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LG Karlsruhe: Eltern können für In-App-Käufe ihrer minderjährigen Kinder (hier: 33.748,00 EURO) nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht haften

LG Karlsruhe
Urteil vom 24.09.2025
2 O 64/23


Das LG Karlsruhe hat entscheiden, das Eltern für In-App-Käufe ihrer minderjährigen Kinder nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht haften können. Vorliegend ging es um 33.748,00 Euro.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Es ist gem. Art. 10 Abs. 1 Rom-II-VO i. V. m. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO deutsches Sachrecht anzuwenden.

Der Kläger macht Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend. Nach Art. 10 Abs. 1 Rom-II-VO ist insoweit das Recht maßgeblich, das für das Rechtsverhältnis gilt, mit dem der Bereicherungsanspruch in enger Verbindung steht. Als Rechtsverhältnis in diesem Sinne kommen selbst lediglich vermeintliche Vertragsbeziehungen in Betracht (vgl. MüKoBGB/Junker, 9. Aufl. 2025, Rom II-VO, Art. 10 Rn. 26; BeckOGK/Schinkels, Stand: 01.08.2018, Rom II-VO, Art. 10 Rn. 23), auch solche, deren Zustandekommen nach Rechtsscheingrundsätzen zwischen den Parteien in Streit steht.

Eine enge Verbindung besteht hier zu der Vertragsbeziehung für das Nutzerkonto, von dem aus die gegenständlichen Transaktionen unstreitig stattgefunden haben. Dieses Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 2) ist der Kläger eingegangen, indem er das Nutzerkonto auf der digitalen Vertriebsplattform unter Annahme der Vertragsbedingungen eröffnete und die ersten acht Einkäufe selbst tätigte. Hinsichtlich der weiteren, nach dem Vortrag des Klägers durch seinen Sohn veranlassten Transaktionen beruft sich der Kläger zwar darauf, die Verträge nicht abgeschlossen zu haben. Insoweit liegt jedoch ein zumindest vermeintliches Vertragsverhältnis zugrunde.

Da das nach Art. 10 Abs. 1 Rom-II-VO maßgebliche Vertragsstatut nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO zu bestimmen ist, unterliegen diese Rechtsverhältnisse dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet. Der Kläger hatte im maßgeblichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und die Beklagte zu 2) richtete den Betrieb ihrer digitalen Vertriebsplattform auch auf den deutschen Markt aus.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 33.748,00 Euro aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

a) Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 30.08.2019 bis zum 22.07.2020 getätigten acht Käufe im Gesamtwert von 47,92 Euro liegt der Rechtsgrund für die Leistungen in dem jeweiligen Kaufvertrag über die digitalen Inhalte. Der Kläger hat insoweit eingeräumt, diese Käufe selbst getätigt zu haben.

b) Für die vom 02.02.2021 bis zum 21.09.2022 getätigten weiteren 1.210 Einkäufe geleisteten mindestens 33.748,00 Euro besteht der Rechtsgrund ebenfalls in dem jeweiligen Kaufvertrag über digitale Inhalte. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist in Bezug auf diese In-App-Käufe nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht ein Kaufvertrag zustandegekommen, indem der Sohn des Klägers die Käufe über dessen Nutzerkonto auf der Vertriebsplattform der Beklagten zu 2) getätigt hat.

aa) Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 289/09 –, BGHZ 189, 346-356, Rn. 16, juris m. w. N.). Allerdings greifen die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten des einen Teils, aus dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung des Dritten glaubt schließen zu können, von einer gewissen Dauer und Häufigkeit ist (BGH a. a. O., Rn. 18 m. w. N.), selbst wenn das jeweilige genutzte Konto – wie hier – an sich auch so eindeutig zugeordnet und durch Passwort gesichert ist (BGH a. a. O.; vgl. zum teilweise herangezogenen § 172 BGB analog bei Oechsler, AcP 208 (2008), 565 (577 ff.)).

bb) So liegt es hier.

(1) Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Sohn des Klägers die Bestellungen über das Nutzerkonto des Klägers vorgenommen hat.

Der Kläger hat die jeweiligen kostenpflichtigen digitalen Inhalte zur Überzeugung des Gerichts nicht selbst erworben. Er hat auch weder seinen Sohn als Stellvertreter gem. §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt noch die Geschäfte gem. § 184 Abs. 1 BGB nachträglich genehmigt. Vielmehr hat der im Zeitraum dieser Käufe zwischen sieben und achteinhalb Jahre alte Sohn des Klägers nach Überzeugung des Gerichts ohne Wissen und Bevollmächtigung des Vaters die digitalen Inhalte erworben.

Diese Überzeugung stützt sich auf die glaubhafte Aussage des Sohnes des Klägers sowie auf die informatorische Anhörung des Klägers.

Die Aussage des Sohnes ist glaubhaft, auch wenn er im maßgeblichen Zeitraum noch sehr jung war und die Vorgänge bereits lange zurücklagen. Der Sohn räumte Wissenslücken offen ein, schilderte einzelne Vorgänge erlebnisbasiert und verband sie mit eigenen starken Emotionen in Schlüsselmomenten. Auch Nebensächlichkeiten gab er frei und ohne erkennbaren Zweck wieder.

Die Glaubhaftigkeit der Angaben in der informatorischen Anhörung des Klägers folgt auch daraus, dass dieser die Vorgänge lebensnah beschrieben hat und seine Darstellung mit prägenden äußeren Ereignissen wie der Trennung von seiner damaligen Ehefrau und den damit verbundenen Umständen wie dem Umzug seiner Familie verknüpfte.

Das Gericht ist auch von der Glaubwürdigkeit beider Personen überzeugt. Hierfür spricht, dass sowohl der Sohn als auch der Kläger jeweils auch für sie selbst erkennbar potenziell nachteilige Umstände oder Erinnerungslücken selbst einräumten und beide in ihrer freien Schilderung zu keinem Zeitpunkt prozesstaktisch motiviert wirkten.

Der Einwand der Beklagten, die Uhrzeiten der dargelegten Belastungen der Kreditkarte, unter anderem zur Nachtzeit, sprächen dagegen, dass eine Person im Alter des Sohnes des Klägers die Käufe getätigt habe, steht dem nicht entgegen. Denn zum einen ist offengeblieben, ob die Belastung der hinterlegten Zahlungsmethode zu derselben Uhrzeit erfolgte wie der Erwerb der digitalen Inhalte. Zum anderen wäre bei der überschaubaren Anzahl an Käufen zu ungewöhnlichen Zeiten denkbar, dass sich der Sohn des Klägers punktuell auch zu untunlichen Zeiten Zugriff auf das Tablet verschafft hat.

(2) Die abgegebenen Erklärungen des Sohnes des Klägers im Rahmen der Benutzung des Kontos sind dem Kläger nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen.

(aa) Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) jedenfalls den Rechtsschein gesetzt, dass der jeweilige Kontonutzer des gegenständlichen Nutzerkontos auf der Vertriebsplattform für digitale Inhalte der Beklagten zu 2) auf dem Tablet mit der Kreditkarte als hinterlegtem Zahlungsmittel Käufe im Namen des Klägers veranlassen darf.

Der Kläger hat selbst den Zugang zu Käufen unter seinem Namen bei der Beklagten zu 2) ermöglicht, indem er bei dieser zunächst ein Nutzerkonto für die App-Einkäufe eingerichtet und seine Kreditkartendaten dort hinterlegt sowie zusätzlich auch noch die ersten acht Käufe selbst mit seinem Sohn getätigt hat. Der Rechtsschein ergibt sich auch aus der Gestaltung der Nutzungsbedingungen der Beklagten zu 2), die vollständig an die Inhaberschaft des Kontos anknüpfen.

Den Rechtsschein hat der Kläger auch nicht dadurch entkräftet, dass er mittels Guthaben als Zahlungsmittel oder mittels eingerichtetem Budget zumindest die Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Verwendung des Nutzerkontos offenkundig gemacht hätte. Der Rechtsschein, die Transaktionen würden durch den Kläger vorgenommen, wurde auch dadurch gesetzt, dass sowohl die Quittungen für Käufe als auch die Abbuchungen im gesamten Zeitraum gegenüber der Beklagten zu 2) unbeanstandet blieben.

Dem gesetzten Rechtsschein steht nicht entgegen, dass der Sohn des Klägers durch Nutzung des Kontos des Klägers bei der Beklagten zu 2) den Eindruck erweckt hat, nicht er als Bevollmächtigter des Klägers, sondern der Kläger selbst würde die Käufe tätigen. Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, sind unverändert die Regeln über die Stellvertretung und auch die Grundsätze der Anscheinsvollmacht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 289/09 –, BGHZ 189, 346-356, Rn. 12 m. w. N., juris). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz ist ohne Weiteres auf die Verwendung von Nutzerkonten bei Marktplätzen für digitale Inhalte durch Dritte übertragbar, da in diesen Fällen regelmäßig eine falsche Vorstellung über die Identität des unter einem fremden Nutzerkonto Handelnden erzeugt wird.

(bb) Das dem Rechtsschein zugrundeliegende Verhalten war auch von gewisser Dauer und Häufigkeit.

Der Sohn des Klägers hat über den ungewöhnlich langen Zeitraum von rund 20 Monaten mehr als tausend Einzelkäufe mit einem Volumen von mitunter mehreren tausend Euro monatlich über das Konto des Klägers getätigt. Dieser Fall ist nicht mit der bloß kurzzeitigen unautorisierten Verwendung von Nutzerkonten für App-Käufe durch Dritte zu vergleichen, die regelmäßig noch keinen zurechenbaren Rechtsschein zu Lasten des Inhabers des Nutzerkontos begründet. Denn die unbeanstandete Verwendung eines Nutzerkontos auf einer Vertriebsplattform für digitale Inhalte über einen so langen Zeitraum und mit einer derart hohen Anzahl an Transaktionen und Transaktionsvolumen wie hier begründet zweifellos einen Rechtsschein gegenüber dem Plattformbetreiber.

(cc) Der Kläger hat den Rechtsschein auch schuldhaft mitverursacht. Dies setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können (st. Rspr., BGH, Urteil vom 6. April 2017 – III ZR 368/16 –, BGHZ 214, 324-340, Rn. 35, juris; BGH, Urteil vom 16. März 2006 – III ZR 152/05 –, BGHZ 166, 369-383, Rn. 17, juris m. w. N.).

Der Kläger ist selbst seit vielen Jahren im Bereich der Softwareentwicklung tätig und mit den Diensten der Beklagten auch beruflich vertraut. Gleichwohl hat er seinem Sohn ursprünglich Zugang zu seinem Nutzerkonto mit hinterlegter Kreditkarte verschafft, anstatt auf ein begrenztes Guthaben zurückzugreifen, ein Budget einzurichten oder weitere Sicherheitsmerkmale einzurichten. Zudem tätigte der Kläger selbst die ersten Einkäufe mit seinem Sohn und hätte dabei erkennen müssen, dass der Erwerb digitaler Inhalte dann auch für seinen Sohn ohne Schwierigkeiten durchzuführen war.

Der Kläger hat zwar nach eigenen Angaben darauf vertraut, sein Sohn werde die vereinbarten Nutzungsregeln einhalten. Angesichts der Gesamtumstände hätte er dessen Handeln jedoch bei pflichtgemäßer Sorgfalt ohne Weiteres erkennen und verhindern können.

Denn es kommt hinzu, dass der Kläger die für das Konto hinterlegte E-Mail-Adresse über Jahre nicht überprüfte, obwohl nach den glaubhaften Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlungen Quittungen für sämtliche Käufe dorthin versandt wurden. Damit ließ er eine weitere elementare Kontrollmöglichkeit ungenutzt. Auch die nach den Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 2) aktivierbares Budget für Einkäufe nutzte er nicht. Ebenso wenig nutzte er die Möglichkeit, für seinen Sohn ein eigenes Kinderkonto im Rahmen einer Familiengruppe einzurichten, in dem Kaufgenehmigungen und Jugendschutzeinstellungen vorgesehen sind.

Schließlich unterließ er es, seine Kreditkartenabrechnungen regelmäßig zu prüfen, obwohl dieses Zahlungsmittel über fast 20 Monate hinweg mehrfach mit jeweils mehrere tausend Euro belastet wurde. Der Einwand, es seien parallel auch Zahlungen für Werbeanzeigen bei der Beklagten zu 2) für sein Unternehmen erfolgt, weswegen er bei entsprechenden Abbuchungen nicht misstrauisch geworden sei, greift nicht durch. Diese Zahlungen für Werbeanzeigen lagen selbst nach seinen eigenen Angaben allenfalls über den gesamten Zeitraum im Bereich weniger hundert Euro insgesamt.

Auch die vom Kläger vorgebrachten persönlichen Umstände im maßgeblichen Zeitraum, wie das Vertrauen auf die Absprache mit seinem Sohn, die Trennung von seiner Ehefrau mit dem Umzug der Kinder und seine wiederkehrenden beruflichen Auslandsaufenthalte, ändern nichts an der schuldhaften Mitverursachung des Rechtsscheins. Die versäumten Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen hätten keine ständige Anwesenheit des Klägers bei seinem Sohn erfordert. Mit einem einzelnen Zugriff auf das Tablet wäre es möglich gewesen, Zahlungsmittel zu entfernen oder Sicherungsmaßnahmen einzurichten. Die E-Mail-Quittungen und Kreditkartendaten hätte der Kläger selbst im Ausland einsehen können. Ebenso wenig genügt es, dass er seinen Sohn nach seinem Vortrag anwies, ohne Erlaubnis keine Käufe mehr zu tätigen. Bei einem sieben- bis achteinhalbjährigen Kind ist das allein erkennbar keine hinreichende Sicherungsmaßnahme, zumal unter den vom Kläger selbst dargelegten familiären Umständen im gegenständlichen Zeitraum. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, er sei von einer stets erforderlichen Sicherheitsabfrage vor dem Erwerb digitaler Inhalte ausgegangen. Er hatte selbst die ersten Käufe mit seinem Sohn getätigt und wusste daher, dass eine solche Abfrage nicht erfolgte.

(dd) Die Beklagte zu 2) durfte auch darauf vertrauen, dass die Käufe vom Kläger gebilligt waren.

Nach Treu und Glauben darf ein Geschäftsgegner annehmen, der Handelnde sei bevollmächtigt, sofern er keine Anhaltspunkte für das Gegenteil hat (BGH, Urteil vom 6. April 2017 – III ZR 368/16 –, BGHZ 214, 324-340, Rn. 35, juris; MüKoBGB/Schubert, 10. Aufl. 2025, § 167 Rn. 143 unter Verweis auf § 173 BGB analog). Gutgläubig ist er, wenn er weder wusste noch wissen musste, dass das Geschäft nicht vom Kontoinhaber oder einem Bevollmächtigten vorgenommen wurde.

Bei anonymen Massengeschäften wie solchen auf Online-Marktplätzen für digitale Inhalte können Anbieter nicht erkennen, welche Person tatsächlich hinter einem Nutzerkonto handelt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein ist bei derartigen Diensten daher richtigerweise ohnehin nicht das Vertrauen des Plattformbetreibers auf die Vertretungsmacht des handelnden Nutzers, sondern die Annahme, dass die jeweilige Person, unter deren Nutzerkennung gehandelt wird, die Einkäufe und damit einhergehende Verbindlichkeiten autorisiert (vgl. ähnlich zu Telefondiensten Zimmermann, MMR 2017, 470 (473)).

Im Übrigen deuteten weder die Art der heruntergeladenen Spiele noch die Inhalte der In-App-Käufe hier auf eine Nutzung ausschließlich durch Minderjährige hin. Für die Beklagte war daher objektiv nicht erkennbar, dass ein Kind statt des volljährigen Kontoinhabers handelte. Selbst wenn dem anders gewesen wäre, hätte die Beklagte zu 2) allein aus typischen digitalen Inhalten für Minderjährige auch noch nicht schließen können, dass deren Sorgeberechtigte den Erwerb nicht billigten.

(ee) Der Rechtsschein war auch für die jeweiligen Vertragsabschlüsse ursächlich. Die Beklagte zu 2) hat die erworbenen digitalen Inhalte dem Nutzerkonto zur Verfügung gestellt und den jeweils zugrunde liegenden Kaufvertrag zuvor nur abgeschlossen, weil die Bestellungen vom mit seinem Zahlungsmittel hinterlegten Nutzerkonto des Klägers aus erfolgten.

cc) Die Minderjährigkeit des Sohnes des Klägers veranlasst nicht, im vorliegenden Fall von den dargelegten Grundsätzen abzuweichen.

Zwar kann die Zurechnung des Rechtsscheins ausscheiden, wenn es dem Vertretenen an der Geschäftsfähigkeit fehlt (MüKoBGB/Schubert, 10. Aufl. 2025, BGB § 167 Rn. 130). Im maßgeblichen Zeitraum seines nicht vom Kläger gebilligten Handelns war der Sohn des Klägers jedoch bereits älter als sieben Jahre und damit zumindest beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 104 Nr. 1 BGB. Entscheidend ist außerdem nicht die Geschäftsfähigkeit des Vertreters, sondern die des Vertretenen. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des § 165 BGB, wonach die Wirksamkeit von Erklärungen im Stellvertretungsrecht nicht davon abhängt, ob der Vertreter unbeschränkt geschäftsfähig ist. Auch im Rahmen der Rechtsscheingrundsätze belastet die Zurechnung allein den volljährigen Vertretenen, hier den Kläger, und der Schutz des minderjährigen Vertreters, hier des Sohnes, wird dadurch nicht beeinträchtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Angabe von Zustandsnoten beim Verkauf eines Oldtimers stellt regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Zustand des Fahrzeugs dar

BGH
Urteil vom 23.07.2025
VIII ZR 240/24


Der BGH hat entschieden, dass die Angabe von Zustandsnoten beim Verkauf eines Oldtimers regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Zustand des Fahrzeugs darstellt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Bedeutung der Angabe von Zustandsnoten beim Kauf eines Oldtimers

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass im Bereich des Kaufs von Oldtimern bei der Angabe einer Zustandsnote in dem Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) auszugehen ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster des Baujahrs 1973, der über eine H-Zulassung verfügte. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben. Zudem wurde auf die zwölfjährige Besitzzeit des Beklagten, den technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs und die fortlaufend durchgeführten Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen hingewiesen. In dem nachfolgenden Kaufvertrag zwischen den Parteien, in dem die Sachmängelgewährleistung unter anderem mit einer Ausnahme für die Haftung bei Beschaffenheitsvereinbarungen ausgeschlossen worden war, hieß es: "Der Käufer erklärt Folgendes verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs: - siehe Gutachten - Note 2-3".

Bei Vertragsschluss lagen dem Kläger bezüglich des Fahrzeugs ein Gutachten aus dem Jahr 2011 und eines aus dem Jahr 2017 vor. Das erstgenannte Gutachten wies für das Fahrzeug eine Zustandsnote von "2,0" aus, das letztgenannte Gutachten eine solche von "3-".

Anfang des Jahres 2022 stellte der Kläger das Fahrzeug bei dem TÜV zur Hauptuntersuchung vor. Dieser lehnte die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel ab, unter anderem wegen einer an verschiedenen Stellen korrosionsgeschwächten Bodengruppe, mehrfach durchgerosteten Schwellern und einem durchgerosteten Radhaus hinten links und rechts.

Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger den Rücktritt von dem Kaufvertrag. Mit seiner Klage verlangt er von dem Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz von Aufwendungen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe den geltend gemachten Ansprüchen der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Zwar gelte dieser nicht im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung. Die Parteien hätten jedoch eine Beschaffenheit des Fahrzeugs dahingehend, dass dieses einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise, nicht vereinbart. Der Beklagte habe mit dem der Angabe "2-3" beigefügten Zusatz "siehe Gutachten" zum Ausdruck gebracht, woher er diese Angabe entnommen habe und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handele. Angesichts dessen habe der Kläger nicht erwarten können, dass der Beklagte die Haftung für die Richtigkeit der Angabe habe übernehmen und für die Folgen des Fehlens der betreffenden Eigenschaft habe einstehen wollen. Die Vereinbarung einer Zustandsnote von "2-3" habe sich auf den Inhalt der in Bezug genommenen Gutachten aus den Jahren 2011 und 2017 beschränkt. Der Angabe der Zustandsnote in der Verkaufsanzeige komme deshalb keine eigenständige Bedeutung mehr zu, weil die Parteien diese in dem Kaufvertrag durch die Bezugnahme auf die Gutachten modifiziert hätten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass hier eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF dahingehend vorlag, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand, also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien, aufweist.

Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der - nach beiden Seiten hin interessengerechten - Vertragsauslegung. Im Bereich des Kaufs von Oldtimern ist bei dieser Auslegung die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten zu berücksichtigen. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs. Dementsprechend kommt der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers grundsätzlich die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befindet und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehmen will. Es ist deshalb regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen, wenn in den Vertragsunterlagen im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers eine Zustandsnote angegeben ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die verbindliche Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands sprechen.

Derartige Umstände lagen hier nicht vor. Im Gegenteil bestätigen der weitere Inhalt des Kaufvertrags und die sonstigen Umstände seines Abschlusses das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung. Hiernach sollte die Angabe der Zustandsnote "2-3" verbindlich sein. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit der Angabe der Zustandsnote "2-3" in dem Kaufvertrag war nicht dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte hiermit lediglich auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und damit zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte. Denn zum einen entsprach die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten, noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten, sondern übertraf diesen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte einen gegenüber dem letzten Gutachten verbesserten Zustand zusagen wollte. Zum anderen enthielt die Erklärung des Beklagten in dem Kaufvertrag nach objektivem Empfängerhorizont eine Angabe zum aktuellen Fahrzeugzustand, der für die Kaufentscheidung grundsätzlich ausschlaggebend ist. Die Gutachten bezogen sich jedoch auf weit zurückliegende Zeitpunkte. Die Erklärung des Beklagten zum Fahrzeugzustand ging demnach über den Inhalt der Gutachten hinaus und stellte damit keine reine Mitteilung fremden Wissens dar.

Die bei der gebotenen Betrachtung der Gesamtumstände hier für die Auslegung des Kaufvertrages ebenfalls heranzuziehende Verkaufsanzeige stützt dieses Auslegungsergebnis. Denn dort hat der Beklagte aufgezeigt, dass er den Zustand des Fahrzeugs seit zwölf Jahren aus eigener Anschauung kannte und das Fahrzeug fortlaufend durch Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in dem von ihm behaupteten guten Zustand erhalten hat. Vor diesem Hintergrund konnte die Aussage in dem Kaufvertrag, das Fahrzeug weise einen Zustand von "2-3" auf, erst recht nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit den Ist-Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs beschreiben und hierfür auch die Gewähr übernehmen wollte.

Da somit eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich eines Fahrzeugzustands von "2-3" vorlag, konnte sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Für die Entscheidung kommt es mithin darauf an, ob das Fahrzeug sich entsprechend der Beschaffenheitsvereinbarung in einem im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" entsprechenden Erhaltungszustand befand. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat deshalb das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - 311 O 62/23 - Urteil vom 5. September 2023

OLG Hamburg - 5 U 102/23 - Urteil vom 18. Oktober 2024

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung)

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

[…]

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

[…]

2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten […] und

3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.


LG Frankenthal: Kein gutgläubiger Erwerb beim Gebrauchtwagenkauf trotz Vorlage des Fahrzeugbriefs wenn andere Umstände betrügerisches Handlen nahelegen

LG Frankenthal
Urteil vom 03.04.2025
3 O 388/24


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass kein gutgläubiger Erwerb beim Gebrauchtwagenkauf trotz Vorlage des Fahrzeugbriefs anzunehmen ist, wenn andere Umstände ein betrügerisches Handeln nahelegen

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Gebrauchtwagenkauf: Fahrzeugbrief nicht in jedem Fall für guten Glauben ausreichend

Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, so kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts in einem aktuellen Urteil entschieden und die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war.

Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer, einem Mann aus Frankenthal, zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter. Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betruges Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nunmehr umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.

Dieser Argumentation folgte der Richter nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war. Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingelegt worden.

Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 03.04.2025 – 3 O 388/24


AG München: Bewerbung einer Autofelge bei eBay als "Neu, aus Demontage" bedeutet nicht "neu" im Sinne von "völlig unbenutzt"

AG München
Urteil vom 28.02.2024
161 C 23096/23


Das AG München hat entschieden, dass die Bewerbung einer Autofelge bei eBay als "Neu, aus Demontage" nicht "neu" im Sinne von "völlig unbenutzt" bedeutet.

Pressemitteilung des Gerichts:
Streit um BMW-Felge

Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, vollkommen unbenutzten Felge.

Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, vollkommen unbenutzten Felge. Der Kläger erwarb über eBay im November 2023 von dem Beklagten, einem gewerblichen Händler, eine original BMW-Felge zum Preis von 199,11 Euro. Der Verkäufer versandte in der Folge die Felge jedoch nicht, sondern erstattete den Kaufpreis zurück. Der Kläger setzte dem Verkäufer dennoch eine Frist zur Lieferung der Felge. Nachdem die Frist verstrichen war, kaufte sich der Kläger bei einem BMW-Vertragshändler eine neue Felge zu einem höheren Preis und verlangte von dem Beklagten die Erstattung der Mehrkosten in Höhe von 154,26 €.

In eBay war die Felge mit dem Artikelzustand „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“ eingestellt. In der Artikelbeschreibung hieß es „eine neue Felge, aus der Demontage - Felge ist NEU“. In den allgemeinen Artikelzustandsbeschreibungen hieß es zur gewählten Kategorie weiterführend u.a.: „Ein Artikel in hervorragendem Zustand, wie neu und ohne Gebrauchsspuren.“

Das Gericht wies die Klage ab. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Mehrkosten könne nur dann bestehen, wenn der nachträglich erworbene Gegenstand gleichwertig sei. Dies war nach Einschätzung des Gerichts jedoch nicht der Fall:

„Hier liegt kein gleichwertiges Deckungsgeschäft vor. […]

Die Parteien [wurden sich] hier über eine neuwertige Felge einig, die – wie ausdrücklich im Angebot bezeichnet – aus einer Demontage stammte, mithin bereits montiert und demontiert wurde. […] Gerade nicht geeinigt haben sich die Parteien hingegen, wie der Kläger meint, über eine neue, vollkommen unbenutzte Felge. Dies schließt bereits die Formulierung „aus der Demontage“ in der Artikelbeschreibung aus. Zudem war die Felge nicht in der Kategorie „Neu“ eingestellt, die auf der Plattform eBay ebenfalls zur Verfügung steht, sondern in der Kategorie „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“, in der neuwertige Waren gehandelt werden, bei denen es sich jedoch nicht um Neuware im engeren Sinne handelt. Dass auf der Plattform eBay auch (wenn nicht sogar weit überwiegend) gebrauchte Waren zum Kauf angeboten werden, ist für den durchschnittlichen Nutzer auch nicht überraschend, sondern dürfte im Regelfall gerade der Grund sein, warum die Plattform - u.a. für die Suche nach einem „Schnäppchen“ im Vergleich zum sonstigen Preis - überhaupt genutzt wird. […]

Neue Felgen und Felgen aus der Demontage fallen ersichtlich nicht in die gleiche Warenkategorie. Neue Felgen werden zu Neupreisen gehandelt, es handelt sich um völlig unbenutzte Neuware, in der Regel mit der entsprechenden Verkäufer- bzw. Herstellergarantie. Felgen aus der Demontage wurden - wie die eindeutige Bezeichnung verrät - bereits einmal montiert und demontiert, was auch bei sonstiger Neuwertigkeit einer Felge deren Marktwert bereits erheblich senkt.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 28.02.2024
Aktenzeichen: 161 C 23096/23
Das Urteil ist rechtskräftig.


OLG Zweibrücken: Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche kann unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen - Kunde muss nur Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen

OLG Zweibrücken
Hinweisbeschluss vom 25.06.2024
5 U 38/23


Das OLG Zweibrücken führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass eine Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche eine unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen kann. Dies hat zur Folge, dass der Kunde nur den Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Aus der Rechtsprechung: Das Pfälzische Oberlandesgericht stärkt die Rechte der Kunden beim Einbauküchenkauf

Der 5. Zivilsenat des Pfälzische Oberlandesgerichts hat eine Klausel für unzulässig erachtet, nach der sich der Preis für die Lieferung und Montage einer Einbauküche (nur) dann um über 20 % reduziert, wenn der Kunde den reduzierten Küchengesamtpreis bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung zahlt.

Ein Ehepaar aus der Vorderpfalz bestellte bei einem in Baden-Württemberg ansässigen Küchenstudio eine Einbauküche nebst Elektrogeräten für ihr Wohnhaus. In der Auftragsbestätigung wies das Küchenstudio einen Gesamtpreis in der Größenordnung von 70.000,- € sowie einen „Skontobetrag“ von über 15.000,- € aus für den Fall der vollständigen Zahlung bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung. Bei Lieferung und Montage der Küche erhielten die Kunden eine Rechnung, die auf ihren Hinweis unter anderem bei der Höhe der Mehrwertsteuer korrigiert wurde. Etwa eine Woche nach Erhalt der korrigierten Rechnung überwiesen sie den um das „Skonto“ reduzierten Rechnungsbetrag bis auf einen Restbetrag in Höhe von knapp 3.000,- € unter Verweis auf eine noch nicht erledigte Aufgabe. Wenige Tage später wiesen sie auch diesen Betrag an, nachdem das Küchenstudio ihnen mitgeteilt hatte, der Skontoabzug setze eine vollständige Zahlung voraus. In der Folge kam es zu Mängelrügen der Kunden und Nachbesserungsarbeiten des Küchenstudios. Etwa drei Monate nach der ersten Rechnung stellte das Studio den Kunden einen weiteren Betrag über etwa 1.000,- € in Rechnung für Arbeiten, die bei Montage der Küche erledigt worden waren. Diesen Betrag sowie den von den Kunden in Abzug gebrachten „Skontobetrag“ klagte das Küchenstudio ein. Das Landgericht wies die Klage des Küchenstudios mit der Begründung ab, die verwendete Klausel sei unwirksam und ein mündlicher Zusatzauftrag nicht erwiesen.

Der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken bestätigte in einem Hinweisbeschluss die erstinstanzliche Entscheidung. Die Zahlungsbedingung „fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung“ sei aus mehreren voneinander unabhängigen Gründen unzulässig. So bestehe für den Kunden keine Möglichkeit, die Zahlung aufgrund von Mängeln (teilweise) zurückzuhalten, möchte er sich nicht der Forderung des höheren Preises aussetzen. Bei Zahlung am selben Tag sei auch keine angemessene Zeit zur Prüfung, ob die Leistung vertragsgerecht erbracht und die Rechnung ordnungsgemäß gestellt worden sei, gegeben. Ferner sei eine Bar- oder Sofortzahlung über mehrere Zehntausend Euro dem Kunden nicht zumutbar. Schließlich sei der „Skontobetrag“ aufgrund seines Umfangs und im Verhältnis zum Gesamtküchenpreis als unzulässige Vertragsstrafe zu werten. Denn branchenüblich sei ein Skonto von lediglich 1 % bis 3 %. In Anbetracht der Unwirksamkeit der Klausel schulde der Kunde lediglich den als „Sonderpreis“ vereinbarten Betrag („Gesamtpreis“ abzüglich „Skontobetrag“). Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats nahm das Küchenstudio seine Berufung zurück.

Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal in der Pfalz, Urteil vom 24.03.2023, Az. 9 O 45/21
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 25.06.2024, Az. 5 U 38/23


BGH: Deutscher Verbraucher hat Widerrufsrecht bei "Teakinvestment"-Vertrag über Teakbäume in Costa Rica mit Unternehmen in der Schweiz bei Vertragsschluss über Fernkommunikationsmittel

BGH
Urteil vom 15.05.2024
VIII ZR 226/22

Der BGH hat entschieden, dass ein in Deutschland wohnhafter Verbraucher ein Widerrufsrecht bei einem über Fernkommunikationsmittel geschlossenen "Teakinvestment"-Vertrag über Teakbäume in Costa Rica mit einem Unternehmen in der Schweiz hat

Die Pressemitteilung des BGH:
Zum Widerrufsrecht eines in Deutschland wohnhaften Verbrauchers bei Abschluss von "Kauf- und Dienstleistungsverträgen" über Teakbäume in Costa Rica mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen über Fernkommunikationsmittel ohne Widerrufsbelehrung

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass einem in Deutschland wohnhaften Verbraucher hinsichtlich über Fernkommunikationsmittel mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen ohne Widerrufsbelehrung abgeschlossener "Kauf- und Dienstleistungsverträge" über Teakbäume in Costa Rica ein Widerrufsrecht zusteht und dass dieses nicht zeitlich befristet ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, bot über ihre Internet-Homepage Interessenten den Ankauf von Teakbäumen auf Plantagen in Costa Rica an, um nach Jahren mit dem Verkauf des Holzes dieser Bäume eine Rendite zu erzielen ("Teakinvestment - Das natürliche Kraftpaket für ihr Portfolio"). Zusätzlich offerierte die Beklagte ihren Kunden, die erworbenen Bäume während der Laufzeit des Vertrages zu bewirtschaften, zu verwalten, zu schlagen, auszuforsten, zu ernten und zu verkaufen.

Der in Deutschland wohnhafte Kläger schloss in den Jahren 2010 und 2013 mit der Beklagten über Fernkommunikationsmittel jeweils einen "Kauf- und Dienstleistungsvertrag" über 800 beziehungsweise 600 Teakbäume für 37.200 € beziehungsweise 44.000 € mit einer Laufzeit von 17 beziehungsweise 14 Jahren. In den AGB der Beklagten ist bestimmt, das Vertragswerk unterstehe Schweizer Recht und Streitigkeiten unterstünden einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz der Beklagten in der Schweiz; weiterhin wird die Anwendung des Wiener Kaufrechts (CISG) ausdrücklich ausgeschlossen. Über etwaige Widerrufsrechte wurde der Kläger nicht belehrt.

Spätestens mit der Klageschrift vom August 2020 hat der Kläger seine auf die beiden Vertragsabschlüsse gerichteten Willenserklärungen widerrufen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die insbesondere auf die Rückzahlung der Entgelte abzüglich der bereits erhaltenen Holzerlöse (1.604,86 € beziehungsweise 2.467,07 €), insgesamt also auf Zahlung von 35.595,14 € beziehungsweise 41.532,93 €, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte des Klägers aus den Verträgen, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen, nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB zusteht.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit folgt aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (im Folgenden: LugÜ II). Der Kläger hat in Bezug auf die Verträge vorliegend als Verbraucher gehandelt und die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auf Deutschland ausgerichtet. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Regelung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten in der Schweiz ist nach Art. 17 LugÜ II unwirksam.

Die streitgegenständlichen Verträge unterliegen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO dem materiellen deutschen Recht; Art. 6 Abs. 4 Buchst. a und c Rom I-VO sind nicht einschlägig. Der Anwendbarkeit des materiellen deutschen Rechts steht die von den Parteien in Ziffer 27 der AGB gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO getroffene Wahl des Schweizer Rechts nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Rechtswahlklausel überhaupt wirksam ist, denn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf sämtliche im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen ergibt sich unter den hier gegebenen Umständen bereits aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO verankerten Günstigkeitsprinzip.

Dem Kläger stand nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB aF ein Widerrufsrecht zu, das nicht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen ist. Für die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift ist maßgeblich, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Vorliegend geht es jedoch um eine langfristige Investition, der nur mittelbar spekulativer Charakter zukommt. Soweit § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF auf Preisschwankungen innerhalb der Widerrufsfrist abstellt, richtet sich deren Länge insoweit nach der vom Gesetz für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist von 14 Tagen.

Der Kläger hat das Widerrufsrecht auch wirksam ausgeübt; insbesondere war mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über sein Widerrufsrecht die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen.

Bei den vorliegenden Verträgen handelt es sich um Finanzdienstleistungsverträge im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF. Das Widerrufsrecht des Klägers ist deshalb nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 4) EGBGB zu dem dort genannten Zeitpunkt erloschen. Der Begriff der Finanzdienstleistung ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Geldanlage nur vorliegt, wenn Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Definition der Finanzdienstleistung aus Art. 2 Buchst. b RL 2002/65/EG (Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie) übernommen, so dass für die Ausfüllung des Begriffs auf das unionsrechtliche Verständnis zurückzugreifen ist. Zwar stellten nach dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission Direktinvestitionen in Sachgüter keine Finanzdienstleistung dar. Im weiteren europäischen Gesetzgebungsverfahren wurde der Begriff der Finanzdienstleistung jedoch bewusst weit gefasst und erstreckt sich nunmehr auch auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Geldanlage.

Ob dabei bereits der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage als Finanzdienstleistung angesehen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die hier durch die "Kauf- und Dienstleistungsverträge" begründeten Pflichten der Beklagten sowie die zu Grunde liegende Interessenlage der Parteien unterscheiden sich wesentlich von denjenigen eines reinen Verkaufs von Sachgütern und rechtfertigen die Qualifikation des Gesamtvertrags als Finanzdienstleistung.

Zum einen besteht nach der Gesamtkonzeption des von der Beklagten einheitlich angebotenen "Teakinvestments" die aus der Sicht des Verbrauchers wesentliche Leistung der Beklagten ersichtlich nicht in der für einen reinen Erwerb von Sachgütern charakteristischen Verschaffung des Eigentums an den Bäumen, sondern in den zur Realisierung einer Rendite aus dem Investment bei lebensnaher Betrachtung erforderlichen Dienstleistungen der Beklagten, insbesondere der Verwertung der Bäume am Ende der Vertragslaufzeit.

Zum anderen verfolgt die Beklagte als Anbieterin des "Teakinvestments" mit der von ihr angestrebten Bündelung von Anlegerkapital und der jahrelangen Vertragslaufzeit ein Konzept, das über den reinen - auch institutionalisierten - Verkauf von Sachgütern hinaus Parallelen beispielsweise zu einem Sachwertefonds aufweist.

Vorinstanzen:

LG Köln - 21 O 345/20 - Urteil vom 30. November 2021

OLG Köln - 24 U 2/22 - Urteil vom 22. September 2022, veröffentlicht in juris

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 346 Wirkungen des Rücktritts

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

[…]

§ 312b Fernabsatzverträge (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

[…]

§ 312d Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. […]

[…]

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen

[…]

6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten, oder

[…]

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt wird. Bei Fernabsatzverträgen steht eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher gemäß Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Wird die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher nach dem gemäß Satz 1 oder Satz 2 maßgeblichen Zeitpunkt mitgeteilt, beträgt die Widerrufsfrist einen Monat. Dies gilt auch dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher über das Widerrufsrecht gemäß Artikel 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu einem späteren als dem in Satz 1 oder Satz 2 genannten Zeitpunkt unterrichten darf.

(3) Die Widerrufsfrist beginnt, wenn dem Verbraucher eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.

(4) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Diese Frist beginnt bei der Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger. Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht entsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß Artikel 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 1 bis 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

§ 357 Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. […]

[…]

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Artikel 229 § 32 Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung

[…]

(2) Solange der Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag, der vor dem 13. Juni 2014 geschlossen wurde, nicht oder nicht entsprechend den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist und solange das Widerrufsrecht aus diesem Grunde nicht erloschen ist, erlischt das Widerrufsrecht

[…]

3. bei Dienstleistungen: mit Ablauf des 27. Juni 2015.

(4) Die Absätze 2 und 3 sind nicht anwendbar auf Verträge über Finanzdienstleistungen. […]

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)

Artikel 6 Verbraucherverträge

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer

a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet

und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

[…]

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für:

a) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

[…]

c) Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, mit Ausnahme der Verträge über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien im Sinne der Richtlinie 94/47/EG;

[…]

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG

Artikel 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[…]

b) "Finanzdienstleistung" jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

[…]

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ II)

Artikel 15

(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

[…]

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

[…]

Artikel 16

(1) Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

[…]

Artikel 17



Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden:

1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird,

2. wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen, oder

3. wenn sie zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat haben, getroffen ist und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates begründet, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist.



BGH: Immobilienverkäufer erfüllt Aufklärungspflichten durch Einrichtung eines Datenraums nur wenn mit Einsichtnahme durch Käufer zu rechnen ist

BGH
Urteil vom 15.09.2023
V ZR 77/22


Der BGH hat entschieden, dass ein Immobilienverkäufer seine Aufklärungspflichten durch Einrichtung eines Datenraums nur dann erfüllt, wenn mit der Einsichtnahme durch den Käufer zu rechnen ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zu Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines Datenraums

Der unter anderem für Grundstückskaufverträge zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, hierdurch seine Aufklärungspflicht nur erfüllt, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird.

Sachverhalt:

Die Beklagte zu 1 (Verkäuferin) verkaufte der Klägerin mit notariellem Vertrag vom 25. März 2019 mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex zu einem Kaufpreis von 1.525.000 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme eines Beschlusses über die Dachsanierung mit wirtschaftlichen Auswirkungen von 5.600 € jährlich für den Käufer. Zudem versicherte die Verkäuferin, dass nach ihrer Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte Kosten im laufenden Wirtschaftsjahr nicht angefallen seien und ihr auch nicht bekannt sei, dass solche Kosten bevorstünden oder weitere Sonderumlagen beschlossen worden seien. Weiter heißt es in dem Kaufvertrag, der Verkäufer habe dem Käufer die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben und der Käufer habe Kenntnis von dem Inhalt der Unterlagen. Die Klägerin wurde als Eigentümerin der Einheiten in das Grundbuch eingetragen.

Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen, die auf Seiten der Verkäuferin von dem Beklagten zu 2 geführt wurden, erhielt die Klägerin Zugriff auf einen von der Verkäuferin eingerichteten virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Am Freitag, dem 22. März 2019, stellte die Beklagte das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum ein. In dieser Versammlung hatten die Eigentümer beschlossen, eine frühere Mehrheitseigentümerin auf Zahlung von 50 Mio. € in Anspruch zu nehmen zur Umsetzung eines im Jahre 2006 gefassten Beschlusses über Umbaumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum. Die Erhebung einer Sonderumlage in gleicher Höhe von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten war abgelehnt worden. Um die Erhebung der Sonderumlage durchzusetzen, hatte eine andere Eigentümerin Klage erhoben. Das Verfahren endete im Januar 2020 mit einem Vergleich, demzufolge von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage von zunächst 750.000 € – bei Bedarf bis zu 50 Mio. € – für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum erhoben werden sollte. Auf dieser Grundlage wurde auch die Klägerin in Anspruch genommen. Daraufhin erklärte sie mit Schreiben vom 2. März 2020 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Freistellung von den zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten, hilfsweise die Zahlung von 1.500.000 €, daneben die Zahlung von 184.551,82 € – jeweils Zug um Zug gegen Übereignung der Gewerbeeinheiten und Abtretung der Rückgewähransprüche bezüglich der eingetragenen Grundschulden – sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden und des Annahmeverzugs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Klageanträge weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts bis auf einen Nebenpunkt aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verkäuferin habe hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen keine sie treffende Aufklärungspflicht verletzt, ist rechtsfehlerhaft.

Wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, geht es hier nicht um einen Sach- oder Rechtsmangel des Kaufobjekts, sondern allein um die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Aufklärung. Die Klägerin leitet ihre Ansprüche nämlich nicht aus einem mangelhaften Zustand des Gebäudes ab, sondern daraus, dass sie nicht hinreichend über eine konkret drohende Sonderumlage in Höhe von bis zu 50 Mio. € aufgeklärt worden sei. Sie macht damit einen Schadensersatzanspruch gegen die Verkäuferin aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht geltend.

Im Ausgangspunkt musste die Verkäuferin die Klägerin auch ungefragt darüber aufklären, dass bauliche Maßnahmen an dem Kaufobjekt mit einem Kostenumfang von 50 Mio. € ausstanden. Dieser Kostenumfang war für die Klägerin zweifelsohne von erheblicher Bedeutung. Dass er bei einer Besichtigung ohne Weiteres erkennbar war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. Die Aufklärungspflicht der Verkäuferin galt auch unabhängig davon, dass diese Kosten vorrangig von der Mehrheitseigentümerin getragen werden sollten und eine Sonderumlage noch nicht beschlossen war. Denn solange die geplanten baulichen Maßnahmen nicht umgesetzt und bezahlt waren, bestand für die Klägerin als künftige Eigentümerin mehrerer Gewerbeeinheiten die konkrete Gefahr, dass die hierfür anfallenden Kosten anteilig von ihr getragen werden müssen.

Entscheidend ist deshalb, ob die Klägerin ausreichend aufgeklärt worden ist. Die Verkäuferin hat ihre Aufklärungspflicht nicht schon dadurch erfüllt, dass sie am 22. März 2019 das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum eingestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließt die für den Käufer bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus. Ein verständiger und redlicher Verkäufer darf zwar davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne Weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis selbst zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit aber nicht ohne Weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen ist eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht. Dagegen kann ein Verkäufer nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen wird.

Diese Rechtsprechung zu übergebenen Unterlagen ist, wie der Bundesgerichtshof heute entschieden hat, sinngemäß auf den Fall zu übertragen, dass der Verkäufer einen Datenraum mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt einrichtet und dem Käufer hierauf Zugriff gewährt. Der Umstand allein, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und den Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, lässt nicht stets den Schluss zu, dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird. Nur wenn im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Käufer bestimmte, von dem Verkäufer in dem Datenraum bereit gestellte Informationen – etwa im Rahmen einer Due Diligence – wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen wird, ist eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nicht erforderlich. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt daher hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. Ob dies aus Verkäufersicht der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang der Käufer – wozu er von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist – eine Due Diligence durchführt, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind, welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden, wie wichtig die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und wie leicht sie im Datenraum aufzufinden ist.

Im vorliegenden Fall konnte die Verkäuferin nicht die berechtigte Erwartung haben, dass die Klägerin die in dem Protokoll enthaltenen Informationen noch vor Vertragsschluss zur Kenntnis nimmt, weil sie - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen war - das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 kurz vor Abschluss des Kaufvertrages in den Datenraum eingestellt hat, ohne die Klägerin hierüber in Kenntnis zu setzen. Die Klägerin hatte ohne gesonderten Hinweis auf das neu eingestellte Dokument keinen Anlass, in dem Zeitfenster zwischen dem Einstellen des Protokolls am Freitag, den 22. März 2019, und dem Notartermin am Montag, den 25. März 2019, um 10 Uhr noch einmal Einsicht in den Datenraum zu nehmen.

Zudem kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – unabhängig von einer Aufklärungspflicht der Verkäuferin – ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Verkäuferin aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB insoweit wegen einer unzutreffenden Erklärung der Verkäuferin in dem notariellen Kaufvertrag und wegen einer unrichtigen oder unvollständigen Antwort der Verkäuferin auf Fragen der Klägerin in Betracht. Die vertragliche Erklärung der Verkäuferin, dass nach ihrer Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte Kosten nicht bevorstünden, könnte angesichts ausstehender baulicher Maßnahmen im Umfang von 50 Mio. € zumindest unvollständig gewesen sein. Gleiches gilt für die nach dem Vorbringen der Klägerin auf ihre Frage, ob und welcher Kostenanteil in Anbetracht des Sanierungsstaus womöglich auf sie zukomme, von der Verkäuferin gegebene Antwort, die Büroeinheiten verfügten über eine Option zur Umwandlung in Wohneinheiten, bei denen eine Kostenbeteiligung an Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen, welche eigentlich nur die Ladeneigentümer beträfen, nicht vorgesehen sei.

Infolgedessen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, weil noch weitere Feststellungen zu dem Sachverhalt zu treffen sind. Unter anderem hatte die Beklagte behauptet, sie habe der Klägerin die relevanten Unterlagen schon früher in Papierform zukommen lassen.

Vorinstanzen:

LG Hildesheim – Urteil vom 16. April 2021 – 4 O 60/20

OLG Celle – Urteil vom 29. März 2022 – 4 U 50/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung […] bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) …

§ 311 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) …

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen

2. …

3. …

(3) 1Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. 2Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

§ 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) …

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.



LG Düsseldorf: Verstoß gegen SEPA-Verordnung setzt keinen Vertragsabschluss voraus - Ablehnung eines Kontos aus EU-Ausland durch Plattform für Ankauf gebrauchter Unterhaltungselektronik

LG Düsseldorf
Urteil 02.06.2023
38 O 162/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die SEPA-Verordnung keinen Vertragsabschluss voraussetzt. Vorliegend ging es um die Ablehnung eines Kontos aus dem EU-Ausland durch eine Plattform für den Ankauf gebrauchter Unterhaltungselektronik. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Lübeck: Privatverkauf und kein gewerbliches Angebot wenn Verkäufer zuvor rein privat von ihm genutzte Fahrzeuge zum Verkauf anbietet

LG Lübeck
Urteil vom 24.02.2023
15 O 90/22


Das LG Lübeck hat entschieden, dass ein Privatverkauf und kein gewerbliches Angebot vorliegt, wenn der Verkäufer zuvor rein privat von ihm genutzte Fahrzeuge zum Verkauf anbietet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Unternehmer ist nach § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dies setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus. Ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird, ist irrelevant. Ist der Abschluss eines Vertrags weder der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Verkäufers zuzuordnen, liegt rein privates Handeln vor.(BGH, BGHZ 167, 40 = NJW 2006, 2250 Rdnrn. 14 ff.; MüKoBGB/Micklitz, 9. Aufl. 2021, BGB § 14 Rn. 19). Das rechtsgeschäftliche Handeln einer – wie hier – natürlichen Person ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 13 BGB grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen. Eine Zuordnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Speziell im Hinblick auf den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen ist dabei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblich auf den bisherigen Nutzungszweck des Verkäufers abzustellen. Der Verkauf eines zuvor ausschließlich privat genutzten Fahrzeugs ist danach in der Regel nicht als Unternehmergeschäft zu klassifizieren (BGH, Urteil vom 13. 3. 2013 – VIII ZR 186/12-, NJW 2013, 2107: OLG Celle, NJW-RR 2004, 1645; ähnl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2012, 289; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 13 Rdnr. 4; Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 14 Rdnr. 19; vgl. auch Reinking/Eggert, Rdnrn. 1973 ff.).

Diesen Maßstäben entsprechend liegt hier kein unternehmerischer Verkauf des streitgegenständlichen Jetskis vor. Zum einen ist schon kein planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen festzustellen. Ausweislich der vom Kläger selbst eingereichten Screenshots des eBay-Profils des Beklagten agierte dieser als „Privater Nutzer“. Die unterschiedlichen von ihm zum Verkauf angebotenen Gegenstände, wie etwa ein Boot, ein Jetski, Anker, eine Uhr oder ein Auto Marke Porsche ließen zudem auch keine Anhaltspunkte auf ein irgendwie planmäßig angelegtes Anbieten erkennen und ließen daher auch keine zwingenden und eindeutigen Rückschlüsse auf ein gewerbliches Handeln (zumal entgegen des Auftritts als „privater Nutzer“) zu. Auch war der bisherige Nutzungsweck des verkauften Jetskis unstreitig rein privater Natur.

(c) Der Gewährleistungsausschluss ist auch nicht unwirksam nach § 444 BGB. Nach dieser Bestimmung kann sich ein Verbraucher nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen, soweit er den fraglichen Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglist setzt dabei voraus, dass der Käufer beweist, dass der Käufer entweder positiv Kenntnis von dem Mangel hatte oder zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, also den Mangel mindestens für möglich hält oder mit ihm rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer ihn übersieht (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 438 Rn. 28, 29).


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LG Bonn: Keine Küche für 1 EURO-Sofortkaufpreis bei eBay wenn in Artikelbezeichnung bzw. Artikelbeschreibung als Preis 20.000 EURO VB angegeben ist

LG Bonn
Urteil vom 23.12.2022
3 O 131/22

Das LG Bonn hat entschieden, dass kein Kaufvertrag über eine Küche für 1 EURO-Sofortkaufpreis bei eBay zustande gekommen ist, wenn in der Artikelbezeichnung bzw. Artikelbeschreibung als Preis "20.000 EURO VB" angegeben ist und darauf hingewiesen wird, dass der Sofortkaufpreis von 1 EURO nur zum Zwecke der Gebührenersparnis angegeben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte hat die Einbauküche nicht für 1 €, sondern für 20.000 € an den Kläger verkauft.

Die Auslegung des Angebots kann sich im vorliegenden Fall nicht darauf beschränken, dass die Küche aufgrund der Wahl der Verkaufsform (Sofort-Kaufen) und des neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Festpreises auf den ersten Blick für einen Preis von 1 € zum (Sofort-)Kauf stehen sollte. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite hiervon nach seinem Empfängerhorizont zunächst ausgehen. Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen (vgl. BGH, U. v. 15.02.2017, ZIP 2017, 928 ff., zitiert nach juris). So wird in der Artikelbezeichnung ausdrücklich – durch Fettdruck hervorgehoben – darauf hingewiesen, den Artikeltext zu lesen. In diesem Text heißt es dann u.a., dass der „Preis … bei 20.000 € VB!“ liegt. Da ausdrücklich vom „Preis“ der Küche die Rede ist und in diesem Zusammenhang auch die in Verkaufsangeboten übliche Abkürzung „VB“ (= Verhandlungsbasis) verwendet wird, ist deutlich erkennbar, dass es hier – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht um den (ursprünglichen) Wert der Küche, sondern um deren (tatsächlichen) Verkaufspreis geht.

Dass ein sich erst aus der Artikelbeschreibung bzw. aus dem Artikeltext ergebender anderer, insbesondere höherer, Verkaufspreis als der neben dem Sofortkauf-Button angegebene Festpreis im Widerspruch zu den Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers eBay steht, vermag an dem genannten Auslegungsergebnis schon deshalb nichts zu ändern, weil das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zu eBay unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt (vgl. BGH, a.a.O.).

Das auf einen Kaufpreis in Höhe von 20.000 € lautende Angebot hat der Kläger auch angenommen. Die Beklagte durfte zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der den Vertragsschluss vollendenden Annahmeerklärung des Klägers mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach ihrem Empfängerhorizont davon ausgehen, dass der Kläger den Artikeltext mit der Angabe eines Kaufpreises in Höhe von 20.000 € gelesen hatte und die Einbauküche auch zu diesem Preis erwerben wollte.

2. Der danach aufgrund des wirksam geschlossenen Kaufvertrags zunächst entstandene, wenn auch von der Beklagten gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 20.000 € zu erfüllende, Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung der Einbauküche (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch erloschen (§ 142 Abs. 1 BGB), da der Kläger seine auf einen Kaufpreis von 20.000 € lautende Annahmeerklärung wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hat (§§ 119 Abs. 1, 121 Abs. 1, 143 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Dass er nur den neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Kaufpreis in Höhe von 1 € bieten und sich an einen Vertrag mit einem Kaufpreis von 20.000 € nicht gebunden wissen wollte, hat er in der im Anschluss an das Zustandekommen des Kaufvertrages geführten E-Mail-Korrespondenz unmissverständlich im Sinne einer Anfechtung gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu auch BGH, a.a.O.).

3. Aber auch dann, wenn man der Auffassung ist, dass sich der vorliegende Sachverhalt insofern maßgeblich von demjenigen unterscheidet, der der zitierten Entscheidung des BGH zugrunde lag, als dort in der Artikelbeschreibung - anders als hier - ausdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass der im Eingang genannte (niedrigere) Angebotspreis nur zwecks Einsparung von Verkaufsgebühren genannt, in Wirklichkeit aber nicht gewollt war, sondern auf einen höheren Betrag lauten sollte, und dass das Angebot bei einer Betätigung des Buttons zu diesem höheren Preis angenommen würde, führt dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch wenn mangels einer solchen Klarstellung wie in dem vom BGH entschiedenen Fall vorliegend von einem nicht aufgelösten Widerspruch zwischen dem ins Auge springenden Sofortkauf-Angebot von 1 € und der nachfolgend in der Beschreibung enthaltenen Erklärung, dass der „Preis … 20.000 € VB!“ beträgt, auszugehen ist, steht dem Kläger kein Anspruch gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Die Willenserklärung der Beklagten ist nämlich vor diesem Hintergrund zumindest objektiv mehrdeutig und widersprüchlich, weshalb die Parteien über einen wesentlichen Punkt, nämlich über die Höhe des Kaufpreises, keine Einigung erzielt haben. Dies gilt umso mehr, als der in dem Artikeltext enthaltene Zusatz „VB“, wonach der Preis also noch verhandelbar ist, mit der Festpreis-Funktion „Sofort-Kaufen“ überhaupt nicht kompatibel ist. Damit besteht zwischen den Parteien ein offener Einigungsmangel im Sinne des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Folge, dass der Kaufvertrag im Zweifel als nicht geschlossen anzusehen ist (vgl. hierzu LG Stuttgart, U. v. 21.12.2007, NJW-RR 2008, 1592 ff., zitiert nach juris).

4. Ob der Beklagten bei einem wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrages (ebenfalls) ein Anfechtungsrecht gemäß § 119 Abs. 1 BGB zusteht, weil sie bei der Abgabe ihres Angebots zum Verkauf der Küche einem Irrtum unterlegen ist, kann nach alledem dahingestellt bleiben.


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AG Frankenthal: Kein Anscheinsbeweis dass eBay-Auktion durch Accountinhaber erstellt wurde wenn Umstände auf rechtswidrige Nutzung durch Dritten hindeuten

AG Frankenthal
Urteil vom 28.09.2022
3c C 113/22

Das AG Frankenthal hat entschieden, dass kein Anscheinsbeweis dafür besteht, dass eine eBay-Auktion durch den Accountinhaber erstellt wurde, wenn Umstände auf eine rechtswidrige Nutzung durch einen Dritten hindeuten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Entscheidung des Monats Oktober

Leitsatz:
Ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass eine Ebay-Versteigerung durch den Accountinhaber initiiert wurde, greift jedenfalls dann nicht, wenn sich dem Käufer aufgrund anderer Umstände der Verdacht aufdrängen musste, der Account könnte von Dritten rechtswidrig genutzt worden sein. (Hier: Email mit ungewöhnlichem, zweifelhaften Abwicklungsvorschlag)

Sachverhalt:
Der Beklagte unterhielt einen eBay Account unter dem Namen „m.“. Unter diesem Account und unter der Auktionsnummer # 294163479699 wurde ein Rennrad „Cervelo s5 2019 — RH 56 cm — Gr. L / 1,75-1,85 zum Preise von 2.765,00 € zum Kauf angeboten. Der Kläger macht geltend, er sei zum Zeitpunkt des Auktionsende Höchstbietender gewesen, sodass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Gleichwohl habe der Beklagte das Fahrrad trotz mehrfacher Aufforderungen nicht ausgeliefert, sondern es vielmehr ab dem 11.5.2021 erneut anderweitig angeboten. Mit der weiteren Behauptung, das Fahrrad habe angesichts der sehr geringen Laufleistung einen Zeitwert von mindestens 4.500 € gehabt, macht der Kläger einen Nichterfüllungsschaden in Höhe von 1.735 € geltend.

Der Beklagte bringt vor, er habe keine entsprechende Auktion gestartet, sodass zwischen den Parteien auch kein Kaufvertrag zustande gekommen sein könne. Sein Account sei von einem unbekannten Dritten gehackt worden. Die eBay GmbH habe ihm mitgeteilt, sein Konto sei bereits am 19.5.2021 (Anmerkung: also nach der oben genannten Versteigerungsaktion) geschlossen worden. Aus dem aufgrund seiner Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft E. unter Aktenzeichen (…) geführten Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass der wahre Vertragspartner des Klägers ein Herr J. sei.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist unbegründet. Das Gericht kann nicht zu seiner Überzeugung feststellen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen wäre, dessen Erfüllung der Kläger verlangen könnte. Der Kläger blieb hierfür beweisfällig. Andere zugunsten des Klägers streitende Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrages, aus dem Ansprüche hergeleitet werden sollen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Kläger. Beweis dafür, dass der Beklagte selbst das Verkaufsangebot bei eBay eingestellt hatte oder dieses mit dessen Kenntnis und Willen dort von einem Dritten eingestellt wurde, bietet der Kläger nicht an. Zu seinen Gunsten streitet auch nicht deshalb ein Anscheinsbeweis, weil ein eBay-Account des Beklagten verwendet wurde. Es fehlt insoweit bereits an einem typischen Geschehensablauf, weil der Sicherheitsstandard im Internet derzeit nicht ausreichend ist. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber evtl. die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem unberechtigten Zugriff des Handelnden geschützt hat. Auch eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, juris; OLG Hamm, Urteil vom 16.11.2006, Az. 28 U 84/06, NJW 2007,611; Neubauer/Steinmetz, Handbuch des Multimediarechts, 2022, Teil 14, Internetauktionen, Rn. 58 f.). Selbst wenn zu Vorstehendem eine andere Auffassung vertreten würde, wäre ein zugunsten des Kläger in Betracht kommender Anscheinsbeweis jedenfalls erschüttert. Der Kläger selbst legt nämlich mit der Anlage zur Anspruchsbegründung auch eine Nachricht vor, die zwar die Absenderkennung des Beklagten trägt, jedoch den Empfänger mit dem fadenscheinigen Zusatz, der Absender der Nachricht habe „auf die letzte Auszahlung über drei Wochen (…) warten müssen“ darum bittet, „nicht direkt an eBay zu zahlen“, sondern eine Telefonnummer „[...]“ anzurufen. Bereits hier drängt sich der Verdacht eines Betrugsversuchs auf. Der Beklagte hat darüber hinaus unter Hinweis auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens dargelegt, nicht Inhaber der genannten Telefonnummer zu sein.


EuGH: Bestellbutton "Buchung abschließen" genügt nicht den Anforderungen der Button-Lösung und ist nicht mit "zahlungspflichtig bestellen" gleichzusetzen

EuGH
Urteil vom 07.04.2022
C‑249/21
Fuhrmann‑2‑GmbH gegen B


Der EuGH hat entschieden, dass ein Bestellbutton mit dem Text "Buchung abschließen" nicht den Anforderungen der Button-Lösung genügt, da er nicht mit "zahlungspflichtig bestellen" gleichzusetzen ist.

Tenor der Entscheidung:

Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass es für die Feststellung, ob im Rahmen eines Bestellvorgangs zum Abschluss eines Fernabsatzvertrags auf elektronischem Wege eine auf der Schaltfläche für die Bestellung oder auf einer ähnlichen Funktion verwendete Formulierung wie „Buchung abschließen“ den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ im Sinne dieser Bestimmung „entspricht“, allein auf die Worte auf dieser Schaltfläche oder dieser ähnlichen Funktion ankommt.

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BGH: Käufer muss für Vermutungswirkung nach § 477 BGB darlegen und beweisen dass sich an der Kaufsache 6 Monate nach Gefahrübergang ein Mangel gezeigt hat

BGH
Urteil vom 10.11.2021
VIII ZR 187/20
BGB §§ 13, 14 Abs. 1, § 434 Abs. 1 Satz 1, § 437 Nr. 3, § 476 (nunmehr - wortgleich - § 477 BGB); HGB § 344 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Käufer für die Vermutungswirkung nach § 477 BGB darlegen und beweisen muss, dass sich an der Kaufsache 6 Monate nach Gefahrübergang ein Mangel gezeigt hat.

Leitsätze des BGH:

a) Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten, findet im Rahmen der Einordnung des rechtsgeschäftlichen Handelns eines Kaufmanns als Verbraucher- oder Unternehmerhandeln nach §§ 13, 14 Abs. 1 BGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person (Einzelkaufmann) handelt (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37; Abgrenzung zu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 Rn. 19; vom 9. Dezember 2008 - XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 Rn. 22).

b) Die Vermutung des § 476 BGB aF greift nur dann ein, wenn der Käufer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründete (im Anschluss an Senatsurteile vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36; vom 9. September 2020 - VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 27 ff.). Kommt als Ursache für eine festgestellte Mangelerscheinung (auch) ein Umstand
in Betracht, der eine Haftung des Verkäufers nicht zu begründen vermag - wie das bei gewöhnlichem Verschleiß an nicht sicherheitsrelevanten Teilen eines Gebrauchtwagens regelmäßig der Fall ist (vgl. Senatsurteil vom 9. September 2020 - VIII ZR 150/18, aaO Rn. 22 f. mwN) -, ist dieser Beweis erst erbracht, wenn feststeht, dass die Ursache ebenfalls in einem Umstand liegen kann, der - sofern er dem Verkäufer zuzurechnen wäre - dessen Haftung auslöste.

c) Der Regelung des § 476 BGB aF ist (jedenfalls) in den Fällen, in denen der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB aF alle Voraussetzungen für die Entstehung des betreffenden Mangelrechts geschaffen und dieses gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, eine "Ausstrahlungswirkung" dergestalt beizumessen, dass bezogen auf diejenigen - für die Durchsetzung des Mangelrechts neben dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs jeweils zusätzlich maßgeblichen - späteren Zeitpunkte, die innerhalb des Sechsmonatszeitraums liegen (etwa der Zeitpunkt des Zugangs des Gewährleistungsbegehrens), ebenfalls die Darlegung und der Nachweis des Vorhandenseins einer Mangelerscheinung ausreicht. Darüber hinaus wirkt die Bestimmung des § 476 BGB aF in den genannten Fällen dahingehend fort, dass der Käufer - soweit er auch das Vorliegen eines Mangels zu Zeitpunkten, die außerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB aF liegen (etwa im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), zu beweisen hat - ebenfalls lediglich das Fortbestehen der jeweiligen nachweislich innerhalb der Frist des § 476 BGB aF aufgetretenen Mangelerscheinung bis zu diesen Zeitpunkten, nicht aber deren Verursachung durch den Verkäufer nachzuweisen hat.

d) Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB kann nach wie vor anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 33/19, NJW 2021, 1532 Rn. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ 229, 115 bestimmt; Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZIP 2020, 1073 Rn. 41 ff. mwN; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.).

BGH, Urteil vom 10. November 2021 - VIII ZR 187/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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BGH: Pauschalierungsklausel in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags für Schäden durch Kartellabsprachen in Kaufvertrag zulässig

BGH
Urteil vom 10.02.2021
KZR 63/18


Der BGH hat entschieden, dass Pauschalierungsklausel in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags für Schäden durch Kartellabsprachen in Kaufvertrag zulässig

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof billigt Pauschalierungsklausel für Schäden durch Kartellabsprachen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10. Februar 2021, dessen schriftliche Begründung nunmehr vorliegt, entschieden, dass ein an einem Kartell beteiligter Auftragnehmer durch eine insbesondere von öffentlichen Auftraggebern vielfach verwendete Schadenspauschalierungsklausel nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Der Schadensersatzanspruch eines Kartellgeschädigten, der ein Produkt zu einem kartellbedingt überhöhten Preis erworben hat, kann vielmehr durch eine entsprechende Klausel im Kaufvertrag grundsätzlich wirksam in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags pauschaliert werden.

Sachverhalt

Kläger sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Beklagte befasst sich mit der Herstellung von Gleisoberbaumaterialien.

Die BVG erwarb in den Jahren 2002 und 2003 von der Beklagten in sieben Fällen Weichen und Weichenteile. Den Verträgen lagen "Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB)" der BVG zugrunde, die in Nr. 14 folgende Klausel enthielten:

"Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung […] darstellt, hat er 5 v. H. der Abrechnungssumme als pauschalierten Schadensersatz an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird."

Die BVG verlangt nunmehr Schadensersatz in dieser Höhe, weil Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen praktizierten, an denen auch die Beklagte beteiligt war. Die Absprachen beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte.

Bisheriger Prozessverlauf

Die Klage war in den Vorinstanzen im Wesentlichen erfolgreich. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

Entscheidung des Kartellsenats

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des Kartellsenats ist das Berufungsgericht zwar zutreffend von der Wirksamkeit der vertraglich vereinbarten Schadenspauschalierungsklausel ausgegangen. Rechtsfehlerhaft hat es aber angenommen, der Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass der BVG ein geringerer Schaden als der Pauschalbetrag oder überhaupt kein Schaden entstanden ist.

Eine Schadenspauschalierungsklausel ist außerhalb des unternehmerischen Geschäftsverkehrs an den Maßgaben der Vorschrift des § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (Buchstabe a) oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale (Buchstabe b). Dabei darf die Pauschale der Höhe nach den normalerweise eintretenden branchentypischen Durchschnittsschaden nicht übersteigen.

Im - hier maßgeblichen - unternehmerischen Geschäftsverkehr ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Jedoch sind ihre Wertungen bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich zu berücksichtigen. Im Rahmen der gebotenen umfassenden Interessenabwägung muss darüber hinaus den Besonderheiten kartellzivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Rechnung getragen werden.

Die Bezifferung eines Schadens, der aus einem Verstoß gegen das Kartellverbot resultiert, ist regelmäßig mit erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten und großem sachlichen und finanziellen Aufwand verbunden. In besonderem Maße gilt dies für den praktisch bedeutsamsten Fall des durch Kartellabsprachen verursachten Preishöhenschadens, weil dieser Schaden aus einem Vergleich des vertraglich vereinbarten Preises mit dem hypothetischen Preis zu ermitteln ist, der sich ohne Kartellabsprache ergeben hätte. Dieser hypothetische Wettbewerbspreis lässt sich typischerweise nur aufgrund von Indizien ermitteln und kann nur näherungsweise bestimmt werden. Insofern kommt dem mit der Verwendung von Pauschalierungsklauseln verfolgten und in § 309 Nr. 5 BGB grundsätzlich anerkannten Zweck besondere Bedeutung zu, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch Verringerung von Zeitaufwand und Kosten zu rationalisieren. Das Informationsdefizit des redlichen Klauselverwenders, der für den Fall einer Kartellabsprache mit Hilfe der Pauschalierungsklausel eine effiziente Kompensation des aus dem vom unredlichen Vertragspartner verursachten Vermögensschadens anstrebt, unterscheidet Kartellschadensersatzfälle von solchen, in denen mit der Pauschalierungsklausel ein Schaden abgegolten werden soll, der aus der Verletzung einer vertragstypischen Pflicht resultiert und bei dem sich der Geschädigte zur Bemessung eines branchentypischen Durchschnittsschadens auf entsprechende Erfahrungswerte stützen kann.

Der Auftraggeber darf sich daher auf verfügbare ökonomisch fundierte allgemeine Analysen kartellbedingter Preisaufschläge wie eine von der BVG in den Rechtsstreit eingeführte, von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie stützen, nach denen sich durch eine Kartellabsprache verursachte Preiserhöhungen im arithmetischen und geometrischen Mittel jedenfalls auf 15 Prozent, bezogen auf den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, belaufen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einen bloßen Durchschnitts- oder Mittelwert handelt, der im Einzelfall beträchtlich über- wie unterschritten werden kann, und alle empirischen Untersuchungen aufgrund der Komplexität des Preisbildungsmechanismus, der Vielfalt der Kartellabsprachen, der erheblichen Streubreite der zu beobachtenden Preisaufschläge und der begrenzten Verfügbarkeit hinreichend vergleichbarer Datensätze allenfalls Näherungswerte abbilden und im Detail methodischen Zweifeln ausgesetzt sein können.

Eine pauschalierte Abschätzung der Differenz zwischen Angebotspreis und hypothetischem Marktpreis ist dadurch zwar zwangsläufig sowohl mit der Gefahr einer Über- wie mit der Gefahr einer Unterkompensation des tatsächlich eingetretenen Schadens verbunden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Auftraggeber eine mögliche Überkompensation schon bei der Pauschalierung schlechthin oder zumindest weitgehend ausschließen muss. Dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot wird vielmehr hinreichend Rechnung getragen, wenn eine Pauschalierungsklausel dem an einer Kartellabsprache beteiligten Schädiger den Nachweis vorbehält, dass dem Auftraggeber ein geringerer Schaden entstanden ist. Andernfalls würden die Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Ermittlung des hypothetischen Marktpreises einseitig zu Lasten des Auftraggebers berücksichtigt. Dies wäre unangemessen, weil der Schädiger als Kartellbeteiligter an einer vorsätzlichen Verfälschung des wettbewerblichen Preisbildungsmechanismus' mitgewirkt hat und damit auch für die Schwierigkeit der Ermittlung des hypothetischen Marktpreises verantwortlich ist.

Eine Klausel, die das Risiko der Aufklärung des tatsächlich entstandenen Schadens dem Vertragspartner überbürdet, steht jedenfalls dann mit den sich aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Anforderungen in Einklang, wenn die pauschalierte Schadenshöhe nach den bei Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Erkenntnissen gleichermaßen mit der Gefahr einer Über- wie einer Unterkompensation des Schadens verbunden ist und es beiden Vertragsparteien überlassen bleibt, jeweils einen ihr günstigeren hypothetischen Marktpreis und damit einen fehlenden oder geringeren oder auch einen höheren Schaden nachzuweisen.

Danach hätte das Berufungsgericht aber dem Vorbringen der Beklagten nachgehen müssen, der BVG sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden. Nur wenn sich ein solches Vorbringen nicht beweisen lässt, darf dem Geschädigten der vereinbarte Pauschalbetrag als Schadensersatz zuerkannt werden.

Vorinstanzen

Kammergericht Berlin, Urteil vom 28. Juni 2018 – 2 U 13/14 (Kart)

Landgericht Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 16 O 384/13 Kart

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 GWB (in der Fassung vom 26. August 1998)

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

§ 33 GWB (in der Fassung vom 26. August 1998)

1Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. […]

§ 307 BGB

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.



BGH: Im Kaufrecht bleibt es dabei dass der Käufer fiktive Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz verlangen kann

BGH
Urteil vom 12.03.2021
V ZR 33/19


Der BGH hat entschieden, dass es im Kaufrecht dabei bleibt, dass der Käufer fiktive Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz verlangen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Fiktive" Mängelbeseitigungskosten können im Kaufrecht weiterhin verlangt werden

Der unter anderem für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass ein kaufvertraglicher Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln der erworbenen Immobilie weiterhin anhand der voraussichtlich entstehenden, aber bislang nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten berechnet werden kann.

Sachverhalt:

Die Kläger erwarben von dem Beklagten im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag heißt es: "Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben." Nach Übergabe der Wohnung trat Ende 2014 Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer der Kläger auf, zu deren Beseitigung die Kläger den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung aufforderten. Die Wohnungseigentümer ermächtigten die Kläger durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 7.972,68 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten; ferner soll festgestellt werden, dass der Beklagte weitere Schäden ersetzen muss.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach kann der Käufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Allerdings hat der VII. Zivilsenat für den werkvertraglichen Anspruch auf kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280, § 281 Abs. 1 BGB seine langjährige Rechtsprechung, nach der die Schadensbemessung anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten zulässig war, inzwischen aufgegeben (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, veröffentlicht auf der Homepage unter "Entscheidungen"). Dies lässt sich auf die kaufrechtliche Sachmängelhaftung jedoch nicht übertragen. Insbesondere steht dem Käufer - anders als dem Besteller im Werkvertragsrecht - kein Vorschussanspruch zu. Es wäre aber nicht vertretbar, wenn der Käufer einer Sache die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorfinanzieren müsste. Eine Ausnahme gilt nur im Hinblick auf die Umsatzsteuer, die – wie im Delikts- und Werkvertragsrecht - nur ersetzt werden muss, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 GVG) ist nicht mehr erforderlich, nachdem der VII. Zivilsenat auf Anfrage des V. Zivilsenats vom 13. März 2020 (V ZR 33/19, veröffentlicht auf der Homepage unter "Entscheidungen") die Begründung seiner Rechtsprechungsänderung mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20, veröffentlicht auf der Homepage unter "Entscheidungen") im Hinblick auf die Verankerung im Werk- und Architektenvertragsrecht vertieft und ergänzt hat. Insbesondere ist klargestellt worden, dass ein zweckgebundener und abzurechnender Vorfinanzierungsanspruch nicht aus dem allgemeinen Schadensersatzrecht hergeleitet werden kann.

Ebenso wenig bedarf es einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG). Denn die von dem VII. Zivilsenat vorgenommene Bemessung des kleinen Schadensersatzes statt der Leistung ist angesichts der präzisierten und klarer konturierten werkvertraglichen Verankerung nicht auf andere Vertragstypen des besonderen Schuldrechts übertragbar. Bei dem Erwerb gebrauchter Immobilien sind die praktischen Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht im Regelfall gering. Denn bei Mängeln, mit denen der Immobilienkäufer nicht oder jedenfalls deutlich schlechter "leben" kann als mit der mangelfreien Immobilie, hält der VII. Zivilsenat, wie er ausdrücklich klargestellt hat, die Schätzung des mangelbedingten Minderwerts anhand der Mängelbeseitigungskosten weiterhin für zulässig. Infolgedessen müssen in solchen Fällen - jedenfalls im Ergebnis - die noch nicht angefallenen Mängelbeseitigungskosten unabhängig von der Rechtsnatur des Vertrags ersetzt werden. Die Einordnung des Vertrags in das Kauf- oder in das Werkvertragsrecht wirkt sich künftig vornehmlich in denjenigen Fallgestaltungen aus, in denen die Mängelbeseitigungskosten den mangelbedingten Minderwert erheblich überschreiten. Gerade in solchen Fallkonstellationen gibt es für eine unterschiedliche Behandlung von Kauf- und Werkverträgen jedoch triftige Gründe, die bereits der VII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20) eingehend und zutreffend aufgezeigt hat. Der Käufer müsste die Mängelbeseitigung vorfinanzieren, weil er - anders als der Besteller - keinen Vorschuss verlangen kann; das wäre unzumutbar. Zudem wirkt das Kaufrecht einer unangemessenen Überkompensation des Käufers durch die Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs entgegen. Ist nämlich die Nacherfüllung nach den Vorgaben des § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB als unverhältnismäßig anzusehen, kann der Käufer als Schadensersatz nur den mangelbedingten Minderwert verlangen. Im Werkvertragsrecht gibt es für eine solche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs keine Entsprechung.

Vorinstanzen:

LG Krefeld – Urteil vom 29. November 2017 – 2 O 143/17

OLG Düsseldorf – Urteil vom 15. Januar 2019 – I-24 U 202/17

Die maßgeblichen Normen lauten:

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (…)

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

§ 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat (…)

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

§ 437 Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.nach § 439 Nacherfüllung verlangen,

2.nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und

3.nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

§ 634 Rechte des Bestellers bei Mängeln

Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.nach § 635 Nacherfüllung verlangen,

2.nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,

3.nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und

4.nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.