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Volltext der Fototapeten-Entscheidung des BGH liegt vor - Keine Urheberrechtsverletzung wenn eine Fototapete auf einem Foto von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist

BGH
Urteile vom 11.09.2024
I ZR 140/23
Coffee
UrhG § 13 Satz 1, § 16 Abs. 1, §§ 19a, 57; BGB § 242


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine Urheberrechtsverletzung und keine Ansprüche des Fotografen wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine wirksame Einwilligung in einen Eingriff in Urheberrechte setzt nicht voraus, dass die Einwilligung gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist vielmehr ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff gestattet.

b) Vertreibt ein Fotograf eine vom ihm angefertigte Fotografie ohne Einschränkungen und insbesondere ohne einen Rechtevorbehalt oder eine Urheberbezeichnung als Fototapete, liegt eine (schlichte) konkludente Einwilligung in alle Nutzungshandlungen vor, die nach den Umständen üblicherweise zu erwarten sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 - Vorschaubilder I).

c) Zu den nach den Umständen üblicherweise zu erwartenden Nutzungen einer Fototapete gehören die Vervielfältigung in Form der Fertigung von Fotografien der mit der Fototapete ausgestatteten Räume sowie die öffentliche Zugänglichmachung dieser Fotografien im Internet durch die Nutzungsberechtigten der Räume selbst sowie durch die von ihnen beauftragten Dienstleister wie beispielsweise Ersteller von Internetseiten oder mit dem Verkauf oder der Vermietung der Räume betraute Makler. Die (schlichte) Einwilligung erstreckt sich insoweit nicht nur auf die öffentliche Zugänglichmachung der Fotografien durch den Dienstleister, die unmittelbar der Erfüllung seines Auftrags dient, sondern umfasst die öffentliche Zugänglichmachung auf Internetseiten des Dienstleisters zum Zwecke der Eigenwerbung wie beispielsweise in Hinweisen auf Referenzprojekte.

d) Die Grundsätze der konkludenten Einwilligung und die Schrankenbestimmung des unwesentlichen Beiwerks gemäß § 57 UrhG sind nebeneinander anwendbar.

e) In dem Umstand, dass ein Fotograf auf seiner als Fototapete vertriebenen Fotografie keine Urheberbezeichnung anbringen lässt, ist regelmäßig ein schlüssiger Verzicht auf sein Urheberbenennungsrecht gemäß § 13 Satz 2 UrhG zu sehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Juni 2023 - I ZR 179/22, GRUR 2023, 1619 = WRP 2023, 1469 - Microstock-Portal).

BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 140/23 - LG Düsseldorf - AG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei vorherigem Versuch des "Verkaufs" der Anspruchsberechtigung und Androhung des wirtschaftlichen Ruins

OLG Frankfurt
Beschluss vom 10.05.2024
6 W 41/24


Das OLG Frankfurt hat in diesem Fall entschieden, dass ein rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Versuch des "Verkaufs" der Anspruchsberechtigung und Androhung des wirtschaftlichen Ruins vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß §§ 936, 922, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere nach § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht wegen missbräuchlicher Anspruchsverfolgung als unzulässig zurückgewiesen.

1. Nach § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Außerdem spricht (u.a.) ein unangemessen hoch angesetzter Gegenstandswert für eine Abmahnung für einen Rechtsmissbrauch (§ 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Über die benannten Missbrauchsgründe in § 8c Abs. 2 UWG hinaus kann die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach dem allgemeinen Missbrauchstatbestand in § 8c Abs. 1 UWG unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sein.

Von einem solchen Missbrauch ist entsprechend der angefochtenen Entscheidung auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Anspruchstellers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 149/18, GRUR 2019, 966 Rn. 33 mwN - Umwelthilfe; Dämmer in BeckOK UWG, 23. Edition, Stand: 01.01.2024, § 8c Rn. 9). Diese müssen dabei nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es genügt, wenn die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24.09.2020 - I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 Rn. 17 - Verfügbare Telefonnummer; Dämmer aaO, § 8c Rn. 9; Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 8c Rn. 41, 45), etwa weil der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann (vgl. z.B. BGH, GRUR 2019, 966 Rn. 34 - Umwelthilfe; Goldmann aaO, § 8c Rn. 40 mwN).

Die Annahme einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung kommt auch in Betracht, wenn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern oder zu schädigen (vgl. z.B. Dammer aaO, § 8c n. 11; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8c Rn. 37;Goldmann aaO, § 8c Rn. 43). Ferner kann nach zutreffender Auffassung des Antragsgegners ein Missbrauch anzunehmen sein, wenn ein Anspruch geltend gemacht wird, nachdem der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich die Anspruchsberechtigung „abkaufen“ zu lassen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.06.2004 - 4 U 13/04, juris Rn. 32 f., zur Erledigung der Angelegenheit gegen Zahlung von 500.000 Euro; OLG München, Urteil vom 22.12.2011 - 29 U 3463/11, juris Rn. 71 f. - Ablauf eines titulierten Unterlassungsanspruchs, Branchenbuchformular; Feddersen aaO, § 8c Rn. 40; Fritzsche in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 8c Rn. 62). Zwar rechtfertigt die bloße Unnachgiebigkeit des Anspruchstellers (Goldmann aaO, § 8c Rn. 44) oder seine Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Dieser Vorwurf kann aber gerechtfertigt sein, wenn der Anspruchsteller anbietet, die Fortsetzung des als unlauter beanstandeten Verhaltens im Fall einer Gegenleistung zu dulden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.2018 - 6 U 150/17, juris Rn. 19 - 3 Jahre Garantie).

Voraussetzung eines Rechtsmissbrauchs ist insoweit, dass die äußeren Umstände bei gebotener Gesamtwürdigung (u.a. etwaiger wirtschaftlichen Interessen des Anspruchstellers oder seines Verhaltens bei der Verfolgung des betreffenden und anderer Verstöße) den Schluss auf das Überwiegen sachfremder Motive zulassen (vgl. z.B. Goldmann aaO, § 8c Rn. 47 ff. mwN).

2. Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht zutreffend von einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung durch die Antragsteller ausgegangen.

a) Der Antragsgegner hat geltend gemacht und unter dem 19.03.2024 eidesstattlich versichert (vgl. seine Schutzschrift [EA 60 ff.] i.V.m. EA 119 f.), der Antragsteller zu 2 habe ihm bereits zu Beginn ihres Gesprächs am 24.02.2024 gesagt, er müsse das Angebot von Penisvergrößerungen von seiner Website und Werbung entfernen. Beim Angebot von Penisvergrößerungen handele es sich um sein „Baby“ und sein Monopol. Wenn der Antragsgegner künftig gleichwohl Penisvergrößerungen anbiete und durchführe, werde er ihn und seine Praxis wirtschaftlich ruinieren, dann sei insbesondere seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Der Antragssteller zu 2 habe angeboten, Patienten, die an einer Penisvergrößerung interessiert seien, künftig gegen 2.000 Euro an A zu „vermitteln“, dann werde er nichts gegen den Antragsgegner unternehmen. Wenn dieser nicht spätestens am kommenden Montag (26.02.2024) Bescheid gebe, ob er „kooperiere“, werde er ihn ruinieren. Der Antragsgegner habe dann am 25.02.2024 mit A telefoniert, der geäußert habe, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten. A habe dem Antragsgegner bestätigt, eine Vermittlung von Patienten sei ein vernünftiger „Deal“, damit dieser seine „Ruhe“ habe. Kurz darauf habe sich A nochmal bei ihm gemeldet und gesagt, er begehe so viele Gesetzesverstöße, dass er die Behandlung des Penis künftig unterlassen sollte. Nach Erhalt der (von Seiten der Antragsteller unterzeichneten) Vereinbarung am 27.02.2024 habe er mit dem Antragsteller zu 2 telefoniert. Dieser habe ihn aufgefordert, als „Geste“ guten Willens seine Google-Ads zur Penisvergrößerung ausschalten, was der Antragsgegner auch getan habe, damit der Antragsteller zu 2 nicht gegen ihn vorgehe. Auf den Hinweis, dass in der vorgelegten „Vereinbarung“ die Vergütung von 2.000 Euro nicht erwähnt sei, habe der Antragsteller zu 2 geäußert, das könne er nicht schriftlich abgeben, die Vereinbarung sei aber sehr gut und der Antragsgegner müsse diese sofort unterschreiben, damit er ihn in Ruhe lasse. Es gebe deutschlandweit mehrere Kollegen, die dankbar seien, so eine Vereinbarung von ihm zu bekommen. Er habe so eine Vereinbarung vor Jahren mit einem D geschlossen, der seitdem seine Ruhe habe und gegen den er nicht anwaltlich vorgegangen sei. Wenn der Antragsgegner die Vereinbarung sofort unterschreibe, gebe es „keinen Kampf“ mehr zwischen ihnen. Er wolle mit ihm zusammenarbeiten, zunächst müsse der Antragsgegner aber die Vereinbarung unterschreiben. Nach Unterzeichnung werde er ihm einen weiteren Vertrag vorlegen. Unterschreibe der Antragsgegner nicht, bekomme er keinen zweiten Vertrag und werde „voll angegriffen“. Er habe viele solche Verträge mit vielen Kollegen geschlossen. Der Antragsgegner solle die Vereinbarung unterschreiben, damit seine Existenz nicht gefährdet werde. Am 01.03.2024 habe er erneut (zunächst) mit A telefoniert. Er habe diesen gebeten, ihm die Facelift-Operationsmethode beizubringen, dann könne er die Bewerbung und Durchführung von Penisvergrößerungen unterlassen. A habe gesagt, ihm liege doch ein Angebot vor (‚unterschriebene Vereinbarung = „kein Krieg“‘), es gebe keine zweite schriftliche Vereinbarung ohne die erste. Der Antragsgegner habe angeboten, die Bewerbung von Penisvergrößerungen von seiner Website zu entfernen, bis sie eine weitere Vereinbarung getroffen hätten. A habe entgegnet, das gehe nicht. Er und der Antragsteller zu 2 hätte vieles in der Hand, um den Antragsgegner „anzugreifen“. Es sei nicht sinnvoll, mit dem Feuer zu spielen, der Antragsgegner könnte sogar seine Zulassung verlieren. Bei einem anschließenden Telefonat mit dem Antragsteller zu 2 habe dieser auf die Mitteilung, dass der Antragsgegner die Vereinbarung nicht unterschreiben werde, bis der Antragsteller zu 2 ihm einen zweiten Vertrag vorlege, geantwortet, der Antragsgegner könnte seine Zulassung verlieren. Ihm sei nicht bewusst, „was eine Hölle“ auf ihn zukomme, wenn er nicht unterschreibe. Die Frist zur Unterzeichnung der Vereinbarung laufe bis 04.03.2024, ansonsten beginne der „Krieg“ gegen ihn. Ab Montag werde der Antragsgegner ein Problem haben, falls er nicht unterschreibe. Der Antragsteller zu 2 agiere seit 25 Jahren so und habe schon mehr als 250 Klagen gegen andere ärztliche Kollegen geführt. Es sei sein Tagesgeschäft und seine Stärke. Ab Montag müsse der Antragsgegner mit den Konsequenzen leben. Der Antragsteller zu 2 rate ihm dringend, zu unterschreiben, ansonsten werde der Antragsgegner sehen, was er für ein Problem habe. Ab Montag sei der Antragsteller zu 2 ein „Kämpfer“ und der Antragsgegner könne mit massiven Problemen rechnen; ansonsten werde er seine Zulassung verlieren. Am 04.03.2024 habe ihm A erneut in einem Telefonat gesagt, er solle die Vereinbarung unterschreiben oder es fange an.

b) Dieser (eidesstattlich versicherten) Darstellung sind die Antragsteller zu wesentlichen Teilen nicht entgegengetreten, so dass diese gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen sind.

Nach der zutreffenden Feststellung des Landgerichts, haben die Antragsteller und A dem Antragsgegner vorgerichtlich (bindend) angeboten, auf die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen zu verzichten, wenn dieser sich im Gegenzug dazu verpflichte, von einer Bewerbung und Durchführung von Penisvergrößerungen abzusehen. Dies wäre für sie mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden gewesen. Die Antragsteller und A haben dem Antragsgegner außerdem verbindlich zugesagt, bei Unterzeichnung der Vereinbarung von einer „Meldung“ bei der Landesärztekammer und dem Hessischen Landesamt abzusehen.

Nach eigenem Vorbringen des Antragstellers zu 2 hat dieser den Antragsgegner mehrfach und deutlich auf mögliche Folgen einer rechtlichen Auseinandersetzung - jedenfalls in Form von Ärger und Kosten - hingewiesen (vgl. die S. 3 ff. der Beschwerdeschrift [EA 136 ff.] i.V.m. seiner eidesstattlichen Versicherung, Anlage B1 S. 2 [EA 140]). Nach seiner Darstellung hat er zwar zur Wahrung des Renommées der Antragstellerseite darauf bestanden, dass der Antragsgegner vor einer etwaigen Zusammenarbeit alle Wettbewerbsverstöße einstellt. Allerdings sind die Antragsteller dem Vortrag des Antragsgegners zu den konkreten Äußerungen des Antragstellers zu 2 und As ihm gegenüber nicht entgegengetreten. Sie haben diese nicht ausdrücklich bestritten (vgl. Anlage B1, EA 139 f.). Für ein konkludentes Bestreiten besteht ebenfalls kein Anhaltspunkt. Daher ist nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen, dass der Antragsteller zu 2 und A den Antragsgegner vorgerichtlich massiv unter Druck gesetzt haben, die von ihrer Seite entworfene Vereinbarung mit der Verpflichtung zur Unterlassung einer Bewerbung und Durchführung von Penisverlängerungen zu unterschreiben, mit der (zusammengefassten) Drohung, ihn anderenfalls wettbewerbs- und berufsrechtlich ‚fertig zu machen‘, seine Existenz zu gefährden und gegebenenfalls sogar dafür zu sorgen, dass er seine Zulassung verliert. Dabei ging es A und dem Antragsteller zu 2, wie auch die oben wiedergegebene WhatsApp-Nachricht belegt (GA 117 f.), nicht in erster Linie darum, die streitgegenständlichen (angeblichen) Wettbewerbsverstöße zu unterbinden. Zwar ist etwa die Bezeichnung „Praxis1“ (auch innerhalb der Domain des Antragsgegners www.(…).de) an eine bekannte US-amerikanische Klinikgruppe mit der Internetdomain www.(…).com angelehnt. Es lässt sich aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass es den Antragstellern zumindest gleichermaßen auch darum ginge, eine Irreführung des Geschäftsverkehrs über geschäftliche Verbindungen und Kompetenzen des Antragsgegners zu verhindern. Sie wollten ihn primär dazu bringen, sich vollständig aus dem für sie lukrativen Markt der Penisverlängerungen zurückzuziehen (mit jeder Operation ist ein Deckungsbeitrag von ca. 11.000 Euro verbunden), um wieder im gleichen Umfang wie vor der Aufnahme der Internetwerbung durch den Antragsgegner Patienten bzw. Interessenten zu generieren. Nach eigenem Vorbringen der Antragsteller schadete ihnen die Internetwerbung des Antragsgegners erheblich. Der Markt für Penisverlängerungen ist mit ca. 10 Operateuren bundesweit sehr klein. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass A (unbestritten) gegenüber dem Antragsgegner angab, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten. Der Antragsteller zu 2 gab selbst (ebenfalls unbestritten) an, er agiere schon seit 25 Jahren so und habe mehr als 250 Klagen geführt, dies sei sein Tagesgeschäft und seine Stärke.

Dafür, dass der Antragsteller zu 2 gezielt nach möglichen Rechtsverletzungen des Antragsgegners gesucht hat, um diesen durch Androhung rechtlicher Konsequenzen und damit verbundener wirtschaftlicher Nachteile zur Aufgabe der Bewerbung und Durchführung von Penisverlängerungen zu bewegen, spricht neben vorgenannten Umständen, dass der Antragsteller zu 2 nicht nur auf den Internetseiten des Antragsgegners und der „Praxisklinik Ort1“ recherchierte, sondern auch auf der Facebook-Seite der „Kliniken1“ auf ein dem Antragsgegner möglicherweise abträgliches Foto von diesem stieß, mit dem er ihn konfrontierte (vgl. Anlage B1 S. 2, EA 140).

c) Bei gebotener Gesamtwürdigung aller Umstände hat das Landgericht den Eilantrag damit zutreffend als rechtsmissbräuchlich angesehen. Zwar stellt der Gegenstandswert der Abmahnung von 225.000 Euro für sich gesehen noch kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar. Die Antragstellerseite hat aber nicht nur versucht, sich die Berechtigung zur Verfolgung der geltend gemachten Unterlassungsanträge abkaufen zu lassen. Sie hat auch den Versuch unternommen, den Antragsgegner gezielt in seiner wettbewerblichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Penisverlängerungen zu behindern (was teilweise in Form der Änderung der Google-Ads bereits erfolgreich war), um sich den entsprechenden Marktanteil zu sichern (vgl. insofern auch S. 12 f. des Eilantrags und S. 4 der Beschwerdeschrift, EA 137). Ein solches Vorgehen ist nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht mehr vom Wettbewerbsrecht gedeckt, sondern rechtsmissbräuchlich.

An dieser Bewertung ändert der Umstand nichts, dass der Antragsgegner - jedenfalls teilweise - unlauter geworben haben mag. Für die Frage eines Rechtsmissbrauchs der Antragsteller kommt es auch nicht darauf an, dass der Antragsgegner die Unterzeichnung der Vereinbarung davon abhängig machte, dass A ihm das Facelifting beibringt (Anlage B1 S. 2, EA 140). Entsprechendes gilt für seine Bereitschaft, mit der Vereinbarung der Zuführung von Patienten für Penisverlängerungen gegen Zahlung von 2.000 Euro einen (weiteren) Gesetzesverstoß zu begehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Urheberrechtsverletzung und keine Ansprüche des Fotografen wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist

BGH
Urteile vom 11.09.2024
I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23


Der BGH hat völlig zutreffend entschieden, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt und der Fotograf somit keine Ansprüche hat, wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Urheberrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Abbildungen einer Fototapete

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass die Nutzung von Abbildungen einer Fototapete im Internet die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotografien nicht verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das von dem Fotografen angefertigte Lichtbilder als Fototapeten vermarktet.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 139/23 erwarb über eine Internetseite eine Fototapete, auf der eine Fotografie abgedruckt ist, an der die Klägerin Rechte beansprucht. Die Beklagte ließ die Tapete an einer Wand in ihrem Haus anbringen. Die Tapete war in mehreren Videobeiträgen auf ihrem Facebook-Auftritt im Hintergrund zu sehen.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 140/23 betreibt eine Web- und Medienagentur. Sie stellte ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin die Urheberrechte beansprucht.

Der Beklagte im Verfahren I ZR 141/23 verwendete eine Fototapete mit einem Bildmotiv, an dem die Klägerin Rechte beansprucht, als Wandtapete in einem Zimmer des von ihm betriebenen Hotels. Die Wandtapete ist auf einem Foto erkennbar, mit dem der Beklagte seine Dienstleistungen im Internet bewarb.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Abbildungen der Fototapeten auf Fotos und Videos im Internet verletze die ihr vom Fotografen eingeräumten Nutzungsrechte an den auf den Tapeten abgedruckten Fotografien. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sowie im Verfahren I ZR 141/23 zusätzlich auf Auskunft über den Umfang der Verwendung der Fotografie in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die auf § 97 Abs. 1 und 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG sowie § 242 BGB gestützten Ansprüche auf Schadensersatz, Erstattung der Abmahnkosten und Auskunftserteilung sind unbegründet, weil der durch die Beklagten jeweils vorgenommene Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Urhebers gerechtfertigt war.

Ob ein Verhalten des Berechtigten als schlichte Einwilligung in den Eingriff in ein durch das Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht anzusehen ist, hängt von dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab. Dabei ist maßgeblich, ob es um nach den Umständen übliche Nutzungshandlungen geht, mit denen der Berechtigte rechnen muss, wenn er sein Werk Nutzern ohne Einschränkungen frei zugänglich macht.

Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet - sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken - üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag. Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nutzung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen - etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts - auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich auch die im Verfahren I ZR 140/23 in Anspruch genommene Web- und Medienagentur auf eine wirksame konkludente Einwilligung berufen konnte. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind.

Der Bundesgerichtshof hat außerdem die in allen Verfahren getroffene Annahme des Berufungsgerichts gebilligt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 Satz 2 UrhG nicht bestehen, weil der Urheber im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten auf dieses Recht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 139/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 23/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 65/22

im Verfahren I ZR 140/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 24/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 62/22

im Verfahren I ZR 141/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 25/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 64/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 UrhG

Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.

§ 16 Abs. 1 UrhG

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. [...]

§ 19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 97 UrhG

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [...]

§ 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG

[...]

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. [...]



LG Köln bleibt bei seiner Rechtsprechung - Kauf von Fototapete umfasst keine Lizenz für Nutzung im Internet z.B. auf Fotos von Räumlichkeiten

LG Köln
Urteil vom 11.04.2024
14 O 75/23


Das LG Köln hat seine (zu Recht kritisierte) Rechtsprechung bestätigt, wonach der Kauf einer Fototapete keine Lizenz für die Nutzung im Internet z.B. auf Fotos von Räumlichkeiten umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Voraussetzungen einer Urheberrechtsverletzung des Beklagten liegen vor.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest, wobei sich der Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, Herr O. K., zunächst auf die Vermutung aus § 10 Abs. 1 UrhG berufen kann. Für den Übergang der Rechte von Herrn K. auf die Klägerin liegen hinreichende Indizien vor.

aa) Wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen (§ 10 Abs. 1 Halbsatz 1 UrhG). Die Regelung ist gemäß § 72 Abs. 1 UrhG bei Lichtbildern entsprechend anwendbar. Demnach wird derjenige, der auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Lichtbildes in der üblichen Weise als Lichtbildner angegeben ist, bis zum Beweis des Gegenteils als dessen Lichtbildner angesehen.

bb) Bei den auf der Internetseite des Klägers eingestellten Fotografien (Anlagen K9-K11) handelt es sich um Vervielfältigungsstücke von Lichtbildern.

Bei einem Vervielfältigungsstück (Werkstück) handelt es sich begriffsnotwendig um die körperliche Festlegung eines Werkes (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1955 - I ZR 8/54, BGHZ 17, 267, 269 f. - Grundig-Reporter; Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 19/07, GRUR 2009, 942 Rn. 25 - Motezuma). Das Eingreifen der Urhebervermutung setzt daher voraus, dass die Urheberbezeichnung auf einem körperlichen Werkexemplar angebracht worden ist. Sie ist dagegen nicht anwendbar, wenn ein Werk lediglich in unkörperlicher Form wiedergegeben wird (Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 19; Wiebe in Spindler/Schuster, Recht der Elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 10 UrhG Rn. 5). Bei einer unkörperlichen Wiedergabe des Werkes - wie etwa einem öffentlichen Vortrag oder einer öffentlichen Aufführung - kann der Urheber die Richtigkeit der Namensangabe nicht in gleichem Maße überwachen, wie es bei der Anbringung der Urheberbezeichnung auf dem Original oder auf Vervielfältigungsstücken des Werkes möglich ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Urheberrechtsgesetz, BT-Drucks. IV/270, S. 42).

Ein körperliches Werkexemplar und damit ein Vervielfältigungsstück im Sinne von § 10 Abs. 1 UrhG liegt allerdings auch dann vor, wenn ein Werk in das Internet gestellt worden ist. Das Einstellen eines Werkes in das Internet setzt eine Übertragung des Werkes auf eine Vorrichtung zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen und damit eine Vervielfältigung (§ 16 Abs. 2 UrhG) - also die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks (§ 16 Abs. 1 UrhG) - des Werkes voraus. Wird etwa die elektronische Datei eines Lichtbildes auf die Festplatte eines Servers hochgeladen, um sie auf diese Weise in das Internet einzustellen, wird damit ein Vervielfältigungsstück des Lichtbildes hergestellt. Danach kann es die Vermutung der Urheberschaft begründen, wenn eine Person auf einer Internetseite als Urheber bezeichnet wird (vgl. OLG Köln, WRP 2014, 977 Rn. 17; LG Berlin, ZUM-RD 2011, 416, 417; vgl. auch LG Frankfurt a.M., ZUM-RD 2009, 22, 23; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 10 Rn. 6a). Der Umstand, dass in das Internet eingestellte Werke darüber hinaus in unkörperlicher Form öffentlich zugänglich gemacht werden und eine solche unkörperliche öffentliche Wiedergabe die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 UrhG nicht erfüllt, steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (zitiert nach: BGH, Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 76/13 – CT-Paradies, Rn. 32 ff., juris).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Wie sich aus den – als solchen unstreitigen – Screenshots von dem Internetauftritt des Klägers unter www.entfernt.com, die sich im Übrigen durch Besuch der Webseite als richtig erweisen, ergibt, ist der Fotograf K. jedenfalls in der URL namentlich benannt. Er ist jedoch auf der Webseite auch an den eingestellten Lichtbildern ausdrücklich mit seinem Namen als Urheber bezeichnet. Dies ergibt sich auf der Webseite im Wege des „Mouseover“, bei dem sich am unteren Rand des Bildes ein schwarzer Balken mit weißer Schrift öffnet, der den Text „(…) by O. K.“ enthält.

Die deshalb zugunsten des Herrn K. streitende Vermutung der Urheberschaft aus § 10 Abs. 1 ist von dem Beklagten auch nicht erschüttert worden. Das Bestreiten mit Nichtwissen genügt hierfür ersichtlich nicht. Andere durchgreifende Zweifel, etwa als Reaktion auf den klägerischen Vortrag zur Entstehungsgeschichte der einzelnen Bilder, sind jedenfalls nicht mit einem Beweisangebot verbunden.

Dass der Fotograf K. seine Rechte an die Betreiberin der Webseite „R.“, ggf. die Z. Gmbh & Co. KG, derart übertragen haben könnte, dass er selbst keine weiteren Rechte mehr an die Klägerin hätte übertragen können, ist schon nicht hinreichend von Beklagtenseite vorgetragen. Dass dies nicht der Fall war, ist mit Blick auf den Tatbestand und die Gründe des Kammerurteils vom 18.8.2022 – 14 O 350/21, (MMR 2023, 462) insoweit auch gerichtsbekannt.

cc) Für den Übergang von urheberrechtlichen Verwertungsrechten von Herrn K. auf die Klägerin legt diese als Anlage K1 drei Bestätigungen vor, die von Herrn K. unterzeichnet sind. Selbst wenn man insoweit das Bestreiten einer rechtsgeschäftlichen Übertragung von Verwertungsrechten von Herrn K. auf die Klägerin als zulässig ansehen wollte, stellen die Bestätigungen in Anlage K1 jedenfalls ein ausreichendes Indiz dar, auf dessen Grundlage die Kammer von der Aktivlegitimation der Klägerin ausgeht. Dies folgt zudem aus dem Umstand, dass Herr K. auch Geschäftsführer der Klägerin ist und damit das hiesige prozessuale Verhalten offensichtlich billigt. Im Übrigen sind diverse andere Verfahren der Klägerin bei der Kammer anhängig, in der zum Teil dieselben Motive gegenständlich sind. Zweifel an der hinreichenden Rechteeinräumung bzw. –übertragung bestehen folglich nicht.

Die von dem Beklagten vorgetragenen Einwendungen gegen die Formulierung der Rechteübertragung sind unerheblich. Es werden ausgehend von der Formulierung der Schreiben in Anlage K1 offensichtlich auch Rechte für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland eingeräumt. Die Nutzungsrechtevereinbarung ist auch entgegen der Verteidigung nicht „unbestimmt und nichtssagend“, sondern vielmehr ausschließlich und zeitlich, räumlich sowie inhaltlich allumfassend.

b) Der Beklagte hat die drei Fotografien der Klägerin auch öffentlich zugänglich gemacht. § 19a UrhG behält dem Urheber mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das ausschließliche Recht vor, sein geschütztes Werk dadurch zu nutzen, dass es im Internet oder sonstigen Netzwerken Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Durch das Einstellen in seinen eigenen Internetauftritt hat der Beklagte die Fotografien des Klägers im vorstehenden Sinne öffentlich zugänglich gemacht.

c) Dies erfolgte auch rechtswidrig. An dieser Ansicht der Kammer, die sie bereits im Kammerurteil vom 18.08.2022 – 14 O 350/21 (MMR 2023, 462) ausführlich begründet hat, hält die Kammer insbesondere auch im Lichte der im Nachgang ergangenen Rechtsprechung des LG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2023 - 12 O 129/22, ZUM 2023, 539 (im Weiteren „Urteil des LG Düsseldorf“) sowie des OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2024 – 20 U 56/23, GRUR-RS 2024, 1629 (im Weiteren „Urteil des OLG Düsseldorf“ und des LG Stuttgart, Urteil vom 25.10.2022 - 17 O 39/22, GRUR-RS 2022, 48323 („Urteil des LG Stuttgart“) fest.

Im Einzelnen:

aa) Vorab stellt die Kammer klar, dass eine Anwendung der Schranke des § 57 UrhG nach der maßgeblichen höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung vorliegend nicht in Betracht kommt (im Urteil des OLG Düsseldorf wurde dies ausdrücklich offengelassen).

(1) Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Die Bestimmung erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19 a UrhG (BGH, GRUR 2015, 667, 668, Rn. 15 – Möbelkatalog). Die Frage, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk gemäß § 57 UrhG lediglich als unwesentliches Beiwerk in Bezug auf den eigentlichen Nutzungsgegenstand anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters zu beantworten.

Daraus ergibt sich, dass für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG der Äußerungszusammenhang maßgeblich ist, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird. Da die Bewertung als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG die Beurteilung des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Werk und dem Hauptgegenstand voraussetzt, hängt der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters außerdem davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen (BGH, GRUR 2015, 667, 668, Rn. 22 – Möbelkatalog).

Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird.

Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist. Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht.

Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst charakteristisch ist (BGH, GRUR 2015, 667, 670, Rn. 27 – Möbelkatalog).

(2) In Anwendung dieser Grundsätze können die streitgegenständlichen Fotografien vorliegend in ihrer konkreten Verwendung nicht als unwesentliches Beiwerk des Gästezimmers angesehen werden. Vielmehr werden die streitgegenständlichen Fotografien in Form der Fototapete erkennbar als zentrales Element der Fotos verwendet. Die Fotos sind gerade dafür gedacht, die Tapezierarbeiten des Beklagten als Referenz abzubilden. Die Motive der Fototapete bilden also ersichtlich den wesentlichen Teil der zu Werbezwecken ins Internet eingestellten Lichtbilder.

Die Fototapete mit den darauf großflächig abgebildeten Fotos des Klägers kann auch nicht weggelassen oder ausgetauscht werden, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele (BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 – Möbelkatalog, Rn. 27, juris). Nach eigenem Vortrag des Beklagten sollen die Fototapeten gerade das Hauptmotiv der Lichtbilder auf der Webseite darstellen. Insofern liegt der hiesige Fall bereits anders als die im früheren Kammerurteil sowie in den oben genannten Urteilen aus Düsseldorf und Stuttgart betroffenen Fällen von Hotels, Ferienhäusern oder SPA-Bereichen einer solchen touristischen Einrichtung. Vorliegend kommt es gerade nicht darauf an, dass der Hotelier o.Ä. primär die Räume darstellen wollte. Vielmehr stellt der Beklagte als Maler und Tapezierer fremde Räume dar, in denen er Werkleistungen erbracht hat, um somit seine handwerklichen Fähigkeiten zu illustrieren.

(3) Soweit in der Literatur, namentlich durch Wypchol (ZUM 2023, 688), eine EuGH-Vorlage zur Frage der Auslegung des Art. 5 Abs. 3 lit. i InfoSocRL angeregt wird, sieht die Kammer vorliegend davon ab. Insofern eignet sich dieser Fall bereits deshalb nicht, weil hier nicht im Ansatz fraglich sein kann, dass die in der Fototapete vervielfältigten Lichtbilder hier im Zentrum der Verwertung durch den Beklagten stehen. Es handelt sich vorliegend weder um ein „unwesentliches Beiwerk“ im Sinne der deutschen Norm, noch um eine „beiläufige Einbeziehung“ im Wortlautsinne der InfoSocRL. Dies könnte in anderen Fallgestaltungen anders sein. Jedenfalls ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass angesichts der aktuell beim BGH anhängigen Revisionsverfahren zu ähnlich gelagerten „Fototapeten-Fällen“ (vgl. BGH Pressemitteilung Nr. 051/2024, abrufbar über die Webseite des BGH), es dem BGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV obliegt, zu entscheiden, ob der EuGH anzurufen ist. Die Kammer hält sich nicht dazu berufen, insoweit einer solchen Entscheidung vorzugreifen.

bb) Der Beklagte kann sich auch nicht auf die Einräumung von Nutzungsrechten durch den Fotografen K., ggf. vermittelt durch Dritte, berufen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Einräumung bzw. deren Umfang und Reichweite der Nutzungsrechte (Spezifizierungslast) trägt hier der Beklagte als Verwerter (BGHZ 131, 8, 14; OLG Hamburg GRUR 1991, 599, 600 – Rundfunkwerbung). Wer sich auf die Nutzungsberechtigung beruft, muss konkret darlegen und beweisen, dass er die hierfür einschlägigen Rechte in dem von ihm behaupteten Umfang erworben hat (BGH, Urteil vom 27. September 1995 – I ZR 215/93, GRUR 1996, 121 – Pauschale Rechtseinräumung; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 18/09 – Der Frosch mit der Maske, Rn. 29 nach juris).

Dies gelingt dem Beklagten nicht.

(1) Eine ausdrückliche, schriftliche oder mündliche Vereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten ist zwischen den Parteien bzw. zwischen Herrn K. als Fotograf und früherem Rechteinhaber nicht vorgenommen worden (so im Ausgangspunkt auch das Urteil des LG Düsseldorf).

Soweit der Beklagte insgesamt vier Rechnungen über den Kauf von Fototapeten (Anlage B1) vorlegt, scheint dies bereits nicht auf den vorliegenden Fall zu passen, weil nur eine der vier Rechnungen laut Artikelbeschreibung eines der drei hier gegenständlichen Lichtbildmotive betrifft. So wird in der Rechnung der Z. GmbH & Co. KG vom 12.08.2011 das Lichtbild „Stonewall of nature“ benannt, was dem dritten im ursprünglichen Antrag zu 1) dargestellten Lichtbild entspricht. Die anderen drei vorgelegten Rechnungen betreffen offenbar andere Lichtbilder, die hier nicht gegenständlich sind. Insoweit bleibt der Beklagtenvortrag für die beiden Lichtbilder „Pile of wood“ und „Cocktailbar“ mit Blick auf eine mögliche Lizenzkette schon unerheblich, weil hier weder ein konkreter rechtsgeschäftlicher Kontakt mit Herrn K. als Urheber noch mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person bzw. rechtsfähigen Personengesellschaft vorgetragen wird, von der der Beklagte überhaupt Nutzungsrechte eingeräumt hätte erhalten können.

Doch auch mit Blick auf die genannte Rechnung liegt hierin jedenfalls keine ausdrückliche Nutzungsrechteeinräumung in Form einer Unterlizenz durch die Z. GmbH & Co. KG an den Beklagten. Wie bereits im früheren Kammerurteil ausgeführt, besagt die Rechnung als solche nichts anderes, als dass der Beklagte eine Fototapete (Maße 360 x 270) zum dort angegebenen Preis (hier: 138,95 €) gekauft hat. Der Vertrag bezieht sich demnach zunächst nur auf die Übertragung des dinglichen Eigentums an dem Vervielfältigungsstück der streitgegenständlichen Fotographie. Durch diesen Verbreitungsakt im Sinne von § 17 UrhG ist betreffend dieses von dem Beklagten erworbenen Vervielfältigungsstück der Tapete Erschöpfung im Sinne von § 17 Abs. 2 UrhG eingetreten.

Von der Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist hingegen keine Rede in der Rechnung. AGB bzw. sonstige Vertragsinhalte werden vom Beklagten vorliegend nicht vorgetragen.

(2) Es kommt demnach darauf an, ob der Beklagte sich auf eine konkludente Rechteeinräumung berufen kann. Ein solches durch konkludent erklärte Willenserklärungen zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft ist zwar grundsätzlich für eine Rechteeinräumung geeignet. Ein solches Rechtsgeschäft ist im hiesigen Fall – genauso wie im Fall des früheren Kammerurteils – jedoch nicht zu Stande gekommen.

(i) Wie bereits zuvor geht die Kammer davon aus, dass ebenso wie der Abschluss des zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts die Einräumung von Nutzungsrechten grundsätzlich formfrei möglich ist; sie kann also auch mündlich oder konkludent geschehen. Für die Rechtseinräumung ist nur hinsichtlich Rechten für unbekannte Nutzungsarten Schriftform vorgeschrieben (§ 31a Abs. 1 Satz 1 UrhG). Allerdings ist gerade bei konkludenten Erklärungen Zurückhaltung geboten, damit der Wille des Urhebers nicht lediglich fingiert wird (Ohly, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 31, Rn. 11). Vor allem ist durch Auslegung im Lichte des Übertragungszweckgedankens (§ 31 Abs. 5 UrhG) zu ermitteln, ob die Einräumung eines Nutzungsrechts oder ggf. eine schlichte Einwilligung gewollt ist.

Nutzungsrechte können formlos, also auch mündlich oder stillschweigend (vgl. OLG Frankfurt a. M. ZUM-RD 2015, 100, 104 – Landeswappen) eingeräumt werden (vgl. Ohly, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, Vor §§ 31 ff. Rn. 30).

Aufgrund des dinglichen Charakters der (einfachen oder ausschließlichen) Rechtseinräumung kommt sie stillschweigend nur dann in Betracht, wenn angesichts der Gesamtumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, der Erklärende wolle über sein Urheberrecht in der Weise verfügen, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräume (so BGH, GRUR 2010, 628 Rn. 29 – Vorschaubilder). Das bloße Einstellen von Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke ins Internet genügt hierfür nicht, insbesondere wenn durch Anbringung eines Urhebervermerks urheberrechtliche Befugnisse vorbehalten bleiben sollen (BGH, GRUR 2010, 628 Rn. 30; BGH GRUR 2012, 602 Rn. 15 – Vorschaubilder II).

Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Entsprechendes gilt nach § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt. Danach räumt der Urheber Nutzungsrechte im Zweifel nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 [juris Rn. 44] = WRP 2017, 320 - World of Warcraft I; Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 140/15 – YouTube II, Rn. 50, juris).

(ii) Dem hält das Urteil des LG Düsseldorf wie folgt entgegen:

„(…) Ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte die Tapete von einem Händler erwarb, der diese wiederum von einem autorisierten Hersteller erworben hatte, so muss von einem Erwerb von Nutzungsrechten ausgegangen werden.
(…)
Bei sachgerechter Würdigung der Gesamtumstände muss davon ausgegangen werden, dass … „autorisierten Herstellern“ die Rechte zur Herstellung der Tapete und die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zum Zwecke der Weiterübertragung an die Endkunden, ggf. über Zwischenhändler, übertrug, die zur vertragsgemäßen Nutzung der Tapete erforderlich waren. Weil die vertragsgemäße Nutzung der Tapete eine feste Verbindung der Tapete mit den Räumen vorsieht und eine Beseitigung der Tapete im Rahmen der vertraglich vorausgesetzten Nutzung von vornherein ausscheidet, ist aus Sicht eines redlichen Urhebers anzunehmen, dass autorisierte Hersteller den Abnehmern die Rechte einräumen sollten, die auch urheberrechtlich zu einer vertragsgemäßen Nutzung der Tapete erforderlich waren. Hierzu war – unabhängig von einer Nutzung der Tapete in privaten oder gewerblichen Räumen – das Recht erforderlich, Vervielfältigungen der Tapete im Rahmen der Erstellung von Lichtbildern der Räume zu fertigen sowie diese Lichtbilder zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen bzw. diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen. Von dem Erwerber einer Fototapete kann üblicher Weise nicht erwartet werden, dass dieser sicherstellt, dass keine Fotos in den mit der Tapete ausgestatteten Räumen gefertigt werden oder die Tapete jeweils abgedeckt oder retuschiert wird.

Die Kammer teilt die Auffassung des Landgerichts Köln (Urteil vom 18.08.2022, AZ. 14 O 350/21) nicht, wenn es dort in den Entscheidungsgründen heißt, dass für den Verkauf der Fototapete keine Übertragung eines Nutzungsrechts erforderlich sei und sich der Verkauf einer Fototapete auf den Vertragszweck der dinglichen Übereignung der Tapete erstrecke. Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Verwendungszweck einer Tapete darin besteht, Räume dauerhaft zu dekorieren, in denen Fotos erstellt werden und unter verschiedensten Umständen hiervon Bilder ins Internet gelangen, die Fototapeten also vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Es erscheint unabhängig davon, ob die Fototapete von einem Unternehmer oder einer Privatperson erworben wird, vollkommen fernliegend, dass eine entsprechende Nutzung ausgeschlossen oder von einer weiteren Lizensierung abhängig ist. Sowohl autorisierte Hersteller als auch der Fotograf verschließen ihre Augen unredlich vor dem Offensichtlichen, wenn sie bei dem Verkauf der Fototapete nicht berücksichtigen, dass diese als Teil ihrer ordentlichen Nutzung abfotografiert und ins Internet gestellt wird. Sowohl bei dem Einsatz der Tapete in gewerblich genutzten Räumen als auch bei der Verwendung in Privaträumen kommt es nahezu zwangsläufig dazu, dass Lichtbilder aus unterschiedlichsten Motiven gefertigt werden. So fertigen Hotelbesitzer oder Restaurantbetreiber Fotos von den Räumen, um ihre Räumlichkeiten in einer Online-Werbung, über einen Internetauftritt in Form der eigenen Webseite oder eines Auftritts in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram potentiellen Kunden zu präsentieren. Interessenten sollen sich so einen Gesamteindruck von dem Stil und der Atmosphäre der Räumlichkeiten verschaffen können. Eine Wandtapete prägt den Gesamteindruck eines Raumes maßgeblich. Eine Fotografie eines Raumes ohne Abbildung der Wandtapete führt zu einer verfremdeten und verzerrten Darstellung des jeweiligen Raumes. Würde der Eigentümer einer Räumlichkeit die Fototapete retuschieren, so würde er sich in der Öffentlichkeit zu Recht der Kritik aussetzen, seine Räumlichkeiten anders zu bewerben, als diese sich in der Realität darstellen. Kein Eigentümer eines Cafés oder Restaurants erwirbt eine Tapete und tapeziert damit seinen Gastraum, wenn dies dazu führt, dass er diesen nicht auf Internetauftritten abbilden kann. Auch bei Privatpersonen ist ohne Weiteres vorhersehbar, dass z.B. bei privaten Feiern oder auch bei der Weiterveräußerung des Objektes, in welchem die Fototapete angebracht ist, Lichtbilder erstellt und in sozialen Netzwerken geteilt werden. Niemand kann erwarten, dass im Rahmen von Familienfeiern oder einer Weiterveräußerung Lichtbilder gefertigt werden, auf denen die Fototapete beseitigt, verhängt oder retuschiert ist. Da eine Fototapete regelmäßig das Raumbild bestimmt, wird der dahingehende Konflikt nicht über § 57 UrhG aufgelöst.

Nach Auffassung der Kammer ist es als branchenüblich anzusehen, dass keine gesonderte Vergütung für Rechte an der öffentlichen Zugänglichmachung und Vervielfältigung von Lichtbildern der mit Fototapeten ausgestatteten Räumlichkeiten bezahlt wird. Die Inaugenscheinnahme der Webseiten von Baumärkten (z.B. Hornbach) oder anderen Fototapeten-Vertreibern ergibt, dass keine Branchenübung besteht, die Rechte gegen zusätzliche Vergütung auf dem Markt anzubieten, was dafür spricht, dass Rechte mit der Grundvergütung abgegolten und auch übertragen wurden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Köln im Urteil vom 18.08.2022 (AZ. 14 O 350/21) hat es deshalb nicht nahegelegen, einen entsprechenden Passus in die Rechnung aufzunehmen und dafür einen höheren Preis zu zahlen. Ein solches Angebot findet sich auf dem Markt nicht. Auch die Klägerin, die von … vertreten wird, behauptet nicht, dass sie eine entsprechende Lizensierung angeboten hat.

Neben der Üblichkeit muss sich der Urheber der weitreichenden stillschweigenden Einräumung bewusst gewesen sein (vgl. BGH GRUR 2004, 938, 939). Dies ist vorliegend zu bejahen. Die vorstehenden Begleitumstände sprechen dafür, dass, redliches Verhalten unterstellt, ein entsprechender Wille zur Einräumung von Nutzungsrechten im dargestellten Umfang bestand. Hinzu kommt, dass … geschäftsführender Gesellschafter der … war, es also in der Hand hatte, die Umstände des Vertriebs der Tapeten zu gestalten. Er nahm trotz der sich aufdrängenden urheberrechtlichen Konsequenzen im Rahmen der üblichen Nutzung der Fototapeten keine Hinweise auf ein „Fotografierverbot“ oder die Notwendigkeit einer weiteren Lizensierung auf. Auch trägt er nicht vor, von ihm autorisierte Hersteller zu entsprechenden Hinweisen veranlasst zu haben.

Der Annahme einer konkludenten Rechteeinräumung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ausdrücklich vorträgt, dass der Nutzung für Fototapeten lediglich die Einräumung einfacher Nutzungsrechte zu Grunde lag. Die Klägerin, deren gesetzlicher Vertreter der Fotograf ist, stellt den Sachverhalt, der – lauteres Verhalten der Beteiligten unterstellt – aus den vorstehenden Erwägungen aus Sicht der Kammer die Annahme einer konkludenten Rechteübertragung gebietet, nicht in Abrede. Wie vorstehend dargestellt, geht die Kammer auch nicht von einer Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte aus.“

Das Urteil des OLG Düsseldorf stellt dazu fest:

„Denn der Beklagten sind mit Erwerb der streitgegenständlichen Fototapeten konkludent urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Tapeten eingeräumt worden. Zur Begründung kann zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen umfassend verwiesen wird und die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht.
(…)
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten erworbenen, zur Dekoration der Räumlichkeiten des Hotels „…“ verwendeten und auf den öffentlich zugänglich gemachten Fotografien der Räumlichkeiten sichtbaren Fototapeten mit der Zustimmung und auf Veranlassung von Herrn B. in den Verkehr gelangt sind.
(…)
Die Annahme des Landgerichts, Herr B. habe – über eine seiner Vertriebsgesellschaften für auf der Grundlage seiner Fotografien angefertigten Fototapeten –, z.B. die X. GmbH & Co. KG – den Käufern der Fototapeten konkludent ein einfaches Nutzungsrecht mit dem Inhalt eingeräumt, dass diese zur Ablichtung des Raumes mit der an der Wand angebrachten Fototapete und zum öffentlichen Zugänglichmachung dieser Lichtbilder berechtigt seien, weist keine Rechtsfehler auf.

Die vertragsgemäße Nutzung einer Fototapete sieht ihre untrennbare Verbindung mit dem Raum vor. Nachdem sie mit der Wand verklebt wurde, dient sie zum einen der Dekoration des Raumes. Darüber hinaus gehört zu ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung – sowohl in privaten, als auch in gewerblichen Räumen –, dass von dem mit der Fototapete ausgestatteten Raum Lichtbilder gefertigt sowie diese verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Denn bei lebensnaher Betrachtung kann von dem Erwerber einer Fototapete im Rahmen einer vertragsgemäßen Nutzung nicht erwartet werden sicherzustellen, dass keine Lichtbilder in dem mit der Fototapete ausgestattetem Raum gefertigt werden oder die Fototapete abgedeckt oder auf den gefertigten Lichtbildern nachträglich retuschiert wird. Hätte der Erwerber um diese gravierende Einschränkung der bestimmungsgemäßen Nutzung gewusst, so ist zu erwarten, dass er die Fototapete niemals erworben hätte; die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sich der Fotograf einer stillschweigenden Einräumung einfacher Nutzungsrechte im dargestellten Umfang bewusst war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist jedenfalls davon auszugehen und Gegenteiliges trägt auch die Klägerin nicht vor, dass der Fotograf ein wirtschaftliches Interesse an dem Verkauf der Rechte an den von ihm gefertigten Fotos und damit letztlich auch an dem Verkauf der Fototapeten hatte. Eine Vertragsauslegung, die faktisch zu einer Unverkäuflichkeit der Fototapeten führt, widerspricht den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB, da sie schlicht nicht sach- und interessengerecht ist.“

(iii) Vorab weist die Kammer darauf hin, dass der vorstehend dargelegte Meinungsstreit zwischen der hiesigen Kammer und dem LG sowie OLG Düsseldorf für den hiesigen Fall nur bedingt aussagekräftig ist. Die Kammer kann den Ausführungen der Düsseldorfer Spruchkörper nicht entnehmen, dass die dort geschilderte besondere Interessenlage für diejenigen Personen, in deren Räumen die Fototapete befestigt wird, auch auf Handwerker wie den Beklagten zu übertragen sind. Denn anders als dem Wohnungsbesitzer oder dem Inhaber bzw. Betreiber eines gewerblich genutzten Raumes, in dem eine Fototapete fest verklebt ist, ist der Beklagte nicht auf eine bildliche Darstellung eben dieses Raums angewiesen bzw. kann diese faktisch nicht verhindern. Ganz im Gegenteil, der Beklagte als Tapezierer nutzt hier ein Foto seiner Werkleistung in einem fremden Raum nur und einzig zum Zweck der Darstellung seiner Fähigkeiten, um weitere Kunden zu werben. Es stünde ihm aber frei, andere Referenzarbeiten auf seiner Webseite zu präsentieren. Dies mag zwar dazu führen, dass er Referenzarbeiten mit Fototapeten ggf. überhaupt nicht auf seiner Webseite präsentieren darf. Ihm bleibt es aber frei, urheberrechtlich freie Tapeten zu präsentieren. Insofern kommt es den Kunden wohl auch darauf an, dass die Werkleistung ordentlich erfolgt und nicht auf die konkrete Tapete.

Allein vor diesem Hintergrund erkennt die Kammer auch ohne Konflikt mit der oben dargestellten Rechtsprechung von LG und OLG Düsseldorf keinen Grund, hier von einer konkludenten Nutzungsrechteeinräumung in der Kette von Herrn K. über die Z. Gmbh & Co. KG (siehe Bl. 216 GA) auf den Beklagten (ggf. noch vermittelt durch seinen Auftraggeber als Besitzer des Wohnraums) auszugehen. Nach der Zweifelsregelung bei der Anwendung der Zweckübertragungslehre zugunsten des Urhebers ist in der hiesigen Konstellation erst recht davon auszugehen, dass das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder, die auf der Fototapete zu sehen sind, nicht konkludent an den Beklagten eingeräumt worden ist.

(iv) Im Übrigen überzeugen die Ausführungen des LG und des OLG Düsseldorf in rechtlicher Hinsicht nicht. Sie führen konsequent zu Ende gedacht dazu, dass für eine Vielzahl von urheberrechtlichen Schutzgegenständen vom Urheber bzw. Rechteinhaber allein durch angeblich schlüssiges Verhalten sehr weit reichende Nutzungsrechte eingeräumt werden, die zudem scheinbar beliebig unterlizenziert werden können. Dies ist jedoch weder mit der Rechtsgeschäftslehre noch mit der Zweckübertragungslehre noch mit sonstigen urheberrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen.

Das LG Düsseldorf hält es im Vertriebsweg einer Fototapete, d.h. im Verhältnis des Urhebers zum Hersteller und Vertreiber der Fototapeten sowie ggf. einbezogenen Zwischenhändlern für erforderlich, dass dort bereits ein (an den Endkunden unterlizensierbares) Recht eingeräumt wird, wonach „Vervielfältigungen der Tapete im Rahmen der Erstellung von Lichtbildern der Räume“ gefertigt werden dürfen sowie das Recht „diese Lichtbilder zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen bzw. diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen“. Von dem Erwerber einer Fototapete könne üblicher Weise nicht erwartet werden, dass dieser sicherstellt, dass keine Fotos in den mit der Tapete ausgestatteten Räumen gefertigt werden oder die Tapete jeweils abgedeckt oder retuschiert wird.

Die Kammer kann diese Erforderlichkeit in dieser Absolutheit bereits nicht nachvollziehen. Zwar mag es sein, dass ein faktisches und rechtliches Bedürfnis der Endkunden von Fototapeten an einem solchen Nutzungsrecht besteht. Ein solches Bedürfnis führt aber nicht bereits dazu, dass ein solches Nutzungsrecht durch den Urheber bzw. Rechteinhaber rechtsgeschäftlich konkludent eingeräumt wird. Ein solches Bedürfnis ist vielmehr die Grundlage für eine Schranke des Urheberrechts, die hier aber nach den obigen Ausführungen nicht eingreift.

Es ist vielmehr zu beachten, dass vorliegend das LG Düsseldorf eine hypothetische Korrektur der Vertragsbeziehungen innerhalb der ersten Glieder der Lizenzkette vornimmt. Es ist dem (streitigen Teil des) Tatbestands des Urteils des LG Düsseldorf zu entnehmen, dass „in der Vergangenheit die Bilder mit Zustimmung von … für Fototapeten genutzt worden [seien]. Dieser Nutzung habe die Einräumung einfacher, für die Herstellung und den Vertrieb von Fototapeten erforderlicher Nutzungsrechte durch … zugrunde gelegen. Autorisierten Herstellern habe er nur gestattet, die Fototapeten zu verkaufen.“ Dies deckt sich mit den Feststellungen der Kammer in ihrem früheren Kammerurteil.

Nach diesem (scheinbar streitigen) Vortrag bestand aber offenbar eine ausdrückliche Regelung zwischen dem Fotografen K. und den Fototapetenherstellern; jedenfalls sind hier wie dort keine Feststellungen zu einer anderweitigen Vereinbarung auf dieser Ebene der Lizenzkette getroffen. Bei gebotener Auslegung nach §§ 133, 157 BGB der Vereinbarung zwischen dem Fotografen und dem Fototapetenhersteller sind hiermit keine unterlizensierbaren Rechte zur öffentlichen Zugänglichmachung der Motive der Fototapeten durch Kunden eingeräumt worden. Das Recht, Unterlizenzen zu gewähren, steht dem Urheber zu, § 35 UrhG, wonach selbst der ausschließliche Lizenznehmer nur mit Zustimmung des Urhebers weitere Unterlizenzen einräumen darf; hier stehen nur einfache Lizenzen an die Tapetenhersteller im Raum, auf § 35 Abs. 2 iVm § 34 Abs. 1 S. 2 UrhG kommt es gar nicht erst an. Dem Urheber – auf dieser ersten Ebene der Lizenzkette – dieses Recht zu beschneiden, steht deshalb nach Auffassung der Kammer die gesetzgeberische Wertung entgegen.

Wenn man nun auf dieser ersten Stufe der Lizenzkette bereits die Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG anwenden wollte, was nur bei Unklarheiten der Rechteklausel zulässig wäre, müsste man nach der Argumentation des LG Düsseldorf hier bereits fordern, dass der Urheber zeitlich unbeschränkte, beliebig oft und an beliebige Personen unterlizensierbare Nutzungsrechte zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung für unüberschaubare Nutzungsarten einräumen müsste. Dies obschon in seinem Vertragsverhältnis allein notwendig ist, dass der Fototapetenhersteller die Lichtbilder in der Nutzungsart „Fototapete“ vervielfältigt gem. § 16 UrhG und sodann vertreibt gem. § 17 UrhG. Dies vermag die Kammer nicht mit der grundsätzlich den Urheber, nicht den Verwerter schützenden Zweckübertragungslehre in Einklang zu bringen.

Sodann folgt aus der Argumentation des LG Düsseldorf, dass auf der nächsten Stufe der Lizenzkette der Fototapetenhersteller an den Käufer ein vom Kaufpreis bereits vollständig abgegoltenes Recht zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung als Unterlizenz einräumt. Nach der von der Kammer vertretenen Ansicht hat der Tapetenhersteller bzw. –verkäufer über diese Rechte jedoch nie verfügt. Selbst wenn man also auf dieser Stufe wiederum im Wege der Zweckübertragungslehre diese weitgehenden Rechte einräumen wollte, so würde dies am fehlenden Rechtsbestand beim Tapetenhersteller scheitern. Folge wäre ein „gutgläubiger Erwerb“, der nach allgemeiner Meinung im Urheberrecht nicht existiert (statt aller: Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 31 Rn. 24 mwN: „Niemand kann also mehr Rechte übertragen, als er tatsächlich besitzt.“).

Zusammenfassend würde die Argumentation des LG Düsseldorf also dazu führen, bei dem Urheber, hier Herrn K., einen rechtsgeschäftlichen Willen anzunehmen, den er nie ausdrücklich geäußert hat und der ihm auch durch schlüssiges Verhalten nicht unterstellt werden kann.

- Fortsetzung-
"LG Köln bleibt bei seiner Rechtsprechung - Kauf von Fototapete umfasst keine Lizenz für Nutzung im Internet z.B. auf Fotos von Räumlichkeiten" vollständig lesen

BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO umfasst alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle

BGH,
Urteil vom 16.04.2024
VI ZR 223/21
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3


Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle umfasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).

BGH, Urteil vom 16. April 2024 - VI ZR 223/21 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).

a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.

b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).

c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).


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BGH: Rechtsmissbrauch liegt nicht allein dann schon vor wenn Vielfachabmahner trotz ausgebliebener Unterlassungserklärungen viele Fälle nicht gerichtlich weiterverfolgt

BGH
Urteil vom 07.03.2024 - I ZR 83/23
Vielfachabmahner II
BGB § 242


Der BGH hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch nicht allein deshalb angenommen werden kann, wenn ein Vielfachabmahner trotz ausgebliebener Unterlassungserklärungen viele Fälle nicht gerichtlich weiterverfolgt.

Leitsätze des BGH:
a) Der Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht aus einem aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertag kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17, GRUR 2019, 638 [juris Rn. 33 f.] = WRP 2019, 727 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).

b) Die Frage, ob die Geltendmachung der auf einer Unterlassungsvereinbarung beruhenden Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wobei die Umstände, die im Rahmen des § 8c Abs. 1 UWG nF (§ 8 Abs. 4 UWG aF) einen Rechtsmissbrauch begründen, auch im Rahmen der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB herangezogen werden können (vgl. BGH, GRUR 2019, 638 [juris Rn. 17 f. und 33 f.] - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).

c) Von einem rechtsmissbräuchlichen Abmahnverhalten ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs überwiegend von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 40] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur, mwN). Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann dies regelmäßig nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Gläubiger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche in einer Vielzahl von Fällen trotz ausgebliebener Unterwerfungserklärungen der Schuldner nicht gerichtlich weiterverfolgt hat.

BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23 - OLG Hamm - LG Essen

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BGH: Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO gewährt keinen Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen einer privaten Krankenversicherung

BGH
Urteil vom 06.02.2024
VI ZR 15/23
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3


Der BGH hat abermals entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO keinen Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen einer privaten Krankenversicherung gewährt.

Leitsatz des BGH:
Aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO folgt grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung (Anschluss an BGH, Urteil vom27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 45 ff.).

BGH, Urteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23 - OLG Celle - LG Verden

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VG Berlin: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO kann ein unverhältnismäßiger Aufwand zur Auskunftserteilung nur ein eng begrenzten Ausnahmefällen entgegengehalten werden

VG Berlin
Urteil vom 06.02.2024
1 K 187/21


Das VG Berlin hat entschieden, dass einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ein unverhältnismäßiger Aufwand zur Auskunftserteilung nur ein eng begrenzten Ausnahmefällen entgegengehalten werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit der Kläger – mit seinem Antrag zu 1.) – die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die ihm unter dem 18. November 2020 erteilte Auskunft zu vervollständigen und ihm Auskunft über seine bis zum Datum seines Auskunftsantrages in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erteilen, indem die Beklage ihm eine Kopie dieser Daten zur Verfügung stellt, ist die nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 10.21, juris Rn. 14) und auch sonst zulässige Verpflichtungsklage begründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Grundlage für den insoweit geltend gemachten Anspruch ist Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO).

Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist es, wie sich u.a. aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO ergibt, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, von einer Verarbeitung ihn betreffender personenbezogener Daten Kenntnis zu erhalten, um im Folgenden nicht nur die Richtigkeit dieser Daten, sondern auch die Zulässigkeit ihrer Verarbeitung überprüfen und im Folgenden ggf. die ihm nach den Art. 16f. DSGVO zustehenden Rechte – beispielweise auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung der Daten – ausüben zu können (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487, juris Rn. 33f.). Gerade für eine Rechtmäßigkeitskontrolle ist aber, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, eine bloß abstrakte Übersicht über die verarbeiteten Daten nicht ausreichend, weshalb der Anspruch des Klägers nicht durch die ihm unter dem 18. November 2020 erteilte Auskunft der Beklagten erloschen ist, die sich lediglich auf die in den IT-Systemen der Beklagten gespeicherten (Stamm-)Daten des Klägers erstreckte. Vielmehr bedarf es, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im jeweiligen Einzelfall überprüfen zu können, notwendigerweise der konkreten Mitteilung, in welchem Kontext die Daten verarbeitet wurden (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023, a.a.O. Rn. 41f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, juris Rn. 64f., 66). Dies lässt sich regelmäßig durch Zurverfügungstellung einer Kopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO erreichen, d.h. einer vollständigen, originalgetreuen Reproduktion der verarbeiteten Daten (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023, a.a.O. Rn. 32, 39 und Urteil vom 22. Juni 2023, a.a.O.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, juris Rn. 79).

Der Klagebegründung zufolge (vgl. Schriftsatz vom 22. Dezember 2023, S. 3, 4) soll der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO auf diese Weise erfüllt werden. Durch die (dementsprechend tenorierte) Verpflichtung der Beklagten zur Zurverfügungstellung einer Kopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO wird zugleich der durch den Kläger weiter geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die sogenannten „Metadaten“ i.S.d. Art. 15 Abs. 1 HS. 2 lit. a) bis h) DSGVO erfüllt (vgl. Urteil der Kammer vom 10. Januar 2024 - VG 1 K 73/22, UA S. 5f.).

Dem damit dem Grunde nach bestehenden Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann die Beklagte nicht mit Erfolg den Einwand der Unverhältnismäßigkeit oder des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten.

Das Gericht verkennt nicht, dass mit der Zurverfügungstellung von Kopien aller in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen Dokumente, in denen personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet werden, nicht nur wegen der in jedem Einzelfall erforderlichen Prüfung entgegenstehender Rechte i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DSGVO ein erheblicher Aufwand einhergeht. Aufgrund der Bedeutung des – grundsätzlich unbedingt gewährleisteten – Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO kommt eine Weigerung des Verantwortlichen, einem Auskunftsbegehren wegen des zu seiner Erfüllung zu treibenden unverhältnismäßigen Aufwandes Folge zu leisten, jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise bei einem offenkundig groben Missverhältnis zwischen den zur Erfüllung des Auskunftsanspruches erforderlichen Anstrengungen und dem Informationsinteresse des Betroffenen (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Oktober 2023 - 1 K 561/21, juris Rn. 60). Diese Voraussetzung ist hier jedoch – trotz des großen Umfangs der durch die Beklagte zu sichtenden und vor einer Herausgabe an den Kläger ggf. zu anonymisierenden Akten – nicht erfüllt. Denn der Kläger hat unter Bezugnahme auf die besondere Schutzwürdigkeit seiner personenbezogenen Daten (vgl. hierzu das den Beteiligten bekannte Urteil der Kammer vom 10. Juni 2020 - VG 1 K 143/16, UA S. 9f.) plausibel dargelegt, dass er vorrangig deren Weitergabe durch die Beklagte an Dritte nachvollziehen wolle (die laut der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 18. November 2020 mehrfach erfolgt ist), um diesen Dritten gegenüber eventuell die Löschung oder die Einschränkung der Verarbeitung der Daten geltend zu machen. Dem lässt sich allein dadurch Rechnung tragen, dass die Beklagte die betreffenden Dokumente in Kopie an den Kläger herausgibt; eine abstrakte Mitteilung der Empfänger der Daten ist nach dem oben Gesagten für die jeweils erforderliche Einzelfallprüfung nicht ausreichend. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs, an den gleichermaßen strenge Anforderungen zu stellen sind, greift vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht durch.


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OLG Düsseldorf: Fotograf hat keine Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzung wenn Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer mit einer Fototapete im Internet veröffentlicht

OLG Düsseldorf
Urteil vom 08.02.2024
20 U 56/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Fotograf, der Urheber des Fototapetenmotivs ist, keine Ansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung zustehen, wenn ein Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer mit einer entsprechenden Fototapete im Internet veröffentlicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer entscheidungserheblichen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht vollumfänglich abgewiesen. Der Klägerin stehen - ihre Aktivlegitimation und die Urheberschaft ihres CEO, Herrn ..., an den streitgegenständlichen Fotografien mit den Titeln "Calm Table Dancer" und "Wavebreaker at Baltic Sea" unterstellt - die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Die Beklagte hat zwar die zumindest als Lichtbild gemäß § 72 UrhG geschützten Fotografien ohne Urheberbenennung (§ 13 UrhG) vervielfältigt, §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG, und öffentlich zugänglich gemacht, §§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG. Sie hat aber durch dieses Verhalten weder die - insoweit unterstellten - Rechte der Klägerin noch das - unterstellt in Prozessstandschaft geltend gemachte - Urheberpersönlichkeitsrecht des Herrn ... widerrechtlich verletzt.

I. Durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotografien zur Bewerbung des von ihr betriebenen Hotels hat die Beklagte keine Urheberrechte der Klägerin verletzt.

1. Es kann offen bleiben, ob die Fototapeten als unwesentliches Beiwerk der auf den angegriffenen, von der Beklagten für die Bewerbung ihres Hotels verwendeten Aufnahmen eines Gastzimmers und eines Raums im Spa-Bereich im Sinne des § 57 UrhG anzusehen sind, weil sie weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele und ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst würde (siehe dazu BGH, Urteil vom 17. November 2014, Az.: I ZR 177/13, NJW 2015, 2119 Rn. 27 -Möbelkatalog; zur Frage der Auslegung des § 57 UrhG in diesem Zusammenhang: Wyphol, ZUM 2023, 688, 692).

Denn der Beklagten sind mit Erwerb der streitgegenständlichen Fototapeten konkludent urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Tapeten eingeräumt worden. Zur Begründung kann zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen umfassend verwiesen wird und die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend das Folgende auszuführen:

a. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten erworbenen, zur Dekoration der Räumlichkeiten des Hotels ... verwendeten und auf den öffentlich zugänglich gemachten Fotografien der Räumlichkeiten sichtbaren Fototapeten mit der Zustimmung und auf Veranlassung von Herrn ... in den Verkehr gelangt sind.

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Fototapeten von einem Unternehmen erworben hat, an dem Herr ... nach dem Vortrag der Klägerin nicht beteiligt ist und bei dem es sich auch nicht um einen von Herrn ... autorisierten Vertriebspartner handelt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Fa. "... group", von der die Beklagte ausweislich der vorgelegten Rechnung vom 11. Januar 2011 (Anlage Bl) die in Rede stehenden Fototapeten erworben hat, diese als Zwischenhändlerin von einem von Herrn ... betriebenen Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - erworben und dann über ihren Webshop "S....de" weiterverkauft hat. Diese Annahme ist zum einen aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass die beiden auf den Fototapeten abgebildeten Motive den Lichtbildern, für die die Klägerin Urheberrechte beansprucht, genau entsprechen, insbesondere keinen anderen Ausschnitt, eine andere Farbwahl oder eine sonstige Bearbeitung zeigen und Fototapeten mit genau diesen Motiven nach dem eigenen Vortrag der Klägerin mit Zustimmung von Herrn ... angefertigt und in großer Stückzahl verkauft worden sind. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht und dargelegt, dass und ggf. wie sich die von der Beklagten erworbenen, streitgegenständlichen Fototapeten von denen unterscheiden, die von der M... GmbH & Co. KG mit denselben Motiven vertrieben wurden. Auch zu der Vertriebsstruktur der M... GmbH & Co. KG bzw. zur generellen Vertriebsstruktur für die von Herrn ... autorisierten Fototapeten im relevanten Zeitraum - Januar 2011 - hat die Klägerin nicht vorgetragen. Daher ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständlichen Fototapeten, welche die Beklagte in dem von ihr betriebenen Hotel verwendet hat, nicht mit Zustimmung und auf Veranlassung des Herrn ... auf den Markt gelangt sind.

Soweit die Klägerin mutmaßt, die Beklagte habe die "frei im Internet verfügbaren" Fotos von Herrn ... genutzt, um selbst Fototapeten mit diesen Motiven anfertigen zu lassen, ist dies aufgrund der schlechten Auflösung von im Internet frei verfügbaren Fotos zum einen unwahrscheinlich, zum anderen spricht die als Anlage B1 vorgelegte Rechnung der "... group", in der die einzelnen Fototapeten jeweils mit einem Titel näher bezeichnet werden, gegen eine solche Annahme. Denn die Rechnung weist hinsichtlich jedenfalls einer der beiden Fototapeten genau den von dem vermeintlichen Urheber, Herrn ..., verwendeten, individuellen Titel "Calm Temple Dancer" auf. Wieso die Beklagte genau denselben Bildtitel für von ihr gestaltete und in Auftrag gegebene Fototapeten gewählt haben sollte, ist dabei nicht erklärlich. Schließlich lässt auch der Umstand, dass die Beklagte zwei Fototapeten bei der Fa. "... group" erworben hat, die beide jeweils ein Lichtbild des Herrn ... wiedergeben, die Schlussfolgerung zu, dass die Fototapeten mit Einverständnis des Herrn ... in den Vertrieb gekommen und von einem von Herrn ... beauftragten Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - an die "... group" weitervertrieben worden sind. Andernfalls ließe sich nicht erklären, warum die Beklagte ausgerechnet zwei Lichtbilder des Herrn ... irgendwo im Internet gefunden und diese für die Anfertigung einer Fototapete benutzt haben sollte.

b. Die Annahme des Landgerichts, Herr ... habe - über eine seiner Vertriebsgesellschaften für auf der Grundlage seiner Fotografien angefertigten Fototapeten -, z.B. die M... GmbH & Co. KG - den Käufern der Fototapeten konkludent ein einfaches Nutzungsrecht mit dem Inhalt eingeräumt, dass diese zur Ablichtung des Raumes mit der an der Wand angebrachten Fototapete und zum öffentlichen Zugänglichmachung dieser Lichtbilder berechtigt seien, weist keine Rechtsfehler auf.

Die vertragsgemäße Nutzung einer Fototapete sieht ihre untrennbare Verbindung mit dem Raum vor. Nachdem sie mit der Wand verklebt wurde, dient sie zum einen der Dekoration des Raumes. Darüber hinaus gehört zu ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung - sowohl in privaten, als auch in gewerblichen Räumen dass von dem mit der Fototapete ausgestatteten Raum Lichtbilder gefertigt sowie diese verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Denn bei lebensnaher Betrachtung kann von dem Erwerber einer Fototapete im Rahmen einer vertragsgemäßen Nutzung nicht erwartet werden sicherzustellen, dass keine Lichtbilder in dem mit der Fototapete ausgestattetem Raum gefertigt werden oder die Fototapete abgedeckt oder auf den gefertigten Lichtbildern nachträglich retuschiert wird. Hätte der Erwerber um diese gravierende Einschränkung der bestimmungsgemäßen Nutzung gewusst, so ist zu erwarten, dass er die Fototapete niemals erworben hätte; die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sich der Fotograf einer stillschweigenden Einräumung einfacher Nutzungsrechte im dargestellten Umfang bewusst war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist jedenfalls davon auszugehen und Gegenteiliges trägt auch die Klägerin nicht vor, dass der Fotograf ein wirtschaftliches Interesse an dem Verkauf der Rechte an den von ihm gefertigten Fotos und damit letztlich auch an dem Verkauf der Fototapeten hatte. Eine Vertragsauslegung, die faktisch zu einer Unverkäuflichkeit der Fototapeten führt, widerspricht den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB, da sie schlicht nicht sach- und interessengerecht ist.

2. Zudem ist die Klägerin - wie ebenfalls bereits vom Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen - infolge des Inverkehrbringens der Fototapeten nach Treu und Glauben gern. § 242 BGB daran gehindert, Ansprüche wegen der streitgegenständlichen Veröffentlichung von Innenaufnahmen des von der Beklagten betriebenen Hotels, auf denen die Fototapeten zu sehen sind, geltend zu machen, weil sie sich durch ihre Rechtsausübung in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise in Widerspruch zu ihrem vorherigem Verhalten setzt.

Ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. Urteil vom 16. März 2017, Az.: I ZR 39/15, GRUR 2017, 702). Eine Rechtsausübung ist unzulässig, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenseite deshalb vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom Urteil vom 16. März 2017, Az.: I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 Rn. 96 - PC mit Festplatte I mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015, Az.: XII ZB 508/14, MDR 2015, 1101 Rn. 12; Urteil vom 12. Juli 2016, Az.: XI ZR 501/15, WM 2016, 138 Rn. 20).

Vorliegend lassen die Gesamtumstände die Rechtsausübung durch die Klägerin als treuwidrig erscheinen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin wurden die auf den streitgegenständlichen Fototapeten abgebildeten Fotos mit Zustimmung ihres Geschäftsführers und CEOs Herrn ..., der nach dem Vortrag der Kläger auch Urheber der Fotos ist, für die Herstellung und den Vertrieb von Fototapeten benutzt, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Als Erwerber der streitgegenständlichen Fototapeten durfte die Beklagte jedoch davon ausgehen, dass sie die Fototapeten nicht nur bestimmungsgemäß in dem von ihr betriebenen Hotel fest mit der Wand verkleben durfte, sondern auch Lichtbilder der Hotel-Räumlichkeiten, auf denen (auch) die Fototapeten zu sehen waren, anfertigen und öffentlich zugänglich machen durfte, weil dieses Vorgehen im Digitalzeitalter üblich ist.

Durch das Inverkehrbringen der Fototapeten hat der vermeintliche Urheber der hierfür genutzten Fotos einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil die Beklagte vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass die nunmehr angegriffene Nutzung der Fototapete von der Einwilligung des Urhebers bzw. Rechteinhabers gedeckt sei und sich dieser auch nicht in seinen Interessen beeinträchtigt fühlen würde (vgl. Urteil des LG Stuttgart vom 25. Oktober 2022, Az. 17 O 39/22, GRUR-RS 2022, 48323). Dies gilt jedenfalls solange der Erwerber der Fototapete keinen gegenteiligen Hinweis auf eine nur eingeschränkte Nutzung oder eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren erhält und solange die Nutzung der Fototapete über eine naheliegende und nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwartenden Nutzung nicht hinausgeht. Diese Ausnahmen liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin behauptet selbst nicht, bei der Vermarktung ihrer Fototapeten die Erwerber darauf hingewiesen zu haben, dass keine Befugnis zur Vervielfältigung durch Erstellen von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestattete Räume und deren öffentliches Zugänglichmachen besteht, obwohl dies ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre.

Überdies geht die angegriffene Nutzung der Fototapeten durch die Beklagte auch nicht über die übliche Nutzung hinaus, weil die Beklagte die Räumlichkeiten ihres Hotels, in denen die streitgegenständlichen Fototapeten verwendet wurden, zu naheliegenden Werbezwecken fotografiert und diese Fotos zum Vertrieb ihres Hotels verwendet hat.

Die Fototapeten standen - ihrem Wesen entsprechend - dabei nicht im Mittelpunkt der Lichtbilder, und sie sind überdies klar als solche zu erkennen. Hätte die Beklagte darum gewusst, dass die Klägerin in der Vervielfältigung durch Erstellen von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestatteten Räume und deren öffentliches Zugänglichmachen eine Urheberrechtsverletzung erblickt und sich zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in einer den Kaufpreis der Fototapete um ein Vielfaches übersteigenden Höhe berechtigt sieht, so ist anzunehmen, dass sie die Fototapete niemals erworben hätte.

Zu dem insoweit geschaffenen Vertrauenstatbestand setzt sich die Klägerin in Widerspruch, wenn sie sich nunmehr auf eine Verletzung von Urheberrechten wegen der Veröffentlichung von Fotos, auf denen die Fototapeten zu sehen sind, beruft und handelt somit treuwidrig gem. § 242 BGB.

II. Aus den vom Landgericht dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird und denen sich der Senat anschließt, kann die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts in Gestalt des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 UrhG stützen.

1. Allerdings ergibt sich aus § 13 UrhG ein Recht des Urhebers auf Namensnennung, dessen widerrechtliche Verletzung Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz, § 97 UrhG, sowie Ersatz von Abmahnkosten, § 97a Abs. 3 UrhG, begründen kann. Auch ist das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung in seinem Kern unverzichtbar (BGH GRUR 2023, 1619 - Microstock-Portal; Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage, § 13 Rn. 24). Außerhalb seines unverzichtbaren Kerns ist das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung indes vertraglichen Einschränkungen zugänglich (BGH a.a.O.). Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich, dass es ihm grundsätzlich freisteht, auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten (Schulze, a.a.O.) oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen (Peukert, in: Schricker/Loewenheim/, UrhG, 6. Auflage, vor §§ 12 ff. Rn. 17). Das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung kann grundsätzlich durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarung zwischen Urheber und Werkverwerter eingeschränkt werden.

2. Dies berücksichtigend ist im Streitfall jedenfalls von einem stillschweigenden Verzicht auszugehen. So ist zwar der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Urheber Herrn ... und dem von ihm zur Fertigung von Fototapeten autorisierten Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - nicht bekannt. Unstreitig ist indes, dass die Fototapeten selbst keinerlei Urheberbezeichnung enthalten, was mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Schluss rechtfertigt, dass Herr ... auf sein Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.


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LG Düsseldorf: Keine Urheberrechtsverletzung wenn Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer im Internet veröffentlicht und eine Fototapete zu sehen ist

LG Düsseldorf
Urteil vom 19.04.2023
12 O 129/22

Das LG Düsseldorf hat zutreffend entschieden, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn ein Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer im Internet veröffentlicht und auf den Fotos eine Fototapete zu sehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin stehen weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1, 15, 16, 19a UrhG noch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch und der Feststellungsanspruch insoweit nach §§ 97 Abs. 2, 15, 16, 19a UrhG noch der gem. § 242 BGB zur Bezifferung des Schadensersatzanspruchs geltend gemachte Auskunftsanspruch noch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß § 97 a UrhG zu, weil eine urheberrechtswidrige Nutzung durch das Ablichten der Räume mit der an der Wand angebrachten Fototapete und das öffentliche Zugänglichmachen dieser Lichtbilder nicht festgestellt werden kann (I.), eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung nicht vorliegt (II.) und den geltend gemachten Ansprüchen jedenfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht (III.). Die geltend gemachten Ansprüche können auch nicht aus einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts in Form des Urheberbenennungsrechts hergeleitet werden (IV.). Die Aktivlegitimation der Klägerin wird insoweit zu ihren Gunsten unterstellt.

I. Durch das Erstellen von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestatteten Räumen und das Einstellen dieser Lichtbilder auf verschiedene Internetseiten sind zwar die Lichtbilder „D“ sowie „X2“ öffentlich zugänglich gemacht worden. Ein Eingriff in urheberrechtliche Nutzungsrechte scheidet jedoch aus, weil die Beklagte mit dem Erwerb des Sacheigentums an den Fototapeten von der Firma F ein einfaches Nutzungsrecht dahingehend erworben hat, dass sie Lichtbilder der Fototapete im Rahmen von Lichtbildern der Räume fertigen bzw. fertigen zu lassen durfte. Zugleich ermöglichte ihr das eingeräumte Nutzungsrecht, diese Lichtbilder zu vervielfältigen bzw. vervielfältigen zu lassen und öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich zu lassen.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine Einräumung bzw. den Umfang und die Reichweite eines Nutzungsrechts trägt der Beklagte als Verwerter (vgl. BGH GRUR 1996, 121, 123).

Eine ausdrückliche, schriftliche oder mündliche Einräumung von Nutzungsrechten ist weder im Verhältnis des Fotografen zu den von ihm autorisierten Herstellern noch zwischen der Firma F und der Beklagten vereinbart worden. Jedoch ist von einer Einräumung der Nutzungsrechte durch schlüssiges Verhalten auszugehen.

Der Kammer ist durch eine Vielzahl von Verfahren sowie aus dem seitens der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des Landgerichts Köln (Anlage K18) bekannt, dass der Fotograf C seine Fotos durch die Firma N, deren Geschäftsführer er war, als Fototapeten vertrieb. Soweit die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte die Fototapeten von „einem autorisierten Hersteller“ erwarb, ist dies unerheblich. Da die Klägerin vom Fotografen selbst vertreten wird, hat sie Kenntnis von den Vertriebswegen und kann sich im Rahmen ihrer Verpflichtung zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag gem. § 138 ZPO nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Auch ihr Vorbringen, die Firma F nicht zu kennen, ist nicht ausreichend. Die Klägerin hat weder hinsichtlich einer urheberrechtswidrigen Herstellung von Fototapeten konkret vorgetragen noch hat sie einen Vertrieb von hergestellten Fototapeten näher erläutert, obwohl ihr dieser über ihren Geschäftsführer bekannt war. Ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte die Tapete von einem Händler erwarb, der diese wiederum von einem autorisierten Hersteller erworben hatte, so muss von einem Erwerb von Nutzungsrechten ausgegangen werden.

Die Einräumung von Nutzungsrechten kann grundsätzlich formfrei und auch konkludent erfolgen. Bei der Auslegung im Lichte des Zwecks der Übertragung ist zu ermitteln, ob die Einräumung eines Rechts gewollt ist. Eine stillschweigende Einräumung kommt nur dann in Betracht, wenn angesichts der gesamten Umstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck kommt, dass der Erklärende über sein Urheberrecht in der Weise verfügen will, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräumen will. Auch wenn sich der Vertragszweck wegen seiner urheberschützenden Funktion aus Sicht des Urhebers be- stimmt (vgl. BGH GRUR 2002, 248, 251), ist der objektive Empfängerhorizont zu berücksichtigen. Nach dem Zweckübertragungsgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG räumt der Urheber im Zweifel ein Nutzungsrecht nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. In dieser Auslegungsregel kommt zum Ausdruck, dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werks beteiligt wird. Im Allgemeinen werden deshalb nur die Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt, durch welche die Erreichung des Vertragszwecks ermöglicht wird, dagegen kann die Einräumung von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechte nur angenommen werden, wenn ein dahingehender Parteiwille – ggf. aufgrund der Begleitumstände und des schlüssigen Verhaltens der Parteien – unzweideutig zum Ausdruck kommt. Ob das der Fall ist, ist durch eine Auslegung des Vertrages zu ermitteln; dabei sind die gesamten Umstände nach Maßgabe von Treu und Glauben und sowie der Verkehrssitte zu berücksichtigen. Maßgeblicher Umstand kann eine Branchenüblichkeit – hier bei der Verwertung der Fototapete – sein, wenn diese Rückschlüsse auf einen objektivierten rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien hinsichtlich der eingeräumten Nutzungsrechte erlaubt (vgl. BGH GRUR 2004, 938 m.w.Nw.; OLG Zweibrücken MMR 2015, 54).

Bei sachgerechter Würdigung der Gesamtumstände muss davon ausgegangen werden, dass C „autorisierten Herstellern“ die Rechte zur Herstellung der Tapete und die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zum Zwecke der Weiterübertragung an die Endkunden, ggf. über Zwischenhändler, übertrug, die zur vertragsgemäßen Nutzung der Tapete erforderlich waren. Weil die vertragsgemäße Nutzung der Tapete eine feste Verbindung der Tapete mit den Räumen vorsieht und eine Beseitigung der Tapete im Rahmen der vertraglich vorausgesetzten Nutzung von vornherein ausscheidet, ist aus Sicht eines redlichen Urhebers anzunehmen, dass autorisierte Hersteller den Abnehmern die Rechte einräumen sollten, die auch urheberrechtlich zu einer vertragsgemäßen Nutzung der Tapete erforderlich waren. Hierzu war – unabhängig von einer Nutzung der Tapete in privaten oder gewerblichen Räumen – das Recht erforderlich, Vervielfältigungen der Tapete im Rahmen der Erstellung von Lichtbildern der Räume zu fertigen sowie diese Lichtbilder zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen bzw. diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen. Von dem Erwerber einer Fototapete kann üblicher Weise nicht erwartet werden, dass dieser sicherstellt, dass keine Fotos in den mit der Tapete ausgestatteten Räumen gefertigt werden oder die Tapete jeweils abgedeckt oder retuschiert wird.

Die Kammer teilt die Auffassung des Landgerichts Köln (Urteil vom 18.08.2022, AZ. 14 O 350/21) nicht, wenn es dort in den Entscheidungsgründen heißt, dass für den Verkauf der Fototapete keine Übertragung eines Nutzungsrechts erforderlich sei und sich der Verkauf einer Fototapete auf den Vertragszweck der dinglichen Übereignung der Tapete erstrecke. Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Verwendungszweck einer Tapete darin besteht, Räume dauerhaft zu dekorieren, in denen Fotos erstellt werden und unter verschiedensten Umständen hiervon Bilder ins Internet gelangen, die Fototapeten also vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Es erscheint unabhängig davon, ob die Fototapete von einem Unternehmer oder einer Privatperson erworben wird, vollkommen fernliegend, dass eine entsprechende Nutzung ausgeschlossen oder von einer weiteren Lizensierung abhängig ist. Sowohl autorisierte Hersteller als auch der Fotograf verschließen ihre Augen unredlich vor dem Offensichtlichen, wenn sie bei dem Verkauf der Fototapete nicht berücksichtigen, dass diese als Teil ihrer ordentlichen Nutzung abfotografiert und ins Internet gestellt wird. Sowohl bei dem Einsatz der Tapete in gewerblich genutzten Räumen als auch bei der Verwendung in Privaträumen kommt es nahezu zwangsläufig dazu, dass Lichtbilder aus unterschiedlichsten Motiven gefertigt werden. So fertigen Hotelbesitzer oder Restaurantbetreiber Fotos von den Räumen, um ihre Räumlichkeiten in einer Online-Werbung, über einen Internetauftritt in Form der eigenen Webseite oder eines Auftritts in sozialen Netzwerken wie G oder J potentiellen Kunden zu präsentieren. Interessenten sollen sich so einen Gesamteindruck von dem Stil und der Atmosphäre der Räumlichkeiten verschaffen können. Eine Wandtapete prägt den Gesamteindruck eines Raumes maßgeblich. Eine Fotografie eines Raumes ohne Abbildung der Wandtapete führt zu einer verfremdeten und verzerrten Darstellung des jeweiligen Raumes. Würde der Eigentümer einer Räumlichkeit die Fototapete retuschieren, so würde er sich in der Öffentlichkeit zu Recht der Kritik aussetzen, seine Räumlichkeiten anders zu bewerben, als diese sich in der Realität darstellen. Kein Eigentümer eines Cafés oder Restaurants erwirbt eine Tapete und tapeziert damit seinen Gastraum, wenn dies dazu führt, dass er diesen nicht auf Internetauftritten abbilden kann. Auch bei Privatpersonen ist ohne Weiteres vorhersehbar, dass z.B. bei privaten Feiern oder auch bei der Weiterveräußerung des Objektes, in welchem die Fototapete angebracht ist, Lichtbilder erstellt und in sozialen Netzwerken geteilt werden. Niemand kann erwarten, dass im Rahmen von Familienfeiern oder einer Weiterveräußerung Lichtbilder gefertigt werden, auf denen die Fototapete beseitigt, verhängt oder retuschiert ist. Da eine Fototapete regelmäßig das Raumbild bestimmt, wird der dahingehende Konflikt nicht über § 57 UrhG aufgelöst.

Nach Auffassung der Kammer ist es als branchenüblich anzusehen, dass keine gesonderte Vergütung für Rechte an der öffentlichen Zugänglichmachung und Vervielfältigung von Lichtbildern der mit Fototapeten ausgestatteten Räumlichkeiten bezahlt wird. Die Inaugenscheinnahme der Webseiten von Baumärkten (z.B. I3) oder anderen Fototapeten-Vertreibern ergibt, dass keine Branchenübung besteht, die Rechte gegen zusätzliche Vergütung auf dem Markt anzubieten, was dafür spricht, dass Rechte mit der Grundvergütung abgegolten und auch übertragen wurden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Köln im Urteil vom 18.08.2022 (AZ. 14 O 350/21) hat es deshalb nicht nahegelegen, einen entsprechenden Passus in die Rechnung aufzunehmen und dafür einen höheren Preis zu zahlen. Ein solches Angebot findet sich auf dem Markt nicht. Auch die Klägerin, die von C vertreten wird, behauptet nicht, dass sie eine entsprechende Lizensierung angeboten hat.

Neben der Üblichkeit muss sich der Urheber der weitreichenden stillschweigenden Einräumung bewusst gewesen sein (vgl. BGH GRUR 2004, 938, 939). Dies ist vorliegend zu bejahen. Die vorstehenden Begleitumstände sprechen dafür, dass, redliches Verhalten unterstellt, ein entsprechender Wille zur Einräumung von Nutzungsrechten im dargestellten Umfang bestand. Hinzu kommt, dass C geschäftsführender Gesellschafter der N war, es also in der Hand hatte, die Umstände des Vertriebs der Tapeten zu gestalten. Er nahm trotz der sich aufdrängenden urheberrechtlichen Konsequenzen im Rahmen der üblichen Nutzung der Fototapeten keine Hinweise auf ein „Fotografierverbot“ oder die Notwendigkeit einer weiteren Lizensierung auf. Auch trägt er nicht vor, von ihm autorisierte Hersteller zu entsprechenden Hinweisen veranlasst zu haben.

Der Annahme einer konkludenten Rechteeinräumung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ausdrücklich vorträgt, dass der Nutzung für Fototapeten lediglich die Einräumung einfacher Nutzungsrechte zu Grunde lag. Die Klägerin, deren gesetzlicher Vertreter der Fotograf ist, stellt den Sachverhalt, der – lauteres Verhalten der Beteiligten unterstellt – aus den vorstehenden Erwägungen aus Sicht der Kammer die Annahme einer konkludenten Rechteübertragung gebietet, nicht in Abrede. Wie vorstehend dargestellt, geht die Kammer auch nicht von einer Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte aus.

II. In jedem Fall ist die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Verletzungshandlung durch eine vorherige Einwilligung (§ 183 BGB) ausgeschlossen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auch dann nicht zu, wenn der Urheber vermittelt über die autorisierten Hersteller zwar kein entsprechendes Nutzungsrecht eingeräumt und ihnen die Werknutzung auch nicht schuldrechtlich gestattet hat. Dem Verhalten des Urhebers ist jedenfalls die objektive Erklärung zu entnehmen, dass er mit der Nutzung der auf der Tapete bearbeiteten Lichtbilder in Form von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestatteten Räume und deren Veröffentlichung im Internet einverstanden ist.

Ein Berechtigter, der eine Fototapete ohne Einschränkungen vertreibt, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen (vgl. BGH GRUR 2008, 245 – Drucker und Plotter). Da es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ankommt, ist es ohne Bedeutung, ob der Urheber gewusst hat, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen mit der Fototapete verbunden sind. Danach hat sich der Urheber mit dem Vertrieb seiner Werke als Fototapete ohne Angaben jeglicher einschränkender Zusätze hinsichtlich der erlaubten Verwertungshandlungen, mit der Wiedergabe der Fototapeten auf Internetseiten einverstanden erklärt (vgl. ähnlich BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 69/08 - Vorschaubilder). Für diese Rechtsauffassung spricht im Übrigen auch der in § 17 Abs. 2 zum UrhG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass das Urheberrecht ebenso wie andere Schutzrechte gegenüber dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzten Ware zurücktreten muss (vgl. BGH GRUR 2001, 51 – Parfumflakon). Zwar betrifft die vorliegende Konstellation nicht den Weitervertrieb der Fototapete selbst, sondern ihre bestimmungsgemäße Nutzbarkeit. Der Rechtsgedanke ist indessen auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Darf nach der angeführten Entscheidung des BGH derjenige, der ein urheberrechtlich geschütztes Produkt legal weiter verkauft, im Interesse der Verkehrsfähigkeit der Waren ein Abbild hiervon auch zu Werbezwecken nutzen und insoweit öffentlich zugänglich machen, ohne weitergehende Nutzungsrechte einholen zu müssen, kann im Hinblick auf die streitgegenständlich in Rede stehende Nutzbarkeit der Fototapete nichts anderes gelten. Ein Verbot, Räume, die mit einer Fototapete ausgestattet sind, zu fotografieren, würde die Verkehrsfähigkeit von Fototapeten maßgeblich einschränken.

Auch der Gedanke, wonach die Interessen des Urhebers im Rahmen der Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks zurücktreten müssen, kann vorliegend ergänzend herangezogen werden. Im Hinblick auf die feste untrennbare Verbindung der Fototapete mit dem Bauwerk sind die Interessen des Eigentümers bzw. Besitzers zu berücksichtigen. Die Interessen des Eigentümers bzw. Besitzers, der die Tapete nicht vorübergehend entfernen kann, um Lichtbilder der Räumlichkeiten zu erstellen, überwiegen vorliegend das Recht des Urhebers, der es in der Hand hat, im Rahmen des Inverkehrbringens des urheberrechtlich geschützten Werkes dieses vorausschauend so zu gestalten, dass eine entsprechende Beeinträchtigung ausgeschlossen ist.

III. Den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen steht jedenfalls der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen, soweit der Fotograf dem Beklagten keine Nutzungsrechte zur Fertigung der Lichtbilder der mit der Fototapete ausgestatteten Räume übertragen hat.

Die Ausübung eines Rechts ist in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (BGH NJW 1971, 2226; Grüneberg in: Grüneberg, 81. Auflage, § 242 BGB Rn. 43). Dieser Gedanke findet sich in der gesetzlichen Regelung des § 162 Abs. 2 BGB. Das unredliche Verhalten muss dem Gläubiger Vorteile und dem Schuldner Nachteile gebracht haben, die bei redlichem Verhalten nicht entstanden wären (Grüneberg aaO.)

Dies ist vorliegend der Fall. C. der der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 97, 97a UrhG abgetreten hat, hat diese Ansprüche durch sein eigenes vertragswidriges Verhalten erlangt. Soweit er über die von ihm autorisierten Hersteller Fototapeten vertrieben hat, ohne den Erwerbern entsprechende urheberrechtliche Nutzungsrechte einzuräumen für eine Nutzung (Vervielfältigung durch Erstellen von Lichtbildern der mit den Fototapeten ausgestatteten Räumen und deren öffentliches Zugänglichmachen), die jedenfalls den äußeren Umständen nach ohne weiteres vorhersehbar war, hat er sich vertragswidrig verhalten. Die Erwerber der Tapeten durften im Hinblick auf die notwendige untrennbare Verbindung der Tapeten mit den Wänden davon ausgehen, dass sie Lichtbilder der Räume fertigen und diese auch öffentlich zugänglich machen durften, soweit kein gegenteiliger Hinweis erfolgte. Da es C als Geschäftsführer der N oder im Rahmen der Autorisierung anderer Hersteller in der Hand hatte, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen, hat er die urheberrechtlichen Verletzungshandlungen, aus denen die geltend gemachten Ansprüche hergeleitet werden sollen, selbst provoziert.

IV. Die Klägerin kann die geltend gemachten Ansprüche auch nicht aus einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts in Gestalt des Urheberbenennungsrechts gem. § 13 UrhG herleiten, weil davon auszugehen ist, dass C im Rahmen des Vertriebs der Fototapete auf das Urheberbenennungsrecht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat, weil er keinen Hinweis auf die Notwendigkeit der Urheberbenennung auf die von N vertriebenen Tapeten anbringen ließ und auch etwaige von ihm autorisierte Hersteller zu einem Hinweis nicht veranlasste.


Den Volltext der Entscheidung mit Wiedergabe der streitgegenständlichen Fotos finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben aber aus § 242 BGB möglich

BGH
Urteil vom 27.09.2023
IV ZR 177/22
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 15 Abs. 1, 3; BGB § 242


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben - Aber möglicherweise Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Dem Versicherungsnehmer kann aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung zustehen, wenn er in entschuldbarer Weise über
Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist.

b) Aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO folgt grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben zu den Prämienanpassungen samt Anlagen.

BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22 - OLG Frankfurt am Main - LG Gießen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben - Aber möglicherweise Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben

BGH
Urteil vom 27.09.2023
IV ZR 177/22


Der BGH hat entschieden, dass ein Versicherungsnehmer keinen Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen eine private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben hat. Ein solcher Anspruch kann sich aber möglicherweise aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben.


Die Pressemitteilung des BGH:
Zum Auskunftsanspruch über frühere Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Versicherungsnehmer aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung zustehen kann, wenn er in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Dagegen folgt aus Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben zu den Prämienanpassungen samt Anlagen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit von Prämienanpassungen in seiner privaten Krankenversicherung. Mit der Klage hat er vom beklagten Versicherer unter anderem Auskunft über alle Beitragserhöhungen aus den Jahren 2013 bis 2016 durch Vorlage von Unterlagen verlangt, die Angaben zur Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die ihm übermittelten Anschreiben mit Begründungen, die Nachträge zum Versicherungsschein sowie die Beiblätter enthalten. Diesen Antrag hat er im Rahmen einer Stufenklage gestellt, mit der er unter anderem die Feststellung, dass die noch genauer zu bezeichnenden Erhöhungen unwirksam seien, und die Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrages verlangt hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert und die Beklagte unter anderem antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten.

Die Entscheidung des Senats:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Auskunftsklage zulässig ist. Zwar ist das Rechtsschutzbegehren als Stufenklage im Sinne des § 254 Zivilprozessordnung unzulässig, da es dem Kläger nicht um die Bezifferung eines Anspruchs, sondern um die Prüfung geht, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Der Auskunftsantrag kann jedoch in eine von der Stufung unabhängige Klage umgedeutet werden. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft, da er sie benötigt, um zu prüfen, ob vergangene Beitragserhöhungen unwirksam waren und ihm daraus Rückzahlungsansprüche zustehen.

Einem Versicherungsnehmer kann aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen zustehen. Dieser Anspruch setzt zunächst voraus, dass ihm noch Rückzahlungsansprüche aufgrund früherer Prämienerhöhungen, falls diese unwirksam gewesen sein sollten, als Grund für das Auskunftsbegehren zustehen könnten. Darüber hinaus ist erforderlich, dass er nicht mehr über die betreffenden Unterlagen verfügt und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise verschaffen kann. Wenn dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Gründe für diesen Verlust zu entscheiden, ob er in entschuldbarer Weise über sein Recht im Ungewissen ist. Die hierfür maßgebenden Umstände hat der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen.

Dagegen folgt ein solcher Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht aus Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO. Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen lässt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht herleiten, da es sich weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handelt. Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ergibt sich nur ein Anspruch auf eine Kopie der Daten, zu denen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft zu erteilen wäre, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente. Dazu hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 4. Mai 2023 (C-487/21, NJW 2023, 2253) entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 DSGVO den Gegenstand und den Anwendungsbereich des Auskunftsrechts und Art. 15 Abs. 3 DSGVO die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der Verpflichtung festlege; daher könne Art. 15 DSGVO nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewähre.

Die Revision hatte auf dieser Grundlage zum Teil Erfolg und führte unter anderem zu einer Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich der Auskunftsklage. Soweit das Berufungsgericht noch nicht alle Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben geprüft hat, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es dies nachholen kann.

Vorinstanzen:

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 7. April 2022 - 3 U 266/21

LG Gießen - Urteil vom 31. August 2021 - 2 O 545/20

Die maßgebliche Vorschriften lauten:

§ 254 ZPO

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

§ 242 BGB

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Art. 15 DSGVO

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:



(3) 1Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. …



EuGH-Generalanwalt: Auskunft nach Art. 15 DSGVO muss nicht aus Gründen gemäß 63. Erwägungsgrund verlangt werden - keine kostenlose Kopie vollständiger Patientenakte

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.04.2023
C‑307/22


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch aus Auskunft bzw. Überlassung von Kopien nach Art. 15 DSGVO nicht zwingend aus Gründen gemäß 63. Erwägungsgrund der DSGVO verlangt werden muss, sondern auch zu datenschutzfremden Zwecken begehrt werden kann. Einen Anspruch auf kostenlose Überlassung der vollständigen Kopie einer Patientenakte besteht jedoch nicht.

Aus den Schlussanträgen:
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, der betroffenen Person eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person die Kopie nicht für die im 63. Erwägungsgrund der DSGVO genannten Zwecke, sondern für einen anderen, datenschutzfremden Zweck beantragt.

Eine nationale Regelung, die von Patienten, die Kopien ihrer in Patientenakten enthaltenen personenbezogenen Daten beantragen, verlangt, dass sie den Ärzten die entstandenen Kosten erstatten, ist nach Art. 23 Abs. 1 DSGVO zulässig, sofern die Beschränkung des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Hinblick auf die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der unternehmerischen Freiheit der Ärzte erforderlich und verhältnismäßig ist. Das nationale Gericht hat insbesondere zu prüfen, ob die Kosten, deren Erstattung die Ärzte von den Patienten verlangen können, strikt auf die tatsächlich anfallenden Kosten beschränkt sind.

Der Ausdruck „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, in Art. 15 Abs. 3 DSGVO kann im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht dahin ausgelegt werden, dass er der betroffenen Person ein allgemeines Recht darauf gewährt, eine vollständige Kopie aller in ihrer Patientenakte enthaltenen Dokumente zu erhalten. Jedoch hat der Verantwortliche der betroffenen Person bestimmte Dokumente teilweise oder vollständig in Kopie zur Verfügung zu stellen, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die übermittelten Daten verständlich sind und dass die betroffene Person in der Lage ist, zu überprüfen, ob die übermittelten Daten vollständig und richtig sind.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

AG Ludwigsburg: Rechtsmissbrauch durch Google Fonts-Abmahnungen - Kein Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten

AG Ludwigsburg
Urteil vom 28.02.2023
8 C 1361/22

Das AG Ludwigsburg hat zutreffend entschieden, dass die Google Fonts-Abmahnungen eine Serienabmahners rechtsmissbräuchlich waren. Daher besteht auch kein Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Widerkläger hat gegen die Widerbeklagte keinen Anspruch auf Unterlassung gem. § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog und auf Schadensersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wegen der dynamischen Einbindung von X. Fonts auf der Webseite der Widerbeklagten.

1. Das Landgericht München I (Urteil vom 20.01.2022 -3017493/20 -, juris) hat entschieden, dass die unerlaubte Weitergabe der IP-Adresse eines Webseitenbesuchers wegen der dynamischen Einbindung von X. Fonts auf der Webseite eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Webseitenbesuchers darstellt und ein Unterlassungsanspruch gem. § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog sowie ein Schadensersatzanspruch gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO bestehen, wenn keine Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen.

14
Unbestritten hat der Widerkläger am 17.09.2022 die Webseite der Widerbeklagten unter Einsatzes eines Webcrawlers aufgesucht. Ob der Besuch mit der IP-Adresse des Widerklägers (…) erfolgte, ob die Widerbeklagte einen Link zugunsten von X. in den USA zur Weiterleitung der IP-Adresse des Besuchers der Webseite eingerichtet hatte und die IP-Adresse des Widerklägers an einen Server von X. in den USA gesandt wurde, kann dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO beim Aufsuchen der Webseite mittels eines Webcrawlers überhaupt in Betracht kommt.

2. Den vom Widerkläger geltend gemachten Ansprüchen steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegen.

Die Rechtsausübung ist rechtsmissbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., §242 Rn. 50). Das Interesse ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als beherrschendes Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen, wobei eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 28.05.2020 -1 ZR 129/19 -, juris).

In § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG ist geregelt, dass eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen ist, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen dem § 8 Abs. 4 Abs. 1 UWG, der allerdings die Vertragsstrafe nicht erwähnte. Der Gesichtspunkt des rechtsmissbräuchlichen Einnahmeerzielungs- und Kostenbelastungsinteresse ist in der Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht seit langem anerkannt (Köhler-Bornkamm-Feddersen, UWG, 41. AufI. § 8c Rn. 14).

Auch wenn diese Vorschrift mangels eines Wettbewersbverhältnisses der Parteien und einer gewerblichen Tätigkeit des Widerklägers keine direkte Anwendung findet, ändert dies nichts daran, dass der Rechtsgedanke des § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG auch im Rahmen des § 242 BGB zu berücksichtigen ist (LG Dresden, Urteil vom 11.01.2019 -1a O 1582/18 -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint die Rechtsausübung des Widerklägers rechtsmissbräuchlich, da nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände beim Widerkläger nicht das Unterlassungsinteresse, sondern das Interesse an einer Einnahmeerzielung im Vordergrund steht.

a. Der Widerkläger hat innerhalb des Zeitraums vom 14.09.2022 bis 20.10.2022 unter Berücksichtigung der nach fortlaufenden Nummern vergebenen Aktenzeichen 217.540 Anschreiben verschickt, welche dem an die Widerbeklagte unter dem Datum vom 20.10.2022 verschickten Anschreiben entsprechen. Dass die Aktenzeichen nach fortlaufenden Nummern vergeben wurden, hat der Widerkläger, der dies vorgerichtlich noch in Abrede gestellt hatte, nicht bestritten.

Bei den verschickten Anschreiben handelt es sich nicht um klassische Abmahnungen, da nicht die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassung verlangt wird. Vielmehr wird zur umfassenden Abgeltung der datenschutzrechtlichen Ansprüche eine Zahlung von 170,00 Euro als Vergleich angeboten. Hätten alle im oben genannten Zeitraum Angeschriebenen den Betrag von 170,00 Euro bezahlt, hätte der Widerkläger einen Betrag in Höhe von 36.981.800,00 Euro eingenommen.

Der Widerkläger selbst hat angegeben, dass es ihm vorrangig darum ging, Aufmerksamkeit für das Thema X. Fonts zu erzeugen, um hierüber eine Änderung des Nutzerverhaltens zu er reichen. Dass dies nur dadurch zu erreichen war, dass eine so große Anzahl von Anschreiben verschickt wird verbunden mit der Aufforderung 170,00 Euro an den Widerkläger zu bezahlen, um die Sache auf sich beruhen zu lassen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Soweit der Widerkläger vorträgt, dass es sich bei diesem Betrag um eine Schmerzensgeldforderung handle, wird darauf hingewiesen, dass dies dem Anschreiben nicht zu entnehmen ist. In dem Anschreiben wird der Betrag in Höhe von 170,00 Euro vielmehr als Ausgleichszahlung zur Abgeltung der vorgenannten Ansprüche gefordert. Im Abmahnschreiben vom 12.12.2022 hat der Widerkläger dann erstmals einen Betrag in Höhe von 170,00 Euro als Schmerzensgeld gefordert.

b. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Unterlassungsinteresse des Widerklägers durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 170,00 Euro besänftigt hätte werden können.

Mit Abgabe der Unterlassungserklärung soll zukünftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden. Bereits dadurch, dass der Widerkläger im Anschreiben vom 20.10.2022 angeboten hat, bei Zahlung eines Betrages in Höhe von 170,00 Euro die Sache auf sich beruhen zu lassen, kommt zum Ausdruck, dass es dem Widerkläger nicht vorrangig darum ging, dass weitere datenschutzrechtliche Verstöße unterbleiben, sondern um die Erzielung von Einnahmen. Der Widerkläger selbst hat ausgeführt, dass die Abgabe einer Unterlassungserklärung zwar zielführender gewesen wäre, diese aber im Zweifel nicht notwendig sei. Dies begründet der Widerkläger damit, dass wer auf seiner Webseite X. Fonts einmal zulässig eingestellt hat, dies kaum wieder rückgängig machen wird. Dies mag zwar so sein, ändert jedoch nichts daran, dass jedenfalls eine Wiederholungsgefahr besteht, welche der Widerkläger in Kauf nimmt, wenn er dafür 170,00 Euro erhält.

Darüber hinaus hat der Widerklägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Widerkläger davon ausgegangen wäre, dass mit der Bezahlung des Betrages von 170,00 Euro durch den Angeschriebenen die Webseite datenschutzkonform ausgerichtet wurde. Dem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass eine Überprüfung stattgefunden hätte, ob tatsächlich eine datenschutzkonforme Ausrichtung erfolgt ist. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass es dem Widerkläger in erster Linie darum ging, von den Angeschriebenen die 170,00 Euro zu erhalten.

Dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich der Abmahnende seinen Unterlassungsanspruch vom Abgemahnten abkaufen lässt, ist auch im Wettbewerbsrecht anerkannt (OLG München, Urteil vom 22.12.2011 - 29 U 3463/11-, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 07.07.2010 - 5 U 16/10-, juris).

c. Für ein im Vordergrund stehendes Einnahmeerzielungsinteresse spricht auch, dass der Widerkläger bislang nur dann weitere Maßnahmen ergriffen hat, wenn von den Angeschriebenen negative Feststellungsklage erhoben wurde, obwohl nur insgesamt 2.418 Angeschriebene die geforderten 170,00 Euro bezahlt haben. Soweit der Widerklägervertreter ausführt, dass auch im Hinblick auf den hohen Verwaltungsaufwand die Ansprüche bislang nicht weiter verfolgt worden seien, überzeugt dies nicht. Zum einen gab der Widerklägervertreter an, dass dies „auch“ am hohen Verwaltungsaufwand liege, ohne noch einen weiteren Grund zu nennen. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum nicht jedenfalls gegen eine gewisse Anzahl der Angeschriebenen, welche nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist die Vergleichssumme nicht bezahlt hat und auch keine negative Feststellungsklage erhoben hat, weiter vorgegangen wurde, zumal dem Anschreiben eindeutig zu entnehmen ist, dass nur bei Bezahlung der Vergleichssumme der Widerkläger die Sache auf sich beruhen lässt. Tatsächlich war es aber so, dass - anstatt die Ansprüche der bereits Angeschriebenen weiterzuverfolgen -immer noch weitere Anschreiben verschickt wurden.

d. Für eine rechtsmissbräuchliche Ausübung spricht auch, dass unter Berücksichtigung des Umfangs der Aktion und des Kostenrisikos sowohl auf Seiten des Widerklägers als auch auf Seiten des Widerklägervertreters anzunehmen ist, dass der Widerkläger mit seinem Bevollmächtigten in kollusiver Weise eine Teilung des erwirtschafteten Gewinns vereinbart hat.

Es oblag dem Widerkläger im Rahmen der sekundären Darlegungslast nachvollziehbar darzulegen, wie das Mandat abgerechnet wird bzw. was er an seinen Bevollmächtigten bezahlt hat. Der Widerkläger hat trotz des Bestreitens der Widerbeklagten, dass überhaupt eine Beauftragung erfolgt ist und, wenn doch, dass der Widerkläger seinen Bevollmächtigten bezahlt hat, dies weder nachvollziehbar dargelegt noch unter Beweis gestellt. Der Widerkläger hat lediglich ausgeführt, dass er den von ihm beauftragten Anwalt für seine Tätigkeit, und zwar für jedes Mandat, gemäß Gesetzeslage bezahlt. Hinsichtlich der Gesetzeslage hat er auf die Novembermann Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 06.06.2019 -I ZR 150/18-, juris) hingewiesen und dargelegt, dass ein kumulierter Streitwert aller inhaltsgleicher Verfahren zugrunde zu legen sei. Dies führe unter Berücksichtigung von 217.540 Anschreiben zu einem je Angeschriebenen zu zahlenden Betrag in Höhe von brutto 1,89 Euro (Streitwert 36.981.180,00 Euro, 1,3 Geschäftsgebühr 161.185,70 Euro zzgl. Postkosten 184.909,00 Euro zzgl. 19 % MwSt. ergibt 411.852.69 Euro). Dem Rechenmodell liegt eine ex-post-Betrachtung für den Zeitraum 14.09. - 20.10.2022 zugrunde. Insoweit wurden vom Widerkläger die Angaben der Widerbeklagten hinsichtlich der Anzahl der in diesem Zeitraum verschickten Anschreiben übernommen. Unbestritten verschickte der Widerkläger aber entsprechende Anschreiben über mehrere Monate, also über einen längeren Zeitraum als vom 14.09 - 20.10.2022. Unter Berücksichtigung, dass der Widerkläger den Widerklägervertreter in Bezug auf jedes Mandat vergütet haben will, ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht, auf welchen Betrag sich die Vergütung für das Tätigwerden des Widerklägervertreters beläuft. Des Weiteren mag die aufgrund der vorgenommenen Berechnung pro Anschreiben berechnete Vergütung gering sein, in Anbetracht der großen Anzahl von Anschreiben ist die Vergütung aber hoch und es ist nicht plausibel, dass der Widerkläger dieses Kostenrisiko selbst trägt. Es widerspricht aber auch der Lebenserfahrung, dass der Widerklägervertreter tätig wird, obwohl ihm unter Berücksichtigung der von ihm vorgenommenen Berechnung seiner Vergütung für den Zeitraum 14.09 -20.10.2022 bereits unter Berücksichtigung der Portokosten für die Anschreiben keine kostendeckende Vergütung mehr zustehen dürfte.

3. Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren für das Abmahnschreiben vom 12.12.2022 teilt das Schicksal der Hauptforderung.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO umfasst regelmäßig auch Identität der Empfänger personenbezogener Daten

EuGH
Urteil vom 12.01.2023
C-154/21
Österreichische Post (Informationen über die Empfänger personenbezogener Daten)


Der EuGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO regelmäßig auch die Identität der Empfänger personenbezogener Daten umfasst.

Tenor der Entscheidung:
Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz‑Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Recht der betroffenen Person auf Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten bedingt, dass der Verantwortliche, wenn diese Daten gegenüber Empfängern offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, verpflichtet ist, der betroffenen Person die Identität der Empfänger mitzuteilen, es sei denn, dass es nicht möglich ist, die Empfänger zu identifizieren, oder dass der Verantwortliche nachweist, dass die Anträge auf Auskunft der betroffenen Person offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 sind; in diesem Fall kann der Verantwortliche der betroffenen Person lediglich die Kategorien der betreffenden Empfänger mitteilen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Jeder hat das Recht zu erfahren, an wen seine personenbezogenen Daten weitergegeben wurden

Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche kann sich jedoch darauf beschränken, nur die Empfängerkategorien mitzuteilen, wenn es nicht möglich ist, die Empfänger zu identifizieren, oder wenn der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist

Ein Bürger beantragte bei der Österreichischen Post, der größten Anbieterin von Post- und Logistikdiensten in Österreich, ihm mitzuteilen, gegenüber welchen Empfängern sie seine personenbezogenen Daten offengelegt habe.

Er stützte sich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese sieht vor, dass eine betroffene Person das Recht hat, von dem Verantwortlichen Informationen über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern zu erhalten, gegenüber denen ihre personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden.

Bei der Beantwortung der Anfrage des Bürgers beschränkte sich die Österreichische Post auf die Mitteilung, sie verwende personenbezogene Daten, soweit das rechtlich zulässig sei, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Herausgeberin von Telefonbüchern und biete diese Daten Geschäftskunden für Marketingzwecke an. Der Bürger erhob daraufhin gegen die Österreichische Post Klage vor den österreichischen Gerichten.

Im Lauf des gerichtlichen Verfahrens teilte die Österreichische Post dem Bürger weiter mit, seine Daten seien an Kunden weitergegeben worden, zu denen werbetreibende Unternehmen im Versandhandel und stationären Handel, IT-Unternehmen, Adressverlage und Vereine wie Spendenorganisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder politische Parteien gehört hätten.

Der Oberste Gerichtshof (Österreich), bei dem der Rechtsstreit in letzter Instanz anhängig ist, möchte wissen, ob die DSGVO es dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen freistellt, ob er der betroffenen Person die konkrete Identität der Empfänger oder nur die Kategorien von Empfängern mitteilt, oder ob die betroffene Person gemäß der DSGVO das Recht hat, die konkrete Identität dieser Empfänger zu erfahren.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Verantwortliche, wenn personenbezogene Daten gegenüber Empfängern offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, verpflichtet ist, der betroffenen Person auf Anfrage die Identität der Empfänger mitzuteilen. Nur wenn es (noch) nicht möglich ist, diese Empfänger zu identifizieren, kann sich der Verantwortliche darauf beschränken, lediglich die Kategorien der betreffenden Empfänger mitzuteilen. Dies ist ebenfalls der Fall, wenn der Verantwortliche nachweist, dass der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass dieses Auskunftsrecht der betroffenen Person erforderlich ist, um es ihr zu ermöglichen, die anderen Rechte auszuüben, die ihr gemäß der DSGVO zukommen, nämlich das Recht auf Berichtigung, das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“), das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, das Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung oder auch das Recht auf einen Rechtsbehelf im Schadensfall.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: