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EuGH-Generalanwalt: Bei einem Datenleck oder Hackerangriff kann ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus Art. 82 DSGVO für Befürchtung eines künftigen Missbrauchs der Daten bestehen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 27.04.2023
C-340/21 | Natsionalna agentsia za prihodite


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass bei einem Datenleck oder Hackerangriff ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus Art. 82 DSGVO gegen die verarbeitende Stelle für die Befürchtung eines künftigen Missbrauchs der Daten bestehen kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bei einem unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten durch Dritte haftet der Verantwortliche für mutmaßliches Verschulden und es kommt eventuell ein Ersatz des immateriellen Schadens in Betracht

Für eine Haftungsbefreiung muss der Verantwortliche nachweisen, dass er für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, in keinerlei Hinsicht verantwortlich ist. Die Befürchtung eines künftigen Missbrauchs personenbezogener Daten kann nur dann einen immateriellen Schaden darstellen, wenn es sich um einen realen und sicheren emotionalen Schaden und nicht nur um ein Ärgernis oder eine Unannehmlichkeit handelt.

Am 15. Juli 2019 verbreiteten die bulgarischen Medien die Nachricht, dass ein unbefugter Zugang zum Informationssystem der bulgarischen Nationalen Agentur für Einnahmen (NAP) erfolgt sei und dass verschiedene Steuer- und Sozialversicherungsdaten von Millionen von Menschen im Internet veröffentlicht worden seien. Mehrere Personen, darunter V.B., verklagten die NAP auf Ersatz des immateriellen Schadens, der sich in Sorgen und Befürchtungen des künftigen Missbrauchs ihrer personenbezogenen Daten äußere. Nach Ansicht von V.B. hatte die NAP gegen nationale Vorschriften und ihre Verpflichtung verstoßen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um als Verantwortliche bei der Verarbeitung personenbezogener Daten angemessene Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Veröffentlichung der Daten nicht der NAP zuzurechnen sei, dass die Beweislast für die Geeignetheit der Maßnahmen bei V.B. liege und dass kein immaterieller Schaden geltend gemacht werden könne. Das mit der Kassationsbeschwerde befasste Oberste Verwaltungsgericht hat dem Gerichtshof einige Fragen zur Auslegung der DatenschutzGrundverordnung1 zur Vorabentscheidung vorgelegt, um zu klären, unter welchen Bedingungen eine Person, deren personenbezogene Daten, die sich im Besitz einer öffentlichen Agentur befinden, nach einem Hackerangriff im Internet veröffentlicht wurden, Ersatz des immateriellen Schadens verlangen kann.

In den heutigen Schlussanträgen weist Generalanwalt Giovanni Pitruzzella zunächst darauf hin, dass der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen müsse, um sicherzustellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der Verordnung erfolge. Die Geeignetheit dieser Maßnahmen werde unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung bestimmt.

Der Generalanwalt führt erstens aus, dass das Vorliegen einer „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ an sich nicht ausreiche, um anzunehmen, dass die vom Verantwortlichen ergriffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen nicht „geeignet" gewesen seien, um den Schutz der Daten zu gewährleisten. Bei der Auswahl der Maßnahmen müsse der Verantwortliche eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, darunter den „Stand der Technik“, der eine Begrenzung des technologischen Niveaus der Maßnahmen auf das, was zum Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahmen vernünftigerweise möglich sei, zulasse, wobei auch die Implementierungskosten zu berücksichtigen seien. Die Entscheidung des Verantwortlichen unterliege einer möglichen gerichtlichen Prüfung der Vereinbarkeit mit der Verordnung. Die Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahmen müsse auf einer Abwägung zwischen den Interessen der betroffenen Person und den wirtschaftlichen Interessen und technischen Möglichkeiten des Verantwortlichen unter Wahrung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhen.

Zweitens müsse das nationale Gericht bei der Prüfung der Frage, ob die Maßnahmen geeignet gewesen seien, eine Überprüfung vornehmen, die sich auf eine konkrete Analyse sowohl des Inhalts der Maßnahmen als auch der Art und Weise ihrer Durchführung und ihrer praktischen Auswirkungen erstrecke. Bei der gerichtlichen Überprüfung müssten daher alle Faktoren berücksichtigt werden, die in der Verordnung enthalten seien. Unter diesen Faktoren könne die Einführung von Verhaltensregeln oder Zertifizierungssystemen ein nützliches Element der Bewertung zum Zweck der Erfüllung der Beweispflicht sein, wobei der Verantwortliche nachweisen müsse, dass er die in den Verhaltensregeln vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich ergriffen habe, während die Zertifizierung als solche den Beweis für die Übereinstimmung der durchgeführten Verarbeitungen mit der Verordnung darstelle. Da diese Maßnahmen erforderlichenfalls überprüft und aktualisiert werden müssten, habe das Gericht auch diesen Umstand zu würdigen.

Drittens obliege dem Verantwortlichen der Nachweis, dass die Maßnahmen geeignet seien. Gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie sei es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die zulässigen Beweismittel und deren Beweiskraft, einschließlich der Ermittlungsmaßnahmen, zu bestimmen.

Viertens stelle der Umstand, dass der Verstoß gegen die Verordnung von einem Dritten begangen worden sei, für sich genommen keinen Grund dar, den Verantwortlichen von der Haftung zu befreien. Für eine Haftungsbefreiung müsse der Verantwortliche mit hohem Beweisniveau nachweisen, dass er für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten sei, in keinerlei Hinsicht verantwortlich sei. Bei der Haftung für die unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten handele es sich nämlich um eine verschärfte Haftung für mutmaßliches Verschulden. Der Verantwortliche habe daher die Möglichkeit, einen Entlastungsbeweis vorzulegen.

Schließlich ist der Generalanwalt der Ansicht, dass der Schaden, der in der Befürchtung eines möglichen künftigen Missbrauchs der personenbezogenen Daten bestehe und dessen Vorhandensein die betroffene Person nachgewiesen habe, einen immateriellen Schaden darstellen könne, der einen Schadensersatzanspruch begründe. Dies gelte aber nur, wenn es sich um einen realen und sicheren emotionalen Schaden und nicht nur um ein Ärgernis oder eine Unannehmlichkeit handele.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

LAG Hamburg: Löschen betrieblicher Daten und E-Mails kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen - das bloße Kopieren betrieblicher Daten ohne unzulässige Verwendung genügt nicht

LAG Hamburg
Urteil vom 17.11.2022
3 Sa 17/22


Das LAG Hamburg hat entschieden, dass das Löschen betrieblicher Daten und E-Mails eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Das bloße Kopieren betrieblicher Daten ohne unzulässige Verwendung genügt jedoch nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 13. noch diejenige vom 14. Oktober 2020 beendet worden. Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten sind unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB.

a) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die außerordentlichen Kündigungen vom 13. und 14. Oktober 2020 wird nicht schon nach §§ 13, 4, 7 KSchG wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist fingiert. Der Kläger hat innerhalb der Klagefrist von 3 Wochen nach Zugang der angegriffenen Kündigungen am 13. bzw. 14. Oktober 2020 Kündigungsschutzklage am 19. Oktober 2020, die der Beklagten am 28. Oktober 2020 zugestellt wurde, an das Arbeitsgericht Hamburg erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG).

b) Die außerordentlichen Kündigungen vom 13. und 14. Oktober 2020 sind unwirksam, da es an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG vom 17. Mai 1984, Az. 2 AZR 3/83, juris, Rn. 23; BAG vom 2. März 1989, Az. 2 AZR 280/88, juris, Rn. 56) zunächst zu fragen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung zu bilden, und sodann eine umfassende einzelfallbezogene Interessenabwägung durchzuführen. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung zudem nur innerhalb von zwei Wochen seit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, ausgesprochen werden. Die Beklagte, die die Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können.

Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG vom 8. Mai 2014, Az. 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rn. 19 m.w.N.). Dem Arbeitnehmer ist es im Hinblick auf diese Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen, diese ersatzlos zu löschen oder für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (vgl. BAG vom 8. Mai 2014, Az. 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rn. 19 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt für die ausgesprochenen Kündigungen ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB nicht vor:

bb) Die Kündigung vom 13. Oktober 2020 wird durch die Beklagte darauf gestützt, dass der Kläger mutwillig Projektdaten aus dem zentralen Dokumentmanagementsystem SharePoint gelöscht habe (so die Klagerwiderung vom 20. November 2020, dazu (1)). Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, sie habe am 7. Oktober 2020 von ihrem IT-Administrator erfahren, dass eine größere Menge Daten von ihrer SharePoint-Plattform gelöscht worden sei. Sie, die Beklagte, habe eine interne Untersuchung initiiert, im Ausgangspunkt wegen der Löschvorgänge und der handelnden Personen. Hierbei habe der IT-Administrator festgestellt, dass der Kläger Daten von dem Firmen-Notebook aus aus mehreren SharePoint-Ordnern gelöscht habe. Der IT-Administrator habe 4.270 gelöschte Dateien ermittelt. Die Beklagte hat insoweit auf die als Anlage B3 vorgelegte Liste vom Kläger gelöschter Dateien verwiesen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Beklagte die Kündigung auch gestützt auf die Übertragung von elektronischen Daten aus Projekt-Ordnern und administrativen Ordnern auf elektronische Datenträger des Klägers (Schriftsatz der Beklagten vom 28. Dezember 2020, Seite 18), wie sich dies aus dem Zwischenbericht der Firma H. vom 18. Dezember 2020 ergeben habe, sowie auf die Nichtherausgabe dieser geschäftlichen Daten an sie (Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2021, Seite 2, dazu (2)). Schließlich hat sie die Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger Daten zum Restrukturierungsprojekt A. auf seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet hat (Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2021, Seite 5, dazu (3)).

(1) Soweit die Beklagte die ausgesprochene Kündigung darauf stützt, dass der Kläger erforderliche betriebliche Dateien unberechtigt gelöscht und so ihrem Zugriff entzogen habe, ist ein solcher Sachverhalt grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

Die Beklagte hat hinsichtlich der durch den Kläger gelöschten Dateien auf die als Anlage B3 eingereichte Excel-Tabelle verwiesen. Dies ist für die Darlegung eines wichtigen Kündigungsgrundes allerdings nicht ausreichend. Diese Tabelle enthält eine Liste von 149 Dateien, die vom Kläger im Zeitraum 12. August 2020 bis 29. September 2020 gelöscht wurden, davon (nur) 18 Dateien, die am 28. oder 29 September 2020 gelöscht wurden, hinzu kommen zwei Dateien, die am 14. September 2020 gelöscht wurden. Ein substantiierter Vortrag dazu, dass der Kläger 4.270 Dateien gelöscht habe, liegt damit schon nicht vor. Allenfalls hinsichtlich der 20 Dateien, die im September 2020 gelöscht wurden, lässt sich aus den Dateinamen ein Bezug zu dem Tätigkeitsbereich des Klägers für die Beklagte insoweit herstellen, als es sich um Dateien handelt, die erstellte Unterlagen o.ä. beinhalten. So handelt es sich um pdf-Dateien, Excel-Tabellen oder PowerPoint-Präsentationen. Die Beklagte hat zu den Dateien – mit Ausnahme von 5 näher bezeichneten Dateien - nicht näher vorgetragen.

Zudem fehlt es auch hinsichtlich der Dateien aus der Tabelle Anlage B3 an jeglicher Darlegung der Beklagten, dass diese Daten, anders als der Kläger behauptet, in den Ordnern der Beklagten nicht mehr vorhanden gewesen sein sollten. Allein, dass der Kläger Dateien gelöscht hat, lässt darauf noch nicht zurückschließen. So fällt auf, dass es sich hinsichtlich der Dateien in den Zeilen 3 bis 19 um Dateien zu handeln scheint, die aus einem persönlichen Ordner des Klägers stammen. Wenn der Kläger sie dort löscht, heißt das nicht automatisch, dass sie bei der Beklagten nicht mehr vorliegen. Die Beklagte hat nicht erklären können, warum bei einigen Dateien in der Spalte G die Quelle businesspartner.sharepoint.com angegeben ist, für andere businesspartner-my.sharepoint.com.

Ohne nähere Kenntnis der Inhalte der Dateien lässt sich zudem nicht beurteilen, ob es sich tatsächlich, wie der Kläger vorträgt, um überholte Entwurfsversionen gehandelt hat. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass es ihrer Entscheidung obliegt, welche Dateien zu welchem Zweck benötigt werden und welche etwa früheren Versionen von Dokumenten für ihre weitere Beratungstätigkeit von Bedeutung sind. Selbst wenn der Kläger diese Entscheidungshoheit der Beklagten missachtete, folgt daraus allerdings nicht ohne weiteres die Eignung dieses Verhaltens als Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So ergibt sich jedenfalls kein fristloser Kündigungsgrund daraus, dass der Kläger eigene Entwürfe löscht, die etwa in der Beratung mit dem Kunden nicht zum Einsatz gekommen sind. Insoweit hätte es der Beklagten oblegen, im Detail vorzutragen, um was für Dateien es sich gehandelt hat und aus welchen Gründen diese für ihre Geschäftstätigkeit von besonderer Bedeutung gewesen sind und ihr aufgrund des Löschens durch den Kläger nicht mehr zugänglich waren. Sie hat aber weder dargelegt, dass diese Dateien in SharePoint nicht mehr vorhanden gewesen seien noch, dass die vom Kläger gelöschten Dateien, die wiederhergestellt wurden, inhaltlich nicht nur bereits überholte Fassungen dargestellt haben.

Soweit die Beklagte fünf Dateien näher bezeichnet hat, handelt es sich bei den C.-Dateien (Zeilen-Nr. 3, 4 und 5 der Anlage B3) eben um solche, die aus persönlichen Ordnern des Klägers stammen. Die Bedeutung dieser Dateien für die Geschäftstätigkeit der Beklagten erschließt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, da die Beklagte nur kurz zu den Inhalten vorgetragen hat. Hinsichtlich der Datei aus Zeile 19 spricht die Angabe „…(003).pdf“ im Dateinamen dafür, dass es sich um eine mehrfach heruntergeladene/gespeicherte Fassung dieser Datei handelt. Die in Zeile 20 aufgeführte PowerPoint-Datei enthält, nach dem Dateinamen zu urteilen, Folien, die der Kläger als Teil einer Präsentation für den Kunden E. erstellt hat. Dass es sich dabei um Folien handelt, die anderweitig nicht vorhanden sind, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Zu den Inhalten auch dieser Datei fehlt es an näherem Vortrag der Beklagten. Woraus sie schlussfolgert, der Kläger habe ein gesamtes Gutachten gelöscht (obwohl der von ihm zu verantwortende Teil nur 25 % des Gesamtgutachtens betragen habe), ist angesichts des Dateinamens auch nicht nachvollziehbar.

(2) Hinsichtlich des (nachgeschobenen) Kündigungsgrundes des unbefugten Kopierens von Daten durch den Kläger gilt nach Auffassung der Berufungskammer, dass das bloße Kopieren von Daten, ohne dass diese dem Zugriff der Arbeitgeberin entzogen oder anderweitig rechtswidrig verwendet werden, eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose Kündigung wegen einer begangenen erheblichen Pflichtverletzung nicht zu begründen vermag. Es kommt insoweit auch nicht entscheidend darauf an, ob es sich um einen Kopiervorgang auf eigene Datenträger des Klägers handelt oder ihm diese von der Beklagten oder deren Kunden zur Verfügung gestellt wurden. Ob das unberechtigte Kopieren von Dateien auf einen Datenträger hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht liefert, es werde die unberechtigte Verwendung der Dateien angestrebt und der Kopiervorgang erfolge zu diesem Zweck, kann hier dahinstehen – eine Verdachtskündigung hat die Beklagte nicht ausgesprochen.

Der Schwerpunkt der Pflichtwidrigkeit, der einem Verhalten in diesem Zusammenhang das Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB für eine Tatkündigung verleiht, liegt darauf, dass kopierte Dateien unberechtigt weitergegeben und/oder verwendet werden (können), wenn sie im Zugriffsbereich des Arbeitnehmers verbleiben. Insoweit ist an sich geeigneter Grund für eine außerordentliche Kündigung, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Kopien betrieblicher Dateien, die er in seinem Besitz hat, pflichtwidrig nicht an die Arbeitgeberin herausgibt.

Dass der Kläger seine Vertragspflichten dergestalt erheblich verletzt hat, hat die Beklagte allerdings nicht darlegen und beweisen können. Es hätte dazu bedurft, dass der Kläger die kopierten Daten aus dem Zugriffsbereich der Beklagten entfernt hätte – etwa durch Mitnahme der Datenträger. Dies hat der Kläger bestritten, er hat vorgetragen, dass er am 30. September 2020 die externe Festplatte wie die zwei USB-Speichersticks auf einem Regal im Teambüro hinterlassen habe. Hierzu wäre es Sache der Beklagten, die darlegungs- und beweisbelastet für das vorgeworfene Fehlverhalten ist, gewesen, aufzuklären und vorzutragen, wer sich wann nach Weggang des Klägers in dem Raum aufgehalten habe und dass sich die Speichermedien nicht dort hätten auffinden lassen, und entsprechend Beweis anzubieten. Die Beklagte hat insoweit nur vorgetragen, dass der Kläger die Speichermedien (bisher) nicht an sie herausgegeben habe (vgl. Schriftsatz vom 28. Dezember 2020, S. 8). Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sie ihren Mitarbeitern keine Ablageflächen für persönliche Gegenstände zur Verfügung stelle, die von dem Kläger angeführten Regale gebe es in den Büroräumen der Beklagten nicht (Schriftsatz vom 31. August 2021, Seite 5). Allerdings ist das vom Kläger benannte Teambüro möbliert, es gibt jedenfalls Schränke mit Regalfächern darin. Damit ist die Beklagte ihrer Vortragslast in Bezug auf den vom Kläger vorgetragenen Rechtfertigungssachverhalt nicht ausreichend nachgekommen. Sie muss zwar nicht zu allen möglichen Orten, an denen eine Rückgabe der Speichermedien nebst Dateien an sie erfolgt sein könnte, im Einzelnen Stellung nehmen. Allerdings muss sie substantiiert den vom Kläger geleisteten konkreten Vortrag zu der von ihm behaupteten Rückgabe widerlegen und ggf. beweisen, da den kündigenden Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsgrund einschließlich der vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe trifft (vgl. BAG vom 17. März 2016, Az. 2 AZR 110/15, juris). Insoweit ist die Darlegungs- und Beweislast hier anders verteilt als in Bezug auf die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs, der der Arbeitgeberin hinsichtlich der betrieblichen Dateien zusteht und dessen Erfüllung der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen hätte, wenn er den Einwand der Erfüllung des Anspruchs nach § 362 BGB geltend machen will.

(3) Unstreitig hat der Kläger Daten zum Restrukturierungsprojekt A. an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Auch dieser Umstand ist zwar an sich, nicht aber im vorliegenden Fall geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Dabei ist die Berufungskammer davon ausgegangen, dass der Kläger nicht befugt war, sich entsprechende Daten auf seine private Email-Adresse weiterzuleiten und daher seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hiermit den Zweck verfolgte, der Beklagten zu schaden oder die Daten etwa für einen Wettbewerber zu nutzen. Der Kläger hat sich dahin eingelassen, es sei ihm um die Verfolgung der zwischen den Parteien bezogen auf dieses Projekt streitigen Bonusansprüche gegangen und er habe mit Ausnahme seines Rechtsanwaltes und des Arbeitsgerichts diese Dateien niemandem zugänglich gemacht. Da die Beklagte Gegenteiliges nicht vortragen und beweisen kann, geht insoweit die anzustellende Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus.

Darauf, dass sich der Kläger, wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung vorträgt (dort S. 16) vermutlich weitere Emails über vertrauliche Prozesse und Arbeitsabläufe, z.B. im Kontext der Corona-Pandemie, vermutliche Kundenbezüge zur G. GmbH oder auch andere Inhalte an seine vermutlich private E-Mail-Anschrift verschickt habe, lässt sich die hier ausgesprochene Tatkündigung nicht stützen. Soweit es auf Seite 28 der Berufungsbegründung weiter heißt, der Kläger habe sich augenscheinlich weitere Emails über vertrauliche Prozesse und Arbeitsabläufe z.B. im Kontext der Corona-Pandemie, vermutliche Kundenbezüge zur G. GmbH oder auch andere Inhalte an seine vermutlich private E-Mail-Anschrift verschickt, ist der Vortrag im Übrigen unsubstantiiert.

cc) Die weitere Kündigung vom 14. Oktober 2020 wird durch die Beklagte darauf gestützt, dass der Kläger pflichtwidrig E-Mails gelöscht hat. Sie hat hierzu auf die Anlage B4 verwiesen. Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Tabelle mit 14.854 aufgeführten E-Mails. Allerdings gilt auch hier, dass der Verweis auf diese Tabelle für sich genommen nicht genügt, um einen wichtigen Grund für die ausgesprochene Kündigung darzulegen. So finden sich etwa ab Zeile 11168 Emails, die einen Zeitraum ab 2013 und älter (!) betreffen. Das Jahr 2020 betreffen immerhin etwa 500 Emails. Eine erhebliche Anzahl der gelöschten Emails betrifft allerdings bereits nach dem jeweiligen Betreff offenbar private Belange des Klägers. Ohne nähere Darlegungen ist daher nicht ansatzweise nachvollziehbar, aus welchem Grund und welche der vom Kläger gelöschten Nachrichten für die Tätigkeit der Beklagten noch von Bedeutung sein sollen. Soweit die Beklagte die Kündigung auf den Umstand stützt, dass der Kläger Emails gelöscht habe, hätte es ihr zum einen oblegen vorzutragen, dass es sich um betriebliche Emails gehandelt hat. Zum anderen hätte es der Beklagten oblegen, darzulegen, welchen Inhalt die von ihr benannten Emails hatten, damit beurteilt werden kann, ob der Kläger durch das Löschen der Emails seine Rücksichtnahmepflichten erheblich verletzt hat. Zudem hat auch hier der Kläger darauf hingewiesen, dass er die entsprechenden erforderlichen Informationen zu den jeweiligen Projektordnern abgelegt hat. Auch hierzu fehlt es an einer hinreichenden Widerlegung durch die Beklagte.

Die Beklagte hat aus der Vielzahl der Emails gemäß der Anlage B4 drei Emails konkret herausgegriffen. In zwei Fällen lässt sich aus der Betreffzeile „AW:…“ entnehmen, dass der Kläger hierdurch auf eine vorherige Email geantwortet hat. Die dritte Email betrifft nach der Betreffzeile „WG: AW: ….“ die Weiterleitung einer Antwort. Es ist aus diesen Angaben nicht ersichtlich, welche Bedeutung diese Emails für die Tätigkeit der Beklagten haben können oder welchen Inhalt sie hatten. Der Kläger hat hierzu erwidert, bereits der Titel „Infostand“ mache deutlich, dass es sich um eine bloße Abstimmung handele. Der Inhalt der Weiterleitungs-Email sei wahrscheinlich „zur Info“, hinsichtlich der Antwort-Email wahrscheinlich „danke für die Informationen“. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Auch in Bezug auf die Email zur Datenanfrage KPI Auftragsreichweite liegt eine substantiierte Erwiderung der Beklagten auf den Vortrag des Klägers, warum es sich nicht um einen relevanten Email-Inhalt handele, nicht vor.

Zwar steht, davon geht auch die Berufungskammer aus, im Ausgangspunkt der Beklagten das Recht zur Entscheidung zu, was mit den auf ihren Geschäftsbetrieb bezogenen Dateien und betrieblich veranlassten Emails passiert. Dennoch ist nicht jedes Löschen solcher Dateien und Emails als erhebliche Nebenpflichtverletzung anzusehen. Dies kann letztlich nur beurteilt werden, wenn man weiß, um welche Dateien es geht.

dd) Die von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte unterscheiden sich nach Auffassung der Berufungskammer maßgeblich von dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt. So betraf die Entscheidung des Hessischen LAG vom 5. August 2013 (Az. 7 Sa 1060/10) eine dem dortigen Kläger vorgeworfene Datenlöschung, mit der Daten über die Kundenbeziehungen der Beklagten, mit denen der Kläger während des Arbeitsverhältnisses arbeitete, gelöscht wurden: Adressen, Termine, Kundenkontakte. Darum aber geht es hier nicht. Dem Vortrag der Beklagten, soweit sie denn konkrete Dateien benannt hat, lassen sich auch keine Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit entnehmen.

Der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2017 (Az. 7 Sa 38/17) lag zugrunde, dass der dortige Kläger zahlreiche Emails an seine private Anschrift versandt hatte, kurz vor Aufnahme einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen, wobei es sich um Angebots- und Kalkulationsunterlagen für ein Projekt, das nicht vom Kläger betreut wurde sowie eine Kundenliste der Kunden des Klägers mit deren Kontaktdaten, handelte. Hier ist substantiiert vorgetragen allein die Weiterleitung von Dateien betreffend das Projekt A.. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Auch hinsichtlich des Kopierens von Dateien auf externe Datenträger wird auf die vorstehenden Ausführungen zu den ausgesprochenen Kündigungen Bezug genommen.

Im Verfahren vor dem LAG Baden-Württemberg (Az. 17 Sa 8/20, Urteil vom 17. September 2020) hatte der dortige Kläger im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem die Arbeitgeberin den Wunsch geäußert hatte, sich von ihm trennen zu wollen, vom Server des Arbeitgebers Daten in erheblichem Umfang (hier: 7,48 GB) gelöscht, nachdem er zwei Tage nicht erreichbar war und sich zuvor von einer Mitarbeiterin mit den Worten "man sieht sich immer zweimal im Leben" verabschiedet hatte. Das LAG ist für diesen Fall davon ausgegangen, es sei Sache des Klägers gewesen, den von ihm behaupteten Rechtfertigungsgrund für den vollständig (!) von ihm gelöschten Datenbestand vorzutragen, nachdem er den Löschvorgang ausgeführt und – pauschal - behauptet habe, für eine anderweitige Sicherung bzw. Speicherung und Verfügbarkeit des Datenbestands bei der Beklagten gesorgt zu haben. Hiervon weicht die Berufungskammer nicht ab – es ist Sache des sich auf einen Rechtfertigungssachverhalt berufenden Arbeitnehmers, diesen substantiiert vorzutragen. In der herangezogenen Entscheidung sprach bereits der Zusammenhang zwischen der Äußerung des Arbeitnehmers und der vollständigen Löschung für eine Nachteilszufügungsabsicht gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin, was (erst recht) dazu führt, den nur pauschalen Vortrag, die sehr umfangreichen gelöschten Dateien seien anderweitig gesichert, nicht ausreichen zu lassen. Solche Anhaltspunkte gibt es hier nicht, auch die substantiiert vorgetragene Menge gelöschter Dateien unterscheidet sich erheblich. Zudem hat sich der Kläger nicht nur auf einen solchen pauschalen Vortrag beschränkt, sondern konkret auf die jeweiligen Projektordner verwiesen.

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Hessischen LAG vom 29. August 2011, Az. 7 Sa 248/11, zugrunde lag, hatte der dortige Kläger 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1.660 Dateianhängen an sein privates E-Mail-Postfach versandt, wobei es sich unstreitig überwiegend um Daten handelte, die dem Bankgeheimnis unterliegen. Auch hier bestehen mithin entscheidende Unterschiede zur vorliegenden Sachverhaltskonstellation.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Frankenthal: Kein Anscheinsbeweis dass eBay-Auktion durch Accountinhaber erstellt wurde wenn Umstände auf rechtswidrige Nutzung durch Dritten hindeuten

AG Frankenthal
Urteil vom 28.09.2022
3c C 113/22

Das AG Frankenthal hat entschieden, dass kein Anscheinsbeweis dafür besteht, dass eine eBay-Auktion durch den Accountinhaber erstellt wurde, wenn Umstände auf eine rechtswidrige Nutzung durch einen Dritten hindeuten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Entscheidung des Monats Oktober

Leitsatz:
Ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass eine Ebay-Versteigerung durch den Accountinhaber initiiert wurde, greift jedenfalls dann nicht, wenn sich dem Käufer aufgrund anderer Umstände der Verdacht aufdrängen musste, der Account könnte von Dritten rechtswidrig genutzt worden sein. (Hier: Email mit ungewöhnlichem, zweifelhaften Abwicklungsvorschlag)

Sachverhalt:
Der Beklagte unterhielt einen eBay Account unter dem Namen „m.“. Unter diesem Account und unter der Auktionsnummer # 294163479699 wurde ein Rennrad „Cervelo s5 2019 — RH 56 cm — Gr. L / 1,75-1,85 zum Preise von 2.765,00 € zum Kauf angeboten. Der Kläger macht geltend, er sei zum Zeitpunkt des Auktionsende Höchstbietender gewesen, sodass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Gleichwohl habe der Beklagte das Fahrrad trotz mehrfacher Aufforderungen nicht ausgeliefert, sondern es vielmehr ab dem 11.5.2021 erneut anderweitig angeboten. Mit der weiteren Behauptung, das Fahrrad habe angesichts der sehr geringen Laufleistung einen Zeitwert von mindestens 4.500 € gehabt, macht der Kläger einen Nichterfüllungsschaden in Höhe von 1.735 € geltend.

Der Beklagte bringt vor, er habe keine entsprechende Auktion gestartet, sodass zwischen den Parteien auch kein Kaufvertrag zustande gekommen sein könne. Sein Account sei von einem unbekannten Dritten gehackt worden. Die eBay GmbH habe ihm mitgeteilt, sein Konto sei bereits am 19.5.2021 (Anmerkung: also nach der oben genannten Versteigerungsaktion) geschlossen worden. Aus dem aufgrund seiner Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft E. unter Aktenzeichen (…) geführten Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass der wahre Vertragspartner des Klägers ein Herr J. sei.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist unbegründet. Das Gericht kann nicht zu seiner Überzeugung feststellen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen wäre, dessen Erfüllung der Kläger verlangen könnte. Der Kläger blieb hierfür beweisfällig. Andere zugunsten des Klägers streitende Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrages, aus dem Ansprüche hergeleitet werden sollen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Kläger. Beweis dafür, dass der Beklagte selbst das Verkaufsangebot bei eBay eingestellt hatte oder dieses mit dessen Kenntnis und Willen dort von einem Dritten eingestellt wurde, bietet der Kläger nicht an. Zu seinen Gunsten streitet auch nicht deshalb ein Anscheinsbeweis, weil ein eBay-Account des Beklagten verwendet wurde. Es fehlt insoweit bereits an einem typischen Geschehensablauf, weil der Sicherheitsstandard im Internet derzeit nicht ausreichend ist. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber evtl. die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem unberechtigten Zugriff des Handelnden geschützt hat. Auch eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, juris; OLG Hamm, Urteil vom 16.11.2006, Az. 28 U 84/06, NJW 2007,611; Neubauer/Steinmetz, Handbuch des Multimediarechts, 2022, Teil 14, Internetauktionen, Rn. 58 f.). Selbst wenn zu Vorstehendem eine andere Auffassung vertreten würde, wäre ein zugunsten des Kläger in Betracht kommender Anscheinsbeweis jedenfalls erschüttert. Der Kläger selbst legt nämlich mit der Anlage zur Anspruchsbegründung auch eine Nachricht vor, die zwar die Absenderkennung des Beklagten trägt, jedoch den Empfänger mit dem fadenscheinigen Zusatz, der Absender der Nachricht habe „auf die letzte Auszahlung über drei Wochen (…) warten müssen“ darum bittet, „nicht direkt an eBay zu zahlen“, sondern eine Telefonnummer „[...]“ anzurufen. Bereits hier drängt sich der Verdacht eines Betrugsversuchs auf. Der Beklagte hat darüber hinaus unter Hinweis auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens dargelegt, nicht Inhaber der genannten Telefonnummer zu sein.


AG München: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen Anbieter von Treuepunktesystem für Punkteverlust mangels Substantiierung der Kausalität

AG München
Urteil vom 03.08.2022
211 C 578/22

Das AG München hat in diesem Fall einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen den Anbieter eines Treuepunktesystems für Punkteverlust mangels Substantiierung der Kausalität einer behaupteten unzureichenden Zugangssicherung abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von immateriellem Schadensersatz in Höhe von 4.500,00 € aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 DSGVO.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter.

Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beklagte gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen hat. Der Kläger trägt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungsund Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen (mwN Paulus in: BeckOK, Datenschutzrecht, 37. Ed., Art. 82 DSGVO, Rn. 51; LG München I, Urt. v. 9.12.2021 – 31 O 16606/20; zu weitgehend LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.02.2021 - 17 Sa 37/20, Rz. 99, die dort angeführte Rechenschaftspflicht bezieht sich auf eine Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde). Aus Art. 82 Abs. 3 DSGVO ergibt sich lediglich hinsichtlich des Verschuldens eine Beweislastumkehr. Damit trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines Verstoßes der Beklagten gegen die Datenschutzgrundverordnung und eines daraus kausal entstandenen Schadens.

b) Der Kläger behauptet, dass die Beklagte die gemäß § 32 Abs. 1 DSGVO erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich des Zugangs des Klägers zu dem Kundenkonto nicht getroffen habe.

Der Kläger macht geltend, dass eine Zwei-Faktor-Authentifizierung Stand der Technik gewesen sei. Er bezieht sich in der Klageschrift zunächst darauf, dass es sich bei dem Kundenkonto um E-Geld handeln würde. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten (Anlage K13 zum Schriftsatz vom 08.06.2022) stellt hinsichtlich der Zwei-Faktor-Authentifizierung ebenfalls auf das Vorliegen eines E-Geld-Kontos ab. Die Beklagte ist jedoch kein Zahlungsdienstleister. Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Zwei-Faktor-Authentifizierung auch bei bloßen Kundenbindungsprogrammen Stand der Technik ist und die vorliegende Authentifizierung beim Programm der Beklagten diesen nicht erfüllt. Danach sind zwar die einzelnen zum Kunden-Login erforderlichen Informationen teilweise nicht geheim, sondern gegenüber einzelnen Vertragspartnern anzugeben oder im näheren Umfeld des Kunden bekannt. Für die Kombination der verschiedenen Merkmale beim Login wurde dies aber nicht vorgetragen. Auch hat die Beklagte ein dokumentiertes Informationssicherheits- Managementsystem im Unternehmen umgesetzt und unterliegt einer regelmäßigen Auditierung durch unabhängige Dritte. Dies erfolgt am ISO-Standard 27001 und den Sicherheitslinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Zudem hat die Beklagte ein sogenanntes Security Information and Event Management zur Überwachung implementiert. Ein Verstoß hiergegen wurde seitens des Klägers nicht vorgetragen. Darüber hinaus ist der Stand der Technik nur ein Gesichtspunkt in der von § 32 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO vorgeschrieben Abwägung. Danach sind unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Umstände für die Gesamtabwägung aller genannten Faktoren, die danach gegen ein angemessenes Schutzniveau sprechen, werden von dem Kläger nicht vorgetragen. Ein Verstoß gegen Art. 32 DSGVO liegt danach nicht vor. Aus Art. 32 DSGVO folgt kein Anspruch auf eine Zwei-Faktor-Authentifizierung im vorliegenden Fall.

c) Der Kläger macht insbesondere geltend, dass die von der Beklagten vorgegebenen Regelungen zum Passwort unzureichend seien und nicht dem Stand der Technik entsprechen würden. Die Einlog-Modalitäten sehen vor, dass Kunden sich mit der Eingabe der Kartennummer in Verbindung mit der Angabe des Geburtsdatums und der Postleitzahl in das Kundenkonto einloggen können oder mit der Eingabe der Kartennummer und einer vierstelligen PIN, die aus einer vierstelligen Zahlenkombination besteht. Der Kläger führt aus, dass als Stand der Technik eine Mindestlänge von 10 Zeichen anzusehen sei und eine Einschränkung der verwendbaren Zeichen nicht zum Stand der Technik gehöre. Insoweit übersieht die Argumentation, dass darüber hinaus auch die Kartennummer als zusätzliche Anforderung erforderlich ist.

Ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen Art. 32 DSGVO – wie hier nicht – wäre jedenfalls auch nicht kausal für den behaupteten Punkteklau. Nach Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (S. 9 f.) ist es technisch zwingend notwendig für die Einlösung der [...] Punkte in einen Warengutschein für [...] die [...] App zu nutzen und diese mit dem [...] Konto zu verbinden. Eine Möglichkeit [...] Gutscheine im Prämienshop der Beklagten mit Punkten zu erwerben besteht nicht (Anlage B6 zum Schriftsatz vom 23.06.2022). Auf diese [...] App hat die Beklagte keinen Einfluss. Inwieweit durch die Verknüpfung des Programms der Beklagten mit der App ein Verstoß gegen Art. 32 DSGVO vorliegen soll, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Es liegt damit kein Verstoß der Beklagten gegen Art. 32 DSGVO vor.


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BGH: Schon bloße Rüge eines Bewerteten gegenüber Bewertungsportal dass Bewertung kein Kundenkontakt zugrunde liegt löst Prüfpflichten des Bewertungsportals

BGH
Urteil vom 09.08.2022
VI ZR 1244/20
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823


Der BGH hat entschieden, dass schon die bloße Rüge eines Bewerteten gegenüber einem Bewertungsportal, dass der Bewertung kein Kundenkontakt zugrunde liegt, Prüfpflichten des Bewertungsportals auslöst.

Leitsatz des BGH:
Bei einem Bewertungsportal (hier: Hotelbewertungsportal) reicht die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.

BGH, Urteil vom 9. August 2022 - VI ZR 1244/20 - OLG Köln - LG Köln

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OLG Frankfurt: Auch gerichtsbekannte Tatsachen müssen im Prozess vorgetragen werden - Abmahnbefugnis eines Abmahnvereins

OLG Frankfurt
Urteil vom 09.06.2022
6 U 134/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch gerichtsbekannte Tatsachen im Prozess vorgetragen werden müssen. Es entfällt lediglich die Beweisbedürftigkeit. Vorliegend ging es um die Abmahnbefugnis eines Abmahnvereins.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte hat keine ausreichenden Umstände dargelegt, die im Streitfall für die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung durch den Kläger sprechen.

a) Nach § 8 c UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Eine missbräuchliche Geltendmachung ist nach § 8 c Abs. 2 Nr. 1 UWG im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder auf die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Generell ist von einem Missbrauch auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände.

b) Die Beklagte hat zu den Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nur pauschal vorgetragen. Zwar ist diese Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH GRUR 2006, 243 Rn 15 - MEGA SALE). Deshalb muss der als Verletzte in Anspruch Genommene den Rechtsmissbrauch nicht ausdrücklich rügen; er muss aber dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung verschaffen. Die Beweislast obliegt - im Freibeweis - der Beklagten, die die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2009 - 2 U 51/09, Rn 11, juris).

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, nach Auffassung des OLG Rostock sei das Abmahnverhalten des Klägers missbräuchlich, da er bei Abmahnungen planmäßig seine eigenen Mitglieder verschone. Grundsätzlich kann sich ein Indiz dafür, dass die Rechtsverfolgung überwiegend auf sachfremden Gründe beruht, daraus ergeben, dass der Verband unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder planmäßig duldet (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2019 - I ZR 21/19, Rn 58 - Culatello di Parma; BGH, Urteil vom 23.1.1997 - I ZR 29/94, Rn 34 - Produktwerbung). Anzunehmen ist das insbesondere, wenn der Verband selektiv ausschließlich gegen Nichtmitglieder vorgeht, um neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht (BGH, Urteil vom 17.8.2011 - I ZR 148/10, Rn 23 - Glücksspielverband; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.6.2015 - 6 U 69/14, Rn 12, juris). Voraussetzung ist, dass hinreichende Umstände darauf hindeuten, dass der Verband gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder planmäßig duldet.

Einen ausreichenden Sachvortrag für ein planmäßiges Verschonen von Mitgliedern hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht gehalten. Der bloße Hinweis, das OLG Rostock habe in einem anderen Rechtsstreit eine entsprechende Auffassung vertreten, stellt keinen ordnungsgemäßen Sachvortrag dar. Es genügt auch nicht der Hinweis im Berufungsverfahren, der Kläger gehe „bekanntermaßen“ gegen eigene Mitglieder nicht vor. Insbesondere hat die Beklagte - anders als etwa die Beklagte in dem Parallelverfahren vor dem Landgericht Köln (Az. 81 O 35/21) - keine Mitgliedsunternehmen benannt, die vergleichbare Verstöße gegen Informationspflichten wie die Beklagte begangenen haben und vom Kläger verschont wurden. Ein „planmäßiges“ Verschonen kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden.

bb) Ferner behauptet die Beklagte im Berufungsverfahren, der Kläger verfolge mit seiner „Abmahntätigkeit“ in Wahrheit das Ziel, Mitglieder zu werben, die sich Ruhe vor weiteren Verfahren erkaufen wollen. Konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung sind nicht ersichtlich. Die pauschale Behauptung einer missbräuchlichen Intention reicht nicht aus, um einen Rechtsmissbrauch zu begründen. Der Kläger geht vorliegend auch nicht aus einer Abmahnung vor, sondern macht eine Vertragsstrafe aus einem im Nachgang zur Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag geltend. Dass nicht nur die Abmahnung, sondern auch das Vertragsstrafeverlangen in Wahrheit der Anwerbung der Beklagten als Mitglied dient, ist nicht vorgetragen.

cc) Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, der Kläger verfüge nicht über genug Mitglieder, die auf dem maßgeblichen Markt für asiatische Lebensmittel tätig sind. Dieser Einwand betrifft die Klagebefugnis für den - hier nicht streitgegenständlichen - Unterlassungsanspruch. Vorliegend geht es um einen vertraglichen Zahlungsanspruch. Auf die Mitgliederstruktur kommt es insoweit nicht an. Nicht zielführend sind daher die Ausführungen des Landgerichts, der Kläger sei trotz des gerichtlichen Hinweises auf die zweifelhafte Aktivlegitimation nicht gewillt gewesen, zu den näheren Umständen der wettbewerbsrechtlichen Situation seiner Mitglieder vorzutragen.

dd) Ein Rechtsmissbrauch kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die streitgegenständlichen Verstöße von einem Mitarbeiter des Klägers aufgedeckt wurden und nicht auf einen Hinweis aus dem Kreis der Mitgliedsunternehmen zurückgeht. Die Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG verlangt gerade deshalb eine hinreichende personelle Ausstattung des Verbands, damit dieser Wettbewerbsverstöße selbstständig verfolgen kann.

ee) Die umfangreiche Abmahntätigkeit des Klägers spricht schließlich für sich genommen ebenfalls nicht für die Verfolgung sachfremder Ziele. Will ein Wirtschaftsverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG seine satzungsgemäße Aufgabe ernst nehmen, zieht eine Vielzahl von Wettbewerbsverstößen von Mitbewerbern der Mitglieder zwangsläufig eine entsprechende Anzahl von Abmahnungen und gegebenenfalls gerichtlicher Verfahren und Zahlungsaufforderungen nach Zuwiderhandlungen nach sich. Dieser Umstand kann daher für sich allein weder die Klagebefugnis in Frage stellen noch einen Rechtsmissbrauch begründen (BGH, Urteil vom 4.7.2019 - I ZR 149/18 = WRP 2019, 1182, Rn 44, 45 - Umwelthilfe). Die Prozessführungsbefugnis der Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt (BGH, Urteil vom 17.8.2011 - I ZR 148/10, Rn 22 - Glücksspielverband). Die umfangreiche Wahrnehmung dieser Aufgabe kann daher für sich genommen nicht missbräuchlich sein.

2. Die Klage ist teilweise begründet. Insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern.

a) Zwischen den Parteien ist ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Unterlassungserklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrags gelten die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse (BGH GRUR 2017, 823 Rn 12 - Luftentfeuchter; BGH GRUR 2010, 355 Rn 21 - Testfundstelle). Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend ein Unterlassungsvertrag bereits durch die Abmahnung, die ein Angebot in Gestalt einer vorformulierten Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch enthielt, und die inhaltlich unveränderte Erklärung der Beklagten vom 10.8.2020 zustande kam (Anlage K1). Jedenfalls kam der Vertrag durch die Annahmeerklärung des Klägers vom 12.8.2020 zustande (Anlage K2). Soweit die Beklagte erstinstanzlich die Annahme bzw. deren Zugang bestritten hat, kann sie damit kein Gehör finden. Das Landgericht hat die Annahme der Unterlassungserklärung tatbestandlich festgestellt, ohne dass die Feststellung mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen wurde.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Unterlassungsvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit bzw. wegen arglistiger Täuschung über die Aktivlegitimation hinsichtlich des abgemahnten Anspruchs unwirksam.

aa) Die Unwirksamkeit wegen arglistiger Täuschung würde eine Anfechtungserklärung nach § 143 BGB voraussetzen. Eine solche ist nicht ersichtlich und wurde vom Landgericht auch nicht festgestellt. Sie kann auch nicht mehr nachgeholt werden, da die Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 1 BGB abgelaufen ist.

bb) Es liegen im Übrigen auch weder ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 BGB noch Umstände vor, die die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen könnten. Die Beklagte hat keine Umstände dargelegt, die auch nur ansatzweise den Tatbestand der arglistigen Täuschung ausfüllen. Das Landgericht kann den fehlenden Sachvortrag im Zivilprozess, in dem der Beibringungsgrundsatz gilt, nicht durch die Feststellung ersetzen, es sei gerichtsbekannt, dass „nach dem Gesamtbild der Abmahntätigkeit des Klägers“ nicht davon ausgegangen werden könne, dass es ihm um die Förderung gewerblicher selbstständiger Interessen, sondern ausschließlich um „lukrative Einnahmen für die wenigen für den Kläger Tätigen und Verantwortlichen“ gehe. Abgesehen davon, dass das Landgericht keine konkreten Quellen benennt, aus denen es diese Erkenntnis geschöpft hat, ersetzt die Gerichtsbekanntheit von Tatsachen nach § 291 ZPO nicht deren Vortrag, sondern allein ihre Beweisbedürftigkeit. Gerichtskundige Tatsachen dürfen nur bei Bezug zu entsprechend substantiiertem Sachvortrag eingeführt werden. Daran fehlt es. Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, dass der Kläger die Abmahnung ausgesprochen habe, ohne über die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erforderliche Klagebefugnis zu verfügen. Darüber sei der Beklagte bei Abgabe seiner Erklärung im Irrtum gewesen. Von einer konkreten Täuschungshandlung oder gar einem arglistigen Verhalten war keine Rede.

cc) Dem Kläger obliegt auch keine sekundäre Darlegungslast zur angeblichen Täuschung über seine Aktivlegitimation im Zeitpunkt der Abmahnung. Er muss im Vertragsstrafeprozess nicht zu seiner Mitgliederstruktur vortragen. Wenn man das - wie das Landgericht - anders sehen wollte, hätte ausdrücklich auf den möglichen Anfechtungsgrund und die in diesem Zusammenhang vermissten Darlegungen hingewiesen werden müssen. Daran fehlt es. Der pauschale Hinweis in der Eingangsverfügung, es bestünden Bedenken an der Aktivlegitimation, konnte nicht ohne weiteres so verstanden werden. Denn die Aktivlegitimation für den streitgegenständlichen Anspruch ergibt sich allein aus dem Unterlassungsvertrag.

c) Unstreitig hat die Beklagte mit den aus der Anlage K3.1 - 3.3 ersichtlichen Amazon-Angeboten gegen die eingegangene Verpflichtung zur Grundpreisangabe und weitere Informationspflichten verstoßen.

d) Die Vertragsstrafe ist verwirkt. Der Höhe nach kann der Kläger nur eine Vertragsstrafe von 1.000 € beanspruchen. Die vom Kläger verlangte Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 € entspricht nicht der Billigkeit (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB).

aa) Die der Sicherung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverpflichtung dienende Vertragsstrafevereinbarung kann gemäß § 315 Abs. 1 BGB - wie hier - in der Weise umgesetzt werden, dass dem Gläubiger für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt (sog. "Hamburger Brauch"). Die vom Gläubiger getroffene Bestimmung der Strafhöhe ist nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, wobei dem Gläubiger ein Ermessensspielraum zusteht. Die richterliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt auch einem Kaufmann zugute, so dass es auf die Vorschrift des § 348 HGB, wonach eine unter Kaufleuten vereinbarte Vertragsstrafe nicht herabgesetzt werden kann, nicht ankommt (BGH, Urteil vom 17.9.2009 - I ZR 217/07, Rn 30 - Testfundstelle, juris).

bb) Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es um einen erstmaligen Verstoß geht, der noch in der Umstellungszeit - nämlich zwei Wochen nach Zustandekommen des Unterlassungsvertrages - stattfand. Betroffen sind zwei Angebote, die am selben Tag (26.8.2020), geschaltet wurden. Sie stehen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang und bilden eine Handlungseinheit. Der Verstoß betrifft Informationspflichten wie etwa die Grundpreisangabe und die Angabe des Gerichtsorts des Handelsregisters, deren Nichtbeachtung Verbraucherinteressen nicht in schwerwiegender Weise beeinträchtigt hat. Bei dieser Sachlage hat der Kläger mit einer Vertragsstrafe von 4.000 € seinen Ermessensspielraum überschritten. Angemessen erscheinen hier 1.000 €.


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BVerwG: Art. 16 Satz 1 DSGVO ist Anspruchsgrundlage für Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister - Beweislast für Unrichtigkeit trägt Anspruchsteller

BVerwG
Urteil vom 02.03.2022
6 C 7.20

Das BVerwG hat entschieden, dass Art. 16 Satz 1 DSGVO die Anspruchsgrundlage für die Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister ist. Die Beweislast für die Unrichtigkeit bzw. das richtige Datum trägt Anspruchsteller.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Das Berufungsgericht hat die Klage im Hinblick auf den Hauptantrag zu Recht als zulässig angesehen. Allerdings hat es unzutreffend angenommen, dass das auf Art. 16 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 S. 1) - Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO - gestützte Begehren des Klägers, das Melderegister der Beklagten zu berichtigen, im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen sei. Statthafte Klageart für diesen Anspruch ist vielmehr die Verpflichtungsklage.

Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, wenn die Verurteilung einer Behörde zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird. Sie ist auch dann einschlägig, wenn eine Klage auf ein tatsächliches Handeln einer Behörde gerichtet ist, dem begehrten tatsächlichen Handeln der Behörde aber ein Verwaltungsakt vorausgeht. In diesen Fällen ist der rechtliche Schwerpunkt der behördlichen Tätigkeit nicht in der tatsächlichen Handlung als solcher, sondern in der zugrundeliegenden Entscheidung zu sehen, die in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 6 A 2.07 - BVerwGE 130, 29 Rn. 13 und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12). Dies ist etwa der Fall, wenn die Behörde vor der tatsächlichen Handlung eine Entscheidung trifft, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie etwa Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten hat (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12). Dabei setzt der für einen Verwaltungsakt erforderliche Regelungscharakter der Entscheidung voraus, dass diese nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muss für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen. Ein feststellender Verwaltungsakt liegt demnach vor, wenn das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung rechtsverbindlich festgeschrieben wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 - BVerwGE 159, 148 Rn. 12 m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist der Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters auf Grund der nach Maßgabe der folgenden Darlegungen anzuwendenden Vorschrift des Art. 16 Satz 1 DSGVO nicht allein auf ein tatsächliches Verwaltungshandeln - die Änderung des Melderegisters -, sondern auf einen zuvor ergehenden Verwaltungsakt gerichtet. Rechtlicher Schwerpunkt des begehrten hoheitlichen Handelns ist nicht die tatsächliche Änderung des Eintrags im Melderegister. Der Schwerpunkt liegt vielmehr in der dem Prüfprogramm des Art. 16 Satz 1 DSGVO entsprechenden Entscheidung über diese Änderung, in deren Rahmen die Behörde insbesondere eine Aussage über die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der in Rede stehenden Daten trifft. Damit regelt die Behörde die Konfliktlage, die durch das Aufeinandertreffen des "alten", bereits gespeicherten Datums und des durch den Antragsteller an die Behörde herangetragenen "neuen" Datums gekennzeichnet ist. Das durch das Berichtigungsbegehren entstandene streitbefangene Rechtsverhältnis wird damit einer - dem Interesse der Rechtssicherheit dienenden - Klärung zugeführt, der Berichtigungsanspruch verbindlich festgestellt. Die Auflösung dieser spezifischen Konfliktlage unterscheidet die durch den Berichtigungsantrag geschaffene Situation von anderen Konstellationen wie etwa der Fortschreibung des Melderegisters von Amts wegen oder der Ersteintragung eines Datums ins Register (vgl. zu diesen Konstellationen etwa OVG Koblenz, Beschluss vom 29. Januar 1993 - 7 A 11526/92 - juris Rn. 19 f.; OVG Greifswald, Beschluss vom 21. Juni 1999 - 1 M 63/99 - NVwZ-RR 2009, 93 <93 f.>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. April 2014 - 11 ME 64/14 - juris Rn. 7 f. und OVG Münster, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 16 E 1119/16 - juris Rn. 11). Die mit der Entscheidung verbundene Feststellung der Richtigkeit des in Rede stehenden Datums betrifft den jeweiligen Anspruchsteller als außerhalb der Verwaltung stehende natürliche Person in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und entfaltet damit auch unmittelbare Außenwirkung.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich insoweit jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, § 144 Abs. 4 VwGO. Auch bei Zugrundelegung der Verpflichtungsklage als statthafte Klageart ist die Klage zulässig. Insbesondere hat der Kläger das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolglos durchgeführt und danach fristgerecht Klage erhoben.

b) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage mit ihrem Hauptantrag als unbegründet abgewiesen. Zutreffend hat es als Anspruchsgrundlage Art. 16 Satz 1 DSGVO herangezogen (aa)) und im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Berichtigungsanspruchs nicht erfüllt sind (bb)).

aa) Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, sein Geburtsjahr im Melderegister der Beklagten zu ändern, ist Art. 16 Satz 1 DSGVO.

(1) Der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung steht nicht entgegen, dass diese am 25. Mai 2018 und damit erst während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Rechtslage aus dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250> und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Maßgeblich ist daher, welche Rechtsvorschriften sich nach ihrem Geltungswillen im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage handelt (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Dies wird bei der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln verlangt wird, in der Regel die letzte mündliche Verhandlung sein, wenn sich aus dem materiellen Recht kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Zeitpunkt ergibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 6 C 5.09 - BVerwGE 137, 113 Rn. 23, vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 Rn. 18 und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14).

Der Datenschutz-Grundverordnung selbst lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass über Auskunftsanträge, die vor ihrem Inkrafttreten gestellt worden sind, noch nach altem Recht zu entscheiden wäre (vgl. auch EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 - C-673/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​801] - Rn. 41). Vielmehr beansprucht sie gemäß ihrem Art. 99 Abs. 2 ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkte Geltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14; BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 66). Anders verhält es sich nur in Bezug auf abgeschlossene Sachverhalte, über die die Behörde bereits nach altem Recht entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 - 6 C 2.18 - BVerwGE 165, 111 Rn. 8 ff.; vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 11. November 2020 - C-61/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​901] - Rn. 31). Der hier maßgebliche Sachverhalt, die Verarbeitung des Geburtsdatums des Klägers im Melderegister, ist jedoch noch nicht abgeschlossen, sondern wirkt fort. Auch dem Bundesmeldegesetz in der seit dem 26. November 2019 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU - 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl. I 1626) lässt sich nicht entnehmen, dass vor Inkrafttreten der Änderungen gestellte Berichtigungsanträge noch nach alter Rechtslage, d.h. nach § 12 BMG a.F., zu beurteilen sein sollten.

(2) Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist gemäß Art. 2 DSGVO eröffnet. Bei der Speicherung des Geburtsdatums des Klägers im Melderegister der Beklagten handelt es sich um eine Datenverarbeitung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 DSGVO. Die Ausnahmetatbestände des Art. 2 Abs. 2 DSGVO greifen nicht ein. Insbesondere ist die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung nicht nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen. Hiernach findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) ist diese Ausnahmevorschrift eng auszulegen und in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b DSGVO sowie ihrem 16. Erwägungsgrund zu lesen. Danach gilt diese Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weil sie etwa die nationale Sicherheit betreffen oder im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union erfolgen. Überdies ist dieser Ausnahmegrund im Lichte seiner Vorgängerregelung zu verstehen, an die er teilweise anknüpft. Bereits zu Art. 3 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) - Datenschutz-Richtlinie, DSRL - war anerkannt, dass diese Richtlinie keine Anwendung fand u.a. bei der Ausübung von Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fielen und ausdrücklich in der Norm genannt waren, beispielsweise Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung oder die Sicherheit des Staates (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 27. September 2017 - C-73/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​725] - Rn. 37 und vom 10. Juli 2018 - C-25/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​551] - Rn. 38). Daher reicht der bloße Umstand, dass eine Tätigkeit eine spezifische Tätigkeit des Staates oder einer Behörde ist, nach Ansicht des EuGH auch für den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht aus. Für sein Eingreifen ist vielmehr erforderlich, dass es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen im Rahmen einer Tätigkeit handelt, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient, oder einer Tätigkeit, die derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Die auf die Wahrung der nationalen Sicherheit abzielenden Tätigkeiten umfassen insbesondere solche, die den Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft bezwecken (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-439/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​504] - Rn. 62 ff.).

Um solche Datenverarbeitungen geht es hier jedoch ersichtlich nicht. Vielmehr dient die Führung des Melderegisters neben der in § 2 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 28. März 2021 (BGBl. I S. 591) bestimmten Pflicht zur Identifizierung der Einwohner als Informationsgrundlage für eine Vielzahl öffentlicher Stellen, wie sich aus § 2 Abs. 3 BMG entnehmen lässt. Ungeachtet der damit einhergehenden großen praktischen Bedeutung des Melderegisters ist nicht erkennbar, dass hierbei der Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates oder ebensolcher Interessen der Gesellschaft bzw. eine gleich gewichtige Tätigkeit in Rede steht. Im Übrigen ist auch der nationale Gesetzgeber von der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung im Bereich des Meldewesens ausgegangen, wie aus § 12 BMG in der aktuell geltenden Fassung des Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU sowie aus der Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 19/4674 S. 224) hervorgeht.

bb) Bei der Prüfung des Anspruchs des Art. 16 Satz 1 DSGVO hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass zwar der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist ((1)), sich aber nicht feststellen lässt, dass das vom Kläger angegebene Geburtsjahr 1953 richtig ist ((2)). Es ist dabei von einem zutreffenden Begriff der Richtigkeit ausgegangen ((a)) und hat ohne Rechtsfehler eine hinreichende Überzeugung vom Vorliegen dieser Voraussetzung verneint ((b)). Die daraufhin getroffene Beweislastentscheidung hat es im Ergebnis zutreffend zu Lasten des Klägers getroffen ((c)).

(1) Nach Art. 16 Satz 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen.

Die Vorschrift ist hier anwendbar, denn bei der Angabe des Geburtsjahres des Klägers handelt es sich um eine Information, die sich auf eine identifizierte natürliche Person bezieht, mithin um ein personenbezogenes Datum im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Der Kläger ist auch betroffene Person im Sinne des Art. 16 Satz 1 DSGVO und die Beklagte Verantwortliche für die in Rede stehende Datenverarbeitung in ihrem Melderegister. Verantwortlich in diesem Sinne ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Die Beklagte als für die Führung des in Rede stehenden kommunalen Melderegisters zuständige Meldebehörde (vgl. § 1 BMG i.V.m. § 1 Abs. 2 des baden-württembergischen Ausführungsgesetzes zum Bundesmeldegesetz und § 107 Abs. 4 PolG BW) ist damit Verantwortliche im Sinne der Vorschrift.

(2) Voraussetzung für den Berichtigungsanspruch des Art. 16 Satz 1 DSGVO ist weiter, dass er sich auf die Ersetzung eines unrichtigen Datums durch ein richtiges Datum richtet (vgl. zum Berichtigungsanspruch nach dem früher geltenden Melderechtsrahmengesetz BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 38.14 - BVerwGE 153, 89 Rn. 10; siehe auch Meents/Hinzpeter in: Taeger/Gabel, DSGVO - BDSG - TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 16 Rn. 15).

(a) Maßstab für die Qualifizierung eines Datums als "richtig" oder "unrichtig" im Sinne des Art. 16 Satz 1 DSGVO ist zunächst die objektive Wirklichkeit. Richtig ist ein Datum, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt; unrichtig ist es, wenn es ihr nicht entspricht (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 3 S 24/20 - juris Rn. 6; LSG Essen, Urteil vom 24. Juli 2020 - L 21 AS 195/19 - juris Rn. 24; Meents/Hinzpeter, in: Taeger/Gabel, DSGVO - BDSG - TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 16 Rn. 8; Paal, in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung, 3. Aufl. 2021, Art. 16 DSGVO Rn. 15; Peuker, in: Sydow, Europäische Datenschutzverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 16 Rn. 11; vgl. zum Berichtigungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. auch BVerwG, Beschluss vom 4. März 2004 - 1 WB 32.03 - BVerwGE 120, 188 <190>).

Inwieweit der jeweilige Zweck der Datenverarbeitung die Beurteilung der Richtigkeit der Daten beeinflusst, kann hier dahinstehen. Zwar hat der EuGH zu dem im Wortlaut mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. d DSGVO im Wesentlichen übereinstimmenden Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG entschieden, dass die Richtigkeit und Vollständigkeit personenbezogener Daten im Hinblick auf den Zweck zu beurteilen sind, für den die Daten erhoben wurden (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​944] - Rn. 53). Das bedarf aber hier keiner Vertiefung, da der Zweck der Führung des Melderegisters nicht verlangt, für die Bestimmung der Richtigkeit eines eingetragenen Geburtsdatums von der objektiven Richtigkeit abweichende Bezugspunkte heranzuziehen.

Insbesondere führt die nach § 2 Abs. 1 BMG bestehende Identifizierungsfunktion des Melderegisters entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, bei eine Person identifizierenden Merkmalen für die Richtigkeit nicht auf die Realität, sondern auf die Eintragungen in Ausweispapieren abzustellen. Den Zwecken des Melderegisters, insbesondere der Unterstützungsfunktion für andere behördliche Tätigkeitsbereiche durch Vorhaltung der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen (vgl. hierzu Gamp, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, S. 1408 Rn. 336) wird in aller Regel am besten durch die Realität möglichst zutreffend abbildende Daten Genüge getan. Dies gilt angesichts zahlreicher Bereiche, für die das Alter des jeweiligen Einwohners maßgebend ist - wie z.B. die Aufstellung von Wählerlisten (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BMG) oder die Erfassung zur Erfüllung der Schulpflicht -, insbesondere für das Geburtsdatum einer Person. Ein aus der Identifizierungsfunktion fließendes Bedürfnis für das vom Kläger geforderte Abweichen vom Kriterium der objektiven Wirklichkeit zugunsten der Angaben in Ausweispapieren besteht angesichts der Möglichkeiten, etwaige Abweichungen in verschiedenen Dokumenten offen zu legen und zu dokumentieren - wie dies hier etwa beim Kläger durch den Hinweis in seiner Niederlassungserlaubnis erfolgt ist - nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch unzutreffende Nennung eines Unternehmens in der Kundenreferenzliste

LG München
Urteil vom 15.02.2022
33 O 4811/21


Das LG München hat entschieden, dass eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch unzutreffende Nennung eines Unternehmens in der Kundenreferenzliste vorliegt und dies einen Unterlassungsanspruch auslöst.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Es liegt eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin vor.

a. Unschädlich ist, dass die Klägerin keine natürliche, sondern eine juristische Person ist. Am Schutz der Grundrechte, auf denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht beruht, nehmen nicht nur natürliche Personen, sondern - soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind - auch juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) und die Personengesellschaften des Handelsrechts, OHG und KG, teil. Wie der BGH wiederholt entschieden hat, haben deshalb auch sie im Rahmen ihres Wesens und der ihnen vom Gesetz zugewiesenen Funktionen Anspruch auf Persönlichkeitsschutz (BGH GRUR 1981, 846, 847 - Rennsportgemeinschaft).

b. Ein Namensmissbrauch (§§ 12 BGB, 16 UWG) kommt nicht in Betracht, wenn - wie vorliegend - ein Name eigenmächtig, also ohne Gestattung des Namensträgers, zu Werbezwecken benutzt wird (vgl. MükoBGB/Säcker, 9. Aufl. 2021, BGB § 12 Rn. 116). Denn eine Verletzung des Namensrechts ist nur dann anzunehmen, wenn durch eine Namensunterlegung der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei der in der Werbung handelnden Person um den Namensträger handelt, dass sich der Namensträger für die Werbung verantwortlich zeichnet, oder dass die angepriesenen Leistungen oder Erzeugnisse dem Genannten irgendwie zuzurechnen sind. Dagegen wird in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen, wenn keine Falschbezeichnung hervorgerufen wird, sondern auf das personale Substrat des hinter dem Namen stehenden Namensträgers zugegriffen werden soll, etwa indem dessen Bekanntheit oder Wertschätzung im Verkehr ausgenutzt wird (vgl. MükoBGB/Säcker, 9. Aufl. 2021, BGB § 12 Rn. 117). Letzteres ist auch vorliegend gegeben. Durch die Auflistung der „BMW Group“ unter der Überschrift „Kunden und Referenzen“ auf der Homepage der Beklagten zu 1) entsteht gerade keine Zuordnungsverwirrung. Vielmehr soll hier die Wertschätzung im Verkehr ausgenutzt werden.

c. Durch die Herausstellung der Konzernbezeichnung „BMW Group“ der Klägerin hat die Beklagte zu 1) deren persönlichkeitsrechtliche Befugnisse verletzt, zu denen bei Unternehmen, die - wie die Klägerin - mit ihrem Namen oder Firmenbestandteilen werbend an die Öffentlichkeit treten, auch die Befugnis gehört, selber über Art und Umfang des Gebrauchs des Namens oder Firmenbestandteils durch andere zu bestimmen. Diese Befugnis ist Teil des nur dem Namensträger selbst zustehenden Rechts auf geistige und wirtschaftliche Selbstbestimmung und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (BGH GRUR 1981, 846, 847 - Rennsportgemeinschaft). Indessen ist der Name eines anderen, den dieser im Geschäftsverkehr selber werbend herausstellt, vor unbefugter Ausnutzung für fremde Geschäftsinteressen über die der Caterina-Valente-Entscheidung (BGH GRUR 1959, 430) und der Herrenreiter-Entscheidung (BGH GRUR 1958, 408) zugrundeliegenden Fallgestaltungen hinaus auch dann zu schützen, wenn mit dem Namensgebrauch eine Minderung von Ruf und Ansehen des Berechtigten nicht verbunden ist (BGH GRUR 1981, 846, 847 - Rennsportgemeinschaft). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Berechtigten einen generellen Schutz vor den die Person als solche berührenden Eingriffen Dritter. Ihm allein ist es deshalb vorbehalten, darüber zu befinden, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Name in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt. Damit würde es nicht in Einklang stehen, wenn der Berechtigte es dulden müsste, dass sein Name, den er im Geschäftsverkehr selber werbend benutzt, ungefragt oder sogar gegen seinen Willen für fremde Werbung Verwendung findet. Im Wesen des Namensrechts als eines Persönlichkeitsrechts liegt es, ihn selber entscheiden zu lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Name für Werbezwecke anderer zur Verfügung steht (BGH GRUR 1981, 846, 847 - Rennsportgemeinschaft).

Zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Klägerin der Benutzung von „BMW Group“ als Referenz ausdrücklich widersprochen hat. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob durch die konkrete Handlung der Beklagten zu 1) die Gefahr besteht, dass potentielle Kunden der Klägerin bei Kaufinteresse zu einem Kfz eines anderen Unternehmens greifen würden.

2. Die Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts erfolgte auch in rechtswidriger Weise.

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht hat bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig ist, eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange zu erfolgen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des betroffenen Unternehmens die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH GRUR 2014, 802 Rn. 8 - Adoptivtochter von Günther J.).

Die erforderliche Interessenabwägung fällt auch unter Berücksichtigung grundrechtlicher Positionen der Beklagten zu 1) zugunsten der Klägerin aus. Das Interesse der Beklagten zu 1) an der Kommunikation ihrer Leistungen und Kompetenzen (Art. 12 GG), ihres Kundenstammes (Art. 14 GG) sowie die ihr grundsätzlich zustehende Meinungsfreiheit und ein Informationsinteresse nach Art. 5 GG treten hinter das aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin zurück. Denn die Auflistung der „BMW Group“ unter der Überschrift „Kunden und Referenzen“ ist als unzutreffende Tatsachenbehauptung rechtlich nicht geschützt.

a. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Demgegenüber kann sich eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Entscheidend ist deshalb der Zusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist (BGH GRUR 2016, 104, 106 Rn. 24 - recht § billig). Bei Tatsachenbehauptungen wiederum fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BGH GRUR 2016, 104, 107 Rn. 31 - recht § billig).

b. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der angegriffenen Darstellung der Beklagten zu 1) auf deren Homepage um eine Tatsachenbehauptung. Diese ist auch unwahr. Denn der Nachweis, dass eine Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) stattgefunden hat, ist den Beklagten nach Überzeugung des Gerichts nicht gelungen. Die insoweit beweisbelastete Klägerin trug hierzu substantiiert vor, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten zu 1) gegeben habe. Angesichts der Unternehmensgröße der Klägerin obliegt den Beklagten für eine solche Zusammenarbeit eine sekundäre Darlegungslast.

Die Beklagten trugen hierzu vor, mehrere bei der Klägerin angestellte Personen hätten im Rahmen ihrer beruflichen Stellung die Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch genommen. So habe die Beklagte 2016 auf Veranlassung der BMW Group im Rahmen eines sog. Incentives, mithin einer unternehmerischen Maßnahme zur Stärkung der Mitarbeiterbindung, eine Schulung für Mitarbeiter der Klägerin durchgeführt. Die BMW Group habe darüber hinaus bei der Beklagten zu 2) ein Coaching für einen ihrer Mitarbeiter gebucht. Die Beklagte habe das Coaching durchgeführt und der Mitarbeiterin der Klägerin, die das Coaching gebucht hatte, Rechnung gelegt (vgl. Anlage B5). Mitarbeiter der Klägerin hätten zwischen dem 19.10.2017 und 22.3.2018 insgesamt sechs Mal und einmal am 6.1.2020 Gruppen- und Bühnenveranstaltungen gebucht, indem sie sich mit ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse für die Veranstaltungen angemeldet hätten (vgl. Auflistung der Emailadressen, Anlage B6: ...@bmw.de, ...@bmw.de, ...@bmw.de, ...@bmw.de,...@bmw.de, ...@bmw.de,...@bmw.de). Ob darüber hinaus eine weitere Zusammenarbeit stattgefunden habe, könne aufgrund gesetzlicher Löschungspflichten nicht ausgeschlossen werden. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass eine Eventagentur als Buchungsagentur zwischengeschaltet worden sei.

Diese Ausführungen der Beklagten belegen die im Internetauftritt der Beklagten zu 1) behauptete Zusammenarbeit mit der BMW Group nicht. Die Beklagten konnte daher schon nicht darlegen, wann sie von wem für die „BMW Group“ für welche Veranstaltung gebucht worden sein sollen und wer sie bezahlt haben soll. So wurde die als Anlage B5 eingereichte Rechnung gerade nicht an die BMW Group, sondern an Ma. M. persönlich gestellt und ausweislich des als Anlage K12 vorgelegten Kontoauszugs auch von dieser persönlich beglichen, und besagt das Vorhandensein diverser Emailadressen im Datenbestand der Beklagten für sich genommen nichts über eine tatsächlich erfolgte Auftragserteilung durch die „BMW Group“.

Folglich fällt die erforderliche Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung grundrechtlicher Positionen der Beklagten zugunsten der Klägerin aus.
II.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag II) sowie auf Auskunft und Rechnungslegung (Klageantrag III) sind ebenfalls begründet.

1. Der Schadensersatzanspruch folgt ebenfalls aus § 823 BGB. Die Beklagte zu 1), für deren Rechtsverletzung die Beklagte zu 2) als deren alleinige Geschäftsführerin einzustehen hat, handelte jedenfalls fahrlässig und damit schuldhaft. Umstände, welche die Verschuldensvermutung entkräften könnten, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

2. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist nach § 242 i.V.m. § 823 BGB aus den oben genannten Gründen ebenfalls gegeben (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2002, 709).
III.

Soweit die Klägerin jedoch Ansprüche auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 4.196,90 EUR geltend macht, war die Klage abzuweisen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Erstattung der Abmahnkosten besteht nicht, weil die Abmahnung unbegründet war.

1. Erstattungsfähig sind grundsätzlich nur die Kosten einer begründeten und berechtigten Abmahnung. Eine Abmahnung ist begründet, wenn ihr ein Unterlassungsanspruch zu Grunde liegt; sie ist berechtigt, wenn sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH GRUR 2009, 502, 503 Rn. 11 - pcb).

Die Abmahnung vom 16.11.2020 (Anlage K9) war unbegründet, weil der Klägerin der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten wegen Markenverletzung bzw. Wettbewerbsverstoßes nicht zustand.

2. Die Klägerin hat die Abmahnung im Schreiben vom 16.11.2020 (Anlage K9) auf eine Verletzung der deutschen Marke Nr. 30 2016 105 664 „BMW Group“ sowie der Unionsmarke Nr. 000 91 835 „BMW“ und daneben auf einen Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3 UWG gestützt. Ein Anspruch auf Unterlassung aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV (dazu nachfolgend B.III.2.a) bzw. §§ 8, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3 UWG (dazu nachfolgend B.III.2.b) besteht jedoch - anders als die Ansprüche aus dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (dazu bereits oben B.I) - nicht. Es genügt aber nicht, wenn dem Abmahnenden aus in der Abmahnung nicht genannten und für den Abgemahnten daher nicht erkennbaren anderen Gründen, etwa wegen Verletzung eines anderen Schutzrechts, objektiv ein auf Unterlassung desselben Verhaltens gerichteter Anspruch zustand (BGH GRUR 2009, 502, 503 Rn. 12 - pcb). Denn in einer Abmahnung sind der Sachverhalt und der daraus abgeleitete Vorwurf eines rechtswidrigen Verhaltens so genau anzugeben, dass der Abgemahnte den Vorwurf tatsächlich und rechtlich überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus ziehen kann. Der Anspruchsgegner ist in die Lage zu versetzen, die Verletzungshandlung unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Die Abmahnung muss daher erkennen lassen, auf welches Schutzrecht der geltend gemachte Anspruch gestützt wird, damit der Abgemahnte die Richtigkeit des Vorwurfs überprüfen kann (BGH GRUR 2009, 502, 503 Rn. 13 - pcb).

a. Ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „BMW Group“ wegen Verletzung der Marke Nr. 30 2016 105 664 „BMW Group“ aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bzw. der Unionsmarke Nr. 000 91 835 „BMW“ aus Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV steht der Klägerin jedoch nicht zu. Zwar kommt es für einen Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV nur darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt und es zu den dort näher spezifizierten Beeinträchtigungen der bekannten Marke kommt, und bedarf es daneben der gesonderten Feststellung, dass in eine der geschützten Markenfunktionen der bekannten Marke eingegriffen wird, nicht (so etwa Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 135 mit Verweis auf BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 36 - ÖKO-TEST I). Nach wie vor erforderlich bleibt aber eine Benutzung des Zeichens für Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 32 ff. - ÖKO-TEST I; dazu nachfolgend aa.) oder aber - über den Sonderschutz der bekannten Marke - zumindest eine Benutzung des Zeichens als Unternehmenskennzeichen (dazu nachfolgend bb.).

aa. Es liegt keine Benutzung des bekannten Zeichens „BMW Group“ für eine eigene Dienstleistung der Beklagten zu 1) vor (vgl. zum Erfordernis der Benutzung für eigene Waren/Dienstleistungen des Zeichenverwenders etwa Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 97 m.w.N.). Auch kann in der Auflistung der „BMW Group“ unter der Überschrift „Kunden und Referenzen“ auf der Homepage der Beklagten zu 1) unter www...com keine markenmäßige Benutzung des bekannten Zeichens „BMW Group“ für eine fremde Ware oder Dienstleistung im eigenen wirtschaftlichen Interesse gesehen werden (vgl. dazu etwa BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 72 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot und Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 99). Denn vorliegend bewirbt die Beklagte zu 1) weder eigene noch fremde Waren oder Dienstleistungen mit der Bezeichnung „BMW Group“. Vielmehr zeigt sie nur auf, dass diese zu den „Kunden und Referenzen“ gehören würden, wobei sie ihre Dienstleistungen gerade nicht damit bewirbt, beispielsweise auf Profiling-Dienstleistungen für die „BMW Group“ spezialisiert zu sein (vgl. hierzu auch EuGH GRUR 2019, 621, 623 Rn. 32 - ÖKO-TEST Verlag/Dr. L. unter Verweis auf EuGH GRUR 2016, 375 Rn. 28 - Daimler). Weiter greift auch die von der Klägerin angeführte Parallele zur ÖKO-TEST-Rechtsprechung des EuGH (EuGH GRUR 2019, 621) nicht, mit der sie anführt, es gebe keinen Unterschied zwischen „Empfohlen von ÖKO-TEST“ einerseits und „Empfohlen von BMW Group“ andererseits. Denn die genannte Rechtsprechung greift die Besonderheit auf, dass es sich bei dem dort in Rede stehenden Testsiegel um eine bekannte Individualmarke handelt, die gerade für Dienstleistungen eingetragen ist, die in der Durchführung von Tests und der Bereitstellung von Informationen sowie der Verbraucherberatung bestehen (vgl. hierzu EuGH GRUR 2019, 621, 624 Rn. 38 - ÖKO-TEST Verlag/Dr. L.). Eine solche Besonderheit liegt hier jedoch nicht vor. Im Ergebnis handelt es sich daher im Streitfall um einen - nicht markenrechtsverletzenden - Fall einer bloßen Markennennung.

bb. Weiterhin scheiden auch Ansprüche aus dem Sonderschutz der bekannten Marke über die analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG durch die Verwendung als reines Unternehmenskennzeichen aus. Zwar steht es nach Art. 10 Abs. 6 MarkenRL den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, einen Schutz der Marke gegenüber der Verwendung eines Zeichens zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren/Dienstleistungen vorzusehen, wenn dadurch die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 425; vgl. auch BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 76 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Eine Schutzlücke gegen eine Verwendung einer bekannten Marke als Unternehmenskennzeichen kann daher grundsätzlich durch eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geschlossen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das bekannte Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt wird, woran es im Streitfall fehlt. Denn die Beklagte zu 1) verwendet das Zeichen „BMW Group“ auf ihrer Homepage nicht zur Kennzeichnung eines - eigenen oder fremden - Geschäftsbetriebs (vgl. dazu EuGH GRUR 2007, 971 Rn. 21 - Céline), sondern listet die Klägerin lediglich in ihrer Kunden- und Referenzliste, worin ein Fall einer - nicht markenrechtsverletzenden - bloßen Zeichennennung liegt, die jedenfalls nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung vom Bekanntheitsschutz nicht erfasst wird.

b. Ansprüche aus dem UWG scheiden im Streitfall schon deshalb aus, weil zwischen den Parteien kein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht; Klägerin und die Beklagten sind keine Mitbewerber, sondern auf gänzlich unterschiedlichen Märkten tätig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Beide SCHÜTZENLISL-Marken verfallen - keine rechtserhaltende Benutzung durch Bewerbung für Oktoberfest

LG München
Urteil vom 25.02.2022
33 O 8225/21

Das LG München hat entschieden, dass beide für den Betrieb eines Münchner Oktoberfestzelts angemeldeten Marken "SCHÜTZENLISL" wegen Verfalls nach § 49 MarkenG zu löschen sind. Die Bewerbung für einen Platz auf dem Oktoberfest reicht nach Ansicht des Gerichts nicht für eine rechtserhaltende Benutzung aus.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Schützenliesl“

Das Landgericht München I hat zwei für den Betrieb eines Münchner Oktoberfestzelts angemeldete Marken „SCHÜTZENLISL“ für verfallen erklärt.

Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 25.02.2022 der Klage einer Brauereigesellschaft gegen die beiden Marken stattgegeben (Az.: 33 O 8225/21).

Die Klägerin ist ein Brauereiunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die ehemalige Münchener Traditionsbrauerei „Münchner Kindl“ wiederzubeleben. Diese Brauerei gehörte vor 100 Jahren zu den größten Münchner Brauereien. Ihr Markenzeichen war neben dem Stammzeichen „Münchner Kindl“ seinerzeit die sog. „Schützenliesl“, ein Bildnis, das einem etwa um 1880 vom Maler Friedrich August von Kaulbach gefertigten großen Ölbild entsprach. Zum Schutz ihrer beabsichtigten geschäftlichen Aktivitäten meldete die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 zwei Unionsbildmarken an, die jeweils ein Bildnis der „Schützenliesl“ enthielten.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Gastronomie, das in der Münchener Innenstadt mehrere Gaststätten betreibt, u.a. das Alte Hackerhaus. Zudem betreibt die Beklagte ein kleines Festzelt auf dem Münchener Oktoberfest. Die Beklagte beabsichtigte in der Vergangenheit zudem, mit einem großen Festzelt auf der „Oiden Wiesn“ des Münchener Oktoberfests unter der Bezeichnung „SCHÜTZENLISL“-Festzelt aktiv zu sein. Zu diesem Zweck meldete sie Ende des Jahres 2015 eine deutsche Wortmarke „SCHÜTZENLISL“ sowie eine deutsche Bildmarke: für gastronomische Dienstleistungen an. Beide Zeichen wurden noch im Jahr 2015 in das Register des DPMA eingetragen.

Die Beklagte bewarb sich ab dem Jahr 2016 wiederholt um die Zulassung des „SCHÜTZENLISL“-Festzeltes. Die Bewerbungen verliefen im Ergebnis allerdings ohne Erfolg. Anfang des Jahres 2021 beschloss die Beklagte ein alternatives Konzept hinsichtlich der Nutzung ihrer „SCHÜTZENLISL“-Marken und traf entsprechende Vorbereitungen. Nach ihrem Willen sollte der Biergarten des Hackerhauses als „SCHÜTZENLISL“-Biergarten unter Verwendung der streitgegenständlichen Marken gekennzeichnet werden. Eine solche Kennzeichnung erfolgte auch spätestens ab Juli 2021.

Die Beklagte ist der Auffassung, bereits die Bewerbungen für das Oktoberfest erfüllten den Tatbestand der rechtserhaltenden Benutzung. Spätestens aber mit der Kennzeichnung des Biergartens des Hackerhauses im Jahr 2021 sei die Marke in Benutzung genommen worden.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, beide Marken der Beklagten seien verfallen, weil diese es versäumt habe, die Zeichen innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren zu benutzen. Die von der Beklagten vorgetragenen Benutzungssachverhalte reichten für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung nicht aus.

Dieser Wertung hat sich die erkennende Kammer im Wesentlichen angeschlossen. Nach ihrer Auffassung stellen die vorgetragenen Bewerbungen für den Betrieb eines Festzelts auf dem Münchener Oktoberfest keine nach außen erkennbaren Benutzungshandlungen am Markt, sondern interne Vorbereitungshandlungen dar. Die vorgetragenen Benutzungssachverhalte im Zusammenhang mit dem „SCHÜTZENLISL“-Biergarten bewertete die Kammer als nicht ausreichend. Denn aus einer Abwägung sämtlicher relevanter Einzelfallumstände folge, dass diese Benutzungen nicht der Erschließung neuer oder zumindest dem Erhalt bestehender Marktanteile dienten, sondern einzig zu dem Zweck erfolgt seien, einen Verfall der beiden Marken zu verhindern.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



LAG Köln: Darlegungs- und Beweislast für Zugang eine E-Mail trägt Versender - keine Vermutungswirkung wenn Versender keine Meldung über Unzustellbarkeit erhält

LAG Köln
Entscheidung vom 11.01.2022
4 Sa 315/21


Das LAG Köln hat entschieden, dass der Versender einer E-Mail die Darlegungs- und Beweislast für Zugang der E-Mail trägt. Eine Vermutungswirkung für den Zugang, wenn der Versender nach Versand keine Meldung über die Unzustellbarkeit erhält, gibt es nicht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landesarbeitsgericht Köln: Beweis für den Zugang einer E-Mail

Den Absender einer E-Mail trifft gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält. Dies hat das Landesarbeitsgericht am 11. Januar 2022 entschieden.

In dem Rechtsstreit stritten die Parteien um die Verpflichtung des Klägers, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte zurückzuzahlen. In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet. Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig. Die Beklage verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.

In dem hieraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Der Zugang einer E-Mail sei vom Versender darzulegen und zu beweisen. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Denn der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.



LG Berlin: Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfasst nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen

LG Berlin
Urteil vom 21.12.2021
4 O 381/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Auskunfts- und Herausgabeanspruch aus § 15 DS-GVO betrifft lediglich personenbezogene Daten, nicht aber Dokumenten, die Vertragserklärungen enthalten. Zwar ist der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen; davon wären auch Beitragsanpassungsschreiben erfasst, die den Namen des Klägers enthalten. Ein derartiges am Wortlaut haftendes Verständnis ist mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO unvereinbar. Die Auskünfte, die eine natürliche Person nach Art. 15 DS-GVO fordern kann, dienen primär dazu, ihr die Wahrnehmung der weiteren Rechte aus der DS-GVO zu ermöglichen, also insbesondere das Recht auf Berichtigung nach Art. 16, auf Löschung nach Art. 17 und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18. Zwar mag eine Auskunft über personenbezogene Daten auch Erkenntnisse und Indizien hervorbringen, die einen Anspruch nach gänzlich anderen Vorschriften begründen oder zumindest nahelegen können. Dabei handelt es aber nicht um den eigentlichen Zweck der DS-GVO, sondern um einen bloß zufälligen Nebeneffekt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die DS-GVO gezielt dazu geschaffen worden wäre, die grundsätzliche Struktur des deutschen Zivilprozessrechts, die jedem Anspruchsteller die Darlegung und den Beweis der ihm günstigen Tatsachen auferlegt, umzukehren (OLG Köln r+s 2021, 97 Rn. 73, beck-online). Danach sind die vorliegend antragsgegenständlichen Auskünfte nicht mehr als personenbezogen (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) zu verstehen, sondern als vertragsbezogen.

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OLG Frankfurt: Bei Schadensberechnung auf Grundlage des entgangenen Gewinns muss Kläger Kalkulationsgrundlagen und Kausalität für den Schaden detailliert darlegen und beweisen

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.10.2021
6 U 147/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einer Schadensberechnung auf Grundlage des entgangenen Gewinns der Kläger die Kalkulationsgrundlagen und die Kausalität für den Schaden detailliert darlegen und beweisen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Die Klägerin hat indes einen entgangenen Gewinn nicht schlüssig darlegen können.

aa) Bereits untauglich ist der Versuch, einen entgangenen Gewinn ohne Darlegung der Kalkulationsgrundlagen zu berechnen. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Klägerin ihre internen Kalkulationsdaten nicht offenlegen will. Dies ist jedoch zwingend erforderlich, wenn die Klägerin darlegen will, dass ihr durch das Verhalten der Beklagten ein bestimmter eigener Gewinn entgangen sei. Der Geschädigte darf sich nicht auf allgemeine Darlegungen zum mutmaßlichen Gewinn beschränken, sondern er muss produktbezogene Ausführungen machen, um dem Gericht eine Schadensschätzung zu ermöglichen. Er ist gehalten, die Kalkulation für seine Ware zu offenbaren (Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 14 MarkenG Rn 464) und muss insbesondere Erlöse und produktbezogene Kosten einander gegenüberstellen (BGH GRUR 1980, 841, 842 f. - Tolbutamid; BGH GRUR 1993, 757, 759 - Kollektion Holiday; OLG Köln GRUR-RR 2014, 329; BeckOK MarkenR/Goldmann, 26. Ed. 1.7.2021, MarkenG § 14 Rn 750.3). Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin unzureichend, da sie lediglich eine allgemeine Gewinnspanne vorgetragen hat. Sie hätte zumindest die Gewinnspanne unter Darlegung der genannten Einzelheiten (Erlöse und Kosten) - bezogen auf die beanstandeten Modelle bzw. auf ihre mit diesen vergleichbaren Modellen - vortragen müssen. Diesen Vortrag hat sie auch nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Hinweis erteilt hat, nicht gehalten.

Der Versuch der Klägerin, die Kalkulationsparameter hinter einer „Gutachtenwand“ zu verstecken, indem sie einem Privatgutachter diese zugänglich gemacht hat, diese aber nicht in das Gutachten Eingang gefunden haben, ist daher nicht erfolgreich. Soweit die Klägerin dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, §§ 252 BGB, 287 ZPO entbinde sie insoweit von der Darlegung der Kalkulationsgrundlagen und sie weiterhin ein Sachverständigengutachten angeboten hat, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen.

Die Bestimmung des § 252 S. 2 BGB, nach welcher der Gewinn als entgangen gilt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, und die Vorschrift des § 287 ZPO, nach der das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber entscheidet, wie hoch sich ein unter den Parteien streitiger Schaden beläuft, entheben den Verletzten zwar der Notwendigkeit, den entgangenen Gewinn genau zu belegen. Sie ersparen es ihm jedoch nicht, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (BGH GRUR 2016, 860 Rn 20, 21 - Deltmethrin II). Auf solche konkreten Anhaltspunkte kann nicht verzichtet werden, da der Schädiger sonst im Einzelfall der Gefahr einer willkürlichen Festsetzung der von ihm zu erbringenden Ersatzleistung ausgesetzt wäre. Bei aller Anerkennung des häufig bestehenden Beweisnotstandes des Geschädigten wäre dies mit dem Sinn und Zweck der §§ 287 ZPO, 252 BGB nicht zu vereinbaren.

bb) Auch im Hinblick auf die Kausalität fehlt es an einem schlüssigen Vortrag.

Dem Verletzten obliegt es, die Kausalität zwischen der Verletzung und dem ihm entgangenen Gewinn nachzuweisen. Die Befugnis zur Schätzung der Höhe des Gewinns schließt auch alle Kausalitäts- und Zurechnungsfragen mit ein (Goldmann WRP 2011, 950, 953). Für den Nachweis eines Schadens bestehen in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten, vor allem was die künftige Entwicklung des Geschäftsverlaufs betrifft.

In dem vorliegenden besonderen Fall ist nicht hinreichend dargelegt, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein Gewinn mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Vielmehr liegen besondere Umstände vor, die so erhebliche Zweifel begründen, dass trotz des reduzierten Beweismaßstabes eine Kausalität zwischen rechtswidriger Handlung und dem behaupteten Schaden nicht dargelegt ist. Hier ist nämlich zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu einem erheblich niedrigeren Preis geliefert hat. Bei gedanklichem Wegfall der Beklagten hätten nicht alle Kunden sicher bei der Klägerin gekauft, auch wenn es sich um notwendige Ware gehandelt hat, die von den Kunden benötigt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass es in anderen EU-Ländern weitere Anbieter gab, die dort (legal) Ersatzteile für die Kupplungen angeboten haben, ist nämlich denkbar, dass ein Teil der Kunden der Beklagten sich im EU-Ausland eingedeckt hätte. Dort wäre dies auch legal gewesen, so dass dies bei der Schadensberechnung durchaus berücksichtigt werden kann. Im Gegensatz dazu sind ebenfalls rechtswidrige handelnde inländische Wettbewerber außer Betracht zu lassen. Der Beklagten ist es aus Rechtsgründen untersagt, dem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegenzuhalten, ihre Kunden hätten ihren Bedarf an Ersatzteilen bei anderen Anbietern gedeckt, die ihrerseits Ersatzteile ohne Zulassung vertrieben haben. Der Beklagten kann es nicht zum Vorteil gereichen, wenn sich andere Marktteilnehmer ebenfalls nicht nach den Vorschriften der StVZO richten (vgl. BGH GRUR 2016, 860, 864, Rn 39 - Deltamethrin II).

Vor allem aber hat die Beklagte fast die gesamte beauskunftete Ware an ihre Tochterfirma in Deutschland geliefert, die wiederum nach Auskunft der Beklagten nur in das Ausland geliefert haben soll. Damit wäre im Hinblick auf die Lieferungen an die deutsche Tochter der Beklagten ausgeschlossen, dass es zu irgendeiner Art von entgangenem Gewinn für die Klägerin gekommen ist. Durch die Weiterlieferung ins Ausland ist nämlich keinerlei inländischer Nachfrage bedient worden und damit der Klägerin kein Gewinn entgangen. Die deutsche Vertriebstochter der Beklagten hätte sich wiederum, wenn sie hypothetisch von der Beklagten nicht beliefert worden wäre, ganz sicher nicht bei der Klägerin eingedeckt. Die deutsche Tochter hatte nämlich die Aufgabe, (nur) die Produkte der Beklagten (in das Ausland) zu vertreiben. Sie ist insoweit nicht irgendeine Händlerin, die sich alternativ auch bei anderen Lieferanten eindeckt, sondern eine Händlerin, die eben nur bei der Beklagten einkauft. Ein Schadensersatz kommt daher von vorneherein nur hinsichtlich der anderen deutschen Abnehmer in Betracht. Es fehlt aber an einer entsprechenden Differenzierung. Die Abgrenzung der in das Inland und das Ausland gelieferten Teil wäre als anspruchsbegründenden Tatsache Sache der Klägerin.

Soweit die Klägerin dem entgegenhält, sie halte die entsprechende Auskunft der Beklagten für falsch, verkennt sie, dass sie für die anspruchsbegründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Hält sie die von ihr selbst vorgetragenen Tatsachen für falsch, macht sie ihre Klage insoweit selbst unschlüssig. Dass dem eine Auskunft der Beklagten zugrunde lag, ändert nichts an der bestehenden Darlegungs- und Beweislast. Der Klägerin hätte bei Zweifeln an der Richtigkeit der Auskunft einen Antrag auf eidesstattliche Versicherung stellen müsse, um die Grundlage für ihre geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu validieren."


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BGH: Zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz - Kaffeebereiter

BGH
Urteil vom 01.Juli 2021 - I ZR 137/20
Kaffeebereiter
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheiung zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geäußert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hat er diesen Anforderungen genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.

b) Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, ist auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.

BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - I ZR 137/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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LG Essen: Versendung eines USB-Sticks mit persönlichen Daten per einfachem Brief mit DSGVO vereinbar - Anspruch aus Art. 82 DSGVO kann abgetreten werden

LG Essen
Urteil vom 23.09.2021
6 O 190/21


Das LG Essen hat entschieden, dass die Versendung eines USB-Sticks mit persönlichen Daten per einfachem Brief mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO abgetreten werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte immaterielle Schadensersatzanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich zunächst nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen i.S.d. DSGVO. Zwar ist der Kläger auch hinsichtlich der Ansprüche seiner Ehefrau aktivlegitimiert. Es liegt auch - zumindest hinsichtlich der fehlenden Mitteilung an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW - ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Der Kläger hat jedoch nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihm ein erheblicher Schaden entstanden ist. Im Einzelnen:

aa) Der Kläger ist zunächst aktivlegitimiert. Für seinen eigenen Anspruch ist dies unproblematisch der Fall. Die Aktivlegitimation besteht darüber hinaus - entgegender Ansicht der Beklagten - auch hinsichtlich des Anspruchs seiner Ehefrau.

Aufgrund des Abtretungsvertrags vom 06.06.2021 (Anlage K 5, Bl. 20 d. A.) ist der Kläger Forderungsinhaber geworden, § 398 BGB.

Grundsätzlich ist jede Forderung abtretbar (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 398 BGB Rn. 8); insbesondere auch Schmerzensgeldansprüche (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 253 BGB Rn. 22). Ein Abtretungsverbot nach §§ 399, 400 BGB besteht nicht. Die vermeintliche Forderung der Ehefrau des Klägers gegen die Beklagte unterliegt weder der Pfändung (§ 400 BGB) noch wurde die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen oder erfordert die Abtretung eine Inhaltsänderung der Leistung (§ 399 BGB).

Die Abtretung ist zudem wirksam, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt. Dabei genügt es, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der Forderung bestimmbar ist, ob sie von der Abtretung erfasst wird (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 398 BGB Rn. 14). Das ist hier der Fall. In dem Abtretungsvertrag ist unter Ziffer 1 das Rechtsverhältnis, aus dem sich etwaige Ansprüche ergeben können, hinreichend bestimmt bezeichnet. Dort heißt es, dass dem Zedenten aus einer datenschutzrechtlichen Verletzung Schadensersatzansprüche gegen die [xxx] - die hiesige Beklagte - in einer noch durch ein Gericht festzulegenden Höhe zustehen. Zudem wird der Grund des Schadensersatzanspruchs noch näher beschrieben; nämlich der Verlust eines USB-Sticks mit umfangreichen persönlichen und sensiblen Daten.

bb) Der Beklagten ist ein Verstoß gegen Art. 33 DSGVO vorzuwerfen - unterstellt, der USB-Stick ist tatsächlich verloren gegangen.

Gemäß Art. 33 Abs. 1 DSGVO meldet der Verantwortliche im Falle einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden, nachdem ihm die Verletzung bekannt wurde, diese der zuständigen Aufsichtsbehörde, es sei denn, dass die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten voraussichtlich nicht zu einem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen führt. Die erforderlichen zu meldenden Informationen ergeben sich aus Art. 33 Abs. 3 DSGVO. Eine solche Meldung ist indes - unstreitig - nicht erfolgt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger und seine Ehefrau als Betroffene bereits Kenntnis von dem vermeintlichen Datenverlust hatten, da sie ihn selbst gemeldet haben.

Denn die Meldepflicht dient zum einen der Minimierung der negativen Auswirkungen von Datenschutzverletzungen durch Publizität gegenüber der Aufsichtsbehörde (und dem Betroffenen). Gleichzeitig gewährt die Vorschrift so vorbeugenden Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen, indem sie Anreize zur Vermeidung zukünftiger Verletzungen beim Verantwortlichen setzt. Die Vorschrift dient also nicht nur dem Schutz des Betroffenen. Die Meldung gegenüber der Aufsichtsbehörde ermöglicht es dieser, über Maßnahmen zur Eindämmung und Ahndung der Rechtsverletzung zu entscheiden (vgl. BeckOK DatenschutzR/Brink, 37. Ed. 1.11.2019 Rn. 10, DS-GVO Art. 33 Rn. 10). Insofern genügt bereits ein solch formeller Verstoß gegen die DSGVO zur Begründung eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 37. Ed. 1.8.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 14).

Zudem liegt ein Verstoß gegen Art. 34 Abs. 2 DSGVO vor. Zwar ist der Beklagten insofern zuzustimmen, als sie selbst erst durch den Kläger bzw. seine Ehefrau von dem vermeintlichen Datenverlust informiert wurde. Die Informationspflichten des Art. 34 DSGVO sehen über die reine Information über den Datenverlust selbst hinaus jedoch vor, dass die in Art. 33 Abs. 3 lit. b- d DSGVO genannten Informationen und Maßnahmen auch dem Betroffenen - hier dem Kläger und seiner Ehefrau - mitgeteilt werden. Dies ist jedoch - unstreitig - nicht erfolgt.

cc) Dagegen liegt kein Verstoß gegen Art. 24, 25 Abs. 1, 32 DSGVO vor.

Danach hat der Verantwortliche i.S.d. DSGVO unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten, der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit
und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen und umzusetzen, um sicherzustellen, dass die Verarbeitung gemäß der DSGVO erfolgt und die Rechte der betroffenen Personen geschützt werden. In Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO werden dafür exemplarisch die Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten genannt. Ein Verstoß der Beklagten liegt indes nicht vor.

Die Kammer konnte kein Fehlverhalten im Haus der Beklagten feststellen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der vermeintliche Verlust der Daten jedenfalls nicht im Haus der Beklagten erfolgt ist. Dies wird auch von Klägerseite nicht behauptet. Vielmehr soll der USB-Stick auf dem Postversand verloren gegangen sein.

Die Kammer sieht zudem keinen Grund, weshalb die Beklagte den USB-Stick nicht per einfachem Brief an den Kläger und seine Ehefrau hätte versenden dürfen. Zwar waren auf dem USB-Stick Dokumente mit sensiblen persönlichen und wirtschaftlichen Informationen enthalten. Dies ist jedoch kein Grund, nicht den Service der Deutschen Post nutzen zu dürfen. Von verschiedensten Stellen werden ausgedruckte Dokumente mit sensiblen Informationen, z.B. Steuerbescheide, Schreiben von Anwälten und Steuerberatern o.Ä., mit einfacher Post versandt. Hiergegen ist ebenfalls nichts einzuwenden; eine irgendwie geartete Pflichtverletzung der handelnden Stellen ist nicht ersichtlich. Weshalb zwischen ausgedruckten Dokumenten, die naturgemäß unverschlüsselt übersandt werden, und digitalen Dokumenten auf einem unverschlüsselten USB-Stick im Zuge der postalischen Übermittlung unterschieden werden soll, erschließt sich der Kammer nicht.

Die Beklagte war zudem nicht gehalten, den USB-Stick in einem gepolsterten Umschlag zu versenden. Bei dem USB-Stick handelt es sich weder um einen leicht zu beschädigenden Gegenstand, der vor äußeren Einwirkungen geschützt werden müsste, noch musste die Beklagte davon auszugehen, dass ein USB-Stick als relativ leichter Gegenstand ohne scharfe Kanten den Briefumschlag von innen heraus zerstören könnte.

Ferner bestand keine Verpflichtung der Beklagten, den USB-Stick dem Kläger oder seiner Verlobten persönlich zu übergeben. Unstreitig wurde dies nicht durch den Kläger oder seine Ehefrau gefordert. Zudem bestand für die Beklagte - wie bereits ausgeführt - keine Veranlassung, an dem zuverlässigen Versand durch die Deutsche Post zu zweifeln.

dd) Der Kläger hat jedoch ohnehin nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihm und seiner Ehefrau ein konkreter immaterieller Schaden entstanden ist.

Für den - hier geltend gemachten - immateriellen Schadensersatz gelten dabei die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Es können für die Bemessung die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DSGVO herangezogen werden, bspw. die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung sowie die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt. Ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen ist damit nicht zu vereinbaren (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31) (vgl. LG Köln, Urteil vom 07.10.2020 - 28 O 71/20). Die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden ist daher nicht nur auf schwere Schäden beschränkt (vgl. LG Landshut, Urteil vom 06.11.2020 - 51 O 513/20).

Allein die - etwaige - Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 - 324 S 9/19). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (vgl. LG Landshut, Urteil vom 06.11.2020 - 51 O 513/20).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Kammer anhand des klägerischen Vortrags spürbare Beeinträchtigung von persönlichen Belangen des Klägers und seiner Ehefrau in keiner Weise feststellen.

Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass er und seine Ehefrau infolge des vermeintlichen Verlustes des USB-Sticks einen Kontrollverlust erlitten hätten. Weiter wird dies indes nicht ausgeführt. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Verlust eines USB-Sticks, auf dem sich ungesicherte persönliche und wirtschaftliche Informationen befinden, durchaus zu einem „unguten Gefühl“ führen kann. Der Kläger hat jedoch in keiner Weise vorgetragen, inwiefern sich für ihn bzw. seine Ehefrau eine ernsthafte Beeinträchtigung ergeben hat. Negative Auswirkungen des Verlustes haben sich nicht gezeigt -zumindest wurden sie weder vorgetragen noch ergeben sie sich aus den sonstigen Umständen des Falles. Es ist zudem völlig unklar, was mit dem USB-Stick passiert ist - unterstellt, er ist tatsächlich abhandengekommen. Negative Auswirkungen des behaupteten Verlustes - etwa in Form eines Identitätsdiebstahls oder ähnliches - müssten der Kläger und seine Ehefrau allenfalls befürchten, wenn der USB-Stick in die Hände eines Dritten gelangt ist. Ob das der Fall ist, ist völlig unklar. Genauso gut ist es möglich, dass der USB-Stick bei der Verarbeitung der Briefe im Bereich der Deutschen Post zerstört oder beschädigt wurde. Im klägerischen Schriftsatz vom 15.09.2021 ist die Rede von einer walzen- und rollenbetriebenen Sortieranlage der Deutschen Post. Insofern ist es durchaus wahrscheinlich, dass ein USB-Stick in dieser Sortieranlage beschädigt werden kann. In diesem Fall wäre es somit ausgeschlossen, dass ein unbefugter Dritter überhaupt an die Daten des Klägers und seiner Ehefrau gelangen könnte.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2021 (1 BvR 2853/19), in der es um die‚ Ablehnung eines immateriellen Schadensersatzanspruchs wegen fehlender Erheblichkeit ging, was „weder unmittelbar in der DSGVO angelegt [sei], noch von der Literatur befürwortet oder vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendet [werde]. Denn im vorliegenden Fall wurde nicht einmal eine spürbare Beeinträchtigung des Klägers und seiner Ehefrau vorgetragen. Über die Frage der Erheblichkeit musste die Kammer daher nicht entscheiden.

Im Übrigen hält die Kammer das Vorgehen des Klägers, außergerichtlich zunächst einen niedrigeren Schmerzensgeldbetrag zu fordern, unter Androhung, den Betrag zu erhöhen, falls ein gerichtliches Verfahren erforderlich werde, für äußerst befremdlich. Generell ist der vom Kläger geforderte Betrag deutlich übersetzt, wie insbesondere ein Vergleich mit Schmerzensgeldansprüchen wegen Körperverletzungen verdeutlicht, was insgesamt ein überbordendes Gewinnstreben des Klägers aufzeigt, hingegen nicht, dass er sich durch die behaupteten Vorgänge in irgendeiner Art und Weise persönlich beeinträchtigt sieht.

b) Ein Anspruch des Klägers folgt ferner nicht aus Schadensersatzgesichtspunkten. Sowohl vorvertragliche Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB) als auch deliktische Schadensersatzansprüche wegen einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) erfordern den Eintritt eines immateriellen Schadens, den der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat. Insofern wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen, die hier sinngemäß gelten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: NJW-Orange - Markeninhaber muss im Löschungsverfahren Umstände nachweisen aus denen sich der Bestand oder Fortbestand der Marke ergibt

BGH
Beschluss vom 22.07.2021
I ZB 16/20
NJW-Orange
MarkenG § 8 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass der Markeninhaber im Löschungsverfahren die Umstände nachweisen muss, aus denen sich der Bestand oder Fortbestand der Marke ergibt. Seine anderslautende frühere Rechtsprechung gibt der BGH ausdrücklich auf.

Leitsätze des BGH:

a) An der Rechtsprechung, wonach verbleibende Zweifel, ob ein Schutzhindernis im Eintragungszeitpunkt vorlag, zu Lasten des Antragstellers des Löschungsverfahrens und nicht des Markeninhabers gehen, hält der Senat nicht fest.

b) Es obliegt generell dem Markeninhaber, im Löschungsverfahren diejenigen Umstände nachzuweisen, aus denen sich der (Fort-)Bestand seiner Marke ergibt (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217/13 und C-218/13, GRUR 2014, 776 Rn. 70 - Oberbank u.a. [Farbmarke-Rot]; EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 - C-720/18 und C-721/18, GRUR 2020, 1301 - Ferrari [testarossa]).

BGH, Beschluss vom 22. Juli 2021 - I ZB 16/20 - Bundespatentgericht

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