des Nutzers zu sperren.

3. Es besteht kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Denn ein hierauf gerichteter Antrag umfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Anbieter trotz der Unwirksamkeit des Lösch- und Sperrvorbehalts in seinen Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben muss, gesetzwidrige oder strafbare Inhalte effektiv zu beseitigen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin ist, soweit noch über sie zu entscheiden war, zulässig und teilweise begründet.

Da die Beklagte mit der Löschung der Beiträge der Klägerin und der anschließenden vorübergehenden Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Vertragspflichten verstoßen hat, steht der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu. Ferner kann sie anteilige Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € für jeden Beitrag verlangen. Hinsichtlich der Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 hat die Klägerin darüber hinaus einen Anspruch auf Wiederherstellung der Beiträge und Berichtigung des sie betreffenden Datensatzes der Beklagten.

Soweit die Klägerin darüber hinaus Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten begehrt, hat das Landgericht die Klage hingegen zu Recht abgewiesen. Insoweit war daher auch die Berufung zurückzuweisen.

Der erstmals in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 14.10.2021 gestellte Antrag auf Unterlassung von Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, ist - auch in der Fassung Hilfsantrags vom 17.03.2022 - unbegründet.

1. Das Landgericht hat die - auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426, juris Rn. 9) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Ergebnis zutreffend bejaht.

Diese folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 24). Danach kann die Klägerin als Verbraucherin, die die Plattform der Beklagten privat und nicht beruflich oder gewerblich nutzt, gegen die Beklagte, die ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet hat, vor dem Gericht ihres Wohnsitzes und damit vor dem Landgericht Augsburg Klage erheben.

2. Die Klage ist hinsichtlich der zuletzt noch gestellten Anträge zulässig. Die Voraussetzungen einer zulässigen Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO liegen trotz der fehlenden Einwilligung der Beklagten vor, weil die Zulassung des weiteren Unterlassungsantrags sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat.

3. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung der Beiträge vom 29.03.2019, 24.08.2019 und 12.03.2020 bei deren erneuter Einstellung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu (Berufungsanträge Ziff. 6 bis 8). Die gestellten Unterlassungsanträge sind allerdings um den Kontextbezug zu ergänzen („wenn dies geschieht wie am 29.03.2019, 24.08.2019 bzw. 12.03.2020 “).

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten (Anlage K 1) unterliegt der zwischen den Parteien geschlossene Nutzungsvertrag nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) dem deutschen Recht. Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich im Übrigen auch ohne Rechtswahl der Parteien aus Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO, weil ein Verbrauchervertrag vorliegt (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 26).

b) Die Beklagte hat - wie sich auch aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 in zwei vergleichbaren Parallelverfahren ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612) - durch die Entfernung der Beiträge der Klägerin und die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Vertragspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verstoßen.

aa) Die Beklagte war nicht gemäß Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil II Nr. 9 bzw. Teil I Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards in der Fassung vom 19. April 2018 (Anlagen K 1 und K 3) zur Löschung der Beiträge und Sperrung des Nutzerkontos der Klägerin berechtigt. Denn der dort vorgesehene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) In Übereinstimmung mit den vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist zunächst festzuhalten, dass die aktualisierten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten (Anlagen K 1 und K 3) - bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt - wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen wurden (§ 305 Abs. 2 BGB).

Die Klägerin hat ihr Einverständnis mit den aktualisierten Geschäftsbedingungen erklärt und das an sie gerichtete Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags angenommen, indem sie nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung vom 07.04.2020 (dort S. 23) am 24.08.2018 den geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, die ihr im Rahmen eines sog. Pop-up-Fensters zur Kenntnis gebracht wurden, durch Anklicken der entsprechenden Schaltfläche ausdrücklich zugestimmt hat.

Auf diese Konstellation findet entgegen der Ansicht der Klägerin weder § 308 Nr. 5 BGB Anwendung noch ist ihre Einverständniserklärung gemäß § 138 Abs. 1 BGB als unwirksam anzusehen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinen Entscheidungen vom 29.07.2021 (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 31 ff.) wird Bezug genommen.

Für die vorliegend in Streit stehenden Regelungen zur „Unterstützung einer Hassorganisation“ gilt dabei in gleicher Weise wie für die im Rahmen des Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof streitigen Regelungen zur „Hassrede“, dass die Neufassung von der vorherigen Fassung nicht zum Nachteil der Nutzer abweicht. Auch insoweit werden lediglich die Sanktionsmöglichkeiten (zum Vorteil der Nutzer) an einen objektiven Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen statt an die subjektive Einschätzung der Beklagten geknüpft sowie nähere Erläuterungen zur Einstufung eines Verhaltens als „Unterstützung einer Hassorganisation“ gegeben.

(2) Die in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogenen Klauseln in Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil III Nr. 12 bzw. Teil I Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards halten indessen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB nicht stand. Der darin enthaltene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers fehlt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 51 ff.).

Die nach dem Bundesgerichtshof erforderliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen ergibt, dass die Beklagte als Anbieterin eines sozialen Netzwerks zwar grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 78). Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 85, 87 f.).

Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen die Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht. Ein verbindliches Verfahren, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können, ist dort nicht vorgesehen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 93). Vielmehr räumt sich die Beklagte in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen einen weiten, im Einzelnen nicht nachvollziehbaren und sie im Ergebnis nahezu von jeglicher Anhörungsverpflichtung freistellenden Beurteilungsspielraum ein, die Nutzer über die Entfernung von Inhalten zu informieren oder nicht (vgl. BGH a.a.O., Rn. 94). Ebenso wenig wird den Nutzern in den Nutzungsbedingungen eine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt oder eine Verpflichtung der Beklagten statuiert, die Nutzer von sich aus über ergriffene Maßnahmen zu unterrichten, diese gegenüber den Nutzern zu begründen und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme mit anschließender Neubescheidung einzuräumen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 95 f.).

bb) Die Beklagte war vorliegend auch nicht deshalb zur Entfernung der Beiträge berechtigt, weil sie einen strafbaren Inhalt enthielten. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

cc) Der im Schriftsatz vom 25.01.2022 (Bl. 596/623 d.A.) vertretenen Ansicht der Beklagten, wonach es an einem vertragswidrigen Verhalten ihrerseits fehle, sie zur Entfernung der beiden Beiträge und Sperrung des klägerischen Profils auf Basis des Nutzervertrags - jedenfalls im Wege ergänzender Vertragsauslegung - berechtigt gewesen sei und sich Gegenteiliges auch nicht aus den jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergebe, kann nicht gefolgt werden.

(1) Die vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, denen sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.12.2021 (18 U 6997/20 Pre) inhaltlich angeschlossen hat, und die er auch weiterhin für überzeugend hält, sind eindeutig. Danach sind die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den streitgegenständlichen Nutzungsbedingungen der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers fehlt. Eine vertragliche Grundlage für die Löschung der Beiträge und die Sperrung des klägerischen Nutzerprofils ist mithin nicht vorhanden. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht lückenhaft.

Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung - in dem von der Beklagten gewünschten Sinne - nicht vor. Die ersatzlose Streichung der Klausel führt vorliegend nicht dazu, dass keine angemessene, den beiderseitigen Interessen Rechnung tragende Lösung mehr vorhanden wäre (vgl. Senat, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20 Pre). Weder wird das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Nutzers verschoben (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, Rn. 11) noch führt die Streichung für die Beklagte zu einem unzumutbaren Ergebnis im Sinne einer grundlegenden Störung des Vertragsgleichgewichts (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136, Rn. 10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 306 Rn. 13):

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 29.07.2021 zu Recht ausgeführt, dass die derzeitige Ausgestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht interessengerecht ist und es die Beklagte ist, die dem Nutzer durch die Entfernung seines Inhalts und ggf. weitere beschränkende Maßnahmen die Erbringung vertraglich geschuldeter Leistungen verweigert und hierdurch in die - über § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Nutzungsverträge einstrahlende - geschützte Grundrechtsposition des Nutzers eingreift (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 96). Die Beklagte hat die laut Bundesgerichtshof erforderlichen prozeduralen Voraussetzungen - wie sie selbst einräumt (vgl. Bl. 606 d.A.) - nicht einmal in der Praxis eingehalten. Maßgeblich ins Gewicht fällt außerdem, dass das Recht der Beklagten zur Löschung strafbarer Inhalte und zur Vermeidung einer Störerhaftung auch bei einer Streichung der Klausel in jedem Falle unberührt bleibt.

Zusammenfassend ist es der Beklagten daher zuzumuten, bis zur Änderung ihrer Nutzungsbedingungen und Beachtung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse auf weitergehende Lösch- und Sperrbefugnisse zu verzichten. Die Beklagte muss ungeachtet des Erfordernisses, oftmals schnell entscheiden zu müssen, das auch der Bundesgerichtshof hinreichend berücksichtigt hat, Verfahrensrechte der Nutzer beachten.

(2) Die Klägerin handelt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit des Entfernungsvorbehalts bzw. des Sperrvorbehalts in den Nutzungsbedingungen der Beklagten beruft. Selbst wenn die Klägerin durch die Veröffentlichung der Beiträge gegen die Gemeinschaftsstandards und damit gegen vertragliche Verpflichtungen ihrerseits verstoßen haben sollte, stand es der Beklagten nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu, diese Beiträge eigenmächtig ohne wirksame vertragliche Grundlage zu löschen und das Profil der Klägerin zu sperren. Die Beklagte ist insoweit auch nicht schutzwürdig. Strafbare Inhalte bzw. Beiträge, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter verletzten, muss die Beklagte nicht dulden, worauf bereits hingewiesen wurde. Vor allem aber hätte es die Beklagte selbst in der Hand, ihre Nutzungsbedingungen nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zu ändern, und anschließend - unter Beachtung der dann implementierten Verfahrensvorschriften - Beiträge, die gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen, zu löschen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch an dieser Stelle nicht von einer Lückenhaftigkeit der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausgegangen werden. Denn ein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wäre von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 242 Rn. 21 m.w.N.). Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof diese Frage in seinen Entscheidungen nicht erörtert hat, lässt deshalb erkennen, dass er eine Treuwidrigkeit als fernliegend angesehen hat.

(3) Die Beklagte war auch nicht deshalb zur Löschung der Beiträge bzw. Sperrung des Profils der Klägerin berechtigt, weil sie möglicherweise ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gehabt hätte. Denn zum einen hat die Beklagte keine Kündigung des Nutzervertrages, der zu einer endgültigen Vertragsbeendigung führen würde, ausgesprochen. Zum anderen hätte aber auch eine außerordentliche Kündigung schon nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten grundsätzlich vorausgesetzt, dass eine gewährte Abhilfefrist oder eine Abmahnung fruchtlos geblieben ist (vgl. Ziffer 4.2. der Nutzungsbedingungen). Dass vorliegend eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise ohne Setzen einer Abhilfefrist zulässig gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht.

(4) Im Hinblick auf den weiteren Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 25.01.2022 ist festzuhalten, dass eine Unterlassung der erneuten Löschung eines Beitrags nebst Sperrung des Nutzerprofils stets in Bezug auf den konkreten Kontext zu prüfen und auszusprechen ist. Ein Unterlassungsgebot bezieht sich daher immer nur auf kerngleiche Verstöße. Dies hindert aber den Ausspruch eines entsprechenden Unterlassungsgebots - anders als es die Beklagte anzudeuten versucht - nicht.

Soweit die Beklagte eine vorherige Anhörung bei einem identischen Beitrag im selben Äußerungskontext wegen des vorliegend durchgeführten Gerichtsverfahrens nicht mehr für erforderlich hält, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich die Festlegung eines verbindlichen Verfahrens in den Geschäftsbedingungen der Beklagten für erforderlich erachtet (vgl. BGH a.a.O., Rn. 93). Eine Anhörung nur im Einzelfall oder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens genügt insoweit nicht. Im Übrigen könnte sich die Frage der vorherigen Anhörung nur dann stellen, wenn die Beklagte erneut einen kerngleichen Beitrag der Klägerin löschen möchte. Auch in diesem Fall wäre aber die gebotene Anhörung der Klägerin geeignet, eventuelle Missverständnisse über die Zulässigkeit des Beitrags schnell und unkompliziert aufzuklären (vgl. Senat, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20 Pre).

c) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.).

Dies ist im Hinblick auf die Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 ohne Weiteres anzunehmen, da die Vertragsverletzung im Rahmen des fortbestehenden Vertragsverhältnisses infolge der Löschung des Beitrags noch andauert.

Ein Unterlassungsanspruch ist aber auch im Hinblick auf den zwischenzeitlich wiederhergestellten Beitrag vom 24.08.2019 gegeben. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass der zu Unrecht entfernte Beitrag erst nach fast fünf Monaten von der Beklagten wiederhergestellt worden ist. Dass dieser Zeitraum unangemessen lang war, lässt sich auch mit Blick auf die deutlich kürzeren Prüfungs- und Entscheidungsfristen für Beschwerden über rechtswidrige Inhalte belegen, die den Anbietern sozialer Netzwerke in §§ 3, 3b NetzDG auferlegt werden.

d) Aus den bereits begangenen Pflichtverletzungen der Beklagten folgt zugleich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BGH a.a.O., Rn. 103 m.w.N.). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, mit der die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr widerlegt werden könnte, wurde für keinen der Beiträge abgegeben. Allein mit der Freischaltung des Beitrags vom 24.08.2019 ist auch keine Anerkennung seitens der Beklagten dahin verbunden, dass ihr ein Anspruch auf Entfernung nicht zugestanden habe, zumal sie weiterhin auf ein ihr zustehendes Recht auf vorübergehende Entfernung im Rahmen einer Einzelfallprüfung verweist, ohne auf die übermäßig lange Dauer der Prüfung im iegenden Fall einzugehen.
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e) Die gestellten Unterlassungsanträge sind allerdings um einen ausdrücklichen Kontextbezug zu ergänzen, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung jeweils nur im konkreten Kontext zusteht.

4. Hinsichtlich der nicht wieder frei geschalteten Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 hat die Klägerin aus den oben genannten Gründen darüber hinaus einen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB darauf, dass die Beklagte diese gelöschten Beiträge wieder freischaltet (Berufungsanträge Ziff. 3 + 4).

5. Der Klägerin steht gegen die Beklagte außerdem ein Anspruch auf Datenberichtigung bezogen auf die am 29.03.2019 und 12.03.2020 gelöschten Beiträge aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB zu (Berufungsanträge Ziff. 2 + 4). Bezüglich dieser Beiträge ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in den von der Beklagten verwalteten Datensätzen betreffend die Klägerin noch der Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten vermerkt sind.

6. Die Klägerin kann von der Beklagten ferner Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 571,44 € für das Tätigwerden bezogen auf die drei Beiträge (Berufungsantrag Ziff. 10) verlangen.

Mit den vorgerichtlichen Schreiben gemäß Anlage K 13 (Beitrag vom 24.08.2019), Anlage K 24 (Beitrag vom 29.03.2019) und Anlage K 26 (Beitrag vom 12.03.2019) wurde u.a. die Aufhebung der Sperre, Datenberichtigung, Freischaltung des jeweiligen Beitrags und Unterlassung der erneuten Sperrung gefordert, so dass sich ein Gegenstandswert der erfolgversprechenden anwaltlichen Tätigkeit bezogen auf jeden Beitrag zum damaligen Zeitpunkt in Höhe von 5.750 € errechnet (Einzelstreitwerte von 2.500 € für Aufhebung der Sperre + 1.250 € für Datenberichtigung + 500 € für Wiederherstellung des Beitrags + 1.500 € für Unterlassung). Auf dieser Grundlage errechnen sich erstattungsfähige vorgerichtliche Kosten in Höhe von jeweils 571,44 €.

7. Der erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, steht der Klägerin dagegen nicht zu (Berufungsantrag Ziff. 9).

Es kann offen bleiben, ob die Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung im Sinne des § 259 ZPO vorliegt (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 259 Rn. 12). Denn der geltend gemachte Anspruch ist unbegründet.

a) Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.03.2020 (Bl. 680 d.A.) klargestellt, dass ihr Antrag nur vorübergehende Sperrungen und keine dauerhaften Deaktivierungen von Profilen erfassen soll. Dennoch umfasst der Antrag weiterhin auch Konstellationen, in denen die Beklagte trotz der Unwirksamkeit des Lösch- und Sperrvorbehalts in ihren Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben muss, gesetzwidrige oder strafbare Inhalte effektiv zu beseitigen. Hierzu kann im Einzelfall, wie dem Senat aus anderen Fällen bekannt ist, auch die vorübergehende umgehende Sperrung eines Nutzerkontos nötig sein, wenn sie dazu dient, unmittelbar bevorstehende Straftaten zu verhindern oder das allgemeines Persönlichkeitsrecht Dritter vor konkret drohenden Angriffen zu schützen.

Einer solchen Sichtweise stehen auch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof führt in Rz. 87 des Urteils im Verfahren III ZR 179/20 aus, dass in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen eine Anhörung vor Verhängung einer vorübergehenden Sperrung entbehrlich sein kann. Damit gibt auch der Bundesgerichtshof zu erkennen, dass es Fälle geben kann, in denen eine vorherige Anhörung für die Beklagte unzumutbar ist. Hiergegen wendet sich auch die Klägerin nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Sperren ohne vorherige Anhörung stets nur dann zulässig sind, wenn denkbare Fallgruppen vorab wirksam in den Nutzungsbedingungen der Beklagten vereinbart wurden. Dies mag für „einfache“ Verstöße gegen Gemeinschaftsstandards der Beklagten gelten, kann aber für Sperren zur Verhinderung von Straftaten oder zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter nicht richtig sein, da die Beklagte in solchen Fällen gesetzlich verpflichtet ist, tätig zu werden. Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass für Beiträge mit strafbaren Inhalten andere Prüfungsmaßstäbe gelten, was sich daran ablesen lässt, dass er diese in einem eigenen Prüfungspunkt unter Randnummer 98 seines Urteils abhandelt. Nichts anderes kann für eine Sperre zur Verhinderung einer offensichtlichen oder schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter gelten.

b) Der Klägerin kann aufgrund des im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen zu weit gefassten Unterlassungsantrags auch kein „engerer“ Unterlassungsanspruch als Minus zugesprochen werden, indem der Senat alle Fälle aus dem Unterlassungsbegehren ausscheidet, bei denen eine vorübergehende Sperre durch die Beklagte ohne vorherige Anhörung zulässig erscheint. Denn letztlich wird sich stets nur im Einzelfall entscheiden lassen, ob die Voraussetzungen für eine Sperre ohne vorhergehende Anhörung vorliegen oder nicht. Nicht jeder Beitrag mit strafbaren Inhalten wird das rechtfertigen und auch nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr wird es darauf ankommen, ob mit einer sofortigen (vorübergehenden) Sperre eines Nutzerprofils unmittelbar bevorstehende Gefahren für geschützte Rechtsgüter abgewendet werden können.

Vor diesem Hintergrund kann aus dem vertragswidrigen Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit, nämlich der Sperre des klägerischen Profils in den streitgegenständlichen Fällen ohne vorherige Anhörung, nicht geschlossen werden, dass sie auch in zukünftigen Fällen in unberechtigter Weise Sperren ohne vorherige Anhörung gegen die Klägerin verhängen wird. Es fehlt insoweit an der schlüssigen Darlegung einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.

Das Zusprechen des begehrten Unterlassungsanspruchs hätte zur Folge, dass der Streit über die Berechtigung zukünftiger Sperren ohne Anhörung ins Vollstreckungsverfahren verlagert würde, was schon deshalb auch für die Klägerin nicht erstrebenswert erscheint, weil ihr dann der Instanzenzug eines Erkenntnisverfahrens abgeschnitten wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig-Holstein: Facebook darf auf Grundlage der aktuellen Nutzungsbedingungen Nutzerkonto bei Hassposting sperren und rechtswidrigen Beitrag löschen

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 01.03.2022
7 U 152/20


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Facebook (Meta) auf Grundlage der aktuellen Nutzungsbedingungen ein Nutzerkonto bei einem Hassposting sperren und den rechtswidrigen Beitrag löschen darf.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO.

Rechtsfehler zulasten des Klägers weist das angefochtene Urteil nicht auf; auch die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Mit dem Feststellungsantrag Ziffer 2 ist die Klage bereits unzulässig; im Übrigen hat das Landgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1. Unabhängig davon, ob die zeitweise Sperrung des Kontos des Klägers und die (behauptete) Löschung seines inkriminierten Beitrages zu Recht erfolgt sind, ist das Feststellungsbegehren zu Ziffer 2 schon unzulässig, denn gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein (Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. § 256 Rn. 3 a m. w. N.).

Darauf zielt das Feststellungsbegehren des Klägers in der beantragten Form aber nicht ab. Vielmehr möchte er eine Vorfrage für seine Anträge Ziffer 4 und 7 (Unterlassung und Schadenersatz) geklärt sehen. Soweit sich aus der möglichen Rechtswidrigkeit der zeitweisen Kontensperrung bzw. der Löschung Rechtsfolgen in der Gegenwart ergeben, ist der Kläger auf die vorrangige Leistungsklage - die er auch erhoben hat - zu verweisen, ohne dass es einer isolierten Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen bedarf. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist dem Zivilprozessrecht, anders als dem Verwaltungsprozessrecht, unbekannt.

2. Auf der Grundlage der wirksam in das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis einbezogenen aktuellen Nutzungsbedingungen hat die Beklagte zu Recht den Beitrag gelöscht und eine 30-tägige Sperre verhängt.

Die geänderten Nutzungsbestimmungen sind aufgrund der Zustimmung des Klägers durch Anklicken der Schaltfläche wirksam geworden. Die allen Nutzern als „pop-up“ bei Aufruf des Dienstes der Beklagten zugegangene Mitteilung über die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen in Verbindung mit der Aufforderung, die „ich stimme zu“ - Schaltfläche anzuklicken, ist dabei als an den einzelnen Nutzer gerichtetes Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages im Sinne von § 145 BGB zu sehen. Ein durch Anklicken erfolgter Vertragsabschluss hat grundsätzlich individuellen Charakter, auch wenn die Willenserklärungen, aus denen er sich zusammensetzt, vorformulierte Bestandteile besitzen. Entgegen der von der Berufung vertretenen Rechtsansicht wird die Neufassung der AGB in einem solchen Fall nicht aufgrund einer vorformulierten Änderungsklausel, sondern aufgrund eines nach allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrages einbezogen (Münchener Kommentar - Basedow, BGB 8. Aufl. 2019,§ 305, Rn 86; 90 m.w.N.; JurisPK-BGB - Lapp, 2. A. § 305, Rz. 57). Daher kommen solche Erklärungen als Gegenstand einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 07.11.2001 – VIII ZR 13/01 –, Rn. 42 - 43, Juris). Das individuelle Angebot im Sinne des § 145 BGB hat der Kläger unstreitig durch Anklicken der Schaltfläche angenommen. Dass die „neue Datenschutzgrundverordnung“ als Grund für die Änderung benannt und lediglich verklausuliert darauf hingewiesen wird, dass neben der Datenschutzrichtlinie der Beklagten auch die Nutzungsbedingungen aktualisiert wurden um „zu erklären, ... was wir von allen Nutzern erwarten“, steht einer wirksamen Annahme dieser Nutzungsbedingungen, die über den am Ende eingebetteten Link Bestandteil des Angebots der Beklagten auf Abschluss eines Änderungsvertrages geworden sind, nicht entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob die Änderungsklausel in den Altbedingungen hinreichend transparent gewesen und ob für die vorgenommene Änderung ein triftiger Grund bestand, den die Beklagte hinreichend kommuniziert hat.

Das Angebot der Beklagten, der Kläger möge entweder die Nutzungsbedingungen akzeptieren oder seinen Vertrag mit der Beklagten beenden, ist auch nicht als sittenwidrig anzusehen. Auch wenn die Beklagte im Bereich der sozialen Netzwerke in Deutschland eine überragend wichtige Stellung einnimmt, unterliegt sie zum einen keinem Kontrahierungszwang, sondern ist bei der Auswahl ihrer Vertragspartner im Rahmen allgemeiner Diskriminierungsverbote frei. Entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung hat das Landgericht auch die marktbeherrschende Stellung der Beklagten im Blick gehabt und mit berücksichtigt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen Urteils. Zudem ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Annahme der geänderten Bedingungen für den Kläger so unzumutbar sein sollte, dass eine de-facto erzwungene Zustimmung als sittenwidrig anzusehen sein sollte. Die mit der Änderung erfolgte Präzisierung u. a. des Begriffes der Hassrede und des bei Verstößen geltenden Sanktionsregimes begünstigt im Gegenteil die Nutzer, weil sie das zuvor bestehende uferlose und damit rechtlich bedenkliche (vgl. hierzu OLG München, Beschluss v. 17.07.2018 - 18 W 858/18) Sanktionsermessen auf eine AGB-rechtlich unbedenkliche Form zurückführt. Es ist daher - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung auch allgemein anerkannt, dass die Änderungen der Nutzungsbedingungen durch die derzeit geltende Fassung keinen Bedenken unterliegen (vgl. nur OLG Nürnberg, Urteil v. 04.08.2020 - 3 U 3641/19 Juris Rn. 78).

Die neuen, geänderten AGB der Beklagten halten auch der Wirksamkeitskontrolle stand. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hier zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (dort S. 10 f.) verwiesen.

Die in den Nutzungsbedingungen normierten Verhaltensregeln sind jedenfalls nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB, und zwar gerade weil die Debatte um die Einhaltung von Regeln im Internet breiten Raum in der Öffentlichkeit einnimmt und die Normierung von „Benimmregeln“ bei Inanspruchnahme sozialer Kommunikationsplattformen allgemein bekannt ist (vgl. OLG Dresden Beschluss v. 08.08.2018 - 4 W 577/18 - Juris Rn. 20 m.w.N.). Dass sich das Verbot von Hassrede in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards auf die Meinungsfreiheit der Nutzer auswirkt, aber keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB darstellt, hat das Landgericht in zutreffender Weise unter Hinweis auf die Entscheidung des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 26.02.2020 (9 U 125/19) ausgeführt.

Diese rechtliche Würdigung gilt sowohl für die Voraussetzungen, unter denen sich die Beklagte Sanktionen vorbehält, als auch hinsichtlich der Sanktionen als solchen. Richtig ist zwar, dass sich die klägerseits zitierte Sperrvorschrift unter Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen nicht im Einzelnen mit der Frage befasst, bei welchen Verstößen genau welche Sanktionen vorgesehen sind. Wie im angefochtenen Urteil ausgeführt genügt es aber, wenn der Nutzer weiß, dass ihn ein abgestuftes Sanktionssystem erwartet und die Beklagte je nach Schwere des Verstoßes eine Sanktion bis hin zur Deaktivierung des gesamten Kontos verhängen kann. Damit ist dem Nutzer hinreichend klar, dass ihn eine Sanktion treffen kann, an deren Ende bei wiederholten Zuwiderhandlungen gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards die komplette Deaktivierung des Kontos steht. Dies ist hinreichend transparent und benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung eines Vertragspartners des Verwenders im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, bei der der Verwender durch seine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil v. 17.09.2009 - III ZR 207/08 Juris Rn. 18 m.w.N.), liegt hierin schon deshalb nicht vor, weil hierdurch keine wesentlichen Rechte der Nutzer verletzt oder unangemessen beschränkt werden, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben. Nach der Natur des Nutzungsvertrages möchte die Beklagte eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der die Nutzer einen respektvollen Umgang miteinander wahren und auf der sich jeder Nutzer „sicher“ fühlt (vgl. Gemeinschaftsstandards, dort unter „Einleitung“). Dies ist der Geschäftszweck, der dem Kunden bei Inanspruchnahme der Leistungen vor Augen geführt wird und zu dessen Definition die Beklagte als privater Anbieter berechtigt ist.

Innerhalb eines solchermaßen definierten Vertragszwecks liegt keine unzulässige Einschränkung darin, bei Verstößen gegen die an diesem Vertragszweck orientierten Standards ein abgestuftes Sanktionssystem bis hin zur Deaktivierung des Kontos auszusprechen.

Die Auffassung des Klägers, für eine Sperrung dürften nur Sachverhalte herangezogen werden, die zugleich einen Straftatbestand verwirklichten, trifft schon für das allgemeine Äußerungsrecht nicht zu. Für die hier in Rede stehende Frage, unter welchen Bedingungen der Betreiber eines sozialen Netzwerkes unter Bezug auf seine AGB Meinungsäußerungen löschen und Nutzer sperren darf, verkennt sie die anzuwendenden Maßstäbe grundlegend. Sie wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung so auch nirgends vertreten (OLG Schleswig aaO Juris Rn. 75 ff m.w.N.).

3. Die Beklagte war wegen eines Verstoßes des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards nach Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen, der Einleitung der Gemeinschaftsstandards und der Regelung zu „Hassreden“ innerhalb der Gemeinschaftsstandards (Nr. 12) berechtigt, den Beitrag nicht nur vorübergehend zu entfernen, wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht den streitgegenständlichen Post nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt. Der Post des Klägers - seinen Vortrag als richtig unterstellt - lautet im Wortlaut: „Das deutsche Parlaments-Pack unterzeichnet den Pakt. Schlimmer das deutsche Pack hat ihn gepackt.“

Der Kläger verunglimpft damit - wie sich nicht zuletzt nachhaltig auch aus seiner als Anlage zum Protokoll vom 17.06.2020 gereichten „Argumentation“ ergibt - ganz bewusst sowohl die deutschen Parlamentarier (jedenfalls soweit sie den sog. Migrationspakt unterstützt haben) als auch die deutsche Bevölkerung sowie Migranten und Flüchtlinge. Damit erfüllt der Beitrag, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt (S.11/12 VU), die Kriterien der Schweregrade 2 und 3 nach Teil III Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards der Beklagten.

Vor diesem Hintergrund ist auch die 30-tägige Versetzung in den read only-Modus nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Sie ist weder willkürlich festgesetzt worden noch wird der Kläger hierdurch vorschnell oder dauerhaft gesperrt. Die Sanktionierung eines klaren Verstoßes gegen Ziff.12 der Gemeinschaftsstandards mit einer zeitlich begrenzten Sperre für die aktive Nutzung ist vielmehr als verhältnismäßige Sanktion anzusehen. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich weder entnehmen, dass er hierdurch einen wirtschaftlichen Schaden erlitten haben will, noch ist eine wirkliche Beeinträchtigung seiner Kommunikationsfreiheit erkennbar geworden. Dabei stand es dem Kläger frei, sein Kommunikationsbedürfnis ggf. in anderen „sozialen“ Netzwerken wie Twitter, Instagram oder Youtube (um nur einige zu nennen) zu befriedigen.

Selbst wenn man den Beitrag als eine noch zulässige Meinungsäußerung ansehen wollen würde, wäre die Beklagte dennoch berechtigt, eine solche Äußerung gemäß ihren Gemeinschaftsstandards zu sanktionieren und stünde dem ein wirksamer Grundrechtsschutz nicht entgegen. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (aaO juris Rn 76 ff) an, die auch im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung stehen und denen zufolge das Gebot der praktischen Konkordanz gebietet, nicht nur dem Meinungsäußerungsgrundrecht des Klägers zur Geltung zu verhelfen, sondern in gleicher Weise auch die Grundrechte der anderen Nutzer und nicht zuletzt der Beklagten selbst zu schützen.

4. Weil die Beklagte mit der Sperrung keine Rechtsverletzung begangen hat, stehen dem Kläger weder Wiederherstellungs-, noch Unterlassungs-, noch Schadensersatzansprüche zu. Mangels unerlaubter Handlung stehen dem Kläger auch keine Auskunftsansprüche zu.

a) Einen Anspruch auf Auskunft darüber, ob die gegen ihn verhängte Sperre durch ein "beauftragtes Unternehmen" erfolgt ist, hat das Landgericht zu Recht verneint. Mangels einer spezialgesetzlichen Grundlage kommt ein solcher Auskunftsanspruch nur nach § 242 BGB in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise ü über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH, Urteil v. 17.07.2002 - VIII ZR 64/01, NJW 2002, 3771 unter II. 1. m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene selbst, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH, Urteil v. 09.07.2015 - III ZR 329/14 Juris Rn 11). Datenschutzrechtliche Bedenken an der Auskunftserteilung bestehen nach § § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG nicht, sofern die Auskunftserteilung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist. Der allgemeine Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben wird aber seinerseits durch § § 242 begrenzt. Seine Geltendmachung ist daher rechtsmissbräuchlich, wenn die Auskunft für den in Frage stehenden Anspruch unter keinem Aspekt relevant ist oder wenn der Gläubiger sie zu „sachwidrigen Zwecken“ begehrt (Palandt-Grüneberg, BGB 80. Aufl. § 259 Rn 9).

So liegt es hier. Selbst wenn man – wofür der Kläger allerdings nichts vorgetragen hat - unterstellt, dass die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags nicht durch Mitarbeiter der Beklagten, sondern in deren Auftrag durch einen Dienstleister vorgenommen worden sein sollte, kämen Ansprüche gegen diesen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Ansprüche nach § 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag oder nach § 280 BGB könnte der Kläger mangels einer schuldrechtlichen Sonderverbindung gegen diesen Dritten nicht geltend machen. Auch scheiden in einem solchen Fall Ansprüche aus § 826 BGB aus. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, welchen Schaden der Kläger hier erlitten haben will und worauf er den zu benennenden Dritten überhaupt in Anspruch nehmen möchte, setzt der Anspruch nach § § 826 BGB jedenfalls ein Verhalten voraus, das objektiv sittenwidrig ist und von einer besonders verwerflichen Gesinnung getragen wird. Hierunter fällt nach allgemeiner Auffassung nur ein Verhalten, das nach Inhalt und Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Werten der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. statt aller Palandt-Sprau, aaO. § 826 Rn 4). Dass mit einem Verhalten gegen eine Vertragspflicht verstoßen wird, genügt hierfür gerade nicht. Da grundsätzlich die Löschung unzulässiger Beiträge nach den Community-Standards nicht zu beanstanden ist, die Löschung von Beiträgen mit offensichtlich rechtswidrigem Inhalt im Sinne des NetzDG durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 NetzDG dem Betreiber sogar verpflichtend vorgegeben ist, liegt in der Ausübung dieser Befugnisse keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des betroffenen Nutzers, die einen Anspruch aus § 826 BGB rechtfertigen könnte. Erst recht ist ein solcher Vorwurf gegenüber demjenigen nicht gerechtfertigt, der von einem sozialen Netzwerk als Dienstleister eingesetzt und damit lediglich Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB ist, ohne eigene Interessen mit der Löschung oder Sperrung von Teilnehmern zu verfolgen.

b) Ebenso besteht kein Anspruch auf Auskunft über mögliche Weisungen „von Seiten der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen“ hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern. Die durch das NetzDG ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich dem Gesetzestext entnehmen. Für eine weitergehende Einflussnahme im konkreten Einzelfall werden keinerlei (Indiz-)Tatsachen behauptet. Die Annahme, die Bundesregierung oder eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung habe auf die Beklagte eingewirkt, um den Post des Klägers zu sperren, liegt zudem ersichtlich fern und knüpft offensichtlich allein an vergleichbare digital verbreitete Verschwörungstheorien an. Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches, mit dem eine Aussage des in Anspruch Genommenen über durch nichts belegte Behauptungen erzwungen werden soll, ist als Fall des Rechtsmissbrauchs unzulässig.

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Zahlung von 1.500,- € mangels Anspruchsgrundlage für einen Zahlungsanspruch aus.

Der aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleitete Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung liegt nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, schon gar nicht bei jeder Vertragsverletzung vor. Er setzt vielmehr voraus, dass ihm ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liegt und die hiervon ausgehende Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dass der Kläger durch die Löschung des Beitrages und die zeitlich befristete Sperrung von dreißig Tagen eine solche Beeinträchtigung erlitten haben soll, wird nicht substantiiert behauptet und erscheint auch nicht vorstellbar. Der Kläger bemisst seine immaterielle Einbuße mit lediglich 1500,- € und gibt hierdurch zu erkennen, dass er selbst dem Verhalten der Beklagten keine hinreichende Eingriffsschwere beimisst. Dies erschließt sich auch daraus, dass der Kläger in seiner „Argumentation“ zum Ausdruck bringt, mit derartigen Rechtsstreitigkeiten „im Grunde ... nur die Kaste der Rechtsanwälte“ zu unterhalten.

Bereicherungsrechtliche Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr aus § 812 BGB kann der Kläger ebenfalls nicht geltend machen. Ob die Beklagte während des Zeitraums der Sperrung seine persönlichen Daten zu Werbezwecken tatsächlich genutzt hat, kann hierfür dahinstehen. Denn jedenfalls hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag mit der Nutzung seine Einwilligung zu der in den Nutzungsbedingungen festgelegten Befugnis, alle Beiträge und erhaltenen Daten „dauerhaft zu speichern und zu nutzen" erteilt. Einen Vorbehalt für den Zeitraum etwaiger Sperrungen hatte er nicht erklärt. Eine rechtsgrundlose Nutzung von durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Daten liegt nach alledem nicht vor.

Auch für einen fiktiven Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie fehlt es an den erforderlichen Voraussetzungen.

Für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag enthält der Vortrag des Klägers keine substantiierten Tatsachengrundlagen.

Schließlich scheiden auch die geltend gemachten Ansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat hiernach Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung liegt jedoch nicht vor. Erhebung und Verarbeitung seiner Daten, wozu gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch die Löschung des streitgegenständlichen Posts und die Sperrung seines Kontos zählen, beruhen auf der vom Kläger vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit a DSGVO). Diese ist gerade nicht daran geknüpft, dass auch die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommt und umfasst daher auch Zeiträume, in denen der Account gesperrt ist.

Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller oder immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die bloße Sperrung seiner Daten stellt ebenso wie ein etwaiger Datenverlust noch keinen Schaden im Sinne der DSGVO dar.

Die behauptete Hemmung in der Persönlichkeitsentfaltung durch die (rechtmäßige) dreißigtägige Sperrung hat allenfalls Bagatellcharakter, was die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes ausschließt.

Hat nach Vorstehendem die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, wird sie im Beschlusswege zurückzuweisen sein.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Celle: Keine Verfügungsgrund für einstweilige Verfügung wenn Facebook bereits Sperre aufgehoben und Beitrag wiederhergestellt hat

OLG Celle
Urteil vom 19.05.2022
5 U 152/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung besteht, wenn Facebook eine Kontosperre bereits aufgehoben und den gelöschten Beitrag wiederhergestellt hat.

Leitsätze des Gerichts:
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Untersagung der – erneuten – Löschung eines Beitrags in einem sozialen Netzwerk und der erneuten vorübergehenden Sperre des Nutzerkontos ist ein Verfügungsgrund im Regelfall gesondert darzulegen.

2. Dies gilt insbesondere, wenn der streitgegenständliche Beitrag vom Betreiber des sozialen Netzwerks wieder eingestellt worden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Verfügungskläger keinen Verfügungsgrund dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.

a. Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich nicht substantiiert ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er meint, den von ihm verfolgten Anspruch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen zu können, obwohl die Verfügungsbeklagte auf Seiten 19 f. ihres Schriftsatzes vom 29. Juni 2021 (Bl. 92 f. d. A.) auf diese rechtliche Problematik hingewiesen hat. Das Vorbringen des Verfügungsklägers ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Voraussetzung der besonderen Dringlichkeit zu belegen.

b. Der Hinweis des Verfügungsklägers, die Einschränkung seines Rechts auf Meinungsäußerung genüge für einen Verfügungsgrund, geht fehl. Es ist gerade nicht ersichtlich, warum es für den Verfügungskläger wegen besonderer Dringlichkeit unzumutbar sein soll, die vorliegenden Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren
zu klären. Er war nie daran gehindert, sich zu äußern, sondern nur für drei Tage, dies über „Facebook“ zu tun. Seit mehr als einem Jahr hat der Verfügungskläger wieder unbeschränkten Zugang zu seinem dortigen Nutzerkonto. Da der Verfügungskläger selbst darauf abhebt, der Hinweis des Senats auf ein einstweiliges
Verfügungsverfahren sei abwegig, weil die Verfügungsbeklagte gar nicht beabsichtige, das Nutzerkonto wieder zu sperren, wird deutlich, dass das vorliegende Begehren nicht tauglicher Gegenstand für einen einstweiligen Rechtsschutz darstellt.

c. Dies gilt umso mehr, als bereits vor Zustellung der Antragsschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 21. Juli 2021 nicht nur die vorübergehende Kontosperrung von drei Tagen bereits abgelaufen war, sondern die Verfügungsbeklagte am 8. April 2021 auch den hier streitgegenständlichen Post von sich aus
nach einer internen Überprüfung anhand der „Gemeinschaftsstandards“ wieder eingestellt hatte. Danach war dem Verfügungskläger auch die ganz konkrete, streitbefangene Meinungsäußerung auf der Plattform der Verfügungsbeklagten wieder möglich. Der Senat braucht nicht zu bewerten, ob dies auch materiellrechtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr entgegensteht (was zweifelhaft sein dürfte vor dem Hintergrund, dass in der Regel der einmalige Verstoß die tatsächliche Vermutung der Wiederhoungsgefahr begründet, an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind, vgl. nur Herrler, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. § 1004 Rn. 32 m.w.N.). Es hat jedoch erhebliche Bedeutung für die Frage, ob eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Unterlassungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache besteht. Insoweit ist zu beachten, dass die Frage der Dringlichkeit – wie sämtliche Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung – im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen ist.

d. Der pauschal gehaltene Vortrag, es bedürfe wegen der Marktmacht der Verfügungsbeklagten grundsätzlich des Instruments des einstweiligen Rechtsschutzes, weil die Nutzer sonst gleichsam willkürlich der Entscheidung der Verfügungsbeklagten ausgesetzt seien, vorübergehend Beiträge zu löschen oder Konten zu sperren, wird dem konkreten Einzelfall nicht gerecht. Denn die Verfügungsbeklagte hat hier nicht unter dem Eindruck des Verfügungsverfahrens den Beitrag wieder eingestellt, sondern bereits (deutlich) vor Zustellung der Antragsschrift. Der Hinweis auf andere vom Bevollmächtigten des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte geführte Verfahren vermag einen Eilbedarf in diesem konkreten Rechtsstreit ebenfalls nicht zu begründen. Dies zeigt gerade auch der Hinweis des Verfügungsklägers auf die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2021 (Wo 1 O 40/21). Danach differenziert die Verfügungsbeklagte erkennbar im Einzelfall, inwieweit sie auf von ihr (zunächst) beanstandete Äußerungen auf ihrer
Plattform reagiert.

e. Letztlich fehlt eine konkrete Auseinandersetzung des Verfügungsklägers mit der in den Schriftsätzen der Verfügungsbeklagten klar zum Ausdruck kommenden ursprünglichen Motivation der Verfügungsbeklagten, den Beitrag zu löschen. Im Laufe des Rechtsstreits ist hinreichend deutlich geworden, dass sich die Verfügungsbeklagte nicht an dem Textbeitrag stört („O. will in den Duden. Or else.“), sondern an dem sich hieran („anderenfalls“) anschließenden GIF, in dem eine männliche Person mit einer Pistole auf den Leser zielt. Mit seinem Antrag begehrt der Verfügungskläger jedoch gerade „isoliert“ nur eine Untersagung der Löschung des Textteils und einer darauf beruhenden Kontosperrung. Das Bild ist vom Streitgegenstand nicht umfasst. In seiner Antragsschrift erwähnt der Verfügungskläger das GIF nicht und geht auf die diesbezüglichen Einwände der Verfügungsbeklagten (zum Beispiel im Schriftsatz vom 29. Juni 2021 und in der Berufungsbegründung) nicht inhaltlich ein, sondern stellt allein darauf ab, in ihrer vorprozessualen Mitteilung über die Löschung habe die Verfügungsbeklagte nur den Textteil genannt. Letztlich geht auch der Verfügungskläger (so ausdrücklich im Schriftsatz vom 23. Januar 2022, S. 11 unter Buchstabe c = Blatt 393) davon aus, dass sich der vorliegende Einzelfall dadurch auszeichne, dass die Verfügungsbeklagte ihre rechtswidrige Löschung sogar eingeräumt habe und sich nicht gegen die Wiederherstellung des streitigen Inhalts wehre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH der zweiten Entscheidung liegt vor - Keine allgemeine Klarnamenpflicht bei Facebook

BGH
Urteil vom 27.01.2022
III ZR 4/21
UKlaG § 1, § 11 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine allgemeine Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks - Pseudonym zulässig soweit Nutzer im Innenverhältnis dem Betreiber seinen Klarnamen mitteilt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Der von einem Unterlassungsurteil im Verbandsklageverfahren ausgehenden Bindungswirkung für den Individualprozess steht eine spätere Gesetzesänderung nicht entgegen, soweit in dem Individualprozess die Wirksamkeit einer Bestimmung im Streit steht, die vor dieser Gesetzesänderung in den Vertrag einbezogen worden ist.

BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 4/21 - OLG München - LG Ingolstadt

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH: Keine allgemeine Klarnamenpflicht bei Facebook - Pseudonym zulässig soweit Nutzer im Innenverhältnis dem Betreiber seinen Klarnamen mitteilt

BGH
Urteil vom 27.01.2022
III ZR 3/21
Klarnamenpflicht, Facebook
BGB § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; TMG § 13 Abs. 6 Satz 1 aF; Richtlinie 95/46/EG Art. 6 und 7


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine allgemeine Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks - Pseudonym zulässig soweit Nutzer im Innenverhältnis dem Betreiber seinen Klarnamen mitteilt über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Zeitlicher Bezugspunkt für die Frage, ob eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist, ist im Individualprozess der Zeitpunkt, zu dem die Bestimmung in den jeweiligen Vertrag einbezogen worden ist. Wurde der Vertragspartner des Verwenders durch die Bestimmung zu diesem Zeitpunkt unangemessen benachteiligt, ist sie von Anfang an als unwirksam anzusehen und kann nicht nachträglich Wirksamkeit erlangen (Anschluss an BGH, Urteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 69/98).

b) Der bis zum 30. November 2021 geltende § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, ist mit der Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 (Datenschutz-Richtlinie) vereinbar.

c) Bei einer vor Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 (Datenschutz-
Grundverordnung) in einen Vertrag über die Nutzung eines sozialen Netzwerks einbezogenen Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters, nach welcher der Vertragspartner abweichend von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG bei der Nutzung des Netzwerks den im täglichen Leben gebrauchten Namen zu verwenden hat, ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen.

BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 3/21 - OLG München - LG Traunstein

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: