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Volltext LG Düsseldorf liegt vor: 120.000 EURO Schmerzensgeld für Upload von Sexvideos durch Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen

LG Düsseldorf
Urteil vom 14.06.2023
12 O 55/22


Das LG Düsseldorf hat der Klägerin 120.000 EURO Schmerzensgeld für den Upload von Sexvideos durch eine Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen zugesprochen. Der Beklagte wurde zudem zur Unterlassung verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf gemäß § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 ZPO sachlich und gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO örtlich und damit auch international zuständig. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in die absolut geschützte Intimsphäre (bzw. in das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KustUrhG) handelt es sich um Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Der soziale Geltungsanspruch der klagenden Partei ist bereits dann erheblich tangiert, wenn auch nur eine Person aus ihrem Lebenskreis die inkriminierten Bilder und Videos zur Kenntnis genommen hat (vgl. BGH Urt. v. 02.03.2010, VI ZR 23/09 – New York Times). Die streitgegenständlichen Videos waren im hiesigen Gerichtsbezirk abrufbar und wurden u.a. von Freunden und Bekannten der Klägerin abgerufen und gesehen. Im Übrigen hat sich der in Z. ansässige Beklagte rügelos zur Sache eingelassen (Art. 26 EuGVVO).

Schließlich hat die Klägerin gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz EGBGB bestimmt, dass deutsches Recht Anwendung finden soll. Nach dieser Vorschrift kann der Verletzte verlangen, dass anstelle des Rechts des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (Abs. 1 Satz 1), das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist.

II.
1.
Der Klägerin steht nach deutschem Recht gemäß §§ 1004, Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen (schwerer) Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.

Die ohne Erlaubnis der Klägerin durch den Beklagten veranlasste Veröffentlichung der im Tenor unter 1.a) und b) bis o) aufgelisteten 15 Videos im Internet stellt jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Darstellungen des nackten Körpers zählen ebenso wie der Bereich der Sexualität als Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung zur absolut geschützten Intimsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1985, Az. VI ZR 28/93; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 1783/05, Rn. 88, zitiert nach juris).

Die 15 Videos zeigen die Klägerin in Bild und Ton nackt bei verschiedenen sexuellen Handlungen. Die Klägerin ist somit durch die Veröffentlichung intimster, sie im Bild und durch Namen identifizierender Videoaufzeichnungen sowohl in ihrem Recht am eigenen Bild als auch in ihrem Anspruch auf Achtung ihrer absolut geschützten Intimsphäre verletzt, indem der Beklagte ohne Einwilligung der Klägerin und gegen ihren Willen, private Nacktvideos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, weltweit im Internet unter Angabe ihres Namens verbreitet hat.

Die Veröffentlichung der Videos auf den Pornovideoportalen www.de.F..com und www.I..com erfolgte unstreitig durch den Beklagten. Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass er auch für das Hochladen des Videos auf www.F..com verantwortlich ist, wenngleich dies – was wenig glaubhaft ist – laut dem Beklagten bei der Erstellung von GIFs versehentlich geschehen sein soll. Da es im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht auf ein Verschulden ankommt, besteht der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch unabhängig davon, ob – wie der Beklagte behauptet – die Veröffentlichung lediglich versehentlich erfolgt ist.

Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht, da der Beklagte trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat. Dabei begründen bereits die hier vorliegenden Verletzungshandlungen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt. Die bloße Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens oder die einfache schriftliche Ankündigung, dies zu tun, reichen dafür nicht aus (vgl. BGH Urt. v. 02.10.2012, Az. I ZR 82/11, Rn. 58).

Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.

2. Die Klägerin hat ferner gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 120.000,00 €.

Die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen im Streitfall rechtfertigt die Zahlung einer Geldentschädigung, die sich nach der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, nach Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie nach dem Grad seines Verschuldens richtet (BGH, Urt. v. 24.11.2009, Az. VI ZR 219/08, Rn. 11, zitiert nach juris; BGH, NJW 1995, 861 864). Der bloß in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch kann die bereits eingetretene massive Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht kompensieren, da eine unüberschaubare Anzahl von Personen – nicht nur aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin (Bekannte und Freunde), sondern auch diejenigen, denen die Klägerin aufgrund ihrer sportlichen Erfolge bekannt ist – unwiderrufliche Einblicke in ihr intimes Sexualleben erhalten hat, was allgemein als beschämend und kompromittierend empfunden wird und eines Ausgleichs bedarf.

Das erforderliche Verschulden liegt vor. Der Beklagte handelte – wie eine Gesamtwürdigung ergibt – zumindest bei der Veröffentlichung der Videos im Internet vorsätzlich. Alles spricht dafür, dass er die Videos bewusst und somit auch vorsätzlich veröffentlicht hat. Soweit er in der Klageerwiderung vorträgt, er habe die Videos lediglich versehentlich auf der Internetseite www.I..com veröffentlicht, als er diese in „seinem“ privaten Account („Only-me-Account“) habe speichern wollen, steht dies zu dem von der Klägerin geschilderten zeitlichen Ablauf erkennbar im Widerspruch. Denn das erste oben unter I.1.a) genannte Video wurde am 10.02.2021 auf dem Pornovideoportal www.F..com (u.a. unter https://de.F..com/N01/T./) veröffentlicht, während die Veröffentlichungen der 14 weiteren Videos auf dem Pornovideoportal www.I..com erst zwei Tage später, ab dem 12.02.2021, erfolgten, nämlich an dem Tag, an dem der Account eingerichtet worden war. Dies belegen neben dem auf www.F..com genannten Upload-Datum (10.02.2021) auch das dokumentierte Erstelldatum des I.-Account sowie die Screenshots der Suchergebnisse bei „N.“ aus dieser Zeit. Insofern kann der Ursprung der Veröffentlichung des ersten Videos im Internet nicht – wie der Beklagte schildert – in der angeblich versehentlich erfolgten Veröffentlichung auf www.I..com liegen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für ein vorsätzliches Veröffentlichen liegt in der Art und Weise, wie der Beklagte die Videos bei den beiden Pornovideoportalen benannt hat und welche Angaben er bei der Erstellung des I.-Account gemacht hat. Die Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache mit entsprechend anzüglichen Titeln zielt erkennbar auf ein breiteres Publikum. Auch ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte bei der von ihm angeblichen beabsichtigten Geheimhaltung der „Affäre“ den vollständigen Klarnamen der Klägerin für die Benennung des Accounts verwendet, deren Alter und deren Herkunft („Deutschland“) angibt. Denn für den Geheimnisschutz ist es nicht erforderlich, sondern gerade abträglich, dass der Beklagte die von ihm eingegebenen personalisierte Angaben „P., 39 Jahre, weiblich, Deutschland“ macht und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar hoch lädt. In der Tat hätte es dann – wie die Klägerin vorträgt – nähergelegen, dass der Beklagte die Videodateien auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen hätte. Soweit die Klägerin die Existenz der Only-Me-Funktion bestritten hat, hat der Beklagte die technische Möglichkeit und die genaue Arbeitsweise dieser Funktion auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach alldem handelt es sich bei der Behauptung, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.I..com aktiveren wollen bzw. aktiviert, um eine Schutzbehauptung. Die Angaben des Beklagten hierzu sind insgesamt nicht glaubhaft. Dies gilt auch für das angeblich versehentliche Hochladen des einen Videos auf dem Pornovideoportal www.F..com. Wie bei der Erstellung einer kurzen Videoanimation, eines GIFs, (mit welcher Software?) das in Rede stehende Video konkret verwendet wurde, legt der Beklagte bereits nicht dar. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, dass das (behauptete) bloße Verwenden einer Videodatei dazu führt, dass diese im Internet veröffentlicht wird. Insofern passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin vorgetragen hat, dass sie das zuletzt mit dem Beklagten geführte Telefonat irritiert habe, als dieser zu ihr gesagt habe, dass „der Pornokanal jetzt voll sei, bis auf ein gemeinsames Sextape“.

Erfolgt der Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre – wie hier – durch die Veröffentlichung von Nacktvideos und/oder Sexvideos, sprechen die Gerichte den Geschädigten üblicherweise eine Geldentschädigung von mehreren Tausenden von Euro je Veröffentlichungshandlung zu. Die Höhe der Entschädigung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen ist insoweit insbesondere darauf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Bilder bzw. Videos gefertigt wurden, wie der Schädiger an die Bilder bzw. Videos gelangt ist, was auf diesen genau zu erkennen ist, ob die betreffende Person darauf zu erkennen ist bzw. ob Hinweise auf deren Identität gegeben sind, wer von den Bildern bzw. Videos Kenntnis erlangt hat, welche Folgen privater, beruflicher und/oder finanzieller Art die Bekanntgabe der Fotos hatten und aus welchen Motiven heraus (z.B. aus Rache nach einer beendeten Liebesbeziehung) die Veröffentlichung im Internet erfolgte (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2011, 12 O 438/11: 5.000,00 EUR für ein Nacktfoto eines Nacktmodells bei einer Malaktion; LG Kiel, Urt. v. 27.04.2006, Az. 4 O 251/05, NJW 2007, 1002: 25.000,00 EUR für drei Nacktfotos im Internet, die die Geschädigte zum Teil vollständig nackt zeigten, wobei zudem deren vollständiger Name und ihre Anschrift genannt wurde; LG Berlin, Urt. v. 07.10.2014, Az. 27 O 166/14: 15.000,00 EUR für die Veröffentlichung eines Privatpornos im Internet; AG Neukölln, Urt. v. 25.03.2021, Az. 8 C 212/20: 3.000,00 EUR für die Versendung eines Fotos und eines kürzeren Sexvideos über einen Messenger-Dienst an eine Verwandte der betroffenen Person nach dem Ende der Liebesbeziehung; OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15, NJW-RR 2017, 1124: 7.000,00 EUR für ein Foto einer 16-Jährigen, das diese beim Oralverkehr zeigt und OLG Hamm, Urt. v. 03.03.1997, Az. 3 U 132/96, NJW-RR 1997, 1044: 20.000 DM für ungenehmigte Veröffentlichung von Aktfotos auf dem Titelblatt einer Zeitschrift; vgl. hierzu auch die Übersicht bei Krumm, FamRB 2019, 124, 127).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erachtet die Kammer angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Persönlichkeitsverletzungen eine Entschädigung von insgesamt 120.000,00 € für angemessen. Von den 15 Videos enthalten 12 Videos nicht nur Nacktaufnahmen (überwiegend des gesamten Körpers), sondern mehrere Videos auch explizit sexuelle Inhalte und Darstellungen (wie z.B. Masturbationsszenen und (Nah-)Aufnahmen des Intimbereichs und von der Penetration mit einem Sexspielzeug und anderen Gegenständen). Die drei weiteren Videos weisen aufgrund der Handlung und der Bezeichnung („blowjob“) ebenfalls einen erkennbaren sexuellen Bezug auf. Die in Rede stehenden Videos waren bis zur erfolgten Löschung auf insgesamt drei einschlägigen, frei zugänglichen Pornoseiten im Internet weltweit abrufbar, und zwar auf www.I..com für mindestens vier Monate und auf www.Y..com knapp ein Jahr. Insgesamt hat der Beklagte 15 Videos selbst hochgeladen. Zudem waren 14 der Videos im Juni 2021 auch unter wwwB..cc abrufbar. In sämtlichen vorgenannten Videos ist die Klägerin zu erkennen, da ihr Gesicht meist für längere Zeit zu sehen ist. Darüber hinaus ist in mehreren Videos ihre Stimme zu hören, in einzelnen Videos spricht sie direkt in die Kamera und den Beklagten persönlich an. Die Videos sind überwiegend länger als eine Minute, teils aber auch deutlich länger, nämlich bis zu 6 ½ Minuten lang. Die Videos wurden in Einzelfällen bis zu 9.387 Mal angesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte die Videodateien unter Verwendung des Vor- und Nachnamens der Klägerin entsprechend bezeichnet und die Videos auf www.I..com unter einem eigens von ihm unter ihrem Namen eingerichteten Account veröffentlicht hat. Nicht zuletzt dadurch waren die Videos – wie die Klägerin durch die Ausdrucke von Suchanfragen belegt hat – auch mit Hilfe von Suchmaschinen (wie z.B. N.) ohne Kenntnis der Domains der genannten Internetadressen ohne weiteres auffindbar. Da der Beklagte die von ihm veröffentlichten Videos jeweils mit einem neuen Titel unter dem Namen der Klägerin veröffentlicht hat, handelte er bei jeder Veröffentlichung aufgrund eines neu und selbständig gefassten Tatentschlusses.

Bei der Höhe der Bemessung der Geldentschädigung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der in Z. lebende Beklagte als Immobilienmakler für exklusive und hochpreisige Immobilien tätig und Inhaber der Fa. A. ist. Denn bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB können nach höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16.09.2016, Az. VGS 1/16,Rn. 29). Insoweit ist der Hinweis des Beklagten auf den Anfragebeschluss des BGH vom 08.10.2014 überholt.

Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Klägerin die Videos selbst aufgenommen und dem Beklagten per Messenger Dienst-App (O.) übersandt hatte. Die Kammer verkennt somit nicht, dass es sich hier nicht um heimliche Videoaufnahmen von der Klägerin handelt, die ohne Einwilligung veröffentlicht wurden. Aber auch dann, wenn die Veröffentlichung des Videos trotz eindeutiger Bestimmung für den „privaten Gebrauch“ einer einzigen Person, hier dem Beklagten als Empfänger der elektronisch (per O.) versandten Nachricht bestimmt ist, und das Video dann gleichwohl von diesem im Internet für eine unbestimmte Anzahl an Personen auf einem Pornovideoportal öffentlich zugänglich gemacht wird, liegt ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.

3. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 6.009,14 € gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Bei den ihr entstanden Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten. Die Ausgaben waren aus Sicht der Klägerin erforderlich, um eine weitere Rechtsverletzung möglichst schnell zu unterbinden. Angesichts des einheitlichen Auftrags, gegen die widerrechtliche Veröffentlichung der Videos im Internet vorzugehen, ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur gegenüber dem Beklagten tätig geworden (mit der Abmahnung vom 17.01.2022 und dem Aufforderungsschreiben vom 11.02.2022), sondern auch gegenüber den Betreibern der Pornovideoportale www.I..com und www.F..com sowie gegenüber „N.“. Da es sich um eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt, ist insofern nach der Rechtsprechung des BGH ein Gesamtgegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten insgesamt zu bilden, (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2019, Az. VI ZR 403/17). Dieser Gesamtgegenstandswert beläuft sich auf 570.000,00 €.

Im Einzelnen:

Gegenstandswert Abmahnung 150.000,00 €
Geldentschädigung 120.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.I..com 140.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 140.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.F..com 10.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 10.000,00 €
Summe 570,000,00 €

Dabei betrifft das Vorgehen gegen Veröffentlichung unter www.F..com entgegen der Annahme der Klägerin nicht zehn verschiedene Videos, sondern nur ein Video, das lediglich unter zehn unterschiedlichen URLs mit abweichenden Länderkennungen („de“, „es“, „fr“ etc.) auf der Internetseite www.F..com abrufbar war, weswegen der Gegenstandswert insoweit bezüglich der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters gegenüber dem Betreiber des Pornovideoportals „Y.“ und „N.“ lediglich jeweils mit 10.000,00 € zu berücksichtigen war.

Unter Berücksichtigung der geltend gemachten 1,3 Gebühr ergibt sich ein Betrag von 6.009,14 €.

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG 5.029,70 €
Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG 20,00 €
MwSt. 19% 959,44 €
Summe 6.009,14 €

4. Aus den vorstehenden Gründen ist schließlich auch der mit dem Klageantrag zu 4. geltend gemachte Feststellungsantrag begründet. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln des Beklagten, wie im Tenor zu 1. beschrieben, künftig weitere Schäden entstehen. Denkbar ist insbesondere, dass es künftig zu weiteren Veröffentlichungen der hier streitgegenständlichen Videos kommt, die auf die ursprüngliche Veröffentlichung der Videos durch den Beklagten zurückzuführen sind. Für solche künftigen Schäden hat der Beklagte ebenfalls einzustehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen

LG Düsseldorf
Urteil vom 21.06.2023
12 O 115/22

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Werbung für ein EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 8b UWG, § 2 UKlaG i.V.m. § 5 UWG bzw. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte (Medizinprodukteverordnung, im Folgenden MDR (Medical Device Regulation)) zu.

a. Der Kläger ist gemäß nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG und §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG i.V.m. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG aktiv legitimiert. Es handelt sich bei ihm um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Der Verband ist seit dem 15.11.2021 auch in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 8b Abs. 1 und Abs. 2 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020 S. 2568; UWG n.F.) finden hier Anwendung. Nach diesen Vorschriften, die am 01.12.2021 in Kraft getreten sind, bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG n.F., um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.2023, Az. I ZR 111/22, Rn. 11, juris). Ferner ist gerichtsbekannt, dass der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dem entsprechenden Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Schließlich gehört dem Kläger auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Dabei ist auf die angegriffenen Wirkaussagen abzustellen, da es auf die Substituierbarkeit der von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen ankommt. Das Gerät der Beklagten soll Muskeln im menschlichen Körper aufbauen („mühelos definierte Muskeln“) und zur Erlangung eines „Traumkörpers“, und zwar „ganz ohne Sport“, dienen. Ferner soll es Hautgewebe sowie Bereiche mit Cellulite glätten. Damit konkurrieren etwa Apotheken, die Mittel zur Gewichtsreduzierung vertreiben, mit der Beklagten, ebenso wie Ärzte (Allgemeinmediziner und Hautärzte) sowie Heilpraktiker, die ihren Patienten Diäten oder Medikamente gegen Cellulite verschreiben. Auch Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln sowie Anbieter von Medizinprodukten stehen im Wettbewerb zur Beklagten. Der Kläger hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste substantiiert dargelegt, dass ihm eine Vielzahl von Apotheken, Ärzten, Heilpraktikern und Arzneimittelherstellern und -großhändlern angehören. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist somit nicht nur auf die Anbieter im Markt für vergleichbare Therapie-Geräte (wie den „N.) die das EMS- und/oder HIFEM-Verfahren verwenden, abzustellen, wobei auch Unternehmen aus der Branche der Medizinprodukte zum Mitgliederkreis des Klägers zählen.

b. Bei den Werbeangaben handelt es sich auch um geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, da diese der Förderung des Absatzes von Waren (hier dem Gerät „N.“) dienen.

c. Es liegt ein Verstoß gegen die spezialgesetzlichen Irreführungsverbote gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR sowie das allgemeine Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG vor.

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG u.a. dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware oder Dienstleistung enthält (Nr. 1).

Gemäß § 3 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, und zwar insbesondere dann, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

Gemäß Art. 7 lit. a) MDR ist es bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Bewerbung von Produkten untersagt, Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt.

aa. Es liegt eine Irreführung gemäß § 5 UWG vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen sieben Werbeangaben, bei denen es sich um Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen handelt, zutreffend sind.

Ob und inwieweit eine Werbung mit Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Angehörigen der Verkehrskreise, an welche sich die Werbung richtet (BGH, GRUR 2004, 793 - Sportlernahrung II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 UWG, Rn. 1.64). Dies können sowohl Fachkreise als auch Verbraucher, aber auch nur bestimmte Gruppen von Verbraucher sein. Wendet sich eine Werbung nur an Fachleute, so entscheiden deren Auffassung und Sprachgebrauch auf dem betreffenden Fachgebiet (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 50 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2021, 513 Rn. 11 – Sinupret; (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.64). Werbeangaben werden von fachkundigen Kreisen meist sorgfältiger betrachtet. Zudem erfassen die Fachkreise aufgrund ihrer Vorbildung und Erfahrung den Aussageinhalt einer (Werbe-)Angabe oft leichter und prüfen sie mitunter wegen ihrer beruflichen Verantwortung genauer (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.69). Wendet sich eine Werbung hingegen sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum (oder Teile davon), so reicht es aus, wenn eine Irreführungsgefahr bei einer der Adressatengruppen besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.64).

Dies berücksichtigend ist der Aussagegehalt der hier angegriffenen Werbeangaben aus der Sicht der Fachkreise zu beurteilen. Die Veröffentlichung der in Rede stehenden Werbeanzeige erfolgte vorliegend in dem Fachmagazin „X.“, zu dessen Lesern in erster Linie Mitglieder der Fachkreise aus dem Bereich Beauty, Wellness, Styling, Hand- und Fußpflege zählen. Ferner ist davon auszugehen, dass sich selbst von den „interessierten Verbrauchern“ nur wenige wegen des hohen Preises des Geräts „D.“ für dessen Erwerb interessieren würden. Bei Verbrauchern könnte allenfalls im Einzelfall ein Interesse für ein entsprechendes (Fitness-)Training bei einem Dienstleister mit diesem Gerät geweckt worden sein. Da Verbraucher nur im Einzelfall bzw. nur durch Zufall mit der streitgegenständlichen Werbeanzeige in Kontakt gekommen sein dürften, ist insofern auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Mitglieds der Fachkreise abzustellen. Maßgebend für die Bestimmung des Inhalts ist, wie dieser die beanstandeten Angaben aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht (BGH, Urt. v. 05.02.2015, Az. I ZR 136/13, Rn. 18 - TIP der Woche; BGH, Urt. v. 18.01.2012, Az. I ZR 104/10, Rn. 16 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum). Nach dem Gesamteindruck beurteilt sich auch, welche Angaben in einer Äußerung getrennt verstanden werden, welche zusammengehören, in welchem Zusammenhang sie stehen und wie sie im Zusammenhang verstanden werden (BGH, Urt. v. 16.12.2004, Az. I ZR 222/02, Rn. 24 bei juris - Epson Tinte). Unerheblich ist das nicht zum Ausdruck gelangte Verständnis des Werbenden selbst. Entscheidend für die Bildung der Verkehrsauffassung ist vielmehr der erfahrungsgemäß am Wortsinn anknüpfende objektive Eindruck auf den Empfängerkreis. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich Auffassung und Sprachgebrauch der Fachleute nicht von denen des allgemeinen Verkehrs unterscheidet (BGH, GRUR 2021, 513 Rn. 14 – Sinupret).

So liegt der Fall hier. Die für (medizinische) Laien wie für die Fachkreise gleichermaßen verständlichen Angaben in der angegriffenen Werbeanzeige suggerieren nicht nur dem Laien, sondern auch dem Mitglied der Fachkreise hinsichtlich der Körperstatur („Traumkörper“, „Muskelaufbau“), dem Fettgehalt im Körper („Körperfett wird reduziert“) und der Beschaffenheit der Haut („das Gewebe wird sichtbar gestrafft“, „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet“) eine therapeutische Wirksamkeit bzw. therapeutische Wirkungen der Behandlung mit dem Gerät „D.“. Eines speziellen Trainings (im Sinne von sportlicher Aktivität) während oder im Zusammenhang mit der Behandlung bedarf es unter Berücksichtigung des maßgeblichen Gesamteindrucks der Werbeangaben nicht, da laut der blickfangmäßigen Überschrift der „Traumkörper auch ganz ohne Sport“ (Nr. 1) erreicht werden kann bzw. der Aufbau von – dem Schönheitsideal entsprechenden – definierten Muskeln „mühelos“ (Nr. 2) erfolgt. Auch die den Fließtext der Werbeanzeige einleitende Frage „Keine Lust auf Sport, aber Sehnsucht nach dem Traumkörper?“ wird in diesem Sinne im folgenden Satz sogleich beantwortet: „Kein Problem! Das N. stimuliert die Muskeln wie bei einem Intensivtraining, ganz ohne Sport“ (Nr. 3). Die weiteren angegriffenen Werbeangabe beinhalten mit „Muskeln werden aufgebaut und das Gewebe wird sichtbar gestrafft“ (Nr. 4), „Körperfett wird reduziert“ (Nr. 5) und „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet!“ (Nr. 6) ferner konkrete Wirkangaben. Hierauf wird in der abschließenden Formulierung nochmals erkennbar Bezug genommen, in der es zusammenfassend heißt: „Innerhalb kürzester Zeit können beeindruckende Ergebnisse an Oberschenkeln, Bauch, Hüften, Armen und Po erzielt werden“ (Nr. 7). Da die in der Werbeanzeige verwandten Begriffe auch dem Laien ein Begriff sind,

Die Frage, ob eine Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsangabe den Adressaten der Werbung in die Irre führt, ist hierbei in Anwendung des für die gesundheitsbezogene Werbung allgemein geltenden strengen Maßstabs zu entscheiden. Da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verbunden sein können, sind insoweit an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Dies rechtfertigt sich zudem daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Irreführend sind solche Werbeaussagen, die geeignet sind, im konkreten Fall eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Adressaten und der Wirklichkeit herbeizuführen. Dabei wird auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesicherten Wirkungsaussagen erfasst (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung nämlich generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 16 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2015, 1244 Rn. 16 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris).

Dabei obliegt der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris). Hat der Beklagte indes – wie hier die Beklagte – mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen, kommt es jedoch zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Der Beklagte muss dann den Beweis für die Richtigkeit seiner Aussagen erbringen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er deshalb im Streitfall auch beweisen muss (vgl. BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.248). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Auch im Fall einer Metaanalyse ist Voraussetzung dafür, dass sie eine Werbeaussage tragen kann, in jedem Fall die Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln (BGH, Urt. v. 06.02.2013, Az. I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die Erfüllung dieser Kriterien hat dabei nicht erst im Prozess zu geschehen, sondern bereits bevor die entsprechenden Werbebehauptungen aufgestellt werden. Dies erfordert das hohe Schutzgut der Gesundheit der angesprochenen Verkehrskreise.

Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, daher zunächst darlegen, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt. Nicht ausreichend ist es, dass er sich erst im Prozess auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll. Der Vorwurf, den Verkehr durch eine Angabe, für deren Richtigkeit der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte hat, in die Irre geführt zu haben, kann hierdurch nicht ausgeräumt werden (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 88; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.248).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass das EMS-Training und die von der Beklagten angeführte Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) in der Wissenschaft umstritten sind und ihr Erfolg derzeit als (noch) wissenschaftlich ungesichert gilt. Der Kläger hat durch Vorlage der Anlagen K 9 bis K 11 (Gutachten des Prof. Dr. I. aus dem Jahr 1997 gemäß Anlage K 9, Sachverständigengutachten Dr. rer. nat. P. / Prof. Dr. med. J. vom 29.09.1997 gemäß Anlage K 10 und den Bericht vom Bericht aus dem vom W.-Netzwerk betriebenen Informationsportal „S.“ vom 24.04.2014 gemäß Anlage K 11) dargetan, dass die in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben zur EMS-Therapie bzw. zur Behandlung mit dem Gerät „N.“ nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten Anlagen K 12 bis K 14 (u.a. dem Gutachten von Prof. Dr. O. zum Phänomen Cellulite vom 30.01.1992) mit Blick auf die Wirkangaben zur Behandlung von Zellulitis oder Zellulite (sog. Orangenhaut).

Insofern wäre es an der Beklagten gelegen gewesen, eine entsprechend aussagekräftige Studie zum EMS-Training bzw. zu der Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) vorzulegen, aus denen sich Feststellungen zu den behaupteten Wirkungen ergeben. Dabei kommt den von der Beklagten vorgelegten Studien (Anlage B 1 bis B 4) nicht der „Goldstandard“ zu, weil es sich nicht um randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung handelt. Unabhängig davon, ob im Streitfall überhaupt eine placebo-kontrollierte Studie möglich ist, weil die Probanden die Anwendung mit elektrischem Strom spüren, lässt sich den von der Beklagten vorgelegten Studien jedenfalls nicht entnehmen, inwiefern es sich bei den dort beschriebenen „Erfolgen“ um signifikante Veränderungen (im Vergleich zu nicht behandelten Probanden) handelt, die nicht etwa auf anderen Faktoren (wie z.B. äußeren Umwelteinflüssen) beruhen. Zudem ist den von der Beklagten vorgelegten Studien in den jeweiligen Zusammenfassungen der Ergebnisse teils eine relativierende Aussage zu entnehmen, die an der Verallgemeinerungsfähigkeit der Aussagen Zweifel nährt. Auch erscheint es zweifelhaft, ob angesichts der Größe der jeweiligen Probandengruppen (von teils nur 10 oder 41 Teilnehmern) überhaupt allgemeingültige aussagekräftige Feststellungen zu Wirkungen getroffen werden können.

Schließlich sind die angegriffenen Angaben in der Werbeanzeige auch geeignet, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

bb. Dies berücksichtigend liegt somit auch ein Verstoß gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 7 lit. a) MDR und § 3 HWG vor, da die angegriffenen Werbeangaben, wie dargelegt, irreführend und daher unzulässig sind. Eine entsprechende Marktverhaltensregelung ist nicht nur in § 3 HWG zu sehen, sondern auch in Art. 7 lit. a) MDR, weil beide Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (vgl. BGH, GRUR 2015, 1244 Rn. 13 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 119, juris zu § 3 HWG und OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 28; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 32 zu Art. 7 MDR). Von der europarechtlichen Regelung in Art. 7 lit. a) MDR und der dort geregelten Irreführungsvariante werden die bislang von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG erfassten Angaben über die Wirkungen des Medizinproduktes erfasst. Insoweit kann unter Berücksichtigung von Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG bei der Anwendung der Vorschrift auf die entsprechenden Kriterien der Rechtsprechung zu § 3 HWG zurückgegriffen werden. Nach Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG sind die Zivilgerichte der Mitgliedstaaten ermächtigt, vom Werbenden Beweise bzw. Beweismittel für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen – wie hier – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Im Ergebnis gelten daher mutatis mutandis nach Art. 7 lit. a) MDR die gleichen Anforderungen für Wirkungsaussagen für Medizinprodukte wie gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 29 - 31; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 37 mwN., zitiert nach juris).

d. Bei den Irreführungstatbeständen § 5 UWG, § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR handelt es sich ferner Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 UKlaG. Zu den sonstigen Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen (BGH WRP 2020, 726 Rn. 15 – SEPA-Lastschrift) und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt (BGH WRP 2020, 726 Rn. 36 – SEPA-Lastschrift). Es genügt, dass die Vorschrift zumindest auch dem Schutz der Verbraucher dient und dass dieser Schutz nicht nur untergeordnete Bedeutung hat oder eine nur zufällige Nebenwirkung ist (BGH WRP 2020, 726 Rn. 20 – SEPA-Lastschrift im Anschluss an EuGH WRP 2019, 1567 Rn. 27 – Verein für Konsumenteninformation). Hierzu zählen insbesondere die verbraucherschützenden Vorschriften des UWG, soweit sie – wie das Verbot irreführender Handlungen (Art. 6 UGP-Richtlinie) – auf der UGP-Richtlinie beruhen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UKlaG § 2 Rn. 30 ff.).

e. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht weggefallen. Die Beklagte hat trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin bislang keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

f. Die Androhung von Ordnungsmitteln ergibt sich aus § 890 ZPO.

2. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 1 UWG. Die Abmahnung erweist sich aus den vorgenannten Gründen als berechtigt. Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


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LG Düsseldorf: Verstoß gegen SEPA-Verordnung setzt keinen Vertragsabschluss voraus - Ablehnung eines Kontos aus EU-Ausland durch Plattform für Ankauf gebrauchter Unterhaltungselektronik

LG Düsseldorf
Urteil 02.06.2023
38 O 162/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die SEPA-Verordnung keinen Vertragsabschluss voraussetzt. Vorliegend ging es um die Ablehnung eines Kontos aus dem EU-Ausland durch eine Plattform für den Ankauf gebrauchter Unterhaltungselektronik. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.03.2023
I-20 U 318/20


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif die Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen dürfen. Allerdings hat das Gericht im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis der Verbraucherzentrale NRW verneint, da nach Ansicht des Gerichts nicht etwa Interessen von Kunden verfolgt wurden, sondern auf ein anderes behördliches Verfahren Einfluss genommen werden sollten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil im Prozess um Strom- und Gaspreiserhöhungen bei vertraglich zugesagten Preisgarantien

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen eine einseitige Preisanpassung als solche wenden. Dass die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, zur einseitigen Preisanpassung berechtigt zu sein, unrichtig ist, stellt keine Täuschung des Kunden dar. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden. Das Urteil vom 23.03.2023 (Aktenzeichen I-20 U 318/20) ist in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de abrufbar.

Der Antragsteller, ein Verein der sich unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, nimmt im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch (vgl. Pressemitteilung vom 09.03.2023). Das Landgericht Düsseldorf hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.11.2022 unter anderem untersagt, während des vereinbarten Zeitraums einer Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen (Az.: 12 O 247/22). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat insoweit Erfolg. Zwar stand ihr nach der Auffassung des Senats ein Recht zur einseitigen Preiserhöhung, gestützt auf § 313 BGB nicht zu, weil der Gesetzgeber auf die "Gaskrise" reagiert und in § 24 EnSiG ein spezialgesetzliches Preisänderungsrecht eingeführt hat, das die Anwendung des § 313 BGB verdrängt. Dass die Voraussetzungen des § 24 EnSiG nicht vorliegen, weil die Bundesnetzagentur nicht eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 24 EnSiG zu erkennen gegeben, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Versorger nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist.

Der Unterlassungsanspruch hat jedoch deswegen keinen Erfolg, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen unter anderem dann fehlt, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung als solche gegenüber Kunden aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären. Im Übrigen handelt es sich bei der Preisanpassungserklärung auch nicht um eine täuschende Angabe.

Demgegenüber darf die Antragsgegnerin nicht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwenden, in der in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit und Preisfixierung ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat eingeräumt wird. Eine solche Klausel führt zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie und ist unwirksam. Insoweit hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht möglich, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.

§ 24 Abs. 1 und 2 EnSiG (Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz)


(1) Nach der Ausrufung der Alarmstufe oder der Notfallstufe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, kann die Bundesnetzagentur die Feststellung treffen, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland vorliegt. Die Feststellung kann zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Ausrufung der Alarm- oder Notfallstufe erfolgen und unter der Voraussetzung, dass die Optionen in den §§ 29 und 26 geprüft wurden und das Ergebnis dokumentiert ist. Mit der Feststellung durch die Bundesnetzagentur nach Satz 1 erhalten alle von der Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland unmittelbar durch Lieferausfälle oder mittelbar durch Preissteigerung ihres Lieferanten infolge der Lieferausfälle betroffenen Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nummer 18 des Energiewirtschaftsgesetzes entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen. Eine Preisanpassung ist insbesondere dann nicht mehr angemessen, wenn sie die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung überschreitet, die dem jeweils betroffenen Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das an den Kunden zu liefernde Gas entstehen.

(2) Die Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 ist nur auf Verträge anzuwenden, die eine physische Lieferung von Erdgas innerhalb des deutschen Marktgebietes zum Gegenstand haben. Satz 1 ist unabhängig von dem auf den Vertrag im Übrigen anwendbaren Recht anzuwenden. Das Recht zur Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 kann nicht durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden.

LG Düsseldorf: Wesentliche Tarifinformationen dürfen in Werbeflyer für Mobiltarif nicht nur in kaum lesbarer 3-Punkt-Schrift in Fußnote enthalten sein

LG Düsseldorf
Urteil vom 26.08.2022
38 O 41/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die wesentliche Tarifinformationen in einem Werbeflyer für einen Mobiltarif nicht nur in kaum lesbarer 3-Punkt-Schrift in einer Fußnote enthalten sein dürfen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.08.2022
12 O 247/22


Das LG Düsseldorf hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarifen, Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen dürfen.

Aus dem Tenor der Entscheidung:
Der Antragsgegnerin wird untersagt,
1. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und Gaslieferverträgen außerhalb der Grundversorgung, in denen für eine bestimmte Dauer eine Preisfixierung (Festpreis) für die Strom- und Gaslieferung vereinbart wurde, die – wie in den in Anlage AS 4 abgebildeten AGB unter Punkt 7.1 bzw. 7.3 und 6.1 für Stromtarife und/oder Punkt 7.2 und 6.1 für Gastarife geregelt – auch die Kosten für Energiebeschaffung umfasst,

a. während des vereinbarten Zeitraums der Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen, wenn die angekündigte Strom- und/oder Gaspreisänderung die Kosten für Energiebeschaffung umfasst, wenn dies geschieht wie mit dem in Anlage AS 5 abgebildeten Schreiben vom 29.07.2022,

und/oder

b. Verbrauchern, denen eine Mitteilung mit gleichem Inhalt übermittelt wurde wie im Antrag zu I.1.a. angeführt, für die Belieferung mit Strom und/oder Gas während der vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung Preise in Rechnung zu stellen und/oder Entgelte einzuziehen, die über die vor Erhalt der Mitteilung geltenden Preise hinausgehen;

und/oder

2. ab dem 01.09.2022 folgende und diesen inhaltsgleichen Klauseln in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über die Belieferung mit Strom und/oder Gas zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

a. "[3.1.] Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) gewährt wurde, gilt die Laufzeit der Preisfixierung auf unbestimmte Zeit. Die Preisfixierung kann
beidseitig mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden."

b. "[3.2] Der Preis für eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) wird durch den Lieferanten nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB bestimmt. Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung gewährt wurde, ist der Lieferant berechtigt, den Preis für die Preisfixierung durch einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gern. § 315 BGB anzupassen (Erhöhungen oder Senkungen). Anlass für eine Preisanpassung ist ausschließlich eine Änderung der Kosten für Energiebeschaffung oder Vertrieb, des an den Netzbetreiber anzuführenden Netzentgelts oder der operativen Kosten des Lieferanten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Unterlassungsanspruch von LEGO gegen Händler wegen Minifiguren die nach ihrem Gesamteindruck den bekannten LEGO-Minifiguren nachgebildet sind

LG Düsseldorf
Urteil vom 12.08.2022
38 O 91/21


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die LEGO-Unternehmensgruppe gegen einen Händler einen Unterlassungsanspruch wegen des Vertriebs von aus China stammenden Minifiguren, die nach ihrem Gesamteindruck den bekannten LEGO-Minifiguren nachgebildet sind, hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Spielzeughändler muss Vertrieb von Minifiguren unterlassen

Mit Urteil vom heutigen Tage hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf der Klage der LEGO Juris A/S mit Sitz in Dänemark gegen die Steingemachtes GmbH aus Paderborn in vollem Umfang stattgegeben (Aktenzeichen 38 O 91/21).

Die Klägerin ist Teil der LEGO-Unternehmensgruppe und Inhaberin der europäischen Markenrechte auf die weltbekannten LEGO-Minifiguren. Die Beklagte vertreibt über ein von ihr unterhaltenes Ladenlokal und im Versandhandel Spielzeug aus Klemmbausteinen, die mit Legosteinen kompatibel sind und von verschiedenen Herstellern stammen. Außerdem ist sie Großimporteurin von Spielzeugwaren eines chinesischen Herstellers.

Die Klägerin kaufte testweise bei der Beklagten drei Spielzeugsets, in denen jeweils Minifiguren enthalten waren. Nach Auffassung verletze dies ihre Markenrechte, da die Figuren ihren LEGO-Minifiguren zum Verwechseln ähnlich
seien.

Sie erhob daher Klage zum Landgericht Düsseldorf und verlangte, dass die Beklagte es unterlässt, entsprechende Minifiguren in Deutschland zu verkaufen, einzuführen oder zu bewerben. Ferner verlangte sie, dass die Beklagte alle in
ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Minifiguren zerstört und ihr die Namen der Hersteller, Lieferanten und Abnehmer der Minifiguren sowie die Preise nennt, die für die betreffenden Waren verlangt und erzielt wurden. Schließlich
beantragte sie noch, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Markenverletzungen entstanden ist oder zukünftig entstehen wird.

Das Landgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Nach der hier maßgeblichen europäischen Verordnung über die Unionsmarke könne die Klägerin von der Beklagten zu Recht Unterlassung verlangen. Es sei offenkundig, dass die LEGO-Minifigur eine bekannte Marke darstelle; sie sei seit Jahren auf dem deutschen und europäischen Spielzeugmarkt präsent, trete praktisch jedermann in Alltag, Werbung und Kunst gegenüber, werde vielfältig beworben und habe insgesamt eine große Bekanntheit erreicht. Die von der Beklagten vertriebenen Figuren seien der Marke der Klägerin aus der hier maßgeblichen Perspektive des Gesamteindrucks eines durchschnittlichen Verbrauchers hochgradig ähnlich. Prägend sei bei den von der Klägerin beanstandeten Figuren das kantige und gedrungene, von geometrischen
Formen dominierte Erscheinungsbild mit dem im Kontrast zum Körper rundlichen und großen Kopf. Es bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr.

Die Beklagte habe die Marke ohne Zustimmung der Klägerin für ihre geschäftlichen Zwecke ausgenutzt.
Gegen das Urteil kann Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden.

LG Düsseldorf: Auch ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff wird rechtswirksam bei eBay an Höchstbietenden versteigert - MS Stadt Düsseldorf

LG Düsseldorf
Urteil vom 12.04.2022
8 O 321/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass auch ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff rechtswirksam bei eBay an den Höchstbietenden den versteigert wird. Vorliegend ging es um das Schiff "MS Stadt Düsseldorf" der "Weiße Flotte GmbH".

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Rheinschiff bei eBay ersteigert

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (8 O 321/20) hat am 12. April 2022 entschieden, dass das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf » wirksam über die Internetplattform eBay gekauft worden ist. Die Veräußerin hat das Schiff Zug-um-Zug gegen Zahlung von 75.050,-- € an den klagenden Ersteigerer herauszugeben. Im August 2020 hatte die Weiße Flotte GmbH das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf », das im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort eingetragen ist, bei eBay zum Kauf gegen Höchstgebot bis zum 29.08.2020 angeboten. Das Höchstgebot zum Ende der Auktion gab der Kläger mit 75.050,- - € ab. Die beklagte Weiße Flotte aus Düsseldorf verweigerte jedoch die Herausgabe des Schiffs. Sie meint, die eBay-Auktion sei nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Wegen einer Sicherheitsfunktion bei eBay, die bei Geboten von über 50.000,-- € zu einer Verifizierung auffordere, hätten potentielle Bieter ihre Gebote nicht abgeben können. Ebenso wie ein Grundstück, dürfe auch ein Schiff, das im Binnenschiffsregister eingetragen sei, nicht über eBay versteigert werden. Die Versteigerung sei unwirksam, weil die Schiffshypothek über 1,4 Mio EUR bei der Artikelbeschreibung nicht angegeben worden sei.

Die 8. Zivilkammer hält die Versteigerung bei eBay für wirksam und verurteilt die beklagte Weiße Flotte GmbH zur Herausgabe. Denn der Kaufvertrag eines eingetragenen Binnenschiffes – anders als ein Grundstückskaufvertrag – könne ohne Einhaltung von Formvorschriften geschlossen werden. Der Kaufvertrag sei mit dem Kläger als Höchstbietendem zustande gekommen. Die beklagte Weiße Flotte könne sich nicht nachträglich durch eine Anfechtung wegen Irrtums, nämlich wegen der angeblich vergessenen Angabe der Schiffshypothek, von dem Vertrag lösen. Schließlich sei auch eine Störung der Auktion nicht ersichtlich. Soweit einzelne Bieter kein Gebot über 50.000,-- € abgeben konnten, beruhe dies auf einer von eBay vorgesehenen Verifizierungsfunktion.



LG Düsseldorf: Pflanzliche Skyr-Alternative darf nicht als "Skyr Style" bezeichnet werden - Bezeichnungsschutz für Milchprodukte nach EU-Verordnung 1308/2013

LG Düsseldorf
Urteil vom 25.03.2022
38 O 120/19


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass eine pflanzliche Skyr-Alternative nicht als "Skyr Style" bezeichnet werden darf. Insofern liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen den Bezeichnungsschutz für Milchprodukte nach EU-Verordnung 1308/2013 vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Düsseldorf: Klausel in Vodafone AGB die überhöhte Pauschale bzw. verschuldensunabhängigen Schadensersatz bei unterlassender Rückgabe von Receiver oder Router vorsieht unwirksam

LG Düsseldorf
Urteil vom 03.02.2021
12 O 83/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass eine AGB-Klausel in den Vodafone AGB, die eine überhöhte Pauschale bzw. einen verschuldensunabhängigen Schadensersatz bei unterlassender Rückgabe von Receiver oder Router vorsieht, unwirksam ist.

Die Pressemitteilung der Verbraucherzentrale NRW:
Das Landgericht Düsseldorf hat dem Telekommunikationsanbieter Vodafone untersagt, Klauseln in AGB einzubeziehen und sich auf solche zu berufen, die Verbraucher:innen bei unterlassener Rückgabe eines zur Verfügung gestellten Routers oder Receivers zum verschuldensunabhängigen Schadensersatz und zur Zahlung einer überhöhten Pauschale verpflichten.

Verbraucher:innen können bei Abschluss eines Internet-, Kabel- oder TV-Anschlusses häufig ein entsprechendes Empfangsgerät (Router, Receiver) dazu mieten oder leihen.

Eine von der Verbraucherzentrale angegriffene Klausel sah vor, dass Verbraucher:innen bei Nichtrückgabe des zur Verfügung gestellten Routers eine Pauschale in Höhe von 249,90 Euro an den Telekommunikationsanbieter zu zahlen habe.

Das Gericht stellte fest, dass der Preis, den das Telekommunikationsunternehmen für die Neuanschaffung eines Routers zahlen müsse, jedoch deutlich unter 249,90 Euro liege. Das Telekommunikationsunternehmen könne nicht pauschal einen derart hohen Betrag als Schaden Kund:innen verlangen. Der durchschnittliche Schaden bei Nichtrückgabe läge noch unter dem Preis, den das Telekommunikationsunternehmen für die Neuanschaffung des Gerätes zahlen müsse, denn die Nichtrückgabe führe nicht automatisch zu einer Neuanschaffung eines Routers. Vielmehr verfüge ein Telekommunikationsunternehmen über eine Vielzahl von Geräten und könne aus diesem „Gerätepool“ Router verleihen.

Eine weitere Klausel, die eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung der Kund:innen bei Nichtrückgabe der Geräte vorsah, sei ebenfalls unwirksam. Sie sei nicht mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Schadensersatzregeln von Mieter:innen bei Nichtrückgabe der Mietsache vereinbar.

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale NRW gegen die Vodafone GmbH.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf hält an einschränkender Auslegung der Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG trotz anderer Ansicht des OLG Düsseldorf fest

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.02.2021
38 O 19/21

Das LG Düsseldorf hält an seiner einschränkenden Auslegung der Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf Wettbewerbsverstöße, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen, trotz anderer Ansicht des OLG Düsseldorf (siehe dazu OLG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen ) fest.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des von der Antragstellerin angerufenen Gerichts nicht nur für die in Printmedien verbreitete Anzeigen- und die Fernsehwerbung, sondern darüber hinaus für die über ihre Internetpräsenz und das Portal youtube verbreitete Werbung gegeben.

1. Zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG wird zunächst auf die Erwägungen unter I 1 a sowie I 1 b aa des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 verwiesen (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [dort jeweils Rn. 3 bis 14; die Entscheidung kann außerdem kostenfrei unter nrwe.de abgerufen werden]; zur Unterrichtung der an dem Verfahren 38 O 3/21 nicht beteiligten Antragsgegnerin sind die in Bezug genommenen Passagen des Beschlusses vom 15. Januar im Anschluss an die Gründe dieses Beschlusses wiedergeben). An dem dort gefundenen Ergebnis – dass nämlich der den grundsätzlich nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG gegebenen fliegenden Gerichtsstand sperrende Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG (nur) eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021, a.a.O.; zustimmend Lerach, jurisPR-WettbR 2/2021 Anm. 5; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41] sowie – allerdings etwas weniger weitgehend – Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21; kritisch dagegen Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]) – hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest. Die gegen die vorgenommene teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Bedenken (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Omsels/Zott, a.a.O.) greifen nicht durch und veranlassen die Kammer nicht, ihre Sichtweise zu ändern.

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a) Die teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG überschreitet nicht die sich aus der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf angesprochenen Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ ergebenden Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung. Die Frage, wie die – dem UWG bis zum 1. Dezember 2020 unbekannte und im Gesetz nicht definierte – Wendung der „Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ (§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UWG) zu verstehen ist und ob sie inhaltlich dieselben oder andere Sachverhalte erfasst als die – ebenfalls neu eingefügte und nicht definierte – Wendung der „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstöße[…] gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UWG) ist eine von Ansatzpunkt und Tragweite her vollkommen andere als die in der Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ vom Bundesgerichtshof beantwortete Frage, ob sich der (allein) das Berufsbild des Versicherungsberaters beschreibenden (und dabei die bisherige gesetzliche Regelung inhaltlich übernehmenden), seine Vergütung nicht regelnden Vorschrift des § 34d Abs. 2 S. 2 GewO (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater [unter II 2 c ff (2) und (3)]) entnehmen lässt, dass der Versicherungsberater infolge des Inkrafttretens dieser – wie erwähnt keine inhaltliche Änderung bringenden – Vorschrift dem sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG ergebenden Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars künftig nicht mehr unterfällt. Jedenfalls ist anhand der in der Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ aufgezeigten Grenze zulässiger Gesetzesauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater [unter II 2 c ff (4)]) nicht festzustellen, dass die von der Kammer vorgenommene (und von Teilen der Literatur für zutreffend gehaltene) Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG als krasse Missdeutung und damit als objektiv willkürlich im Sinne von unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und naheliegend als auf sachfremden Erwägungen beruhend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2014 – 1 BvR 1925/13 [unter II 1]; BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – IX ZB 55/19 [unter II 3 b dd]) anzusehen sein könnte. Die Wortlautinterpretation ist nicht Grenze, sondern Ausgangspunkt der Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 – IV ZR 551/15 [unter II 1 c bb]; s.a. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 – C-786/18, ratiopharm GmbH/Novartis Consumer Health GmbH [Rn. 28 ff.]) und bei der Gesetzesauslegung ist zu berücksichtigen, ob eine strikt am Wortlaut orientierte Gesetzesanwendung zu sachgerechten Ergebnissen führt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 – III ZR 209/09 [unter II 3 b]).

b) Die Unterschiede in den Formulierungen von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG einerseits und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG andererseits stehen der an (in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 herausgearbeiteten) Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht entgegen, zumal es sich bei dieser Vorschrift – was das Oberlandesgericht Düsseldorf unberücksichtigt lässt – um einen Ausnahmetatbestand handelt dessen Zweck es ist, den in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich eröffneten fliegenden Gerichtsstand für bestimmte Fälle auszuschließen. Näher als die Annahme eines (möglicherweise vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Gesetz erkannten) „Zweistufensystems“ (im Sinne einer bewusst zwischen verschiedenen Fallgruppen differenzierenden Lösung für die Regelung des Abmahnkostenersatzes einerseits und der örtlichen Zuständigkeit andererseits) liegt die Annahme eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers (vgl. Lerach, a.a.O.), was aus den in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 angeführten Gesichtspunkten eine teleologische Reduktion des in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltenen Ausnahmetatbestandes angezeigt erscheinen lässt. Die für eine solche Auslegung sprechenden Argumente sind – jedenfalls durch die bisherige Diskussion – nicht widerlegt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vertiefenden, die Zirkelschlüssigkeit der bislang geäußerten Kritik aufzeigenden und den Gang des Gesetzgebungsverfahrens nachzeichnenden Ausführungen der Antragstellerin unter IV 3 c ihrer Antragsschrift (S. 17 bis 20 = Bl. 18 bis 21 GA) Bezug genommen.

c) Die Kammer sieht keine Veranlassung, ihre Auffassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung aufzugeben. Die Diskussion darüber, wie die seit dem 2. Dezember 2020 geltende Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 14 Abs. 2 UWG auszulegen ist, steht noch an ihrem Anfang. Die Überzeugungskraft der Bedenken, die bislang gegen das in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 gefundene Ergebnis und die dafür gegebene Begründung vorgebracht worden sind, ist – jedenfalls aus Sicht der Kammer – gering und auf der anderen Seite sind Ergebnis und Begründung des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 teils ausdrücklich zustimmend besprochen worden. Angesichts dessen erscheint es der Kammer, die ausschließlich mit Streitigkeiten aus den Bereichen des Wettbewerbs-, Kennzeichen- und Geschmacksmuster-/Designrecht befasst ist und auf deren Spruchpraxis sich die beteiligten Kreise vielfach einstellen, angezeigt, an ihrer eingeschlagenen Linie festzuhalten (freilich unter dem – letztlich für jede Rechtsanwendung geltenden – Vorbehalt sich eventuell aus dem Fortgang der Diskussion um die zutreffende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ergebender besserer Erkenntnisse).

d) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist schließlich nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen dahin zu begründen, die Kammer werde nunmehr an ihrer – für den geneigten Leser ihres Beschlusses erkennbar nicht unüberlegt in den Raum geworfenen, sondern unter Heranziehung anerkannter Auslegungsgrundsätze und der Gesetzgebungsmaterialien entwickelten – Auffassung nicht länger festhalten. Selbst wenn man – hinausgehend über die sich aus §§ 31 BVerfGG, 322, 563 Abs. 2 ZPO ergebenden Bindungen an Urteile anderer Gerichte und dem sich aus den Rechtswerten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergebenden Gebot, grundsätzlich an einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung festzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1982 – GSZ 1/82, NJW 1983, 228 [unter II 1 b]) – eine dem deutschen Recht an sich fremde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 – X ARZ 110/02 [unter III 2]) Präjudizienbindung von Instanzgerichten annehmen wollte, griffe diese nicht ein. Bei der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter II 3 c und III seines Beschlusses vom 16. Februar 2021 geäußerten Kritik an Zustandekommen und Inhalt des von der Kammer am 15. Januar 2021 erlassenen Beschlusses handelt es sich um bloße obiter dicta, die als die Entscheidung nicht tragende Erwägungen schon vom Ansatz her keinerlei Bindungswirkung entfalten.

2. Aus dem zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gefundenen Ergebnis ergibt sich, dass der nach §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich für alle hier angegriffenen Werbemaßnahmen gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes nicht gemäß § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für das Bereithalten der beanstandeten Darstellung in der Internetpräsenz der Antragsgegnerin und die Verbreitung des Werbespots über youtube ausgeschlossen ist. Die Antragstellerin leitet die von ihr angenommene Unlauterkeit dieser Werbemaßnahmen aus Umständen her, die tatbestandlich nicht an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Bei dieser Sachlage greift der in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG geregelte Ausschlusstatbestand nicht ein.

II. Der Antrag ist aus den eingangs der Gründe genannten Vorschriften begründet.

1. Der (inhaltlich identisch über zwei verschiedene Kanäle verbreitete) Werbespot ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend.

a) Der in dem Spot verwandten Wendung „WIE WECHSELN OHNE DRAUFZAHLEN“ werden erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs mutmaßlich eine Sachaussage dahin entnehmen, dass bei einem Wechsel von einem anderen Anbieter hin zur Antragsgegnerin für den Verbraucher keine höheren Kosten anfallen, als dies bei einer Fortsetzung seines bisherigen Vertragsverhältnisses der Fall wäre. Der Annahme eines solchen Verkehrsverständnisses steht nicht entgegen, dass in dem Spot zunächst Werbefloskeln ohne greifbaren sachlichen Inhalt geäußert werden und (zunächst) kein konkretes Produkt benannt wird. Bereits mit der parallel zu der vorangehend genannten Wendung „WIE WECHSELN OHNE CHAOS“ gezeigten Verbindung eines Kabels mit dem WLAN-Kabelrouter der Antragsgegnerin beginnt die Werbung mit dem Aufbau eines Produktbezugs. Vor allem aber wird dem Zuschauer mit dem gegen Ende des Spots erwähnten Wechselservice der Antragsgegnerin ein naheliegender Bezugspunkt für das wenige Sekunden vorher mit der Wendung „ohne draufzahlen“ transportierte Kostenargument präsentiert.

b) Die so aufgebaute Vorstellung trifft nicht zu. Zum einen können je nach Dauer der überlappenden Vertragslaufzeiten monatlich fällig werdende Entgelte an alten wie neuen Anbieter (also gleichsam doppelt) zu entrichten sein. Überdies löst der Wechsel selbst Kosten in Form von „Bereitstellungsentgelt bzw. Aktivierungsgebühr“ und „Lieferpauschale“ aus. Diese fielen bei einem Verbleib bei dem bisherigen Anbieter nicht an, sind mit anderen Worten von dem Neukunden zusätzlich aufzuwenden (oder „drauf zu zahlen“).

2. Vergleichbares gilt für den in der Anzeige versprochenen „Schutz vor doppelten Kosten“.

a) Ungeachtet sich bei genauerer semantischer Analyse ergebender inhaltlicher Unschärfen der Wendung „doppelte Kosten“ wird der Betrachter der Anzeige ihr mutmaßlich die Verheißung entnehmen, ein Wechsel von seinem bisherigen Anbieter hin zu der Antragsgegnerin werde bei ihm finanziell nicht negativ zu Buche schlagen. „Doppelte Kosten“ werden in dem gegebenen Zusammenhang naheliegend als Mehrkosten verstanden, wie sie an sich bei einem Wechsel des Anbieters anfallen (können) und vor denen die Antragsgegnerin Neukunden mit ihrem Wechselservice bewahrt.

b) Die auf diese Weise bei erheblichen Teilen des Verkehrs hervorgerufene Vorstellung, bei einem Wechsel zu der Antragsgegnerin fielen keine Mehrkosten an, trifft aus den vorstehend unter II 1 b genannten Gründen nicht zu.

c) Der Fußnotenhinweis steht der Annahme einer Irreführung nicht entgegen. Mit ihm wird das Versprechen, „Schutz vor doppelten Kosten“ zu gewähren, teilweise zurückgenommen. Das geht über eine rechtlich zulässige Erläuterung, wie der Schutz gewährt wird, hinaus.

3. Schließlich ist die zum Abruf von der Internetpräsenz bereitgehaltene Darstellung irreführend. Mit den zur Bewerbung des Wechselservices gebrauchten Wendungen „ohne Risiko und doppelte Kosten“, „ohne doppelte Kosten“ und „keine doppelte Kosten“ wird nicht anders als bei der Anzeigenwerbung die Erwartung aufgebaut, ein Wechsel zu der Antragsgegnerin sei nicht mit Mehrkosten verbunden. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil im Zusammenhang mit dem Wechsel einmalige Entgelte in Höhe von zusammen knapp € 80 anfallen. Das erschließt sich dem Betrachter der Seite selbst dann nicht, wenn er die von der Antragsgegnerin angesprochenen Erläuterungen weiter unten auf der Seite durchliest.

4. Den Bedenken, die von der Antragsgegnerin gegen die Fassung der von der Antragstellerin entworfenen Unterlassungserklärung erhobenen wurden und die auf die wortgleiche Antragstellung zu übertragen sind, kann nicht beigetreten werden.

a) Die Anträge zielen, wie aus der unmittelbaren Bezugnahme auf das beanstandete Verhalten deutlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – I ZR 190/10 – Neue Personenkraftwagen [unter II 1 c]; Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09 – Leistungspakete im Preisvergleich [unter II 1 b aa]; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer [unter II 5]; Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]), auf ein Verbot der konkreten Verletzungshandlungen ab.

b) Der Inhalt eines solchen, auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkten Verbots, dem über Fortsetzungen oder identische Wiederholungen des beanstandeten Verhaltens hinaus solche im Kern gleichartigen Abwandlungen unterfallen, in denen das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung noch zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – I ZB 34/15 [unter III 4 a]; Beschluss vom 3. April 2014 – I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots [unter II 2 a und b]; Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 177/07 – Folienrollos [unter II 1 b]; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07 – Erinnerungswerbung im Internet [unter II 1 b dd]; Urteil vom 16. November 2006 – I ZR 191/03 – Telefonwerbung für „Individualverträge“ [unter II 1 b]; Urteil vom 4. September 2003 – I ZR 32/01 [unter II 2]; Urteil vom 7. Juni 2001 – I ZR 115/99 – Jubiläumsschnäppchen [unter II 1 a (1)]), richtet sich (sofern sich nicht im Einzelfall aus der Begründung des Anspruchsstellers ein anderes Ziel ergibt, was hier nicht der Fall ist) nicht nach abstrakten Umschreibungen in Antrag oder Tenor, sondern nach der konkreten Verletzungshandlung so, wie sie von dem Anspruchssteller vorgetragen bzw. dem Gericht festgestellt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer [unter II 5]; Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]; s.a. Urteil vom 1. Februar 2018 – I ZR 82/17 – Gefäßgerüst [unter B II 1]; Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09 – Leistungspakete im Preisvergleich [unter II 1 b aa] sowie Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 272/02 – Markenparfümverkäufe [unter A II 2 a und c] sowie Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15 – Cordoba II [unter B I 1 b bb (1)]).

Von daher braucht ein auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkter Antrag keinerlei abstrakt formulierte Merkmale oder erläuternde Hinweise zu enthalten. Solche Zusätze mögen die Funktion haben, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]; Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 177/07 – Folienrollos [unter II 1 b]; Beschluss vom 3. April 2014 – I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots [unter II 2 a]). Gleichwohl stellen sie sich, was die Beschreibung der konkreten Verletzungsform und des durch sie bestimmten Verbotsumfangs angeht, als ebenso unschädliche wie verzichtbare Überbestimmung dar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – I ZR 173/16 – ÖKO-TEST I [unter B I 2]; Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 250/12 – Piadina-Rückruf [unter B I 3 b cc]; Urteil vom 25. Juni 2015 – I ZR 145/14 – Mobiler Buchhaltungsservice [unter II 2]; Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 183/09 – Irische Butter [unter II 1 c]; Urteil vom 17. März 2011 – I ZR 81/09 – Original Kanchipur [unter II 1 a]), nämlich als – an sich überflüssige – Aufnahme von Begründungselementen in den Antrag bzw. Tenor (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 38/00 – Zugabenbündel [unter I 1 b (2)]).

c) Aus der nach alledem für die Bestimmung des Verbotsumfangs (allein) maßgeblichen Antragsbegründung und den von ihr in Bezug genommenen Anlagen K1 bis K4 ergibt sich (wie auch bereits aus der Abmahnung), in welchen Bestandteilen der angegriffenen Werbemaßnahmen die Antragstellerin jeweils die charakteristischen, die von ihr angenommene Verletzung des Irreführungsverbots begründenden Merkmale sieht. Ob diese Merkmale durch den abstrakten Antragsteil „dass der Wechsel zu Vodafone keine weiteren Kosten auslöse“ zutreffend zusammengefasst werden, ist für den Inhalt des Verbots bedeutungslos.

III. Über den Antrag kann im Einklang mit den – auch für das Lauterkeitsrecht geltenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 1 BvR 1379/20 [unter II 1]) – Grundsätzen zur Wahrung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren ohne vorherige gerichtliche Anhörung der Antragsgegnerin entschieden werden. Die Antragsgegnerin ist hinreichend in das Verfahren einbezogen worden, nachdem ihr die Antragstellerin mit ihrer Abmahnung im Vorfeld des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, die erhaltene Entgegnung mit dem Verfügungsantrag vollständig vorgelegt worden ist und die den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigenden, in der Antragsschrift vorgetragenen Tatsachen und erörterten rechtlichen Gesichtspunkte mit den in der Abmahnung erhobenen Beanstandungen inhaltlich deckungsgleich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 [unter II 3 a aa bis cc]; Beschluss vom 30. Juli 2020 – 1 BvR 1422/20 [unter II 2 a]; Beschluss vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 [unter II 3 a cc und II 3 b aa]; Beschlüsse vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17 [jeweils unter II 2 b cc]; speziell zur notwendigen Deckungsgleichheit zwischen Abmahnung und Verfügungsantrag im Lauterkeitsrecht s. außerdem Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 1 BvR 2575/20 [unter III 2 b bb]).

Nach diesen Grundsätzen nicht veranlasst ist auch eine Anhörung der Antragsgegnerin zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (in einem weiteren obiter dictum) angemerkt hat, die Voraussetzungen für die Verfahrensweise der Kammer hätten ersichtlich nicht vorgelegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter II 3 c]), hat es unberücksichtigt gelassen, dass die von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Presserecht ergangen sind. Für das Lauterkeitsrecht gilt demgegenüber, dass eine Identität der rechtlichen Begründung zwischen Abmahnung und Verfügungsantrag nicht erforderlich und eine Grenze erst dort zu ziehen ist, wo der gerichtliche Verfügungsantrag den im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnung geltend gemachten Streitgegenstand verlässt oder weitere Streitgegenstände und Sachverhaltsumstände neu einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 1 BvR 2575/20 [unter III 2 b bb]; Beschluss vom 30. Juli 2020 – 1 BvR 1422/20 [unter II 2 b]; s.a. auch OLG Köln, Urteil vom 14. August 2020 – 6 U 4/20, GRUR-RS 2020, 39315 [unter II 1 a]). Dementsprechend lassen die nur im Verfügungsantrag enthaltenen bloßen Rechtsausführungen zur örtlichen Zuständigkeit keine Anhörung der Antragsgegnerin notwendig werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Unzulässige Werbung eines plastischen Chirurgen mit Video welches musikuntermalt eine Bauchdeckenresektion zeigt

LG Düsseldorf
Urteil vom 05.02.2021
38 O 45/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Werbung eines plastischen Chirurgen mit einem Video, welches musikuntermalt eine Bauchdeckenresektion zeigt, unzulässig und wettbewerbswidrig ist. Das Gericht führt aus, dass eine derartige Werbung die Grenzen der "sachlichen, berufsbezogenen Informationen" im Sinn von § 27 Abs. 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte überschreitet und somit auch einen Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG begründet. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 15.01.2021
38 O 3/21


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einschränkend auszulegen ist und nur für Wettbewerbsverstöße gelten soll, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen. Die Ansicht des LG Düsseldorf gegen den Wortlaut und ohne Rückhalt in der Gesetzesbegründung dürfte - unabhängig davon, was man von der Regelung halten mag - kaum vertretbar sein und wurde auch vom OLG Düsseldorf bereits ( siehe dazu Beschluss vom 16.02.2021 - I-20 W 11/21 ) korrigiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Für die Entscheidung über den Verfügungsantrag ist das angerufene Landgericht Düsseldorf gemäß §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO zuständig. Vor ihm könnte im ersten Rechtszug die Hauptsacheklage erhoben werden. Daran hat die am 2. Dezember 2020 – und damit vor Eingang des Verfügungsantrags – in Kraft getretene Änderung des UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 nichts geändert.

a) Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG in der seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung ist für ein Hauptsacheverfahren das Landgericht Düsseldorf örtlich zuständig. Die nach Auffassung der Antragstellerin gegebenen und wettbewerbsrechtlich zu sanktionierenden Zuwiderhandlungen sind in seinem Bezirk begangen worden.

Unter dem Begehungsort ist nach dem zu § 32 ZPO entwickelten und für § 14 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. gleichermaßen geltenden überkommenen deutschen zivilprozessualen Verständnis ebenso wie nach den für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugܠI bzw. LugܠII anzuwenden Maßstäben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – C-12/15 – Universal Music International Holding/Schilling u.a. [Rn. 28]; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – Arzneimittelwerbung im Internet [unter II 1]) sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 StGB; 7 Abs. 1 OWiG). Letzterer ist bei unlauteren Wettbewerbshandlungen überall dort belegen, wo sich die Handlung bestimmungsgemäß (zumindest auch) auswirken soll (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 2 a]).

Das ist hier unter anderem jeder im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf gelegene Ort. Die Antragsgegnerin spricht mit ihrem Angebot (auch) die dort ansässige (potentielle) Marktgegenseite an und für diese kann sämtliche angegriffenen Werbemaßnahmen dort wahrnehmen.

b) Der danach gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes ist nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen.

aa) Dieser Ausnahmetatbestand umfasst entgegen seinem (insoweit missverständlichen) Wortlaut nicht jegliches unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, sondern ist seinem Sinn und Zweck nach beschränkt auf solche Zuwiderhandlungen, bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft.

Die durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingeführte Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands der unerlaubten Handlung sollte durch die letztlich verabschiedete Entwurfsänderung (in der auf die zunächst geplante nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für Inlandsfälle [vgl. § 14 Abs. 2 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 10] zugunsten der verabschiedeten Regelung verzichtet wurde) auf die in dem Zusammenhang mit missbräuchlichen Abmahnungen als besonders anfällig angesehenen Verstöße zurückgeführt werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 18). Solche (abmahn)missbrauchsanfälligen Zuwiderhandlungen wurden im Gesetzgebungsverfahren in Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien gesehen. Dieser Befund war gestützt auf die Erwägung, dass im Online-Handel Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden könnten und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestünden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 16; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32).

Auf diese, von dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in den Blick genommene Fallgruppe beschränkt sich dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG entsprechend ihr Regelungsbereich. Eine andere Sichtweise wäre nicht nur unzweckmäßig und unpraktikabel, sondern liefe auf die mit der abschließenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs gerade nicht gewollte weitgehende Abschaffung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung hinaus. Dieser käme bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei sich unter Nutzung moderner Kommunikationstechniken verbreiteten geschäftlichen Handlungen praktisch nicht mehr zum Zuge und führte zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen.

Beispielsweise müsste bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen eine nach § 4 Nr. 1 UWG unlautere Verunglimpfung, das nach § 4 Nr. 3 UWG unlautere Angebot einer Nachahmung, eine nach § 7 UWG unzulässige unzumutbare Belästigung, eine nach § 4a UWG unlautere aggressive oder eine nach den §§ 5 bis 6 UWG unlautere irreführende geschäftliche Handlung jeweils danach unterschieden werden, ob die angegriffene geschäftliche Handlung – also konkret etwa die individuelle Ansprache eines Verbrauchers, die Veröffentlichung eines Verkaufsangebots oder einer Werbung – über Telemedien bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr an einzelne Verbraucher oder die Öffentlichkeit herangetragen worden ist oder über klassische Medien bzw. im stationären Handel, auf Märkten und im nicht über Telemedien abgewickelten Versandhandel. Eine solche, nach dem anzuwendenden materiellen Recht nicht vorzunehmende Unterscheidung hätte zur Konsequenz, dass gegen einen Mitbewerber verunglimpfenden oder Kunden über Produkteigenschaften irreführenden Werbespot für Bergschuhe bundesweit vorgegangen werden könnte, wenn er als Kinowerbung verbreitet wird, während gegen denselben Spot eines in Hamburg ansässigen Unternehmers, der den Spot über das Internet mittels Geo-Targeting ausschließlich in Bayern ausspielen lässt um speziell dort ansässige Verbraucher zu erreichen, nur in Hamburg vorgegangen werden könnte. Ferner müsste ein in Bayern ansässiger Mitbewerber, der zunächst nur die Kinowerbung bemerkt hat und dagegen in München vorgegangen ist, ein weiteres Verfahren in Hamburg anstrengen, wenn er später im Internet auf eine in Einzelheiten abweichende Version des Werbespots stößt.

Solche Ergebnisse wären offensichtlich regelungszweckwidrig. Entsprochen wird dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hingegen, wenn der Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Fälle nicht angewandt wird, in denen ein Gesetzesverstoß auch dann vorläge, wenn der Verletzer nicht im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gehandelt hätte, sondern der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Konstellationen beschränkt wird, in denen die Annahme des Verstoßes zwingend ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfordert, mit anderen Worten der Verstoß tatbestandlich an ein solches Handeln anknüpft und bei Nutzung eines anderen Kommunikationskanals nicht verwirklicht werden könnte.

Auf diese Weise verstanden ist die in § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG getroffene Regelung praktikabel. Die bei dieser Lesart von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Fälle lassen sich (jedenfalls zu einem Großteil) gut voneinander abgrenzen.

Außerdem (und vor allem) erfüllt die Vorschrift bei dieser Auslegung ihren Regelungszweck. Die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfenden und in diesem Bereich insbesondere kleineren Unternehme(r)n unterlaufenden Verstöße sind gerade jene, bei denen während des Gesetzgebungsverfahrens eine Missbrauchsanfälligkeit erkannt wurde.

bb) Die von der Antragstellerin angenommenen Zuwiderhandlungen sind, soweit sie in Telemedien stattgefunden haben, keine solchen, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Die Antragstellerin leitet die von ihr angenommenen Rechtsverstöße durch die betreffenden geschäftlichen Handlungen – also das Bereitstellen und Bereithalten der Internetseiten mit den von der Antragstellerin beanstandeten Angaben sowie des auf der Plattform YouTube eingestellten Videos für einen Abruf durch den Nutzer – aus einer Verletzung des Irreführungsverbots (§§ 5, 5a UWG) und damit von Vorschriften her, die tatbestandlich an den von der geschäftlichen Handlung hervorgerufenen Gesamteindruck und nicht an ihren Verbreitungsweg anknüpfen. Das zeigt eine Kontrollüberlegung anhand der (zu bejahenden) Frage, ob der von der Antragstellerin angenommene Rechtsverstoß auch dann vorläge, wenn die Antragsgegnerin ihre Werbemaßnahmen nicht im Internet, sondern in Anzeigen, Katalogen oder im Fernsehen veröffentlicht hätte.

2. Die funktionelle Zuständigkeit der angerufenen Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG. Daran hat der ersatzlose Wegfall der (nur deklaratorischen) Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. nichts geändert (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 36).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Keine Entschädigung wegen Corona-Lockdown aus Betriebsschließungsversicherung wenn Versicherungsbedingungen auf altes Infektionsschutzgesetz aus Vor-Corona-Zeit verweist

LG Düsseldorf
Urteil vom 09.02.2021
9 O 292/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Restaurantbetreiber keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen des Corona-Lockdowns aus einer Betriebsschließungsversicherung hat, wenn die Versicherungsbedingungen hinsichtlich des versicherten Risikos auf das alte Infektionsschutzgesetz aus der Vor-Corona-Zeit verweist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Keine Entschädigung für Restaurantinhaber aus Betriebsschließungsversicherung bei Versicherungsbedingungen, die auf das Infektionsschutzgesetz Stand 20.07.2000 verweisen

Mit Urteil vom 09.02.2021 hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (9 O 292/20) in einer Versicherungsstreitigkeit die Klage eines Neusser Restaurantinhabers auf Zahlung von Versicherungsleistungen in Höhe von 24.000,-- € wegen Betriebsschließung im ersten Corona-Lockdown abgewiesen.

Der Restaurantinhaber hatte mit der beklagten Versicherung im November 2016 eine sog. Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Nach den Bedingungen bestand Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde „B 1.1.1 der versicherte Betrieb zur Verhinderung von meldepflichtigen Krankheiten oder Nachweisen von Krankheitserregern im Sinne des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000) geschlossen wird. Als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörigen Tätigkeitsverbote erhalten.“ B 1.3: „Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger sind die im Folgenden aufgeführten – nach dem IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000 meldepflichtigen – namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: …“ Der Covid-19-Erreger SARS-CoV-2 war nicht aufgeführt.

Der Kläger, der sein Restaurant ab dem 23.03.2020 aufgrund der CoronaSchutzVO des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.03.2020 geschlossen hielt, verlangt Versicherungsleistungen für 30 Tage, den vereinbarten Versicherungszeitraum.

Die 9. Zivilkammer hat einen Versicherungsschutz abgelehnt. Die zwischen dem Restaurantbesitzer und der beklagten Versicherung vereinbarten Versicherungsbedingungen nähmen statisch auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20.07.2000 Bezug. Damals sei der Erreger SARS-CoV2 noch nicht bekannt gewesen. Aus der maßgeblichen Sicht eines
Versicherungsnehmers sei mit der Bezugnahme auf die Fassung vom 20.07.2000 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Versicherer nur für die nach dem damaligen Stand des Infektionsschutzgesetzes bekannten, in dem Gesetz ausdrücklich bezeichneten Erregern und Krankheiten einstehen wollte.

Die Kammer stützt ihre Entscheidung zusätzlich auf die im konkreten Fall vereinbarte Versicherungsbedingung B.5.1.4: Unter der Überschrift „Weitere Ausschlüsse“ haftet danach der Versicherer nicht für Schäden „aus nicht namentlich im IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000 genannten Krankheiten und Erregern“.

Streitwert: 24.000,-- Euro

Gegen das Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden.


LG Düsseldorf: Dringlichkeitsvermutung für einstweilige Verfügung wegen Kundenrezensionen gegen Gegenleistung - Testkaufdatum und nicht Erhalt der Gegenleistung entscheidend

LG Düsseldorf
Urteil vom 11.11.2020
12 O 207/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass es hinsichtlich der Dringlichkeitsvermutung für eine einstweilige Verfügung wegen unzulässiger positiver Kundenrezensionen gegen Gegenleistung auf das Testkaufdatum und nicht den tatsächlichen Erhalt der Gegenleistung ankommt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ergibt sich aus dem entscheidungserheblichen Sachverhalt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin, das der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche entgegenstehen würde.

Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.10).

Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Indizien legen es auch in der Gesamtschau nicht nahe, dass die Antragstellerin hier überwiegend sachfremde Motive verfolgt. Insbesondere sind die Inhalte der von der Antragstellerin vorformulierten Unterlassungserklärung zwar insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs von den Ansprüchen der Antragstellerin nicht umfasst. Dies begründet jedoch für sich allein keinen Hinweis auf ein nicht schutzwürdiges Gebührenerzielungsinteresse der Antragstellerin (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.12a). Die Höhe der geforderten Vertragsstrafe von 5.200,00 EUR lässt keinen Rückschluss auf eine systematische Übervorteilung der Antragsgegnerin zu.

Auch der Umstand, dass die Antragstellerin an der Verwirklichung eines etwaigen Wettbewerbsverstoßes mitgewirkt hat, legt keinen Rechtsmissbrauch nahe. Die Antragstellerin hat durch die veranlassten Testkäufe letztlich überprüft, ob die Nutzung der Webseite „U2.de“ in der dort beworbenen Art und Weise abläuft. Der Grundstein für das beanstandete Verhalten war indes bereits in der Bereitstellung des Angebots gesetzt, ohne dass die Antragstellerin an diesem Vorgang irgendwie beteiligt war.

II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist jedoch unbegründet, denn es fehlt an dem nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrund, der im Rahmen der Begründetheit des Antrages zu prüfen ist. Es kann dahinstehen, ob ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist.

Die Antragstellerin hat durch ihr Verhalten die grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 UWG bestehende Dringlichkeitsvermutung widerlegt.

Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass ihm die Sache nicht eilig ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020, UWG § 12 Rn. 3.15). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt (Köhler a.a.O.).

Für die Frage, ab welcher Zeitdauer der Antragsteller nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß durch zu langes Zuwarten die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt hat, gelten keine starren Fristen (OLG Frankfurt , Beschluss vom 27.09.2012 - 6 W 94/12, BeckRS 2012, 22063; OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2011 - 9 W 698/10, GRUR 2011, 451). Vielmehr ist auch bei Zugrundelegung von Regelfristen eine Beurteilung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019 – 3 U 105/18, GRUR-RS 2019, 9190; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 12 Rn. 3.15b). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vertritt die Kammer die Auffassung, dass regelmäßig auch noch ein Zeitraum von zwei Monaten zwischen Kenntnisnahme vom Wettbewerbsverstoß bis zur Antragstellung noch nicht dringlichkeitsschädlich ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019 - 15 U 48/19, BeckRS 2019, 24920; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014 - I-20 U 154/14, BeckRS 2015, 6633).

Für den Beginn der Dringlichkeitsfrist wird auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände abgestellt, wobei die notwendige Recherche zur sorgfältigen Klärung grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich ist (OLG Köln, Urteil vom 14.7.2017 – 6 U 197/16, GRUR-RR 2018, 207).

Vorliegend hat die Antragstellerin bereits Anfang Juni von dem Angebot auf „U2.net“ erfahren. Spätestens am 01.07.2020, als die Kundenrezensionen der Testkäufer, die in Erwartung auf Erhalt der teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgt sind, unter dem Angebot der Antragsgegnerin ohne den Hinweis auf die Gegenleistung veröffentlicht wurden, hatte die Antragstellerin Kenntnis von dem gerügten Wettbewerbsverstoß. Demnach hat sie länger als zwei Monate zugewartet, bis sie den Verfügungsantrag einreichte.

Soweit die Antragstellerin die Ansicht vertritt, dass für die Kenntniserlangung auf den Eingang der Rückerstattung des halben Kaufpreises auf den Konten der Testkäufer am 23.07.2020 abzustellen sei, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Die Antragstellerin rügt als Wettbewerbsverstoß die Irreführung von Verbrauchern durch das Bewerben von Matratzen im Internet mit Kundenrezensionen, für die die Rezensenten eine Gegenleistung erhalten haben, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen.

Dieses Bewerben kann allein durch die Veröffentlichung der entsprechenden Kundenrezensionen ohne den Hinweis auf die Gegenleistung und insoweit unabhängig von dem tatsächlichen Eingang der für Verbraucher und andere Marktteilnehmer nicht erkennbaren teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgen. Insofern kommt es für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme auch bei der Durchführung der Recherche in Form von Testkäufen auf den Veröffentlichungszeitpunkt und nicht auf den Rückzahlungseingang an. Zu diesem Zeitpunkt werden den Verbrauchern die gerügten Bewertungen zugänglich gemacht und können insofern eine etwaige wettbewerbswidrige Wirkung entfalten.

Dabei kann es sich nicht zu Gunsten der Antragstellerin auswirken, dass sie in ihrem Antrag auf den Erhalt der Gegenleistung abstellt, denn nach ihrem eigenen Vortrag hat die Antragstellerin die Testkäufe selbst veranlasst und war mit dem Prozedere bekannt. Dabei war sie insbesondere auch darüber informiert, dass Voraussetzung des Bewertungsauftrags die Abgabe einer 5-Sterne-Bewertung war, so dass der Kern der beanstandeten Handlung, nämlich die Abgabe der Rezension unter dem Eindruck einer versprochenen Gegenleistung, bereits mit der Veröffentlichung der Rezension erfüllt war.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: